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GLEICHHEIT/6080: Krise der Deutschen Bank - Deutschland und USA werfen sich gegenseitig Wirtschaftskrieg vor


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Krise der Deutschen Bank:
Deutschland und USA werfen sich gegenseitig Wirtschaftskrieg vor

Von Stefan Steinberg
5. Oktober 2016


Die transatlantischen Spannungen haben sich weiter verschärft. Deutsche Politiker werfen der US-Regierung vor, sie führe einen Wirtschaftskrieg gegen Deutschlands wichtigstes Finanzinstitut, die Deutsche Bank.

Am Freitag sank der Aktienpreis der Deutschen Bank auf unter zehn Euro, d.h. den tiefsten Stand seit 1983. Das US-Justizministerium fordert von der Bank die Zahlung von vierzehn Milliarden Dollar Geldstrafe als Schadensersatz für ihre Aktivitäten auf dem Subprime-Hypothekenmarkt in den Jahren vor der Finanzkrise von 2008.

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie, Peter Ramsauer, erklärte in der Welt am Sonntag über die Krise der Bank, das Vorgehen des US-Justizministeriums gegen die Deutsche Bank trage "wirtschaftskriegsähnliche Züge".

Er verurteilte Washingtons "erpresserische Schadensersatzforderungen" gegen die Deutsche Bank und erklärte, in den USA existiere "eine lange Tradition, jeden Anlass für handelskriegsähnliche Scharmützel zu nutzen, wenn das der eigenen Wirtschaft nutzt."

Markus Ferber, Abgeordneter im Europäischen Parlament und wie Ramsauer CSU-Mitglied, unterstützte Ramsauers Äußerungen. In der Welt erklärte Ferber, das "Timing und die Höhe der Strafe gegen die Deutsche Bank muten wie eine Retourkutsche der US-Behörden" auf die Entscheidung der Europäischen Union an, von Apple eine Steuernachzahlung in Höhe von dreizehn Milliarden Euro zu fordern.

Nach der Entscheidung der EU gegen Apple bezeichnete US-Finanzminister Jack Lew die Geldstrafe als eine neue Form von Protektionismus gegen amerikanische Unternehmen und drohte an, die USA würden Vergeltungsmaßnahmen erwägen.

Der Vorsitzende der einflussreichen US-Lobbyorganisation Business Roundtable, John Engler, unterstützte Lews Drohungen mit der Anschuldigung, die "rücksichtslose und dramatische Überreaktion der EU" stelle eine "neue und gefährliche Form von Protektionismus" dar. Engler verschickte einen offenen Brief an die Regierungschefs aller 28 EU-Mitgliedsstaaten, in denen er sie aufforderte, die Aufforderung der Steuernachzahlung an Apple zurückzunehmen.

Im Wall Street Journal erschien vor kurzem ein Kommentar, der Engler unterstützte und einen Link auf seinen offenen Brief enthielt. In einer Kolumne mit dem Titel "Vestager sinnt auf Rache" behauptete die Zeitung, EU-Kommissarin Margrethe Vestager, die das Verfahren gegen Apple eröffnet hatte, würde "die EU durch die Einführung von rückwirkenden Steuererhöhungen in Windeseile in eine Bananenrepublik verwandeln."

Angesichts der massiven Geldstrafen, die die USA gegen den deutschen Autokonzern Volkswagen verhängt haben, und den negativen Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel über die von den USA propagierte Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) warnte der ehemalige amerikanische Botschafter in Deutschland John Kornblum vor "gefährlichem Populismus in der Neuen und der Alten Welt." Weiter erklärte er: "Wir befinden uns vielleicht im letzten Kapitel unserer transatlantischen Vision der Hoffnung."

Zwar beschäftigen sich die jüngsten transatlantischen Kampfhandlungen mit dem prekären Zustand der Deutschen Bank, doch auch anderen Banken droht die Insolvenz.

Der Journalist Jeremy Warner warnte am Samstag im Telegraph: "Es geht nicht nur um die Deutsche Bank. Der europäische Bankensektor ist völlig kaputt."

Er schrieb: "Natürlich sind alle Augen auf das konkrete Problem mit der Deutschen Bank gerichtet, aber sie ist eigentlich nicht viel mehr als eine Vorwarnung." Er zitierte den Vorstandschef von Credit Suisse, der letzte Woche erklärt hatte, der europäische Bankensektor an sich sei als Ganzes noch immer "kein gutes Anlageziel."

Warner erklärte weiter, eines der größten Probleme für europäische Banken sei ihre Besteuerung in den USA. Diese werde mit der Drohung durchgesetzt, den Banken die Lizenz zum Abrechnen in US-Dollar zu entziehen, wenn sie sich nicht fügen. Die von den USA geforderten Geldstrafen scheinen sich "nicht am Ausmaß des Fehlverhaltens zu orientieren, sondern fast ausschließlich an der Zahlungsfähigkeit."

Warner fragte, warum Banken zusätzliches Kapital aufbringen sollten, "wenn sie wissen, das US-Justizministerium wird es ihnen einfach wegnehmen?"

Politiker in Deutschland und ganz Europa sind sich bewusst, dass eine weitere Finanzierung der Banken nach den massiven Rettungsaktionen von 2008 und 2009 "politisches Gift" ist, wie es die Financial Times formulierte. Laut einer aktuellen Umfrage lehnen zwei Drittel der deutschen Bevölkerung weitere staatliche Finanzhilfen für die Banken ab.

Bundeskanzlerin Angela Merkel musste letzte Woche dementieren, dass ihre Regierung ein Rettungspaket für die Deutsche Bank plane. Am Freitag erklärte der Präsident der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem, die Deutsche Bank müsse aus eigener Kraft ohne Hilfe des deutschen Staates überleben.

Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Gabriel kritisierte in einer Nachricht an den Vorstandschef der Deutschen Bank die Spekulationspraktiken der Bank und die Marktkräfte, die versuchen, sie zu destabilisieren. Er schrieb wörtlich: "Ich weiß nicht, ob ich lachen oder wütend sein soll. Die Deutsche Bank hat das Spekulantentum zum Geschäftsmodell gemacht, jetzt klagt sie, dass sie Opfer von Spekulanten wird. Ich mache mir Sorgen um die Menschen, die bei der Deutschen Bank beschäftigt sind."

In Wahrheit schert sich Gabriel keinen Deut um das Personal der Deutschen Bank und seine Äußerungen über Spekulantentum sind pure Heuchelei. Als sie an der Regierung war, hat seine eigene Partei zwei wichtige Gesetze verabschiedet, durch die Gewinne aus dem Verkauf von Kapitalinvestitionen steuerfrei bleiben und die Aktivitäten von Hedgefonds in Deutschland erlauben.

Spekulanten fürchten die Folgen eines Zusammenbruchs der zehntgrößten Bank der Welt für ihre eigenen Aktivitäten. In der CNBC-Sendung "Power Lunch" erklärte der US-Finanzanalyst Larry McDonald, die Parallelen zwischen der Deutschen Bank und der gescheiterten US-Investmentbank Lehman Brothers würden ihn beängstigen, "weil wir uns in einer sehr ähnlichen Dynamik befinden."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 05.10.2016
Krise der Deutschen Bank:
Deutschland und USA werfen sich gegenseitig Wirtschaftskrieg vor
http://www.wsws.org/de/articles/2016/10/05/deut-o05.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2016

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