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GLEICHHEIT/6230: EU und IWF fordern weitere Sparmaßnahmen von Griechenland


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

EU und IWF fordern weitere Sparmaßnahmen von Griechenland

Von Robert Stevens
13. Februar 2017


Am Freitag einigten sich Vertreter der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds auf eine gemeinsame harte Haltung gegenüber Griechenland. Die Schuldenkrise des Landes verschlimmert sich derweil weiter.

Die Syriza-Regierung muss bis Juli weitere sieben Milliarden Euro an ihre Gläubiger zahlen. Andernfalls geraten sie in Verzug für die gesamten Schulden in Höhe von gigantischen 330 Milliarden Euro.

Griechenland wird von der Last seiner Schulden erdrückt. Fast jeder Cent der 300 Milliarden Euro, die es in den letzten sieben Jahren in Form von "Rettungsgeldern" erhalten hat, wurde benutzt, um seine Schulden an Banken und Finanzinstitute zu begleichen, die auch noch Zinsen fordern.

In den letzten zwei Jahren herrschte zwischen dem IWF und der EU eine unsichere Pattsituation. Der IWF betonte, er werde keine weiteren Rettungsprogramme für Griechenland finanzieren, wenn sie keinen Schuldenerlass beinhalten. Er hatte erklärt, Griechenland könne seine Schulden unmöglich zurückzahlen und lehnt die Forderung der EU ab, Athen müsse einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent vorweisen. Stattdessen will der IWF Griechenland langsamer ausbluten lassen. Damit die "Melkkuh" nicht verendet, dürfe kein Primärüberschuss von mehr als 1,5 Prozent gefordert werden und das Land müsse einen Teil der Schulden erlassen bekommen. Die geschäftsführende Direktorin des IWF, Christine Lagarde, erklärte letzte Woche bei einem Treffen des Atlantic Council: "Reformen sind absolut notwendig. Man kann mir die Fragen dreimal stellen, und ich werde jedes Mal das Gleiche sagen."

Bekräftigt wurde der IWF in seiner Haltung durch Bedenken, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone würde eine Lockerung der endlosen Haushaltskürzungen bedeuten und die Rückzahlung der Schulden gefährden. Letzte Woche geriet ein Bericht des IWF an die Presse, laut dem Griechenlands Schulden bis 2020 bei 170 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und bis 2022 bei 164 Prozent liegen werden. Danach soll sich die Lage noch weiter zuspitzen, für 2060 wird mit einem Schuldenstand in Höhe von 275 Prozent des BIP gerechnet.

Es gibt zwar taktische Meinungsverschiedenheiten darüber, wie man Griechenland den Austeritätskurs aufzwingen soll, aber niemand lehnt seine Umsetzung ab. Ein hochrangiger Vertreter der Eurozone erklärte gegenüber Reuters: "Wir sind uns einig, eine Einheitsfront gegen die Griechen zu bilden." Er wies darauf hin, dass der Vorschlag Griechenland noch unterbreitet werden muss, und erklärte. "Wir werden sehen, was daraus wird."

Über den Inhalt des "Deals" berichtete Reuters: "Laut Informationen werden die Gläubiger von Griechenland neue Kürzungen im Umfang von 1,8 Milliarden Euro bis 2018 fordern, und weitere 1,8 Milliarden nach 2018. Diese Einsparungen sollen hauptsächlich durch eine Ausweitung der Steuerbasis und Rentenkürzungen erzielt werden. Die neuen Kürzungen repräsentieren zwei Prozent des BIP, das seit 2010 bereits um fünfundzwanzig Prozent gesunken ist. Umgerechnet würden diese zusätzlichen Kürzungen jeden Mann, jede Frau und jedes Kind im Land um weitere 327 Euro ärmer machen.

Der Deal war das Ergebnis von Verhandlungen in Brüssel zwischen dem Präsidenten der Finanzminister der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem, dem Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici, dem geschäftsführenden Direktor des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Klaus Regling und Benoît Coeuré von der Europäischen Zentralbank. Der ESM ist verantwortlich für die Kreditzahlungen als Gegenleistung für die Einhaltung des Sparprogramms.

Am Freitagnachmittag traf auch der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos zu Gesprächen mit der EU-Führung ein. Laut der Athener Nachrichtenagentur hat Tsakalotos mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, ESM-Direktor Regling und dem Direktor der Europa-Abteilung des IWF Poul Thomsen über die Krise diskutiert.

Syriza ist in der griechischen Bevölkerung verhasst, weil sie ihr Versprechen gebrochen hat, Widerstand gegen den Sparkurs zu leisten. Stattdessen hat sie im Gegenzug für einen weiteren Kredit in Höhe von 86 Milliarden Euro den bisher brutalsten Kürzungen zugestimmt. In aktuellen Umfragen würden nur noch fünfzehn Prozent der Wähler für Syriza stimmen. Tsakalotos erklärte letzte Woche, ein Drittel der im aktuellen Programm verlangten Sparmaßnahmen, seien "vollständig umgesetzt." Ein weiteres Drittel sei "vollständig ausgehandelt" und über den Rest würde noch politisch verhandelt werden.

Während sich US-Präsident Donald Trump positiv über einen möglichen Zerfall der EU geäußert hat, befindet sich Griechenland einmal mehr im Auge des Sturms. Letzte Woche erklärte Trumps Wunschkandidat für den Posten des amerikanischen Botschafters in Europa, Ted Malloch, Griechenland könnte schon bald zum Austritt aus der Eurozone gezwungen sein. Außerdem sei der Euro selbst in Gefahr. In einem Interview mit dem griechischen Sender Skai TV sagte er: "Die Frage, ob die Eurozone überlebt, ist meiner Meinung nach durchaus akut."

Weiter erklärte er: "Großbritannien hat für den Austritt gestimmt, und in anderen europäischen Staaten finden Wahlen statt. Deshalb glaube ich, die Frage wird sich im Laufe des nächsten Jahres oder der nächsten eineinhalb Jahre klären."

Trump selbst hat mehrfach erklärt, Griechenland solle aus dem Euro austreten. Als er letztes Jahr seine Präsidentschaftskandidatur bekanntgab, bezeichnete er Griechenland als "nicht zu retten." Bereits im Oktober 2012 twitterte er: "Griechenland sollte aus dem Euro austreten und seine eigene Währung wieder einführen - es verliert nur Zeit."

Malloch erklärte zu den mittlerweile scheinbar überwundenen Streitigkeiten zwischen dem IWF und der EU: "Wenn [der IWF], wie er sagt, nicht an einer neuen Rettungsaktion teilnimmt, die keinen größeren Schuldenschnitt beinhaltet, dann befindet er sich mehr oder weniger offen auf Kollisionskurs mit den Gläubigern der Eurozone."

Deutschland ist die treibende Kraft des Widerstands gegen den Schuldenerlass. Gemeinsam mit anderen EU-Staaten, u.a. Frankreich, Belgien und Schweden, bezog es bei einem Treffen des IWF-Rats am 6. Februar Stellung gegen dessen Position zu Griechenland.

Die Financial Times schrieb in einem Leitartikel, der sich hauptsächlich gegen Deutschland richtete: "Der Rest der Mitglieder des IWF sollte bereit sein, die widerspenstigen Europäer zu überstimmen. Die Klagen einer selbstsüchtigen Gruppe dürfen nicht Griechenlands besten Interessen im Weg stehen. Die Regierungen der Eurozone haben bei diesem Thema schlecht agiert. Sie verdienen ihre Niederlage."

Deutschland reagierte darauf mit weiteren Drohungen gegen Griechenland. Am Mittwoch erklärte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, man werde Griechenland nichts von seinem riesigen Schuldenberg erlassen. Deutsche Banken beanspruchen einen beträchtlichen Teil dieser Schulden. Schäuble erklärte, ein Schuldenschnitt für ein Mitglied der europäischen Einheitswährung sei vom Vertrag von Lissabon ausgeschlossen. Zuvor müsste Griechenland die Eurozone verlassen.

Weiter erklärte er, der Druck auf die Regierung in Athen müsse hochgehalten werden, ansonsten könne das Land nicht im Währungsraum verbleiben.

Die Vorschläge der EU und des IWF werden der Syriza-Regierung vorgelegt, die in Griechenland eine soziale Konterrevolution durchführt.

35,7 Prozent der Bevölkerung gelten offiziell als arm, die Arbeitslosenquote beträgt dreiundzwanzig Prozent, unter Jugendlichen sogar 46 Prozent. Alleine im letzten Jahr hat Syriza im Gesundheitswesen Kürzungen von 350 Millionen Euro durchgeführt, während 2,5 Millionen Griechen keine Krankenversicherung haben. Die Ausgaben des Staates für die höhere Bildung wurden vor fünf Jahren um 75 Prozent gekürzt, danach in jedem Jahr um fünfzehn bis fünfundzwanzig Prozent. So hatte beispielsweise die Universität von Kreta im Jahr 2011 einen Etat von 17,5 Millionen Euro, heute muss sie mit 3,1 Millionen Euro auskommen.

Tsipras und die Syriza-Regierung reagierten auf Berlins Drohungen mit einer erneuten Solidaritätsbekundung für die EU. Am Dienstag trat er in Kiew bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko auf. Er sprach sich gegen die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland aus und erklärte: "Griechenland ist ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union und wird die Einheit Europas nicht beschädigen, auch wenn es ein besonderes Interesse an der Lösung der Krise und der Aufhebung der Sanktionen hat. Sie haben sich besonders schwer auf die griechische Wirtschaft ausgewirkt."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 13.02.2017
EU und IWF fordern weitere Sparmaßnahmen von Griechenland
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2017

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