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GRASWURZELREVOLUTION/1024: Philippinen - drohende Inbetriebnahme der "Bataan Nuclear Power Plant"


graswurzelrevolution 340, Sommer 2009
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

Der Tanz auf dem Vulkan
Auf den Philippinen droht die Inbetriebnahme der "Bataan Nuclear Power Plant" (BNPP)

Von David W.


Die philippinische Regierung erwägt die Reaktivierung eines Atomkraftwerks, das seit über 20 Jahren auf einem Vulkan auf der Halbinsel Bataan steht, ohne bisher auch nur eine Kilowattstunde produziert zu haben.


Als das einzige von sechs geplanten Kraftwerken wurde die "Bataan Nuclear Power Plant" (BNPP) im Zeitraum von 1977 bis 1984 unter der antikommunistischen Marcos-Diktatur gebaut.

Während der Bauarbeiten kam es bereits zu Protesten und Sabotageakten, die Baustelle glich zwischenzeitlich einer Militärbasis. Kurz vor der geplanten Inbetriebnahme kam es zu internationalen Protesten und zwei Generalstreiks in der Region um das AKW.

Die beiden "Welgang Bayan" (Streik des Volkes) 1984 und 1985 gelten als Inspiration der gewaltfreien "People Power Revolution", die 1986 die gehasste Diktatur stürzte.

Die massiven Proteste, eine Reihe an technischen Mängeln und nicht zuletzt die Tschernobyl-Katastrophe führten letztendlich dazu, dass die neue Regierung am 30. April 1986 Atomkraft per Gesetz verbot. Seitdem steht der "Weiße Elefant" (so werden Dinge bezeichnet, die keinen Nutzen haben) herum und hat noch nichts produziert, außer einen riesigen Schuldenberg.

Als das AKW noch in Planung war, hieß es zwar, die Kosten betrügen lediglich um die 500 Millionen Dollar, letztendlich wurden jedoch 2,3 Milliarden Dollar verpulvert. Mindestens 80 Millionen Dollar sollen dabei als Dankeschön für die Auftragserteilung an Marcos und seine Getreuen geflossen sein. Die Zahlungen für die BNPP machten jahrelang den größten Posten im Schuldendienst der Philippinen aus. Bis zu 300.000 Dollar flossen täglich an die Geldgeber im reichen Norden. Im Jahr 2007 wurden die Schulden offiziell beglichen, inoffiziell wurden dafür jedoch neue Kredite aufgenommen.

Jetzt gibt es einen Gesetzesentwurf, nach dem eine weitere Milliarde Dollar für die Reaktivierung der BNPP ausgegeben werden soll. Als größter Verfechter und Autor des Gesetzes gilt der Kongressabgeordnete Mark Cojuangco. Dessen Vater besitzt den Großteil der San Miguel Corporation, die wiederum an dem zukünftigen Betreiber MERALCO beteiligt ist. Cojuangco will noch dieses Jahr das Gesetz von Kongress und Senat absegnen lassen. Der zuständige Ausschuss im Kongress hat dem Vorhaben bereits zugestimmt.

Das ruft zahlreiche KritikerInnen auf den Plan: Das Atomkraftwerk liege am Fuße eines schlafenden Vulkans in einem Erdbebengebiet und sei zudem durch Tsunamis gefährdet, kritisieren Anti-Atom-Gruppen und Wissenschaftler. AnwohnerInnen berichten, dass keine Fachkräfte, sondern Fischer als Schweißer und Maurer beim Bau geholfen haben. Da wundert es nicht, dass allein schon im Jahr 1979 um die 4.000 Defekte entdeckt wurden. Weitere unabhängige Untersuchungen aus der Zeit nach der Marcos-Diktatur führten ebenfalls zu erheblichen Sicherheitsbedenken. Die Dokumente sollen heute jedoch seltsamerweise verschwunden sein.

Während die EinwohnerInnen der knapp 80 Kilometer entfernten Metropole Manila das Kraftwerk mehrheitlich ablehnen, ist die Bevölkerung rund um das Atomkraftwerk gespalten. Die einen fürchten Leukämie-Erkrankungen und eine Militarisierung der Region zur Abwehr von Terroranschlägen, die anderen sehen in der Reaktivierung einen Ausweg aus dem Problem der Arbeitslosigkeit. "Fürchte Armut, nicht das Atomkraftwerk", steht auf den Plakaten beim Kampagnenauftakt der AtomkraftbefürworterInnen.

Aber auch die Anti-Atom-Bewegung kommt in Fahrt. Mehrere Netzwerke formen sich zum Protest, die einflussreiche katholische Kirche kritisiert die Atompläne und erste internationale Solidaritätsgruppen werden aktiv. Dies ist dringend geboten. Der Atomeinstieg könnte nicht nur zu weiteren AKW-Neubauten auf den Philippinen führen, sondern auch internationale Signalwirkung haben: In Südostasien planen Thailand, Vietnam und Indonesien neben den Philippinen den Einstieg in die Risikotechnologie.


Infos:
www.notobnpp.wordpress.com/resources
An Solidaritätsarbeit Interessierte können sich bei david_werdermann@yahoo.de melden.


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Quelle:
graswurzelrevolution, 38. Jahrgang, GWR 340, Sommer 2009, S. 7
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2009