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GRASWURZELREVOLUTION/1709: Gewaltfrei, mutig und ungehorsam


graswurzelrevolution 424, Dezember 2017
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

Gewaltfrei, mutig und ungehorsam
Friedenspreisträgerin JunepA vor Gericht

von Clara Tempel


Das Jugendnetzwerk für Politische Aktion (JunepA) engagiert sich mit Direkten Gewaltfreien Aktionen unter anderem gegen Atomwaffen, Rüstungsexporte und Klimakiller. Am 1. September 2017, dem Antikriegstag, wurde JunepA mit dem Aachener Friedenspreis geehrt, weil sie, so die Jury, mit "kreativen Formen des zivilen Ungehorsams immer dort [sind], wo es brennt und wo es den Finger in die Wunden der heutigen Zeit zu legen gilt" (vgl. GWR 422, S. 2). Nun wurden Mitglieder von JunepA kriminalisiert. (GWR-Red.)


Im September 2016 haben neun Aktivist_innen in einer Aktion von JunepA (Jugendnetzwerk für politische Aktionen) die Flugbahn des Fliegerhorstes Büchel besetzt.

Parallel blockierten rund 30 Menschen die Zufahrten des Militärgeländes. Auf dem Fliegerhorst werden US-amerikanische Atomwaffen gelagert und von der Start- und Landebahn aus werden regelmäßig Flüge mit Tornados geübt, die diese Atombomben im Ernstfall abwerfen würden. Die Aktivist_innen konnten knapp eine Stunde unbemerkt auf der Flugbahn spazieren und sie mit Luftballons, Straßenmalkreide und Liedern beleben. Letztendlich wurden sie von Polizei und Bundeswehr aufgegriffen und rund drei Stunden auf dem Militärgelände in Gewahrsam genommen.

Im Sommer 2017 haben die Aktivist_innen Ladungen zu Gerichtsterminen bekommen. Der Vorwurf lautete: Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung. Die acht Angeklagten haben sich entschieden, das Verfahren politisch zu führen, waren sie doch überzeugt von der Legitimität ihrer Aktion. In drei Etappen und vollen Gerichtssälen wurde das Verfahren im September und Oktober am Amtsgericht Cochem geführt. Nachdem die Aktivist_innen geschildert hatten, wie sie auf das Gelände gekommen waren - nämlich, indem sie nur einen Draht aufdrehen mussten - wurde der Vorwurf der Sachbeschädigung schnell fallen gelassen. Bestehen blieb der Vorwurf des Hausfriedensbruches.

Bei ihrer Argumentation haben die Angeklagten nicht abgestritten, dass sie die Flugbahn besetzt haben. Vielmehr haben sie ihre eigene Aktion als Ausgangspunkt dafür genommen, dem Richter und der Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass Ziviler Ungehorsam notwendig ist. Bezweifelt haben die Aktivist_innen jedoch, dass es sich bei ihrer Aktion um Hausfriedensbruch gehandelt hat: "Der Fliegerhorst Büchel ist eindeutig kein häuslicher Bereich, in dem Frieden herrscht. Im Gegenteil: Hier wird der Krieg geübt. Tagtäglich."

Die Angeklagten haben in ihren Einlassungen und Schlussplädoyers ausführlich geschildert, was ihre Beweggründe für die Aktion waren. Dabei wurde vor allem auf die Bedrohung, die von Atomwaffen ausgeht, eingegangen.

"In Büchel wird völkerrechtswidrig im Rahmen der atomaren Teilhabe der Atomwaffenabwurf geübt. Büchel steht für die gefährlichste atomare Aufrüstung."

Die Aktivist_innen bekamen im Gerichtssaal viel Raum, um ihre Ansichten kundzutun. So konnten sie mehrfach darauf eingehen, welche wichtige Rolle Ziviler Ungehorsam in vergangenen gesellschaftlichen Veränderungen gespielt hat: "Gewaltfrei, mutig und ungehorsam. Die Geschichte zeigt, dass sich Gesetze, Gesellschaften und Realitäten nur langsam ändern. Aber um diese Veränderung zu beginnen, braucht es Menschen, die daran glauben, dass eine andere Welt möglich ist und auf Unrecht aufmerksam machen." Die eingereichten inhaltlichen Beweisanträge lehnte der Richter jedoch allesamt ab. Die Angeklagten appellierten in ihrem Schlusswort an ihn: "Sie, Herr Richter, können nun damit beginnen, Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen. Einen passenderen Zeitpunkt wird es nicht geben." Letztendlich kam es trotzdem zu einem Urteil von 30 Tagessätzen für alle Angeklagten.

Diese Verurteilung, die erst mal wie eine Niederlage aussieht, nehmen die Aktivist_innen jedoch als Motivation, weiterhin gegen die Atomwaffen zu kämpfen und diesen Kampf auch in die Gerichtssäle zu tragen: Sie haben Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt und wollen das Verfahren in mehreren Instanzen weiterführen. Außerdem haben sie schon neue Aktion angekündigt: "Gemeinsam werden wir neue Aktionen vorbereiten, neue Menschen mitnehmen, auf die Militärgelände, Landebahnen und Unrechtsorte dieser Welt".


Weitere Infos: http://junepa.blogsport.eu/

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Quelle:
graswurzelrevolution, 46. Jahrgang, Nr. 424, Dezember 2017, S. 24
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
Koordinationsredaktion Graswurzelrevolution:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2017

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