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KAZ/145: IGM-Führung - Eine neue Qualität des vorauseilenden Burgfriedens


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 330, April 2010
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Wie die IGM-Führung die Krise und die Tarifrunde 2010 "bewältigt":

Eine neue Qualität des vorauseilenden Burgfriedens


Seit Jahren versuchen die opportunistischen Gewerkschaftsführer krampfhaft nachzuweisen, dass es möglich ist, im Kapitalismus Arbeitsplätze zu sichern. Dafür treiben sie in regelmäßigen Abständen immer wieder eine "neue Sau" unter anderem Namen durchs Dorf. Bisher galten und gelten dafür bekanntlich: "Bündnisse für Arbeit", das so genannte "VW-Modell", das "Pforzheimer Abkommen" sowie "Standort- und sonstige Zukunfts- und Beschäftigungssicherungstarifverträge". Auf ihrer Basis wurde seit Beginn und Mitte der 1990er Jahre das mit dem Kapital vereinbarte Tauschgeschäft - "Lohnverzicht gegen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen" - in den Gewerkschaften salonfähig gemacht. Was vom Inhalt her heißt, je weniger Geld die Lohnabhängigen haben, um den Kapitalisten die von ihnen hergestellten Waren abzukaufen, desto sicherer sind ihre Arbeitsplätze.

Bei den diesjährigen "Sicherheitsverhandlungen" hat M. Kannegießer, Präsident der Kapitalistenvereinigung "Gesamtmetall", mit den Worten - "Wir haben nicht das unsinkbare Schiff erfunden" - festgestellt, wie es damit aussieht (Stuttgarter Nachrichten 20.1.2010) Zwischenzeitlich sind die nach dem o.g. Prinzip "gesicherten Schiffe" massenweise leck geschlagen und abgesoffen. Dabei haben sie die Mannschaften, die Belegschaften und ebenso die ganzen Sicherungsverträge gleich mit in die Tiefe gerissen. Arbeiterinnen und Arbeiter, die Angestellten wurden dabei in die Erwerbslosigkeit, in Richtung Hartz IV abgetrieben.


"Das Kapital lebt aber nicht nur von der Arbeit",

stellt Karl Marx in seiner Schrift Lohnarbeit und Kapital fest. "Ein zugleich vornehmer und barbarischer Herr, zieht es mit sich in die Gruft die Leichen seiner Sklaven, ganze Arbeiterhekatomben(1), die in den Krisen untergehen." (MEW Bd. 6, Lohnarbeit und Kapital, S. 423)

Den IGM-Vorstand hat das nicht davon abgehalten, den o.e. "Sicherungsverträgen" zur Unterstützung einen neuen an die Seite zu stellen. Seit Februar/März gilt dafür in allen IGM-Bezirken der Tarifvertrag "Zukunft in Arbeit". Hierbei ist die Art und Weise wie er zustande kam, ein Novum, über das in der IGM noch zu diskutieren ist. Was allerdings nichts an der Tatsache ändert, dass er der nächste untaugliche Versuch ist, dem Kapital bis Mitte 2012 die Gruft zu schließen. Sinnvoller Weise müsste der Tarifvertrag "Zukunft in Lohnarbeit" heißen.


Vorwärts in den Abgrund!

Das Paradebeispiel für den vorauseilenden Burgfrieden haben die Arbeiteraristokraten aus der IGM-Führung bei ihrer diesjährigen Tarifrunde unter dem Motto "Zukunft in Arbeit" abgeliefert. Eindrucksvoll haben sie dem Kapital, aber auch der Arbeiterklasse demonstriert, was sie unter Mitverantwortung für die Beseitigung der Krisenfolgen und Bereitschaft zur "Mitarbeit an Zukunftsplänen" verstehen. Das erste Opfer der neuen "Mitverantwortung" wurde die Gewerkschaft ver.di. Ihrer 5-Prozent-Forderung fielen die IGM-Fürsten unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung in 2009 mit dem Schlachtruf in den Rücken: "Alles für die Sicherheit der Arbeitsplätze, Löhne sind zweitrangig". In Verbindung mit Bildern von Streikenden mit IGM-Fahnen und Trillerpfeifen verkündeten Vorstand und Bezirksleiter dazu: "Wir wollen einen Abschluss ohne die alten Rituale".

So viel "wirtschaftliche Vernunft" der IGM hat sich die Bourgeoisie nicht entgehen lassen. Sie konnte ihrerseits ver.di damit direkt unter Druck setzen. Das Nichtaufstellen einer Lohnforderung durch die IGM und der lauthals betonte Verzicht auf "alte Rituale" war dazu die geeignete Waffe, um ver.di als "verantwortungslos" hinzustellen. Was mit dazu geführt haben dürfte, dass ver.di bei den Verhandlungen, früher als gewollt, eingeknickt ist. Dadurch gerät allerdings nicht nur ver.di unter Druck. Das Vorgehen des IGM-Vorstands ist gleichzeitig das Signal an alle anderen Einzelgewerkschaften: "Seht her, es geht auch anders!" Ablösen des "alten" durch das "neue Ritual". Die Metall- und Elektrokapitalisten haben dazu begeistert applaudiert. Dabei ist es ihnen in der Hauptsache um das "neue Verfahren" gegangen. Die materiellen Inhalte des Tarifvertrages "Zukunft in Arbeit" stecken sie dafür locker weg. Ganz offensichtlich hatten sie wesentlich weitergehende Angriffe erwartet, evtl. verbunden mit unerwünschter Systemkritik als Konsequenz aus der Krise. Die Forderungen aus dem gewerkschaftlichen Lager nach Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich, Herabsetzung des Rentenalters, Mindestlohn und vor allem nach politischem Streik sind auch ihnen nicht verborgen geblieben. Die IGM-Führung hat sie vor solch' lästigen und unangenehmen Diskussionen und Auseinandersetzungen und dadurch entstehender Unruhe in den Betrieben bewahrt. Hierbei haben sich Huber und Konsorten selbst übertroffen.

Statt Forderungs- und Mobilisierungsdiskussionen, Vorbereitung von Warn- und/oder Flächenstreiks "Sondierungsgespräche" mit dem Kapital. Von den Tarifkommissionen einmal abgesehen, sie durften "Sondierungsergebnisse" absegnen, wurde die IGM hierbei als Organisation zur Vertretung der Interessen der Lohnabhängigen im Klassenkampf kalt gestellt.


2010 war alles anders

Mit einem solchen "Friedensangebot" haben selbst die Kapitalisten nicht gerechnet. So erklärte Gesamtmetall-Präsident Kannegießer: "Wir haben nach intensiven Verhandlungen gut zwei Monate vor Ablauf der geltenden Tarifverträge eine Einigung auf friedlichem Wege gefunden - das hat es noch nie gegeben." ("Gesamtmetall", 19. Februar 2010)

Was da auf "friedlichem Wege" angeboten wird, ist Ruhe in den Betrieben. Das Außerkraftsetzen der Reste "innergewerkschaftlicher Demokratie" und die Entwaffnung der Arbeiterklasse für Tarifabschlüsse ohne Forderung und Mobilisierung. Bezogen auf die Metall- und Elektrobranche waren und sind rd. 3,4 Millionen Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellte davon betroffen. Darunter Zigtausende Gewerkschaftsmitglieder, die Vertrauensleute, Betriebsräte und Belegschaften. Auf solche Angebote werden die Kapitalisten immer gerne zurückkommen. Vielleicht beim nächsten Mal schon einen Rechtsanspruch darauf geltend machen. Das, vor allen Dingen dann, wenn sie mal wieder "Ruhe an der Heimatfront" brauchen sollten. Die Opportunisten um Huber haben ihnen in der Tarifrunde - sozusagen als Probe aufs Exempel - signalisiert, dass sie davon etwas verstehen. Was für den Ernstfall bedeutet, dass sie den "Burgfrieden" s. o. bereits wieder im "Sturmgepäck" haben.

"Ihr könnt stolz sein", hat IGM-Vorsitzender die Tarifkommissionsmitglieder in NRW nach durchwachter Nacht am 18. Februar morgens um 5:00 Uhr nach ihrer Zustimmung zum Sondierungsergebnis gelobt. Und unter der Überschrift "Pilotabschluss in NRW" ist auf derselben Seite in der Märzausgabe der metallzeitung auf Seite 28 zu lesen: "Keine roten Fahnen, keine Demos, keine Kundgebungen - in der Metalltarifrunde 2010 war alles anders ... . Und der neue Tarifvertrag kam ohne Warnstreiks zustande."

Wie schön fürs Kapital, dass alles anders war. Zu dem anderen gehört, dass die IGM-Führer unserer Organisierung und unserer Kampfkraft einen noch größeren Tritt versetzt haben, als wir das sonst z. B. beim Abbruch von Streiks von ihnen gewöhnt sind. Wir sind dadurch nicht stärker, sondern schwächer geworden. Und die kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten kümmern sich nicht weiter darum, dass Huber und Co. sie doch eigentlich außer Kraft setzen wollten. Unsere Existenz, die Löhne, die Sicherheit der Arbeitsplätze usw. sind weiterhin bedroht - dagegen gibt es nun mal kein Rezept außer der Beseitigung des Kapitalismus!

Die Kapitalverbände haben sich schon ausgerechnet, dass sie jetzt zwischen 25 und 30 Monate unbehelligt von roten Fahnen, Demos und Kundgebungen Zeit haben, um die nächsten Rationalisierungsangriffe auf die Arbeitsplätze vorzubereiten. Es ist jetzt schon absehbar, dass dann wieder Tausende Kolleginnen und Kollegen vor der Erwerbslosigkeit zu sichern sind. Höchste Zeit, in der IGM und den anderen DGB-Gewerkschaften die Abschaffung des kapitalistischen Systems als Ursache dafür wieder als gewerkschaftliche Kampfaufgabe auf die Tagesordnung zu setzen und zu diskutieren. Alles andere heißt, immer wieder auf die untauglichen Rezepte von Huber und seinesgleichen "stolz zu sein". Die Konsequenz daraus ist, statt den Kampf für unsere eigenen Interessen gegen die Kapitalisten aufzunehmen und zu führen, immer tiefer im kapitalistischen Sumpf zu versinken.


Die "Freunde der Marktwirtschaft"

Wie es hierbei weiter gehen soll, hat Michael Sommer, der oberste Arbeiteraristokrat im DGB, im Angesicht der von der Krise angerichteten Verwüstungen erklärt: "Wir müssen sie nutzen, um zu zeigen, Marktwirtschaft ist ein sinnvolles System, aber man muss sie mit sozialen Werten und staatlicher Regulierung versehen" (die Tageszeitung taz 15.12.2008)

Was nichts anderes heißt als Verewigung des kapitalistischen Ausbeutungssystems als Konsequenz aus der kapitalistischen Krise.

Zwischenzeitlich haben die Freunde der Marktwirtschaft aus den oberen Gewerkschaftsetagen, allen voran IGM-Vorsitzender Huber ("ich bin der Marktwirtschaft mehr als zugeneigt") zur Erhaltung des "sinnvollen Systems" einen Zahn zugelegt. Mit ihren Aussagen vor und bei der Tarifrunde im Februar dieses Jahres hat die Huber-Clique klar gemacht, dass es dabei unter dem Deckmantel, alles für die "Sicherheit der Arbeitsplätze", um eine Richtungsänderung im Klassenkampf geht. Von den Gewerkschaften wird aktive Unterstützung fürs Kapital verlangt. So forderte Huber z.B. am 21.12.2009 im Interview mit dem Weser Kurier (WK) von der Merkel-Regierung, ein 100 Milliarden EURO schweres für die Kapitalisten aufzulegen. An wen er hierbei besonders gedacht hat, beantwortete er mit der Frage: "Sollen gute Unternehmen gestützt werden, von denen nicht wenige Weltmarktführer sind und unser Wohlstand abhängt?" In der Februar Ausgabe der metallzeitung 2010 hat er mit der Forderung nachgelegt: "Nicht nur Banken sichern, sondern auch direkt die deutsche Industrie stützen! Jetzt muss notleidenden Industriebetrieben geholfen werden, damit sie später gestärkt aus der Krise kommen Um Entlassungen zu verhindern, müssen Gewerkschaften, Arbeitgeber und die Politik gemeinsam ihre Verantwortung wahrnehmen".


Klassenkampf? - "alte Rituale"

Huber geht mit seinen obigen Aussagen deutlich über die als "Sozialpartnerschaft" bekannte Klassenzusammenarbeit hinaus. Er schiebt den unversöhnlichen Interessengegensatz zwischen Arbeiter- und Kapitalistenklasse einfach in die Kiste zu den "alten Ritualen" (s. u.), zum "Klassenkampfgerümpel". Die Gewerkschaften sind mitverantwortlich. Gemeinsam mit den Krisenverursachern, den Kapitalisten und ihrem geschäftsführenden Ausschuss, der Merkel-Regierung, sollen sie helfen, die Krisenfolgen zu beseitigen. Mit speziell dafür entwickelten "Rezepten" (s. Task Force u. InnoKenn) übernimmt die IGM-Spitze dabei die Rolle als Zugpferd. In einem IGM-Maschinenbau Memorandum vom Oktober 2009 fordert sie "... von den Unternehmen und deren Eigentümern die Erstellung und Realisierung betrieblicher Zukunftspläne gemeinsam mit den Beschäftigten, den Betriebsräten und der IG Metall."

Zur "Stützung der Zukunftspläne der deutschen Industrie" gibt es dann den "Zukunftsfond". 100 Milliarden EURO bezahlt aus den Knochen der Lohnabhängigen - woher sonst? Für diejenigen, die uns z. B. ständig höhere Löhne, Arbeitszeitverkürzung, Herabsetzung des Rentenalters, Mindestlöhne, u. a. verweigern. Eben das, was "Weltmarktführer" bei der Profitmaximierung so tun und tun müssen, um "Weltmarktführer" zu bleiben. Sie zu stärken, heißt nicht nur sie stärken für den erneuten Überfall auf unseren "Wohlstand", auf unsere Löhne, die Arbeitszeit, unsere Arbeitsplätze, die sozialen Sicherungssysteme usw., sondern ebenso ihre Aggressivität gegenüber ihren internationalen Konkurrenten zu stärken und zu steigern sowie ihre "Kriegskasse" im Wortsinne zu füllen. Damit rückt auch die Möglichkeit kriegerischer Auseinandersetzungen ein Stück näher.


Den Wolf zum Hüter der Schafe machen ...

...heißt es, mit den aus der Krise "Gestärkten" gemeinsame Sache zur Sicherung unserer Existenz, unserer Arbeitsplätze machen zu wollen. Dabei bleibt vom Interessengegensatz nichts mehr übrig. Und darum geht es offensichtlich der IGM-Führung. Seit Jahren versucht sie ständig und jetzt in der Krise verstärkt, dem Kapital die "wirtschaftliche und soziale Kompetenz" der IGM, zur Mitgestaltung des kapitalistischen Systems zu beweisen. Von dieser angeblichen Notwendigkeit, ist insbesondere in der IGM bei Konferenzen und Seminaren immer wieder die Rede (z. B. Co-Managementprojekte "Task Force", "InnoKenn" etc.).

In diesem Sinne wurde im vergangenen Jahr bei einer Reihe von Branchenkonferenzen bei Betriebsräten und Belegschaften Stimmung für die Zusammenarbeit mit dem Kapital gemacht. Hierbei wurde jedes Mal das Schreckgespenst von der Gefahr einer Entindustrialisierung der BRD an die Wand gemalt. Dabei herausgekommen sind dann immer wieder Zusammenarbeitsangebote und Forderungen an die Merkel-Regierung (s. o.). Sie soll z. B. Konzepte "zum Erhalt der industriellen Wertschöpfung und der Arbeitsplätze in Deutschland sowie zur Zukunftssicherung des Maschinenbaus" vorlegen. "Ein Deutschland ohne Metall- und Elektroindustrie darf es nicht geben. Wir sind die Wohlstandsbringer", hat IGM-Führer Huber im Interview mit der Zeitung DIE WELT am 8. Februar 2010 festgestellt.

Und im o. g. IGM-Maschinenbau Memorandum heißt es: "An der Erarbeitung dieses Konzeptes werden sich die IG Metall und die Betriebsräte aktiv beteiligen."

Auf diesem Wege hoffen die IGM-Führer - "gestärkt aus der Krise" - die Situation zu überstehen. Hierbei glauben sie tatsächlich daran, zusammen mit den Betriebsräten Hunderttausende Arbeitsplätze gerettet zu haben (metallzeitung S. 3). Die Betriebe sind die Basis der Gewerkschaftsarbeit und damit auch die Existenzgrundlage der Gewerkschaftsführer. Je mehr Betriebe sie angeblich retten, umso sicherer ist ihre Existenz. Dann stehen sie nach der Krise da, auferstanden wie "Phönix aus der Asche", dem Sinnbild der Unsterblichkeit der Agypter. Anerkannt als die großen Retter, die nach ihrer Meinung fürs Kapital unverzichtbaren, "perfekte(n) Krisenmanager" (FR). In dieses Konzept passen keine Klassenkampfparolen, keine Streiks usw. Dementsprechend hat Gesamtmetallpräsident Kannegießer den Tarifvertrag "Zukunft in Arbeit" wie folgt gelobt: "Dieser Abschluss ist ein eindrucksvolles Zeichen gemeinsamen Krisenmanagements ... mit unserem Krisenpaket 2012 haben wir die Tarifautonomie und die Soziale Marktwirtschaft gestärkt". Na, wenn das nichts ist. Das geht Typen vom Schlage Hubers wie 01 die Kehle runter. Dafür pfeifen sie auf gewerkschaftliche Kampfkraft beim "eindrucksvollen Krisenmanagement" und bauen die IGM zur Durchsetzung der neuen "Marschrichtung" um. Mit diesem Ziel sind die Figuren Huber, Wetzel, "NRW-Bezirksleiter Oliver Burkhard, einer der Vorreiter der IG Metall, die sich von den früheren Kampfzeiten lösen wollen" (Stuttgarter Zeitung 16.01.2010), angetreten. Bei ihren Kniefällen vor dem Kapital - "Lösen" und "Vorreiten" - werden die Gewerkschaften ruiniert. Die Arbeiterklasse und ihre klassenbewusstesten Vertreter haben daher die Aufgabe, sie vor den Zusammenarbeitsrezepten der Hubers zu schützen. Sonst heißt der nächste "Zukunftsplan" möglicherweise wieder ganz schnell, wir legen uns zur Durchsetzung von Kapitalinteressen erneut mit unseren Organisationen auf die Schlachtbank. Z. B.: Gewerkschaften, Kapital und Regierung gemeinsam gegen den Rest der Welt. Gegen alle, die den "Industriestandort Bundesrepublik", die "Wohlstandsbringer" und "Weltmarktführer" bedrohen oder gefährden können. Denn die haben auf dem Weltmarkt noch viel zu tun, um ihre internationalen Konkurrenten vom Weltmarkt zu vertreiben, um die eigene Position zusichern (s. VW). Dabei bleibt es nicht aus, dass sie sich in diesem sich ständig verschärfenden Kampf um Absatzmärkte, Rohstoffquellen usw., immer wieder mal in die Haare geraten. Möglicherweise ist es dann nur noch eine Frage der Zeit, bis die oben bereits erwähnte Kriegsgefahr akut auf der Tagesordnung steht. Für den deutschen Imperialismus ist es deshalb wichtig zu wissen, dass er im Ernstfall z. B. auf die IGM als größter der im DGB vertretenen Einzelgewerkschaften, aber auch auf Betriebsratsvorsitzende bei der Stärkung und Durchsetzung "deutscher Interessen" zählen kann.


1914 Burgfrieden und 1933 Kapitulation vor dem Faschismus

Auch wenn die heutige Situation so nicht vergleichbar ist, zeigt ein Blick in die Geschichte, wie weit sozialdemokratische Gewerkschaftsführer dafür bereits zweimal in den letzten hundert Jahren gegangen sind. Hierbei wurden die Lohnabhängigen in 2 Weltkriegen mit Hilfe der freien Gewerkschaften und des ADGB massenweise ins Lager des Kapitals und gegen die Arbeiter anderer Länder getrieben:

1914 beschloss die Vorstandskonferenz der freien Gewerkschaften am 1. und 2. August nach Verhandlungen ihrer Generalkommission mit dem Reichsamt des Innern ein Stillhalteabkommen. Es ist auch als so genannter "Burgfrieden" in die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung eingegangen. Damit verpflichteten sich die revisionistischen Gewerkschaftsführer aus Gründen der Vaterlandsverteidigung alle Streiks abzubrechen und in Zukunft Streikbewegungen zurückzuhalten.

Zeitgleich mit o. g. Vorstandskonferenz der freien Gewerkschaften erklärte Kaiser Wilhelm der 2. - der letzte deutsche Kaiser - am 1. August 1914: "In dem jetzt bevorstehenden Kampfe kenne ich in meinem Volke keine Parteien mehr. Es gibt unter uns nur noch Deutsche, und welche von den Parteien auch im Laufe des Meinungskampfes sich gegen mich gewendet haben sollten, ich verzeihe ihnen allen. Es handelt sich jetzt nur noch darum, dass wir alle wie Brüder zusammenstehen und dann wird dem deutschen Schwerte Gott zum Siege verhelfen."(2)

Mit Hilfe des "deutschen Schwertes" wurden hierbei über 6 Millionen Menschen umgebracht, mit Gas vergiftet, millionenfach zu Krüppeln geschossen usw. usw.

Die o. z. Worte des Kaisers werden häufiger im Zusammenhang mit der Ideologie von der "Volksgemeinschaft" genannt. Sie wurde spätestens seit 1933 von den Nazis als Kampfbegriff dafür benutzt, um im Lande selbst gegen alles "Nichtdeutsche" und "Undeutsche", die Juden und nach außen gegen andere Völker zu hetzen und mit Gewalt vorzugehen. Hierbei ging es erneut um die Verhinderung von Streiks durch Gewerkschaftsführer. Der damalige Vorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes ADGB weigerte sich, die Gewerkschaften zum Generalstreik aufzurufen, um die Herrschaft der Hitlerfaschisten zu verhindern. Es ist eine unglaubliche Geschichte. Selbst als schon Hunderte Menschen, Kommunisten, Sozialdemokraten, Geistliche u. a. demokratische Menschen im KZ saßen (Dachau März 1933), viele bereits erschlagen und ermordet waren, hieß ihr Rezept: Anpassung statt Widerstand gegen die Nazis zu organisieren. Auf diesem Wege haben sie faktisch bis zur letzten Minute der faschistischen Regierung ihre Dienste angeboten, in der Hoffnung im faschistischen System zu überleben. Hierbei lieferten sie die Gewerkschaften und sich selbst ans Messer der Nazis.

Am 7. März 1933 haben die Führer aller Gewerkschaftsrichtungen Kontakte zur faschistischen NSDAP aufgenommen. Die christlichen Gewerkschaften erklärten sich am 17. März zu "unpolitischen" Organisationen. Gemeinsam mit Vertretern der damaligen Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften traten sie in Verbindung zum Nazi-Propagandaminister Josef Goebbels. Es ging ihnen darum, mit Goebbels "über die Teilnahme ihrer Anhänger am neuen Staat zu verhandeln" (ebd.).

Am 21. März 1933 erklärte Theodor Leipart, der 1. Vorsitzende des ADGB, die Bereitschaft des ADGB zur Lösung aller Verbindungen zur SPD und zur Zusammenarbeit mit den Unternehmern. Ihm folgte als nächstes Angebot, die Bereitschaft zur Unterstellung der Gewerkschaften unter die Führung eines Reichskommissars und die Entlassung von Funktionären, die die Nationalsozialisten aus rassischen oder politischen Gründen nicht mehr dulden wollten.

Mit seinem Beschluss vom 19. April 1933 setzte der Bundesausschusses des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes der Anbiederung an den faschistischen Hitler-Staat folgendem Aufruf die Krone auf: "Der Bundesausschuss des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes begrüßt den 1. Mai 1933 als gesetzlichen Feiertag der nationalen Arbeit und fordert die Mitglieder der Gewerkschaften auf, im vollen Bewusstsein ihrer Pionierdienste für den Maigedanken, für die Ehrung der schaffenden Arbeit und für die vollberechtigte Eingliederung der Arbeiterschaft in den Staat sich allerorts an der von der Regierung veranlassten Feier festlich zu beteiligen ... .

Ebenso dringlich ist es, dass die Bemühungen der Regierung um Arbeitsbeschaffung und Siedlung mit allem Nachdruck weiter gefördert werden. Die Gewerkschaften sind nach wie vor bereit, diese Bemühungen mit allen Kräften zu unterstützen."

Mit Beschluss vom 21. April 1933 haben die Nazis beschlossen, endgültig auf alle noch so kräftigen Unterstützungen der Gewerkschaften zu verzichten. Dazu wird in einem Rundschreiben (Nr. 6/33) festgelegt: Dienstag den 2. Mai 1933, vormittags 10 Uhr, beginnt die Gleichschaltung der Gewerkschaften ... SA bzw. SS ist zur Besetzung der Gewerkschaftshäuser und der Inschutzhaftnahme der in Frage kommenden Persönlichkeiten einzusetzen."

Zur Volksgemeinschaftsideologie gehört die Leugnung der Existenz von Klassen und damit des Klassenkampfs in der Klassengesellschaft. Die logische Konsequenz, die die Faschisten daraus gezogen haben, ist die Zerschlagung aller Arbeiterorganisationen. Die Gewerkschaften wurden ersetzt durch die "Deutsche Arbeitsfront" und die Betriebsräte durch "Nationalsozialistischen Betriebsobleute". Aus den Kapitalisten wurden dabei die "Wehrwirtschaftsführer". Sie hatten das Kommando über die Belegschaften.(3) Alles Weitere ist bekannt.

Natürlich haben die ADGB-Führer das alles nicht gewollt. Es kann auch niemand dem IGM-Vorsitzenden Huber und seinesgleichen unterstellen, sie wollten, dass sich so etwas wiederholt. Es ist ihre Politik von der Zusammenarbeit mit den Kapitalisten, die sie unvermeidlich in diese Richtung treibt und mit der sie sich selber überflüssig machen. Die Tarifrunde der IGM-Führer, war ein Beispiel dafür, wie auf diesem Wege die Gewerkschaften ausgeschaltet werden.

Schulterschluss mit der deutschen Bourgeoisie

Dass dieser Wahnsinn Methode hat, zeigt auch das Beispiel Opel. So lobte der Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz mitten in der Schlacht um die Opel-Beute den Rechtsausleger Koch und predigte für die Arbeiter den Verzicht: "Für New Opel und ihre Zukunft sind die Beschäftigten zu schmerzhaften Einschnitten bereit und haben das auch in entsprechenden Verträgen dokumentiert." (Pressemitteilung vom 23.9.09) Um welche "vertraglich dokumentierten" Summen es hierbei möglicherweise geht, hatte Franz schon am 28. 08. 2009 im Interview mit der "Welt" erklärt: "Der größte Investor dieses künftigen Opel-Unternehmens ist die Belegschaft. Die will und würde bis 2014 rund 1,5 Milliarden Euro einbringen. Es liegt in unserer Hand, ob wir das tun." Statt den Schulterschluss aller Opel-Belegschaften zu organisieren, plante er mit den Managern, wo wie viele entlassen werden sollen. Das Ergebnis: Belegschaft gegen Belegschaft, statt alle Arbeiter gemeinsam gegen das Kapital, wo immer es auch herkommt. Statt dessen hat sich der Opel-Betriebsratsvorsitzende Franz immer wieder auf die Seite der Regierung gestellt und "deutsche Interessen" vertreten: "Wir werden es auch nicht zulassen, dass die Noch-Mutter General Motors die Marke Opel beschädigt Die Beschäftigten und die Gewerkschaft sind nicht bereit und willens, einen Cent an Arbeitnehmerbeiträgen für General Motors abzugeben." Also, Verzicht ja, aber nicht für Amerikaner. Abgesehen davon, dass der Verzicht schon falsch ist, kann man solche Verlautbarungen nur als nationalistisch einstufen, die heute noch verbal daher kommen, morgen aber schon ins Halali gegen die bösen ausländischen "Plutokraten"(4) übergehen ... Auch hier stellen sich die "Arbeitervertreter" auf die Seite "ihrer" Kapitalisten gegen deren Konkurrenten - der Verkauf an Magna hätte ja die deutsche Monopolbourgeoisie gestärkt(5). Wer allerdings von der "eigenen" Kapitalistenklasse etwas erwartet und sogar bettelt, damit sie endlich die neuen Herren über Opel werden, der kann keinen erfolgreichen Kampf führen.

Wolfgang Schaumberg, 30 Jahre lang Lagerarbeiter bei Opel und aktiv in der Belegschaftsgruppe "Gegenwehr ohne Grenzen", kommentierte die Politik des Betriebsratsvorsitzenden Franz, Entlassungen als unvermeidlich zu betrachten, so: Damit befindet er sich auf der Linie der IG-Metall-Spitze. Die Wettbewerbsbedingungen werden wie ein Naturereignis akzeptiert, und es wird von einem "sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau" gesprochen. ... "Sozialverträglich" ist aber ein Lügenwort. ... Voraussetzung für eine Solidarität wäre es, die Belegschaften in allen europäischen Ländern gemeinsam in Bewegung zu bringen. Das geht nicht, solange die IG-Metall die Rettung der deutschen Unternehmen auf dem Weltmarkt zum Ziel hat und die Belegschaften konkurrieren."(6)


Es geht auch anders!

Nicht alle Belegschaften wollen sich diesen Weg des kampflosen Verzichts gefallen lassen. Die Kolleginnen und Kollegen in Bochum haben die Kürzung des Urlaubsgeldes abgelehnt. Es war ihnen egal, welche Ausbeuter davon profitieren wollen. Sie waren erfolgreich, Opel musste es nun auszahlen. Die spanischen Gewerkschaften hatten mit einem viertägigen Streik bei Opel gedroht, sollten Magna oder GM bei der geplanten Vernichtung von 1.700 Arbeitsplätzen in Saragossa bleiben. Schon allein die Streikandrohung führte dazu, dass "nur" mehr 900 gestrichen werden sollen. "Opel muss bleiben" heißt für diese Kolleginnen und Kollegen "wir müssen bleiben" - um leben zu können. Die Diskussion, wie der Kampf dafür zu organisieren ist, ging weiter.

Auch der Frankfurter IG-Metallfunktionär Schild(7) redete nach dem Verbleib von Opel bei GM wie ein Co-Manager des deutschen Kapitals: "Genau das hatten wir von GM befürchtet: Kein Konzept, keine finanzielle Ausstattung, kein einziger innovativer Gedanke, sondern kurzsichtiger Kahlschlag." Lohnverzicht soll es unter diesen Umständen nun erst mal nicht geben, um dann anzufügen, es müsse eine auf "Markterschließung und -eroberung gerichtete Innovations- und Investitionsstrategie" vorgelegt werden. Dazu gehöre auch eine für alle Standorte vertretbare Modell- und Volumenplanung.

Was bedeutet das? Die Gewerkschaftsführer als Kriseninterventionskräfte. Die schnelle Eingreiftruppe nicht nur für die Betriebsräte, sondern ebenso fürs Kapital, angeführt von den IGM-Bezirksleitern als Generalstab zur Planung von Eroberungsstrategien. Abgesehen von der kapitalistischen Begriffsverwirrung werden Betriebsräte und Belegschaften mit Eroberung, Strategie, Task Force u. a. an die Verwendung militärischer Ausdrücke herangeführt. Im industriellen Krieg der Kapitalisten gegeneinander bringen sie die Aggression gegenüber der Konkurrenz zum Ausdruck. "Unsere Konkurrenten sind unsere Feinde", hat der Geschäftsführer der Firma Schlafhorst (Ubach Palenberg bei Aachen) der Belegschaft auf einer Betriebsversammlung vor einigen Jahren erklärt. Und der IGM-Bezirksleiter fordert das Opel-Kapital zur Eroberung neuer Gebiete, zum Landgewinn ("Markterschließung") auf (siehe oben). Was im Klartext heißt: Eroberung der Vormachtstellung für die deutschen Automobilmonopole auf dem europäischen- und dem Weltmarkt. Das ist nicht ohne die Ruinierung, Vernichtung oder Übernahme der "Feinde" zu haben. Dafür Stiefeln IGM-Bezirksleiter vom Schlage der Schilds auch gemeinsam mit dem Kapital über Betriebe und Arbeitsplätze im "eigenen Konzern".

Das "System ist sinnvoll", hat der DGB-Vorsitzende gesagt. Was an die Adresse der Kapitalisten gerichtet bedeutet: Egal, was ihr uns an Gewalttaten im Laufe eurer Herrschaft auch angetan habt, Abgruppierungen, Lohnkürzungen, Massenentlassungen, Verlängerung und Flexibilisierung der Arbeitszeit, Schikanen, heute Mobbing u. a., Ruinierung unserer Arbeitskraft, unserer Gesundheit, etliche von uns habt ihr in den Selbstmord, Millionen von uns in den Krieg, in die Erwerbslosigkeit, in Hartz IV, in Armut und Elend getrieben, um nur einige Beispiele zu nennen, die euer Ausbeutungssystem für uns bereit hält, Schwamm drüber - wir verzeihen euch allen. Wenn es wie jetzt in Gefahr ist und durch die eigenen Gesetzmäßigkeiten in die Krise gerät, müssen wir wie Brüder zusammenstehen. Da kennen wir im Sinne von Kaiser Wilhelm Zwo keine Ausbeuter und auch keine Ausgebeuteten mehr, sondern nur noch Opfer von Finanzspekulationen. Dann müssen alle, die Gewerkschaften und Kapitalisten mit ihrem geschäftsführenden Ausschuss, der Regierung "zusammenhelfen".

Aus der Geschichte lernen - eine Aufforderung, die nach wie vor in den Gewerkschaften bei Konferenzen, Vertrauensleutesitzungen und Seminaren zu hören ist: Sie heißt, der Politik der Hubers, Schild & Franz in den Arm fallen - und das geht!


Arbeitsgruppe "Stellung des Arbeiters in der Gesellschaft heute"


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Nieder mit dem Lohnsystem!

"Gleichzeitig, und ganz unabhängig von der allgemeinen Fron, die das Lohnsystem einschließt, sollte die Arbeiterklasse die endgültige Wirksamkeit dieser tagtäglichen Kämpfe nicht überschätzen. Sie sollte nicht vergessen, dass sie gegen Wirkungen kämpft, nicht aber gegen die Ursachen dieser Wirkungen; daß sie zwar die Abwärtsbewegung verlangsamt, nicht aber ihre Richtung ändert; daß sie Palliativmittel(*) anwendet, die das Übel nicht kurieren. Sie sollte daher nicht ausschließlich in diesem unvermeidlichem Kleinkrieg aufgehen, der aus den nie enden wollenden Gewalttaten des Kapitals oder aus den Marktschwankungen unaufhörlich hervorgeht. Sie sollte begreifen, daß das gegenwärtige System bei all dem Elend, das es über sie verhängt, zugleich schwanger geht mit den materiellen Bedingungen und den gesellschaftlichen Formen, die für eine ökonomische Umgestaltung der Gesellschaft notwendig sind. Statt des konservativen Mottos: "Ein gerechter Taglohn für ein gerechtes Tagwerk!", sollte sie auf ihr Banner die revolutionäre Losung schreiben: "Nieder mit dem Lohnsystem!" (MEW Bd. 16 Lohn, Preis und Profit, S. 152, 14).

(*) Palliativmittel: Linderungsmittel ohne Heilwert zur Beseitigung lästiger Krankheitszeichen, nicht der Krankheit selbst; auch wirtschaftlich und politisch: Beschönigungsmittel, Hinhaltungsmittel; Hilfe für den Augenblick, pol. u. soz. Flickwerk (Wilhelm Liebknechts Volksfremdwörterbuch, Dietz Verlag Berlin 1953)


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"Mit dem neuen Tarifvertrag wird die Angst vor Deindustrialisierung ein bisschen kleiner"

hat NRW-IGM-Bezirksleiter Burkhard am 15.02.2010 im Tagesspiegel festgestellt. Genau gesagt bis zum 30 Juni 2012, solange ist angeblich Ruhe an der "Arbeitsplatzfront". Zu dem Zeitpunkt endet die Laufzeit des Angstverkleinerers "Zukunft in Arbeit", abgekürzt als ZiA gehandelt. Auf seiner Grundlage können zwei neue "Arbeitsplatzsicherungsinstrumente" eingesetzt werden. Tarifliche Kurzarbeit und tarifliche Absenkung der Arbeitszeit. Das gilt für den Fall, dass Kurzarbeit nach Gesetz (SGB III, § 169 ff.) aus wirtschaftlichen oder anderen Grunden nicht mehr möglich sein sollte. Für die Einführung tariflicher Kurzarbeit - sie muss mindestens 6 Monate dauern - bedarf es einer "freiwilligen Betriebsvereinbarung". Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 88 BetrVG) ist sie nicht erzwingbar. Im Juristendeutsch heißt das, Betriebsrat und Belegschaft haben darauf keinen vor Gericht einklagbaren Rechtsanspruch. "Der Arbeitgeber kann nicht zu Kurzarbeit gezwungen werden", stellt die IGM-Führung fest. Das ist nur durch eine "abweichende tarifliche Regelung" in Baden Württemberg möglich. Dort gilt der Tarifvertrag "Kurzarbeit, Qualifizierung und Beschäftigungssicherung". Statt die "abweichende Regelung" in allen Tarifgebieten durchzusetzen, wird die IGM wie gehabt als Kampforganisation mit Streikrecht im Rücken ausgeschaltet. Die Regelung, der Abschluss der freiwilligen Betriebsvereinbarung, wird hierbei - der Forderung des Kapitals folgend - auf die "Betriebsparteien" abgewälzt. Mit der so genannten "Beschäftigungssicherung" gilt für die o. g. Laufzeit des Tarifvertrages auch die Friedenspflicht - das Streikverbot für die IGM.

In der Metallzeitung vom März 2010 stellt der IGM-Vorsitzende fest: "Jetzt liegt es an den Unternehmen, die neuen Instrumente auch zu nutzen, sagt Huber. Und an den Beschäftigten dafür Druck zu machen". Was ihre "Arbeitplatzretter" da für ein Spiel mit ihnen treiben, müssen sich auch die Metaller noch einmal vor Augen führen. Nach dem in der BRD von der Klassenjustiz, von Arbeitsrichtern und Arbeitsgerichten - LAG und BAG - konstruierten und von den sozialdemokratischen Gewerkschaftsführern akzeptiertem Arbeitsrecht, steht nur den Gewerkschaften ein Streikrecht zu.

Für Betriebsräte und Belegschaften heißt das, ihnen können "illegale Arbeitsniederlegungen, Streiks usw." mit möglichen "arbeitsrechtlichen Konsequenzen" vorgehalten werden, wenn sie "Druck machen". Wie soll das denn anders gehen, als den einzelnen Kapitalisten die Klamotten vor die Füße zu schmeißen, wenn die auf tarifliche Kurzarbeit pfeifen und z.B. Teile der Belegschaft aufs Pflaster befördern wollen?

Dass es durchaus in diese Richtung gehen kann, hat Hauptgeschäftsführer Hesse vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer VDMA, bereits anklingen lassen. In einem Bericht zum Tarifabschluss (VDMA 19.02.2010) heißt es: "Allerdings können die Vereinbarungen der Tarifparteien insbesondere zur Arbeitsplatzsicherung den einzelnen Unternehmer nicht von seiner Verantwortung entbinden, die 'jeweils notwendigen personalpolitischen Entscheidungen' zu treffen, um sein Unternehmen über die Krise zu retten, mahnte Hesse."


"Lasten fair verteilen"

Wenn die Gewerkschaftsführer diesen Hirnriss - wie in der März metallzeitung 2010 - verbreiten, meinen sie das "Teilen in unserer Klasse". So wie u. a. zu Beginn der 1990er Jahre beim so genannten VW-Modell. Das Verteilen der Erwerbslosigkeit, der Löhne usw. auf alle. In der Regel als große solidarische Leistung, als einmalige Solidaraktion gefeiert. Bei der o. g. "tariflichen Kurzarbeit" wird wieder die Solidarität aller bemüht. Hierbei geht es um Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Wie IGM-Bezirksleiter Burkhard aus NRW dem Tagesspiegel (15.02.2010) ausgerechnet hat, macht es im Durchschnitt 10,6 Prozent des Jahreseinkommens der Metaller aus. Im Falle von "tariflicher Kurzarbeit" wird es statt als einmalige Sonderzahlung als "Solidaraktion" für die gesamte Belegschaft - Kurzarbeit oder nicht - auf 12 Monate umgelegt. Dadurch steigen die Monatslöhne und aufgrund eines höheren Nettolohns das von der Arbeitsagentur gezahlte Kurzarbeitergeld (KUG) für den von "tariflicher Kurzarbeit" betroffenen Teil der Belegschaft.

Bei der gesetzlichen Kurzarbeit muss das Kapital nach den entsprechenden IGM-Tarifverträgen Urlaubsgeld und anteiliges 13. Monatseinkommen ("Weihnachtsgeld" im allgemeinen Sprachgebrauch) zu 100 Prozent zahlen. Das "neue Instrument" bringt Entlastung davon. Für die durch tarifliche Kurzarbeit ausfallenden Arbeitsstunden zahlen die Kapitalisten weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld. Nach Burkhard im Tagesspiegel macht das eine "Einsparung von bis zu 100 Euro je Mitarbeiter und Monat" aus.

Während der Dauer der Kurzarbeit sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Der Kündigungsschutz gilt hierbei auch für diejenigen, die aufgrund vorhandener Aufträge weder Kurzarbeiten noch von betriebsbedingter Kündigung bedroht sind. Es ist das Geschenk fürs "solidarische Teilen".


Das 2. Instrument

Hierbei geht es um das Absenken der Arbeitszeit im Anschluss an die tarifliche Kurzarbeit. Danach ist es im Westen möglich, ausgehend von der geltenden 35-Stunden-Woche eine 28- bzw. mit Zustimmung der IGM 26-Stunden-Woche auf tarifvertraglicher Grundlage zu vereinbaren. Sie ist im Gegensatz zur "freiwilligen Betriebsvereinbarung" nach den Aussagen der IGM für 6 Monate "erzwingbar".

Für dadurch ausfallende Arbeitsstunden wurde folgender "Entgeltausgleich" festgelegt: Bei Reduzierung auf 31 Arbeitsstunden werden plus 30 Minuten bezahlt; bei 30 Std. plus 45 Minuten; bei 29 Std. plus 1 Std.; bei 28 Std. plus 1,5 Std.; bei 27 Std. plus 1,45 Std. und bei einer 26-Std.-Woche plus 2 Std. Diese Regelung bezieht sich auf das IGM-Tarifgebiet NRW und es gilt: "Solange die Arbeitszeit verkürzt ist, darf nicht gekündigt werden."

Längst ist dem Kapital bekannt, dass es in aller Regel bei Arbeitszeitverkürzungen zu einer Intensivierung der Arbeit kommt. Auf eine solche Spekulation dürften die o. g. Zugeständnisse bei der Verkürzung der Arbeitszeit zurückgehen. In dem Zusammenhang ist ebenso die Erklärung von IGM-Bezirksleiter Meine beim VW-Tarifabschluss für das Kapital von Bedeutung: "Beschäftigte, die ein sicheres Arbeitsverhältnis haben, sind motiviert und bereit an geplanten Produktivitätssteigerungen mitzuarbeiten" (s. "Stabilisierung der Wertschöpfungskette am Beispiel VW").

Auf dieser Basis kann sich das Kapital in aller Ruhe überlegen, was abgesehen von der durch Intensivierung der Arbeit gesteigerten Ausbeutung der Lohnabhängigen an neuer Technik eingeführt werden muss, um evtl. die gleiche Warenmenge wie vorher in der jetzt verkürzten Arbeitszeit herzustellen.
(Alle Informationen und kursiv gesetzten Worte aus metallzeitung März 2010)


EU will deutsche Kurzarbeitsregel auslaufen lassen

Offensichtlich befürchten die europäischen Konkurrenten, dass sich der deutsche Imperialismus mit der Kurzarbeit Vorteile verschafft. So berichtete die Financial Times Deutschland FTD am 10.03.2010 unter der obigen Überschrift: "Die Finanzminister der Europäischen Union (EU) wollen in der kommenden Woche einen zügigen Ausstieg aus den in der Finanzkrise beschlossenen Hilfen zur Konjunkturförderung beraten ... In dem Ratspapier heißt es, eine zu späte Rücknahme großzügiger Kurzarbeitsregelungen könne zu hohen Kosten führen, weil Arbeitskräfte in schrumpfenden Wirtschaftsbereichen gehalten würden. Eine solche Fehlverteilung von Ressourcen schade künftigen Wachstumsaussichten, störe den Wettbewerb und könne den EU-Binnenmarkt behindern. Die großzügige deutsche Kurzarbeiterregelung hatte erst kürzlich den niedrigen Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie möglich gemacht.

Noch vor der Arbeitsmarktförderung sollten nach Ansicht der Finanzminister die Hilfen für einzelne Wirtschaftssektoren eingestellt werden. Branchenhilfen etwa für die Autoindustrie verursachten nicht nur hohe Kosten für die Haushalte der jeweiligen Staaten, sie führten auch zu Wettbewerbsverzerrungen ..."


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Ein Mitglied der Großen Tarifkommission nimmt Stellung

"Obwohl es gerade in dieser Tarifrunde wichtig gewesen wäre, dass die organisierte Arbeiterklasse, als Hauptbetroffener der Finanz- und Wirtschaftskrise, ein Zeichen hätte setzen müssen, nicht die Zeche für das ungezügelte Profitstreben der Reichen und Superreichen zu zahlen. Diese Chance wurde vertan. Im vorgenannten Sinne wurde nicht einmal der Versuch unternommen. Stattdessen wird mit diesem Tarifabschluss eine Art 'Burgfrieden' mit den Metallunternehmen geschlossen, mit der Illusion, dass die Mächtigen in der Wirtschaft nun den 'Schongang' gegenüber den Beschäftigten einlegen. Das wird ein 'frommer Wunsch' bleiben. Stillhalten der Gewerkschaften lässt dem deutschen Kapital Zeit, sich in der Krise neu zu organisieren, damit es nach der Krise noch schlagkräftiger Konkurrenten aus dem Felde schlagen kann und wie immer auf Kosten der deutschen und europäischen Arbeiterklasse." (Siegfried Hubele, Betriebsrat und Mitglied der Großen Tarifkommission der IG Metall Baden-Württemberg, Interview mit der UZ vom 26.2.2010)


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Anmerkungen

(1) Hetakomben: Hunderte, Massenopfer, Massenschlächtereien Nach: Wilhelm Liebknecht: Volksfremdwörterbuch

(2) Hans Limmer, Die deutsche Gewerkschaftsbewegung
Olzog Verlag München, 2. Auflage 1968

(3) Hans Limmer s. o. und Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung Bd. 5, S. 449-451, Dietz Verlag Berlin 1966

(4) "Plutokratie" - Herrschaft der Reichen oder des Geldes: ein häufig verwendeter Kampfbegriff der Hitlerfaschisten gegen die USA und Großbritannien, heute wieder oft gegen die USA verwendet

(5) Ausführlicher wird das in dem Artikel "Geparkt im Halteverbot" in dieser KAZ behandelt.

(6) Wolfgang Schaumberg im Interview im Neuen Deutschland (ND), 17.09.2009

(7) Als Gewerkschaftsvertreter von Außen auch Mitglied im Opel-Aufsichtsrat


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Huber und Kannegießer in der Tarifunde 2010 "Burgfrieden statt gewerkschaftliche Kampkraft bietet Arbeiteraristokrat Huber den Arbeitern"
Siemens Berlin in der Tarifrunde 2004, "Streik gegen das Kapital statt Burgfrieden mit dem Kapital"
Nazi-Banden besetzten am 2. Mai 1933 unsere Gewerkschaftshäuser. Noch im April 1933 weigerte sich der Vorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes, ADGB, zum Generalstreik aufzurufen.
Generalstreik - was sonst? Frankfurt 28.03.2009. Aus der Geschichte lernen. Es geht auch anders!

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 330, April 2010, S. 11-17
Herausgeber und Verlag: Gruppe Kommunistische Arbeiterzeitung, Selbstverlag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2010