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KAZ/147: Der Kampf um Opel ist noch nicht ausgefochten


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 330, April 2010
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

"Für Dialektik in Organisationsfragen"

Geparkt im Halteverbot
Der Kampf um Opel ist noch nicht ausgefochten


Die Auseinandersetzung um Opel füllte im letzten Jahr die Presseseiten und erregte die Gemüter quer durch die Republik. Mit hoher Schärfe wurde da ein Kampf ausgetragen, den nun zunächst der US-amerikanische General-Motors-Konzern (in Europa vor allem eben mit der Marke "Opel" vertreten) durch die Verhinderung des Verkaufes von Opel für sich entschieden hat. Doch gelöst und wirklich klar ist dadurch nichts. Weder findet so die weltweite Überproduktion von Autos (1) eine Lösung, noch erledigt sich die tief im Verborgenen liegende Ursache für diese Überproduktion: der grundlegende Widerspruch zwischen der privaten Aneignung der Produktionsmittel und dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion. Zehntausende, ja hunderttausend Arbeiter fassen die Monopole (2) unter ihr Kommando zusammen, über alle Ländergrenzen hinweg. Doch das Kommando wird bestimmt durch die Profitinteressen der wenigen Eigentümer der jeweiligen Monopole. Durch diese anachronistischen Produktionsverhältnisse ist jegliche gesamtgesellschaftliche Planung unmöglich. Nicht was (und in welchem Ausmaß) benötigt wird, um die Bedürfnisse einer Gesellschaft zu befriedigen, ist Ausgangspunkt wirtschaftlichen Handelns (3). Denn es geht ausschließlich darum, das aus den Hirnen und Muskeln der Arbeiter herausgepresste aufgehäufte Kapital wieder Maximalprofit bringend anzulegen. Unermesslicher Reichtum auf der einen, massenhafte Armut auf der anderen Seite sind zwangsläufige Folge dieser Verhältnisse und damit auch der Krisen, wie wir sie gerade erleben: es werden weltweit viel zu viele Waren hergestellt, zu viele für die kaufkräftige Nachfrage. Zu groß ist die Armut, die dem Reichtum gegenüber steht. Die kapitalistische Ökonomie kann diesen Widerspruch nur durch massenhafte Vernichtung von Produktivkräften lösen, also durch Schließung von Werken und Entlassung der Belegschaften in das Schicksal der Erwerbslosigkeit. Aufgrund der enormen Größe und dadurch Macht der Banken und Konzerne im Zeitalter des Monopolkapitalismus ergeben sich - wie im Falle Opel - Versuche, mit staatlicher Hilfe die direkten Folgen zu verhindern, bzw. die jeweiligen Nationalstaaten für die eigenen Zwecke in Stellung zu bringen. Dadurch spitzen sich die Widersprüche weiter zu, der eh schon erbitterte Kampf der Monopole und ihrer Staaten um Einflusssphären und Absatzmärkte verschärft sich und drängt auf immer gewaltsamere Lösungen.

Der Kampf um Opel spielt sich auf dem Boden dieser Verhältnisse ab und spiegelt sie gleichzeitig wider. Deshalb kommen wir, um das vorweg zu nehmen, zu dem Schluss, dass Opel derzeit nur "geparkt" ist, geparkt im Halteverbot!


Die weltweit agierende Automobilindustrie und die dabei vor sich gehende Verschiebung der Kräfteverhältnisse

Weltweit wurden 2009 ca. 66 Millionen (4) Kraftfahrzeuge aller Art (Pkw, Lkw, Motorräder etc.) produziert, Hauptprodukt mit ca. 53 Millionen Stück sind dabei Pkw. Die Produktion nach Ländern verteilte sich nach den letzten ausführlichen, vorliegenden Daten (für 2008) siehe Tabelle 1.


Tabelle 1: 
 Produktion von Kraftfahrzeugen weltweit in Millionen Stück, 
 Verteilung nach Produktionsland (sortiert nach Auto)


Auto

andere Kfz

Summe

zu Vorjahr
    in %
Japan
9,9
1,6   
11,5
-0,3% 
China
6,7
2,6   
9,3
5,2% 
BRD
5.5
0,5   
6,0
-2,8% 
USA
3,8
4,9   
8,7
-19,3% 
Südkorea
3,5
0,4   
3,9
-6,8% 
Brasilien
2,6
0,7   
3,3
8,2% 
Frankreich
2,1
0,4   
2,5
-14,8% 
Spanien
1,9
0,6   
2,5
-12,0% 
Indien
1,8
0,5   
2,3
2,7% 
Russland
1,5
0,3   
1,8
7,8% 
Großbritannien
1,4
0,2   
1,6
-5,8% 
Mexiko
1,2
0,9   
2,1
4,6% 
Kanada
1,2
0,9   
2,1
-19,4% 
SUMME WELTWEIT
52,6
17,9   
70,7
-3,7% 

Quelle: "Organisation Internationale des Constructeurs d'Automobiles" (OICA)


In den letzten Jahrzehnten gab es hierbei massive Verschiebungen. Mit dem Aufkommen des Autos als Massenprodukt im 20. Jahrhundert waren die USA als Produktionsland und Absatzmarkt mit Abstand die wichtigste Region der neuen Branche. Nach dem 2. Weltkrieg gewann Westeuropa schrittweise - insbesondere Westdeutschland - an Bedeutung. Dies beinhaltete sowohl die Produktion, als auch den Absatz. Der größte Hersteller in der Nachkriegs-BRD war bald schon VW, gefolgt von der Opel AG (5), die im Zuge der Krise von 1929 an den Weltmarktführer General Motors aus den USA gefallen war. Opel hatte in den Nachkriegsjahren in Westdeutschland eine gefestigte Herstellerposition mit um die 20% Marktanteil verkaufter Autos (bis in die 1990er-Jahre hinein). Mitte der 1960er-Jahre hatte Westdeutschland zwar nur ein Drittel der Produktionsstückzahlen der USA, war aber bereits der größte Auto-Exporteur (6).

Gleichzeitig drangen in den Siebzigern die ersten japanischen Auto-Monopole - angeführt von Toyota - neu auf den westeuropäischen und amerikanischen Markt, später traten noch südkoreanische Marken (insbesondere Hyundai) hinzu. In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre kamen die asiatischen Hersteller im Zuge der Asienkrise in Bedrängnis und mussten mehr oder weniger große Kapitalanteile an ihre "älteren" Konkurrenten (Daimler -> Mitsubishi; Renault -> Nissan; Ford -> Mazda usw.) abtreten, die Kräfteverhältnisse pendelten in gewissem Umfang in Richtung der vorherigen Situation zurück. Japan war jedoch auch 2008 wieder das größte Auto-Produktionsland.

Ebenfalls in den 1990er-Jahren wurde annähernd die gesamte Autoindustrie in den vormals sozialistischen Ländern Osteuropas vernichtet und plattgemacht oder in die westlichen Automonopole einverleibt. Die deutschen Autokonzerne waren dabei führend, insbesondere mit Übernahmen in der Tschechischen Republik und Polen. Nur ein Teil der russischen Autoindustrie blieb eigenständig bestehen. An der Veränderung der Konkurrenz von VW und Opel wird die nicht zuletzt damit verbundene Entwicklung besonders deutlich: Bis in die 1990er-Jahre hinein produzierte Opel etwa halb soviel Autos wie VW, in den letzten Jahren hat sich VW derart gesteigert, dass sie rd. fünfmal soviel Wagen herstellen wie Opel.

Seit der Jahrtausendwende hat die VR China als Produktionsland in schnellen Schritten aufgeholt und 2006 wurden erstmals mehr Autos in China produziert, als in den USA. In die Rangliste der drei großen Produktionsländer (Japan, BRD, USA) brach damals erstmals ein Land ein, welches nicht zu den kapitalistischen Hauptländern (Imperialisten) zu zählen ist. Im Jahr 2008 überholte die VR China dann die USA auch in der Produktionsstückzahl von Kraftfahrzeugen insgesamt (also nicht nur Pkw/ Autos) (7). Möglicherweise war die VR China bereits 2009 der weltgrößte Auto-Produktionsstandort, die genauen Zahlen lagen bei Redaktionsschluss leider noch nicht vor.

Die VR China ist derzeit - gemessen an den Neuzulassungen - auch der größte Automarkt der Welt. Dabei produzieren die etablierten Hersteller wie VW oder Ford (mit Changan) überwiegend in Gemeinschaftsunternehmen (joint-ventures). Die großen Hersteller können somit in diesem Wachstumsmarkt nicht nur einfach weitere Stückzahlen "machen", sondern müssen lokal produzieren, die chinesische Seite nennenswert beteiligen und so auch einen Teil Ihres technischen und Entwicklungs-know-how offenlegen. Auf wessen Seite - über einige Jahre betrachtet - dann der größere Nutzen liegt (der chinesischen oder den etablierten Herstellern), ist heute nicht abschließend vorherzusehen. Der allergrößte Teil des Absatzes besteht dabei in Klein- und sogenannten "Mini"wagen. Auch VW hat in der VR China seine Modellpalette entsprechend ausgerichtet. Die in der VR China produzierten Autos werden dabei (derzeit noch?) annähernd ausschließlich dort abgesetzt, der Export ist gering. Wie in vielen Bereichen wird die Entwicklung der chinesischen Autohersteller und des chinesischen Automarktes für die Autoindustrie weltweit von besonderer Bedeutung sein.

Für die Analyse der zunächst nur auf Stückzahlen beruhenden Ausführungen ist zu berücksichtigen:

Stückzahl ist nicht gleich Umsatz, und natürlich auch nicht gleich Profit (was ja die Hersteller und damit Eigentümer letztlich am meisten interessiert). Ein Porsche-Fahrzeug erbringt den mehrfachen Umsatz und Profit eines Fahrzeuges der einheimischen chinesischen oder indischen Hersteller.
Produktionsstandort ist nicht einheimischer Hersteller. In die Produktionszahl in China gehen alle dort produzierten Fahrzeuge ein, auch zum Beispiel die VW, die in einem Gemeinschaftsunternehmen (8) produziert werden. So kommt es, dass in Deutschland 2008 ca. 5,5 Millionen Pkw produziert wurden, allein der VW-Konzern jedoch weltweit 6 Millionen Autos (an allen seinen Produktionsstätten) herstellte, siehe dazu Tabelle 2.


Tabelle 2:
Produktion von Kraftfahrzeugen weltweit in Millionen Stück,
Verteilung nach Herstellerfirma 2008 (sortiert nach Auto)

Auto
andere Kfz
Summe
Toyota
7,8
1,4  
9,2
VW
6,1
0,3  
6,4
General Motors GM
6,0
2,3  
8,3
Honda
3,9
0,0  
3,9
Ford
3,3
2,1  
5,4
Nissan
2,8
0,6  
3,4
PSA (Peurgeot Citroën)
2,8
0,5  
3,3
Hyundai
2,4
0,4  
2,8
SUZUKI
2,3
0,3  
2,6
Renault
2,0
0,4  
2,4
Fiat
1,8
0,7  
2,5
Daimler
1,4
0,8  
2,2
BMW
1,4
0,0  
1,4
KIA
1,3
0,1  
1,9
Mazda
1,2
0,1  
1,3
Mitsubishi
1,2
0,1  
1,3
SUMME WELTWEIT
52,6
17,9
70,5

Quelle: "Organisation Internationale des Constructeurs d'Automobiles" (OICA)



Unabhängig von den zwei unterschiedlichen Betrachtungen (Wo wird produziert? Welcher Hersteller produziert und verkauft am meisten?) ist eindeutig, dass die US-amerikanischen Auto-Monopole (General Motors, Ford, Chrysler) schon über einen längeren Zeitraum in der Konkurrenz verloren haben und Anteile abgeben mussten. GM und Ford als ehemals unbestrittene Auto-Weltmarktführer vereinigten im Jahre 2009 nur noch weniger als 20% der weltweiten Kfz-Produktion auf sich. Die Ablösung der US-Hersteller als führende Monopole hat sich in den letzten Jahren deutlich beschleunigt. Anders als zum Beispiel der gefräßige VW-Konzern konnten sie nicht in relevantem Umfang aus der Öffnung der VR China für ausländische Waren und Kapital, den hohen Wachstumsraten der chinesischen Wirtschaft und den wachsenden Absatzmärkten sogenannter Schwellenländer wie Indien profitieren (9). VW hingegen verkaufte 2009 erstmals mehr Autos in der VR China als in Deutschland und hat sich gerade neu an SUZUKI (die in Indien stark vertreten sind) beteiligt (10). Zusätzlich gingen die Marktanteile von GM (und auch Ford) in ihrem Heimatmarkt USA und auch in Europa deutlich zurück. So hat sich der Marktanteil von Opel in Deutschland gegenüber der Mitte der 1990er-Jahre, als dieser fast noch bei 20% lag, mittlerweile praktisch halbiert.

Dabei ist General Motors immer noch auf Platz 3 der Weltrangliste der Auto-Hersteller (11). Die unangefochtene Spitzenposition in den Anfängen der Automobilproduktion und den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg ist aber schon länger dahin. Sowohl in den neuen asiatischen Märkten, als auch in wichtigen traditionellen Märkten (wie z. B. der BRD) und selbst im Heimatmarkt USA sind die Verkäufe von GM zurückgegangen. In dieser Situation der verschärften internationalen Konkurrenz ist GM mit einem Abstieg auf Platz 3 schon ein Verlierer. Vor allem die Tendenz des stetigen Rückgangs bewirkt die ungünstige Perspektive des einstiegen Weltmarktführers. Entscheidend - ist somit nicht nur die schlichte Platzierung als Momentaufnahme eines Jahres, sondern vor allem auch die Tendenz der Entwicklung, die Perspektive. Die Situation eines ökonomischen "Aufsteigers" ist dabei anders zu bewerten, als ein "Absteiger" wie GM, auch wenn der Aufsteiger im Gesamt-Produktionswert (noch) deutlich dahinter liegt. Was GM betrifft, so gehen verschiedene Analysen davon aus, dass sie mindestens eine Stückzahl von 10 Millionen Kfz jährlich weltweit produzieren müssen, um keine Verluste mehr zu machen, ohne Opel hätten sie aktuell maximal 6 Millionen Stück.


Warum GM Opel nicht verkaufen kann

Die dargestellten Verschiebungen der Kräfteverhältnisse zwischen den Monopolen im Kampf um Absatzmärkte führten dazu, dass das Auto-Monopol General Motors bereits seit längerer Zeit finanzielle Schwierigkeiten hatte. Mit Ausbruch der Krise und dem drastischen Rückgang der Auftragseingänge, musste es Anfang 2009 die Insolvenz (12) ankündigen. Diese Entwicklung des alleinigen Mutterkonzerns betraf natürlich zwangsläufig auch den europäischen Ableger Opel. Nun begann ein Hauen und Stechen, wilde Gerüchte und Szenarien setzen ein und die beauftragten Politiker wurden tätig. Selten haben Kanzleramt, Minister und Landesfürsten so massiv und öffentlich versucht in die wirtschaftlichen Entscheidungen einzugreifen wie im Falle Opel. Nun sahen sie ihre Stunde gekommen, um nach 80 Jahren den immer noch wichtigen Autobauer Opel der verhassten US-Konkurrenz wieder zu entreißen.

Dabei wurden schon frühzeitig verschiedene ausländische Konkurrenten (wie zum Beispiel die italienische Fiat) aussortiert. Zu Pfingsten 2009 präsentierte man dann das von Anfang an ungewöhnlich erscheinende Gebilde, wonach der österreichische Kfz-Zulieferer Magna zusammen mit der russischen Sberbank die Mehrheit von Opel übernehmen sollte. Magna ist einer der größten Kfz-Zulieferer und liefert an praktisch alle relevanten Kfz-Hersteller in bedeutendem Umfang. Allerdings ist Magna kein Kompletthersteller und wäre mit der Opel-Übernahme somit in direkte Konkurrenz zu seinen bisherigen Kunden (den Auto-Konzernen) getreten und hätte außerdem aus dem Stand ungefähr den 10. Platz der Hersteller-Weltrangliste (etwa gleichauf mit Fiat und Renault) erklommen. Der wichtigste Vertreter der VW-Eigentümerfamilie, Aufsichtsrat Ferdinand Piech erklärte entsprechend: "Wir mögen es nicht, wenn aus unseren Zulieferanten unsere Konkurrenten werden" (13) und drohte mit Entzug von Aufträgen an Magna. Politisch ist Magna eng verbunden "mit deutschen Autoherstellern (Daimler, BMW, Porsche) eng verbunden und hat in den letzten Jahren seine Loyalität zu Berlin mit dem Einsatz für ein umstrittenes österreichisches Rüstungsprojekt unter Beweis gestellt." (14) Die russische Sberbank als Partner von Magna hat wiederum in 2008 "ein Abkommen mit der Deutschen Bank geschlossen, das eine enge Zusammenarbeit begründet." (15)

Für General Motors stellte sich die Lage durch die Entwicklung dabei geradezu als dramatisch dar. Die Europatochter Opel macht etwa 20% des Gesamtkonzerns General Motors aus. Der Verkauf würde einen weiteren Rückgang in Umsatz und Marktanteil in dieser Höhe bedeuten. Und mehr noch: Opel würde sogar ein neuer, weiterer Konkurrent. Wo man bisher in sogenannten regionalen Markenstrategien selbst steuern konnte, wo man Opel-Autos und wo man General Motors-Fahrzeuge verkauft, würden sich demnächst möglicherweise Opel besser verkaufen als GM.

Zusätzlich ist Opel seit Jahrzehnten fester Bestandteil des Gesamtkonzerns General Motors. Technische Entwicklung und Wissen ist innerhalb des Konzerns angeordnet und verteilt. Fahrzeugteile werden teilweise bei Opel, teilweise bei GM jeweils für den Gesamtkonzern entworfen und produziert. Der Aufwand einer technischen Entwicklung ist eine feste Größe. Einmal durchgeführt werden die Entwicklungskosten letztlich über den Preis zu einem bestimmten Anteil auf jedes verkaufte Stück umgelegt. Eine deutlich geringere Stückzahl durch den Wegfall von Opel hätte bewirkt, dass dieser "Umlageanteil" der Entwicklungskosten höher wird und damit zu einem klaren Nachteil führt. Auch hätten die neuen Opel-Eigentümer in unkontrollierbarem Umfang Zugang zu diesem Wissen erlangt, was ansonsten ja gehütet wird wie ein Staatsgeheimnis. Da hatte Opel schon in den 1990er-Jahren schlechte Erfahrungen mit VW gemacht, als der Opel-Chefeinkäufer Lopez mit einem Teil seiner Top-Manager und vielen, vielen Akten zu VW "überlief" und die Wolfsburger Herren so die Einkaufspreise der Konkurrenz auf dem Tablett präsentiert bekamen.


Der Kampf um Absatzmärkte

Seit Entstehen der Automobilkonzerne haben sich durch Konzentration (Erweiterung) und Zentralisation (Übernahmen von Konkurrenten) nur mehr wenige, riesige Monopole herausgebildet. Dabei schwächt sich die nationale Konkurrenz ab (16), die internationale Konkurrenz, der Kampf um Absatzmärkte weltweit verschärft sich hingegen. 2008 gab es weltweit noch 17 Automobilhersteller, die jeweils mehr als 1 Million Kraftfahrzeuge produzierten. Auch diese sind teilweise schon über Beteiligungen verbunden, so dass die relevante Anzahl in Wirklichkeit noch kleiner ist. In dieser Konkurrenz zählt jedes verkaufte Auto. Denn der Markt ist erst mal verteilt, ein zusätzliches Auto verkauft man nur, indem man einem der anderen 16 etwas wegnimmt. Da General Motors in diesem Kampf um Marktanteile und Stückzahlen bereits viel verloren hat, war es - in der kapitalistischen Logik - für sie immer das notwendige Ziel, Opel zu behalten. Auf einen Schlag ein Fünftel der verkauften Autos des Gesamt-Konzerns zu verlieren, praktisch das gesamte relevante Europageschäft abzugeben, war eine unmögliche Perspektive.

Opel zu verlieren, wäre für GM also ein Rückschritt im beinharten Konkurrenzkampf, gerade deshalb war dies für die anderen Monopole eine sehr interessante Perspektive und wäre der Gewinn einer wichtigen Schlacht gewesen. GM wäre massiv geschwächt gewesen, Magna hätte mit staatlicher Unterstützung die "Drecksarbeit" der Entlassungen, Werksschließungen gemacht und in einiger Zeit hätte vielleicht zum Beispiel der VW-Konzern noch mal schauen können, ob Opel nicht die nächste Marke unter dem Konzerndach werden könnte. Dies ist natürlich nur eine von vielen denkbaren Möglichkeiten, aber alle Varianten, in denen GM Opel verloren hätte, hätten direkt Perspektiven für die Konkurrenten eröffnet. Denn GM liegt dann am Boden, die Zeit bis sie vielleicht wieder aufstehen, muss man nutzen, Anteile abjagen, weitermachen, größer werden.

Und es herrscht Krise, also nochmals verschärfter Konkurrenzkampf zwischen den Monopolen. Die Auftragseingänge sind weltweit trotz Abwrackprämien deutlich eingebrochen. Die Frage ist nun, wer überlebt auf wessen Kosten? Wer geht gestärkt aus dieser Krise hervor und wer wird geschwächt? Wo werden die überschüssigen Produktionskapazitäten stillgelegt, also die Produktionsanlagen vernichtet und die Belegschaften auf die Straße geworfen? Ist das bei VW, BMW oder eben GM? Der Kampf darum wird längst nicht mehr nur zwischen den jeweiligen Monopolen ausgefochten, sondern zwischen den Staaten, in denen diese Monopole beheimatet sind. General Motors wurde von der US-amerikanischen Regierung erst einmal mit Staatsgeldern gerettet. Die deutsche Regierung wiederum gewährte Opel Staatsbürgschaften und Kredite, allerdings unter einer Bedingung: GM muss Opel verkaufen. Die staatlichen Kreditzusagen für Opel sollten nur für das "Konzept Magna" gelten. Als GM dann verkündete, Opel zu behalten, mussten die stattlichen Kredite zurückgezahlt werden. Anfang 2010 stellte Opel einen erneuten Kreditantrag, um den bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels heftig gerungen wurde, was bei dem Magna-Verkauf nicht der Fall gewesen wäre.


Deutsch-russische Verbindungen

Die deutsche Politik wurde ins Rennen geschickt, um die deutschen Auto- Monopole, die großen Hersteller wieder mal an den Fleischtopf zu setzen (17). Dabei gab es innerhalb der Bundesregierung auch deutlich sichtbare Differenzen. Der damalige Shooting-Star Karl-Theodor zu Guttenberg drängte darauf, das Interesse von Fiat ernsthaft zu prüfen und liebäugelte zeitweise auch mit der Möglichkeit der Insolvenz (18) von Opel. Dies setzte sich beides nicht durch, bzw. wurde von der Kanzlerin, die mit "Fiat hat doch sowieso keine Chance" zitiert wurde, weggewischt. Auch wenn die Politik letztlich der ausführende Ausschuss für das Kapital ist, erfolgt die Durchsetzung dieser Funktion nicht ohne Widersprüche, Umwege oder Widerstände (auch in deren eigenen Reihen). Denn mehrheitlich stand die Bundesregierung für einen anderen Weg. Opel sollte an ein Konsortium bestehend aus dem österreichisch-kanadischen Unternehmen Magna und der russischen Sberbank verkauft werden. Zu Magna, Zulieferer für die bundesdeutsche Automobilbranche, bestehen enge Verbindungen. So saß z.B. bis vor kurzem noch ein Vertreter von Magna Powertrain im Aufsichtsrat von MAN, Magna ist allgemein für intensive Kontakte in die Politik bekannt. Im Februar 2010 heuerte der ehemalige Thüringische Ministerpräsident Althaus bei Magna an.

Magna soll einen russischen Großaktionär mit rund 20%-Anteil haben. Mit der russischen Sberbank hat die Deutsche Bank erst letztes Jahr ein Abkommen über eine enge Zusammenarbeit geschlossen. Auch dahin gibt es also gute Verbindungen. Ziel dieses Planes war es, sich über den Opel-Deal den russischen Markt besser zu erschließen, von dem sich der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft für die Zeit nach der Krise hohe Wachstumsraten erhofft. GM hatte 2007 noch den höchsten Marktanteil unter den Automobilimporten Russlands, VW folgte dort erst auf Platz 14. Das sollte anders werden. "Für die deutschen Autokonzerne geht es in Russland jetzt darum, sich eine gute Ausgangsposition für die Zeit nach der Krise zu verschaffen", meinte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Mangold (19). Die Bundesregierung versprach zur Unterstützung dieser "Markteroberung" Kredite in Milliardenhöhe. Dabei kündigte Magna die Vernichtung von rund 10.000 Arbeitsplätzen in den europäischen Opel-Werken an. Doch das sollte vor allem auf Kosten der spanischen, belgischen, polnischen und englischen Standorte geschehen, die deutschen Opelwerke sollten vorgeblich "geschont" werden.

Nachdem der quasi Rückkauf von Opel durch GM klar war, wurde einiges über den vorherigen Ablauf bekannt. Die Bundesregierung hatte mit der überdeutlichen Favorisierung von Magna in dem Kaufverfahren ja eindeutig gegen die Regeln des angeblich "freien Wettbewerbs" und der "staatlichen Neutralität" verstoßen. An diesem Punkt waren verschiedene Stellen der EU (gerade aus den in der Strategie benachteiligten Ländern wie Spanien) auf den Plan getreten. Sie verlangten nunmehr verbindliche Erklärungen, die die formelle Neutralität des Ablaufes dokumentieren sollten: "GM sollte deshalb schriftlich versichern, dass seine Empfehlung vom September für einen Teilverkauf von Opel an Magna ohne politischen Druck zustande kam und dass alle Opel-Interessenten im Bieterprozess die gleichen Chancen hatten. Dies wollte GM aber offenbar nicht tun" (20). Diese schriftliche Erklärung war von der EU-Kommission gefordert worden. Dazu hieß es im Oktober aus dem GM-Umfeld: "Wir dürfen gegenüber der EU-Kommission keine Erklärungen abgeben, die später vor Gericht gegen uns verwendet werden könnten" (21). Mit der oben beschriebenen Erklärung "würde sich der Konzern dem Risiko von Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe aussetzen. Der italienische Opel-Rivale Fiat und der belgische Finanzinvestor RHJI, die ebenfalls Interesse an Opel hatten, waren frühzeitig aus dem Bieterwettkampf ausgeschieden. Aussagen aller Beteiligten legten damals nahe, dass die Bundesregierung sich massiv für Magna und Sberbank eingesetzt hatte." (22)

Dass die EU-Kommission hier gegen die Interessen der deutschen Seite agiert hat, ist kein so häufiger Fall. Es dürfte zunächst einmal damit zu tun haben, dass sich Deutschland hier praktisch allein gegen alle gestellt hat, also gegen alle Vertreter der Länder, in denen Opel Standorte hat und wo entsprechend der Großteil der Entlassungen erfolgen sollte. Daneben trugen fraglos auch die Proteste in diesen Ländern, insbesondere in Spanien, bei denen die Funktion der Bundesregierung deutlich benannt wurde, zu der Entscheidung bei. Juristische Winkelzüge gibt es meistens viele, aber in welche Richtung diese gehen ist letztlich eine politische Auseinandersetzung. Hier hat sich die deutsche Politik diesmal "verzückt", denn die EU wird fraglos von ihnen hauptsächlich dominiert, aber sie haben eben nicht die alleinige Macht.


Falsche Freunde

Die Empörung des letzten Herbst, von der Bundesregierung über die Medien bis hin zum Opel-Betriebsrat, als bekannt wurde, dass General Motors (GM) Opel behalten will, ist also nur an der Oberfläche verraucht. Erinnern wir uns: der hessische Ministerpräsident Koch (CDU) zum Beispiel, wütete auf einer Protestkundgebung der IG-Metall: "Es geht nicht, dass GM Gewinnmaximierung betreiben will, indem sie die deutschen Arbeitnehmer als Geiseln nehmen." (23) Der gleiche Koch also, der zum Beispiel gern verschärften Arbeitszwang für Hartz-IV-Empfänger fordert, entdeckt hier wieder mal sein Arbeiterherz. Schon im Zuge der Krisenverschärfung um Opel trat Koch hervor: "Für uns ist eine Diskussion über eine Schließung von Standorten nicht akzeptabel." (24) Dass es Koch nicht um unsere Existenz geht, sondern um strategische Ziele der deutschen Konkurrenten von Opel (insbesondere VW), für die er die Arbeiter hinter sich bringen will, erklärte er wenig später ziemlich ungeschminkt: "Opel hat dann eine Chance, wenn es gelingt, ein schlüssiges europäisches Modell zu entwickeln und eine neue europäische Unternehmenseinheit aufzubauen." (25)

Also doch nicht gegen Konzerne, die auf dem Rücken der Arbeiter "Gewinnmaximierung" betreiben, sondern nur dagegen, dass diese Gewinne in amerikanische Taschen fließen, dass das Opel-Stück vom Kuchen immer noch nicht auf den Tellern der Leute landet, für die Roland Koch Politik macht. Zur Unterstützung der Opel-Kollegen aus rechter Ecke stellt sich auch die Frage: Wo waren die ganzen Freunde der Arbeiter, als Daimler bei Chrysler die Macht übernommen hat und Zehntausende von Kollegen in den USA ihren Job verloren (26)? Wer hat überhaupt nur den Hauch einer Kritik gehört an der Politik der verbrannten Erde, als Daimler den niederländischen Flugzeugbauer Fokker ausgesaugt und erledigt hat, als BMW Rover erst kaufte und dann wieder fallen ließ usw. In Solidarität mit den Kollegen dieser von deutschen Konzernen plattgemachten Betriebe, stellen wir fest, dass die Herren Rüttgers und Koch sich nur dann auf die Seite der von Erwerbslosigkeit Bedrohten stellen, wenn ausländisches Kapital in Deutschland die Drohung ausspricht so wie zum Beispiel bei Nokia oder Opel.


Egal ob Magna oder GM

Auseinandersetzungen wie die um Opel sind der komprimierte Ausdruck von ökonomischen Interessen, letztlich Ausdruck von Kämpfen um den Profit. Dabei versuchen alle Beteiligten ihre Interessen durchzusetzen und ein möglichst großes Stück vom Kuchen zu gewinnen, ihre Ausgangsposition für die nächste Runde zu verbessern usw. Das Ergebnis des Kampfes ist dabei nicht selten ein Zustand, den keiner der Beteiligten so direkt gewollt hat (27). Dies geschieht gerade dann, wenn niemand sich eindeutig durchsetzen konnte. Im bisherigen Verlauf des Kampfes um Opel hat General Motors den Besitz zunächst behalten können. Dies resultiert nicht zuletzt aus der bewältigten Insolvenz von GM. Mit dem für diese Situation durchaus vorteilhaften US-amerikanischen Insolvenzrecht und entsprechender Unterstützung in Form einer weitgehenden Verstaatlichung durch die Regierung Obama hat sich General Motors erst einmal wieder "fit gemacht" für die nächsten Runden im Kampf um Absatzmärkte und Profite. Ob diese sozusagen ökonomische "Dopingspritze" des Staates ausreicht, um für einen längeren Zeitraum erfolgreicher zu agieren und den stetigen Absatzrückgang umzudrehen, Marktanteile gegen die Konkurrenten zurückzugewinnen, erscheint dennoch sehr fraglich. Schon die Gewährung der ersten zur Finanzierung der weiteren Opel-Verluste erforderlichen Kredite ist dabei nicht gesichert.

Zunächst ist jedoch deutlich, dass das Ziel der hiesigen Monopole durch die deutsch-österreichisch-russischen Zusammenarbeit auf Kosten des amerikanischen Konkurrenten gestärkt aus der Krise hervorzugehen, einen Dämpfer bekommen hat. Das ist der Grund für die allseitige Empörung im Land. Doch der Kampf wird weitergehen, hat sich doch an der Ausgangslage nichts verändert. Nur deshalb heucheln Figuren wie Koch Solidarität mit den "deutschen" Arbeitern gegen die "Gewinnmaximierung" von GM. Die Arbeiter sollen mit den deutschen Monopolherren gegen deren Konkurrenten in den Kampf ziehen, statt die Frage ganz anders zu stellen: Wie müssen wir Arbeiter unseren Kampf organisieren, um mit der "Gewinnmaximierung" überhaupt Schluss zu machen.


In dieser Konkurrenz bekommen wir keine Lösung

Opel ist somit geparkt im Halteverbot. In der heutigen Stufe des Kapitalismus und in dem extrem umkämpften Markt des Massenprodukts Auto, bedeutet aber Stillstand immer Rückschritt. Wer sich mit dem Erreichten von gestern zufrieden gibt, wird überholt, die Konkurrenz zwischen den wenigen verbliebenen Autokonzernen verschärft sich. Die Gesamtkapazitäten sind zu hoch für die zahlungskräftige Nachfrage. Zu hoch gemessen an der Zahl der Abnehmer, die ein Auto brauchen und dies auch bezahlen können. Allein in Europa gibt es bestehende Produktionskapazitäten für die Herstellung von schätzungsweise 28 Millionen Autos jährlich, 2009 wurden - trotz Abwrackprämien - knapp halb soviel Autos gebaut, die Produktionsanlagen also nur zu 50% genutzt! Die Abwrackprämie verschiebt die Auswirkungen der Krise bei den sogenannten Volumenherstellern (VW, Fiat, asiatische Marken) also nur ein bisschen, löst aber keineswegs das Kernproblem. Es können immer mehr Autos immer effektiver produziert werden, aber die zahlungsfähigen Abnehmer werden nicht entsprechend mehr. Die im Vergleich kleineren Hersteller bedroht dies besonders. Sie haben bereits von vornherein Nachteile, weil jede Weiterentwicklung, jedes neue Modell anteilig mehr Kosten bedeutet als bei den größeren Stückzahlen.

Dies alles bewirkt, dass Opel voraussichtlich so keine Marktanteile zurückgewinnen wird und das jetzige Ergebnis (Opel bleibt Teil von GM) auf die eine oder andere Weise brüchig werden dürfte. Dann geht die Jagd von vorne los. Der VW-Chef Winterkorn hat schon im Sommer die Umbenennung von VW in Auto-Union ins Spiel gebracht. Auto-Union war der historische Firmenname für den Zusammenschluss der Hersteller Audi, DKW, Horch und Wanderer 1932. Die Auto-Union wurde symbolisiert mit den noch heute verwandten vier Ringen der Marke AUDI. Sie wechselte in den 50er-Jahren in den Mercedes-Konzern und ging Ende der Sechziger dann im VW-Konzern auf. Deshalb gehört der Name "Auto-Union" VW und könnte reaktiviert werden (28). Die Veröffentlichung dieses Gedankenspiels ist nichts weiter als eine Kampfansage durch VW. Weitere Marken sollen unter dem Konzerndach gesammelt werden, um letztlich Toyota als mengenmäßig größten Autohersteller der Welt dauerhaft abzulösen. Der Zuwachs zu den (inkl. Porsche) nunmehr zehn Automarken soll dabei sicher nicht zuletzt durch Übernahmen in Deutschland erfolgen. Und gerade dies könnte dann in absehbarer Zeit bedeuten, dass Opel wieder auf den Markt geworfen wird. Bis dahin lassen sie erst mal andere die Drecksarbeit machen: Umstrukturieren, Werke schließen, reduzieren, Lohn kürzen usw. So oder so bleibt die Erkenntnis auch in diesem Fall: Lohnverzicht rettet keine Arbeitsplätze, so wenig, wie der nationalistische Zungenschlag der Gewerkschaftsführung in der Auseinandersetzung um Opel. Beides verhindert nur die notwendige Organisierung der Arbeiterklasse, um in den kommenden Kämpfen gegen die Monopolbourgeoisie und ihre Helfershelfer gewappnet zu sein, statt sich von ihr in ihren Kämpfen verheizen zu lassen.

Arbeitsgruppe Zwischenimperialistische Widersprüche


Anmerkungen:

(1) Dieser Widerspruch wird in einer aktuellen Studie des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) an der Hochschule Nürtingen-Geislingen besonders deutlich herausgestellt. Hier wird die Folge der Überproduktion am Beispiel des Gebrauchtwagenhandels klar beschrieben: "Angesichts einer Standzeit von mehr als 110 Tagen im deutschen Fabrikatshandel bleibt eine Erhöhung des Umschlagfaktors laut Studie die wichtigste Herausforderung, um die finanziellen Belastungen aus dem Gebrauchtwagengeschäft zu reduzieren. ... Das IFA rechnet damit, dass der Gebrauchtwagenmarkt in diesem Jahr nach dem Auslaufen der Abwrackprämie in etwa das Niveau des Vorjahres erreichen wird. Gestützt werde der Gebrauchtwagenmarkt durch das derzeit niedrige Preisniveau: So seien die Preise dort im vergangenen Jahr um 3,1 Prozent gesunken. Andererseits treffe die voraussichtlich steigende Arbeitslosigkeit potenzielle Käufer besonders stark. Der deutsche Gebrauchtwagenmarkt war im Jahr 2009 zum vierten Mal in Folge gesunken auf nur noch 6,01 Millionen Besitzumschreibungen. Gegenüber dem Jahr 2008 bedeutete dies einen Rückgang um 1,6 Prozent." (www.autohaus.de) In dieser Entwicklung ist zu berücksichtigen, dass viele Autos aufgrund der Abwrackprämie gar nicht mehr in den Handel gelangten, weil sie direkt vernichtet wurden.

(2) Der ökonomische Begriff Monopol ist in der Theorie des Marxismus-Leninismus, bzw. der marxistischen Politischen Ökonomie anders definiert als in der bürgerlichen Lehre. Die Bürgerlichen setzen "Monopol" für ein einziges, marktbeherrschendes "Unternehmen", bzw. einen Konzern. Lenin definierte in seiner Schrift "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" den Begriff so, dass Monopole eine kleine Zahl von hoher Konzentration geprägter Kapitalien sind, also beispielsweise die wenigen, verbliebenen Auto-Hersteller. Diese Monopole bestimmen die Verhältnisse in politischer und ökonomischer Hinsicht. Der marxistische Monopolbegriff ist insofern nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch (im Sinne der Machtausübung durch die Monopole) geprägt. In ökonomischer Hinsicht entsprechen "die Monopole" dem, was die bürgerliche Theorie als "Oligopol" beschreibt.

(3) An dem hier behandelten Produkt Automobil zeigt sich dies besonders. Es gibt keine gesellschaftliche Planung, die Transport und Verkehr optimiert und den Schwerpunkt auf Öffentliche Verkehrsmittel (ÖPNV) legt. Die Bahn verrottet, bzw. wird auch Profitzielen unterworfen, im Ergebnis ist die Mobilität vieler Menschen ohne Notwendigkeit massiv eingeschränkt. Die Autoindustrie hat in Deutschland eine hohe Bedeutung, was den Widerspruch verdeutlicht, weil es sich hierbei um eine insgesamt rückständige Technik (ein rückständiges Verkehrsmittel) handelt.

(4) Die endgültigen Daten für 2009 lagen zum Redaktionsschluss noch nicht vor, 2008 waren es 69,5 Millionen Kfz, weltweit wird krisenbedingt von einem Rückgang um 5% ausgegangen.

(5) Damals war Opel noch eine Aktiengesellschaft. Erst vor einigen Jahren wurde diese aus Gründen der Verwaltungs-Vereinfachung in eine GmbH umgewandelt. Nunmehr soll Opel wieder eine AG werden, auch um über den Aufsichtsrat der Betriebsrats- und Gewerkschaftsseite mehr "Mitsprache" zu geben.

(6) Nach einem Bericht des Deutschen Wirtschaftsinstitutes 1965 wurden in Westdeutschland zu jener Zeit bereits 2.414.107 PKWs und Kombiwagen produziert. Westdeutschland lag damit an zweiter Stelle nach den USA (7.644.376). Mit 1.331.781 Automobilen war es jedoch bereits führend im Export.(Bericht des Deutschen Wirtschaftsinstitutes 14/1965, S. 14; zit. nach KAZ extra, April 1997 "Räder rollen für den Sieg", S. 5)

(7) Diese, wie alle weiteren Daten in dem Zusammenhang von "Organisation Internationale des Constructeurs d'Automobiles" (OICA).
Internet: http://oica.net/

(8) Sogenanntes joint-venture, welches je zur Hälfte der VW AG und dem chinesischen Staat gehört.

(9) VW beispielsweise verkaufte 2009 bereits jedes sechste Fahrzeug in China und konnte insbesondere dadurch Rückgänge an anderer Stelle ausgleichen.

(10) Die weiteren Pläne von VW zeigen sich hier auch daran, dass sie "SUZUKI" gleich als weitere Marke ihres Konzerns ansehen, obwohl sie (zunächst?) nur mit 20% beteiligt sind.

(11) unter Einbeziehung des restlichen Fahrzeugbaus, insbesondere der größeren Kompakt- und Geländewagen sogar Platz 2.

(12) Das US-amerikanische Insolvenzrecht ist dabei deutlich anders aufgebaut als das vergleichbare deutsche Recht. Die Möglichkeiten, sich durch eine Insolvenz Schulden zu entledigen und anschließend "neu zu starten" sind für das Kapital günstiger und werden auch häufiger praktiziert.

(13) FAZ 16.09.2009

(14) German-Foreign-Policy.com vom 06.03.2009 "Stürzende Giganten (II)"

(15) German-Foreign-Policy.com vom 05.10.2009 "Die Wirtschaftsachse Berlin-Moskau (1)"

(16) Lenin beschreibt diese Entwicklung in seinem Werk "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" bereits 1916 im Zuge der in der Schrift enthaltenen, umfassenden Erklärungen der Zusammenhänge des entwickelten Kapitalismus: "Die Monopolverbände der Kapitalisten - die Kartelle, Syndikate und Trusts - teilen vor allem den ganzen Binnenmarkt unter sich auf, indem sie die Produktion des betreffenden Landes mehr oder weniger vollständig an sich reißen. Aber der Binnenmarkt hängt unter dem Kapitalismus untrennbar mit dem Außenmarkt zusammen." (Lenin, Ausgewählte Werke in 6 Bänden, Band 2, Seite 707, Dietz Verlag Berlin, 8. Auflage 1980)

(17) Dass der Staat und seine Organe nicht als neutrale, allseits vermittelnde und wohltätige Instanz anzusehen ist, findet sich bereits 1848 im "Manifest der Kommunistischen Partei" (Kommunistisches Manifest): "Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausschuss, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisieklasse verwaltet" (Manifest der Kommunistischen Partei, zitiert nach Dietz Verlag Berlin, 48. Ausgabe 1983, Seite 46). Gleichwohl agiert der Staat nicht einfach für jeden Kapitalisten in dessen Maximalinteresse. Der Staat übernimmt auf Basis des Gesamtinteresses der Kapitalistenklasse vermittelnde Funktion insofern, als dass er einen Ausgleich der Widersprüche auch vor allem zwischen den Einzelkapitalisten versucht. Die Kapitalistenklasse ist sich einig im Kampf gegen die Arbeiter, sie streiten aber auch fortwährend untereinander um die Beute. Ohne den Staat als "Vermittlungsausschuss" würde dieser Kampf um die Beute schnell die Gefahr der Vernichtung des gesamten Systems bewirken, weil keinerlei Zugeständnisse der Kapitalisten untereinander erfolgen würden. Die ohnehin regierende Anarchie der Produktion würde in die direkte Selbstvernichtung übergehen, die Arbeiter könnten nicht reproduziert und folglich auch nicht mehr ausgebeutet werden. Im imperialistischen Stadium des Kapitalismus verschiebt sich diese Funktion des Staates nicht grundsätzlich, jedoch fällt den monopolistischen Kapitalien stärkere politische Macht zu, die sie entsprechend in der Beeinflussung und Beauftragung des Staates für ihre Interessen einsetzen. Der Staat agiert nunmehr zuerst im Interesse der Monopolkapitalisten und im Weiteren für die anderen, kleineren Einzelkapitalisten.

(18) Es ist offensichtlich, dass das hiesige Kapital gerade im Zuge der Krise die Möglichkeit von Insolvenzen als Instrument für die eigenen Zwecke in bisher ungekanntem Umfang "schätzen" gelernt hat und viel stärker "einsetzt" als in der Vergangenheit, siehe zum Beispiel Karstadt/Quelle oder Karmann. In der Insolvenz sind Arbeitsrecht, Betriebsrat und andere Pflichten massiv eingeschränkt oder gestrichen. Sie können ohne große Fristen oder Sozialpläne entlassen, sich Vielem leicht entledigen. Sind die Altlasten dann beseitigt, lässt sich der Betrieb möglicherweise wieder gut verkaufen und ein ertragreicher "Neustart" durchführen. Insolvenz wälzt in noch stärkerem Maße als sonst Lasten auf die Allgemeinheit ab, unter Umständen auch auf die Schultern von anderen Kapitalteilen, von Konkurrenten also. Bei Opel standen dabei die Betriebsrenten ganz oben auf der Tagesordnung. Mit der Insolvenz wären diese auf den sogenannten Pensionssicherungsverein übergewechselt. Damit hätten in Form einer Umlage alle Betriebe mit Betriebsrenten die Zahlung der Betriebsrenten von Opel übernehmen müssen. Die Beiträge wären hier für die anderen Kapitalisten explodiert, zumal sie schon insbesondere durch Karstadt/Quelle in 2009 mehr als verdoppelt wurden.

(19) "Opel-Lösung wichtige Weichenstellung"; www.ost-ausschuss.de 10.9.2009

(20) Süddeutsche Zeitung (SZ), 04.11.2009

(21) FTD.de (Internetausgabe der Financial Times Deutschland), 25.10.2009

(22) ebenda

(23) Süddeutsche Zeitung (SZ), 06.11.2009

(24) nach FAZ, 18.02.2009, Titel: "Ministerpräsidenten drohen General Motors"

(25) Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 11.03.2009

(26) Worauf auch einige Linke und Kommunisten hereingefallen sind, die mit diesem Beispiel eine Art "endgültige Globalisierung" verkündeten, nach der nachgewiesen wäre, dass sich Konzerne wie Daimler endgültig von der nationalen Basis verabschieden würden.

(27) Ein besonders bemerkenswertes Beispiel für einen solchen Ablauf lieferte die Abstimmung der beiden Treuhänder der Bundesregierung in dem gebildeten Gremium - was den geplanten Verkauf von Opel durchführen sollte - als diese plötzlich quasi für das Konzept von GM stimmten und somit gegen den Plan der Bundesregierung an Magna zu verkaufen, obwohl diese Treuhänder ja von der Bundesregierung geschickt waren.

(28) Ob die Umbenennung von VW in Auto-Union wirklich erfolgt, um den Konzern mit seinen zugekauften Marken in den Vordergrund zu stellen, bleibt abzuwarten. Aufsichtsratschef Piech hat erst mal gebremst, weil "Union" im Englischen ja Gewerkschaft bedeutet und somit vermutet wird, dass diese Namensgebung den Absatz in englischsprachigen Ländern behindern könnte. Dies ist aber nicht unbedingt schlüssig, weil das einzelne Fahrzeug ja weiterhin mit einer der Marken wie z. B. VW oder Skoda (oder eben vielleicht mal Opel) bezeichnet wäre und nicht "Auto-Union" heißen würde.


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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 330, April 2010, S. 4-10
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2010