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KAZ/194: Gedenken in Berlin zum 126. Geburtstag Ernst Thälmanns


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 340, September 2012
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Sage mir, wen der Staat, in dem du lebst, ehrt, und ich sage dir, in welchem Staat du lebst!

Zum 126. Geburtstag Ernst Thälmanns vor dessen Denkmal in Berlin, April 2012



Im Jahre 2000 gründete sich das Aktionsbündnis Thälmanndenkmal, Gründungsmitglieder sind und waren die Kommunistische Partei Deutschlands, die Kommunistische Arbeiterzeitung, die Deutsche Kommunistische Partei, die damalige PDS, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten und die Freie Deutsche Jugend. In einer Zeit der offenen Bedrohung unserer antifaschistischen Gedenkstätten, also vom Tag der Ausdehnung des deutschen Imperialismus auf das Territorium der Deutschen Demokratischen Republik bis heute, setzten wir uns das Ziel, das Denkmal gegen die Angriffe der bundesdeutschen Bilderstürmer, gegen Verfall und Zerstörung zu schützen und es regelmäßig mit fortschrittlichen Veranstaltungen angemessen zu würdigen. Mit dieser Zielsetzung entsprachen wir auch der damaligen Stimmung der Anwohner hier am Thälmannpark, die aus Protest gegen Schleifung, Verfall und Zerstörung die Worte Eingekerkert, Ermordet, Beschmiert anbrachten. Nach zahlreichen Protestkundgebungen, Reinigungsaktionen jeweils zum Geburtstag und Todestag des Revolutionärs Thälmann, der wegen seines Kampfes gegen Faschismus und Krieg umgebracht wurde, erreichten wir durch Öffentlichkeit und zähe Verhandlungen, dass wenigstens an den beiden Gedenktagen das Denkmal von der Stadt gereinigt wird, ein kleiner stiller Sieg! Seit einigen Jahren versuchen wir regelmäßig antifaschistische Lesungen vor dem angestrahlten Denkmal durchzuführen, dies stößt auf Interesse und rege Teilnahme, was uns freut. Doch viel ist zu tun, und die auf der anderen Seite sind stark und wir sind schwach. Die Gefahr für dieses Denkmal ist alles andere als vom Tisch. Der letzte Vorstoß der Dummheit ist noch frisch, "Bürgerrechtsbewegte" und CDU-Politikerin Angelika Barbe ließ unlängst von sich hören: "Ein Thälmann-Denkmal ist ein falsches Symbol in Erinnerung an den Kommunismus und seine Verbrechen. Ich wünsche mir an dieser Stelle das Wort Freiheit als Hochhaus gebaut."

Ja, der Trödelmarkt antikommunistischer Blödheiten hat in diesem Land auch sonntags offen. Dummes Geschwätz, das in jeder aufgeklärten demokratischen Gesellschaft für Gelächter und Spott sorgen würde, ist in diesem Staat ernst zu nehmende Drohung! Doch zugegeben, wenigstens sind sie mal ehrlich und legen offen, welche Freiheit es ist, die sie meinen. Ihre "Freiheit", die auf die Ruinen geschleifter antifaschistischer Denkmäler geklotzt werden soll, auf die zermalmten Denkmäler, Mahn- und Gedenkstätten, die an den Faschismus, Krieg und Verderben und den Stacheldraht der faschistischen Lager erinnern. Jeder weitere Kommentar erübrigt sich. Bezeichnend aber auch, dass in Reaktion auf den Auswurf von Frau Barbe selbst im Berliner Kurier, der sicher keiner Sympathie für antifaschistische Gedenkkultur verdächtigt werden kann, alle befragten Einwohner des Thälmannparks den Abriss ihres Thälmanndenkmals unmissverständlich ablehnten!

Der Kreuzzug gegen die antifaschistische Gedenkkultur der DDR geht weiter, geht weiter auf seinem Weg der Verwüstung, durch alle Gegenden Ostdeutschlands. Der Skandal um die Zerstörung der international bekannten antifaschistischen Gedenkstätte in Ziegenhals mahnt uns!

Die heutige Kundgebung steht unter dem Motto: "Nazis marschieren und morden. Der Staat macht mit. Unsere Antwort: Ernst Thälmanns gedenken auch in der Tat." Bei der Diskussion um dieses Motto ist noch mal klar geworden, dass spätestens nach der schrecklichen Mord- und Anschlagsserie der faschistischen Terroristen der NSU, die die Aufmärsche der Faschisten und ihre über 150 Morde seit der Annexion der DDR quasi krönt, nicht mehr nur davon geredet werden kann, dass der Staat auf dem rechten Auge blind ist, wegschaut, schweigt - nein: nach der Finanzierung faschistischer Strukturen durch staatliche Gelder über vom Staat bezahlte V-Leute-Nazis, nach Abschirmung der Mörder vor der Verfolgung der Täter durch die Justiz, nach der Behinderung der Ergreifung der Faschisten zu einem Zeitpunkt, der Morde verhindert hätte und schließlich nach der sogenannten Aufklärung dieser Verbindung zwischen Staat und Terrorbande, die außer einer armseligen Entschuldigung durch eine sich dumm stellende Bundeskanzlerin nichts an Folgen hervorgebracht hat - müssen wir sagen: Der Staat macht mit!

Der Umgang mit dem faschistischen Terror in der BRD, gefördert unter Flankenschutz des fast ausnahmslos von Altnazis aufgebauten bundesdeutschen Geheimdienstes, bringt uns übergangslos zu einem der bekanntesten Männer unserer Tage. Jener Mann sprach sich übrigens gegen einen staatlichen Trauerakt für die Opfer der NSU aus. Er begründete dies damit, dass ja die Morde so lange zurück lägen. Generell scheint Gauck Probleme mit dem Gedenken an zurückliegende Verbrechen zu haben. Auch wenn es sich um das bis dato größte und einzigartige Verbrechen in der Geschichte der Menschheit handelt, der vom deutschen Imperialismus durchgeführte industrielle Mord an 6 Millionen Juden. Es ist Joachim Gauck, der oberste Mann, das Aushängeschild, die Gallionsfigur dieses Staates, der so oft den Holocaust relativiert und verharmlost, und den antifaschistischen Staat DDR und seine Bürger auf tiefste beleidigt, wenn er den deutschen Faschismus und die DDR gleichsetzt, so oft, dass man es als seinen Zweitberuf bezeichnen könnte. Doch nicht nur das macht ihn zum passenden Präsidenten dieses Staates, sondern auch seine Gegnerschaft zur Oder-Neiße-Friedensgrenze, seine Sympathie für den Rassisten und Wiederentdecker des "jüdischen Gens", Sarrazin, seine Fürsprache für Armut per Gesetz namens Hartz4 und natürlich seine Hexenjagd auf jeden, der ein öffentliches Amt in der DDR bekleidete, ganz besonders, wenn er was mit dem Ministerium für Staatssicherheit zu tun hatte. Sein Mammutwerk ist es, in das Dunkel des "Unrechtstaates", in das Dunkel des "Reiches des Bösen", sein spezielles Licht zu bringen, mit dem Entzünden von tausenden Scheiterhaufen. Seine Behörde zeigt auf, wie wichtig es der BRD ist, mit einem Staatsorgan der DDR aufzuräumen, so mit Stumpf und Stiel, mit so viel Inbrunst und Herzblut, dass die Standards des bürgerlichen Rechts wie Unschuldsvermutung und Rückwirkungsverbot längst, zermalmt unter den Rädern der bundesdeutschen Aufarbeitungsmaschinerie, in tausend Stücken liegen. Doch selbst alles Zurechtbiegen der Rechtslage brachte bei aller antikommunistischen Gründlichkeit, bei aller so aufwendig betriebenen Aufhetzung des Mobs gegen die so genannte Stasi nicht mehr als 100.000 Strafanzeigen, die zu 30.000 Ermittlungsverfahren führten, die in ganze 15 Verurteilungen zu keineswegs hohen Haftstrafen mündeten. Egal, die Hatz gegen das Schreckgespenst geht weiter, die nötige Stasihysterie wird von der Behörde, die stündlich eine neue Sau durchs Dorf treibt, Bürger anschuldigt, selbst ohne sie über die Anschuldigung zu informieren, in Teamarbeit mit den Medien am Laufen gehalten. Weiter existiert ein diskriminierendes, bürgerliches Recht in Frage stellendes Rentenstrafrecht, weiter wird der Lebenslauf der an den Pranger des Stasijägers Gestellten, ob nun für irgendwas schuldig geworden oder nicht, zerstört. Der Rachefeldzug gegen den anderen deutschen, und, was für eine Frechheit, antifaschistischen Staat geht weiter, wenn das auch schon keinen Ossi mehr hinter dem Ofen hervorholt. Der Umfang besagter Behörde, die einen gesamten, souveränen, international anerkannten Staat, Mitglied der Vereinten Nationen, zu einem Verbrechen erklärt bar jedes Fakts, der Umfang der Behörde, die die Bevölkerung der DDR in U-Haft hält, verurteilt und richtet, beträgt heute 2.000 Mitarbeiter, und es sollen noch weitaus mehr werden. Mit der bekanntlich verschwindend erfolgreich getätigten Aufklärung der Verbrechen Nazideutschlands in der "Zentralstelle zur Aufklärung der NS-Verbrechen" in Ludwigsburg befassen sich in der BRD übrigens zehnmal weniger Leute - bezeichnend!

Was hat das alles mit diesem Denkmal zu tun, mit Thälmann zu tun, dessen Geburtstag wir heute begehen, an dessen Schaffen, an dessen Ermordung wir heute erinnern?

Sage mir, wen der Staat, in dem du lebst, ehrt und zum Aushängeschild macht, und ich sage dir, in welchem Staat du lebst!

Die BRD hat sich in einer lächerlichen Wahl ihre Gallionsfigur erwählt, und sie passt trefflich zu ihr. Täter zu Opfern machen, einen widerwärtigen Antikommunismus zur Meisterschaft bringen, die Shoa verharmlosen, Antifaschisten auf eine Stufe mit Faschisten stellen, über die Nachkriegsgrenzziehung wettern, mit Rassisten sympathisieren und staatliche Verelendungsprogramme à la Hartz4 unterstützen, das sind die Markenzeichen des Präsidenten und seines Staates.

Der DDR wird oft vorgeworfen, überall diesen Thälmann nach vorne gestellt zu haben, die Republik mit Thälmanndenkmälern bebaut und überall Straßen und - ach du Schreck - selbst eine Pionierorganisation nach ihm benannt zu haben. Will sagen, die DDR hat sich immer mit diesem Thälmann geschmückt, ihn zum Aushängeschild gemacht. Ja, liebe Leute auf der Anklägerbank, ihr habt Recht, die DDR hat sich Thälmann ausgesucht zur Ehrung und als Aushängeschild! Diesen Thälmann, Erzgegner des deutschen Imperialismus und seines bis dato schrecklichsten aller Kriege, den diese Erde erleben musste, diesen Thälmann, geschworener Feind des deutschen Faschismus und Freund der Sowjetunion, diesen Thälmann, Chef einer Partei, die gerade den Armen und den vom Kapital in den Straßenstaub Gedrückten eine Stimme gab und der herrschenden Klasse übers Maul fuhr. Das sind die Markenzeichen Thälmanns und seiner Partei, in dessen Tradition sich der Staat DDR stellte. Die DDR, die sich allen Hass des deutschen Imperialismus zuzog, weil sie Thälmanns gedachte, vor allem in der Tat ein wehrhafter, dem Potsdamer Abkommen verpflichteter Staat zu sein, aufgestellt gegen die BRD, das Winterquartier des 1945 geschlagenen deutschen Imperialismus, mit allen Konsequenzen, auch den unangenehmen.

Damit soll nochmal unterstrichen werden: Der Widerspruch, der zwischen der DDR und der BRD, der zwischen Thälmann und diesem Großkotzdeutschland klafft, dieser Unterschied ist ein bodenloser Abgrund. Und auch nochmal 20 Jahre Annexion der DDR, Verdrehung der Geschichte, Kreuzzug gegen die Vernunft kitten das nicht zu.

Ringo Ehlert


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Verneigung vor der Bundeswehr und chauvinistische Hetze gegen Polen - da hat das Drecksblatt BILD ins Schwarze getroffen.

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 340,
September 2012, S. 32 - 33
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2012