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LICHTBLICK/147: Keine Veränderung in Sicht für arabischstämmige Inhaftierte


der lichtblick - Gefangenenmagazin der JVA Berlin-Tegel
Heft Nr. 337 - 5/2008

Keine Veränderung in Sicht

Arabischstämmige Inhaftierte beklagen weiterhin unzureichende Betreuung


Leider hat sich an der nachteilhaltigen Situation bislang nichts geändert. Die arabischstämmigen Inhaftierten haben noch immer keinen geistlichen Beistand und obwohl den Anstaltsverantwortlichen die Lage seit langem bekannt ist, erscheint es uns als würden diese in stets gewohnter Manier verharren und die Zeit verstreichen lassen.

Selbst das evangelische Pfarramt wollte sich vor Monaten dieses Missstandes annehmen, doch bedauerlicher Weise wurde offensichtlich noch nichts erreicht. Nach dem Ausschluss von Adnan Scheikani muss nun der für Inhaftierte aus arabischen Ländern zuständige Maher Tantawy, der sich stets mit voller Hingabe und viel Zeit diesem Amt widmet, die bisherige Betreuungsarbeit allein verrichten. Für eine einzelne Person ist es allein schon aus zeitlichen Gründen schier unmöglich sich der betreffenden Gesamtproblematik anzunehmen. Dringend muss die wichtige und unverzichtbare soziale Arbeit unterstützt werden. Würde die Anstalt hinsichtlich der Einstellung eines weiteren Beistandes so sorgfältig vorgehen wie bei den berüchtigten Zellenkontrollen, über die sogar die Insassenvertretung aufgrund der Vorgehensweise in ihrer August-Sitzung berichtete, gäbe es wohl kaum Anlass zur Beanstandung. So wurden beispielsweise Gebetsteppiche konfisziert und erst nach monatelanger Prozedur, einem langwierigen Genehmigungsverfahren und durch die tatkräftige Unterstützung von Maher Tantawy wieder herausgegeben.

Da anscheinend die Vollzugsbehörde nichts zu unternehmen gewillt ist, müssen sich die betreffenden Inhaftierten selbst helfen und werden dadurch in eine Außenseiterposition gedrängt, die das Zusammenleben auf dem engen Raum einer Vollzugsanstalt nicht gerade erleichtert. In punkto des in der lichtblick-Ausgabe 3/008 erschienenen Artikels auf Seite 5 "Arabische Inhaftierte ohne Beistand" wurde die Bedeutung einer arabischen Gruppe erwähnt, auch dazu hat sich die Anstalt bislang noch nicht geäußert. Inhaftierten aus fernen Ländern fehlt zudem das immens wichtige familiäre soziale Umfeld und um dieses halbwegs aufrecht zu erhalten, sind diese gezwungen auf dem fernmündlichen Kommunikationsweg selbst dafür Sorge zu tragen. Doch dies kann nur in unzureichendem Maße geschehen, da die Telefongebühren der Firma Telio unverhältnismäßig teuer sind und andere Mittel und Wege gefunden werden müssen. Mit solchen Abzockertarifen wird jedenfalls keine Verbesserung der Lage in Aussicht gestellt.

Ferner wurde von einigen ausländischen Inhaftierten beanstandet, dass seitens einzelner Bediensteter in den Verwahrvollzugsbereichen der Teilanstalten 1 und 3 der alltägliche Umgang zwischen Gefangenen und Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes zu wünschen übrig lassen soll. Hierbei handele es sich wohl um teils ausländerfeindliche, provokant hervorgebrachte Äußerungen von wenigen Bediensteten. Um dem Abhilfe zu verschaffen, sollten alle Beteiligten zukünftig versuchen sich zurückzunehmen, um jegliche Eskalation zu vermeiden.

Zum seit langem immer wieder diskutierten Thema des Gefangenen-Einkaufs bezüglich des Angebots von ausländischen Produkten, hier insbesondere arabische Lebensmittel, konnte bislang auch noch keine für alle Seiten befriedigende Lösung gefunden werden. Wiederholt muss darauf hingewiesen werden, dass wegen des Glaubens vieler Inhaftierter nur nach einem religiösen Ritus hergestelltes Fleisch von diesen verzehrt werden darf. Dieses über den Gefangeneneinkauf zu besorgen sollte nicht im Bereich des Unvorstellbaren liegen und in Zukunft nicht aus den Augen verloren werden.

Als abschließendes Resümee darf gesagt werden, dass die Vollzugsbehörde anscheinend die ihnen zugetragenen Probleme und Missstände aus welchen Gründen auch immer in Kauf zu nehmen bereit ist. Schade, denn ein sozialverträglicheres Klima würde das Zusammenleben in dieser Institution wesentlich verbessern. Vielleicht ist es aber auch gewollt dieses eben gerade nicht zu erreichen.

Nochmals soll an dieser Stelle betont werden, dass in den Zeiten des multikulturellen gesellschaftlichen Beieinanderseins auch alle Kulturen berücksichtigt werden müssen, um tatsächlich eine sozialverträgliche Struktur zu unterstützen als immer weiter auseinanderdriftende Parallelwelten zu fördern.


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Quelle:
der lichtblick, 40. Jahrgang, Heft Nr. 337, 5/2008, Seite 28
Unzensiertes Gefangenenmagazin der JVA Berlin-Tegel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2009