Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


MARXISTISCHE BLÄTTER/623: Die Gründung der SED in heutiger Sicht


Marxistische Blätter Heft 4-16

Die Gründung der SED in heutiger Sicht

von Günter Benser [*]


Aktualität und Distanz

Wir reden hier über ein Ereignis, dessen Fernwirkungen bis in die Gegenwart zu spüren sind. Gleichwohl - das eigentliche Geschehen liegt nunmehr sieben Jahrzehnte zurück. Dies sollte Grund genug sein, uns dieser Thematik mit historischem Abstand und einer Portion Gelassenheit zu nähern.

Natürlich könnte man auch die im SED-Geschichtsverständnis normierten Lobpreisungen wiederholen. Das drückte sich aus in Formulierungen wie die Einigung der Arbeiterklasse war "die größte Errungenschaft seit Verkündung des Kommunistischen Manifestes"(1); sie war "Ergebnis der gesetzmäßigen Entwicklung der Arbeiterbewegung zur Einheit auf revolutionärer Grundlage"(2); mit ihr "entstand ein starkes nationales Kraftzentrum für die Einigung aller patriotischen Kräfte des deutschen Volkes".(3) "Die Einigung der Arbeiterklasse war die Grundlage aller künftigen Siege des werktätigen Volkes."(4) Das sind Formulierungen, die ich als DDR-Historiker mitgetragen habe, obwohl sie meinen eigenen empirischen Untersuchungen eigentlich entgegenstanden. Allerdings halte ich mir zugute, dass bei mir eine Neubesinnung nicht heute oder gestern, sondern vor einem Vierteljahrhundert eingesetzt hat und ich damit in die Öffentlichkeit gegangen bin.(5)

Wenn diese Verheißungen und hohen Erwartungen sich erfüllt hätten, säßen wir heute nicht in diesem Kreis zusammen, sondern einige von uns würden im Palast der Republik am Festakt des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik und des Nationalrates der Nationalen Front teilnehmen, der Rede des Generalsekretärs und Staatsratsvorsitzenden lauschen und sich anschließend an einem erlesenen Kulturprogramm erfreuen. Nach den ursprünglichen Intensionen hätte es sich eigentlich um den Festakt in einem einheitlichen sozialistischen deutschen Staat handeln müssen. Dass dies alles nicht so eingetreten ist, muss uns zu denken geben, sollte uns vor Nostalgie bewahren und Anlass zu kritischer Rückschau sein.

Das bedeutet, das Einheitsparteiprojekt will und muss aus seiner Zeit heraus verstanden werden und sollte nicht gegen heutige linke Bestrebungen instrumentalisiert werden. Und um es vorweg zu nehmen: Es ist unredlich, Parteien für Jahrzehnte zurückliegende Geschehnisse aus eigensüchtigen Motiven heraus in Haftung zu nehmen und ihnen bei Koalitionsverhandlungen Entschuldigungen und Demutsgesten für Geschehnisse abzuverlangen, mit denen sie real nichts zu tun haben. Weder ist die Linke von heute die KPD von 1946, noch ist die heutige SPD die Sozialdemokratie von 1946. Keiner der gegenwärtig agierenden Politiker dieser Parteien trägt eine individuelle Verantwortung für damaliges Geschehen. Gleich gar nicht ist zu befürchten, dass jemand ernstlich versuchen könnte, die Geschichte zu wiederholen. Wenn es sich um berechtigte historische Distanzierungen handeln würde, dann wäre seitens der Sozialdemokratie von den christdemokratischen oder liberaldemokratischen Koalitionspartnern unbedingt eine Entschuldigung für die Zustimmung ihrer Vorgängerparteien zu Hitlers Ermächtigungsgesetz zu fordern. Davon war aber nie die Rede.

Es ist angebracht, eine Positionierung Willy Brandts aus dem Jahre 1986 ins Gedächtnis zu rufen: Er erklärte damals: "Selbstverständlich kann die Sozialdemokratie von den einmal gewonnen und in vielen Gedächtnissen gespeicherten Erfahrungen aus den vergangenen Jahren nicht völlig absehen. Aber wir werden nicht Gefangene gelernter und eingeschliffener Verhaltensmuster und Denkschemata sein, wenn die Welt vor unseren Augen sich wandelt und die alte Betrachtungsweise sich überlebt. Nichts wäre erfreulicher, als wenn auch hier nicht alle alten Schlachten immer neu geschlagen werden müssten."(6)

Im neu vereinten Deutschland waren solche Einsichten nicht mehr gefragt. Die alten Schlachten wurden nun gerade wieder neu geschlagen. Dafür gab es im Wesentlichen drei Gründe:

Erstens standen sich nun die in SPD und SED verkörperten politischen Strömungen nicht mehr in getrennten Staaten gegenüber, sondern agierten auf dem gleichen Feld der erweiterten Bundesrepublik, standen sich also als unmittelbare Konkurrenten um Wählergunst und Einfluss gegenüber. Dabei ging es der SPD wesentlich um ihre Ostausdehnung durch die Rückgewinnung ihres tatsächlichen oder vermeintlichen durch die SED vereinnahmten politischen Klientels. Während sich CDU und FDP bedenkenlos des personellen und materiellen Potentials von Blockparteien bedienten, geriet die SPD in ein Dilemma, weil sie sich nicht zu entscheiden vermochte, wie sie mit SED-Mitgliedern umgehen sollte, die zu einem Übertritt zur SPD bereit gewesen wären. Andererseits konnten die meisten Neugründer der ostdeutschen Sozialdemokratie nicht für sich in Anspruch nehmen, traditionsverwurzelte Sozialdemokraten zu sein.

Zweitens geriet die SPD wegen ihrer Dialogpolitik, die als Absage an die deutsche Einheit interpretiert wurde, unter starken Druck vor allem seitens CDU und CSU, die mit der von ihr angeführten Allianz für Deutschland mit solchen Argumenten im Wahlkampf punktete. Das führte unter anderem auch dazu, dass selbst von christdemokratischen Politikern wie Theodor Weigel die Formel "Zwangsvereinigung" Frage gestellt wurde. SPD und ihr historiografisches Hinterland sahen sich herausgefordert und bemühten sich, die Sozialdemokratie als früheste und zuverlässigste Widerstandskraft gegen kommunistischen Totalitarismus herauszustellen.

Drittens wirkte auf diese Problematik das geistige Klima jener Zeit stark ein. Und dieses war nicht nur durch die gebotene kritische Ausauseinandersetzung mit der Geschichte der DDR und der SED, durch die Beseitigung weißer Flecken sowie das Aufdecken von Unrecht und Repressionen gekennzeichnet, sondern auch durch eine Atmosphäre der Abrechnung, genährt durch einen bedenkenlosen Enthüllungsjournalismus. Die Öffnung aller Archive führte zu einer Art Goldgräberstimmung, die mit solider historischer Arbeit nichts zu tun hatte. Ich erinnere in diesem Zusammenhang immer gern an einen Spruch meines unlängst verstorbenen polnischen Kollegen Feliks Tych. Er bewertete die ganz neuen Dimensionen des Archivzugangs wie folgt: "Es handelt sich jedoch um einen Komfort, der ... in hohem Maße ein Scheinkomfort ist. Auf jeden Fall wird der Weg zur historischen Wahrheit durch ihn nicht kürzer."(7) Doch auf längere Zeit war ausgerechnet den bedenkenlosen Nutzer der kurzen Wege die Meinungsführerschaft eingeräumt.

Die Konfrontation der sich widersprechenden Beurteilungen der SED-Gründung hatte ihre Hochkonjunktur zum 50. Jahrestag dieses Ereignisses, also 1996, wobei sich die meisten Beteiligten an der Erklärung der Historischen Kommission der PDS abarbeiteten.(8) Mittlerweile ist es etwas ruhiger geworden, es sind einige auf empirische Studien fußende Veröffentlichungen erschienen. Diskussionen leben auf, wenn linken Partnern in Koalitionsverhandlungen einseitig verabsolutierende Urteile über vielschichtige historische Geschehnisse abverlangt werden. Aber generell scheinen die Positionen ziemlich festgefahren zu sein. Und so lange sich nicht die Einsicht durchsetzt, dass mit dem Abstand von sieben Jahrzehnten historische Geschehnisse von einer etwas höheren Warte her, abgeklärt und mit größerer Objektivität beurteilt werden sollten, wird sich daran wohl wenig ändern.


Das Einheitsparteiprojekt

Mehr Objektivität gebietet, zunächst das Einheitsparteiprojekt einer grundsätzlichen Betrachtung zu unterziehen. Das kann hier allerdings nur thesenhaft geschehen.

Der Gedanke und die Zielsetzung, die Spaltung der Arbeiterbewegung zu beenden, war im Jahre der Befreiung vom Hitlerfaschismus nicht nur naheliegend, sondern auch weit verbreitet. Dafür sprachen vor allem zwei gewichtiger historische Erfahrungen:

Erstens die Einsicht, dass eine wesentliche Ursache für die Machtübertragung an die Hitlerpartei und die Errichtung der brutalsten faschistischen Diktatur gerade in Deutschland die fehlende vereinte Gegenwehr der Arbeiterbewegung war. Die hätte allerdings weit vor dem 30. Januar 1933 einsetzen müssen. Die Fehde zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten wurde beim Neubeginn oft als Bruderkampf bezeichnet. Aber das wird der Problematik nicht gerecht. Denn es handelte sich um zwei Strömungen der Arbeiterbewegung, die zwar beide die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung auf ihre Fahnen geschrieben, aber die Frage nach deren Wesen und nach dem Weg zu diesem Ziele gegensätzlich, letztlich unvereinbar beschrieben hatten. Es bedurfte also in beiden Lagern einer Neubesinnung.

Zweitens die Erinnerung daran, wie die am Marxismus orientierte, einheitliche deutsche Sozialdemokratie seit ihrem Sieg über das Bismarcksche Sozialistengesetz von Erfolg zu Erfolg geeilt war, bis sich diese Einheit während des ersten Weltkrieges endgültig als brüchig erwies und die Partei blamabel und mit schlimmen Konsequenzen auseinanderbrach. Die aus der Novemberrevolution hervorgegangene Weimarer Republik wurde nicht nur durch die Fortexistenz alter politischer, ökonomischer und militärischer Eliten geschwächt, sondern auch durch die offene Feindschaft zwischen der kommunistischen und der sozialdemokratischen Strömung der Arbeiterbewegung.

Entsprechende Schlussfolgerungen wurden sowohl im kommunistischen als auch im sozialdemokratischen Lager gezogen.

So hieß es im Prager Manifest des sozialdemokratischen Emigrationsvorstandes aus dem Jahre 1934: "Die Einigung der Arbeiterklasse wird zum Zwang, den die Geschichte selbst auferlegt. Die Führung der deutschen Sozialdemokratie weiß sich deshalb frei von jeder sektenhaften Abschließung und ist sich der Mission bewußt, die Arbeiterklasse in einer politischen Partei des revolutionären Sozialismus zu vereinigen."(9)

Die KPD hatte auf ihrer sogenannten Brüsseler Konferenz(10) 1935 erklärt: "Ausgehend von der Überzeugung, daß die Sache des Proletariats die Schaffung einer einheitlichen politischen Massenpartei der deutschen Arbeiterklasse erfordert, arbeitet die Kommunistische Partei daran, alle klassenbewußten Arbeiter dafür zu gewinnen."(11) Auf ihrer sogenannten Berner Konferenz(12) war sie 1939 noch einen Schritt weitergegangen und hatte Kommunisten und Sozialdemokraten aufgefordert, sich zu verständigen und wo Verständigung erfolgt ist, "auch einheitliche Organisationen der zukünftigen Einheitspartei der deutschen Arbeiterklasse zu schaffen".(13) Als jedoch der Zeitpunkt der Niederlage Deutschlands im zweiten Weltkrieges und des Endes der NS-Diktatur absehbar näher rückten, als die Konturen der Nachkriegsordnung und die Bedingungen politischen Handels nach Befreiung und Besetzung Deutschlands erkennbar wurden, gelangte die in Moskau ansässige Führung der KPD am 21. November 1943 zu dem Schluss: "vorläufig keine politische Einheitspartei, erst Klärung".(14) Doch wurde stets von der generellen Notwendigkeit dieser Einheit ausgegangen und daraus abgeleitet, "bereit sein zu den größten Kompromissen" und "kein Auftreten in staatspolitischen Fragen ohne ausdrückliches gegenseitiges Einverständnis" der Sozialdemokraten.(15)

Die Zwischengruppierungen wie die Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands und die Kommunistische Partei Deutschlands (Opposition) waren ohnehin mit der Intention entstanden, eine Annäherung von Sozialdemokraten und Kommunisten zu bewirken. Ähnlich positionierten sich der Internationale Sozialistische Kampfbund (ISK) und die Gruppe Neu Beginnen. Nicht zufällig spielten sie 1945 in den parteiübergreifenden Antifa-Ausschüssen eine deutlich über ihre zahlenmäßige Stärke hinausgehende Rolle, nicht zuletzt mit dem nicht zuletzt mit dem Ziel, Wegbereiter einer Einheitspartei zu sein.(16)

Einheit der Arbeiterklasse wurde im Verständnis der meisten Akteure jener Zeit letztlich immer als organisatorische Einheit in einer Klassenpartei und in einheitlichen Gewerkschaften verstanden. Ausgehend vom marxistischen Verständnis der Klassen und des Klassenkampfes, das den Realitäten des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts in hohem Maße entsprach, wurde geschlussfolgert, dass Einheit gewissermaßen der natürliche Zustand Arbeiterbevölkerung und ihrer Bewegung sei. Spaltungen und Pluralismus hingegen galten vorwiegend als Folge äußerer Einflüsse auf Arbeiterklasse und Arbeiterbewegung, mit denen opportunistischen und revisionistischen Strömungen der Boden bereitet wurde. Damit war das Problem in der Welt, wer beanspruchen darf, wahrer Vertreter der objektiven Interessen der Arbeiterklasse zu sein.

Diese hier vergröbert wiedergegebene Sichtweise ist keine nachträgliche Erfindung, sie ist in der Arbeiterbewegung selbst entstanden und ließ sich durch Tatsachen abstützen. Allerdings gab es auch hinreichend Tatsachen, die mit dieser Betrachtungsweise nicht oder nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen sind. Die Fragen, die zu stellen sind und teilweise - aber nie mit letzter Konsequenz und kaum mit Bezug auf die SED-Gründung - auch gestellt worden sind, lauten:

Stimmt dieses Bild einer mehr oder weniger homogenen mit übereinstimmenden Interessen ausgestatteten Arbeiterklasse? Und wenn es für die Zeit der Konstituierung moderner Klassen und deren frühe Entwicklung gestimmt hat, trifft es auch noch für jene Zeit zu, in der während und nach dem zweiten Weltkrieg um die Realisierung des Einheitsparteiprojektes gerungen wurde.(17) Gegen überzogene Vorstellungen von der "naturgegebenen" Einheit der Arbeiterklasse, die dann nur noch ihrer Realisierung im politischen Raum bedarf, sprechen ernstzunehmende Argumente.

Da ist zunächst der mit der fortschreitenden Industrialisierung und Modernisierung der Produktionsmittel einhergehende Prozess der Differenzierung der Arbeitenden in Bezug auf Qualifizierung, Stellung im Produktionsprozess und Vergütung.

Hinzu kommt die fortschreitende Auflösung proletarischer Milieus im Gefolge urbaner und demografischer Prozesse, wie auch durch die Folgen zweier Weltkriege, die nicht nur zu Umwandlungen in der Arbeitswelt, sondern auch zu nachhaltigen Veränderungen in der Zusammensetzung der Arbeitsbevölkerung führte - durch Kriegsverluste, durch Flucht, Vertreibung und Umsiedlungen, durch Zerstörung von Arbeiterquartieren nicht zuletzt im Ergebnis des Luftkrieges.(18)

Nicht zu unterschätzen ist das Eindringen des Faschismus auch in die Reihen der Arbeitsbevölkerung, insbesondere der jüngeren, von Kindheit an faschistisch indoktrinierten und militarisierten Arbeitergeneration. Die von den Nazis beschworene "Volksgemeinschaft" war zwar keine soziale Gemeinschaft, wohl aber eine gegen alle "fremden" Minderheiten gerichtete völkische Gemeinschaft, begleitet von einem Kult der "Arbeiter der Faust und der Stirn" und einer ausgeklügelten Sozialpolitik. Die Vorstellung, es habe eine gegenüber der faschistischen Ideologie und Praxis generell immune oder resistente Arbeiterklasse existiert, ist mit den Tatsachen und neuen Forschungsergebnissen nicht in Einklang zu bringen.(19) Und auch die gegenwärtigen Erfahrungen sprechen gegen solche Idealisierungen.

Jedenfalls sind von vielen Zeitgenossen und später auch von Historikern die in den realen Bedingungen liegenden Schwierigkeiten für die Realisierung des Einheitsparteiprojektes unterschätzt worden.

"Einheit der Arbeiterklasse" war mithin eine ziemlich abstrakte Losung. Im Kern ging es um die Einheit beziehungsweise Vereinigung von Kommunisten und Sozialdemokraten und um deren Ausstrahlung auf die Arbeiterklasse und andere Werktätige. Wenn wir uns vor Augen halten, dass es trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen war, dem gegen Kommunisten wie gegen Sozialdemokraten gerichteten nazistischen Terror eine gemeinsame antifaschistische Einheitsfront entgegen zu setzen - die vielfältigen Ursachen können hier nicht erörtert werden - lässt sich ahnen, welche Hindernisse bei einem Zusammenschluss beider Parteien zu überwinden waren.

Was Kommunisten und Sozialdemokraten verband, war die Vision einer sozialistischen Gesellschaft, die auf gesellschaftlichem Eigentum an Produktionsmitteln beruht und die Überzeugung, dass deren Errichtung die Eroberung der Staatsmacht erfordert, sowie grundsätzliche Übereinstimmungen in der Wahrnehmung sozialer Belange der werktätigen Bevölkerung. Hinzugekommen war die Entschlossenheit, den Faschismus mit seinen Wurzeln auszurotten. Natürlich wurden solche Positionen mit unterschiedlicher Konsequenz, mit variierenden Inhalten und Methoden vertreten.

Was Kommunisten und Sozialdemokraten vor allem entzweit hatte, das war ihre Stellung zum sowjetischen Modell, welches von der SPD abgelehnt und von der KPD - ungeachtet der schlimmen Erfahrungen mit dem Stalinschen Terror - als Vorbild und Leitorientierung betrachtet wurde. Deshalb war es von weitreichender Bedeutung, dass die KPD im Aufruf ihres Zentralkomitees vom 11. Juni 1945 unmissverständlich erklärt hatte, dass die Errichtung eines deutschen Sowjetsystems nicht auf ihrer politischen Agenda steht, sondern die "Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarischen-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk"(20). Damit war ein wesentlicher Streitpunkt ausgeräumt, zumindest bei jenen Sozialdemokraten, die den Kommunisten nicht prinzipiell Unaufrichtigkeit und Doppelzüngigkeit unterstellten.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen KPD und SPD bestand allerdings darin, dass die Kommunisten über eine allseits anerkannte und zonenübergreifend respektierte politische Führung verfügten, während die Sozialdemokraten frühzeitig mit einer Ost-West-Polarisierung und zwei Führungszentren in Erscheinung traten, gemeint sind der Berliner Zentralausschuss der SPD mit Otto Grotewohl als Zentralfigur und das in Hannover gebildete Büro Schumacher, später Büro der Westzonen. Lagen diese beiden Gruppierungen programmatisch nicht allzu weit auseinander, so unterschieden sie sich in ihrer Stellung zu den Kommunisten und zum Projekt einer sozialistischen Einheitspartei grundsätzlich und unversöhnlich. Eigentlich hatte es noch den Versuch der Schaffung eines dritten Zentrums gegeben, und zwar mit der Bildung des Bundes demokratischer Sozialisten, der - vorwiegend von sozialdemokratischen Buchenwaldhäftlingen gegründet - als "Sammlungspartei des werktätigen Volkes" auftrat.(21) Aber dies blieb letztlich eine regionale Episode.

Noch bevor der Berliner Zentralausschuss der SPD an die Öffentlichkeit getreten war, hatte dessen Mitglied Gustav Dahrendorf am 12. Juni 1945 auf einer von Walter Ulbricht initiierten Zusammenkunft antifaschistischer Funktionäre der KPD das Angebot unterbreitet, sofort als Einheitspartei aufzutreten.(22) Er verkündete zugleich eine neue Haltung der SPD zur Sowjetunion, an deren Seite das neue Deutschland stehen müsse.(23)

Demgegenüber erteilt Schumacher jeglicher Vereinigung mit der KPD, die er als ein Instrument sowjetischer Außenpolitik betrachtete, eine fundamentale Absage.(24) Die einzig mögliche Form sozialdemokratisch-kommunistischer Annäherung war für ihn "die völlige Sozialdemokratisierung der kommunistischen Anhänger"(25). Mithin sah er in der Politik des Berliner Zentralausschusses eine "Kapitulation vor der KPD"(26).

Wenn wir also die Stellung zum Einheitsparteiprojekt aus der Perspektive politischer Führungen betrachten, haben wir es nicht einfach mit einem Gegenüber kommunistischer und sozialdemokratischer Positionen zu tun, sondern mit einer Triade: mit dem Zentralsekretariat der KPD, dem Zentralausschuss der SPD und dem Büro der Westzonen.

Aber wir müssen auch die Perspektive von unten in den Blick nehmen.

Beim Übergang vom Krieg in die Nachkriegszeit hatten sich in Deutschland unter jeglichen Besatzungsbedingungen Hunderte von Antifaschistischen Ausschüssen gebildet. In der Regel wirkten hier Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerlichdemokratische Hitlergegner zusammen, um die kampflosen Übergabe ihrer Städte und Gemeinden zu erreichen, sinnlose Zerstörungen zu verhindern, den Nöten der Bevölkerung entgegenzusteuern und das zivile Leben wieder in Gang zu bringen. Manche dieser Ausschüsse verstanden sich zugleich als Wegbereiter einer sozialistischen Einheitspartei. Als Beispiel sei hier auf die Bremer Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus verwiesen.(27) Parallel hierzu waren auch lokale Einheitsparteiorganisationen entstanden. Zu den bedeutenderen gehörten die Sozialistische Einheitspartei in Braunschweig, die Partei der Werktätigen in Eisleben, die Vereinigte Arbeiterpartei im Bodenseegebiet.(28)

Es steht außer Frage, dass sowohl in den sich neu konstituierenden Parteiführungen als auch an der Basis das Projekt einer sozialistischen Einheitspartei auf große Resonanz stieß und mit hohen Erwartungen verbunden wurde.


Der Weg zur Einheitspartei und das Procedere der Vereinigung

Schon zeitgenössisch und dann in der historischen Literatur ist der KPD-Führung vorgeworfen worden, dass sie die spontane Bereitschaft zur Schaffung einer sozialistischen Einheitspartei nicht aufgegriffen, sondern zunächst auf die Sammlung des eigenen Anhangs in der kommunistischen Partei orientiert und die eigenen Genossen zur Auflösung der an der Basis gebildeten Einheitsorganisationen veranlasst hat. In der Sache trifft dies zu. Meines Erachtens war da einerseits eine Überschätzung der eigenen Rolle und Anziehungskraft im Spiele und andererseits eine Unterschätzung des Mobilisierungspotentials der Sozialdemokratie. Aber grundsätzlich war die Entscheidung, die Einheitspartei über eine Phase der Aktionseinheit von Kommunisten und Sozialdemokraten vorzubereiten, der Situation angemessen.

Indem der Zentralausschuss der SPD am 19. Juni 1945 eine Vereinbarung mit dem Zentralkomitee der KPD über die Bildung eines gemeinsamen Arbeitsausschusses(29) unterzeichnete, akzeptierte er diesen Kurs. Vorgesehen waren die Zusammenarbeit bei der Liquidierung der Überreste des Nazismus, bei Aktionen zum Wiederaufbau und zur antifaschistisch-demokratischer Umgestaltung des Landes, zur Bildung eines Blocks aller antifaschistisch-demokratischen Parteien. Das Projekt der Einheitspartei sollte im gemeinsamen Handeln sowie durch gemeinsame Veranstaltung und die Klärung ideologischer Fragen vorbereitet werden. Trotz nicht ausbleibender Reibungen hat diese Zusammenarbeit auf dem Felde der Entnazifizierung, bei der demokratischen Bodenreform, bei der Schulreform und in anderen Bereichen alles in allem funktioniert. Dass ist nicht verwunderlich, denn in ihren Gegenwartsforderungen lagen die ersten Aufrufe des ZK der KPD(30) und des ZA der SPD(31) dicht beieinander. Wörtlich hatte der Zentralausschuss den KPD-Aufruf "auf das wärmste"(32) begrüßt und seine konkreten Forderungen deckten sich weitgehend mit denen des früher veröffentlichten kommunistischen Dokumentes. Der gravierende Unterschied bestand darin, dass der Zentralausschuss die von der KPD ausgelassene sozialistische Perspektive(33) aufgriff und sich direkt zur "organisatorischen Einheit der deutschen Arbeiterklasse"(34) bekannte.

Im Frühherbst 1945 entstand jedoch eine neue Lage im Ringen um die Einheitspartei.

Zu deren Merkmalen gehörten vor allem:

Die SPD begann im Zustrom neuer Mitglieder an der KPD vorbeizuziehen und gewann gegenüber ihrem kommunistischen Partner an Selbstbewusstsein, was Otto Grotewohl in einer am 17. September gehaltenen Rede prononciert und die KPD irritierend zu Ausdruck brachte.(35)

Signale über Differenzen in der Zusammenarbeit - besonders wenn es um die Besetzung von Ämtern ging - nahmen zu. Klagten Kommunisten über mangelndes Engagement sozialdemokratischer Genossen und über das Auftreten als rechts und reformistisch eingeschätzter SPD-Funktionäre, so entrüsteten sich Sozialdemokraten über anmaßendes Auftreten kommunistischer Funktionäre und deren Bevorzugung durch die sowjetischen Besatzungsorgane.

Obwohl im Westen politische Parteien wesentlich später als in der sowjetischen Besatzungszone zugelassen worden waren und das politische Leben erst in Gang kam, kündigte die amerikanische Besatzungsmacht bereits im September Wahlen an. Das musste - und sollte wohl auch - ein konkurrierendes Auftreten von Kommunisten und Sozialdemokraten zur Folge haben. Nun kündigten nicht wenige sozialdemokratische Organisationen die mit den Kommunisten geschlossenen Aktionsabkommen auf oder stellten die Zusammenarbeit ein.(36)

Das Spannungsverhältnis zwischen Zentralausschuss und Büro Schumacher nahm zu. Schließlich kam es Anfang Oktober auf einer vom Büro Schumacher nach Wennigsen bei Hannover einberufenen Konferenz zum nur oberflächlich verdeckten Bruch mit dem Berliner Zentralausschuss, dem nur noch die Vertretung der Sozialdemokraten in der sowjetischen Besatzungszone zugebilligt wurde.

Solche und ähnliche Erscheinungen bewogen die KPD-Führung, die Aktionseinheit und den für erforderlich gehaltenen ideologischen Klärungsprozess zu forcieren. Am 25. September kamen solche Probleme auf einer Beratung bei General Bockow von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) zu Sprache. Hier dürfte die Initialzündung für den Übergang der KPD-Führung von der Aktionseinheit zum Kurs auf einen Zusammenschluss beider Parteien zu suchen sein. Jedenfalls gab Anton Ackermann drei Tage später auf einer erweiterten Sitzung des Sekretariats des ZK der KPD in seinem Schlusswort den Startschuss für eine "neue Offensive in der Frage der Einheit zwischen SPD und KPD"(37). Wir begegnen oft der Behauptung, dass das schlechte Abschneiden der Kommunisten in den ersten Nachkriegswahlen in Ungarn und in Österreich die KPD veranlasst habe, auf eine beschleunigte Vereinigung umzuschalten. Aber diese Wahlen fanden erst im November 1945 statt.

Am 9. November 1945 machte Wilhelm Pieck in einer Rede, die den Jahrestagen der Oktoberrevolution in Russland und der deutschen Novemberrevolution gewidmet war, den Kurs auf eine forcierte Schaffung der Einheitspartei öffentlich. Nun wurde der Zentralausschuss der SPD gedrängt, mit einer gemeinsamen Konferenz die Weichen für die Vereinigung von KPD und SPD zu stellen. Auf der am 20./21. Dezember 1945 durchgeführten sogenannten ersten Sechziger-Konferenz oder Dezemberkonferenz kam es zur grundsätzlichen Option für eine Einheitspartei und zu generellen Festlegungen über deren theoretische und politische Positionierung.

Die Vertreter der SPD konnten sich nach allem, was sie bisher erklärt und getan hatten, schwerlich den Argumenten der KPD entziehen. Aber sie schlugen am ersten Verhandlungstag eine hinhaltende Taktik ein, listeten zahlreiche Schwierigkeiten bisherigen Zusammenwirkens und Verstöße von Kommunisten gegen Bekenntnis und Praxis der Gemeinsamkeit auf und beklagten ihre Benachteiligung durch die sowjetische Besatzungsmacht. Überraschend anders verlief der zweite Verhandlungstag. Die Erklärung hierfür findet sich vermutlich in einer am Abend des 20. Dezembers in Berlin-Karlshorst bei der SMAD durchgeführten Beratung mit den Spitzenfunktionären beider Parteien, über die meines Wissens im Einzelnen nichts bekannt ist.

Es erfolgte die grundsätzliche Zustimmung zur Vorbereitung einer Vereinigung und zu generellen Festlegungen über deren theoretische und politische Positionierung. Einer Studienkommission, die Programm und Statut einer sozialistischen Einheitspartei erarbeiten sollte, wurde folgende Grundsatzentscheidung vorgegeben: "Minimalprogramm" ist "die Vollendung der demokratischen Erneuerung Deutschlands im Sinne des Aufbaus einer antifaschistisch-demokratischen, parlamentarischen Republik mit gesetzlich gesicherten Rechten der Arbeiter und Werktätigen", als "Maximalprogramm" war vorgesehen "die Verwirklichung des Sozialismus auf dem Wege der Ausübung politischer Herrschaft der Arbeiterklasse im Sinne des konsequenten Marxismus".(38) Verwiesen wurde dabei auf wichtige programmatische Arbeiten von Marx und Engels, nicht aber von Lenin oder gar von Stalin. Es gelte, die mit der Zerschlagung des Hitlerfaschismus in Deutschland eingetretene neue Lage zu beachten, aus der sich auch "besondere und neue Formen des Übergangs zur politischen Herrschaft der Arbeiterklasse und zum Sozialismus"(39) erschließen lassen.

Die Einheitspartei sollte "selbständig und unabhängig", doch dem proletarischen Internationalismus verpflichtet sein. Sie erhob Anspruch, mit ihrer Gründung einen wichtigen Schritt zur "Stärkung der Einheit Deutschlands" zu tun. In ihrer Zusammensetzung verstand sie sich als "die Klassenpartei der Arbeiter, die Partei des schaffenden Volkes in allen seinen Schichten". Sie sollte auf dem Prinzip des demokratischen Bestimmungsrechtes der Mitglieder und der freien Wahl der Parteileitungen beruhen, wobei gefasste Beschlüsse als verbindlich zu gelten hatten.(40)

Gegen diese Charakterbestimmung der geplanten Einheitspartei ließ sich von Leuten, die beanspruchten, Sozialisten zu sein, schwerlich etwas einwenden. Die KPD hatte sich zumindest deklarativ von ihrer Kominterntradition losgesagt, von der Fixierung auf die verbindlichen Leitbilder Oktoberrevolution, Sowjetmacht und bolschewistischer Parteityp. Die SPD hatte der von ihr oft beschworenen Rückbesinnung auf den Marxismus und der Absage an reformistische Fehlentwicklungen entsprochen. Überdies hatte sie in zwei wichtigen Punkten Initiativen der KPD zunächst abgewehrt. Der Vorschlag der KPD, in bevorstehenden Wahlen mit gemeinsamen Listen aufzutreten, kam nicht durch. Es wurde nur ein gemeinsames Wahlprogramm angesteuert, was also ein von der SPD angestrebtes zahlenmäßiges Kräftemessen nicht ausschloss. Die KPD zog ihre Forderung zurück, mit der Verschmelzung "beider Parteien im Landes- und Provinzmaßstab" zu beginnen, zurück. Der Termin einer Vereinigung blieb offen. Das vermittelte der Zentralausschuss auch sofort intern den sozialdemokratischen Parteiorganisationen als seinen Verhandlungserfolg.

Die Mehrheit im Zentralausschuss der SPD setzte darauf, dass eine Entscheidung im gesamtdeutschen Maßstab, eine sozialdemokratische Dominanz in der Einheitspartei sichern würde. Dagegen suchte die KPD die sozialdemokratische Basis in Bewegung zu bringen und eröffnete eine großangelegte intensive Mobilisierungskampagne für die Einheitspartei unter Einbeziehung auch der Sympathisanten der sozialistischen oder kommunistischen Arbeiterbewegung. Letztlich scheiterte die Taktik der Mehrheit des Zentralausschuss unter Führung Otto Grotewohls weniger an der Gegenoffensive der Kommunisten als an der prinzipiellen Gegnerschaft und starren Haltung Kurt Schumachers und seines Anhangs. Eilig nach Hannover und nach Frankfurt am Main einberufene Funktionärskonferenzen wandten sich Anfang Januar 1946 mit aller Entschiedenheit gegen die in Berlin gefassten gemeinsamen Beschlüsse. Eine inhaltliche Erörterung des hier weiterentwickelten Einheitsparteiprojektes wurde überhaupt nicht ernstlich in Erwägung gezogen. Stattdessen wurde die bis in die Gegenwart hin strapazierte Argumentation in die Welt gesetzt. Die Kommunisten bräuchten die Sozialdemokraten nur "als Blutspender" für ihren "geschwächten Parteikörper".(41)

Im Februar 1946 legte die paritätisch besetzte Studienkommission einer erneuten Konferenz Entwürfe von Grundsätzen und Zielen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und eines Parteistatuts vor und stellte sie zur öffentlichen Diskussion. Es wurden Festlegungen getroffen, wie - von der lokalen Ebene ausgehend - über Kreise und Länder die Fusion beider Parteien erfolgen sollte. Zunächst getrennt stattfindende Delegiertenkonferenzen und Parteitage hatten über die Vereinigung zu entscheiden, bevor sich die Delegierten zum Vereinigungsparteitag zusammenfanden. An diesem Procedere lässt sich eigentlich kaum etwas bemängeln. Da sind die Vereinnahmungen der ostdeutschen Blockparteien CDU, LDPD, NDPD und DBD durch die Bundesparteien CDU und FDP viel dirigistischer von Oben nach unten bei weitgehender Ausschaltung der Parteibasis vollzogen worden.

In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, etwas zu jenem Ereignis zu sagen, das als Hauptargument für "Zwangsvereinigung" ins Feld geführt wird, auf die Berliner Urabstimmung. Am 1. März 1946 hatte - einberufen von sozialdemokratischen Gegner einer Vereinigung - eine Funktionärskonferenz in einer enorm aufgeheizten Atmosphäre stattgefunden. Otto Grotewohl, der die auf dem ersten FDGB-Kongress verkündete Entscheidung für die Einberufung eines Vereinigungsparteitages begründen wollte, wurde regelrecht niedergeschrien.(42) Kein Zweifel, in der Mehrheit der Berliner Verwaltungsbezirke wurde von den tonangebenden Funktionären der Zusammenschluss mit der KPD abgelehnt. Der Widerstand gegen den Kurs des Zentralausschusses kulminierte in der Forderung nach einer Urabstimmung. Sie fand am 31. März 1945 statt, jedoch nur in den Westsektoren, da die sowjetischen Besatzungsbehörden eine solche Aktion untersagt hatten. Allerdings ist bei der Bewertung ihrer Ergebnisse zu beachten, dass auch für Ostberliner Sozialdemokraten eine Stimmabgabe in den Westsektoren möglich war.

Der Stimmzettel enthielt zwei Fragen: "Bist Du für den sofortigen Zusammenschluss der beiden Arbeiterparteien? JA/NEIN, oder bist Du für ein Bündnis beider Parteien, welches gemeinsame Arbeit sichert und den Bruderkampf ausschließt? JA/NEIN." Diese Fragestellung war nicht frei von Demagogie, denn die Konfrontation hatte eine Stufe erreicht, bei der "ein Bündnis beider Parteien", das "den Bruderkampf ausschließt" eigentlich nicht mehr vorstellbar war. Die reale Alternative lautete Überwindung der alten Klüfte oder Rückzug in die alten Frontstellungen und Grabenkämpfe?

Doch nun zu den Ergebnissen dieser Abstimmung. Das Problem besteht darin, dass tendenziöse Interpretationen der Ergebnisse der Berliner Urabstimmung möglich sind, ohne eine einzige Zahl in Frage zu stellen oder gar zu verfälschen. Die Abstimmungsergebnisse lassen sich einfach von unterschiedlichen Bezugsebenen her berechnen.

Nehmen wir die veröffentlichten, wahrscheinlich nur peripher unzuverlässigen Stimmzahlen für oder wider "den sofortigen Zusammenschluss", für oder wider "ein Bündnis beider Parteien" - so lassen sie sich beziehen auf 23.019 Teilnehmer an der Abstimmung, auf 39.716 Mitglieder der Kreisorganisationen der SPD in den Berliner Westsektoren, auf 66.300 Sozialdemokraten des Bezirksverbandes Groß-Berlin der SPD. Auf der ersten Berechnungsgrundlage stimmten 82,3 Prozent gegen die sofortige Vereinigung und 24,8 Prozent gegen ein Bündnis beider Parteien, auf der zweiten Berechnungsgrundlage 47,7 Prozent gegen Vereinigung und 14,4 Prozent gegen Bündnis, auf der dritten Berechnungsgrundlage 28,6 Prozent gegen Vereinigung und 8,6 Prozent gegen Bündnis. Das sollte zumindest nachdenklich stimmen, ob den Zahlen der Berliner Urabstimmung tatsächlich jene Beweiskraft zukommt, die ihnen gemeinhin unterstellt wird.

Natürlich hätte eine generelle, über die Abstimmung auf Versammlungen, Delegiertenkonferenzen und Parteitagen hinausgehende Befragung aller beteiligten Mitglieder beider Parteien dem Einheitsparteiprojekt gut zu Gesicht gestanden und manche in den inzwischen verflossenen fünf Jahrzehnten geführte Diskussionen gegenstandslos gemacht. Aber traditionell wurden in der sozialistischen deutschen Arbeiterbewegung Entscheidungen auf Mitgliederversammlungen oder von gewählten Delegierten getroffen. Urabstimmung war eine Vorgehensweise der Gewerkschaften, um die Streikbereitschaft oder die Akzeptanz von Tarifvereinbarungen zu erkunden. Berlin war indes nicht der einzige Ort, wo von Sozialdemokraten in Richtung Urabstimmung gedacht worden ist.(43)

Dennoch ist die Annahme, dass die Ergebnisse einer solchen Abstimmung überall wie in den Westberliner Parteiorganisationen ausgefallen wären, spekulativ, weil sie sich überwiegend auf das Meinungsbild in bestimmten Funktionärskreisen stützt, weil es in den sozialdemokratischen Bezirksorganisationen durchaus auch ablehnende Haltungen gegenüber einer Urabstimmung gab(44) und weil das Berliner Ergebnis - wie versucht wurde, nachzuweisen - so eindeutig eben nicht war.

In der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung waren weder die Vereinigung von Eisenachern und Lassalleanern 1875 noch die Zusammenschlüsse der linken USPD mit der KPD 1920 und der rechten USPD mit der SPD 1922 über Urabstimmungen legitimiert worden. Gleichwohl ist nie ernstlich bezweifelt worden, dass sie vom Willen der Mitglieder getragen waren. Keiner der Fusionen ostdeutscher Parteien mit den westdeutschen Stamm- und Bundestagsparteien in der Nachwendezeit ist eine Urabstimmung vorausgegangen. Als der Zusammenschluss der in der DDR gegründeten Sozialdemokratischen Partei (SDP) mit der Bundespartei SPD akut wurde, hatten im Präsidium der SPD mehreren Anwesende eine Urabstimmung vorgeschlagen.(45) Es kam nicht einmal zu einem Vereinigungsparteitag oder einer Neuwahl des Parteivorstands. Realisiert wurde nur dessen Erweiterung durch Aufnahme einiger ostdeutscher Funktionäre.

Das selbstverständlich gesamtdeutsch, zonenübergreifend gedachte Einheitsparteiprojekt geriet im Frühjahr 1946 zunehmend unter die politische Logik des zonengeteilten Deutschlands und war den gegensätzlichen Ambitionen der Besatzungsmächte ausgesetzt. Gegenüber dem Einheitsparteiprojekt hat sich keine Besatzungsmacht neutral verhalten, was niemanden ernstlich überraschen kann. Da sie die oberste Regierungsgewalt in Deutschland ausübten, unterlag die Gestaltung des politischen Lebens ihrer Leitung und Kontrolle. Die zukünftige Parteienlandschaft spielte dabei natürlich eine herausragende Rolle. Jede Besatzungsmacht favorisierte bestimmte politische Gruppierungen als Partner zur Durchsetzung ihrer Ziele und Interessen.

Für die UdSSR war dies selbstverständlich die KPD und innerhalb dieser vor allem die aus dem Exil in der Sowjetunion zurückgekehrten Spitzenfunktionäre. Für die USA waren dies vor allem konservative, christdemokratische Kräfte, zumal nach dem Tode von Präsident Roosevelt der antifaschistische Einfluss in den Besatzungsbehörden zurückgedrängt worden war. Die britischen Besatzungsbehörden stützten sich nach dem Sieg der Labourparty bei den ersten Nachkriegswahlen wesentlich auf rechte sozialdemokratische Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre. Die von den Großen Drei erst nachträglich als zusätzliche Besatzungsmacht akzeptierten Franzosen, waren besonders allergisch gegen alles, was zonenübergreifend mit Ansprüchen für gesamtdeutsche Regelungen auftrat. Das ist natürlich ein grobes Raster, das nur die Grundtendenz wiederspiegelt. Bevorzugte Methode westlicher Besatzungsbehörden war es, durch späte Zulassung und bürokratische Reglementierungen die als erste politisch aktiven Kommunisten und andere linke Gruppen auszubremsen.

Die Sowjetische Militäradministration war sich bewusst, dass der Einfluss der KPD nicht ausreichte, um ihre Besatzungsziele durchzusetzen und vor der Bevölkerung zu legitimieren. Eine von Kommunisten dominierte Einheitspartei erschien ihr dazu besser geeignet, obwohl das höchstens perspektivisch eine bolschewistische Partei sein konnte. So sah sie sich berechtigt, massiv in den Prozess einer Vereinigung von Kommunisten und Sozialdemokraten einzugreifen. Dafür stand ihr ein breites Spektrum von Maßnahmen zur Verfügung. Es reichte von der Bevorzugung der KPD und der Verfechter einer Vereinigung bei der Besetzung von Ämtern in den neuen Verwaltungsorganen, bei der Zuweisung von Immobilien, Fahrzeugen und Kraftstoffen, Papierkontingenten für die Presse und Verlage, über persönliche Einflussnahme von Besatzungsoffizieren bis zu einschüchternden Eingriffen oder Repressionen durch das nun auch in Ostdeutschland tätige NKWD(46) mit seinem Geheimdienst.

Die Zahl der hiervon berechtigt oder unberechtigt betroffenen Personen ist groß. Ich habe allerdings meine Zweifel, dass zu jener Zeit Sozialdemokraten überproportional betroffen waren. Eine neue gründliche Studie über die von Sowjetischen Militärtribunalen gegen deutsche Zivilpersonen verhängten Todesurteile gelangte zu der Einschätzung, dass diese überwiegend wegen in der UdSSR verübter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit berechtigt verurteilt worden sind.(47) Übrigens existierten in der unmittelbaren Nachkriegszeit in den meisten europäischen Staaten Internierungslager und Sondergerichte, was alliierten Vereinbarungen entsprach, um Faschisten, Kollaborateure oder überhaupt Leute, die den Siegern irgendwie gefährlich werden konnten, zu isolieren.(48) Es gab aber unter den Besatzungsoffizieren auch nicht wenige, die hinreichend mit den Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung vertraut waren, um Argumente für eine Vereinigung vorzutragen, die von Skeptikern oder Einheitsgegnern nicht so leicht zu entkräften waren, wollten sie nicht generell gegen die UdSSR und die Politik der KPdSU(B) Partei ergreifen.


Einheitsdrang oder Zwangsvereinigung?

Wir sind damit bei einem grundsätzlichen Problem unserer Thematik angelangt. War die SED-Gründung Ergebnis einer Zwangsvereinigung oder Resultat eines unwiderstehlichen Einheitsdrangs? Zutreffender gefragt: Wie verhalten sich Freiwilligkeit und Druck zueinander?

Belege und Zeugnisse gibt es nämlich für die verschiedensten Geschehnisse, Verhaltensweisen und Motivationen:

  • Für freudiges, überzeugtes und eigenen politischen Erfahrungen entspringendes Engagement für die Einheitspartei,
  • für rationale Entscheidungen das Für und Wider abwägender Personen
  • für gefühlsmäßiges, dem Klassenempfinden entspringendes Eintreten für die Einheitspartei, um die schlimmen Zeiten gegenseitigen Bekämpfens hinter sich zu lassen,
  • für Mitläufertum im Vertrauen in die Entscheidungen der Parteiführungen
  • für Argwohn, aber auch für das Verdrängen von Zweifeln,
  • für opportunistisches Einschwenken in den für unausweichlich gehaltenen Gang der Dinge,
  • für Ablehnung einer für verfrüht oder für verfehlt gehaltenen Fusion, wie auch für deren Rücknahme im Ergebnis massiver ideologischer und politischer Einwirkung,
  • für abgetrotzte Teilnahme an einem Zusammenschluss durch direkte oder indirekte Ankündigungen von Benachteiligungen, aber auch durch korrumpierende Versprechungen,
  • für erzwungenes Stillhalten oder Mitmachen auf Grund von Einschüchterungen oder Drohungen der Besatzungsmacht,
  • für das politische Ausschalten von Einheitsgegnern bis hin zu deren Verfolgung - in der Regel unter anderen Vorwänden -, was in Extremfällen zu Lagerhaft führte, aus der manche Leute nicht zurückkehrten.

Schließlich spielten auch lokale Situationen und Personen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Es gab halt vor Ort Kommunisten und Sozialdemokraten, die konnten miteinander, und es gab welche, die es nicht oder nur widerwillig vermochten.

Die Frage ist also, wie prägend waren solche Erfahrungsmuster und Verhaltensweisen, inwieweit charakterisieren sie den Entstehungsprozess und das Wesen der 1946 entstandenen SED insgesamt? Diese Streitfrage wird sich nicht endgültig klären lassen. Zum einen, weil wir die genannten Haltungen und Motivationen nicht zuverlässig quantifizieren können. Zum anderen, weil es sich um eine Thematik handelt, bei deren Behandlung jeder dieses oder jenes Vorwissen einbringt und bewusst oder unbewusst irgendwie vorbelastet ist.

Der Begriff "Zwangsvereinigung" ist älter als die Einheitspartei selbst. So hatte der bereits als Verfechter einer sofortigen Vereinigung erwähnte, dann aber in die Westzonen übergewechselte Gustav Dahrendorf ein in Hamburg veröffentlichtes Pamphlet gegen den Zusammenschluss von KPD und SPD überschrieben.(49) Dieses Stigma wurde bereitwillig von der sozialdemokratischen und der konservativen Geschichtsschreibung aufgegriffen und von den westdeutschen Medien verbreitet. Es ist Leuten eingehämmert worden, die sich nie selbst mit den historischen Tatsachen befasst haben.

Allerdings haben auch Leute Widerspruch eingelegt, die keiner Sympathie für die Kommunisten verdächtig sind. Zitiert sei hier der damalige Vorsitzende der CDU in der sowjetischen Besatzungszone und spätere Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen Jakob Kaiser. Er stellte fest, dass "nur verschwindend wenig Führungskräfte der Sozialdemokratie des Ostens dem Verschmelzungswillen der Kommunisten widerstanden haben", dass "der damalige Führungskörper der östlichen Sozialdemokratie bei dieser Verschmelzung wesentlich mitgewirkt hat. Ich selbst habe die Phasen dieses Geschehens unmittelbar miterlebt. Ich wäre gern bereit, den Mantel der Liebe darüber zu decken, wenn ich nicht immer wieder vor der Notwendigkeit stände, einer Legendenbildung vorzubeugen."(50)

Die Frage ist nicht, ob beim Zusammenschluss von KPD und SPD auch Zwang im Spiele war? Es hat ihn nachweislich gegeben. Die Frage ist, ob die generalisierende Definition "Zwangsvereinigung" zur Charakterisierung von - wie ich meine - historisch bedingten, vielschichtigen und differenziert zu beurteilenden Geschehnissen geeignet ist.

Denn mit dem Einschrumpfen auf Zwangsvereinigung verbinden sich meist wesentliche Unterlassungen und Verzeichnungen der realen Ereignisse. Ich hatte das des 50. Jahrestages der Vereinigung einmal in acht Punkten zusammengefasst,(51) die ich hier verkürzt wiedergeben möchte:

Erstens wird in der Regel die politische Grundsituation entstellt. Die politische Hauptscheidelinie verlief nämlich nicht zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten, sondern zunächst immer noch zwischen Nazis und Antinazis. Die Auseinandersetzungen um die Einheitspartei waren trotz aller Schärfe ein Streit im antinazistischen Lager.

Zweitens bleibt ausgeblendet, dass die Einheitspartei nicht Selbstzweck war. Es ging dabei um die Entscheidung, was aus Deutschland werden sollte. Und hier wurde bis in die Reihen der Christdemokraten hinein vorwiegend eine antikapitalistische Alternative vertreten, die erst von der CDU, dann von den westdeutschen Gewerkschaften und schließlich von der SPD aufgegeben wurde.

Drittens wird uns "Zwangsvereinigung" häufig als die erste große Entscheidungsschlacht zwischen Demokratie und Diktatur in Deutschland und als Präludium zum kalten Krieg und zur Teilung Deutschlands vorgeführt. Aber die Alliierten haben sich wegen geostrategischer Konflikte entzweit und nicht wegen der SED-Gründung. Sie fanden rasch einen Kompromiss, indem die sowohl die SED als auch die SPD in allen Sektoren Berlins zuließen.

Viertens werden uns die Sozialdemokraten fast ausschließlich in der Opferrolle vorgeführt. Das hat schon der zitierte Jakob Kaiser ins Reich der Legende verwiesen.

Fünftens beruhen die Argumente, mit denen die Zwangsvereinigung belegt wird, vornehmlich auf den Überlieferungen führender und mittlerer Funktionäre. Es ging aber damals um weit mehr als um die Verschmelzung eines kommunistischen und eines sozialdemokratischen Parteikaders, wenngleich hier der Kern des Problems lag. Es handelte sich um die Entscheidung und die Betroffenheit von rund einer Million politischer organisierter Männer, Frauen und Jugendlichen. Von den über die KPD zur SED gelangten Menschen war jedoch nur etwa jeder Zehnte vor 1933 Mitglied der kommunistischen Partei gewesen, von den über die SPD zur SED gekommen, meiner Schätzung nach nur jeder Dritte oder Vierte. Und diese Leute waren überwiegend zu einem Zeitpunkt in die KPD oder SPD eingetreten, zu dem sie wussten, dass sie bald Mitglied einer Einheitspartei sein werden. Sie hätten diese politische Entscheidung auch unterlassen können. Das waren Leute, die sich Gedanken gemacht hatten, und nicht einfach eine Manövriermasse der KPD-Führung

Sechstens unterbleibt meist eine Analyse, was die SED zum Zeitpunkt ihrer Gründung parteihistorisch und parteisoziologisch mit ihrem Programm, ihrem Statut, ihren Strukturen und in der Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft eigentlich real darstellte.

Mit der Stigmatisierung als Zwangsvereinigung erübrigt sich siebentens die eigentlich gründlich zu prüfende Frage, ob die in den Folgejahren vollzogene Umwandlung der SED in eine Partei neuen Typs nach dem Vorbild der KPdSU(B) vorprogrammiert und schon vorentschieden war, oder ob dieses Charakterwandel primär aus veränderten internationalen und nationalen Konstellationen im Gefolge des kalten Krieges zu erklären ist.

Achtens schließlich ist überall, wo eine Fokussierung auf "Zwangsvereinigung" stattfindet, der Blick nach vorn eingetrübt. Das gilt allerdings umgekehrt auch für jegliche Glorifizierungen der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der SED. Wer ernstlich behauptet, dass sieben Jahrzehnte zurückliegende Ereignisse heute gebotenem gemeinsamen Handeln linker Kräfte entgegenstünden, der sucht nach Vorwänden und verhüllt seine anders gelagerten Gründe und Absichten.

Nun habe ich bislang überhaupt nichts gesagt zu jenem Ereignis, das ja eigentlich Anlass ist, um einen 70. Jahrestag zu begehen - ich meine den am 21. und 22. April 1946 in Berlin durchführten Vereinigungsparteitag selbst. Er hatte seine hohe Symbolkraft und ist auch entsprechend inszeniert worden. Aber Entscheidungen von grundsätzlicher Tragweite waren hier nicht mehr zu treffen.

Die als vorläufiges Parteiprogramm geltenden "Grundsätze und Ziele der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" waren ausgehandelt. Sie enthielten die zum politischen Neubeginn von beiden Parteien erhobenen antifaschistisch-demokratischen Forderungen. Über diese hinausgehend erklärten sie den Sozialismus mit Wesensmerkmalen, die eigentlich nicht über das Erfurter Programm der deutschen Sozialdemokratie von 1891 hinausgingen. Wichtig war, dass die Möglichkeit eines demokratischen, überwiegend friedlichen Übergangs zum Sozialismus anvisiert wurde.(52)

Als einzige strittige Frage beschäftigte die Statutenkommission die Frage, wie im Parteistatut Rolle und Stellung von Wohngruppen und Betriebsgruppen definiert werden sollten. Das war insofern keine unerhebliche Angelegenheit, denn hier stießen unterschiedliche Auffassungen über die Aufgaben und Verankerungen der Partei aufeinander, die mit einer Kompromissformel überbrückt wurden.(53)

Etwas Wichtiges wird allerdings oft übersehen oder bleibt unterbelichtet, nämlich die gesamtdeutsche oder - wenn man will - nationale Dimension dieses Vereinigungsparteitages. Die KPD war ja als in jeder Besatzungszone agierende Partei mit gewählten Delegierten aus allen Parteibezirken vertreten. Die anwesenden westdeutschen Sozialdemokraten konnten da allenfalls auf Mandate einzelner Ortsgruppen verweisen. Die Diskussion auf dem Parteitag wurde mehrheitlich von Vertretern aus dem Westen bestritten, was natürlich Ergebnis einer gezielten Regie war. In allen vom Parteitag gewählten Gremien waren Abgesandte aus den Westzonen präsent.(54) Das heißt dieser Parteitag sollte den Impuls für eine gesamtdeutsche sozialistische Einheitspartei geben.

Die Ausstrahlung in Richtung Westen blieb allerdings bescheiden. Zum einen, weil es dem Büro der Westzonen weitgehend gelungen war, die Sozialdemokraten auf den antikommunistischen Kurs Schumachers einzuschwören und gegen Einflüsse des Berliner Zentralausschusses der SPD zu immunisieren. Andererseits weil die Besatzungsmächte mit einem ausgeklügelten Instrumentarium gegen die Vereinigungsbewegung vorgingen.(55) Gründungskomitees der Einheitspartei wurden regelrecht verboten. Britische Besatzungsbehörden forderten gewählte Mitglieder des Parteivorstandes der SED auf, sofort aus dieser Funktion auszuscheiden. Also von einem freien Spiel der Kräfte kann auch für den Westen nicht die Rede sein. Die SED vermochte auf Dauer im Westen kein deutlich über den Anhang der KPD hinausgehendes politisches Potential zu mobilisieren.

Umstritten ist bei der Bewertung des Vereinigungsparteitages vor allem folgende Frage: War er nur das taktisch raffiniert eingefädelte Präludium für die künftige marxistisch-leninistische Partei neuen Typs Stalinscher Prägung, in die die SED in der Folgezeit umgewandelt wurde? Oder stellte diese Entwicklung einen Bruch mit dem Gründungskonsens der Einheitspartei dar, der wesentlich aus der Eskalation des kalten Krieges zu erklären ist, was allerdings auch den Ambitionen eines Teils kommunistischer Altkader entgegenkam. Meines Erachtens spricht viel für die zweitgenannte Version. Gleichwohl war diese sowohl von sowjetischer Seite auferlegte als auch von kommunistischen Funktionären innerhalb der SED forcierte Kursänderung selbstverschuldet. Die Preisgabe der Errungenschaft "Einheitspartei" hat nicht nur der eigenen Sache erheblich geschadet, sondern war auch mit Repressionen verbunden, durch die nicht wenige aufrechte Parteimitglieder schlimm beschädigt wurden. Dennoch war die SED Zeit ihrer Existenz sowohl Kaderpartei als auch Massenorganisation. Alle in der Gesellschaft vorhandenen Widersprüche und Meinungsverschiedenheiten traten auch in der Partei selbst mehr oder weniger deutlich in Erscheinung. Insofern existierte eine Kollision zwischen dem offiziellen Selbstverständnis und der realen Praxis dieser Partei. Ohne das Verwobensein zahlreicher Mitglieder und Funktionäre der SED mit der Bevölkerungsmehrheit wäre ein friedlicher Verlauf des Umbruchs der Jahre 1989/1990 schwerlich vorstellbar.(56)


Vermögen uns die Erfahrungen von 1945/1946 heute noch etwas zu sagen?

So stellt sich abschließend die Frage, können die Vorgänge von 1945/1946 als Lehrstück für die Gegenwart dienen? Ist Einheit der Arbeiterklasse in einer politischen Einheitsorganisation heute ein tragfähiges Thema?

Ein Lehrstück wohl höchstens in dem Sinne, dass wir uns an den Geschehnissen von 1945/46 die inzwischen eingetretenen enormen Veränderungen und die radikal anderen Bedingungen bewusstmachen können. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir an sieben Jahrzehnte zurückliegende Geschehnisse nicht die Elle unserer Gegenwart anlegen dürfen, worum ich mich bemüht habe.

Alle kurzschlüssigen Parallelen verbieten sich. Politische Entwicklungen und mehr noch die Prozesse der wissenschaftlich-technischen Revolution und der ökologischen Gefährdungen menschlichen Lebens auf diesem Planeten haben die Frage nach dem Subjekt grundlegender Wandlungen neu gestellt. Nachhaltige Lösungen in beschränktem nationalem Rahmen sind nicht mehr real vorstellbar. Die Bereitschaft von Menschen, sich für Alternativen zu engagieren, die diesen Namen wirklich verdienen, lässt sich keineswegs vorrangig aus ihrer Stellung im Produktionsprozess und aus ihrem Verhältnis zu den Produktionsmitteln - als den klassischen Merkmalen früherer Klassendefinitionen - ableiten.

Auch reduziert sich der gesellschaftliche Stellenwert straff organisierter politischer Mitgliederorganisationen. Zunehmend vermögen Netzwerke einen höheren Grad der Mobilisierung von Menschen zu erreichen als einzelne Parteien, Gewerkschaften oder andere vergleichbare Organisationen.

Es wäre schon viel gewonnen, wenn Gruppierungen, die sich als Linke verstehen einen Minimalkonsens erreichen würden. Was ist damit gemeint?

Mit unterschiedlichen Einschätzungen der Lage und verschiedenen Strategiekonzepten zu ihrer Veränderung werden wir auf absehbare Zeit leben müssen. Und da wir ohnehin nicht unmittelbar auf eine revolutionäre Situation zusteuern, die praktische Konsequenzen erfordert, ist es meines Erachtens auszuhalten, wenn wir diese Probleme in den Bereich der theoretischen Debatte verweisen. Also klar unterscheiden, was hier und heute geboten ist und was perspektivisch zu denken und zu tun ist.

Allerdings scheint mir, dass die Bewegungen des letzten Vierteljahrhunderts - also vom Kollaps des Realsozialismus und dem Ringen um einen erneuerten Sozialismus bis zum arabischen Frühling auch gelehrt haben, dass diejenigen, die solche Bewegungen ausgelöst und mit großem Einsatz getragen haben, und diejenigen die ihre Ernte eingefahren haben, nicht dieselben sind. Ich habe große Sympathie für Basisdemokratie, aber nur von unten, ohne eine Kraft, die alle Bestrebungen und Aktivitäten politisch zu bündeln vermag, sehe ich keine Erfolgschancen. Somit stellt sich die Frage nach der Verbindung der Aktion von unten und von oben, von direkter und repräsentativer Demokratie und auch nach einer weithin akzeptierten führenden, demokratisch strukturierten Zentrale und auch nach charismatischen Persönlichkeiten. Ich wüsste nicht, wo ohne diese Voraussetzungen schon einmal Vorstöße in historisches Neuland gelungen wären. Dass kann aber nicht funktionieren mit einem Führungsanspruch, wie er seitens deutscher Kommunisten im Rahmen der Einheitspartei durchgesetzt worden ist. Das von Lenin begründete und unter Stalin pervertierte Modell der zentralistischen Partei neuen Typs hat keine Zukunft - selbst wenn es die Verbrechen, denen ungezählte aufrechte Kommunisten, Sozialisten und Antifaschisten zum Opfer gefallen sind, nicht gegeben hätte. Eine politische Organisation mit Konzentration aller Entscheidungs- und Machtpotenzen in einem Politbüro und hier wiederum in den Händen eines allmächtigen Generalsekretärs, mit einer dogmatisierten Ideologie, mit Parteikontrollkommissionen und permanenten Disziplinierungen der Mitglieder, kann keine mehrheitliche Akzeptanz finden in Gesellschaften, in denen Pluralität und individuelle Freiheiten bei der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung einen hohen Stellenwert besitzen.

Unter einem linken Minimalkonsens verstehe ich auch, dass sich alle Gruppierungen dazu durchringen sollten, die derzeit einzig möglich parlamentarische Vertretung der Linken auch bei Differenzen in nicht unwesentlichen Politikfeldern mit ihrer Stimme zu unterstützen. Das schließt eine kritische Begleitung von Bundestags- und Landtagsfraktionen oder gar Länderregierungen nicht aus.

Schließlich und letztlich. Wenn wir uns die Welt von heute betrachten - mit ihren weltweit geführten Kriegen und Terrorwellen, mit Zerstörung der natürlichen Lebensbedingungen unseres Planeten, mit dem Auseinanderklaffen vom Reichtum und Armut, mit dem tiefen Graben zwischen den privilegierten Ländern des Nordens und den ausgebeuteten Ländern des Südens sowie den dadurch ausgelösten Flüchtlingsströmen - sollten wir uns bewusstwerden, auf welch dünnem Eis wir uns bewegen. Und was die Sache noch schlimmer macht - es ist derzeit die chauvinistische, teils rassistische oder gar faschistische Rechte, die aus der gegenwärtigen politischen Misere Honig saugt, und nur in wenigen Ländern die Linke. Die Notwendigkeit einer Bündelung der Kräfte gegen rechts wächst zusehends. Und da reift eine Situation heran, in der noch über viel weitergehende Bündnisse unter Zurückstellung von gravierenden Meinungsverschiedenheiten nachzudenken ist, als das 1945 der Fall war. Auch wenn derzeit wenig dafürspricht: An einem Zusammenwirken von Linken und Sozialdemokraten führt da kein Weg vorbei. Vermeintliche Linke, die Randale und Straßenschlachten mit der Polizei provozieren, allzu dogmatische Kapitalismuskritiker und allzu rechthaberische DDR-Verteidiger sind da kontraproduktiv, wenn sie bereitwillige potentielle Partner vor den Kopf stoßen.

Aber all das kann nicht mit den Einheitslosungen und -appellen des Jahres 1945/1946 geschehen. Dazu bedarf einer zeitgemäßen Politik, und die schließt einen selbstbewusst-kritischen, aber mit dem Abstand der Jahre auch gelasseneren Umgang mit unserer Geschichte ein.


Günter Benser, Prof. Dr., Leipzig, Historiker, Mitglied der Leibniz-Sozietät

[*] Der Schattenblick veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors den ungekürzten Vortrag, den der Autor am 21. Mai 2016 auf der 25. Jahresversammlung des Förderkreis Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung gehalten hat.
http://www.fabgab.de


Anmerkungen

(1) Grundriss der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin 1963, S. 211.

(2) Ebenda.

(3) Ebenda.

(4) Geschichte der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Abriß, Berlin 1978, S. 124.

(5) Siehe die von mir verfasste Erklärung der Historischen Kommission der PDS zum 50. Jahrestag der SED-Gründung sowie Günter Benser: Zusammenschluß von KPD und SPD 1946. Erklärungsversuche jenseits von Jubel und Verdammnis (= hefte zur ddr-geschichte 27), Berlin 1995, 2., durchges. u. ergänzte Auflage, Berlin 2006.

(6) Willy Brandt: Die SPD in der deutschen Geschichte, in: Susanne Miller/Malte Ristau (Hrsg.): Erben deutscher Geschichte. DDR - BRD: Protokoll einer historischen Begegnung, Reinbek bei Hamburg 1988, S. 17.

(7) Feliks Tych: Die ehemaligen Parteiarchive in Osteuropa als Quellenkorpus. Heuristische Probleme. In: Bruno Groppe u.a. (Hrsg.): Quellen und Historiographie der Arbeiterbewegung nach dem Zusammenbruch des "Realsozialismus" (= ITH Tagungsbericht 32), Wien 1998, S. 10.,

(8) Siehe Günter Benser: Der 50. Jahrestag der Vereinigung von KPD und SPD. Eine historischkritische Nachlese. In: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 2/97, S. 35-54.

(9) Sozialistische Aktion (Karlsbad), 28. Januar 1934.

(10) Diese Konferenz fand in der Nähe von Moskau statt.

(11) Dokumente zur Geschichte der SED, Band. 1: 1847 bis 1945, Berlin 1981, S. 304.

(12) Tagungsort dieser Konferenz war Draveil (b. Juvisy/Seine) südlich von Paris.

(13) Ebenda, S. 349/350.

(14) Zit. in: Peter Erler/Horst Laude/Manfred Wilke (Hrsg.): "Nach Hitler kommen wir". Dokumente zur Programmatik der Moskauer KPD-Führung 1944/45 für Nachkriegsdeutschland, Berlin 1994, S. 75.

(15) Siehe ebenda, S. 168.

(16) Siehe Günter Benser: "Reformer" in den Antifa-Ausschüssen des Jahres 1945. In: Wladislaw Hedeler/Mario Keßler (Hrsg.): Reformen und Reformer im Kommunismus. Für Theodor Bergmann. Eine Würdigung, Hamburg 2015.

(17) Siehe hierzu Günter Benser: DDR und Arbeiterbewegung (= hefte zur ddr-geschichte, Nr. 67), Berlin 2001; Günter Benser/Dietrich Mühlberg: Arbeiterbewegung in der DDR (= hefte zur ddr-geschichte, Nr. 76), Berlin 2002.

(18) Gerhard A. Ritter hat recht zutreffend die Begriff "Fragmentierung der Arbeiterklasse" geprägt. Siehe sein Vorwort zu Jürgen Kocka: Lohnarbeit und Klassenbildung. Arbeiter und Arbeiterbewegung in Deutschland 1800-1875 (= Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, hrsg. v. Gerhard A. Ritter, Bd. 1.), Berlin/Bonn 1983.

(19) Siehe Michael Schneider: Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Bonn 1999; Ders: In der Kriegsgesellschaft. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1939 bis 1945, Bonn 2014.

(20) Dokumente zur Geschichte der SED, Band 2: 1945 bis 1971, Berlin 1989, S. 12. Siehe auch Günter Benser: Neubeginn ohne letzte Konsequenz (1945/46) (= Der deutsche Kommunismus. Selbstverständnis und Realität, Bd. 4), Berlin 2009, S. 44-54.

(21) Siehe Steffen Kachel: Ein rot-roter Sonderweg? Sozialdemokraten und Kommunisten in Thüringen 1919 bis 1949 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission in Thüringen. Kleine Reihe, Bd. 29), Köln/Weimar/Wien 2011, S.257-261.

(22) Siehe Protokoll über die Aussprache bei der ersten Zusammenkunft von etwa 200 antifaschistischen Funktionären im Stadthaus Berlin. In: Walter Ulbricht: Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Aus Reden und Aufsätzen, Bd. II: 1933-1946, 2. Zusatzbd., Berlin 1968, S. 311-313.

(23) Dies wurde später in einer ausführlichen Positionsbestimmung untermauert, der wir in der sozialdemokratischen Geschichtsschreibung kaum begegnen. Siehe Stellungnahme und Beschluss des Zentralausschusses der SPD vom 20. August 1945 über die Frage der Ostorientierung. Abgedruckt in: Andreas Malycha: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) im Jahre 1945. Zu Rolle und Wirksamkeit des Zentralausschusses (ZA) im Ringen um antifaschistische Umgestaltungen in der Etappe der Aktionseinheit von KPD und SPD (Mai 1945 bis Dezember 1945), Diss., Berlin 1988.

(24) Siehe den Abschnitt "Sozialdemokraten und Kommunisten" in den von Kurt Schumacher verfassten "Politischen Richtlinien für die S.P.D. in ihrem Verhältnis zu den anderen politischen Faktoren". In: Kurt Schumacher: Reden - Schriften - Korrespondenzen. 1945-1952, hrsg. v. Willy Albrecht, Berlin/Bonn 1985, S. 276-281.

(25) Kurt Schumacher: Reden - Schriften - Korrespondenzen, S. 268.

(26) Ebenda, S. 243.

(27) Siehe Günter Benser: Die antifaschistischen Ausschüsse des Jahres 1945. Die Bremer Kampfgemeinschaft gegen den Faschismus. In: Rainer Holze/Marga Voigt (Hrsg.): 1945 - Eine "Stunde Null" in den Köpfen? Zur geistigen Situation Deutschlands nach der Befreiung vom Faschismus (= Zwischen Revolution und Kapitulation. Forum Perspektiven der Geschichte, Bd. 2), Berlin 2015

(28) Siehe Günter Benser: Die KPD im Jahre der Befreiung. Vorbereitung und Aufbau der legalen kommunistischen Massenpartei (Jahreswende 1955/1945 bis Herbst 1945), Berlin 1985, S. 116-127.

(29) Siehe Dokumente zur Geschichte der SED, Bd. 2, S. 22/23.

(30) Siehe ebenda, S. 7-16.

(31) Siehe ebenda, S. 17-21.

(32) Ebenda, S. 18.

(33) "Demokratie in Staat und Gemeinde, Sozialismus in Wirtschaft und Gesellschaft" - so lautete die viele Fragen offenhaltende Formulierung. (Ebenda.)

(34) Ebenda, S. 21.

(35) Siehe Otto Grotewohl und die Einheitspartei. Dokumente Bd. 1: Mai 1945 bis April 1946, Berlin 1994, S. 123-174.

(36) Ein Musterbeispiel der zum Erliegen gebrachten Aktionseinheit von KPD und SPD liefert die Aktionsgemeinschaft SPD/KPD München. Die Protokolle ihrer Sitzungen sind abgedruckt in: Günter Benser / Hans-Joachim Krusch (Hrsg.): Dokumente zur Geschichte der kommunistischen Bewegung in Deutschland, Reihe 1945/1946, Bd. 1: Protokolle des Sekretariats des Zentralkomitees der KPD. Juli 1945 bis April 1946, München/New Providence/London/Paris 1993, S. 385-472.

(37) Ebenda, Bd. 2: Protokolle der erweiterten Sitzungen des Sekretariats des Zentralkomitees der KPD. Juli 1945 bis Februar 1946, München/New Providence/London/Paris 1994, S. 135. In veröffentlichten Erinnerungen hat Anton Ackermann festgehalten: "Ende September/Anfang Oktober 1945 hatten wir im Politbüro des Zentralkomitees (gemeint ist das Sekretariat des ZK der KPD. G.B.) erstmals erwogen, dem Zentralausschuß der SPD vorzuschlagen, über die Aktionseinheit hinauszugehen und den Zusammenschluß beider Parteien vorzubereiten." (Anton Ackermann: Der neue Weg zur Einheit. In: Vereint sind wir alles. Erinnerungen an die Gründung der SED, Berlin 1971, S. 77.)

(38) Hans-Joachim Krusch/Andreas Malycha: Einheitsdrang oder Zwangsvereinigung. Die Sechziger Konferenzen von KPD und SPD 1945 und 1946, Berlin 1990, S. 161.

(39) Ebenda, S. 162.

(40) Ebenda.

(41) Kurt Schumacher: Reden - Schriften - Korrespondenzen, S. 328.

(42) Eine von Manfred Rexin besorgte, vom Institut für Sozialgeschichte Braunschweig herausgegebene CD vermittelt einen akustischen Eindruck von diesem Ereignis.

(43) Siehe Andreas Malycha: Auf dem Weg zur SED. Die Sozialdemokratie und die Bildung der Einheitspartei in den Ländern der SBZ. Eine Quellenedition (= Archiv für Sozialgeschichte, Beiheft 16), Bonn 1995, S. XC, CIII.

(44) Siehe ebenda, S. XCII.

(45) Siehe Ilse Fischer (Hrsg.): Die Einheit sozial gestalten. Dokumente aus den Akten der SPD-Führung 1989/90, Bonn 2009, S. 347.

(46) Narodny kommissariat wnutrennych del (Volkskommissariat des Innern).

(47) Siehe Andreas Weigelt/Klaus-Dieter Müller/Thomas Schaarschmidt/Mike Schmeitzner (Hrsg.): Todesurteile sowjetischer Militärtribunale gegen Deutsche (1944-1947). Eine historisch-biographische Studie (= Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung Bd. 56), Göttingen 2015, S. 8-10.

(48) Siehe Günter Benser: 1945 - eine historische Zäsur. In: Rainer Holze/Marga Voigt (Hrsg.): 1945 - Eine "Stunde Null" in den Köpfen?

(49) Gustav Dahrendorf: Die Zwangsvereinigung der Kommunistischen und Sozialdemokratischen Partei in der russischen Zone. Abdruck in: Gustav Dahrendorf: Der Mensch, das Maß aller Dinge. Reden und Schriften zur deutschen Politik 1945-1954, Hamburg 1955.

(50) Jakob Kaiser: Gewerkschafter und Patriot. Eine Werkauswahl, hrsg. u. eingel. v. Tilman Mayer, Köln 1988, S. 374.

(51) Günter Benser: Was passiert, wenn der Zusammenschluß von KPD und SPD auf eine bloße Zwangsvereinigung eingeschrumpft wird. In: Johannes Klotz (Hrsg.): Zwangsvereinigung? Zur Debatte über den Zusammenschluß von SPD und KPD 1946 in Ostdeutschland, Heilbronn 1996, S. 54-64.

(52) Ausgehend von der Tatsache, dass in Deutschland die faschistisch-reaktionären Gewalten von außen zerschlagen wurden, war - mit einer theoretisch anfechtbaren Gegenüberstellung von "demokratisch" und "revolutionär" - formuliert worden: "Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands erstrebt den demokratischen Weg zum Sozialismus; sie wird aber zu revolutionären Mitteln greifen, wenn die kapitalistische Klasse den Boden der Demokratie verlässt." (Dokumente zur Geschichte der SED, Bd. 2, S. 37.) Die Argumentation hierzu hatte Anton Ackermann mit seinem Aufsatz "Gibt es einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus?" geliefert (Einheit. Monatsschrift zur Vorbereitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 1946/1, S. 20-22.) Ausführlicher hierzu Günter Benser: Der besondere deutsche Weg zum Sozialismus. Konzept und Realität (= hefte zur ddrgeschichte 115), Berlin 2009.

(53) § 9 des Parteistatuts bezeichnete "Wohnbezirks- und Betriebsgruppen" als "Grundeinheiten der Partei". Doch erhielten die Betriebsgruppen eine Vorrangstellung, denn in Betrieben tätige Parteimitlieder waren dort zu erfassen. Sie sollten aber zugleich an der Arbeit ihrer Wohnbezirks- oder Ortsgruppe teilnehmen. (Dokumente zur Geschichte der SED, Bd. 2, S. 42.)

(54) Siehe Protokoll des Vereinigungsparteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) am 21. und 22. April 1946 in der Staatsoper (Admiralspalast) Berlin, Berlin 1946, S. 6-8, S. 214.

(55) Am Beispiel von Berlin-Neukölln hat dies Reiner Zilkenat anschaulich beschrieben. Siehe Die Vorbereitungen für die Bildung einer "Sozialistischen Einheitspartei" in Berlin-Neukölln 1945/46 und die Repressionen der Westalliierten. In: Mitteilungen des Förderkreises Archive und Bibliotheken zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Nr. 49, März 2016.

(56) Ausführlicher hierzu Günter Benser: Die SED zwischen Massenpartei und Kaderpartei neuen Typs (1946-1948). In: Ansichten zur Geschichte der DDR. Hrsg. v. Dietmar Keller, Hans Modrow u. Herbert Wolf, Bd. I, Bonn/Berlin 1993.

*

Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 4-16, 54. Jahrgang, S. 84-94
Redaktion: Marxistische Blätter
Hoffnungstraße 18, 45127 Essen
Telefon: 0201/23 67 57, Fax: 0201/24 86 484
E-Mail: redaktion@marxistische-blaetter.de
Internet: www.marxistische-blaetter.de
 
Marxistische Blätter erscheinen 6mal jährlich.
Einzelheft 9,50 Euro, Jahresabonnement 48,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang