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MARXISTISCHE BLÄTTER/628: Frankreich vor wichtigen (und schwierigen) Wahlen


Marxistische Blätter Heft 6-16

Frankreich vor wichtigen (und schwierigen) Wahlen

Von Georg Polikeit


Frankreich steht vor zwei wichtigen und vor allem für die Linkskräfte schwierigen Wahlen. Für den 23. April und 7. Mai 2017 ist die Neuwahl des Staatspräsidenten angesetzt. Nur vier Wochen später, am 11. und 18. Juni, findet die Neuwahl der 557 Abgeordneten der Assemblée Nationale (Nationalversammlung) statt. Das wird die innen-, sozial-, wirtschafts- und außenpolitische Debatte in den kommenden Monaten immer mehr beherrschen.

Desaströse Bilanz

Nach fünf Jahren sozialdemokratischer Amtsführung unter Staatspräsident Hollande ist die Enttäuschung und Unzufriedenheit groß. Hollande und die von ihm geführten Regierungen, zuletzt unter Premierminister Valls, haben die Erwartungen nicht erfüllt, die die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler im Frühjahr 2012 in den Wahlsieg der "Linken" gesetzt hat. Statt der im Wahlkampf versprochenen Wende nach links mit Abbau der Arbeitslosigkeit, Kampf gegen das Finanzkapital, höherer Besteuerung der Großverdiener und mehr sozialer Gerechtigkeit praktizierten die regierenden "Sozialisten" einen von den Dogmen des Neoliberalismus und den EU-Auflagen zum Abbau des Staatsdefizits bestimmten Kurs - einen Kurs des Deregulierung des Arbeitsrechts im Unternehmerinteresse, des Stellenabbaus im öffentlichen Dienst, der Förderung prekärer Arbeitsverhältnisse, der Kürzung von Zuweisungen an die Territorialverbände und Kommunen, der Privatisierung öffentlichen Eigentums, der Vernichtung von Arbeitsplätzen durch Betriebsschließungen und Standortverlagerungen.

Das totale Scheitern dieser von den "Sozialisten" praktizierten neoliberalen Rezepte zeigt sich daran, dass die Arbeitslosenquote (bei 10 %) in fünf Jahren nicht reduziert wurde, sondern weiter anstieg und im Herbst 2016 gerade einen neuen Schub aufweist, obwohl Hollande deren Reduzierung einst zu seiner wichtigsten Priorität erklärt hatte. Das gilt noch mehr für die hohe Jugendarbeitslosigkeit (26 % im Landesdurchschnitt, in manchen"sensiblen Stadtvierteln" bis zu 42 %). Trotz massiver Steuerentlastungen und anderer "Hilfen" für die Unternehmer verharrt die französische Wirtschaft de facto mit geringen Schwankungen in der Stagnation. Laut einer Übersicht des "Observatoriums von Investitionen"wurden in Frankreich vom Sommer 2012 bis zum Frühjahr 2016 887 industrielle Firmen geschlossen - mit entsprechenden Arbeitsplatzverlusten.

Hinzu kamen nach den terroristischen Attentaten in Paris, Marseille und anderen Orten die Praktizierung eines monatelangen Ausnahmezustands mit Einschränkung demokratischer Rechte sowie ein zunehmend autoritärer werdender Regierungsstil. Im Kielwasser der immigranten- und islamfeindlichen Stimmungsmache der Rechtsextremisten und bürgerlicher Rechtspolitiker und Medien wollte Hollande sogar eine Verfassungsänderung zur Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft einführen, was allerdings an der nicht erreichbaren ausreichenden parlamentarischen Zustimmung scheiterte. Außenpolitisch versuchte Hollande, sich durch imperialistische Militärinterventionen in Afrika und entsprechende Auftritte auf internationaler Ebene als "großer Staatsmann" mit weltpolitischem Rang zu profilieren. Neuerdings wurde bekannt, dass die Regierung im Haushalt 2017 und für die folgenden Jahre fast eine Verdopplung des bisherigen Budgetansatzes für das französische Atomwaffen-Arsenal plant. Die Popularitätsquote Hollandes in Meinungsumfragen, 2012 bei 58 %, liegt heute bei 15 %. ein absoluter Tiefststand.

Aber es gibt keinerlei Grund, über dieses Desaster sozialdemokratischer Politik Freude zu empfinden. Die große Gefahr, die sich daraus ergibt, ist nicht so sehr, dass Millionen Hollande-Wähler von 2012 diesmal enttäuscht zu Hause bleiben werden. Die größte Gefahr liegt darin, dass die Rechtsextremisten des "Front National" (FN) unter Frau Marine Le Pen in diesen Gewässern surfen und sich als die nationalen Interessen Frankreichs und der "einfachen Menschen" verfechtende Alternative zum "System" der etablierten Parteien präsentieren können. Auch die bürgerlichen Rechtskonservativen und "Zentristen" sehen darin eine Chance, wieder ans Ruder zu kommen. Zu befürchten ist also ein Rechtsruck mit schwerwiegenden Folgen für die Mehrheit der Menschen, aber auch negativen Auswirkungen über Frankreich hinaus auf andere europäische Länder.

Die große Frage, mit der die französischen Linken in dieser Situation konfrontiert sind, ist dreistufig: 1. Wie kann das Horror-Szenarium eines Sieges der Rechtsextremistin Le Pen bei der Präsidentenwahl verhindert werden? 2. Wie kann vermieden werden, dass die Rechtskonservativen als Anwälte des Finanzkapitals mit ihrem antisozialen und antidemokratischen Programm an die Staatsmacht zurückkommen? 3. Wie kann erreicht werden, dass es keine Fortsetzung der desaströsen Hollande-Politik gibt und stattdessen eine linke Alternative Wirklichkeit wird, die die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung ins Zentrum ihres Handelns stellt?

Eine politische Falle

Ein Hauptproblem dabei liegt in dem einst von General de Gaulle eingeführten zweistufigen Mehrheitswahlrecht und in der damit verbundenen Direktwahl des Staatspräsidenten. Dies bewirkt eine starke Personalisierung der Wahl, wodurch die eigentlich zur Entscheidung stehenden politisch-inhaltlichen Fragen in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in den Hintergrund verdrängt werden. Überdies können im zweiten Wahlgang (am 7. Mai) nur noch die zwei Kandidatinnen/Kandidaten mit den besten Ergebnissen aus der ersten Tour antreten. Alle übrigen Formationen können sich nur noch entscheiden, ob sie die Wahl von einem der beiden übriggebliebenen Kandidaten empfehlen oder an ihre Wählerinnen und Wähler für die zweite Tour keine Empfehlung ausgeben oder eventuell sogar zur Wahlenthaltung aufrufen wollen.

Zudem beeinflusst das Ergebnis der Präsidentenwahl nach allen Erfahrungen auch die nur kurz danach stattfindenden Parlamentswahlen erheblich. Auch da gilt das zweistufige Mehrheitswahlrecht. Im ersten Wahlgang ist gewählt, wer in einem der 577 Wahlkreise mehr als 50 % der abgegebenen Stimmen bekommt. In allen anderen Wahlkreisen findet eine Woche später die Stichwahl statt, wobei nur noch die Kandidatinnen/Kandidaten zugelassen sind, die bei der ersten Tour mindestens 12,5 % erreicht haben. Es ist für dieses Wahlsystem typisch, dass hierfür Wahlbündnissen, also der Zusammenschluss verschiedener politischen Strömungen zu gemeinsamen Kandidaturen, vor allem im zweiten Wahlgang, eine ausschlaggebende Rolle spielen.

Unter den jetzt gegebenen konkreten Bedingungen droht dieses Wahlsystem zu einer regelrechten politischen Falle zu werden. Denn nach allen Umfragen der Meinungsforschungsinstitute wird die Anführerin des rechtsextremistischen "Front National" bei der Präsidentenwahl im ersten Wahlgang mit rund 25-30 Prozent auf dem ersten oder zweiten Platz landen. Auf die zweite Stelle kommt ein Kandidat des rechtskonservativen Lagers, wahrscheinlich entweder Ex-Staatschef Sarkozy oder der frühere Premierminister Alain Juppé (beide "Les Républicains"). Der "sozialistische" Staatschef Hollande oder ein anderer Kandidat des heutigen Regierungslagers erreicht bestenfalls Platz drei, womit er aus dem zweiten Wahlgang ausgeschlossen ist. So droht sich das Szenarium von 2002 zu wiederholen, als es dem damaligen FN-Kandidaten Le Pen (Vater der jetzigen Anführerin) gelang, den "sozialistischen" Premier Jospin zu überholen und in die zweite Tour zu kommen. Um einen rechtsextremistischen Staatschef zu verhindern, sahen sich alle übrigen demokratischen Formationen danach gezwungen, im zweiten Wahlgang wohl oder übel zur Wahl des Rechtskonservativen Chirac aufzurufen.

Für die alternativen Linkskräfte, die weder die Fortsetzung der Hollande-Kurses noch einen Rechtsruck zurück zu Sarkozy oder Ähnlichem und natürlich auch keinen Sieg der Rechtsextremisten wollen (also Kommunisten, Grüne, Linkspartei und andere alternative Linkskräfte), entsteht damit die komplizierte Frage, wie das Horror-Szenarium eines zweiten Wahlgangs, in dem es nur noch die Entscheidung zwischen der rechtsextremistischen Pest und der sozialreaktionären rechtskonservativen Cholera gibt, verhindert werden kann.

Zersplitterte alternative Linke

Eine der Schwierigkeiten liegt darin, dass die Enttäuschung über die Ergebnisse des Hollande-Kurses auch auf die übrigen Linksformationen "abfärbt": die Linken "sind auch nicht besser", "gehören alle zu den Etablierten", "die linken Politikrezepte haben auch nicht funktioniert".

Wenn überhaupt, könnte eine glaubwürdige linke Alternative, die Aussicht auf Erfolg hat, das heißt Aussicht auf eine Stimmenzahl, die ihr die Teilnahme am zweiten Wahlgang ermöglicht, nur entstehen, wenn es zu einem Stärke ausstrahlenden mehrheitsfähigen Zusammenschluss aller alternativen Linkskräfte auf der Grundlage eines Massen mobilisierenden gemeinsamen Programms käme. Keine der alternativen Linksformationen kann das allein schaffen.

Das Paradoxe der Situation ist aber, dass auch nach dem Wiederbeginn des politischen Lebens in den ersten Herbstwochen von ernsthaften Bemühungen in diese Richtung nur wenig zu spüren war. So sind beispielsweise beim traditionellen großen Fest der kommunistischen Tageszeitung "Humanité" in Paris im September alle Wortführer der verschiedenen linksalternativen Strömungen anwesend gewesen, von "Linkspartei"-Chef Mélenchon und den "Grünen" bis zu den linken "Frondeuren" aus der "Sozialistischen Partei" (PS). Sie alle haben an den dort veranstalteten Diskussionsrunden teilgenommen - erstmals in dieser Vielzahl und Breite. Alle haben die Notwendigkeit der Einheit der Linken befürwortet. Aber neue Ansätze zu einer tatsächlichen Verständigung über eine gemeinsame politische Plattform und die Aufstellung gemeinsamer Kandidaturen haben sich dabei nicht ergeben. Sowohl der Linkssozialist Mélenchon, vor fünf Jahren im Bündnis mit den Kommunisten und anderen alternativen Linken Spitzenkandidat der "Linksfront" (11,1 %), als auch führende Grünen-Politiker und mehrere der "Frondeure" aus der "Sozialistischen Partei" (PS), darunter Hollandes ehemaliger Wirtschaftsminister Montebourg, der ehemalige Bildungsminister Benoît Hamon und die Anführerin des "linken Flügels" in der PS-Parlamentsfraktion, Marie-Noëlle Lienemann, kündigten eigenständige Kandidaturen an.

Die rechtskonservativen "Republikaner" mit Verbündeten und die Grünen (EELV) halten, da mehrere Personen aus ihrer Reihe kandidieren wollen, im November "Vorwahlen" ("primaires") ab, um endgültig zu entscheiden, wer das jeweilige Lager im Präsidentschaftswahlkampf vertreten wird. Bei den Rechtskonservativen ist interessant, dass in Meinungsumfragen der "liberalere" ehemalige Premierminister Juppé, Bürgermeister von Bordeaux, bessere Quoten erreichte als Ex-Präsident Sarkozy, der den Kurs einer Annäherung an die Rechtsextremisten betreibt.

Auch die regierenden "Sozialisten" wollen "Vorwahlen" abhalten, aber erst Ende Januar. Anfang Oktober war die Lage noch völlig unübersichtlich. Zum einen hat Staatspräsident Hollande bisher nicht offiziell erklärt, dass er erneut kandidieren wird, obwohl er in seinen öffentlichen Auftritten und Handlungen ganz so agiert. Er will seine Entscheidung erst im Dezember bekanntgeben. Zum anderen will die PS-Parteiführung nur die Formationen der "Belle Alliance Populaire" an den Vorwahlen teilnehmen lassen, also die PS selbst und die mit ihnen verbündeten Gruppen der "Radikalen Linkspartei" und der Ex-Grünen, die mit ihrer früheren Partei gebrochen haben und weiter den "Sozialisten"an der Regierung als Hilfstruppe dienen. Linksformationen, die zum Hollande-Kurs in Opposition stehen, sind nicht zugelassen. Die PS-"Frondeure" wollen sich allerdings an diesen Vorwahlen beteiligen. Sie laufen damit aber die Gefahr, dass am Ende Hollande oder ein anderer Kandidat seiner Couleur bei den "primaires" gewinnt und sie dann gewissermaßen zu dessen Unterstützung "moralisch verpflichtet" wären. Es ist zu befürchten, dass diese "Vorwahlen" letztlich nur ein taktisches Manöver der Parteispitze sind, um einer Kandidatur Hollandes oder eines ähnlichen Kandidaten (z.B. Regierungschef Valls) eine breitere Basis zu verschaffen.

Schwierige Wegsuche

Es liegt auf der Hand, dass es in dieser politischen Gesamtkonstellation für die alternativen Linken äußerst kompliziert ist, den Weg zu einer erfolgversprechenden linken Alternative zu finden.

Die Diagnose "Gespalten fahren wir gegen die Mauer", die der Nationalsekretär der Kommunistischen Partei (PCF), Pierre Laurent, mit Blick auf die Vielzahl der linksalternativen Kandidaturen zu Herbstbeginn immer wieder alarmierend geäußert hat, ist nicht zu bestreiten. Die PCF hat deshalb bisher bewusst darauf verzichtet, sich zur Frage der Präsidentschaftskandidatur zu äußern. Sie weist mit Recht darauf hin, dass das Ergebnis der nachfolgenden Parlamentswahl für die weitere Entwicklung Frankreichs ebenfalls von großem Gewicht ist. Dementsprechend verficht sie seit langem den Standpunkt, dass sich alle linksalternativen Kräfte zunächst auf eine gemeinsame politisch-inhaltliche Plattform verständigen sollten, die trotz mancher gegensätzlicher Standpunkte in einigen Fragen angesichts ihrer Übereinstimmung in den politischen Hauptfragen durchaus möglich wäre. Erst danach sollte auf dieser Grundlage dann auch über die Regelung der Personalfragen, das heißt die Aufstellung von gemeinsamen Kandidaturen sowohl zur Präsidentenwahl wie zu den Parlamentswahlen in den einzelnen Wahlkreisen gesprochen und im partnerschaftlichen Dialog entschieden werden.

Offenbar halten aber nicht wenige Anhänger der verschiedenen Formationen der alternativen Linken die Zielsetzung einer mehrheitsfähigen gemeinsamen Kandidatur bei der Präsidentenwahl für unrealistisch und nicht mehr erreichbar. Das gilt innerhalb der PCF selbst. Ein Teil der PCF-Mitglieder, darunter die frühere Nationalsekretärin Marie-George Buffet, ist deshalb der Ansicht, dass es besser wäre, sich bereits jetzt definitiv für die Unterstützung des früheren Linksfront-Kandidaten Mélenchon zu entscheiden. Ein kleinerer Teil plädiert alternativ dazu für die Aufstellung eines eigenen Kandidaten aus den Reihen der PCF.

Doch die Tagung des PCF-Nationalrats Ende September (24./25.9.) beschloss fast einstimmig (1 Gegenstimme, 7 Enthaltungen, 72 Ja-Stimmen), jetzt zunächst die Anstrengungen fortzusetzen, um die Herausbildung von "Volksmehrheiten für eine Wende des Fortschritts nach links" weiter zu verfolgen. Dazu gehört eine von den PCF-Mitgliedern schon seit dem Frühsommer durchgeführte massenhafte Bürgerbefragung mittels eines Fragebogens unter dem Titel "Was will das Volk?". Deren Ergebnisse wurden von der PCF am 8. Oktober auf einer Veranstaltung in Paris der Öffentlichkeit vorgestellt. Insgesamt sind dabei im Lauf der Aktion rund 400.000 Menschen kontaktiert worden. Von 65.000 lagen beantwortete Fragebögen vor. Daraus wählte das mit der Auswertung beauftrage unabhängige Meinungsforschungsinstitut ViaVoice einen nach Geschlecht, Alter und sozialen Kategorien ausgewogenen repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt von 4145 Personen aus, um die Antworten zu den einzelnen Fragen zu quantifizieren. Aus Sicht der PCF demonstrierten die Ergebnisse, dass es gemessen an dem, was von den Befragten mehrheitlich als vorrangige Anliegen und zu lösende Probleme genannt wurde, sehr wohl meinungsmäßig eine linke Mehrheit in der Bevölkerung gibt. Die inhaltlichen Wünsche und Forderungen, die von der Mehrheit angekreuzt wurden, könnten den Sockel einer politischen Plattform für ein gemeinsames Wahlprogramm aller alternativen Linkskräfte abgeben. PCF-Nationalsekretär Pierre Laurent wollte mit diesem Ergebnis der Befragungsaktion erneut "die Gesamtheit der Kandidaten, von denen wir meinen, dass sie gemeinsame Sache machen sollten", ansprechen, um für eine "Einheitskandidatur" zu werben.

Danach sollte am 5. November eine Parteikonferenz der PCF darüber entscheiden, wie es weitergeht. Dieser Konferenz sollen drei alternative Hypothesen zur Entscheidung vorgelegt werden: 1. Fortsetzung der Bemühungen um die Zusammenführung der Linkskräfte, ohne bereits an diesem Tag eine Entscheidung über die Auswahl eines Kandidaten zu treffen; 2. Annahme eines Aufrufs zur Stimmabgabe für Jean-Luc Mélenchon bei Bekräftigung der Eigenständigkeit der PCF und ihres Vorgehens zur Sammlung der Linken; 3. Entscheidung für eine aus den Reihen der PCF hervorgehenden Kandidatur.

Natürlich ergibt sich bei all dem auch die Frage, wie sich in den kommenden Monaten des sich zuspitzenden Wahlkampfs die außerparlamentarischen Bewegungen und die sozialen Konflikte entwickeln werden. Die sieben linken Gewerkschaften und Jugendverbände, die vor der Sommerpause die Initiatoren des starken Widerstands gegen das von der "sozialistischen" Regierung durchgepaukte "Arbeitsgesetz" waren, fanden sich am 15. September zu einem 15. landesweiten Aktionstag zusammen, an dem sich 170.000 Menschen auf 110 Kundgebungen und Demonstrationen beteiligten. Das bestätigte, dass der Widerstand gegen das "loi travail" ungeschwächt lebendig ist. Doch es zeichnet sich ab, dass sich dieser Widerstand in den nächsten Monaten, nachdem das umstrittene Gesetz in Kraft getreten ist, mehr auf die Ebene der einzelnen Betriebe und Orte verlagert. Nämlich überall dort, wo die Anwendung und Umsetzung des Gesetzes konkrete Nachteile für die Beschäftigten zur Folge hat. 50 steht in den nächsten Wochen vermutlich eine Vielzahl von sozialen Konflikten auf betrieblicher und lokaler Ebene an. Ob sich daraus aber Ansätze für so etwas wie einen neuen "heißen Herbst" nach dem Muster früherer Jahre ergeben, der die Wahldebatte beeinflussen könnte, ist offen. Es wird derzeit eher als unwahrscheinlich eingeschätzt.

In einem Traktat von PGP-Sekretär Pierre Laurent, das zu Herbstbeginn verbreitet wurde, heißt es, die Situation zusammenfassend: "Gespalten laufen wir Gefahr, nur noch unsere Augen zum Weinen zu haben. Ein anderer Weg ist möglich. Nichts tut sich ohne ein massenhaftes Engagement der Bürgerinnen und Bürger in der Präsidentendebatte. Gehen wir hin, werden wir Akteure, mischen wir uns ein, mobilisieren wir uns, organisieren wir uns, werden wir unumgehbar! Ihr seid die einzigen, die uns aus diesem höllischen Szenarium herausbringen können. Ohne euch wird nichts passieren. Und nichts ist bereits ausgemacht. Alles kann sich noch ändern, umgeworfen werden, sofern man sich einbringt".


Georg Polikeit, Wuppertal, Journalist

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Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 6-16, 54. Jahrgang, S. 13-18
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2017

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