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OFFENSIV/086: offensiv-Buch - Protokollband "Und der Zukunft zugewandt"


offen-siv Buch

Und der Zukunft zugewandt

Protokollband der gleichnamigen wissenschaftlichen Konferenz
vom 10./11. Oktober 2009 in Berlin anlässlich
des 60. Gründungstages der Gründung der DDR


Themen:

Was haben wir verloren?
Die DDR Die von ihr geleistete internationale Solidarität Die DDR in Europa
Probleme / Ursachen für die Niederlage
Konsequenzen für die Einschätzung der Gegenwart
Möglichkeiten für die Zukunft

Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek:
offen-siv (Hrsg.): Und der Zukunft zugewandt
Hannover 2010
Herausgegeben vom "Verein zur Förderung demokratischer Publizistik" e.V.
Einzelverlag, offen-siv, Frank Flegel, Tel. u. Fax: 0511 - 52 94 782
Mail: redaktion@offen-siv.com
Copyright: Februar 2010, Frank Flegel, Hannover

Alle Rechte vorbehalten
Redaktionelle Betreuung: Vorstand des "Vereins zur Förderung demokratischer Publizistik" e.V.;
Umschlag: Frank Flegel; Druck: Lange und Haak, Orsingen-Neuzingen;
Printed in Germany, ISBN 978-3-00-029873-8, 15,00 Euro


*


Referenten:

Hans Bauer aus Berlin,
Harpal Brar aus London, Großbritannien,
Erich Buchholz aus Berlin,
Hans-Werner Deim aus Strausberg,
Frank Flegel aus Hannover,
Jens Focke aus Berlin,
Radim Gonda aus Prag, Tschechische Republik,
Kurt Gossweiler aus Berlin,
Wolfgang Herrmann aus Dreesch,
Dieter Hillebrenner aus Dresden,
Ingo Höhmann aus Berlin,
Dieter Itzerott aus Torgau,
Tamila Jabrowa aus Kiew, Ukraine,
Heinz Keßler aus Berlin,
Martin Kober aus Amtzell,
Michael Kubi aus Frankfurt/Main,
Heinz Langer aus Berlin,
Hermann Leihkauf aus Berlin,
Michael Lukas aus Toronto, Canada,
Robert Medernach aus Luxembourg, Luxemburg,
Ley Ngardigal aus dem Tschad (z.Zt. Paris),
Michael Opperskalski aus Köln,
Fanis Paris aus Athen, Griechenland,
Achim Reichardt aus Rangsdorf,
Torsten Reichelt aus Dresden,
Ali San aus der Türkei (z.Zt Luxembourg),
Josef Skala aus Prag, Tschechische Republik,
Monika van der Meer aus Cantnitz,
Thomas Waldeck aus Cottbus,
Heiderose Weisheit aus Viernau,
Khalil Weshah von der Palestinian Youth Organization,
Zbigniew Wiktor aus Wroclaw, Polen



Inhaltsverzeichnis:

Redaktionsnotiz

Eröffnung

Grußworte
  Grußwort von Hans Bauer für die GRH
  Grußwort des Komitees zur Befreiung von Ahmad Sa'adat
  Grußwort von Michael Lukas für den International Council for Friendship and Solidarity with Soviet People aus Canada
  Grußwort von Zbigniew Wiktor für die Kommunistische Partei Polens
  Grußwort von Khalil Weshah für die Palästinensische Jugend (Palestinian Youth Organization, P.Y.O.)
  Grußwort von Torsten Reichelt für die KPD(B)



I. Was wir verloren haben / Teil 1: Die DDR
  Hermann Leihkauf: Gesellschaftliche Fakten zu 40 Jahren Deutsche Demokratische Republik
  Erich Buchholz: Was wir verloren?
  Heiderose Weisheit: Über die Lage der Frauen in der DDR
  Robert Medernach: Die DDR - Der Kulturstaat
  Hans Bauer: Die Delegitimierung der DDR - Ausdruck des verordneten Antikommunismus

I. Was wir verloren haben / Teil 2: Die von der DDR geleistete internationale Solidarität
  Achim Reichardt: Überblick über die internationale Solidaritätsarbeit der DDR
  Heinz Langer: DDR-Solidarität mit Cuba
  Monika van der Meer: Die humanitäre Hilfe der DDR für Vietnam
  Ley Ngardigal: Dank für die solidarische Hilfe der DDR für die den Imperialismus bekämpfenden Völker Afrikas
  Wolfgang Herrmann: DDR-Solidarität mit Nicaragua

I. Was wir verloren haben / Teil 3: Die DDR in Europa.
  Zbigniew Wiktor: Die Gründung der DDR 1949 - eine Fortsetzung der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution
  Tamila Jabrowa: Die internationalen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der DDR

II. Probleme / Ursachen für die Niederlage
  Hans-Werner Deim: Die militärische Sicherheit der DDR im Kalten Krieg
  Michael Opperskalski: Revisionismus, imperialistische Diversion und Konterrevolution
  Kurt Gossweiler u. Dieter Itzerott: Die Geschichte der SED
  Heinz Keßler: Gemeinsame Kraftanstrengungen
  Dieter Hillebrenner: Zum "Neuen Denken" über Frieden, Krieg und Streitkräfte in den 80er Jahren
Frage aus dem Publikum:
Antwort Dieter Hillebrenner:

III. Konsequenzen für die Einschätzung der Gegenwart
  Michael Kubi: Theoretische Probleme der Imperialismusanalyse und praktische Konsequenzen.
  Michael Opperskalski: Wo wir stehen. Einige Thesen zur derzeitigen Situation der kommunistischen Bewegung
  Frank Flegel: Klarheit vor Einheit
  Josef Skala: Wir müssen das Desinformationsmonopol brechen
  Fanis Paris (KKE): Fragen, die einer weiteren Untersuchung bedürfen
  Harpal Brar: Wir dürfen niemals vergessen, was der Sozialismus für die Menschheit geleistet hat
  Radim Gonda: Zur Verteidigung der Theorie des Sozialismus / Entwicklung gemeinsamer Theoriearbeit
  Ali San: Informationen über die TKP und ihre aktuellen Arbeitsfelder in der Türkei

IV. Möglichkeiten für die Zukunft
  Thomas Waldeck: Die Kommunistische Initiative in Deutschland
  Martin Kober: Über die Regionalisierung
  Jens Focke: Über die Propagandaarbeit
  Ingo Höhmann: Organisatorische Möglichkeiten der KI

V. Danksagung

Raute

REDAKTIONSNOTIZ

Die DDR war das Schlimmste, was der Bourgeoisie jemals geschehen ist. In einem Teil Deutschlands war sie entmachtet.

In diesem Teil Deutschlands gab es keine Obdachlosen, keine Arbeitslosen, keine Kinderarmut, keine geduldete Prostitution, keinen Menschenhandel, keine genehmigten Faschistenaufzüge, - und schlimmer noch: dieser Teil Deutschlands lebte nicht von der Ausbeutung der Dritten Welt und führte keine Kriege.

Im heutigen Deutschland gibt es all das damals Überwundene wieder, das heutige Deutschland lebt ganz selbstverständlich von der Ausbeutung der Dritten Welt und führt auch ganz selbstverständlich wieder Kriege.

Deshalb ist es erstens notwendig, das Wissen über die DDR lebendig zu halten, zusammenzufassen, weiterzugeben.

Und deshalb ist es zweitens notwendig, sich mit den Ursachen und Bedingungen der Niederlage des Sozialismus in Deutschland, also mit der Niederlage des Sozialismus in Europa zu befassen. Ohne diese Frage der Vergangenheit geklärt zu haben, wird es für die kommunistische Bewegung keine Zukunft zu gewinnen geben.

Drittens muss es nach inzwischen 20 Jahren der konterrevolutionären Agonie möglich sein, aus unserem historischen Wissen in Verbindung mit unserer wissenschaftlichen Weltanschauung eine kommunistische Zukunftsperspektive zu entwickeln.

Unsere Konferenz sollte diese wichtigen Funktionen erfüllen: sie sollte die DDR gegen die Jauchekübel der bürgerlichen Medien verteidigen und aus den Lehren der Niederlage und den seitdem vergangenen 20 Jahren konkrete, politische, handlungsorientierte Schlüsse ziehen.

Zum ersten Teil unserer Konferenz: Selbstverständlich kann man auch in einer zweitägigen, dichten und inhaltsvollen Tagung die DDR nicht in allen ihren Funktionen, Einflüssen und Wirkungen beleuchten. Trotzdem aber haben wir einen tiefgehenden und differenzierten Blick auf den ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden gerichtet. Gerade für die zahlreich anwesenden jungen Genossinnen und Genossen war dieser sehr genaue, analytische Rückblick ausgesprochen lehrreich.

Mit dem zweiten und dritten Teil der Konferenz sind wir ein nicht geringes Wagnis eingegangen. Selbstverständlich sind wir uns in der kommunistischen Bewegung in Deutschland alle einig darüber, dass man die Ursachen für die Niederlage aufdecken muss, um daraus zu lernen. Wenn es dann konkret wird, zeigen sich aber unvereinbare Gegensätze, die auf zwei Alternativen herauslaufen, um die sich alles dreht: War der Revisionismus die Ursache der Niederlage oder waren es die so genannten Verfehlungen, Entstellungen und Verbrechen Stalins? Wir haben in den letzten beiden Jahren umfangreiches Material zur Niederlagenanalyse vorgelegt, bereits davor war die Taubenfußchronik von Kurt Gossweiler erschienen. Unsere Forschungsergebnisse sind bisher nicht widerlegt worden, ganz im Gegenteil, mit dem Band "Unter Feuer", den wir anlässlich dieser Konferenz der dreiköpfigen Delegation der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) offiziell übergeben konnten, gehen sie inzwischen auch in die Grundlagenanalysen der KKE ein. Trotzdem werden sie hier in Deutschland noch immer totgeschwiegen, für "linksradikal" bzw. eine "stalinistische Sekte" gehalten und dem entsprechend mit dem Bannstrahl von Dogmatismus und Stalinismus belegt usw. Wir konnten aber unter dem Gesichtspunkt der Redlichkeit auf diesen ganz wesentlichen inhaltlichen Punkt bei unserer Konferenz nicht verzichten und mussten deshalb das Wagnis eingehen, uns erneut mit Ab- und Ausgrenzung sowie den Versuchen des Totschweigens auseinandersetzen zu müssen.

Es kam dann auch genau so. Aber wir sind inzwischen stark genug, trotz der Blockadehaltung der DKP, des ehemaligen MfS, schließlich auch der KPD eine solche Konferenz mit mehr als 150 Teilnehmern/innen durchzuführen und zu einem Erfolg zu machen.

Nun wollten wir ja bei der Niederlagenanalyse nicht stehen bleiben, sondern konkrete, handlungsorientierte Perspektiven für die Zukunft eröffnen. Dies Anliegen, das war uns selbstverständlich bewusst, verstärkte das Risiko der Ausgrenzung um ein Vielfaches, denn wenn es praktisch wird, wenn, wie man bei uns sagt "Butter bei die Fische" muss, dann zeigen sich die Differenzen schneller und schärfen als bei einer reinen, am besten noch konsequenzlosen Diskussion. Wir waren also sehr gespannt und auch ein wenig nervös.


Verlauf und Nachklang der Konferenz

Umso größer war unsere Überraschung sowohl über die große Teilnehmerzahl als auch die konstruktive und freundschaftliche Atmosphäre des ersten Tages. Aber gut, noch waren wir im historischen und analytischen Teil. Die brisanteren Dinge warteten am nächsten Tag auf uns.

Als aber am zweiten Tag, dem Sonntag, morgens um 9.00 Uhr der Saal noch voller war als am ersten Tag, da ahnten wir, dass unser Konzept angenommen würde. Der gesamte Tag verlief konstruktiv, klar und freundlich, das Streben nach Einheit der Kommunisten war Konsens (nachdem Heinz Keßler dies in seiner Rede energisch angemahnt hatte, erhob sich der gesamte Saal!), die Vorstellung der Kommunistischen Initiative wurde mit großem Applaus bedacht und mehrere Dutzend Genossinnen und Genossen meldeten sich danach zur Unterschrift und Mitarbeit am Stand der Kommunistischen Initiative.


Politische Einschätzung

Unsere Konferenz und die Diskussionen davor und danach haben hier in Deutschland zur weiteren Klärung der Lage beigetragen. Es gibt zum Teil hektische Aktivitäten bei denjenigen Kräften, die offensichtlich mit dem gegenwärtigen Zustand der kommunistischen Bewegung in Deutschland zufrieden sind und ihn bewahren wollen, die die Kommunistische Initiative als Bedrohung ihrer selbst empfinden und sich mit allen Mitteln gegen diesen neuen Einheitsversuch der Kommunisten sperren, sprich bei der DKP-Führung (Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die KI), bei der KPD-Führung (Rücknahme der Unterstützung der DDR-Veranstaltung und interner Boykottaufruf) und beim Chefredakteur des RotFuchs (KI als "fragwürdiges Unterfangen", als "Irreführung redlicher Genossen und deren Missbrauch", offen-siv als "seit langem mit dem Auseinanderdividieren linker Kräfte befasst"). Selbstverständlich ist es tragisch, dass sich diese Gruppierungen im Wesentlichen in Abgrenzung ergehen. Aber die Kommunistische Initiative ist ja auch gerade deshalb ein neuer, ein anderer Versuch der Einheit, weil sie nicht auf die überlieferten Parteien und ihre Führungen setzt, sondern auf Personen, auf Genossinnen und Genossen, die die Einheit auf marxistisch-leninistischer Grundlage wollen.


Die Zeitschrift offen-siv finanziert sich allein durch die Spenden ihrer Leserinnen und Leser. Es bedeutet einen erhöhten Finanzaufwand, Konferenzen durchzuführen und Bücher zu machen.

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Redaktion offen-siv, Hannover

Raute

ERÖFFNUNG

Pünktlich um 10.00 Uhr am Sonnabend, den 10. Oktober 2009 begann die Konferenz.

Der Saal war gut gefüllt, die Stände waren besetzt, die internationalen Gäste an ihren Tischen platziert, die Genossinnen und Genossen Übersetzer bereit.

Die Tagungsleitung konnte die Eröffnung vornehmen, die Konzeption der Veranstaltung erläutern und die Regularien der Konferenz vorstellen.

Danach baten wir unsere internationalen Gäste auf die Bühne.

Exakt in diesem Moment öffnete sich die Tür noch einmal, die dreiköpfige griechische Delegation betrat den Saal und wurde selbstverständlich mit auf die Bühne gebeten.

Robert Medernach aus Luxemburg, Ley Ngardigal aus dem Tschad, Harpal Brar aus Großbritannien, Josef Skala und Radim Gonda aus der Tschechischen Republik, Tamila Jabrowa aus der Ukraine und Fanis Paris aus Griechenland richteten freundliche Worte an das Auditorium.

Diese Zeremonie war der Anlass, der griechischen Delegation offiziell unser Buch "Unter Feuer", die Resultate unsere Forschungsarbeit zu den Ursachen und Bedingungen der Konterrevolution in der DDR, zu übergeben.(1)

Nach diesem würdigen und positiven Auftakt begann die Konferenz mit der Kenntnisnahme der Grußworte sowohl der die Konferenz unterstützenden Kräfte als auch derjenigen ausländischen Genossen, die verhindert waren bzw. deren Teilnahme verhindert wurde.

Wir dokumentieren diese Grußworte nachfolgend.


Anmerkung

(1) Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) bat uns im Dezember 2007, für sie eine Zuarbeit zur Frage der Entwicklung und der konterrevolutionären Zerstörung der DDR zu leisten.

Schon seit längerem haben wir gute und kontinuierliche Beziehungen zur KKE. Ihren ersten Ausdruck fanden diese in der Teilnahme der griechischen Genossin Anneke Ioannatou an der im Januar 1998 organisierten "Inhaltskonferenz der Linken" zum Thema "Revisionismus, 'Demokratischer Sozialismus', Sozialismuskonzeptionen", bei der sie zum Thema "Geschichte und Gegenwart von Revisionismus und 'Demokratischem Sozialismus'" referierte. Vertieft wurden diese Beziehungen dann durch ihre Teilnahme an unserer Konferenz "Imperialismus und anti-imperialistische Kämpfe im 21. Jahrhundert", die wir im Herbst des Jahres 2000 in Berlin durchführten und wo die Genossin Ioannatou zum Thema: "Theorie und Praxis des Aufbaus einer antiimperialistischen, antimonopolistischen, demokratischen Front in Griechenland" sprach. In der Folgezeit haben wir immer wieder Dokumente und Einschätzungen der KKE übersetzt und nachgedruckt, ebenso wie die KKE immer wieder Artikel aus der "offen-siv" bzw. Beiträge von offen-siv-Autoren/innen bei internationalen Konferenzen unter anderem in ihrer Theoriezeitschrift - ins Griechische übersetzt - veröffentlichte.

Anlässlich der politisch-ideologischen Konferenz der KKE im Dezember 2007 in Athen, zu der wir eingeladen waren, kam es zu einem Gespräch zwischen uns und Mitgliedern des Politbüros der KKE. Da die KKE in der Forschung über die Konterrevolution in Europa einen wichtigen Schwerpunkt ihrer ideologischen Grundsatzarbeit sieht, baten uns die griechischen Genossinnen und Genossen während dieses Gesprächs darum, die Zuarbeit über den Themenkomplex "Konterrevolution in der DDR" zu übernehmen. Sie sprachen besonders drei Bereiche an: Die Entwicklung der SED, die Ökonomie und die Frage der imperialistischen Bedrohung und ihrer Abwehr.

Raute

GRUßWORTE

Grußwort von Hans Bauer für die GRH

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde, verehrte Anwesende! Die GRH als Menschenrechtsorganisation übermittelt allen Teilnehmern dieser Konferenz solidarische Grüße.

Der 60. Jahrestag der Gründung der DDR ist für uns als Widerstands-, Solidar- und Opfergemeinschaft Anlass zur Erinnerung und des Bewahrens fortschrittlicher und revolutionärer Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung.

Viele unserer Mitglieder, Sympathisanten und Gleichgesinnte haben Faschismus und Krieg erlebt und nach 1945 in Ost und West dafür gekämpft, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg und Faschismus ausgehen. Vierzig Jahre haben sie als Bürger der DDR einen sozialistischen Staat aufgebaut und geschützt, der eine friedliche, antifaschistische und soziale Politik betrieb. Ihnen gehört unser Dank, unsere Solidarität und Unterstützung.

Seit 20 Jahren werden sie von den politisch Herrschenden und gleichgeschalteten Medien, von antikommunistischen Historikern und in "Gedenkstätten" kriminalisiert, verunglimpft, diskriminiert, denunziert und ausgegrenzt. Ihre Grund- und Bürgerrechte sind eingeschränkt, soziale Rechte beschnitten.

Wir betrachten es als ein Anliegen dieser Konferenz - ebenso wie anderer Veranstaltungen linker Parteien und Organisationen anlässlich dieses Jubiläums - die historischen Leistungen der DDR zu würdigen, ihre Errungenschaften ins Bewusstsein zu rücken sowie Erfolge und Erkenntnisse in die heutigen Kämpfe einzubringen. Damit wird zugleich ein Beitrag gegen Geschichtsfälschung und Geschichtslügen geleistet.

Wir erwarten, dass auch mit dieser Beratung die Einheit linker Kräfte - ungeachtet der Unterschiede in Einzelfragen - gefestigt und das Aktionsbündnis für Frieden und gesellschaftlichen Fortschritt verbreitert wird.

In diesem Sinne wünschen wir der Konferenz einen erfolgreichen Verlauf.

Hans Bauer, Vorsitzender; Dieter Stiebert, Geschäftsführer


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Grußwort des Komitees zur Befreiung von Ahmad Sa'adat

Solidarische Grüße an Eure Konferenz, an die Kommunistische Initiative und alle fortschrittlichen und demokratischen Kräfte in Deutschland sendet Euch das Komitee zur Befreiung von Ahmad Sa'adat.

Die DDR war ein wichtiger Teil des sozialistischen Blocks. Ihre Existenz und die Rolle, die sie weltweit spielte, halfen sehr dabei, eine internationale Kräftekonstellation herzustellen und zu verteidigen, die den nationalen Befreiungsbewegungen von großem Nutzen war. Die DDR war ein Bollwerk gegen den Imperialismus.

Das Komitee zur Befreiung von Ahmad Sa'adat ist Teil des palästinensischen Kampfes um nationale Befreuung. Wir grüßen Eure Konferenz mit starker Solidarität.

Ahmad Sa'adat, der Generalsekretär der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), ist einer von rund 11.000 politischen Gefangenen, die in Israel inhaftiert sind.

Er sitzt im Gefängnis als Folge der gemeinsamen Anstrengungen der Kräfte, die sich gegen die palästinensische Revolution verschworen haben, nämlich der Staat Israel, der Zionismus, der Welt-Imperialismus und die arabischen und palästinensischen reaktionären Kreise.

Er wurde im Januar 2002 zunächst von der Palästinensischen Autonomiebehörde inhaftiert, die unter dem Deckmantel der "Sicherheitskooperation" mit den israelischen Besatzern und den us-amerikanischen und britischen Geheimdiensten zusammenarbeitet. Seit dem 14. März 2006, als er durch israelische Okkupationstruppen entführt wurde, sitzt er in Israel im Gefängnis, in Jericho.

Eure Solidarität mit dem Befreiungskampf des palästinensischen Volkes spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der palästinensischen Revolution. Das palästinensische Volk steht mit Euch Seite an Seite im Kampf gegen den Imperialismus, Zionismus und die Reaktion. Der internationale Imperialismus - mit dem US-Imperialismus an der Spitze - ist unser gemeinsamer Feind.

Als die israelischen Aggressoren Granaten, Bomben und Raketen auf das palästinensische Volk von Gaza regnen ließen, wurden die Stimmen der fortschrittlichen Kräfte der Welt laut und klar gehört und drückten sich aus in Protestmärschen, Demonstrationen und Aktionen gegen den israelischen Aggressor.

Seit mehr als 60 Jahren steht Palästina unter der Knute kolonialer Besatzungsmächte - auf Befehl des Welt-Imperialismus. Über sieben Millionen Palästinensern wird das Recht verwehrt, in ihrer Heimat zu leben.

Die palästinensische Befreiungsbewegung steht an vorderster Front im Kampf gegen den Imperialismus - und das Komitee zur Befreiung von Ahmad Sa'adat ist stolz darauf, an Eurer Seite gegen den Imperialismus und für eine sozialistische Gesellschaft zu kämpfen.


Mit revolutionären Grüßen, Komitee zur Befreiung von Ahmat Sa'adat


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Grußwort von Michael Lukas für den International Council for Friendship and Solidarity with Soviet People aus Canada

Liebe Genossinnen und Genossen,

im Auftrag des "International Council for Friendship and Solidarity with Soviet People" und der Redaktion von "Northstar Compass" wünschen wir allen Delegierten und Gästen, die bei Eurer außerordentlich wichtigen Konferenz anwesend sind, einen teil der Energie und der Kraft, die die DDR ausstrahlte.

Wir haben uns sehr gewünscht, eine Delegation zu Euch zu senden, um Eure Hingabe, Eure Energie und Eure Treue zur Sache in diesen für die fortschrittlichen Kräfte in der Welt so schwierigen Zeiten mitzuerleben.

Unglücklicherweise haben wir ein Koordinationstreffen Kanada-USA-Rußland am gleichen Datum in Toronto.

Wir hoffen, dass wir unsere Kräfte beim fünften Weltkongress Friedship and Solidarity with Soviet People 2010 oder 2011 in Berlin vereinen werden.

Sendet uns bitte die Materialien Eurer wichtigen Konferenz und auch Fotos für die nächste Ausgabe unserer Zeitschrift "Northstar Compass", die in englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache erscheint!

Glückwünsche zum 60. Geburtstag der Gründung der DDR!


Im Auftrag des "International Council" und der Redaktion von "Northstar Compass":
Michael Lukas, Vorsitzender und Herausgeber, Toronto, Canada


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Grußwort von Zbigniew Wiktor für die Kommunistische Partei Polens

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Referenten und Teilnehmer der wissenschaftlichen Tagung zum 60. Jahrestag der Gründung der DDR am 10. und 11. Oktober 2009, durchgeführt von der Redaktion der Zeitschrift "offen-siv", Zeitschrift für Sozialismus und Frieden!

Leider kann ich nicht persönlich an der Tagung teilnehmen, da ich ab dem 26. September 2009 in China bin, an der Universität Vuhan - eine dreimonatige Studienreise.

Eure theoretische, historische und organisatorische Tätigkeit bringt nach wie vor wichtige Resultate für die Erklärung des Wesens des Sozialismus, für die Erklärung der Niederlage des "realen Sozialismus" in der Sowjetunion und in den sozialistischen Ländern Europas, auch in der DDR. Deswegen schätzen wir in Polen Eure jüngste theoretische Arbeit, das Buch "Unter Feuer - Die Konterrevolution in der DDR" sehr hoch ein, aber auch die früheren Bücher und Artikel sind für uns wichtig.

Die objektive und ehrliche Einschätzung der Ursachen für die Konterrevolution ist sehr wichtig nicht nur für die Geschichte, sondern auch für die nächste Generation der revolutionären Kräfte, ebenso für die Organisation der deutschen Arbeiterklasse und aller Werktätigen im Kampf für den Sozialismus.

Wir in Polen wünschen Euch allen - auch im Namen der Kommunistischen Partei Polens und ihres Vorsitzenden, Genossen Dr. Jozef Lachut aus Warschau - viele weitere wertvolle und gute Resultate.

Wir sind seit Jahren in guter Zusammenarbeit und in starker Verbundenheit mit Euch nach dem alten Marx'schen Prinzip:

"Proletarier aller Länder, vereinigt Euch"!


Kommunistische Grüße, Zbigniew Wiktor


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Grußwort von Khalil Weshah für die Palästinensische Jugend (Palestinian Youth Organization, P.Y.O.)

Liebe Genossinnen und Genossen, die Ihr dem 60 Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik gedenkt, liebe Genossinnen und Genossen Organisatoren dieser Konferenz, wir übermittel Euch unsere Glückwünsche!

Gern hätte ich an Eurer Konferenz teilgenommen, um dieses große Ereignis des 60. Jahrestages mitzuerleben, vor allem auch, weil der Staat, den Ihr feiert, als ein großer und verlässlicher Unterstützer unseres nationalen Befreiungskampfes handelte!

Leider haben interessierte Kreise des gegenwärtigen Imperialismus meine Anwesenheit bei Euch unmöglich gemacht. Mir wurde ein Einreisevisum in die Länder der EU verweigert.

Liebe Genossinnen und Genossen, lasst mich kurz auf die Herausforderungen hinweisen, denen sich die antiimperialistischen Befreiungsorganisationen und überhaupt alle linken Kräfte der Welt stellen müssen, denn diese Welt ist beherrscht vom US-Imperialismus und seinem Ziehkind, dem israelischen Imperialismus. Dieses System begeht Tag für Tag die unglaublichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Irak, in Palästina, in Afghanistan und plündert die Welt aus und zerstört alle Träume.

Uns, den Befreiungsbewegungen, und natürlich auch Euch, den Kommunisten in Deutschland, bleibt nichts anderes übrig, als gegen diese scheinbar übermächtigen Tyrannen, die die Welt beherrschen, aufzustehen.

Wir werden die großen Anstrengungen, die die DDR unternommen hat, um uns in unserem Kampf um Freiheit zu unterstützen, Eure klaren Positionen, Eure politische, ideologische und materielle Hilfe nie vergessen!

Und, liebe Genossinnen und Genossen, wir brauchen weiterhin Eure Solidarität und Eure Unterstützung, gerade auch, um die Gefahr einer spalterischen Klientelpolitik und offen reaktionäre Einflüsse in unserer palästinensischen Bewegung zu überwinden.

Lasst mich zum Schluss - auch im Namen meiner Genossen und Mitstreiter in Palästina - herzliche und solidarische Grüße an Euch übermitteln, die Ihr den 60. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik feiert und lasst mich diese Grüße verbinden mit dem Wunsch, dass Ihr weiterhin die Kämpfe der unterdrückten Völker unterstützen mögt.

Zum Schluss möchten wir Euch unseren tiefen Dank aussprechen für die Unterstützung unseres Kampfes für die Freilassung des Genossen Generalsekretär der PFLP, General Ahmad Sa'adat.


Mit brüderlichem Gruß, Khalil Weshah, P.Y.O.


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Grußwort von Torsten Reichelt für die KPD(B)

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Referenten, liebe Teilnehmer unserer Konferenz,

im Namen der KPD(B) begrüße und beglückwünsche ich Euch zum 60. Jahrestag der Gründung der DDR, des ersten Staates auf deutschem Boden, dessen Bürger sich aus dem Joch der Ausbeutung und Unterdrückung befreit hatten.

Dennoch müssen wir diese Konferenz auf dem Territorium eines Staates abhalten, dem unsere DDR angeblich beigetreten ist, eines Staates, der nach dem Wegfall des sozialen und friedenssichernden Gegenüber sämtliche soziale Zugeständnisse der vorherigen Jahrzehnte zerschlug und weiter zerschlägt und sich weltweit als Kriegsbrandstifter betätigt. Und darüber hinaus eines Staates, der mit allen anderen kapitalistischen Staten in der voraussichtlich größten Krise dieses Systems seit seiner Errichtung steckt, welche sich ständig weiter verschärft.

Zwei Jahrzehnte haben wir überwiegend unsere Wunden geleckt und analysiert, wie das damals Undenkbare nicht nur denkbar, sondern Realität wurde, dass nämlich nicht nur einzelne Staaten konterrevolutionär aus dem sozialistischen Weltsystem herausgebrochen wurden, sondern dieses System größtenteils zusammenbrach.

Nun ist angesichts der Entwicklung des nun wieder dominierenden imperialistischen Weltsystems, aber auch der Gegenkräfte vor allem in Mittel- und Südamerika, endlich der Zeitpunkt gekommen, spürbar und zunehmend in die Offensive zu gehen.

Deshalb lautet das Thema der Konferenz ja auch "der Zukunft zugewandt".

Natürlich ist dies eine zahlenmäßig kleine Konferenz.

Aber die cubanischen Revolutionäre landeten auch als nur 82 Genossen in Cuba, wovon bald nur noch 12 übrig blieben. Und nach drei Jahren hatte die Revolution gesiegt.

Da also viele wichtige Themen anstehen, möchte ich die Zeit für Grußwort nicht überstrapazieren.

Auf ein gutes Gelingen und eine baldige Revolution!


Für die KPD(B) - Torsten Reichelt

Raute

I. WAS WIR VERLOREN HABEN / Teil 1: Die DDR

Hermann Leihkauf (2): Gesellschaftliche Fakten zu 40 Jahren Deutsche Demokratische Republik

Die Deutsche Demokratische Republik war die größte Errungenschaft in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und die erste Existenz des Sozialismus auf deutschem Boden. Das sind die überragenden gesellschaftlichen Fakten, an die wir zum 60sten Jahrestag der Gründung der DDR erinnern.

Auch die Abschaffung der DDR durch eine von außen bewirkte und mit inneren Kräften verbundene Konterrevolution, die durch nachhaltig wirkende eigene Fehler - auch prinzipielle eigene Fehler im Jahre 1989 - begünstigt wurde, ändert daran nichts.

Auf der hervorragenden Konferenz von Offensiv zum 50ster Jahrestag der Gründung der DDR nannte Rolf Vellay die DDR das gute Deutschland.

Weil auf deutschem Boden der Nachweis erbracht wurde, dass eine friedenssichernde und auf sozialen Fortschritt gerichtete Gesellschaft ohne Privateigentum an den wesentlichen Produktionsmitteln in einem industriell entwickelten Land in Europa möglich ist, soll durch Verleumdungen, Kriminalisierung ihrer Repräsentanten und Verschweigen bzw. Verächtlichmachung ihrer Errungenschaften die Erinnerung an die Deutsche Demokratische Republik und ihr Wertesystem ausgelöscht und jeder Gedanke an einen erneuten Anlauf zum Sozialismus verhindert werden.

Auch nach 20 Jahren sind sich die zur Zeit Herrschenden ihres Erfolges berechtigterweise nicht sicher. Es ist als ob die Schlachten des kalten Krieges wieder aufs Neue geschlagen werden sollen.

Die wesentlichste gesellschafts-politische Voraussetzung für die antifaschistisch-demokratische Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone war die Vereinigung von Kommunisten und Sozialdemokraten zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Der Vereinigungsprozess, der konstruktive aber keineswegs konfliktlos verlief, hatte seine Wurzeln im Schwur von Kommunisten und Sozialdemokraten in den Konzentrationslagern des faschistischen Deutschen Reiches, den Bruderzwist zu beenden und die Kräfte zum Wohle des Volkes zu vereinen.

Die Deutsche Demokratische Republik war das Resultat der Politik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, wurde durch sie programmatisch geführt und mit der Unterstützung von Millionen Menschen verwirklicht. Es hätte die Deutsche Demokratische Republik ohne das Wirken der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands nicht gegeben.

Das westdeutsche Kapital im Bunde mit dem internationalen Kapital hat es nicht für möglich gehalten, dass aus der sowjetischen Besatzungszone ein Staat entstehen kann. Der Journalist und Publizist, Sebastian Haffner, schrieb im Jahre 1966, "das westdeutsche Kapital war 1949 davon überzeugt, einen Staat östlich der Elbe wird es unter den gegebenen Bedingungen nicht geben. Und gerade den Aufbau dieses Staates verzeiht das Kapital Ulbricht nie."

Fakt war 1949: Das Territorium der sowjetischen Besatzungszone war schwerer von den Folgen des 2. Weltkrieges getroffen als die Westzonen. Nach der durch den amerikanischen und westdeutschen Imperialismus herbeigeführten Teilung Deutschlands war die Volkswirtschaft der DDR im Prinzip ohne Grundstoffindustrie. An Rohstoffen verfügte sie lediglich über Braunkohle und Kalisalze. Für Reparationen, die Deutschland für den verbrecherischen, von den deutschen imperialistischen Kräften entfesselten 2. Weltkrieg auferlegten wurden, musste die Bevölkerung der DDR pro Einwohner das 12,5-fache gegenüber der BRD aufbringen. (Die Westzonen/BRD erhielten über den Marshallplan und andere Fonds Starthilfen in Höhe von 15,5 Mrd. DM.)

In Anbetracht der Leistungen der DDR passen die Bedingungen für die Gründung der DDR nicht ins Konzept des deutschen Kapitals zur Delegitimierung der DDR. Deshalb müssen auch diese umgelogen werden. Diese Aufgabe hat offensichtlich Klaus von Dohanyi übernommen, (SPD-Funktionär, Regierungs- und Treuhandberater, jetzt Vorsitzender der Mindestlohnarbeitsgruppe u.a.). Seine Metamorphose sieht folgendermaßen aus: In seinem Buch "Das Deutsche Wagnis" vom Juni 1991 S. 62/63: "Insofern war die DDR durch Reparationsleistungen zur teilungsbedingten Benachteiligung der DDR doch noch einmal erheblich benachteiligt.".

Im Dezember 1992 warnt Dohanyi während einer Beratung in Leipzig mit führenden Managern im Zusammenhang mit den sogenannten "Transferleistungen": "Die Bevölkerung der DDR hat den Krieg bezahlt, soll sie auch noch den Frieden bezahlen?"

Und dieser gleiche Dohanyi im ND vom 01.10.2005: "Die DDR hätte eben diese idiotische Politik, die sie zwischen 1949 und 1989 betrieben hat, nicht machen dürfen. Sie hat das Land ruiniert. Ostdeutschland war 1945 wirtschaftlich stärker als Westdeutschland. Das hat man einfach verwirtschaftet. Darüber muß man auch offen reden. Daran darf man sich nicht vorbeischwindeln." Wer schwindelt hier in der überregionalen sozialistischen Tageszeitung und warum konnte er das?

Mit der Überwindung dieser äußerst komplizierten Ausgangsbedingungen haben auf marxistisch-leninistischer Grundlage - mit Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht - die aus der Arbeiterklasse hervorgegangen Persönlichkeiten Wilhelm Pieck, Otto Grothewohl, Walter Ulbricht, Hermann Matern, Otto Buchwitz, Erich Honecker, Heinrich Rau, Albert Norden, Willi Stoph, Fritz Selbmann, Bruno Leuschner, Heinz Hoffmann, Heinz Keßler, Grete Wittkowski, Willy Rumpf, Otto Winzer und andere Genossen im Bunde mit solchen Persönlichkeiten wie Johannes Dieckmann, Otto Nuschke und Lothar Bolze die Deutsche Demokratische Republik geschaffen, die vier Jahrzehnte der staatliche Rahmen war, in dem sich auf einem knappen Drittel des ehemals deutschen Territoriums das Leben von ca. 17 Mio. Einwohner, eines Viertels der Deutschen, antifaschistisch, antiimperialistisch und sozialistisch entwickelte. Die DDR war aber keine Blaupause der UdSSR.

Mit vollem Recht können wir feststellen, die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik 1949 war ein Wendepunkt in der Geschichte Europas, so wie Stalin es in seinem Grußtelegramm anlässlich der Staatsgründung an die Repräsentanten der DDR voraus sah. Die DDR war der erste und bisher einzige deutsche Friedensstaat. Die DDR hat sich in der gesamten Zeit ihres Bestehens an keinem Krieg beteiligt und hat wichtige Beiträge zum Frieden, zur Entspannung und zur Verständigung in Europa geleistet. Sie hatte in ihrer Außenpolitik mit den revanchistischen Traditionen des Deutschen Reiches gebrochen, bekämpfte deren Wiederaufleben in der BRD und arbeitete 40 Jahre erfolgreich dafür, daß von deutschem Boden kein Krieg ausging. Aus heutiger Sicht wird besonders deutlich, daß die Friedenspolitik der DDR, ja schon die bloße Existenz der DDR, sich als Garantie dafür erwies, daß die expansionistische, die Nachkriegsgrenzen in Frage stellende BRD - mit einer in den Traditionen der Naziwehrmacht befangenen und von Nazigenerälen aufgebauten Bundeswehr - sich nicht offen zum Aggressionsstaat mausern konnte. 40 Jahre konnte sich die BRD an keinem Krieg beteiligen.

Ein nicht oft erwähnter Beitrag der DDR zur Zähmung des USA-Imperialismus bestand in der Uranerzförderung. Die DDR stand in der Uranproduktion der Welt an dritter Stelle hinter den USA und Kanada. Bis 1950 - als es um die Brechung des Atombombenmonopols ging - machten die Lieferungen 70 % des Uranbedarfs der UdSSR aus. Insgesamt wurden 231.000 t Uran gefördert. Bis 1990 entstanden der DDR dafür Kosten in Höhe von 32 Mrd. Mark.

Die DDR war der internationalen Solidarität verpflichtet. Sie leistete vielfältige Solidarität, oftmals mehr als es eigentlich die ökonomischen Möglichkeiten der DDR erlaubten. Dazu sind nach der Tagesordnung gesonderte Beiträge vorgesehen.

Auch die konterrevolutionäre Beseitigung der DDR im Jahre 1989 war ein Wendepunkt in der Geschichte Europas.

Sofort nach 1989 begann die BRD verdeckt verschiedene Kriege zu unterstützen. (z.B. Überweisung von 15 Mrd. Dollar an die USA als Beitrag zum 1. Golfkrieg oder Mitwirkung an der Invasion der USA in Somalia). Es blieb dem SPD-Bundeskanzler Schröder vorbehalten, als erster Chef einer deutschen Regierung nach Hitler, den Befehl zu einem Angriffskrieg auf einen souveränen europäischen Staat, auf Jugoslawien, zu erteilen. Weil Jugoslawien nicht bereit war, freiwillig auf seine Souveränität zu verzichten, wurde es rücksichtslos bombardiert. Mit der offenen Beteiligung der BRD am völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Krieg gegen das souveräne Jugoslawien im Jahre 1999 hat Schröder die erneute Bereitschaft des deutschen Kapitals zur Kriegsführung demonstriert. Die Folgen des Abwurfes von 22.000 Tonnen Bomben auf Jugoslawien und die Konsequenzen aus diesem Vernichtungskrieg für den gesamten Balkan sind bis heute spürbar. Während der Existenz der DDR wäre das unmöglich gewesen. Natürlich auch nicht die Beteiligung der BRD am Krieg in Afghanistan, der Einsatz am Kap Horn oder vor dem Libanon.

Insgesamt wurde in der DDR ein System der sozialen Sicherheit geschaffen, das auf entscheidenden Gebieten vorbildlich war.

Es ist nicht möglich, im Rahmen dieses Beitrages ausführlich auf alle Charakteristika der Deutschen Demokratischen Republik einzugehen.

Im Buch von Offensiv "Unter Feuer" sind Fakten zu 40 Jahre Deutsche Demokratische Republik makrostrukturell ausführlich dargestellt.

Für die Entwicklung der DDR war die konsequente Durchführung des Potsdamer Abkommens von entscheidender Bedeutung. Die Macht der für zwei Weltkriege und für die Errichtung des faschistischen Regimes verantwortlichen Eliten wurde gebrochen. Auf der Grundlage eines Volksentscheides wurden die wesentlichen Produktionsmittel vergesellschaftet und mit der Bodenreform kam Junkerland in Bauernhand. Landwirtschaftliche Nutzflächen wurden von Staatsgütern und Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften bewirtschaftet - und mit dem alle gesellschaftlichen Bereiche umfassende Plan wurde die proportionale Entwicklung der Volkswirtschaft angestrebt.

Durch die in den Jahren von 1949 bis 1989 erreichte Erhöhung der Leistung um das 16fache, von 51 Mrd. Mark im Jahre 1949 auf 817 Mrd. Mark und des Nationaleinkommens um das 11fache von 24 auf 260 Mrd. Mark, wurde die Reproduktion der Gesellschaft der DDR aus eigener Kraft gewährleistet.

Das waren die Voraussetzungen für die wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Maßnahmen in den Jahren von 1949 bis 1989. Wie später noch zu zeigen sein wird, bedurfte es zur Finanzierung der Sozialpolitik weder im Inland oder im Ausland irgendwelcher Schulden.

Der Außenhandel diente fast ausschließlich dazu, die materielle Struktur für die Reproduktion der Gesellschaft zu gewährleisten. Dazu mussten ca. 40 % vom Gesamtprodukt der Volkswirtschaft über den Außenhandel in einem Umfang von 177,3 Mrd. Valuta-Mark. ausgetauscht werden, davon 122,5 Mrd. VM, das entsprach ca. 70 % des gesamten Umsatzes, mit den im Rate für gegenseitige Wirtschaftshilfe verbundenen Staaten und darunter 66,5 Mrd. Valuta Mark mit der UdSSR. Fast 50 % der von der DDR an die UdSSR gelieferten Waren hatten Spezialisierungsabkommen zur Grundlage. Auch für die Rohstofflieferungen der UdSSR an die DDR wurden für 5-Jahreszeiträume die Gegenlieferungen unter Berücksichtigung der Interessen beider Seiten abgestimmt. Die ökonomische Verflechtung mit der UdSSR war der Grundpfeiler der Wirtschaft der DDR. Auf prinzipielle Probleme der Zusammenarbeit mit der UdSSR komme ich später noch einmal zurück. Seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts war für die DDR belastend, dass die UdSSR - obwohl zeitversetzt - zunehmend auch gegenüber den sozialistischen Ländern die international gestiegenen Preise für Rohstoffe berechnete. Die DDR musste für die Jahre 1975 bis 1985 allein für Preissteigerungen für Erdöl und Erdgas Waren im Werte von 154 Mrd. Valutamark an die UdSSR liefern. (Terms of Trade: Rohstoffpreise plus 304 %, Fertigerzeugnisse plus 160 %).

Dennoch hatte die DDR im sozialistischen Wirtschaftsgebiet 1989 ein Guthaben von 3,6 Mrd. Valutamark.

Mit den durch Leistung und Außenhandel erarbeiteten Ressourcen wurde in Gestalt von Industriebetrieben, Wohnungen, Krankenhäusern, Kultur- und Sporteinrichtungen u.a. in 40 Jahren DDR ein Zuwachs des Volksvermögens um 1.500 Mrd. Mark geschaffen.

Nach der Bilanz der Treuhandgesellschaft behauptet die Regierung der BRD, dass mit der Privatisierung des Vermögens der DDR der BRD ein Verlust von 275 Milliarden D-Mark entstand und die Bevölkerung der DDR keinerlei Ansprüche geltend machen kann. Wo ist das Vermögen in Höhe von mindestens 1 Billion Mark geblieben? Die Eigenkapitalausstattung der Banken verbesserte sich um mehrere hundert Milliarden und die Zahl der Millionäre in der Alt-BRD erhöhte sich in den Jahren von 1900 bis 1992 um 40 %. Hier findet sich das geraubte Volksvermögens der Bevölkerung der DDR wieder! Nicht ohne Grund verweigert die BRD-Regierung bis heute die nach dem Einigungsvertrag vorgesehene Abschlussbilanz über den Anschluss der DDR.

In der DDR war das Recht auf Arbeit Verfassungsgebot. Es gab keine Arbeitslosen. Das Bildungsprivileg wurde gebrochen. Von der erweiterten polytechnischen Oberschule sicherte der Staat den Übergang bis zu den Universitäten und Hochschulen. Es gab Stipendien und Studienbeihilfen. Für Schulbesuch und Studium entstanden der Jugend keine Kosten. Das hatte zur Folge, dass 1989 80 % von 8,9 Mill. Gesamtbeschäftigten eine abgeschlossene berufliche Ausbildung hatten, 1949 waren es 30 %.

Die Volkswirtschaft verfügte im Jahre 1989 über 630.000 Beschäftigte mit Hochschulabschluß und 1,1 Millionen mit Fachschulabschluß. In der DDR gab es 1989 keine Analphabeten, in der BRD 3 Millionen. Zunehmend bis zu 92 % aller Frauen im arbeitsfähigen Alter waren berufstätig.

Bereits im Herbst 1950 verabschiedete die Volkskammer der DDR das erste Gesetz zum Schutz von Mutter und Kind und die Rechte der Frau, einschließlich des Prinzips gleicher Lohn für Männer und Frauen für gleiche Arbeit. (Im Jahre 2009 verdienen Frauen für gleich Arbeit in der BRD immer noch 23 % weniger als Männer.) Von den 4,2 Millionen weiblichen Beschäftigten verfügte fast jede vierte Beschäftigte über einen Hoch- oder Fachschulabschluss. Das war möglich, weil die Kinderbetreuung in der DDR zu 100 % gewährleistet war. (In der BRD bis heute zu 10 %.) Frauen in der DDR besaßen aufgrund ihres eigenen Arbeitseinkommens eine selbständige wirtschaftliche und soziale Position sowohl in der Familie als auch im öffentlichen Leben.

Durch die Fertigstellung von 3,3 Mio. Wohnungen, darunter 2,1 Mio. Wohnungen in Neubauten, mit einem Investitionsaufwand von ca. 300 Mrd. Mark wurde die Wohnungsfrage als soziale Aufgabe nahezu gelöst. Die Bevölkerung verfügte über 451 Mio. qm Wohnfläche, was 27 qm pro Einwohner entsprach. Es gab keine Obdachlose. (In der BRD schätzt die AG Wohnungslosenhilfe ihre Zahl auf 235.000 Menschen. Nach dem Kinderhilfswerks terre des hommes leben bis zu 20.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zumindest zeitweise auf der Straße).

In der DDR wurden die Mieten auf dem Niveau der Stoppreise von 1944 beibehalten. Dies hatte zur Folge, dass die Miete für einen 4-Personenhaushalt 60-90 qm 1989 in der DDR 55 Mark betrug und 2,4 % vom Durchschnittseinkommen und in der BRD 694 DM betrug und 21 % vom Durchschnittseinkommen ausmachte. Durch die starke Konzentration auf Neubauten gab es Rückstände in der Werterhaltung.

Im Bedarfsfall waren ärztliche Hilfe, Arzneimittel und andere medizinische Leistungen unentgeltlich möglich. Patienten war bei Inanspruchnahme des Gesundheitswesens der DDR Praxisgebühr, Beteiligung an den Medikamentenkosten oder an den Kosten für Heilbehandlungen u.a. fremd. Im Verlaufe der 40 Jahre DDR erhöhte sich die durchschnittliche Lebenserwartung bei Männern um 6 Jahre und bei Frauen um 8 Jahre.

Die Teilnahme der Bürger am kulturellen Leben, an Körperkultur und am Sport sowie die Feriengestaltung wurde durch den Staat und die Gesellschaft allseitig, auch finanziell, gefördert. Es gab 3,7 Mio. Sporttreibende in 11.000 Sportgemeinschaften. Bei Spartakiaden, die im Kreis-, Bezirks- und Republikmaßstab durchgeführt wurden, konnten Talente gefördert und für den Spitzensport ausgewählt werden. An Olympiaden nahmen 2.323 Sportler teil und errangen 572 Medaillen, 713 Welt- und 697 Europameistertitel gingen an DDR-Sportler. Voller Neid hat die BRD auf die führende Rolle der DDR im Spitzensport geblickt. Mit der Dopingkeule sollte daran die Erinnerung befleckt werden.

Zur Kultur folgt ein gesonderter Beitrag von Robert Medernach.

Dem Schutz der DDR diente die Nationale Volksarmee. Ausgerüstet war die NVA 1989 als Mitglied des Warschauer Paktes mit sowjetischen Waffen, über Atomwaffen verfügte sie nicht. Die Ausrüstungen und Liegenschaften der Nationalen Volksarmee gehörten zum Staatsvermögen der DDR. Nur das Sachvermögen der NVA hatte einen Wert von ca, 200 Mrd. Mark. Alles übernahm kostenlos die Bundeswehr.

Der äußeren und inneren Sicherheit der DDR diente der Staatssicherheitsdienst. Allein von Westberlin aus versuchten 80 Geheimdienste gegen die DDR zu wirken. Ein verhältnismäßig großer Einsatz an Kräften war deshalb notwendig, um den ständigen Bemühungen westdeutscher Geheimdienste und der Dienste anderer Länder in die DDR einzudringen, zu begegnen.

Mit den auf der Grundlage des Leistungsprinzips steigenden Einkommen der Bevölkerung und mit einer vom Staat kontrollierten Preispolitik für Erzeugnisse des Grundbedarfs wurden die individuellen Konsumtionsmöglichkeiten der Bevölkerung planmäßig und kontinuierlich verbessert. Im internationalen Vergleich wurde ein hoher Verbrauch an Lebensmitteln und Erzeugnissen des Grundbedarfs pro Kopf der Bevölkerung erreicht. Prinzip blieb bis zum Ende der DDR die Beibehaltung der Preise für den Grundbedarf der Bevölkerung auf dem Niveau der Stoppreise von 1944 oder sogar von 1936. Bei Grundnahrungsmitteln entfielen auf 100 Mark Einzelhandelsverkaufspreise 30 Mark an Stützungen aus dem Staatshaushalt. Es gab auf Grund der niedrigen Preise auch Erscheinungen von Mitnahmeeffekte durch Bürger anderer Staaten insbes. aus der BRD und Westberlin.

Nachholebedarf bestand bei Personenkraftwagen, Konsumgütern auf der Basis mikroelektronischer Bauteile und im Tourismus. Wegen des Nachholebedarfs wird oft auf einen Rückstand gegenüber der BRD beim Lebensstandard geschlossen. Richtig hat Rolf Vellay auf der schon erwähnten Konferenz von Offensiv zum 50sten Jahrestag der Gründung der DDR erklärt: "...im Hinblick auf den Vergleich DDR - BRD oder DDR - westliches Ausland war von Rückständen beim Lebensstandard die Rede. Ich denke, gemeint haben auch die Vorredner alle den Konsumstandard. Denn im Lebensstandard, was ja auch kulturelle Dinge anbetrifft und, und, und... da war die DDR haushoch überlegen."

Die Zuwendungen für die Bevölkerung aus dem Staatshaushalt im Jahre 1988 für Bildung, Wohnung, Gesundheit, Kultur, Sport, Erholungswesen und Subventionen betrugen 110,7 Mrd. Mark und hatten einen Anteil an den Ausgaben Staatshaushaltes von 41%.

Die Fakten zum Staat Deutsche Demokratische Republik belegen ohne WENN und ABER oder auch mit WENN und ABER, denn die 40 Jahre DDR waren keine Einbahnstraße:

"Die Deutsche Demokratische Republik war die erste Existenz des Sozialismus auf deutschem Boden", nach der Etappe der antifaschistisch-demokratischen Ordnung und der Schaffung der Grundlagen zum Aufbau des Sozialismus. Es war ein früher Sozialismus mit allen Merkmalen eines sozialistischen Staates.

Ein solcher Staat war nicht nur ein Sozialismusversuch, kein Frühsozialismus oder erster Anlauf zum Sozialismus. Peter Hacks, der wohl zu den bedeutendsten Dramatikern des 20. Jahrhunderts zählte, kann man nur zustimmen, wenn er in dem Buch "Am Ende verstehen sie es" schreibt: "Wessen sollten wir uns rühmen, wenn nicht der DDR."

Wer sich ein umfassendes Bild über die Entwicklung der DDR verschaffen will, dem sei ein Blick in das Statistische Jahrbuch der DDR von 1990 empfohlen. (Siehe Band 1990) Nach einer Tiefenprüfung der Arbeitsweise und des Datenmaterials des Statistischen Amtes der DDR sagte Mitte April 1991 der damalige Präsident des bundesdeutschen Amtes für Statistik, Egon Holder, "die DDR-Statistik zeichnete im Wesentlichen die Realität nach". Für alle entscheidenden gesellschaftlichen Bereiche ist die kontinuierliche Entwicklung der DDR dort umfassend nachgewiesen. In diesem Statistische Jahrbuch der DDR von 1990 sind keine Zahlenreihen zu finden, die auf den lauthals verkündeten Kollaps oder auf das Scheitern des sozialistischen Systems in der DDR im Jahre 1989 schließen lassen. (Keine Zahlenbrüche wie für BRD 2007, 2008 und 2009)

Natürlich war der Aufbau der DDR keine Einbahnstraße. Auf der bereits erwähnten Konferenz von Offensiv zum 50sten Jahrestag der DDR hat Walter Florath in seinem Beitrag sehr ausführlich die Hauptentwicklungsetappen in Fünfjahreszeiträumen, die aufgetretenen Probleme und auch Fehler herausgearbeitet. Er hat sich mit Problemen aus dem nicht antagonistischen Widerspruch zwischen Akkumulation und Konsumtion befasst und ging auch auf die Ursachen aufgetretener Disproportionen ein. Insgesamt werden bei Walter Florath m.E. die Leistungen und Probleme konkret und anschaulich dargestellt.

Nach einer Diskussion mit Westberlinern zur DDR, in der ich die DDR überwiegend mit Fakten charakterisierte, sagte einer der Teilnehmer am Ende der Aussprache, wenn das alles so war, wie sie das eben erklärten, dann habe ich nur noch eine Frage, warum gibt es euch dann nicht mehr. Abschließend war dort diese Frage nicht zu beantworten. Ich hätte mit Peter Hacks antworten können, von dem die m.E. richtige Feststellung überliefert ist: "Es bleibt dabei, dass diese Konterrevolution von außen und von oben angezettelt wurde. Der Staat DDR ist nicht gescheitert. Durch Übereinkunft zwischen Moskau und Washington ist dieser Staat abgeschafft worden. Das eigentliche Volk der DDR hat diese Konterrevolution nicht gewollt."

Es kann und wird selbstverständlich nicht bestritten, dass die DDR in den 80er Jahren mit Problemen zu kämpfen hatte, die auch in den folgenden Jahren enorme Anstrengungen und Veränderungen im gesellschaftlichen Leben notwendig gemacht hätten. Das waren Führungsprobleme in der SED, auf die morgen sicher im Beitrag von Kurt Gossweiler und Dieter Itzerott näher eingegangen wird, Rückstände in der Arbeitsproduktivität, Diskontinuität in der Produktion, Unsicherheiten auf dem Gebiet der Kultur, Spannungen auf dem Binnenmarkt, fehlende Hochtechnologie im Gesundheitswesen, Rückstände in der Anwendung der Mikroelektronik u.a. Für den 12. Parteitag der SED sollten dazu Beschlüsse vorbereitet werden. Neu war eine solche Situation jedoch für die DDR nicht. Die DDR hatte Neuland beschritten und musste sich ständig mit Entwicklungsproblemen befassen. Auch hat sie sich in den 40 Jahren ihrer Existenz mit der ganzen Breite der imperialistischen Diversion auseinandersetzen müssen. Es gab ständig Versuche, sie mit allen Mitteln zu zersetzen, zu erdrosseln oder zu erschlagen. (Juni 1953, August 1956, Oktober 1956, August 1961, August 1968, 1981/1982 - Hallsteindoktrin mit dem Alleinvertretungsanspruch, ständige willkürliche Unterbrechung des Handels durch die BRD, Embargolisten). Damals stand bei der Überwindung dieser Probleme die Aufgabe der DDR - sicher auch wegen der Uranförderung - nicht zur Diskussion. Das änderte sich mit dem zunehmenden Einfluß revisionistischer Auffassungen, den Klassenkampf durch Klassenversöhnung zu ersetzen, wozu auch die Bescheinigung der Friedensfähigkeit des Imperialismus gehört, die im gemeinsamen Papier SED/SPD im Jahre 1987 festgehalten wurde. Erich Honecker wusste auch, daß Breschnew hinter dem Rücken der DDR mit der BRD zusammenspielt und die DDR als Faustpfand angesehen wird.

Es kam zu Verhandlungen zwischen der BRD und der UdSSR über die DDR, aber ohne die DDR, und - wie jetzt bekannt ist - seit 1969 zwischen Breschnew und Brandt über einen geheimen Kanal. Zugespitzt wurde die Lage ab Mitte der 80er Jahre, weil nach mehrjähriger Vorbereitung nunmehr die sowjetischen Revisionisten mit Gorbatschow an der Spitze konkret dazu übergingen, der DDR politisch und ökonomisch die Existenzgrundlagen zu entziehen. Es begann mit der Reduzierung der Rohstofflieferungen. Das betraf die Reduzierung der Erdöllieferung von 19,3 Mio. t auf 17,1 Mio. die Lieferung von Steinkohle und Koks, von 6 Mio. t auf 300.000 1988, Blei von 85.000 1985 auf 12.000 1988, bei Zink von 24.000 1985 auf 12.000 1988, bei Apatitkonzentrat (für Phosphordüngemittel) von 430.000 1985 auf 300.000 1988 u.a. 1988/89 sollte im Handel auf Verrechnung in konvertierbarer Währung übergegangen werden und die zentral abgestimmten Zahlen für gegenseitige Lieferungen sollten nur noch indikativen - orientierenden - Charakter haben. Das alles hat die ökonomischen Existenzbedingungen der DDR untergraben.

Wie schon erwähnt, gab es in der DDR auch eine Reihe bedeutende eigene Probleme. Waren aber diese Probleme 1989 von solcher Wucht, dass die Anbiederung und die bedingungslose Übergabe der DDR an das westdeutsche Kapital, zwingend wurden?

Weil das nicht so war, aber im Konsens mit den Machenschaften Gorbatschows die Weichen anders gestellt werden sollten, wurden zur Beurteilung der Lage der DDR 1989 auch von eigenen Führungskräften, die das Heil der DDR im Verbund mit der BRD sahen, Fragen zugespitzt, widersprüchliche Aussagen gemacht und auch bewusst mit falschen Zahlen gearbeitet. Da war sicher eine BRD-Fraktion hilfreich, z.B. schreibt G. Mittag, - im Herbst 1989 als Mitglied des Politbüros in der Zeit der Sprachlosigkeit der Parteiführung der Vertreter des wegen Krankheit abwesenden Erich Honecker - in seinem 1991 erschienen Buch "Um jeden Preis": "Es ist doch völlig irrig anzunehmen, dass ausgerechnet ich nach meinem jahrelangen Wirken für Kooperation mit der BRD nun der historischen Konsequenz zur möglichen Konföderation und der schließlichen Vereinigung ausgewichen wäre."

Eine zentrale Rolle bei der Verbreitung der falschen Auffassung, dass die DDR pleite bzw. bankrott sei und sie über ihre Verhältnisse gelebt hätte, spielte die Vorlage "Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlussfolgerungen", die im Oktober 1989 durch Führungskräfte der SED(3) für das Politbüro der SED und für das 10. Plenum des ZK der SED ausgearbeitet wurde.

Im Kern enthielt diese Vorlage die Aussage, dass die DDR gegenüber dem kapitalistischen Ausland unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit steht und außerordentliche Maßnahmen erforderlich sind, wie eine Senkung des Lebensstandards der Bevölkerung um ca. 25 bis 30 %, eine umfangreiche Vertiefung der wirtschaftlichen Kooperation mit der BRD, Verhandlungen mit der BRD über Finanzkredite in Höhe von 2-3 Mrd. DM über die bisherigen Kreditlinien hinaus, eine Reform des Wirtschaftssystems u. a. Die Verfasser dieser Vorschlägen waren offensichtlich der Auffassung, das westdeutsche Kapital, dass seit 1949 mit allen Mitteln die Beseitigung der DDR betrieb, stabilisiert den Sozialismus auf deutschem Boden!

Nach Einschätzung von Mitgliedern des ZK der SED, die am 10. Plenum des ZK der SED teilnahmen, haben die falschen Mitteilungen über die Verschuldung der DDR Schock und Verwirrung ausgelöst. Ohne dieses Pleiteszenarium wäre die feindliche Übernahme der DDR, die Zerschlagung ihrer Strukturen und ihrer Sicherheitsorgane sowie die Reprivatisierung der Wirtschaft mit Sicherheit nicht so widerstandslos verlaufen. Nicht zuletzt hat diese Verschuldungslüge der Delegitimierung der DDR Vorschub geleistet und auch viele daran gehindert, die Errungenschaften der DDR zu verteidigen. Bis heute behaupten auch sogenannte "Linke", die Errungenschaften der DDR waren nur möglich, weil die DDR über ihre Verhältnisse gelebt hat. Das hat nachweisbar nicht gestimmt.

Das Stabsorgan der westdeutschen Bourgeoisie, die Deutsche Bundesbank, hat nach fast 10jähriger Prüfung der Bilanzen der DDR im Jahre 1999 einen Bericht veröffentlicht, in dem es heißt: (grüner Band) "Für die DDR-Verantwortlichen stellte sich diese Entwicklung (der Verschuldung H.L.) freilich erheblich bedrohlicher dar, da ihnen überhöhte Zahlen der Verschuldung und des Schuldendienstes vorgelegt wurden". Die Deutsche Bundesbank hat einen Saldo aus Forderungen und Verbindlichkeiten - also Schulden - in Höhe von 19,9 Mrd. DM ermittelt gegenüber 49 Mrd. DM Schulden in der Politbürovorlage. Im Bericht der Bundesbank steht, daß die DDR 1989 über Reserven verfügte, mit denen dem Umfange nach Importe für die DDR für 1 ½ Jahre hätten finanziert werden können. Die Einbeziehung der verschleierten 29,1 Mrd. DM in die volkwirtschaftliche Bilanzierung, hätte die ökonomische Beurteilung der Lage der DDR 1989 gegenüber dem kapitalistischen Wirtschaftsgebiet absolut entdramatisiert. Der Saldo aus Forderungen und Verbindlichkeiten in Höhe von 19,9 Mrd. DM sind 10,2 Mrd. EURO. (Berlin hat z.Zt. 60 Mrd. EURO Schulden und die BRD 1.600 Mrd. EURO).

Als weitere Schulden der DDR ließ die Bundesregierung veröffentlichen, dass die Übernahme der Sparkassen der DDR einen Verlust von 38 Mrd. DM ergab. Der Negativsalto der DDR beim Anschluss an die BRD betrug also 57,9 Mrd. DM. Es hieß immer, die 57,9 Mrd. DM hat die BRD übernommen. Auch das stimmt nicht. Je mehr Insider Erinnerungen schreiben, desto klarerer wird, wie es wirklich zuging. (Westarchive sind ja gesperrt). In einem Interview mit der jungen Welt vom 02.05.09 erklärte das Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, Dr. Edgar Most, (bis zum Ende der DDR Vizepräsident der Staatsbank der DDR): "Warum fragt eigentlich niemand, was nach der Wiedervereinigung aus den DDR-Schulden geworden ist? Die wurden nämlich aus dem eigenen Vermögen der DDR bezahlt! Das Geld kam zum Teil aus der Staatsbank, zum Teil aus Auslandsguthaben - sowohl in sozialistischen wie auch in nichtsozialistischen Ländern."

Nichts hat von diesen Schulden die BRD übernommen.

Bleibt das Problem der sogenannten Altschulden der DDR, die in den Büchern der Banken der DDR als Forderungen aus Krediten standen. Es würde den Rahmen des Beitrages sprengen, ausführlich den mit den sogenannten "Altschulden" begangenen Betrug darzustellen. Die Altschulden waren im Prinzip Fondszuweisungen, nachdem alle Gewinne und Einnahmen an das Finanzministerium abgeführt werden mussten.

Durch die Machenschaften der Regierung Kohl mit ihrem Exekutivorgan Treuhand wurden die durch nichts als marktwirtschaftlich begründeten sogenannten Altschulden der DDR dazu benutzt, die Betriebe und Kombinate der DDR in den Bankrott zu treiben, um sie für einen Apfel und ein Ei verkaufen zu können und zum anderen die Banken der BRD zulasten aller Steuerzahler mit mehr Eigenkapital besser auszustatten. Das war und ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Verbrechen an den DDR-Betrieben, ihren Beschäftigten und an den Steuerzahlern. Trotzdem gehen die Verantwortlichen dafür straflos aus. Bekanntlich hat der jetzige Präsident Horst Köhler, seinerzeit Staatsekretär im Finanzministerium und zuständig für die Treuhand, das Personal der Treuhand von jeder Haftung für ihr Tun freigestellt. Die in dem von der BRD-Regierung erfundenen Erblastentilgungsfonds ausgewiesenen ca. 400 Mrd. DM für angebliche Altlasten der DDR, die alle Steuerzahler belasten, sind eine Erblast der Regierung Kohl, nicht der DDR.

Zusammengefasst heißt das: Die DDR hat den Bürgern der BRD - und besonders der jungen Generation - keine Schulden hinterlassen. Die 57 Mrd. DM wurden aus dem Vermögen der DDR beglichen.

Die heutigen Schulden der BRD in Höhe von ca. 1.600 Mrd. EURO, das wären über 3.000 Mrd. DM, mit denen nunmehr auch jeder Bürger der DDR mit ca. 20.000 EURO belastet ist, resultieren 1. aus der zügellosen Schuldenpolitik der Alt-BRD in der Zeit der Systemauseinandersetzung bis 1989, 2. aus den Manipulationen des westdeutschen Kapitals im Zusammenhang mit der widerrechtlichen Übernahme des Vermögens der Bürger der DDR, 3. aus Schulden, die wegen Steuergeschenken an das Kapital notwendig wurden, 4. der Absicht des Kapitals, durch maßloses Schuldenmachen das kapitalistische System zu retten und 5. aus jeder moralische und finanzpolitische Grenzen überschreitenden Zockerei der Manager der Banken.

Wie schon gesagt, Fehler hat auch die Partei- und Staatsführung der DDR gemacht, darunter auch grobe Fehler. Die Fakten 40 Jahre DDR zeigen jedoch, diese Fehler waren es nicht primär, die zur Beseitigung der DDR führten. Wahr ist, dass den Bürgern der DDR bis 1989 Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Schlangestehen vor Suppenküchen, Tafeln, Kleiderkammern oder Schuldnerberatungsstellen, Ausgeschlossensein von kultureller Teilhabe, das Gefühl des Überflüssigseins und Perspektivlosigkeit fremd waren.

Die konterrevolutionäre Zuspitzung der gorbatschowschen Politik mit der Zersetzung der KPdSU und UdSSR im Zusammenwirken mit eigenen revisionistischen Kräften führten zur Erosion und schließlich zur Konterrevolution in der DDR. Und wie Herr Momper - im Jahre 1989 Regierende Bürgermeister in West-Berlin - in seinen Erinnerungen schreibt, wurde ihm bereits im September 1989 von kompetenter sowjetischer Seite mitgeteilt, dass die UdSSR - einschließlich ihre in der DDR stationierten sowjetischen Truppen - sich nicht in die Entwicklung in Deutschland einmischen werden.

Alle sozialistischen Länder Europas waren auf Gedeih und Verderb mit der UdSSR verbunden und nach ihrer Zerstörung war für alle der Untergang unabwendbar. Das gab dem Sozialismus in der DDR und in Europa den Todesstoß. Weil solchen Machenschaften Einhalt geboten werden kann, stimme ich mit der Generalsekretärin der Kommunistischen Partei Griechenlands Aleka Papariga überein, die auf dem 18. Kongreß ihrer Partei voraussagte: "Trotz der schweren Rückschläge und der Niederlage der um die Sowjetunion gruppierten sozialistischen Länder halten Griechenlands Kommunisten am große Ziel fest: "Das 21. Jahrhundert wird eine revolutionäre Alternative des Sozialismus auf die Tagesordnung setzen."

Wenn eine neue revolutionäre Alternative zum gegenwärtigen System auf der Tagesordnung steht, lohnt sich sicherlich ein Blick darauf, wie in der DDR 40 Jahre am Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft gearbeitet wurde. Auf deutschem Boden wurde der Nachweis erbracht, dass in einem industriell entwickelten Staat in Europa eine friedenssichernde und auf sozialen Fortschritt gerichtete Gesellschaft ohne Privateigentum an den wesentlichen Produktionsmitteln möglich ist und die Reproduktion dieser Gesellschaft aus eigener Kraft gewährleistet werden konnte.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Hermann Leihkauf


Anmerkungen

(2) Hermann Leihkauf: Diplom-Betriebswirt, Mitarbeiter im ZK der SED, Mitglied der staatlichen Plankommission der DDR

(3) Die Verfasser waren: Gerhard Schürer, Vorsitzender der Plankommission; Gerhard Beil, Außenhandelsminister; Alexander Schalck, Chef der Abteilung der Kommerziellen Koordinierung; Ernst Höfer, Finanzminister; Arnold Donda, Chef des Statistischen Amtes der DDR.


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Erich Buchholz(4): Was wir verloren?

Wer hat was verloren?

Wir sind zunächst die Bürger der DDR, die durch den Anschluss ihren Staat, ihr Land, ihr Volkseigentum und ihre Rechtsordnung verloren.

Wir sind aber auch unsere Schwestern und Brüder in Westdeutschland, besonders die arbeitenden Menschen und die, die dort in die Arbeitslosigkeit getrieben wurden und werden. Auch diese Westdeutschen haben durch die Liquidierung der DDR etwas verloren.

Sie verloren die greifbare und reale Aussicht auf die Alternative einer anderen, sozial gerechten Gesellschaftsordnung! Bei allen Mängel und Schwächen der DDR war sie für viele Westdeutsche eine solche Alternative, für die sie sich eingesetzt oder interessiert hatten. Diese reale, bei Besuchen in der DDR auch unmittelbar wahrnehmbare Alternative ist nicht mehr!

Verloren haben die arbeitenden Menschen in Westdeutschland diese DDR aber auch als einen Kampfgefährten und Unterstützer bei ihren eigenen Kämpfen um ihre Rechte, besonders im Arbeitsrechts, im Tarifrecht. In den 60er Jahren sagte mir ein westdeutscher Gewerkschafter: Weißt du, warum wir in unseren Tarifverhandlungen so oft erfolgreich waren? In unseren Verhandlungen saß nämlich am Verhandlungstisch - unsichtbar - noch ein dritter Mann, Walter Ulbricht!

Solange es die DDR gab, hielt sich das Raubtier Kapitalismus mit seinen raubtierhaften Verhaltensweisen notgedrungen zurück. Angesichts der sozialen Bedingungen in der DDR wagte er nicht, so rabiat gegen die Arbeiter und Unterdrückten vorzugehen, wie wir es in den letzten 20 Jahren erlebten. Nun gibt es die DDR nicht mehr. Nun muss dieses Raubtier darauf keine Rücksicht mehr nehmen. Ungezügelt und profitgierig fällt der Kapitalismus jetzt über die einfachen Menschen in Ost und West, über die Arbeiter und Arbeitslosen her!

Auch als Schaufenster verschwanden Westdeutschland und West-Berlin! Als in den 40er Jahren von den USA die Erstreckung des Marschall-Plans auf Westdeutschland vorgesehen war, bestrebten sie gegen den "drohenden Kommunismus" dort ein Schaufenster zu schaffen, dessen Anziehungskraft nach Ostdeutschland und Osteuropa wirken sollte. Tatsächlich standen viele Menschen aus dem Osten, oft neugierig und voller Begehren, vor diesem Schaufenster.

Nachdem die DDR und die anderen osteuropäischen Länder in den westeuropäischen Kapitalismus eingegliedert waren, stehen die Ostdeutschen und Osteuropäer nicht mehr vor dem schönen Schaufenster, sondern dahinter! Und hinter einem Schaufenster sieht es nicht so aus, wie wenn man davor steht!

Obzwar die DDR zunehmend als Unrechtsstaat verleumdet wurde und heute erst recht so beschimpft wird, besaß die DDR über Jahrzehnte eine nicht übersehbare Ausstrahlungskraft auf die BRD - besonders auf juristischem Gebiet. An Hand der Gesetzgebung in Ost und West lässt sich dies beweisen:

In der DDR war die Gleichberechtigung von Mann und Frau, auch in der Familie, und die Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern schon in der Verfassung von 1949 rechtsverbindlich verankert. Bis ähnliches in der BRD erreicht wurde, vergingen Jahrzehnte! Erst kürzlich musste der BGH dazu noch eine klarstellende Entscheidung fällen. Besonders sichtbar im Familienrecht zog die BRD mit erheblicher Verzögerung nach.

Erst 1998 (!) wurde das Eherecht - nachdem bis dahin noch das Ehegesetz des Kontrollrates gegolten hatte - in ein modernisiertes Viertes Buch des BGB einbezogen! In der DDR war bereits im Jahre 1956 ein neues Eherecht geschaffen und 1966, erstmalig in Deutschland, ein fortschrittliches Familiengesetzbuch erlassen worden.

Die BRD hat trotz zahlreicher nachdrücklicher Forderungen nach wie vor kein Arbeitsgesetzbuch! In der DDR war bereits am 1.5.1950 - wenige Monate nach ihrer Gründung - das erste eigene Arbeitsgesetzbuch erlassen worden. In den nächsten Jahrzehnten folgten neue fortgeschrittene Gesetzbücher. Gerade im Arbeitsrecht war die Ausstrahlungskraft des DDR-Rechts, besonders auf das Tarifrecht, erheblich.

Auch auf dem Gebiet des Straf-, Strafprozess- und Strafvollzugsrechts ist die Ausstrahlung der Rechtsordnung der DDR auf die BRD nicht zu übersehen. Bei Beratungen zur Vorbereitung, ihrer Jahre hinter der DDR-Gesetzgebung hinterher hinkenden Gesetzgebung, hatten westdeutschen Kollegen die entsprechenden Texte der DDR-Gesetze zur Hand - wenngleich mitunter verschämt unter dem Tisch versteckt.

Bis in die Gegenwart wirkt die Ausstrahlung der DDR auf die Gesetzgebung und verschiedene soziale und bildungspolitische Maßnahmen in der Bundesrepublik - wobei die Herkunft oder Bezugnahme auf die DDR verschämt verschwiegen wird. Ich denke an Regelungen und Maßnahmen des Gesundheitswesens (z. B. Polikliniken, Arzthäuser und das Hausarztprinzip), der schulischen Ausbildung (etwa die Abschaffung der Hauptschulen und Veränderungen bei den Gymnasialstufen). Ausbau der Kindertagesstätten und vieles andere - wobei mitunter auf Finnland zurückgegriffen wird, das damals seinerseits von der DDR gelernt hatte.

Soweit diese Andeutung. Was die Westdeutschen durch die Liquidierung der DDR tatsächlich alles verloren, mag ein Freund und Kollege aus dem Westen im Einzelnen näher darstellen.

Darüber, was den DDR-Bürgern an Werten, zunächst an ökonomischen Werten, genommen wurde. ist in den letzten Jahren viel geschrieben worden. Ich erwähne Ralph Hartmanns "Liquidatoren", Klaus Huhns "Raubzug Ost" und Olaf Baales "Abbau Ost".

Aus Sicht eines Juristen nenne ich an erster Stelle die Einverleibung des gesamten Volkseigentums, enormer materielle Werte, insbesondere der Immobilien, des Volkseigentum in Gestalt von Industrie- und Handelsunternehmen, von Banken und Versicherungen, von Verkehrsunternehmen und flächendeckend von Behörden.

Die ganze Immobilie der DDR wurde uns geraubt. Für diesen Raubzug wurde ein Sondergesetz geschaffen, das die buchstäblich allerletzte Volkskammer der DDR auf Weisung Kohls ausgerechnet am 17. Juni 1990 erließ: das Gesetz über die Privatisierungs-Treuhand. Dazu würden entsprechende Behörden geschaffen, in denen Leute aus Westdeutschland das Sagen hatten - eine Arbeitsbeschaffungsmassnahme größten Umfangs, auch als Leihbeamte, und mit zuvor fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten für viele westdeutsche Beamte und Rechtsanwälte.

In diesen Zusammenhang gehört das Gesetz über die so genannten "offenen Vermögensfragen". Offen waren diese Fragen überhaupt nicht. Sie waren nach DDR-Recht ordentlich geregelt. An Stelle einer möglicherweise in Einzelfällen als gerechtfertigt anzusehenden Entschädigung Einzelner wurde das Prinzip der Rückgabe, rücksichtsloser umfassender "Rückgabe" - festgeschrieben!

Da der Erwerb dieser Vermögenswerte zur Nutzung oder zum Eigentum nach DDR-Recht rechtmäßig erfolgt war, handelt es sich auch bei dieser "Rückgabe" um Raub, im Ganzen um einen groß angelegten Raubzug.

Auch für dieses Unternehmen der "offenen Vermögensfragen" wurden zahlreiche Behörden geschaffen, waren und sind - bis in die Gegenwart hinein - Prozesse zu führen. Daher erwies sich auch dieses Unternehmen als eine großartige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, in erster Linie für westdeutsche Beamte, wie auch für Rechtsanwälte.

Die Liste der auf diese oder jene Weise den DDR-Bürgern geraubten Werte ist endlos.

Zunächst hatte man den DDR-Bürgern im Zusammenhang mit der Privatisierung von Volkseigentum, das den DDR-Bürgern gemeinsam gehörte, Anteilsscheine versprochen. Nachdem die DDR von der BRD einverleibt worden war und Kohl die Wahlen wieder gewonnen hatte, erwies sich diese Zusage - wie viele andere - als ein leeres Versprechen - Wahlspeck.

Als Jurist konzentriere und beschränke ich mich im Folgenden auf Verluste von Rechten der DDR-Bürger im Gefolge des Anschlusses, auf ihren Rechtsverlust!

Als erstes erinnere ich daran, dass per 3. Oktober 1990 - von ganz wenigen Ausnahmen und einigen inzwischen gegenstandslos gewordenen Übergangsregelung abgesehen - mit einem Schlage, über Nacht die gesamte bürgerfreundliche Rechtsordnung der DDR mit ihrem volksnahen Justizsystem beseitigt wurde.

Im direkten Gegensatz zur Gesetzgebungspraxis in der BRD waren Rechtsordnung und Justizsystem der DDR auf demokratische Weise gemeinsam mit den Bürgern entwickelt und geschaffen worden; stets gab es umfängliche öffentliche Diskussionen über die Entwürfe und ebenso lebhafte Erörterungen zu deren Wirksamkeit.

Das Grundgesetz der DDR-Rechtsordnung, ihre Verfassung, war 1968 nach intensiver öffentlicher Diskussion durch Volksentscheid angenommen worden.

Die Richter, Schöffen und Mitglieder der Gesellschaftlichen Gerichte wurden von den Bürgern direkt oder von ihren Volksvertretungen gewählt.

Daher war diese Justiz, die den DDR-Bürgern genommen wurde, - anders als die aus der Kaiserzeit stammende der BRD - eine Justiz des Volkes, eine Justiz für das Volk! Ihre Urteile ergingen tatsächlich "Im Namen des Volkes!"

An die Stelle dieser bürgernahen volksverbundenen Rechtsordnung und Justiz wurde den DDR-Bürgern eine ihnen fremde, schwer verständliche und komplizierte Rechtsordnung aufoktroyiert. Sie wurden dieser fremden Rechtsordnung und diesem fremden Justizsystem, einem höchst undemokratisch auf Anordnung der westlichen Besatzungsmächte in Klausur niedergeschriebenen Grundgesetz unterworfen - wie bei einer Annexion, einer Eroberung. Dieser Vorgang einer totalen Liquidierung einer Rechtsordnung und ihre Ersetzung durch eine andere ist in der Rechtsgeschichte einmalig beispiellos.

Beim Anschluss Österreichs an das nazistische Deutsche Reich im Jahre 1938 blieben die österreichische Rechtsordnung und das österreichische Justizsystem mit seinem Justizpersonal unberührt, so dass man nach der Beseitigung der Naziherrschaft dort nahtlos anschließen konnte.

Die DDR aber musste - auch mit ihrer international anerkannten wahrhaft demokratisch zustande gekommenen Rechtsordnung - mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden.

Diesen Rechtsverlust, den die DDR-Bürger mit dem Anschluss erlitten, vermag ein Jurist an Hand der Grundrechte beweiskraftig zu markieren.

Es ist daher zu fragen:

Gab es Grundrechte, die die DDR-Bürger, die Bürger eines "Unrechtsstaates", durch den "Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes" gewannen?

Welche Grundrechte verloren sie im Gefolge dieses "Beitritts"?

Da eine Verfassung und das Verfassungsfunktion erfüllende Grundgesetz als das juristische Fundament eines Staates gilt, erscheint es angezeigt und legitim, an Hand des Grundgesetzes in der Fassung vom 3.10.1990 und der Verfassung der DDR von 1968 (mit den Änderungen des Jahres 1974) zu vergleichen, welchen Rechtsgewinn und welchen Rechtsverlust die DDR-Bürger im Ergebnis des Beitritts hatten und haben.

Ich vergleiche nur die Texte der betreffenden Vorschriften, weil es in diesem Vortrag nicht möglich ist, die Verfassungswirklichkeit im Einzelnen zu untersuchen.

Beginnen wir mit dem Grundgesetz - auch weil es das für die DDR-Bürger jetzt maßgebliche ist.

In den Art. 2 - 17 und auch im Art. 103 und 104 finden wir die Grundrechte. Es sind die üblichen politischen und Bürgerrechte, die seit Ende des 19. Jahrhunderts in jeder neuzeitlichen Verfassung enthalten sind. Sie finden sich auch - etwas anders platziert und formuliert - in den Verfassungen der DDR, der von 1949 und der von 1968. Hinsichtlich dieser politischen und Bürgerrechte als Grundrechte ist somit eine - zumindest grundsätzliche - Entsprechung zu konstatieren.

Insoweit verloren die DDR-Bürger mit dem Anschluss keine Rechte; sie gewannen allerdings auch keine solchen Rechte, die ihnen zuvor nicht zugestanden hatten.

Besonders angesprochen sei Art. 15 GG mit der Überschrift "Sozialisierung", der damals nur eine Verbeugung gegenüber dem Zeitgeist, der allgemein für Sozialisierung, ja auch für Sozialismus war. Dieser Artikel erwies sich seit 60 Jahren als unerfüllt geblieben, als Täuschung. Im Übrigen sah er nur eine "Sozialisierung" gegen Entschädigung vor!

In der DDR war diese "Sozialisierung" und auch die im Art. 14 des GG vorgesehene Enteignung sehr früh verwirklicht worden. In der DDR-Verfassung war daher ihre Erfüllung in Gestalt des Volkseigentums, an Grund und Boden, an Bodenschätzen und Naturreichtümern, Banken und Versicherungen verfassungsrechtlich verankert worden.

Besonders wichtig ist folgendes:

Die Verfassung der DDR gewährte ihren Bürgern über die bekannten politischen und Bürgerrechte hinaus weitere Grundrechte, vor allem soziale, ökonomische und kulturelle. Im Gegensatz zum Grundgesetz der BRD erfüllte die DDR-Verfassung das, was in der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte vom 10.12.1948 festgehalten und später in den beiden Menschenrechtskonvention von 1966 völkerrechtlich verbindlich verankert wurde.

Die DDR hat - im Gegensatz zur BRD - auch diese internationalen Verpflichtungen erfüllt und in ihre Rechtsordnung transformiert.

Im Grundgesetz fehlen diese sozialen, ökonomischen und kulturellen Menschenrechte als Grundrechte nach wie vor.

Infolgedessen verloren die DDR-Bürger mit dem Anschluss an die BRD ihre sämtlichen sozialen, ökonomischen und kulturellen Grundrechte! Sie erlitten somit einen ganz bedeutenden Verlust an Rechten!

Diese vielfältigen und umfänglichen sozialen Rechte der Bürger der DDR stellten für sie einen unschätzbaren Wert dar. Das mussten die Bürger des "Beitrittsgebietes" in diesen zwei Jahrzehnten zunehmend überdeutlich erleben. Über den Raub ihres Volkseigentums hinaus wurde jedem Einzelnen von ihnen in beträchtlichem Umfang bare Münze, bares Geld geraubt!

Wer in Erfüllung des Rechts auf Arbeit (Art. 24 DDR-Verf.) in der DDR einen garantierten Arbeitsplatz hatte und pünktlich seinen gesicherten Arbeitslohn erhielt, stünde - wenn ihm dieses Grundrecht weiterhin gewährt würde - bereits materiell viel besser da, als der, der seine Arbeitskraft zu Dumpinglöhnen zu veräußern oder sich als Leiharbeiter zu verdingen gezwungen ist - soweit er nicht auf Harz IV angewiesen ist und sich dazu vor den Behörden, wie beim Offenbarungseid, hinsichtlich seiner Vermögenswerte entkleiden, bloßstellen muss.

Ohne ein verfassungsrechtlich verankertes Grundrecht auf Arbeit grassieren - ganz besonders in Ostdeutschland - Arbeitslosigkeit und Armut, besonders Kinderarmut. Denn Armut wird vererbt!

Vor allem ist aber gerade dieses Recht auf Arbeit für den Selbstwert, für die Entfaltung der Persönlichkeit - also für die reale Nutzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Art. 2 GG - von erstrangiger Bedeutung: Durch seine eigene Arbeit sichert der Werktätige nicht nur selbst seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie sowie später für seine Rente. In erster Linie kann er sich durch Arbeit als Mensch beweisen, seine Fähigkeiten unter Beweis stellen. So ist das Recht auf Arbeit die maßgebliche Grundrechtsbestimmung dafür, sich als Persönlichkeit verwirklichen zu können. Daran gehindert zu werden, einer geregelten Arbeit nachzugehen, verletzt die Menschenwürde, ja raubt sie ihm!

Ähnliches gilt für die anderen sozialen, ökonomischen und kulturellen Grundrechte, die wir DDR-Bürger durch den Anschluss verloren.

Ich erinnere an das Recht auf Schutz der Gesundheit und der Arbeitskraft aus Art. 35 der DDR-Verfassung. Dieses Recht umschloss bei Krankheit und Unfällen materielle Sicherheit, unentgeltliche ärztliche Hilfe, Arzneimittel und andere medizinische Sachleistungen. Auch das ist bare Münze, wenn wir heute tagtäglich erleben, was wir beim Arzt, schon als Eintrittsbillet mit der Bezeichnung Praxisgebühr, bezahlen, was wir beim Zahnarzt noch einmal, was wir beim Apotheker als Zuzahlung hinlegen müssen - von anderen notwendigen medizinischen Leistungen, die unsere gesetzliche Krankenkasse nicht und nur teilweise übernimmt ganz abgesehen. Eine profitsüchtige Pharmaindustrie lässt die Preise hochschnellen!

Je nach den individuellen und familiärer Voraussetzungen macht der Verlust dieses Grundrechts für betroffene Bürger einen nicht unerheblichen Anteil ihrer Einkünften aus, der ihnen im Gefolge des Beitritts genommen wurde und wird. Arbeitslose und Geringverdiener werden infolge des Verlustes dieses Grundrechts ein weiteres Mal benachteiligte und entwürdigt.

Von den Grundrechten, die die DDR-Bürger durch den Anschluss verloren, ist des Weiteren vor allem das Recht auf Bildung (Art. 25 und 26 der DDR-Verf.) hervorzuheben. Nach diesen Verfassungsbestimmungen hatten die Bürger, vornehmlich die Kinder und Jugendlichen, das Recht auf unentgeltlichen Besuch allgemein bildender Schulen, und zwar regelmäßig 10 Klassen, dann nach Maßgabe der eigenen Leistungen und Fähigkeiten auf einen Schulbesuch, der zum Abitur führte, und anschließend auf einen Besuch von Hoch- und Fachschulen. In der Verfassung waren Schulgeldfreiheit und Freiheit von Studiengebühren verankert; in aller Regel wurden auch Stipendien oder Studienbeihilfen gewährt.

Auch der Verlust dieses Grundrechts lässt sich in Euro und Cent berechnen!

Bildung macht reich, und zwar vor allem und zunächst im geistigen Sinne. Ohne Bildung kann man die Welt nicht verstehen, ohne Bildung kann man auf die Welt nicht einwirken, auf die Politik keinen Einfluss ausüben. Heutzutage dienen die Massenmedien des Alltags vornehmlich der Volksverdummung - oft in der Form einer Scheinbildung, was auch in weiten Teilen für das Internet zutrifft. Wenn es an einer geschlossenen systematischen Bildung fehlt, die in der DDR - internationale anerkannt - vermittelt wurde, ist es für die Herrschenden leichter, das ungebildete Volk zu beherrschen, zu regieren. Nicht zufällig war Adam und Eva im Paradies verboten, vom Apfel der Erkenntnis zu essen!

Welche enorme Bedeutung die Bildung, die allgemeine schulische wie die Berufsausbildung für das Leben des Einzelnen und seine Zukunft haben, wird heutzutage schon den Kindern bewusst: Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat nur der, der über eine genügende Allgemeinbildung und dann auch eine entsprechende Berufsausbildung verfügt. Auch das Grundrecht auf Bildung war Geldes wert.

Vor allem: Auch Bildungslosigkeit und geringe Bildung werden vererbt. So perpetuieren sich in der BRD Armut und Bildungslosigkeit. Die Gegensätze zwischen den sozialen Schichten, zwischen arm und reich werden immer größer und dauerhafte.

Schließlich nenne ich hier und heute nur noch das im Art. 37 der DDR-Verfassung verankerte Grundrecht jedes Bürgers auf Wohnraum für sich seine Familie. In Erfüllung dieses Grundrechts wurden dank des Wohnungsbauprogramms der letzten Jahrzehnte tausenden DDR-Bürgern zunehmend immer bessere Wohnungen bei konstanten niedrigen Mieten zur Verfügung gestellt. Zu diesem Recht auf Wohnraum gehörte auch die Sicherheit der Wohnung, dass man nicht unter irgendwelchen Vorwänden des Vermieters, wie Eigenbedarf oder vom BGH anerkannte wirtschaftliche Verwertung der Mietwohnung, mit seiner Familie und kleinen Kindern rücksichtslos exmittiert wird, wie das Heinrich Zille so anschaulich zeichnete. Im Abs.2 des Art. 37 war ausdrücklich Rechtsschutz bei Kündigungen verankert.

Im Übrigen waren in der DDR die Miethäuser regelmäßig volkseigen oder gehörten Genossenschaften, sodass für das in der BRD herrschende Profitdenken von Vermietern kein Raum war. Auch daher hatten wir in der DDR niedrige, erschwingliche Mieten; heute haben viele DDR-Bürger ein Zehnfaches oder mehr an Miete für die Wohnung aufzuwenden.

Im Familienetat macht heutzutage die Wohnungsmiete meist den größten Kostenanteil aus. Auch der Verlust dieses Grundrechts bedeutet greifbaren finanziellen Verlust für jeden einzelnen DDR-Bürger.

Die Liste dieses Rechtsverlustes ließe sich unschwer fortsetzen!

Finanzexperten sollten diesen Griff ins Portemonnaie der DDR-Bürger durch Abschaffung ihrer sozialen, ökonomischen und kulturellen Grundrechte ausrechnen:

Es dürften insgesamt - über die Jahre - viele Milliarden Euro sein, die den DDR-Bürgern über den groß angelegten Raub durch die Treuhand und das Bundesfinanzministerium hinaus durch Beseitigung ihrer sozialen, ökonomischen und kulturellen Grundrechte aus der Tasche genommen wurden und auch künftig noch genommen werden!

Gemessen an diesen hier nur knapp skizzierten Grundrechten, die wir DDR-Bürger durch den Anschluss verloren, sollten wir unmissverständlich erklären:

Die DDR, die von unseren Feinden als "Unrechtsstaat" verleumdet wurde und wird, gab mir viel mehr Rechte, vor allem soziale Grundrechte, als diese Bundesrepublik.

Gerade deshalb und gerade heute sind die Errungenschaften der DDR in Erinnerung und wach zu halten.

Wessen sollten wir uns rühmen, wenn nicht unserer DDR!

Erich Buchholz, Berlin


Anmerkung

(4) Erich Buchholz: Ordinarius für Strafrecht an der Humboldt-Universität Berlin, Mitarbeiter am Rechtssystem der DDR, internationaler Experte der DDR bei UNO und anderen internationalen Konferenzen; heute als Strafverteidiger tätig, Herausgebergremium offensiv


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Heiderose Weisheit(5): Über die Lage der Frauen in der DDR

Liebe Gleichgesinnte, liebe Genossen, werte Anwesende

Es macht mir eine besondere Freude, heute zum Ehrentag der Deutschen Demokratischen Republik, als ihr Bürger, der ich im Herzen bis zu meinem Lebensende bleiben werde, etwas über Frauen in der DDR zu berichten, so wie ich es erfahren habe und mitgestalten durfte.

Kurz etwas zu meiner Person: Ich bin 67 Jahre alt - also Rentner. Mein sozialer Stand zu DDR-Zeiten war Genossenschaftsbauer.

Bewusst lasse ich das "...in" weg. An diese betonte Ausdrucks- und Schreibweise, die in der BRD die Gleichberechtigung der Frau demonstrieren soll, werde ich mich nicht gewöhnen.

Trotz meiner vier Kinder war ich immer vollbeschäftigt in der sozialistischen Landwirtschaft tätig und konnte mich im Direkt- und Fernstudium für meinen Beruf qualifizieren.

Vor der Konterrevolution war ich Leiter einer 1000er-Jungrinderaufzuchtanlage. Kurze Zeit später wurde ich entlassen, weil ich nicht aus der SED ausgetreten bin. So habe ich meine geliebte Arbeit verloren. Meinen Standpunkt aber nicht.

Meine Ausführungen möchte ich mit einem kurzen Rückblick auf die Geschichte beginnen.

Sozialisten und Kommunisten setzten sich früh mit den Rechten der Frau auseinander. Erinnert sei an "Die Frau und der Sozialismus" von August Bebel sowie an den lebenslangen Kampf Clara Zetkins und weiterer Frauen der kommunistischen Bewegung um die Rechte der Frau.

Im Monat August 1910 fand in Kopenhagen die II. Internationale Frauenkonferenz statt. Clara Zetkin, deutsche Kommunistin und Internationalistin und andere stellten den Antrag, jährlich einen Tag als Internationalen Frauentag zu begehen. Er sollte weltweit ein Kampftag für die Gleichberechtigung der Frau sein.

Der Beschluss von Kopenhagen war ein großer Sieg der revolutionären Kräfte in der Frauenbewegung.

Das Echo auf diesen Beschluss war gewaltig. So wurde zum Beispiel 1915 in Berlin die erste große Antikriegsdemonstration organisiert: "Wir wollen Frieden und unsere Männer zurück haben!" "Wir wollen Brot für unsere Kinder", so machten sich die Frauen lautstark bemerkbar.

Nach der Novemberrevolution 1918 erkämpften die Frauen gemeinsam mit den Männern das aktive und passive Wahlrecht der Frauen in Deutschland.

Clara Zetkin sah diesen Kampf als festen Bestandteil des Kampfes der Arbeiterklasse für ihre Befreiung an. Auf dem Vereinigungsparteitag der KPD und der USPD im Dezember 1920 sagte sie: "Frauenfrage ist keine Frage an und für sich, die durch Reformen zugunsten des weiblichen Geschlechts auf dem Boden kapitalistischer Wirtschaft und innerhalb kapitalistischer Wirtschaft und innerhalb der bürgerlichen Ordnung gelöst werden kann, sondern ist ein Teil der großen sozialen Frage nach der Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und im gemeinsamen Kampf aller Ausgebeuteten, aller Unterdrückten ohne Unterschied des Geschlechts."

Mit der Gründung der DDR 1949 war die Voraussetzung und die Garantie dafür gegeben, dass die proletarischen Frauenforderungen voll durchgesetzt werden konnten. In diesem Prozess setzte man sich mit althergebrachten Auffassungen auseinander.

In der ersten Verfassung der DDR, Artikel 20.2 heißt es: "Mann und Frau sind gleichberechtigt und haben die gleichen Rechtsstellung in allen Bereichen des gesellschaftlichen, staatlichen und persönlichen Lebens. Die Förderung der Frau, besonders in der beruflichen Qualifizierung, ist eine gesellschaftliche Aufgabe."

Im Artikel 38.1 heißt es: "Ehe, Familie und Mutterschaft stehen unter dem besonderen Schutz des Staates."

Solche Gesetze wie das über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau (1950), das Familiengesetzbuch und umfangreiche gewerkschaftliche Regelungen des FDGB waren Meilensteine dafür, dass die Frauen in der Gesellschaft und in der Familie als gleichberechtigtes Mitglied anerkannt wurden. Die Rechte der Frauen standen nicht nur auf dem Papier. In der Politik der Partei und Staatsführung der DDR widerspiegelte sich die umfassende Fürsorge gegenüber den Frauen in unserem sozialistischen Staat. Das gesamte gesellschaftliche Leben in der DDR war ohne Frauen nicht denkbar.

Die angestrebte Berufstätigkeit als Grundlage ihrer Selbständigkeit, der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit", beendete die materielle Abhängigkeit vom Mann.

Dazu praktische Beispiele:

- Jede Frau und jedes Mädchen konnte arbeiten. So waren in den 80er Jahren bis zu 96 % der Frauen im Alter von 18 - 60 Jahren berufstätig. Von ihnen verfügten über 85 %, in der Landwirtschaft über 90 %, über eine abgeschlossne Berufsausbildung.

- Einige Zahlen zur Qualifizierung. 1950 betrug die Zahl der ungelernten Arbeitskräfte 75 %. Bis 1979 wurde diese Zahl auf 25 % reduziert. Das betraf insbesondere die Frauen. 1979 studierten, bezogen auf 10.000 Einwohner der Bevölkerung 101 Personen an Fachschulen, darunter 71,3 % weibliche Bürger, 77 Personen an Hochschulen, darunter 48,2 % Frauen. Jede vierte Leitungsfunktion wurde von einer Frau ausgeübt. Jeder dritte Richter und Abgeordnete war eine Frau. 23.3 % der Frauen nahmen an der Neuererbewegung teil.

Das war DDR-Realität.

Diese Realität war möglich, weil grundsätzliche Bedingungen geschaffen waren, den Frauen die Integration ins Arbeits- und Gesellschaftsleben zu erleichtern.

Dazu gehörten vor allem die Kindereinrichtungen. Kindereinrichtungen wie Kinderkrippen vom 1. bis 3. Lebensjahr und Kindergärten vom 3. bis 6. Lebensjahr sorgten mit gut ausgebildeten Mitarbeitern für die ganztägige Betreuung des Nachwuchses, so dass die Mütter, von Sorgen frei, ihrer Tätigkeit, meist Vollbeschäftigung, nachgehen konnten. Kinderkrippen waren kostenfrei. Sie unterstanden dem Gesundheitswesen. Für den Aufenthalt der Sprösslinge in den Kindergärten wurde von den Eltern ein Anteil für das Mittagessen und je nach Verdienst und Anzahl der Kinder eine geringe Gebühr erhoben. Bei meinem zweiten bis vierten Kind beschränkte sich das auf den Anteil fürs Mittagessen.

Für alle Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren stand ein Kindergartenplatz zur Verfügung. An der Bereitstellung eines Krippenplatzes von 1 - 3 Jahren wurde bis 1989 noch gearbeitet.

Frauen wurden nach der Geburt einrs Kindes für ein Jahr freigestellt. Nach dem bezahlten Babyjahr konnte sie ihren Arbeitsplatz wieder einnehmen. Frauen, die, aus welchen Gründen auch immer, wegen der Pflege ihres Kindes drei Jahre zu Hause blieben, bekamen danach in ihrem Betrieb wieder einen Arbeitsplatz.

In der BRD gibt es Arbeitsverträge in denen steht: "Schwangerschaft ist ein Entlassungsgrund". - Das ist ja sooo kinder- und frauenfreundlich!

An den Schulen waren die Möglichkeiten gegeben, dass die Kinder nach dem Unterricht im Schulhort unter qualifizierter Anleitung ihre Schularbeiten machen und in Arbeitsgemeinschaften oder bei Sport und Spiel ihren Interessen nachgehen konnten.

Waren die Kinder krank und mussten den Kindereinrichtungen fernbleiben, wurden die Mütter oder Väter zur häuslichen Betreuung ihrer Kinder krank geschrieben. Drei Wochen im Jahr wurde für diese Zeit eine Ausgleichszahlung vom Betrieb getätigt. War diese Zeit überschritten, wurde ein Elternteil ohne Vergütung bis zur Gesundung des Kindes freigestellt. Angst um den Arbeitsplatz gab es deshalb nicht.

Ab 1961 bekam jede verheiratete Frau oder Frau mit Kindern einen bezahlten Haushaltstag im Monat. Davon können Frauen heute nur noch träumen!

Nun möchte ich etwas zu dem auch bei uns heiß umstrittenen Paragraphen 218 des bürgerlichen Gesetzbuches zu Gehör bringen. Es geht um das Recht der Frau, über ihren Körper zu verfügen. Von 1970-1972 wurde in der DDR an diesem Gesetz gearbeitet. In dieser Zeit war ich Mitglied der Frauenkommission der SED-Bezirksleitung Suhl, in der die Grundlagen für das Gesetz zum legalen Schwangerschaftsabbruch mit diskutiert und erarbeitet wurden. Vorausgegangen war eine diesbezügliche Analyse, die ergab, dass jährlich 12.000 Frauen an nicht sachgemäßen, illegalen Schwangerschaftsunterbrechungen starben. Es waren Frauen im gebärfähigen Alter, die Kinder hinterließen, die nun ohne Mutter aufwachsen mussten. Sie hinterließen Lücken und Leid in den Familien. Letztendlich gingen sie der Volkswirtschaft als Arbeitskraft verloren.

Dazu kommt, dass eine Frau, wenn der Abbruch legal von Ärzten durchgeführt wird, am Leben bleibt und später durchaus bei besseren Bedingungen noch mal ein Kind bekommen kann. Während der zwei Jahre zur Vorbereitung zum Gesetz gab es eine Anweisung an die Gynäkologen, Anträge von Frauen positiv zu bearbeiten. Zum Teil mussten auch Ärzte von der Richtigkeit des Gesetzes überzeugt werden. Es war ein harter Kampf, der sich für uns Frauen und die sozialistische Gesellschaft gelohnt hat.

Entschuldigt bitte, wenn ich an dieser Stelle etwas von meinem Thema abschweife - oder auch nicht! Wir sprechen von Schwangerschaftsunterbrechung. Die ewig Gestrigen nennen es Abtreibung! Dieser Begriff kommt mir nur widerstrebend über die Lippen. In meinem Sprachgebrauch befindet sich dieses diskriminierende Wort nicht. Dieses Wort ist das "Unwort", nicht des Jahres, nicht des Jahrhunderts, sondern für alle Zeit. Es wird von der bürgerlichen Gesellschaft als Geißel gegen alle, die für die Freiheit der Frauen kämpfen, genutzt. Hierbei geht es um das Recht der Frau über ihren Körper!

Allen Lügen unserer Gegner zum Trotz war die DDR ein kinderfreundliches Land, das man an der Geburtenquote ablesen konnte. Sie lag um 46% höher als in der BRD. 80 Prozent der Mütter waren jünger als 26 Jahre.

Junge Eheleute bekamen einen zinslosen Ehekredit. Nach der Geburt des ersten Kindes wurde ein Teil davon gestrichen und bei der Geburt des zweiten Kindes der Rest erlassen. Zum Beispiel wurden 1979 116.221 Eheleuten 145,8 Millionen Mark Krediterlass gewährt.

Meine Darlegungen sind nicht vollständig, aber die volle Wahrheit.

Ein Blick auf das Heute:

Die Lage der Frau in der BRD zeigt, dass die Frauen aus der DDR mit der Konterrevolution zu den größten Verlierern der Zwangsvereinigung geworden sind.

Erlaubt mir nochmals auf den II. Internationalen Frauenkongress in Kopenhagen zurück zu kommen. Er tagte im August 1910 und beschloss den Internationalen Frauentag. Das bedeutet im Jahr 2010 begehen wir "100 Jahre Internationaler Frauentag". Dazu möchte ich etwas aus Viernau, dem Ort, aus dem ich komme, berichten. Nach der Konterrevolution haben wir in unserem Dorf die jährliche Frauentagsfeier beibehalten, um kommunistisches Gedankengut zu bewahren und weiterzugeben. Tradition unserer jährlichen Zusammenkünfte ist es, sich mit geschichtlichen Ereignissen, gewärtigen Problemen und künftigen Aussichten zu beschäftigen. 2003 stand im Mittelpunkt dieses Tages die Erneuerung des Ernst-Thälmann-Denkmal unseres Ortes. Die anwesenden Frauen ergriffen die Initiative, entrichteten erste Spenden und innerhalb von fünf Monaten wurde die Summe von 3.600 € erreicht.

Das Denkmal aus weißem Granit konnte im gleichen Jahr zum 59. Jahrestag der Ermordung Ernst Thälmanns am 18. August übergeben werden. In diesem Jahr legten Kommunisten aus Erfurt, Sömmerda und Viernau ein Blumengebinde nieder und gelobten seine Ideale, die sie als ihre betrachten, zu bewahren und weiter zu tragen.

Der Frauentag in diesem Jahr hatte folgende Themen zum Inhalt:

- Die Frauen beteiligen sich an der Aktion "Protestschreiben an den Ministerpräsidenten Platzeck von Brandenburg zur Erhaltung der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals."

- Zur Vorbereitung des Riesengebirgstreffens in Mala Upa im August spendeten sie 71,00 €.

- Besonders beschäftigten sich die Frauen mit dem Frauentag im nächsten Jahr mit dem Thema: "100 Jahre Internationaler Frauentag".

10 Frauen bildeten eine Arbeitsgruppe, um diesen Gedenktag mit einer würdigen Festveranstaltung zu begehen. Die Ergebnisse liegen in einem Informationsblatt für Interessenten bereit, das Sie von mit erhalten können. Im Namen der Arbeitsgruppe gebe ich bekannt, dass wir für die gute Vorbereitung dieses Tages auf Spenden angewiesen sind. Listen dafür sind ebenfalls vorhanden. Bisher meldeten sich Interessenten aus verschiedenen Regionen der BRD und den umliegenden Orten.

Einen letzten Satz zum Frauentag: Der Internationale Frauentag wird solange Kampftag bleiben, bis im letzten Winkel der Welt, die letzte Frau von gesellschaftlichen und familiären Fesseln befreit und gleichberechtigt ist. Erst dann können wir diesen Tag weltweit als Ehren- und Gedenktag feiern.

Am Ende meiner Ausführungen möchte ich mich besonders bei Emil und Doris Collet, Achim Rehberg und Brigitte Tomczyk bedanken, die mich mit ihren Zuarbeiten maßgeblich unterstützten, damit ich in der kurzen Zeit der Vorbereitung zu diesem Thema sprechen konnte.

Heiderose Weisheit, Berlin den 10./11. Oktober 2009


Anmerkung

(5) Heiderose Weisheit: Genossenschaftsbäuerin, Studium zum Lehrmeister für Landwirtschaft, FDJ-Kreissekretärin, Kaderleitung und SED-Sekretärin der LPG-Grundorganisation


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Robert Medernach(6): Die DDR - Der Kulturstaat

Ich widme diesen Vortrag Genossen Hans Wauer. Der Tod dieses unbeugsamen und aufrechten Genossen hinterlässt eine große Lücke, vor allem beim Aufbau einer einheitlichen Kommunistischen Partei auf marxistisch-leninistischer Grundlage wird er uns schmerzlich fehlen. Ich bitte um ein kurzes Gedenken an Hans, den wir stellvertretend ehren wollen in Bezug auf die vielen Genossinnen und Genossen, die sich, wie er, nicht haben verbiegen lassen nach der Konterrevolution. (Das Auditorium erhebt sich)

Die DDR: Der Kulturstaat

"Wenn ich mich dann schon politisch einordnen muss: Ich bezeichne mich als 'Sozialdemokrat'".

"Ich war, ich bin und werde sicherlich bis an mein Lebensende ein Bürgerlicher bleiben".

Beide Zitat stammen von Thomas Mann.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, meine Damen und Herren!

Es wird Sie sicherlich verwundern, warum ich anlässlich eines Vortrages über das Thema "Kulturstaat DDR" Thomas Mann zu Beginn gleich zwei Mal zitiere, jenen Thomas Mann, von dem wir für gewöhnlich nur die politischen Erkenntnisse "der Anti-Kommunismus ist die Grundtorheit unseres Jahrhunderts" und "die DDR ist das bessere Deutschland, weil seit der Gründung bewusst antifaschistisch" kennen.

Nun, diese Zitate sollen belegen, dass es sich bei Thomas Mann um einen dezidiert bürgerlichen Menschen und Schriftsteller gehandelt hat, dem aber die politischen Verdienste eines durchaus kämpferischen Antifaschisten hoch anzurechnen sind und der sich nie gescheut hat, offen für ein demokratisches Bündnis mit der kommunistischen und Arbeiterbewegung einzutreten. Und es ist vor allem jener Thomas Mann, der von seiner politischen und kulturpolitischen Warte aus in Zürich, noch immer unter dem Trauma der faschistischen Barbarei, die seine Klasse zu verantworten hatte, leidend, ein Konzept des "Kulturstaates" erarbeitet hatte, von dem er hoffte, dass dieser die kulturpolitischen Voraussetzungen schaffen würde, die ein erneutes Aufkommen des "faschistischen Ungeistes" verhindern oder zumindest erschweren könnte.

Thomas Mann erläuterte im Detail in zwei Interviews mit "Radio Beromünster" den Begriff des "Kulturstaates" und gab die Bedingungen vor, die es erlauben sollten, einen Staat - sozusagen unabhängig von der Klassennatur des jeweiligen Staates - (und hier irrte Thomas Mann als Sozialdemokrat sich selbstverständlich gewaltig!) - als "Kulturstaat" zu definieren oder nicht.

Nachdem er am Ende der zweiten Sendung zu einer Reihe Staaten bezüglich seiner Definition dieser Staaten ausgefragt wurde, antwortete er in Bezug auf die BRD, hörbar pikiert ausweichend, in der Kürze der Zeit dieses komplexe Thema innerhalb dieser Sendung nicht angehen zu können.

Dann zur DDR in Bezug auf das Prädikat "Kulturstaat" befragt, erklärte er kurz und bündig, die DDR sei aufgrund "der enormen kulturellen Leistungen und der kulturellen Aufbauarbeit" als "VORBILD eines Kulturstaates" zu bezeichnen.

Das Echo auf diese Aussage in der BRD war eisiges Todschweigen in der veröffentlichten Meinung und nur in der FAZ durfte ein feuilletonistischer Hinterbänkler sich über den "Alterstarrsinn" eines "literarischen Grandseigneurs" lustig machen. Thomas Mann aber "Alterssenilität" vorzuwerfen, das getraute sich dieser geistige Zwerg denn doch nicht.

Was aber verstand Thomas Mann unter dem Begriff des "Kulturstaates", welches sind die zu erfüllenden Kriterien und in wie weit erfüllte die DDR die Mann'schen Ansprüche. Diese Fragen können wir durch die bedingte zeitliche Begrenzung im Folgenden nur kurz angehen.

Die erste Bedingung, die ein Staat erfüllen muss, ist laut Thomas Mann die praktische Durchsetzung des Rechts auf eine umfassende Bildung und die Vermittlung der National- und Welt/Universalkultur für alle Menschen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, ihres Einkommens, Vermögens und ihrer philosophischen, religiösen und politischen Überzeugungen. Ein allgemeines Schulsystem, das kollektiv und individuell ein Höchstmaß an Wissensvermittlung auch für jene Menschen erlaubt, die in irgend einer Weise "behindert" und benachteiligt sind, zeichnet daher einen "Kulturstaat" aus.

All diese Charakteristika trafen auf die DDR zu: ein vorbildliches Schulsystem, das weltweit seinesgleichen suchte, allgemeiner Zugang zu Wissen und Bildung auf hohem Niveau, so wie wissenschaftliche und humanistische Ausbildung zeichnete die DDR aus. Dass auch die Kinder des Klassenfeindes freien Zugang zu allen akademischen und beruflichen Möglichkeiten hatten, davon legt Frau Merkel, die gewendeten und "angekommenen" Kulturschaffende, ein ziemlich beredtes Zeugnis ab.

Bildung und Kultur müssen es, so Thomas Mann, den Menschen erlauben, all ihre geistigen, schöpferischen und wissenschaftlichen Interessen zu befriedigen, ein sinnvolles und erfülltes Leben zu führen. Der "Kulturstaat" muss die Intellektualisierung der jeweiligen Gesellschaft vorantreiben und allgemeinen geistigen, schöpferischen und wissenschaftlichen Fortschritt garantieren.

Dass diese hohen Anforderungen für die DDR zutrafen, ist augenscheinlich und konnte auch von den verkorksten Ideologen des Antikommunismus nicht geleugnet werden. Das Konzept der "allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit" wurde bereits sehr früh in die Tat umgesetzt und führte einen Karl Jaspers dazu, im Hinblick auf die DDR von "der Zwangsakulturation der totalitären Gesellschaft" in der DDR zu faseln. Akademisches Fachidiotentum im Interesse der Kapitalverwertung in der BRD, humanistische Bildung und Kultur im Sinne des Menschenbildes des Sozialismus in der DDR, das und nichts Anderes war die Realität!

Alle Schätze der National- und Universalkultur müssen den Bürgern und Bürgerinnen eines "Kulturstaates" zur jederzeitigen Verfügung stehen, unabhängig von der wirtschaftlichen Lage. Daher müssen alle Kulturgüter, wie die Teilnahme am kulturellen Leben allen Menschen zu jeder Zeit zugänglich sein, so Thomas Mann weiter.

Ein simpler Vergleich zwischen den damaligen Buch- und Schallplattenpreisen in der DDR und der BRD, zwischen den Summen, die es auf den Tisch zu legen galt, um Zugang zum kulturellen Leben, zu Theatervorstellungen, Konzerten, zu Museen und Ausstellungen zu erhalten, macht deutlich, welcher der beiden deutschen Staaten nun wirklich ein Kulturstaat war und welcher die Mannschen Bedingungen nicht erfüllte.

Thomas Mann legte großen Wert auf die Forderung, dass der Kulturstaat sich um die kulturelle Infrastruktur intensiv kümmern muss und der Gegensatz zwischen "kulturellen Metropolen" und der "kulturellen Provinz" aufgehoben werden muss.

Während in der DDR die kulturelle Infrastruktur bewusst flächendeckend ausgebaut wurde, zeichnet bis heute der Widerspruch zwischen dem Kulturleben in den Metropolen einerseits und der kulturellen Wüste auf dem flachen Land andererseits, die Kulturlandschaft BRD aus. Dass die kulturelle Infrastruktur im heutigen zwangsvereinigten Deutschland zunehmend und rasant abgebaut wird, zeigt, dass die Ökonomisierung des Überbaus parallel zur tiefen ökonomischen Krise des Kapitals geradewegs in die allgemeine Barbarei und Kulturlosigkeit führt. Von DDR-Verhältnissen in Bezug auf die kulturelle Infrastruktur kann heute nur noch geträumt werde.

Thomas Manns Theorie des "Kulturstaates" ist dezidiert bürgerlich und idealistisch. Genau deswegen sind seine kulturpolitischen Ansichten so explosiv: sie zeigen, dass das humanistische Erbe des deutschen Bürgertums in der DDR verwirklicht war und dabei im Dienst des sozialistischen Aufbaus und der Verwirklichung des sozialistischen Menschenbildes stand. Genau diese Dialektik lässt uns erahnen, was wir an der DDR und durch den Sieg der Konterrevolution an kulturellen Werten und Errungenschaften verloren haben.

Wenn wir Bildung und Kultur nicht als bloße Dekoration einer unmenschlichen Gesellschaft begreifen und anstreben, sondern als "eigentliche Menschwerdung des Menschen" (Karl Marx), kann uns die DDR als Vorbild und Beispiel dienen, wie Thomas Mann es uns mittels der Theorie des "Kulturstaates" plausibel gemacht hat.

Ein zukünftiges sozialistisches Deutschland wird die Farben der DDR tragen und sich auch und vor allem am Überbau des ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden orientieren.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Robert Medernach


Anmerkung

(6) Robert Medernach: Mitglied der Kommunistischen Partei Luxemburgs, Herausgebergremium offen-siv


*


Hans Bauer(7): Die Delegitimierung der DDR - Ausdruck des verordneten Antikommunismus

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde!

Die postmortalen Angriffe gegen die DDR sind in diesen Monaten kaum zu überbieten.

Sie belegen eigentlich, dass die DDR noch sehr lebendig ist. Warum sonst müsste man mit fanatischem Eifer den Kampf gegen diesen Staat weiter führen.

Die DDR besteht zwar nicht mehr als Staat, aber im Bewusstsein, in der Erinnerung der Menschen, im täglichen Leben ist sie noch sehr lebendig und gegenwärtig. Wie Umfragen immer wieder bestätigen. Das betrifft keineswegs nur die Vergangenheit, im Vergleich lebendig ist sie vor allem, wenn es um die aktuellen Erfahrungen mit dem heutigen Kapitalismus geht, mit der hoch gepriesenen freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dem Rechts- und Sozialstaat der BRD.

Alle Versuche, die DDR erst zu verhindern und dann zu liquidieren, schlugen über 40 Jahre fehl. Wirtschaftsblockaden und -schädigungen der verschiedensten Art, militärische Aufrüstung und Einschüchterung, Terror- und Sabotagehandlungen sowie willkürliche Rechtsakte und außenpolitische Isolierung nach der Hallstein-Doktrin blieben über Jahrzehnte erfolglos, wenn auch nicht wirkungslos.

Die Angriffe unserer Gegner richteten sich zwar gegen die DDR als zweiten deutschen Staat, gemeint war aber immer die sozialistische Alternative auf deutschem Boden.

Mit dem Anschluss an die BRD erfolgte nicht nur der Zugriff auf den Staat DDR und die Aneignung seiner Reichtümer, es galt nun das zu realisieren, was dank der sozialistischen Gemeinschaft, einschließlich einer stabilen Ordnung in der DDR, über einen langen Zeitraum nicht möglich war.

Die Stunde der Abrechnung war gekommen.

Nachträglich sollte die DDR in der internationalen Gemeinschaft und bei der Bevölkerung diskreditiert, sie als Unrecht, als Nichtstaat, als Unrechtsstaat diffamiert werden. Wir alle kennen die berüchtigte Forderung bundesdeutscher Politiker nach der Delegitimierung der DDR nach 1990. Eine beispiellose staatlich initiierte, organisierte, finanzierte und gesteuerte Geschichtsfälschung setzte ein und setzt sich bis heute fort. Dabei steht zwar die DDR im Zentrum, im Wesen geht es aber um eine spezielle Form des Antikommunismus.

Kein Gedanke an Sozialismus und an eine Alternative zum Kapitalismus soll bleiben.

Der Kalte Krieg zwischen den Systemen ist zwar beendet, tatsächlich bestimmt er bis heute das Klima in diesem Lande. Vielfältige Inhalte, Formen und Methoden der Kalten-Kriegs-Führung werden dabei im politischen, ideologischen und sozialen Kampf gegen die DDR eingesetzt. Vier der wichtigsten möchte ich hervorheben:

1. Nachträgliche Angriffe auf die staatliche Souveränität der DDR zählen zum erstrangigen Angriffsobjekt. Das hat grundlegende Bedeutung. Soll doch die Staatlichkeit der sozialistischen DDR, sollen wesentliche ihrer Hoheitsrechte in Frage gestellt werden. Entscheidungen der DDR zur Grenze und zum Staatsgebiet, die jedem Völkerrechtssubjekt zustehen, werden in ihrer Legitimation angezweifelt.

In ahistorischer und völkerrechtswidriger Weise beschworen wird die Behauptung, dass die Grenze zwischen beiden deutschen Staaten, die zugleich Systemgrenze war, eine "innerdeutsche" Grenze gewesen sei.

Hoheitsakte der Regierung zur Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit werden als unrechtmäßig propagiert, die Rechtsprechung in weiten Teilen als willkürlich verfälscht. All dies gipfelt in dem propagandistischen Begriff "Unrechtsstaat".

Eigenes massenhaftes Unrecht seit Bestehen der BRD bis heute wird bewusst verschwiegen.

2. Der DDR und darüber hinaus dem Sozialismus insgesamt abgesprochen werden Humanismus und Menschenrechte.

Neben so genannten wissenschaftlichen Untersuchungen bezahlter "Experten", deren Ergebnisse schon vorab feststehen, haben besonders die Erinnerungskultur und Unterhaltungsindustrie auf diesem Feld eine führende Rolle übernommen. An verfälschten Einzelbeispielen soll nachgewiesen werden, wie inhuman und willkürlich mit dem Leben von Menschen umgegangen wurde. Jüngste Kino- und Fernsehproduktionen sind dafür der beste Beweis. In unverantwortlicher Weise wird dabei mit Emotionen gespielt. Alle Register werden gezogen, um auf Verstand und Gefühl Einfluss zu nehmen.

Völkerrechtskonventionen auf dem Gebiet der Menschenrechte und ihre Umsetzung in beiden deutschen Staaten bleiben weitgehend ausgeblendet, und wenn sie erwähnt werden, dann nur insoweit, wie sie der eigenen Propaganda dienen, der Verteufelung der DDR als Böses und der Glorifizierung der BRD als das Gute.

3. Offenbar aus der Erkenntnis des eigenen bewussten und gewollten "Versagens" der BRD ist der Antifaschismus der DDR eines der Hauptobjekte von Angriffen. Für die DDR waren der Schwur von Buchenwald und das Potsdamer Abkommen seit der Gründung bis zu ihrem Ende feststehende Maxime ihres Handelns. Das war im Bewusstsein der Bevölkerung und genoss auch international hohe Achtung. Diese Tatsache durfte keinen Bestand haben.

War es zu Beginn der Versuch, den Antifaschismus der DDR als "verordneten" Antifaschismus zu diskriminieren, müssen inzwischen Verfälschungen von gerichtsbekannten Tatsachen und Behauptungen herhalten, um der DDR anzudichten, sie habe Nazis geschützt und den Antifaschismus nur als propagandistische Formel benutzt. In einem Atemzug werden das faschistische Deutschland und die DDR nicht nur verglichen, sondern nahezu gleichgesetzt. Dabei hat die BRD allen Grund, die eigene Vergangenheit selbstkritisch zu bewerten. An ihrer Wiege standen Nazi- und Kriegsverbrecher; die Globkes und Lübkes erlangten höchste Staatsfunktionen.

In Verkehrung der Wahrheit ist es inzwischen in diesem Staate aber salonfähig geworden, DDR-Juristen wegen ihrer Verdienste bei der Entlarvung und Verfolgung von in der BRD nicht verfolgten Nazi- und Kriegsverbrechen als "furchtbare Juristen" zu bezeichnen (wie gerichtlich bestätigt dem ehemaligen Nazi-Richter und BRD-Spitzenpolitiker Filbinger). Pastor Gauck darf sogar ungestraft von sozialistischen Globkes sprechen.

Wie unterschiedlich beide deutsche Staaten ihrer antifaschistischen Verpflichtung nachgekommen sind, hat erst kürzlich der Amsterdamer Wissenschaftler Prof. Rüter im Kammergericht Berlin nach Auswertung aller deutschen Urteile auf diesem Gebiet demonstriert. Allein die Zahl der verurteilten Nazi- und Kriegsverbrecher von ca. 13.000 in der DDR und ca. 6.500 in der dreimal so großen alten Bundesrepublik spricht für sich. Die herrschende Politik und ihre Meinungsmacher nehmen aber davon keine Notiz, sie verschweigen und fälschen weiter.

4. Um das so genannte Unrecht in der DDR belegen zu können, wurde nach dem Anschluss eine beispiellose Welle der Kriminalisierung in Gang gesetzt.

Erst 2005 ist dieses Kapitel vorläufig abgeschlossen worden. Mit ca. 85.000 Strafverfahren mit über 100.000 Betroffenen - angedacht waren noch viel mehr Verfahren - wurde das koloniale Gebiet überzogen mit einer Flut von willkürlichen Rechtsakten. Verfassungsgemäßes Handeln in der DDR wurde nachträglich nach bundesdeutschem Recht unter Strafe gestellt, Verbrechen gegen die DDR als Ausdruck von Widerstand und Freiheit gewürdigt, Täter rehabilitiert. Die Verantwortlichen für das "Unrecht" im sozialistischen Staat sollten namentlich gemacht werden und "im Namen des Volkes" (was für ein Volk eigentlich?) bestraft werden.

Die Ausbeute war entgegen den Erwartungen und extensiven Ermittlungen mit knapp 800 Verurteilungen Ost und ca. 250 West nur gering, trotzdem für die Betroffenen mit hohen Belastungen verbunden - körperlich, psychisch, materiell, sozial - für viele bis zum heutigen Tage. Und mit der Jagd nach so genannten IMs, die für die Sicherheit unseres Landes freiwillig Verantwortung übernommen hatten, werden Diskriminierung und Ausgrenzung fortgesetzt. Ihnen allen gehört unsere Solidarität.

Unsere Widerstands-, Solidar- und Opfergemeinschaft, die GRH, wird bis zu ihrer vollen Rehabilitierung streiten. Die Verfolgung von Verantwortungsträgern der DDR - Politikern, Militärs, Grenzern, Mitarbeitern von Polizei- und Geheimdiensten, Juristen, Sportfunktionären u.a. - sowie Kundschaftern des Friedens erfolgte stellvertretend für unseren Staat.

Die politisch motivierten Strafverfahren und die politischen und sozialen Repressalien gegen DDR-Bürger und ihre Sympathisanten in der BRD sind die Fortsetzung unseliger Tradition von Kommunistenverfolgung in der Geschichte der Arbeiterbewegung. Bekanntlich hat die BRD in ihrer eigenen Geschichte damit die "besten" Erfahrungen gemacht.

Die Opfer der Kommunisten- und Demokratenverfolgungen aus den 1950-er Jahren mit über 300.000 Ermittlungsverfahren und mehr als 10.000 Verurteilungen sind bis heute nicht rehabilitiert.

Liebe Genossen!

Weitere Felder, auf denen sich der Antikommunismus austobt, spare ich hier aus Zeitgründen aus. Man müsste nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens - von der Wirtschaft, der Bildung, der Sozial- und der Jugendpolitik, der Kultur bis zum Sport erwähnen. Dieser Antikommunismus hat nicht nur ideologische und historische Gründe, er soll auch ablenken von eigenen Ge- und Verbrechen.

Natürlich darf uns das nicht überraschen. Diese Auseinandersetzung ist Teil des heutigen Klassenkampfes.

Neu ist, dass ein ganzer nicht mehr existierender Staat Gegenstand des Antikommunismus ist. Und ein bisher nie gekanntes Arsenal an Instrumenten zur Realisierung dieser würdelosen und menschenfeindlichen Politik zur Verfügung steht und von allen Gewalten dieses Staates, einschließlich und besonders der "vierten" Gewalt, der Macht der Medien, genutzt wird.

Das ist Ausdruck eines verordneten Antikommunismus!

Der Missachtung des eigenen Grundgesetzes und der staatlich organisierten Manipulierung von Menschen, vor allem aber der Jugend, müssen wir Aufklärung entgegen setzen.

Aufklärung über die Entstehung, Geschichte und Politik beider deutscher Staaten, den Charakter unseres Landes DDR, über seine Friedenspolitik und großen Errungenschaften.

Insbesondere aber auch über das, was für die Zukunft bedenkenswert und bewahrenswert ist.

Das, liebe Freunde, ist für uns Herausforderung und Verpflichtung.

Hans Bauer, Berlin


Anmerkung

(7) Hans Bauer: Jurist, Arbeit in der Generalstaatsanwaltschaft der DDR, heute Rechtsanwalt und Vorsitzender der GRH

Raute

I. WAS WIR VERLOREN HABEN / Teil 2: Die von der DDR geleistete internationale Solidarität

Achim Reichardt(8): Überblick über die internationale Solidaritätsarbeit der DDR

Um einen Überblick über die internationale Solidarität der DDR zu geben, könnte über mehrere Stunden gesprochen werden. In dieser Solidaritätsbewegung vereinigten sich der Staat, die Parteien und die zivilgesellschaftlichen Kräfte - wie es heute heißt. In der DDR waren das die gebildeten Parteien, Massenorganisationen und die in der Nationalen Front organisierten Bürger, d.h. von Kindern bis zu Rentnern.

Insgesamt wurde die Solidarität der DDR, von staatlicher und gesellschaftlicher Seite, für Länder und Völker der sogenannten Dritten Welt mit progressiven politischen und sozialen Zielen verbunden. Sie galt vor allem jenen Ländern, die einen antikapitalistischern Weg einschlugen und diente den Interessen und Erwartungen der Menschen dieser Völker. Es war eine Solidarität von Mensch zu Mensch.

Die internationale Solidarität war von jeher ein der Arbeiterklasse und aller fortschrittlichen Kräfte innewohnendes Charakteristikum. Das ist sie auch heute noch. Ohne auf theoretische Fragen einzugehen, werde ich im Zusammenhang mit der Entwicklung der DDR nach dem Zweiten Weltkrieg die aus meiner Sicht drei wesentlichsten Abschnitte der internationalen Solidarität herausarbeiten. Sie stehen natürlich in engem Zusammenhang mit der Herausbildung sozialistischer Formen der gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR sowie mit dem Gang der internationalen Entwicklung.

Zum besseren Verständnis ist folgende periodische Einordnung vorzunehmen:

1. Die Periode seit Gründung der DDR bis zu ihrer weltweiten internationalen Anerkennung.

2. Die Periode der aktiven und zielgerichteten Solidarität mit Entwicklungsländern bis zum Ende der staatlichen Existenz der DDR.

3. Die willkürlichen Akte gegen das Solidaritätskomitee und insgesamt gegen die DDR nach der Wiedervereinigung, sowie die damit
vollzogenen und sich weiter vollziehenden Veränderungen seit dieser Zeit und das Wirken der geleisteten Solidarität bis heute.


Zur ersten Periode:

Obwohl die Bürger der DDR nach dem schrecklichen Zweiten Weltkrieg viele eigene Probleme zu bewältigen hatten, leisteten die Werktätigen schon von 1950 an uneigennützige Hilfe für das koreanische und vietnamesische Volk. Es war politisch-moralische und materielle Solidarität zugleich, also eine Solidarität, die nicht nur auf die materielle Seite orientierte. Sie beruhte ebenso auf Wechselseitigkeit und gegenseitigem Verständnis.

Die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg:

Die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges waren weltweit zu spüren. Das Kolonialsystem brach in den Folgejahren in Afrika und Asien zusammen. Junge Nationalstaaten, wie sie damals genannt wurden, entstanden. Wer sich mit der Geschichte dieser Entwicklung befasst, weiß und sieht bis heute, dass den Völkern dieser jungen Nationalstaaten die Souveränität, die Unabhängigkeit, nicht in den Schoß fielen.

Die Entwicklungen verliefen mit unterschiedlichen Kampfformen. In Indien erreichte die pazifistische Volksbewegung unter Mahatma Gandhi ihr Ziel. In anderen Teilen der Welt tobte viele Jahre der bewaffnete Kampf. Das Ringen für selbständige, von den Kolonialmächten unabhängige Staatswesen, war hart, verlustreich jedoch am Ende erfolgreich.

Diese Ziele der nationalen Befreiungsbewegungen fanden unsere Unterstützung und forderten auch unsere Solidarität heraus. Und mit der Erringung der Unabhängigkeit suchten die jungen Nationalstaaten die internationale Anerkennung, die ökonomische und kulturelle Zusammenarbeit mit anderen Staaten.

Auch die DDR und ebenso die Bundesrepublik erwarteten nach ihrer Gründung im Jahre 1949 die internationale Anerkennung bestehender Staaten. Die DDR wurde von den damaligen sozialistischen Staaten anerkannt. Die westlichen Staaten lehnten eine Anerkennung der DDR ab. Schon bestehende Entwicklungsländer beugten sich dem Druck der westlichen Welt und zögerten mit der diplomatischen Anerkennung. Nur mühsam gelang es der DDR, mit den existierenden Staaten Handelsbeziehungen aufzunehmen und Handelsvertretungen einzurichten. Die von der Bundesrepublik Deutschland verkündete Hallstein-Doktrin verhinderte jahrelang diesen Prozess einer für alle Seiten notwendigen und nützlichen Kooperation. Der Kampf der DDR um normale diplomatische Beziehungen mit den Ländern der Dritten Welt vollzog sich langsam, am Ende erfolgreich. Für manchen jungen Diplomaten abenteuerlich.

Die Hallstein-Doktrin war das ideologisches Druckmittel der Politik der BRD gegen die DDR. Sie war auch gegen die Entwicklungsländer gerichtet und mit der Drohung verbunden, die wirtschaftlichen Beziehungen und Formen der Entwicklungshilfe einzufrieren. Die diplomatischen Beziehungen sollten abgebrochen werden, falls die DDR anerkannt werden sollte. Die Hallstein-Doktrin war - um es noch einmal deutlich zu sagen - ein Akt der Ungerechtigkeit nicht nur gegenüber der DDR, sondern vor allem auch gegenüber den Entwicklungsländern, die nach Erringung ihrer Unabhängigkeit im Kampf gegen die vormaligen Kolonialmächte nach neuen Wegen suchten, sich politisch und ökonomisch zu entwickeln, normale und freundschaftliche Beziehungen zu allen Staaten der Welt herzustellen und zu unterhalten. Die Hallstein-Doktrin der BRD war Unrecht und völkerrechtswidrig. Das muss auch heute noch deutlich zum Ausdruck gebracht werden.

Für die von mir genannte 1. Periode möchte ich drei Beispiele nennen:

1. 1964 nahm die DDR diplomatische Beziehungen mit Sansibar auf. Der Bundesdeutsche Druck auf Sansibar und auf den kurz danach gebildeten Zentralstaat Tansania führte zur Rücknahme des diplomatischen Status auf Sansibar, jedoch anschließend zur Einrichtung eines Generalkonsulats der DDR in Tansania. Folge: Die BRD setzte für mehrere Jahre die Entwicklungshilfe für Tansania aus.

2. Die DDR unterstützte den lange währenden Befreiungskampf des algerischen Volkes gegen die koloniale Unterdrückung durch Frankreich. Nach der Unabhängigkeitserklärung 1962 kam es infolge des Druckes der BRD und mit Unterstützung Frankreichs lediglich zur Einrichtung einer Handelsvertretung.

3. Schon in den 50er Jahren entwickelte sich zwischen Ägypten und der DDR ein reger Handelsaustausch. In beiden Hauptstädten wurden Handelsvertretungen eingerichtet. 1965 besuchte Walter Ulbricht Ägypten. Obwohl bereits Handelsvertretungen beider Staaten existierten und ein offizieller Beauftragter der Regierung tätig war, kam es noch nicht zur vollen Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Der Besuch hatte jedoch weitreichende Folgen hinsichtlich der Entwicklung der Handels- und kulturellen Beziehungen mit Ägypten sowie zu anderen arabischen Staaten.

Die Zahl der Staaten, die unter dieser völkerrechtswidrigen Haltung der BRD litten, ist zahlreicher als die vorher genannten Beispiele.

In der Periode des Strebens nach normalen bilateralen Beziehungen, wirtschaftlichen und kulturellen Austausch, das möchte ich noch einmal unterstreichen, waren es vor allem Antifaschisten, die während der Nazizeit emigrieren mussten, große Erfahrungen in der politischen Arbeit hatten, sprachkundig waren und sich in den Dienst der Außenpolitik stellten. Sie nahmen Kontakte zu den schon existierenden jungen Nationalstaaten auf. Besonders hervorzuheben ist, dass sie nicht scheuten, sich auch zu den noch kämpfenden nationalen Befreiungsbewegungen zu begeben, um Kontakte und Verbindungen herzustellen. Das war ein unvergesslicher Akt der Solidarität.

In dieser Zeit wurden die Grundlagen für die spätere Ausprägung der gegenseitigen Zusammenarbeit und der internationalistischen Solidarität mit und für Entwicklungsländer einer progressiven Orientierung gelegt.

Mir wurde oft die Frage gestellt, warum sich die progressiven Kräfte der nationalen Bewegungen in den Entwicklungsländern schon zu diesem Zeitpunkt und noch stärker in den späteren Jahren bis zum Ende der DDR, auf diesen, auf unseren antifaschistisch-demokratischen Staat DDR orientierten und als nachahmenswertes Vorbild ansahen.

Um es mit einfachen Worten zu sagen: Die politisch handelnden Kräfte in den nationalen Befreiungsbewegungen gingen davon aus, die kolonialistische Herrschaft und die kapitalistische Ausbeutung abzuschaffen. Sie wollten ein ausbeutungsfreies politisches Regime aufbauen, das sich auf sozialistische Werte orientierte. Und dieses Vorbild sahen sie in den sozialistischen Ländern und vor allem auch in der DDR. Sie wollten ein Bildungs- und Gesundheitssystem für alle Bürger verwirklichen und eine solide wirtschaftliche Entwicklung in Gang bringen. Ein solches Staatswesen war mit den kapitalistischen Staaten nicht zu erreichen. Deshalb die Orientierung auf die damalige sozialistische Staatengemeinschaft und vor allem auf die DDR.


Zur zweiten Periode:

Im Jahre 1969 brach die Hallstein-Doktrin zusammen. Das damalige fortschrittliche Baath-Regime im Irak und die Regierung von Kambodscha nahmen diplomatische Beziehungen zur DDR auf. Diesem Schritt folgten eine Reihe weiterer arabischer Staaten. Endgültig besiegelt wurde das Thema Hallstein-Doktrin mit der Aufnahme beider deutscher Staaten in die UNO und mit den Vereinbarungen von Helsinki über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Anfang der 70er Jahre.

Das solidarische Engagement der DDR begann - wie schon erwähnt - bereits zu Beginn der 50er Jahre. Zu einzelnen Ländern, wie Vietnam, Kuba und Nikaragua, wird ja auf dieser Konferenz noch gesprochen. Deshalb möchte ich in erster Linie auf die politisch-ideologischen Probleme und dann auf den Umfang der solidarischen Leistungen insgesamt eingehen.

Die DDR hatte ein von den politischen Parteien und Massenorganisationen mehrheitlich akzeptiertes Konzept für die internationale Solidarität. Es galt, vor allem den Völkern und Staaten solidarische Unterstützung zu gewähren, die einen nichtkapitalistischen Entwicklungsweg proklamierten. Im Verlaufe der Jahre gab es bei uns teilweise kontroverse inhaltliche Diskussionen über die in verschiedenen Ländern festgeschriebenen programmatischen Ziele. So u.a. über den Weg zu einer Volksdemokratie, einer nichtkapitalistisch-demokratischen Ordnung oder für eine sozialistische Orientierung. In allen Fällen - das möchte ich betonen - wurde richtig eingeschätzt, dass es sich um einen progressiven, überwiegend antikapitalistischen Entwicklungsweg handelte. Das war für die solidarische Unterstützung die wegweisende Richtung für alle zivilgesellschaftlichen und staatlichen Institutionen der DDR. Und immer ging es um die am wenigsten entwickelten Länder. Mehr will ich dazu nicht sagen.


Fassen wir zusammen:

In der DDR gab es kein Ministerium für Entwicklungshilfe. Staatliche Hilfsmaßnahmen ergaben sich durch Gespräche und Verhandlungen auf Grund von Wünschen der Partner und infolge der Erfahrungen bei der Entwicklung der bilateralen Beziehungen. Sie wurden durch Beschlüsse des Ministerrates und des Sekretariats des ZK der SED in die Wege geleitet.

Ähnlich verlief es bei den gesellschaftlichen Organisationen. Es gab immer große Erwartungen. Verschiedene Ministerien waren eingebunden. Die zivilgesellschaftliche Hilfe und Unterstützung wurde durch die Massenorganisationen und zunehmend vom Solidaritätskomitee der DDR realisiert.


Zum besseren Verständnis:

Wir hatten es in der DDR im Wesentlichen mit drei unterschiedlichen organisatorischen Formen in der Solidaritäts- bzw. Entwicklungszusammenarbeit mit den jungen Nationalstaaten in Afrika, Asien und Lateinamerika zu tun:

1. Entwicklungszusammenarbeit und Solidarität des Staates vor allem bei der Realisierung von industriellen Projekten, der Kreditgewährung, dem kulturellem Austausch usw.

2. Die Solidarität der einzelnen gesellschaftlichen Organisationen in der Zusammenarbeit mit ihren Partnerorganisationen. Das erfolgte unabhängig von den Leistungen an und über den zentralen Solidaritätsfonds beim Solidaritätskomitee.

3. Die Solidarität, die anfangs über die Solidaritätsausschüsse und später über das Solidaritätskomitee realisiert wurde, also über den zentralen Solidaritätsfonds, auf den alle Massenorganisation den größten Teil der Spenden ihrer Mitglieder einzahlten.

Deutlich ist zu sagen: es gab eine weitreichende, freundschaftliche und dem Inhalt der Solidaritätsarbeit angemessene konstruktive Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Organen und den zivilgesellschaftlichen Kräften.

Die politisch-moralische Solidarität stand von Anfang an im Zentrum der Aktivitäten und vollzog sich über all die Jahre. Diese Seite der Solidarität ist hervorzuheben. Unzählige Beispiele müssten hier angeführt werden. Auf die vielen Aktivitäten der Parteien und Massenorganisationen wie auch des Staates kann nicht im einzelnen eingegangen werden. Einige Beispiele sollen hier genügen.

Solidarität mit den griechischen Freiheitskämpfern, gleich nach Ende des Zweiten Weltkrieges.
Solidaritätsbekundungen für die im Unabhängigkeitskampf befindlichen Völker in Afrika, Asien und Lateinamerika.
Solidarität mit eingekerkerten Patrioten wie Louis Corvalan, Angela Davis, Nelson Mandela und vielen anderen.
Solidarität mit den Verfolgten des Pinochet-Regimes in Chile wie auch mit den Verfolgten des Apartheid Regimes im südliche Afrika.

Zu den Solidaritätsleistungen:

Nur die wesentlichsten Leistungen der Solidarität der DDR gegenüber den Ländern, die für die DDR Schwerpunkte waren, können genannt werden. Aus zeitlichen und übersichtlicheren Gründen wird die gesamte Zeit der Existenz der DDR für diese Leistungen einbezogen. Einige prägende Beispiele, die auch heute noch im Bewusstsein vieler DDR-Bürger wie auch von vielen Bürgern der Entwicklungsländer sind, müssen genannt werden. Die DDR als kleines Land, das war ja verständlich, musste die solidarischen Leistungen konzentrieren:

Welche Schwerpunktländer gab es für die Solidaritätsarbeit:

Asien: Vietnam, Laos und Kambodscha

Afrika: Angola, Mosambik, Äthiopien sowie die nationalen Befreiungsbewegungen des ANC/Südafrika und der SWAPO/Namibia

Arabischer Raum: VDR-Jemen, PLO - Palästinensische Befreiungsbewegung

Lateinamerika: Kuba, Chile, Nikaragua

Wobei hinzugefügt werden muss, dass auch gegenüber zahlreichen anderen Ländern und Befreiungsbewegungen solidarische Hilfe geleistet wurde.

Die Unterstützung für den ANC, die SWAPO und die PLO war für diese Bewegungen eine politisch bedeutsame und effektive Hilfe. Die klare Position der DDR - zum Unterschied zur BRD - ist den hier Anwesenden sicher bekannt und es braucht nicht weiter darauf eingegangen zu werden.

Seitens der DDR war es für diese Bewegungen zuerst eine politisch-moralische dann zunehmend auch materielle Unterstützung. 1978 erfolgte die Einrichtung von diplomatischen Vertretungen für die genannten Befreiungsbewegungen in der DDR, die beim Solidaritätskomitee akkreditiert wurden.

Zahlreiche junge Bürger erhielten in der DDR eine Ausbildung. Sie erfolgte teilweise auch in den Flüchtlingslagern. Kranke und verwundete Kämpfer wurde medizinisch behandelt. Die Zentralorgane dieser Bewegungen ("Sechaba"/ANC, - "Namibia today"/SWAPO) wurden in der DDR gedruckt und versandt. Auf internationalen Konferenzen erfolgte eine deutliche Unterstützung für die politischen Forderungen der Befreiungsbewegungen.


Bildung/Ausbildung

Die größte und bedeutsamste solidarische Leistung der DDR für die Entwicklungsländer erfolgte auf dem Gebiet des Bildungswesens. Das war ein wichtiger Schwerpunkt mit großer Nachhaltigkeit in der Solidaritätsarbeit.

Aus den Entwicklungsländern kamen sich wiederholende Bitten, junge Menschen zur Ausbildung in der DDR aufzunehmen oder auch Ausbildungsstätten in ihren Ländern zu errichten und Pädagogen aus der DDR zu entsenden.

Bereits 1950 kamen die ersten jungen Menschen aus Afrika, aus Kamerun, in die DDR.

Von dieser Zeit an bis 1990 erhielten ca. 200.000 Bürger aus Entwicklungsländern, die Zahl sollte man sich merken, eine berufliche Aus- und Weiterbildung in der DDR.

In dieser Zahl sind nicht die in Zehntausende gehenden Vertragsarbeiter aus Vietnam, Mosambik, Algerien u.a. Ländern enthalten, die dabei auch eine Ausbildung durchliefen.

Hervorzuheben ist, dass über 30.000 junge Menschen aus Afrika, Asien und Lateinamerika in dieser Zeit ein Hoch- und Fachschulstudium in der DDR absolvierten. Zahlreiche dieser Absolventen übernahmen nach ihrer Rückkehr verantwortungsvolle Funktionen im Staatsapparat, in der Wirtschaft sowie im Bildungs- und Gesundheitswesen.

Hinzuzufügen ist, dass mit Stand vom 1. Januar 1989 noch 2643 Personen zur Berufsausbildung und 9407 zum Studium an Hoch- und Fachschulen in der DDR befanden.

Diese Zahlen sprechen für sich!

Was ist in diesem Zusammenhang noch bemerkenswert. Die DDR legte viel Wert darauf, dass diese jungen Menschen in ihre Heimat zurückkehren, dort am Wiederaufbau teilnehmen und für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung zur Verfügung stehen. Die DDR wandte sich gegen den brain drain, gegen die Abwerbung in kapitalistische Länder. Sie forderte sogar, den betroffenen Ländern eine Entschädigung für die abgeworbenen Fachkräfte zu zahlen.

Einige konkrete Beispiele aus den Anfangsjahren und im Verlaufe der Existenz der DDR müssen bei dieser Gelegenheit genannt werden. Viele Bürger haben das vergessen oder nicht gewusst:

In den 50er und 60 Jahren nahm die DDR infolge der kriegerischen Ereignisse in Korea und Vietnam mehrere Hundert Kinder in der DDR auf. Sie fanden im damaligen Käthe-Kollwitz-Heim in Moritzburg bei Dresden eine vorübergehende Heimat. Sie erhielten eine vorzügliche Betreuung und Ausbildung. Viele dieser "Moritzburger" fanden wir später in verantwortlichen Funktionen in ihren Heimatländern.

Später: In gleicher Weise nahm die DDR 1979 Waisenkinder der SWAPO aus Namibia auf.

Das Kinderheim in Bellin bei Güstrow ist auch heute noch bei vielen Namibiern in guter Erinnerung. Es war ihre zweite Heimat. Kindergarten, Schule, ab 5. Schuljahr in Staßfurt, für einige dann das Abitur und Studium. 1989 lebten in Bellin noch 134 namibische Kinder.

Im September 1982 wurde in Staßfurt die Schule der Freundschaft für 900 Kinder aus Mosambik eröffnet. Das war eine Initiative der Regierung. Die Schule wurde jedoch in den Folgejahren ein Solidaritätsobjekt unterstützt mit Spenden über das Solidaritätskomitee. Die pädagogische Verantwortung lag in den Händen des Volksbildungsministeriums. Ziel war, den Kindern eine gute Schulbildung und danach eine Berufsausbildung oder sogar ein Studium zu ermöglichen. Das Projekt hatte viele Befürworter, aber auch Kritiker. Das es 1989/90 abgebrochen und beendet wurde, lag nicht an den Pädagogen der DDR. Und die Probleme und Schwierigkeiten bei dem überstürzten Abbruch der Ausbildung und ebenso unvorbereiteten Rückkehr kann man nicht der DDR in die Schuhe schieben.

Die Medizinische Fachschule in Quedlinburg, 1961 gegründet, war ein Zentrum für die Ausbildung von mittleren medizinischen Personal, wie z.B. Krankenschwestern und -pfleger, Hebammen, Feldscheren und Medizinpädagogen. Gerade dieses mittlere medizinische Personal wurde in den Entwicklungsländern gebraucht.

Erst einmal genug mit diesen Beispielen. Bei den anderen Vorträgen werden sicher noch weitere genannt werden.

Die direkte Ausbildung in der DDR war die eine Seite. Die andere war u.a., dass Lehr- und Lernmittel für die Bildungssysteme in zahlreichen Ländern zur Verfügung gestellt wurden. Die Alphabetisierungskampagnen wurden nachhaltig gefördert, u.a. durch sogenannte Alphabetisierungs-Sets. Auf diesem Gebiet erfolgte eine bemerkenswerte Zusammenarbeit mit UNICEF. Und nicht zuletzt erfolgte eine weitgehende Unterstützung für Universitäten und Hochschulen.

Das umfangreichste Projekt auf dem Gebiet der Überwindung des Analphabetentums waren die Bereitstellung von Schulbüchern. Angefangen hatte es mit Mosambik (FRELIMO) und Guinea-Bissau, wo ca. 300.000 Mathematikbücher in portugiesisch geschickt wurden. Für Nikaragua wurden nach 1979 Schulhefte, Schreibblöcke usw. übermittelt. Die solidarische Unterstützung gipfelte dann in der pädagogisch gemeinsamen Herausgabe von 3,5 Mio. Schulbüchern für alle Fächer der Klassen 1-3, die in der DDR gedruckt wurden.

Darüber hinaus wurden in einige Länder Druckereien mit Solidaritätsmitteln installiert, um die Herstellung eigener Schulbücher usw. zu ermöglichen.


Gesundheitswesen:

Die Hilfe und Unterstützung für das Gesundheitswesen war ein weiterer sozialer Schwerpunkt der Solidaritätsarbeit.

In der DDR erfolgte die kostenlose Heilbehandlung von Kranken und Verwundeten an verschiedenen medizinischen Einrichtungen. Im Gesundheitszentrum in Berlin-Buch wurde eine besondere Solidaritätsstation zu diesem Zweck eingerichtet.

Auf die medizinische Unterstützung für Vietnam und Nikaragua wird in weiteren Vorträgen eingegangen. In Vietnam ist der Ausbau von Krankenhäusern und die Errichtung eines Orthopädietechnisches Zentrum hervorzuheben. In Nikaragua wurde das größte medizinische Solidaritätsobjekt der DDR realisiert.

Bemerkenswert die Hilfe für Äthiopien: Seit 1979 unterstützte das Solidaritätskomitee in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium die Ausbildung von Ärzten an der Medizinischen Fakultät Gondar. Bis 1989 waren über 150 Experten, Ärzte, Medizinpädagogen der DDR in Gondar tätig. Ab 1984 konnten jährlich etwa 60 Studenten ihr Medizinstudium abschließen. An der Karl-Marx-Universität in Leipzig erfolgte die Ausbildung von 25 wissenschaftlichen Nachwuchskräften.

In Nordwesten von Äthiopien wurde ein Tropenhospital errichtet, wo täglich 300 - 350 Personen, hauptsächlich Frauen und Kinder, ambulant behandelt wurden. Darüber hinaus waren 40 Betten ständig belegt.

Auf die vielen kleineren Projekte wird hier nicht eingegangen.


Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung

Bei der Entwicklung einer neuen wirtschaftlichen und wissenschaftlich technischen Basis in Entwicklungsländern und dem Aufbau industrieller Projekte leistete die DDR einen auch heute noch spürbaren wertvollen Beitrag.

Die Möglichkeiten für den Aufbau derartiger Projekte wuchsen im Verlaufe der Entwicklung einer industriellen Basis in der DDR. Zementwerke, Zucker- und Textilfabriken u.a. wurden errichtet. Im Rahmen der Handelstätigkeit wurden Projekte der Infrastruktur, des Verkehrswesen, der Landwirtschaft sowie Kleinindustrie und Werkstätten für verschiedene handwerkliche Tätigkeiten unterstützt und Maschinen und Werkzeuge geliefert.

Die progressiven Entwicklungsländer hatten, ebenso wie die DDR, unter dem von den Westmächten verhängten Embargos zu leiden. Die solidarischen Aktivitäten wurden dadurch, wie durch die Hallstein-Doktrin, in Mitleidenschaft gezogen.

Keinesfalls darf vergessen werden, dass im Rahmen der Solidarität für das Bildungs- und Gesundheitswesen sowie der wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischen Hilfe und Unterstützung, mehrere Zehntausend Experte im Ausland, vor allem in den Entwicklungsländern, tätig waren. Dabei spielten die Jugendbrigaden der Freien Deutschen Jugend (FDJ), die vom Solidaritätskomitee vertraglich gebundenen Experten - wie auch die durch verschiedene Massenorganisationen eingesetzten Kräfte - eine nicht unbedeutende Rolle.

Als Beispiel der Verbindung wirtschaftlicher Hilfe mit der Solidarität sei hier nur Mosambik erwähnt. Dort leisteten Unternehmen der DDR, hier konkret Werktätige aus dem Stein- und Braunkohlebergau aus dem Kombinat "Schwarze Pumpe" Hilfe bei der Wiederingangsetzung des Steinkohlebergbaus im Norden dieses Landes. Im Gebiet von Moatize in der Provinz Tete wurden die wirtschaftlichen Maßnahmen durch solidarische Leistungen unterstützt. Mit der Einrichtung eines Kultur- und Sozialzentrums wurde für die Bergarbeiter und Bewohner der Region ein soziales, bildungspolitisches und medizinisches Zentrum geschaffen. Es wurde 1982 seiner Bestimmung übergeben und ist der Wende, wie so vieles andere, zum Opfer gefallen.


Wertung:

Zu dem bisher Gesagten ist festzustellen:

Die progressiven Entwicklungsländer waren auf der Suche nach einer Alternative zur Überwindung der kolonialen Herrschaft und ihrer Strukturen.
Die Gesamtkonzeption in der außenpolitischen und solidarischen Politik der DDR stand in Übereinstimmung mit der internationalen Entwicklung, das sozialistische Weltsystem und die progressiven Kräfte in Afrika, Asien und Lateinamerika zu stärken. Zunehmend wurde natürlicherweise seitens der DDR die Frage des gegenseitigen Vorteils angesprochen. Manchmal wurden die eigenen Möglichkeiten überschätzt.
Die DDR hat sich nicht in den inneren Entwicklungsweg eingemischt, ihr eigenes System diesen Kräften nicht aufgedrängt. Die Funktionäre der Entwicklungsländer, meist im Westen ausgebildet, haben sich immer eine Hintertür offen gehalten, um ihren Machterhalt zu sichern.
Trotz des Zusammenbruchs des sozialistischen Weltsystems konnten sich Regimes in Entwicklungsländern an der Macht halten. Sie mussten Abstriche von ehemaligen Zielen vornehmen.
Der Wegfall der Blockkonfrontation hatte vor allem in Afrika große spürbare negative Auswirkungen. Seit ca. 2000 ist zu sehen, dass mit der Entdeckung bedeutender Bodenschätze, vor allem Erdöl und spezieller Erze, die imperialistischen Staaten ihren Einfluss dort zu verstärken suchen. Die Armut der Bevölkerung ist für sie zweitrangig.

Mitte 2007 weilte der ehemaliger Vizepräsident von Mosambik, Marcelinho dos Santos, in Berlin. Er erklärte zu den Entwicklungen der vergangenen Jahre: "Nach der Herstellung des Friedens waren wir müde, wir haben uns in einer ausweglosen Lage dem internationalen Finanzdiktat gebeugt. Wir sind unseren Weg zu einer sozial gerechten Gesellschaft nicht weitergegangen, sondern mussten das kapitalistische Modell akzeptieren." (SODI-Report 3-2007). Das sagt alles.

Nur eine kurze Bemerkung zur solidarischen Hilfe und Unterstützung bei Naturkatastrophen: Sie erfolgte weltweit, jedoch in unterschiedlicher finanzieller und materieller Höhe.

Erinnernswert waren die solidarischen Leistungen bei den schweren Erdbeben in Armenien 1988 und Rumänien 1989. Letztere wurden noch bis über das Ende der DDR hinaus realisiert.


Zur dritten Periode:

Wie war das möglich? Wie konnte diese Hilfe und andere Solidaritätsmaßnahmen nach dem Anschluss der DDR an die BRD fortgesetzt werden?

Generell endeten mit dem Ende der DDR auch ihre Entwicklungs- und Solidaritätsprojekte. Sie aufzuzählen lohnt sich nicht. Aus eigenen Erfahrungen möchte der Autor dazu folgendes feststellen.

Zuerst einige Bemerkungen zum Solidaritätskomitee/SODI. Am 6. Oktober 1990, also 3 Tage nach der Einheit, wurde der Solidaritätsdienst-international (SODI) als eingetragener Verein entsprechend den Gesetzen der Bundesrepublik gegründet und als e.V. ordnungsgemäß beim Amtsgericht registriert.

An diese Zeit erinnert sich der Autor mit sehr unterschiedlichen Gefühlen. Viele Jahre in ehemaligen Kolonien tätig, kann das Vorgehen der BRD-Organe gegen das Solidaritätskomitee/SODI nur mit kolonialistischen Methoden verglichen werden. Mit Blick auf die neue Welt ist dieses Vorgehen als neokolonialistisch zu bezeichnen.

Mit einer Verfügung der Treuhandanstalt vom 13. August 1991, dem 30. Jahrestag des Mauerbaus, wurden bei SODI, dem Rechtsnachfolger des Solidaritätskomitees, alle Konten gesperrt und die weitere Realisierung der laufenden entwicklungspolitischen Projekte untersagt. Das erfolgte, obwohl die Unabhängige Kommission Parteivermögen der DDR festgestellt hatte, dass das Solidaritätskomitee ordentlich mit den Spendengeldern umgegangen war und nicht weiter überprüft wird. Die Einzelheiten sind im Buch des Autors "Nie vergessen - Solidarität üben" (ISBN 3-89706-871-0) ausführlich beschrieben. Deshalb wird hier nicht im einzelnen darauf eingegangen.

Kurz gesagt: Das Solidaritätskomitee/SODI verfügte zu diesem Zeitpunkt über 53 Mio. DM Spendenmittel der Bevölkerung der DDR. Es waren Spenden, die von Millionen Bürgern, einschließlich von Angehörigen der bewaffneten Organe, auf die vielfältigste Weise erbracht und auf das Solidaritätskonto überwiesen worden waren. Das war Ergebnis der humanistischen Überzeugung, die der DDR und ihren Bürgern innewohnte. Und diese Spenden, um 1960 jährlich ca. 2 Mio. und in den 80er Jahren durchschnittlich 200 Mio. Mark der DDR jährlich, sollten einen anderen Verwendungszweck zugeführt und das bisher Geleistete diskreditiert werden.

Funktionäre der Treuhand forderten in ideologischer Verblendung, diese Mittel den alten "kommunistischen" Funktionären der SED zu entziehen. Es waren "Allmachtphantasien" und eine "Keule der diskriminierenden Behandlung" gegen das Solidaritätskomitee, wie es der vertretende Rechtsanwalt bezeichnete. Diese diskriminierende Politik richtete sich gegen die Millionen Bürger der DDR, die dieses Geld gespendet hatten.

Nach monatelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen wurde erreicht: Der Solidaritätsdienst-international e.V. (SODI) kann seine Tätigkeit fortsetzen. Ihm standen rd. 13 Mio. DM für die weitere Arbeit zur Verfügung.

SODI gründete mit 33 Mio. DM die "Stiftung Nord-Süd-Brücken", die auch heute noch existiert und die entwicklungspolitischen Vereine in den neuen Bundesländern in ihrer Arbeit unterstützt. Weitere Mittel, 1,3 Mio. DM, erhielten - entgegen den Richtlinien des Finanzamtes - die neu gebildeten Vereine, und der Staat gemäß Einigungsvertrag 5,0 Mio. DM.

Dieser Entscheidung liegt der Kompromiss zu Grunde, nicht jahrelang zu prozessieren, sondern die weitere zivilgesellschaftliche Entwicklungsarbeit zu fördern. Das erfolgte, um die laufenden Projekte in Vietnam, Laos, Kambodscha, für Namibia, Südafrika, Angola, Mosambik, Madagaskar sowie in Lateinamerika für Nikaragua und Chile, in Europa für Rumänien und die Sowjetunion (Tschernobyl) weiter zu fördern.

Obwohl es seitens der BRD kein Interesse gab, auch nur einen kleinen Teil ehemaliger DDR-Projekte - nicht einmal auf nichtstaatlichem Gebiet - realisieren zu lassen, wurde diese Solidarität durch SODI fortgesetzt.

Für die Entwicklungsländer war das Ende der Blockkonfrontation und der Wegfall der DDR ein Schock. Wirtschaftliche, wissenschaftlich-technische Kooperation und zivilgesellschaftliche Unterstützung wurden abrupt beendet. Im Aufbau befindliche industrielle Projekte wurden gestoppt, ihr Weiterbau verzögert und in manchen Fällen gänzlich eingestellt. Dennoch, so erklärte der ehem. mosambikanische Vizepräsident dos Santos in dem o.g. Interview, "kommen wir nicht umhin, die Realitäten klar zu erfassen und die Menschen auf den weiteren Entwicklungsweg mitzunehmen. Dieser Weg soll unter allen Umständen ein friedlicher sein."

Abschließend noch eine Bemerkung zu Unterschieden DDR - BRD in der zivilgesellschaftlichen entwicklungspolitischen Arbeit:

In der DDR waren die entscheidenden Kräfte die demokratischen Massenorganisationen, wie die Gewerkschaften, Frauen-, Jugend- und Bauernorganisationen. Sie stimmten überein, Solidaritätsmaßnahmen zentral über das Solidaritätskomitee zu leiten. Dadurch war es möglich, sich auf Schwerpunkte und einen effektiven Einsatz der Mittel zu konzentrieren.

In der BRD finden sich auf diesem Feld der Solidarität Hunderte, ja Tausende Vereine. Jeder mit dem Anspruch, das Richtige zu tun. Armutsbekämpfung, Hilfe zur Selbsthilfe und eine entwicklungspolitische Bildungsarbeit, das ist das anvisierte Ziel der zivilgesellschaftlichen Kräfte, einschließlich der Kirchen. Der Staat konzentriert sich auf zum Teil inhaltsvolle technisch-wissenschaftliche und kulturelle Projekte, die vorwiegend den Interessen der Wirtschaftskreise entsprechen. Hier treten deutlich die unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Konzepte DDR - BRD in Erscheinung. Mehr ist dazu nicht sagen.

Mitte 1990 gab es noch wenige Vereine in der Noch-DDR, deren Ziel es war, entwicklungspolitische solidarische Aktivitäten in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen. Inzwischen gibt es mehrere Hundert solcher Vereine, die Spenden sammeln und diese für entwicklungspolitische Projekte einsetzen bzw. einsetzen wollen. Alle hoffen auf Zuwendungen der Stiftung Nord-Süd-Brücken, privater Sponsoren und von staatlichen Institutionen. Sie realisieren vornehmlich kleinere Projekte, deren Wirkung örtlich, höchstens regional zur Entfaltung kommt. Und es sind mehrheitlich sogenannte Projekte der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit im eigenen Lande. Es ist hier nicht sinnvoll, im einzelnen darauf einzugehen.


Zum Schluss ist festzustellen:

Die gesamte Solidarität der DDR in Zahlen auszudrücken, ist bisher nicht errechnet worden. Es sind schon allein mehrere Milliarden DDR-Mark, wenn die Ausbildungsleistungen in Geld umgerechnet würden. Weitere Milliarden wurden erbracht durch die Leistungen der Werktätigen, der Lehrer und Ausbilder, Ärzte und Krankenschwestern. All dies aufzuzählen, ist nicht Sinn dieser Zusammenfassung über die Solidarität der DDR gegenüber Entwicklungsländern und Nationalen Befreiungsbewegungen. Der moralische Wert der Solidarität überwiegt den finanziellen.

Nicht nur SODI als Nachfolger des Solidaritätskomitees, als die verkörperte Solidarität der DDR, sondern auch andere gesellschaftliche Institutionen in der Bundesrepublik machen die Erfahrung, dass die von der DDR geleistete Solidarität in den Köpfen und Herzen vieler Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika weiter lebt und die Erfahrungen des sozialistischen Entwicklungsweges der DDR mit seinen sozialen Errungenschaften belebend in vielen Ländern wirkt.

Der Versuch, einen gerechten sozialistischen Staat in der DDR aufzubauen und Entwicklungsländern auf ihren Weg in eine bessere Zukunft zu unterstützen, wurde durch die internationalistische Solidarität in die Welt hinausgetragen und wird deshalb weiter leben.

Es lebe die internationale Solidarität!

Achim Reichardt, erster Geschäftsführer von Solidaritätsdienst-international e.V.


Anmerkung

(8) Achim Reichardt: 25-jährige Tätigkeit im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten der DDR, 1982-1989 Generalsekretär des Solidaritätskomitees der DDR


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Heinz Langer(9): DDR-Solidarität mit Cuba

Kuba war 1960 das erste lateinamerikanische Land, das die DDR völkerrechtlich anerkannte. Bereits 1961 wurde ein erstes Abkommen zwischen beiden Staaten unterzeichnet. Als die DDR in die BRD einverleibt wurde, wurden einseitig durch die BRD Regierung die 64 Abkommen, Verträge und Vereinbarungen, die zwischen der DDR und der Republik Kuba vereinbart worden waren, annulliert, ohne die Konsequenzen für Kuba zu berücksichtigen. Nicht nur die Vielzahl der vertraglichen Bindungen belegt die Intensität der Beziehungen zwischen beiden Völkerrechtssubjekten, sondern auch die Themen lassen kaum einen Bereich von Wirtschaft und Gesellschaft aus.

Die DDR war nach der Sowjetunion der zweitgrößte und auch der zweitwichtigste Wirtschafts- und Handelspartner Kubas. Sie hatte geholfen, in Kuba über 2.000 Betriebe zu errichten. Unter der Vielzahl Objekte der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sind einige für die kubanische Volkswirtschaft, vor allem für die industrielle Entwicklung, besonders hervorzuheben: Zwei Zementfabriken, zwei Anlagen zur Herstellung von Industriegas, zwei Keramikfabriken, eine Fabrik zur Verarbeitung von Zitrusfrüchten, Beteiligung an der Werterhaltung, Erneuerung und Erweiterung von Zuckerfabriken, Modernisierung der Brauereien und Errichtung von zwei Brauereien, die zu den größten Lateinamerikas zählen, eine Schokoladenfabrik, Textilfabriken und ein polygraphisches Kombinat. auch im Gesundheitswesen, dem liebsten Hobby von Fidel konnten wir einen bescheidenen Beitrag leisten. Kürzlich hatte die Ärztin Aleida Guevara auf einer Veranstaltung in Berlin erwähnt, dass noch immer Röntgengeräte aus der DDR funktionsfähig sind. Während meiner jährlichen Besuche in Kuba konnte ich vernehmen, dass fast alle unsere Investitionsobjekte noch funktionsfähig sind.

Während von der DDR begonnene Investitionen mit anderen Ländern weitergeführt wurden, brach die BRD alle Vorhaben mit Kuba ab. Insbesondere die Unterbindung des Kompensationsgeschäftes über die Lieferung von Milchpulver gegen kubanische Futterhefe hatte nachhaltige negative politische und soziale Auswirkungen.

Die Dokumentation beschränkt sich nicht nur auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit, sondern sie soll auch die ganze Vielfalt der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern zeigen. Kuba war für viele DDR Bürger ein herausragendes Reiseziel. Der Tourismus nach Kuba entwickelte sich besonders in den siebziger Jahren. Viele, die einmal Kuba besuchten, halten dem lieb gewonnenen Inselstaat noch heute die Treue, denn Kuba war für DDR Bürger mehr als eine gewöhnliche Urlaubsinsel. Das kann auch der Kapitän des Urlauberschiffes "Völkerfreundschaft" bestätigen, das regelmäßig Kuba anfuhr. Viele dieser DDR Bürger reihten sich nach dem Untergang der DDR in die Solidaritätsbewegung "Kuba si" ein und halfen mit ihren Möglichkeiten einen Beitrag zum Überleben des sozialistischen Kuba in den schwersten Zeiten seiner Existenz zu leisten.

Es entwickelte sich von Beginn der Beziehungen an zugleich ein intensiver Kulturaustausch auf allen Gebieten. Hervorragend war die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Verlagswesens, der Volksbildung, der Künste. Viele bekannte DDR Künstler wie Frank Schöbel oder Chris Doerk gastierten häufig auf Kuba. Unsere Leistungssportler holten sich auf der Karibikinsel Kraft. Es gab faktisch kein Gebiet des gesellschaftlichen Lebens, das nicht in diese Beziehungen einbegriffen gewesen wäre. An den Universitäten Rostock, Leipzig und Berlin wurde Lateinamerikawissenschaft mit besonderem Schwerpunkt Kuba betrieben. Aus den vielfältigen Begegnungen entwickelten sich viele persönliche Freundschaften.

Die Führer der kubanischen Revolution Fidel Castro oder Che Guevara haben die Jugend der DDR oftmals stärker politisch und emotionell beeinflusst als zum Beispiel Erich Honecker oder Günter Mittag. Die Poster mit dem Abbild von Che gehörten zur Standartausrüstung der Studierstuben von Rostock und Leipzig. Natürlich hatten auch der Lebensweg und das Schicksal von Tamara Bunke einem Einfluss auf die politische Haltung vieler Jugendlicher. Das Leben, die Arbeit und die Ausbildung tausender kubanischer Jugendlicher in der DDR trugen direkt zur Entwicklung vielfältiger zwischenmenschlicher Beziehungen bei.

All diese kolossale Komplexität, Vielschichtigkeit und auch Schönheit der Beziehungen zwischen unseren Ländern kann nicht mit Worten allein gewürdigt werden. Diese freundschaftlichen Beziehungen hatten sich so entwickelt, wie sie besser nicht zwischen zwei Staaten und Völkern, die gleiche politische Ideale und Ziele hatten, sein konnten. Zumindest von Seiten Kubas waren sie im Vergleich mit anderen Ländern noch etwas herzlicher, da die DDR ähnlich wie Kuba der störenden Beeinflussung durch den imperialistischen Nachbar unmittelbar ausgesetzt war. Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit, sollen nur einige Beispiele der freundschaftlichen, solidarischen Beziehungen dargelegt werden.

Bereits im November des Jahres 1960 besuchte eine Delegation unter Leitung von Che Guevara die UdSSR. Er war enges Führungsmitglied der revolutionären Kräfte, Minister der revolutionären Regierung Kubas für Wirtschaftsfragen. Während dieses Besuches wurden von der sowjetischen Führung die anderen sozialistischen Staaten zu "Konsultationen" über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen mit Kuba nach Moskau gebeten. Folgerichtig gab es dann in der "Moskauer Erklärung der Kommunistischen- und Arbeiterparteien" vom November 1960 entsprechende solidarische Formulierungen über die progressiven Prozesse in Lateinamerika und die revolutionären Veränderungen in Kuba.

Erwartungsgemäß verdeutlichte die SED unmittelbar danach in der Wertung der Moskauer Beratung ihren solidarischen Beitrag, indem Walter Ulbricht auf der 11. Plenartagung des Zentralkomitees in Auswertung der Moskauer Zusammenkunft erläuterte: "Auf der Konferenz wurde vereinbart, das kubanische Volk, das seine nationaldemokratische Revolution zum Siege geführt hat, mit allen Kräften zu unterstützen." Damit wurde eine klare Linie für die weitere Entwicklung der Beziehungen zu Kuba gegeben. Jeder, der die Bedeutung solcher Darlegungen auf dieser Ebene kennen gelernt hat, kann sich vorstellen, welch mobilisierende Wirkung diese nicht nur auf die zuständigen Staatsorgane, sondern auch und vor allem auf die Partei und Massenorganisationen hatte. Ebenfalls im Dezember weilte Che Guevara mit seiner Delegation während seiner historischen Mission durch die sozialistischen Länder Europas, von Moskau kommend, in Berlin und unterzeichnete mit unserem Minister für Außenhandel, den früheren Spanienkämpfer Heiner Rau, am 17. Dezember 1960 ein langfristiges Abkommen über Handel und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit. Kuba erhielt den ersten Staatskredit über 12 Millionen US Dollar, was damals für die DDR mehr als eine pure Geste der Solidarität war. Dolmetscherin war übrigens Nadja Bunke, die Mutter von Tamara. Als ein Ausdruck besonderer Symbolik war der Besuch Guevaras auch in Leipzig, wo er sich dort im Herder Institut mit den studierenden lateinamerikanischen Jugendlichen traf. Die DDR hatte dort ein spezialisiertes Institut geschaffen, in dem ausländische Studenten in Schnellkursen die deutsche Sprache erlernten. Die DDR war für ihre große Solidarität besonders gegenüber den Entwicklungsländern bekannt und hatte zahlreiche ausländische Studierende, überwiegend aus Ländern der Dritten Welt, zur Ausbildung, um so zur Schaffung einer eigenen, der künftigen Intelligenz beizutragen.

Im März des Folgejahres wurde ein Abkommen über kulturell- wissenschaftliche Zusammenarbeit abgeschlossen und im gleichen Jahr 1961 ein Schifffahrtabkommen. Um den schnell anwachsenden Güterverkehr zu bewältigen, wurde eigens für den Transport von und nach Kuba die "CUBALCO" Linie gegründet. Die DDR stellte den Hauptanteil der Schiffe.

In der DDR Bevölkerung war im Verlauf des Jahres 1960 eine Welle der Sympathie und der Solidarität mit der kubanischen Revolution gewachsen, was im Januar 1961 zur Gründung eines Kuba-Solidaritätskomitees führte.

Deutlicher Ausdruck der Solidarität war die gewaltige Massendemonstration vom 26. April 1961 in Berlin unter den Linden, zwischen Bebelplatz und Humboldt Universität, gegen die von den USA gestützte Invasion in der "Schweinebucht", mit der zehntausende Bürger ihren Protest gegen die Aggression zum Ausdruck brachten und ihre Verbundenheit mit der kubanischen Revolution bekundeten. Auch die Führung der DDR versicherte Kuba in offizieller Form ihrer tiefen Sympathie, der Solidarität und Bereitschaft zur Hilfe bei der Verteidigung seiner Freiheit.

An der Entwicklung solidarischer Beziehungen zu Kuba waren von Anfang an in starkem Maße die Jugendorganisationen beider Länder die Initiatoren. Der damalige Sekretär des Zentralrates der Freien Deutschen Jugend Werner Lamberz, zuständig für Kultur, Wissenschaft und Auslandsbeziehungen, besuchte als Vertreter der FDJ und des Weltbundes der Demokratischen Jugend eine Tagung des Internationalen Studentenbundes, die nach dem Sieg der Revolution in Havanna stattfand. Dort lernte er Fidel und Raul Castro kennen und hatte ausführliche Gespräche mit dem Vorsitzenden der Sozialistischen Volkspartei, dem international bekannten Kommunisten Blas Roca. Wie aus einem internen Bericht an Walter Ulbricht hervorgeht, war Werner Lamberz von seinem Aufenthalt im revolutionären Kuba außerordentlich begeistert. Auf seine Veranlassung hin, wurden junge DDR Schriftsteller nach Kuba entsandt mit dem Auftrag, über die Revolution für die deutschen Leser zu berichten. Vorher hatte schon eine kubanische Jugenddelegation einige osteuropäische Länder besucht und auch zur Freien Deutschen Jugend Kontakte aufgenommen. Bekannte DDR Schriftsteller, wie Herbert Otto und Bodo Uhse hatten sich auch schon in Kuba umgesehen und kamen voller Begeisterung zurück. Am Gründungskongress der Schriftsteller und Künstler Kubas (UNEAC) nahm der Spanienkämpfer und Schriftsteller Ludwig Renn teil. Auch weilte bereits eine Gewerkschaftsdelegation aus der DDR zu den Feierlichkeiten zum 2. Jahrestag des Sieges der kubanischen Revolution in Havanna. Es war also offensichtlich, dass die Beziehungen zwischen der DDR und Kuba von Anfang an nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiet konzentriert waren, sondern vor allem von gesellschaftlichen Kräften getragen wurden.

Der Handelsaustausch zwischen Kuba und der DDR entwickelte sich rasch und unser Land nahm bereits hinter der UdSSR, China und der CSSR den vierten Platz in Außenhandel Kubas ein. Durch die Montage der kompletten Anlagen vergrößerte sich die in Kuba anwesende Anzahl der DDR Bürger und die Arbeit der Botschaft nahm an Umfang zu.

Damals begann eine rege Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Leistungssports. Unser Internationaler Schach Großmeister Wolfgang Uhlmann aus Dresden nahm an dem internationalen, traditionsreichen Copablanca Schachturnier teil. 1964 kamen die ersten Lehrkräfte und Spezialisten der Hochschule für Körperkultur und Sport aus Leipzig nach Kuba zur Übermittlung von Erfahrungen. Sie übergaben auch die ersten Geräte zur Unterstützung der Lehrtätigkeit an der entsprechenden kubanischen Einrichtung. Unser Boxtrainer Kurt Rosentritt, er hatte vorher die Staffel der Humboldt Universität, arbeitete an der Formierung der nationalen kubanischen Amateurboxstaffeln und erzählte voller Begeisterung von seiner Trainingsarbeit und von den vielen Talenten, wie Teofilo Stevenson und anderen. Man hatte z. B. Jugendliche mit physisch guten Voraussetzungen aus allen Provinzen in einem Camp mitten im Regenwald konzentriert und wochenlang zum Klang entsprechender Schlaginstrumente nur Rhythmus trainieren lassen.

Auf der Grundlage des Kulturabkommens entwickelten sich auf vielen anderen Feldern ausgezeichnete Direktbeziehungen. Dr. Max Zeuske und andere Spezialisten unterstützten bei der Organisierung von Studieneinrichtungen, ähnlich den Arbeiter- und Bauernfakultäten der DDR, in denen Jugendliche ihr Abitur nachholen konnten, um ein Hochschulstudium absolvieren zu können. Das Volksbildungswesen der DDR half bei der Einführung der Unterrichtsplanung, der Lehrplangestaltung und besonders beim Aufbau des Mathematikunterrichtes in den kubanischen Grund- und Mittelschulen. Das Zentrum für Forstwirtschaft Tharandt bei Dresden begann gemeinsam mit kubanischen Kollegen die Wiederaufforstung der Westprovinz Kubas mit Pinienwäldern. Dort und auch anderenorts auf Kuba waren die Wälder in den Zuckerfabriken als Energiequelle fast vollkommen verfeuert worden. Die ersten kubanischen Jugendlichen nahmen an DDR Hochschulen ein Studium auf. Auch auf dem Gebiet des Verlagswesens begann eine langfristige und sehr erfolgreiche Zusammenarbeit. In diesem Rahmen der Kulturwoche aus Anlass des XV. Jahrestages der DDR wurde im "Museum der schönen Künste" in Havanna die erste Buchausstellung gezeigt. Kuba war damals noch kein Leseland. Es gab keine verbreitete eigenständige Literatur, keine Verlage. Zu dieser Kulturwoche waren auch einige bekannte DDR Künstler angereist, wie die Ballett Solisten Hannelore Beil und Roland Gawlik, Karl-Heinz Weichert und seine Frau Sonja-Wera Korch, die Schauspielerin Christel Bodenstein und der Regisseur Konrad Wolf, Gitta Nickel und der Dokumentarfilm Macher Karl Gass, die Pianisten Siegfried Siera und Helmut Plischke. Havanna fanden sehr gut besuchten Feste - und - Solidaritäts Veranstaltungen mit unseren Künstlern statt, die Ausdruck echter Freundschaft und Verbundenheit waren.

Ab Herbst 1966 begannen DDR Betriebe Dampferzeuger, Kessel, Turbogeneratoren von 1-5 MW und Zentrifugen für die Modernisierung bzw. für die Werterhaltung von Zuckerfabriken zu liefern und zu montieren. Das wurde zu einer ständigen Linie im Lieferprogramm der DDR.

Im gleichen Jahr nahm das Gemeinschaftsprojekt Kuba/DDR, das Tropenforschungsinstitut "Alexander von Humboldt" bei Havanna seine Arbeit auf. Durchschnittlich 30 DDR Wissenschaftler waren ständig in dieser Institution beschäftigt. In enger Zusammenarbeit mit kubanischen Kollegen wurden Bedingungen für tropische Kulturpflanzen, Saatgut und andere Probleme der tropischen Landwirtschaft erforscht, DDR Produkte auf Tropentauglichkeit geprüft und andere Themen, die Landwirtschaft betreffend, bearbeitet. Das Institut arbeitete mit der Akademie der Wissenschaften Kubas zusammen.

Es ist kurios, aber es war ein DDR-Wissenschaftler, Prof. Dr. Lerch, der die erste wissenschaftliche Veröffentlichung über die Physiologie des Zuckerrohres verfasste und veröffentlicht hat. Diese wissenschaftliche Arbeit erhielt höchste internationale Anerkennung. Er arbeitete und forschte an der Universität Havanna im Rahmen des Abkommens zwischen den Akademien der Wissenschaften beider Länder. Etwa ein Drittel der über 300 DDR Bürger in Kuba arbeitete zu dieser Zeit als Wissenschaftler, Serologen in der Viehzucht oder als Ingenieure oder Techniker. Es fanden mehrere gemeinsame wissenschaftliche Expeditionen statt. Zwischen den zoologischen Gärten begann eine Zusammenarbeit. Der Botaniker aus Jena, Dr. Johannes Bisse, arbeitete erfolgreich an der Gestaltung des Nationalen Botanischen Gartens in Lenin Park von Havanna und bildete mehrere Generationen kubanischer Botaniker aus. Auch unsere Pädagogen arbeiteten für das kubanische Erziehungsministerium sehr erfolgreich. Durch die Zusammenarbeit auf gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und anderen Gebieten, entwickelten sich vielfältige freundschaftliche Beziehungen und das Solidaritätsgefühl mit dem revolutionären Kuba war in der Bevölkerung der DDR tief verwurzelt.

Nach den ersten Jahren, in denen sich die Wirtschaftsbeziehungen Kubas mit den sozialistischen Ländern entwickelten, schon allein um das Überleben der Bevölkerung zu ermöglichen, wurde offenkundig, dass nur diese neuen Konstellationen zwischen den befreundeten Ländern das Überleben der kubanischen Revolution garantieren konnte. Die USA hatten mit ihrer totalen Wirtschaftblockade und ihrer offen Kuba feindlichen Politik in der damaligen internationalen Situation entscheidend dazu beigetragen, dass Kuba allein mit eigenen Kräften die Wirtschaft nicht erhalten, oder gar auf neuer Basis weiter entwickeln könnte.

Gleichzeitig mit der schnellen Entwicklung der Beziehungen auf den Gebieten des Handels, der Kultur, der Wissenschaft und Technik kam es schrittweise zu häufigeren Konsultationen auf politischer Ebene. Es war ganz offensichtlich, dass die eindeutige Haltung der kubanischen Partei zum militärischen Eingreifen der Truppen des Warschauer Vertrages in der CSSR dazu beigetragen hatte. Man befürchtete zunächst, dass Fidel Castro - besonders empfindsam in Fragen der nationalen Unabhängigkeit, Würde und Nichteinmischung - sich kritisch äußern könnte. Er überraschte jedoch, als er in einer Rede am 23. August 1968 erklärte, dass man ein sozialistisches Land nicht ohne Widerstand dem Imperialismus überlassen könne.

Unmittelbar danach, im Oktober des gleichen Jahres, führ eine hochrangige Delegation der SED, die Politbüro Mitglieder Paul Verner und Harry Tisch sowie Innenminister Dickel, nach Havanna. Es fanden zwischen Fidel Castro, einem engen Kreis seiner Mitarbeiter und der DDR Delegation Gespräche statt, die sicher zu der Annäherung der Parteien und Staaten beigetragen haben. Im Juni nahm erstmals eine Beobachterdelegation der Kommunistischen Partei Kubas an der Moskauer Beratung der Kommunistischen und Arbeiterparteien teil. Mit dieser Annäherung hat Kuba zweifelsfrei seine Position als sozialistisches Entwicklungsland und seine besondere Stellung in der Dritten Welt sowie seine Bindungen an den osteuropäischen Raum schließlich gefestigt.

Als nach der gescheiterten Kampagne der 10 Millionen Tonnen Zucker die kritische Auswertung und die Diskussionen zur Wirtschaftspolitik in Kuba begannen, war es besonders Raul Castro, der die DDR um Übermittlung aller möglichen Materialien über den Wirtschafts- und Staatsaufbau, um gesetzliche Regelungen, um Unterlagen zur Planung und Leitung der Volkswirtschaft bis hin zu betriebswirtschaftlichen Themen usw. bat, was darauf hindeutet, dass man sich ernsthaft in den zuständigen Gremien um eine Strategie mit der Aussicht auf eine stabilere Wirtschaftsentwicklung bemühte.

Nach dem Besuch der SED Delegation entwickelte sich ein lebhafter Austausch von Studiendelegationen zwischen beiden Parteien über verschiedene Arbeitsgebiete. So intensivierte sich der Erfahrungsaustausch besonders auf den Gebieten der Volksbildung und der Landwirtschaftspolitik. Hier hatte die DDR unumstritten beträchtliche Leistungen aufzuweisen und das kubanische Interesse an unseren Erfahrungen war groß. In der Volksbildung rückten mehr didaktische und methodische Problemkreise in den Mittelpunkt, während sich in der Landwirtschaft sie Arbeit von Produktionsgenossenschaften als hauptsächlichster Konsultationsgegenstand herausstellte. Die nun schon traditionell gute Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Sports wurde vertieft. Die Entsendung von Trainern und Wissenschaftlern und ein Sportleraustausch wurde während des Besuches von Manfred Ewald, dem Vorsitzenden des Deutschen Turn und Sportbundes (DTSB) vereinbart. Daraus entwickelte sich die gute Tradition, dass unsere Olympiamannschaft nach olympischen Spielen jeweils in Kuba, meist an den Stränden von Varadero, vier Wochen Erholungsurlaub verbrachte.

Es entwickelte sich dabei manch dauerhafte freundschaftliche Beziehung.

Im Jahre 1972 besuchte erstmals eine hochrangige Militärdelegation unter Leitung des Ministers für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Heinz Hoffmann Kuba. Es begann eine enge Zusammenarbeit auch auf diesem Gebiet.

Das Innenministerium und die Zollverwaltung der DDR unterstützten die kubanischen Partnerorgane bei der Einführung der ersten Personalausweise, bei der technischen Ausstattung der Zollverwaltung und in anderen Fragen der inneren Sicherheit.

Im Juni 1972 fand der erste Staatsbesuch Fidel Castros in der DDR statt. In seiner Begleitung war eine vorwiegend auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit ausgerichtete Delegation, die von Carlos Rafael Rodriguez angeführt wurde. Er war vor dem Sieg der kubanischen Revolution hochrangiges Führungsmitglied der Sozialistischen Volkspartei Kubas und dann in der staatlichen Führung und im Politbüro der Kommunistischen Partei für die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit zuständig. Die Delegation besuchte außer Berlin noch die Städte Halle, wo sie neu erbaute Wohnviertel und Großbetriebe besuchte, Dresden und Rostock. Fidel Castro war nicht nur ein sehr aufmerksamer Zuhörer und Beobachter, er verstand es auch in seinen Reden und Gesprächen entsprechend der Situation, die geeigneten politischen Akzente zu setzen. Er sprach überall, sei es zum festlichen Empfang in Berlin, auf dem Meeting mit Soldaten der Nationalen Volksarmee, auf der Kundgebung in Leuna, auf dem Kampfmeeting der Jugend in Dresden oder auf dem Thälmannplatz in Rostock wie gewohnt frei, ohne Papier und stellte gezielt Gemeinsamkeiten zwischen beiden Staaten heraus: die geographische Lage beider Länder als Nahtstelle zu nicht sehr wohlwollenden Nachbarn und die daraus entstandenen ähnlichen Bedingungen für die gesellschaftliche Entwicklung, die Wirtschaftsblockade, die massive, ununterbrochene und gezielte ideologische Beeinflussung der Bevölkerung beider Länder durch die imperialistischen Medien, die Verleumdungen und der wirtschaftliche Druck durch die BRD gegenüber der DDR und durch die USA gegenüber Kuba.

Fidel betonte besonders die solidarische Haltung gegenüber Kuba und vor allem gegenüber den heroisch kämpfenden Völkern Indochinas gegen die an Kriegstechnik übermächtige USA. Armee.

Die inhaltlichen Aussagen, besonders auch die frische, ungezwungene Art der Reden und die direkte Art der Begegnungen Fidel Castros mit der Bevölkerung hinterließen überall einen nachhaltigen Eindruck tiefer Sympathie mit Kuba. Es war für die Menschen eine andere, vorher nie begegnete politische Führungspersönlichkeit. Auch für denjenigen, die nicht gerade dem Sozialismus zugetan waren.

Es entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis Honeckers zu Fidel Castro trotz sehr unterschiedlicher persönlicher Charaktere, das bis zum Tode Honeckers anhielt.

Auch im Zusammenhang mit der Entwicklung in Chile kam die feste Solidarität zwischen der DDR und Kuba zum Ausdruck. Während der Regierung Salvador Allendes entwickelten sich die offiziellen Beziehungen zwischen der DDR und Chile sehr schnell zur Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen. Fidel Castro persönlich, der vom 10. November bis 4. Dezember 1971 einen ausgedehnten Besuch Chiles absolviert hatte, befürwortete die offiziellen Beziehungen zur DDR. Nach dem reaktionären Pinochet Putsch am 11. September 1973 begann in der DDR und natürlich auch in Kuba eine beispiellose Solidaritätsbewegung mit allen demokratischen Kräften Chiles. Die Anstrengungen der DDR Führung zur Rettung tausender chilenischer Patrioten nach dem Putsch vor dem sichern Tod fanden auch in Kuba hohe Anerkennung. Die Berichte der zahlreichen Emigranten, die aus Chile zu uns kamen, haben uns stark erschüttert und natürlich haben wir dann auch vor allem aus den Gesprächen mit Luis Corvalan, Gladis Marin und anderen Führern der "Unidad Popular" nicht nur viele Fakten über die Grausamkeiten der reaktionären Soldateska, sondern auch über die Menschenrechts - und völkerrechtswidrige Rolle der US Regierung und ihrer Geheimdienste in Chile erfahren.

Die mit dem Besuch Fidel Castros in der DDR und dem Beitritt Kubas in den Rat für Gegenseitige Wirtschafthilfe begonnene neue Qualität der Beziehungen ließ folgerichtig die Idee eines Gegenbesuches Erich Honeckers entstehen. So wurde schließlich beschlossen, den ersten Besuch einer Partei- und Regierungsdelegation der DDR nach Kuba vorzubereiten.

Der Besuch war ein weiterer Ausdruck der festen solidarischen Verbundenheit und der Freundschaft. Er verlief wie abgestimmt (Havanna, Santiago, Cienfuegos, San Antonio de los Banos, - das gemeinsame Tropen Forschungsinstitut, Matanzas, Varadero und Havanna). Auf dem Vorhof der Moncada fand ein Meeting mit Bürgern Santiagos statt, auf dem Werner Lamberz und der Erste Sekretär der Kommunistischen Jugend Kubas sprachen. Im Gästehaus in Santiago fand ein langes Gespräch im engem Kreis der Delegation mit Fidel Castro statt. Einer der Hauptpunkte waren Gespräche über die erfolgreichen Weltfestspiele der Jugend und Studenten im Sommer 1973 in Berlin. Erich Honecker und Werner Lamberz konnten Fidel Castro nach langer Diskussion davon überzeugen, die nächsten turnusmäßigen Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Havanna durchzuführen. In Cienfuegos fand dann eine Großkundgebung mit den Ansprachen Fidel Castros und Erich Honeckers statt. Hier nahm Erich Honecker Gelegenheit, über die DDR, die Situation in Europa und die freundschaftlichen Beziehungen mit Kuba zu sprechen. Fidel berichtete begeisternd über seinen DDR Besuch, über die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern, besonders im Zusammenhang mit der Errichtung der Industrieobjekte in der Stadt, das große, moderne Zementwerk mit einer Kapazität von 1,3 Millionen Zement, die Düngemittelfabrik und die Weizenmühle. Im Tropen Forschungsinstitut bei Havanna kam es zu herzlichen Begegnungen zwischen den Wissenschaftlern beider Länder, unserer Delegation und Fidel Castro. In Matanzas hatte die DDR eine Ausbildungsstätte für kubanische Metallarbeiter errichtet. Dort sprach Horst Sindermann auf einer Kundgebung.

Die Exporte der DDR nach Kuba hatten durch die breite Palette der verschiedensten Waren eine große Bedeutung für die Deckung der vielfältigen kubanischen Bedürfnisse. Allein die entwickelten Verbindungen auf den Gebieten der Wissenschaften, der Volksbildung, des Gesundheitswesens, Prof. Dr. Moritz Mebel und Prof. Brinkmann aus Rostock haben z. B. in der Organtransplantation Pionierarbeit geleistet oder für die Werterhaltung der technischen Ausrüstungen in dem modernen Krankenhaus "Hermanos Amejeiras" in Havanna mussten jährlich etwa 8 Millionen US Dollar aufgebracht werden. Viele kubanischen Wissenschaftler haben an DDR Institutionen promoviert.

Ein bleibendes Denkmal der vorbildlichen Zusammenarbeit und der solidarischen Hilfe wurde auch auf dem Gebiet des Verlagswesens gesetzt. Während die erste Buchausstellung 1964, die von der Hauptverwaltung Verlage des DDR Kulturministeriums organisiert worden war, noch im Wesentlichen nur von so genannten Spezialisten, Fachleuten oder Kulturfunktionären Kubas besucht wurde, war die zweite Buchausstellung im Sommer 1967, diesmal in der Nationalbibliothek, weitaus wirksamer. In diesem Jahr wurde auch das Instituto Cubano de Libro gegründet und es entwickelte sich sofort eine freundschaftliche Beziehung mit unserer Hauptverwaltung für Verlage, die einen wichtigen Beitrag zur Schaffung dieses Instituts leistete. Der erste Direktor des Instituts, der 26jährige Dr. Rolando Rodriguez, kam bald in die DDR, um unser Verlagswesen zu studieren. Er hatte den Auftrag, in Kuba ein komplexes Verlagswesen zu schaffen. Es waren bereits gute Arbeitskontakte und Bekanntschaften mit Kubanischen Künstlern und Kulturschaffenden, wie Nicolas Gillen, Präsident der UNEAC; Alejo Carpentier, Präsident des neu gegründeten Nationalverlags, zu Haydee Santamaria, Präsidentin der Casa de las Americas, zu Kulturminister Abel Prieto und anderen entstanden.

Im Jahr 1974 wurde eine weitere DDR Buchausstellung in Havanna gezeigt. und eine gemeinsame ständige Arbeitsgruppe für die Gebiete Literatur und Verlage gegründet. Die enge Zusammenarbeit nach der Gründung des "Instituto Cubano del Libroqe" drückte sich auch darin aus, dass das sich entwickelnde Verlagswesen und seine Spezialisierung in Kuba eng an die Struktur des in der DDR entstandenen Systems anlehnte. Die wohl wichtigste Gründung war die eines Verlages für das gesamte Bildungswesen, dem "Editorial Pueblo y Educacion", ähnlich dem DDR Schulbuchverlag "Volk und Wissen". Mit der Gemeinsamen Ständigen Arbeitsgruppe wurde ein Organ geschaffen, das fortan alle Aktivitäten des Zusammenwirkens leitete, koordinierte und kontrollierte. Es wurden regelmäßig Themenpläne und Empfehlungslisten wichtiger Literaturbereiche ausgetauscht, daraus wichtige und mögliche gemeinsame verlegerische Projekte abgeleitet und realisiert. Mit Hilfe von Direktvereinbarungen zwischen den Verlagen "Volk und Wissen" und "Pueblo und Educacion" wurden Mathematik Lehrbücher der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule der DDR für das kubanische Schulwesen bearbeitet, übersetzt und herausgegeben Die Geographisch-Kartographische Anstalt "Hermann Haack Gotha produzierte 190.000 Schulatlanten und 60.000 Schulwandkarten für die kubanischen Schulen. "Edition Leipzig" gab 30 Titel in spanischer Sprache für die berufliche Erwachsenenqualifizierung heraus. Von großem kulturellen Wert hatte die Herausgabe von übersetzten belletristischen Werken. Jeder Seite blieb es vollkommen selbst überlassen vorzuschlagen, welche Autoren, Werke übersetzt und herausgegeben werden sollten. In Kuba erschienen Bücher von Bruno Apitz, Ludwig Renn, Lion Feuchtwanger, Bertold Brecht, Erwin Strittmatter Willi Bredel. Weiterhin wurden drei DDR-Anthologien zu Dramatik, Lyrik und Prosa auf Spanisch herausgegeben. Auch Werke der deutschen Klassik, der Aufklärung und der bürgerlichen Literatur, wie Goethe, Schiller, Lessing Heine, Weerth, Heinrich und Thomas Mann, Fallada wurden in spanischer Sprache herausgegeben. In der gleichen Zeit fand auch die aufblühende kubanische Literatur in der DDR ihre Leser. Autoren wie Alejo Carpetier, Nicolas Guillen, Lisandro Otero, Gustavo Eguren, Roberto Fernandez Retamar, Onelio Jorge Cardoso sind im Verlag "Volk und Welt" erschienen. Eine ganz besondere Rolle spielte das im Verlag Rütten & Loening herausgegebene Buch "Mit Feder und Machete" mit Texten von Jose Marti.

DDR-Spezialisten unterstützten bei der künstlerisch technischen Buchgestaltung. Kubanische Verlagsmitarbeiter studierten an der Ingenieurhochschule für Graphik und Buchkunst und an der Hochschule für Polygraphie und an vielen anderen Stellen. Dieses Beispiel der engen Zusammenarbeit neben der wirtschaftlichen soll nur zeigen, dass es bereits seit langer Zeit trotz der riesigen geographischen Entfernung allseitige freundschaftliche Bande zwischen der DDR und Kuba gab. Das bezieht sich vor allem auch auf die solidarische gegenseitige Verbundenheit zwischen den gesellschaftlichen Organisationen beider Länder, wie die Vereinigung der Gegenseitigen Bauernhilfe mit der ANAP, der Freien Deutschen Jugend mit dem Kommunistischen Jugendverband, den Gewerkschaftsverbänden usw. Auf den Gebieten des Rundfunks, des Fernsehend wurden regelmäßig Erfahrungen ausgetauscht, wie auch zwischen den Künstlerverbänden und den Frauenorganisationen. Ja selbst Vertreter der Kirchen besuchten ihre Glaubenspartner in Kuba. Bei all den Begegnungen wurden wertvolle Erfahrungen ausgetauscht.

Eine weitere Möglichkeit solidarischer Unterstützung zur Selbsthilfe soll folgendes Beispiel zeigen: Die kubanische Regierung hatte auf der Insel Jugend über 40 Internatsschulen erbaut, in denen kubanische Kinder und Jugendliche lernten, arbeiteten und lebten. Die Mehrzahl der Schulen aber war mit Kindern und Jugendlichen aus befreundeten afrikanischen Ländern belegt, die durch die große Solidarität Kubas dort bis zur Rückkehr in ihre Länder eine Heimstatt hatten und mit den kubanischen Mitschülern lebten. Die Schüler übernahmen auch außerhalb ihres Schulunterrichts die Pflege der auf der Insel vorherrschenden Pampelmusenplantagen oder waren mit anderen landwirtschaftlichen Kulturen beschäftigt. Das Zusammenleben der Schüler, ihre kulturelle und künstlerische Tätigkeit, ihr gemeinsames Lernen und Arbeiten ließ großartige Freundschaften von Jugendlichen verschiedener Nationen entstehen.

Im Verlaufe der Jahre ergab sich, dass Probleme entstanden, die Absolventen der Schulen auch mit Arbeitsmöglichkeiten zu versorgen. Die männlichen Jugendlichen suchten überwiegend nach ihrem Schulabschluss auf der großen Insel Arbeit und die Mädchen blieben oft auf der kleinen Insel und hatten Schwierigkeiten, geeignete Arbeit zu finden. Nun war es so, dass die Insel relativ geringe Möglichkeiten hatte, entsprechende Arbeitsplätze zu schaffen. Rohstoffe gab es nur Marmor in hoher Qualität und wie man sagte, Kaolin. Kaolin, das war das Stichwort. Eine gute Rohstoffbasis, um eine Keramikindustrie schrittweise aufzubauen und so vor allem für die jungen Frauen eine Perspektive zu schaffen. Diese Möglichkeiten wurden dann untersucht. Da die DDR gute Erfahrungen in der Keramik - und Porzellanproduktion hatte, ergab sich fast wie von selbst eine neue Linie der Zusammenarbeit. Im Verlauf der Jahre entwickelte sich eine keramische Industrie, die sogar unsere Erwartungen übertraf. Sie war bereits 1986 in der Lage, den großen Bedarf der zahlreichen Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung in Kuba, der Schulen, Fabriken und anderen und zum Teil des Tourismus zu decken.

Das Jahr 1976 brachte eine neue Qualität der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Mit dem Besuch des Vorsitzenden der DDR Plankommission in Kuba wurden die Grundlagen für eine vertrauensvolle stabile und langfristige Zusammenarbeit gelegt. Das brachte zweifellos für Kuba beträchtliche Vorteile und vor allem Sicherheit für die Wirtschaftsentwicklung. Es wurden die Eckpunkte und Hauptrichtungen des gesamten Warenaustausches, der Dienstleistungen, für den wissenschaftlich-technischen Bereich und auch für die kulturelle Zusammenarbeit festgelegt. Am 30. März des gleichen Jahres präzisierten die Minister für Außenhandel beider Länder mittels Austausch entsprechender Briefe die Festlegungen zur Preisregulierung, wodurch das Abkommen aus dem Jahre 1967 ersetzt wurde. Damit wurde endlich eine in der praktischen Arbeit anwendbare Regelung geschaffen, obwohl die Meinungsunterschiede über bestimmte Preisprobleme nicht vollkommen beseitigt waren. Unsere kubanischen Freunde vertraten den Standpunkt, dass der mit der Sowjetunion ausgehandelte Zuckerpreis, der ja noch höher war als der von der DDR gezahlte, wirtschaftlich und auch politisch gerecht sei. Sie hatten natürlich längst erkannt, dass ein Hinweis auf das Vorbild Sowjetunion großen Eindruck auf die Führung der DDR machen konnte. Bei aller Freundschaft war die Preisproblematik ein ständiger Reibungsgegenstand. Wir bezeichneten schließlich den Zuckerpreis als politisch-solidarisch. Andere als Subvention und verdeckte Kreditierung.

Neben den Großen Investitionsvorhaben, die wir gemeinsam mit den kubanischen Partnern vereinbart hatten, wie des Zementwerk in Cienfuegos, die Getreidemühle, die Buchdruckerei in Guantanamo, die Textilfabriken oder die großen Bier-Brauereien, haben wir gemeinsam weitere Möglichkeiten untersucht, wie wir die Warenpalette im Austausch noch erweitern und so auch den kubanischen Freunden bei der industriellen Entwicklung helfen konnten... Kubanische und DDR Fachleute realisierten zum Beispiel ein gemeinsames Forschungsprojekt in der Zuckerfabrik "Camilo Cienfuegos" bei Santa Cruz del Norte, um aus Abfällen vom Zuckerrohr, Spanplatten für die Möbelindustrie herzustellen. Die DDR hatte eine gut entwickelte Möbelindustrie mit beträchtlichen Exporten und hatte großen Bedarf an Holz und anderen Materialien.

Ein sehr wichtiges ökonomisches und besonders politisch-soziales Projekt war der Import von Abfällen des Zuckerrohres als Kraftfutterbasis für die DDR Viehwirtschaft und im Austausch der Export von Milchpulver zur Lösung des Problems der Milchversorgung auf Kuba. Solche und andere gemeinsame Forschungsprojekte wurden angeschoben und waren im beiderseitigen Interesse der solidarischen kameradschaftlichen Beziehungen.

Wichtigstes Betätigungsfeld wurden die gemeinsamen Großbaustellen. Die DDR hatte schon in den Jahren vorher einige Erfahrungen aus gemeinsamen Investitionsvorhaben. Der Umfang wuchs aber nun beträchtlich und überstieg die üblichen Probleme von Warenlieferungen. In den Vertragsverhandlungen war es weniger problematisch, komplette Anlagen oder schüsselfertige Fabriken zu bilanzieren. solche Objekte wurden stets im Rahmen von Regierungskrediten im Paket verhandelt und schlossen den von Kuba zu erbringenden Teil, wie die Bau- und Montageleistungen und auch die Ausbildung entsprechender Facharbeiter oder die Projektdurchführung, mit ein. Diese Art von Komplexgeschäften schien unseren Verhandlungspartnern eine sichere Garantie, damit die projektierten Leistungen auch erbracht werden. Das war nicht nur ein Beitrag zur Vergrößerung des industriellen Sektors Kubas auf dem Wege der allmählichen Abschaffung der Monokultur, sondern es war auch eine echte Hilfe zur Selbsthilfe.

Das sich in das nun schon über fünfzehn Jahre entwickelte vielgestaltige System der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern festigte und erweiterte sich beträchtlich nach den Gesprächen der obersten Repräsentanten im Jahr 1980. Die Direktkontakte, die Konsultationen und der Delegationsaustausch nahmen zu, so dass es für uns als Botschaft immer schwieriger wurde, den Überblick zu behalten. Das bezog sich auf fast alle Bereiche und nicht nur auf die Wirtschaftsbeziehungen. Nach wie vor standen die Volksbildung, das Gesundheitswesen, das Hochschulwesen und die wissenschaftliche Forschung unter den nichtkommerziellen Beziehungen in vorderster Linie. Die Zusammenarbeit im Verlagswesen, in Film und Fernsehen entwickelte sich und auch die Direktbeziehungen zwischen den Parteien und gesellschaftlichen Organisationen wurden intensiver. Durch die Besuche von Verteidigungsminister Heinz Hoffmann und anderer Militärdelegationen erhielten wir auch gute Möglichkeiten, Raul Castro und andere hohe Offiziere des kubanischen Militärs kennen zu lernen.

Von kubanischer Seite besonders gewürdigt wurde die bereits im Jahre 1965 begonnene Unterstützung der DDR für die kubanische Zuckerindustrie, die noch immer Schwerpunkt der kubanischen Wirtschaft war. DDR Betriebe produzierten und lieferten im großen Umfange Ausrüstungen zum Erhalt bzw. zur Erneuerung der Produktionsanlagen. Insbesondere wurden Dampferzeuger und Turbogeneratoren von 1-5 MW, Kesselanlagen, andere Dampf- und Energieerzeuger geliefert und montiert. Die entsprechenden DDR Betriebe haben eine ständige Service- und Montagestation auf Kuba einrichten müssen.

Am 11. November 1975 begann einer der Höhepunkte der solidarischen Hilfe Kubas für die Völker Afrikas, die bereits große Traditionen hatte.

Sie reichten bis in die ersten Jahre nach dem Sieg der kubanischen Revolution. Bereits 1962 und besonders 1963 nach Erringung der Unabhängigkeit von Frankreich, erhielt Algerien militärische Hilfe von Kuba. Auch in den Folgejahren konnten die Freiheitskämpfer gegen den Kolonialismus mehrerer afrikanischer Länder, wie Angola, Guinea-Bissau, Mozambique, Kapverden und andere mit der Unterstützung durch die kubanische Rebellenarmee rechnen.

Nach der so genannten Nelken-Revolution in Portugal, im April 1974, erlangten die afrikanischen Kolonien Portugals ihre Unabhängigkeit, die natürlich schwer gegen die Gelüste anderer imperialer Mächte zu verteidigen war. So erging es dem reichen Angola. Im Oktober 1975 drohten die Streitkräfte Südafrikas und die kongolesischen Invasoren unter Mobuto die Hauptstadt Angolas, Luanda, zu erobern. Kuba hatte einige Berater bei der MPLA, der angolanischen Befreiungsbewegung, deren Führer, Agostino Neto, sich in jenen historischen Momenten an die kubanische Führung um Hilfe wandte. Kuba eröffnete eine Versorgungslinie nach Angola. und schickte tausende Freiwillige und Kampfeinheiten der Streitkräfte, die das Vorrücken der Truppen Südafrikas und Zaires auf Luanda aufhalten konnten und die Freiheit des angolanischen Volkes verteidigen halfen.(10)

Die Hilfsmaßnahmen für das angolanische Volk prägten die kubanische Außenpolitik und auch die Innenpolitik in Kuba im starken Maße. Die gesamte Bevölkerung Kubas nahm starken Anteil am Verlauf der Kämpfe im fernen Afrika. Natürlich waren auch viele Familien direkt betroffen. Das berührte natürlich auch die freundschaftlichen Beziehungen Kubas zur DDR, die ebenfalls, vielleicht im stärkeren Masse als manche anderen sozialistischen Staaten, solidarisch fest an der Seite des bedrohten Volkes Angolas stand.

Es war selbstverständlich, dass die kubanische Wirtschaft nicht in der Lage war, einen solch massenhaften Militäreinsatz materiell abzusichern. So ergab sich die zwingende Notwendigkeit einer engen Koordinierung und eines darüber hinaus gehenden Zusammenwirkens mit den Führungen der befreundeten Länder, wobei die DDR einen nicht geringen Anteil hatte. Zweifellos hat die UdSSR die notwendige schwere Kriegstechnik zur Verfügung gestellt, aber zur Versorgung und materiellen Sicherstellung einer solch zahlreichen Armee unter den afrikanischen Bedingungen waren noch andere Mittel nötig.

Als letztes, herausragendes Beispiel der solidarischen Zusammenarbeit der DDR mit dem sozialistischen Kuba sei die Vorbereitung und materielle Absicherung der XI. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Havanna erwähnt.

Die Hauptverantwortung lag natürlich in Händen des Nationalen Vorbereitungskomitees und der Leitung des Verbandes der Kommunistischen Jugend Kubas. Erich Honecker und Werner Lamberz hatten in einem im Februar in Kuba geführten Gespräch Fidel, der voller Begeisterung über das Festival 1973 in Berlin geschwärmt hatte, nach langen Diskussionen davon überzeugt, das XI. Festival in Kuba durchzuführen.

Der kubanische Jugendverband hat daraufhin natürlich die Koordinierung mit der Freien Deutschen Jugend im Direktkontakt sofort aufgenommen, die ohne Probleme verlief. Der Zentralrat der Freien Deutschen Jugend hatte eigens dafür einen erfahrenen Mitarbeiter an die DDR Botschaft delegiert, der als Diplomat akkreditiert wurde. Selbstverständlich war unsere Jugendorganisation daran interessiert, dass dieses Ereignis in Kuba nicht nur für Kuba, sondern für die Jugend der Welt eine große Bedeutung erhält. Es war auch nicht mehr zu übersehen, dass das Festival auch ein Höhepunkt in den Beziehungen der DDR zu Kuba sein wird. Alle arbeiteten mit großem Eifer und mit Begeisterung an der Vorbereitung. Die Übermittlung von Erfahrungen wurde sehr ernst genommen und auch die Entsendung von Solidaritätsgütern war erstaunlich umfangreich für unsere Verhältnisse in der DDR.

Immer häufiger trafen Schiffe unserer Handelsflotte mit Gütern im Hafen von Havanna ein und jedes Mal veranstaltete die kubanische Jugendorganisation eine politische Veranstaltung, zu der natürlich die Botschaft eingeladen wurde. Die Palette der gelieferten Güter umfasste alles, was für das Festival benötigt wurde: von Kosmetikartikeln bis zu Lebensmitteln, Sportausrüstungen und Hilfsartikel für die Massenveranstaltungen. Sogar den Teppich, der den ganzen Stadion-Innenraum bedeckte, lieferten wir. Für den Transport von Jugenddelegationen übergaben wir 40 Ikarus Omnibusse. Erfahrene Berater aus der DDR für solche Großveranstaltungen und Helfer für die Organisation aller Art richteten ihre Arbeitsstäbe ein. Die Jugendorganisation der FDJ wurde dann auch die umfangreichste unter den ausländischen Abordnungen. Die umfasste neben den Delegierten des Jugendverbandes auch viele Künstler, die im Nationalprogramm und an anderen Orten auftraten. Außerdem war eine prominente Delegation von Ehrengästen angekündigt, mit dem Mitglied des Politbüros und Sekretär des Zentralkomitees der SED Kurt Hager an der Spitze.

Die feierliche Eröffnung der XI. Weltfestspiele war am 28. Juli 1978, der heißesten Sommerzeit. Es war also ein riesiges Unternehmen. Das Festival wurde zu einem in Lateinamerika noch nie gekannten sportlichen, kulturellen und politischen Schauspiel voller Optimismus, Frohsinn und Lebensfreude und es zeigte der Welt, dass von der Jugend Frieden, Freundschaft und der eindeutige Wille zum sinnvollen Leben ausgeht und dass sich diese Jugend nie mehr für Eroberungskriege missbrauchen lassen würde. Diese Stimmung zeigten auch die künstlerischen Festprogramme. die von den teilnehmenden Nationen dargeboten wurden oder die beeindruckenden Großveranstaltungen zur Eröffnung und zum Abschluss. Auch auf den Straßen Havannas war eine begeisternde Stimmung überall zu sehen. Auf der bekannten Uferpromenade Malecon gaben auch die "Puhdis" Konzerte und man konnte dort erleben, wie über 25.000 Menschen, Jugendliche Gäste gemeinsam mit Einwohnern Havannas stundenlang tanzten. Im Klub unserer Delegation waren jeden Abend hochwertige Programme unserer Künstler, wie das Fernsehballett oder Solisten wie Michael Hansen oder Frank Schöbel und andere zu sehen. Solche Episoden waren während des gesamten Festes vorherrschend. Insgesamt haben die Weltfestspiele im hohen Maße dazu beigetragen, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Jugendlichen und Staaten zu festigen. Das wurde auch von unseren kubanischen Partnern hoch gewürdigt.

Heinz Langer


Anmerkung

(9) Heinz Langer: Attaché in Cuba 1964/65, DDR-Botschafter in Cuba 1975-1979 und 1983-1986, zwischendurch Leiter der Handelsmission der DDR in Rio de Janeiro

(10) CIEN HORAS CON FIDEL; Oficina de Publicaciones del Consejo de Estado, La Habana, 2006, S. 777


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Monika van der Meer(11): Die humanitäre Hilfe der DDR für Vietnam

Verehrte Anwesende,

ich bin gern der Bitte nachgekommen, zu folgendem Thema zu sprechen. "Die humanitäre Hilfe der DDR für Vietnam aus Spenden der Bevölkerung - ihre Bedeutung und Nachhaltigkeit".

Die Solidarität mit dem leidenden und kämpfenden Vietnam war für Millionen Menschen in der DDR eine Herzensangelegenheit.

Diese solidarische Hilfe war von Anfang an eine Bewegung von unten, spontan und nicht stabsmäßig geplant, die von allen Schichten der Bevölkerung getragen wurde. Sie blieb der Kristallisationspunkt aller Aktionen auch dann noch, als auch in diesem bereich feste politische und organisatorische Strukturen bestimmende waren.

In der noch jungen DDR haben die Bürger bereits in den 50er Jahren auf vielfältige Art und Weise ihre Solidarität mit dem um seine Existenz, Freiheit und Unabhängigkeit kämpfenden vietnamesischen Volk zum Ausdruck gebracht. Sie forderten die Beendigung des Krieges Frankreichs gegen Vietnam, das wider kolonisiert werden sollte. Nach dem Sieg der Vietnamesischen Volksarmee über die französischen Kolonialtruppen in der Schlacht bei Dien Bien Phu und der Unterzeichnung des Genfer Abkommens vor genau 55 Jahren war es dann möglich, auch konkrete materielle Hilfe zu organisieren. Zu dieser Zeit wurden alle orhaben vom bereits bestehenden Solidaritätsausschuss für Korea koordiniert, der auf Vietnam erweitert wurde. Es ist schier unglaublich, was die DDR-Bevölkerung bereits ein Jahrzehnt nach Ende des Zweiten Weltkrieges geleistet hat. Aus Zusammenstellungen des Solidaritätskomitees der DDR über Spendenleistungen seit 1956 sind für die ersten Jahre vor allem zu nennen:

Die Errichtung eines Fernsprechamtes und einer Druckerei, die Ausrüstung eines Filmstudios in Hanoi, der Aufbau einer Glasfabrik in Haiphong sowie die Lieferung von 20 Fischkuttern. Parallel dazu bildeten DDR-Spezialisten vor Ort Vietnamesen für die Wartung und den Einsatz der für sie neuen Technik aus.

Natürlich stand die Hilfe bei der medizinischen Versorgung ganz oben auf der Prioritätenliste. Das damals 50 Jahre alte und armselige Phu-Doan-Krankenhaus in Hanoi mit 400 Betten erhielt aus Spenden über den Solidaritätsausschuss dringend benötigte medizinische Ausrüstungen, Medikamente und Verbrauchsmaterialien. Die Ausrüstungen umfassten: Neuausstattung der Operations- und Krankensäle, der Röntgenabteilung, der Stomatologie und des Zentrallabors sowie den Aufbau einer orthopädischen Werkstatt. Auch hierbei stand die Weiterbildung des medizinischen Personals im Mittelpunkt. Als dank für die überragende Unterstützung seitens der DDR wurde diese große Klinik schon 1956 in "Krankenhaus der deutsch-vietnamesischen Freundschaft umbenannt. Es war ein Symbol der Solidarität und der Zusammenarbeit gerade auch während der militärischen Aggression der USA von 1964 bis 1973 sowie später in der Phase des Wiederaufbaus des zerstörten Landes bis zum Jahre 1989.

Niemand konnte damals ahnen, dass der Weh zu Frieden, Freiheit und Einheit für das vietnamesische Volk noch so viele opferreiche Jahre dauern würde.

In diesem Zusammenhang darf ich Sie an folgendes erinnern:

Am 5. August 1964 begannen die USA ihre Bombardements gegen fünf Städte im Norden des Landes, darunter auch die Stadt Vinh. Unsere Antwort war die Bildung eines speziellen Vietnam-Ausschusses beim damaligen Afro-Asiatischen Solidaritätskomitee der DDR, um die spontan ansteigende Flut von Hilfsaktionen aus der Bevölkerung für Vietnam zu koordinieren und effektiv zu gestalten. Parallel dazu weitete sich die Solidaritätsbewegung in der DDR auch für andere Länder weiter aus und führte dazu, dass die vielschichtigen Aktivitäten im Lande und deren Umsetzung durch das im Jahr 1973 gegründete Solidaritätskomitee der DDR gebündelt wurden.

Die Hilfsleistungen aus Spenden der Bevölkerung für Vietnam waren riesengroß. Sie beliefen sich von 1965 bis 1989 auf insgesamt 1,3 Milliarden Mark der DDR. Hinter dieser Zahl verbirgt sich eine Opferbereitschaft von vielen Millionen Menschen. Solidarität mit den Ärmsten der Armen und um ihre politische und ökonomische Unabhängigkeit kämpfenden Völker auch in Mittel- und Südamerika war zu einem inneren Bedürfnis geworden. Die Spendengelder sowie spezifische Aktionen kamen von Mitgliedern und Verbänden wie den Gewerkschaften und Bauern, von Organisationen der Frauen, der Kinder und der Jugendlichen, von Handwerkern und Gewerbetreibenden sowie von Kleintierzüchtern, aber auch von Angehörigen der Armee und der Polizei.

Um die finanziellen Mittel in dieser Höhe in konkrete materielle Hilfe für Vietnam umsetzen zu können, war eine enge Zusammenarbeit des Soli-Komitees mit den zuständigen Ministerien und der Staatlichen Plankommission nötig. Da die Währung der DDR nicht konvertierbar war, mussten alle Güter bei uns im Lande gekauft und per Schiff von Rostock nach Haiphong im Norden und ab 1975 auch nach Da Nang und Na Thrang sowie nach Ho-Chi-Minh-Stadt im Süden transportiert werden.

In den 60er Jahren gab es viele Aktionen, an denen unzählige DDR-Bürger beteiligt waren - darunter Blutspenden für Kriegsopfer, 4.000 mechanische Nähmaschinen aus Spenden von Frauen, drei von Eisenbahnern voll ausgerüstete und bezahlte Züge zur Reparatur von Brücken und Gleisen, Spenden von Bergarbeitern für 9.000 Tonnen Kali als Düngemittel, 10.000 Fahrräder bezahlt durch eine Aktion der Schriftsteller, 22.000 Pflanzenschutz-Sprühgeräte finanziert durch Spenden der Genossenschaftsbauern - um nur einige zu nennen.

Ein Projekt, welches uns im Solidaritätskomitee all die Jahre besonders am Herzen lag, war die fortschreitende Rekonstruktion, Erweiterung und Neueinrichtung des "Krankenhauses der deutsch-vietnamesischen Freundschaft". Dadurch war es stets auf dem neuesten Stand und konnte vielen Menschen helfen sowie seinen Aufgaben als Universitätsklinik gerecht werden. Jahr für Jahr aufs Neue erfolgte die Versorgung mit medizinischen Geräten, Instrumenten, Verbrauchsmaterialien, Medikamenten und technischen Ersatzteilen. 1993 besuchte ich den Direktor des Krankenhauses, um ihm mitzuteilen, dass eine weitere Unterstützung nun nicht mehr möglich sei. Darauf antwortete er mir: "Die DDR und das Solidaritätskomitee haben uns in den schwersten Zeiten bis zum Ende der DDR treu zur Seite gestanden. Das werden wir nie vergessen. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um das Geschaffene zum Wohle der Patienten zu erhalten." Dann fügte er noch hinzu, es sei nun an Vietnam, den Freunden in Deutschland ihre Solidarität zu erwidern.

Erlauben Sie mir, nun gleichsam in Stichworten auf weitere Projekte in Vietnam hinzuweisen, die das Solidaritätskomitee zu verantworten hatte:

Zum einen das Zentrum für Orthopädie und Rehabilitation in Ba Vi, das erste dieser Art in Vietnam mit allem, was dazu gehört, z.B. Herstellung von Prothesen und Rollstühlen sowie eine Ausbildungsstätte für Lehrlinge. Pro Jahr konnten 6.000 Patienten versorgt werden. Hier arbeiteten im Laufe des Jahres mehr als 120 Spezialisten aus der DDR. 54 Vietnamesen wurden zu entsprechenden Spezialisten in unserem Lande ausgebildet.

Zum anderen die Einrichtung von nicht weniger als 153 Werkstätten mit insgesamt 6.500 Arbeitsplätzen, darunter solche für Metallverarbeitung, für Leder- und Holzbearbeitung, für die Reparatur von Elektromotoren und Fahrrädern sowie Scheiderwerkstätten.

Und was hier auf gar keinen Fall unerwähnt bleiben darf: Die Stadt Vinh, Hauptstadt der Provinz Nghe An, wurde zur Partnerstadt der DDR erklärt. Am Wiederaufbau der völlig zerstörten Stadt beteiligte sich die DDR mit staatlichen Mitteln beim Bau von 1.600 Wohnungen und der dazu gehörigen Infrastruktur. Das Solidaritätskomitee finanzierte aus Spendenmitteln den Bau und die Einrichtung einer Schule, von zwei Kinderkrippen und eines Kindergartens sowie der Berufsschule für Bauwesen.

Bestandteil aller realisierten Vorhanden war die Entsendung von DDR-Fachkräften (z.B. im Werkstattprogramm von 800 Handwerkern) sowie die projektbezogene Ausbildung und Qualifizierung von Vietnamesen sowohl vor Ort als auch in der DDR - und das auch noch viele Jahre nach Fertigstellung der jeweiligen Objekte.

Gestatten Sie mir, an dieser Stelle auch auf ein ernstes Problem hinzuweisen, vor dem wir in den 80er Jahren standen: Es ging um das kritische Verhältnis zwischen dem enormen Spendenaufkommen einerseits und den ökonomischen Möglichkeiten der DDR andererseits. Die wirtschaftliche Kraft und die wirtschaftlichen Ressourcen unseres Landes waren begrenzt. Somit wurde es zunehmend schwieriger, die Spendenbereitschaft auch in konkrete materielle Unterstützung z.B. für Vietnam umzusetzen. Große Projekte standen nun nicht mehr auf der Tagesordnung. Dennoch konnten unter großen Anstrengungen umfangreiche jährliche Lieferungen von dringend benötigten Gütern für das Orthopädiezentrum und das Krankenhaus fortgesetzt werden. Außerdem gingen Jahr für Jahr vor allem Schulmaterialien, medizinisches Verbrauchsmaterial, Nähmaschinen, Fahrräder, Waschpulver, Bekleidungsstoffe sowie Waren des täglichen Bedarfs per Schiff nach Vietnam.

Die materiellen Engpässe in der DDR führten dazu, dass von 1983 bis 1989 die Finanzierung des Studiums von jungen Menschen aus Entwicklungsländern an unseren Universitäten, Hoch- und Fachschulen und für die Berufsausbildung zu einem neuen Schwerpunkt der Solidaritätsarbeit wurde. In diesem Zeitraum trug das Solidaritätskomitee der DDR die gesamten Studiums- und Ausbildungskosten von Vietnamesen. Die jährliche Aufnahmekapazität betrug 165 Plätze zum Studium und 250 Plätze für die Berufsausbildung. Das war auf jeden Fall eine wichtige Investition in die Zukunft Vietnams. Insgesamt absolvierten in der DDR mehr als 3.000 Vietnamesen Universitäten, Hoch- und Fachschulen, 11.000 Vietnamesen erhielten eine Facharbeiterausbildung.

Summe summarum wäre festzustellen: Die DDR und ihre Bevölkerung haben eine riesige Leistung zur Unterstützung Vietnams vollbracht, auch wenn das aus der Sicht der enormen Bedürfnisse dieses Landes zu relativieren wäre. Die moralische Wirkung dieser Hilfe auf die Menschen in Vietnam kann dagegen nicht hoch genug gewertet werden. Sie stärke den Mut und den Willen, die Feinde militärisch zu besiegen, die Hinterlassenschaften des Krieges zu überwinden sowie mit großem Fleiß und zielbewusst ein neues Leben aufzubauen.

Den Blick zurück auf die DDR zu richten, um Antworten für die Zukunft zu finden, wäre bei meinem Thema unvollständig, ohne der Frage nachzugehen, wie es heute bei uns um die Solidarität bestellt ist.

Ohne lange Erklärungen ist festzustellen: Mein Verein, der "Solidaritätsdienst - international e.V." (SODI), wurde 1990 gegründet und verstand sich in gewisser Weise als Nachfolger des Solidaritätskomitees der DDR. Er setzte die Tradition der solidarischen Hilfe auch in Vietnam fort, um den Menschen zu helfen, die Kriegsfolgen und die daraus entstandene Armut zu überwinden. SODI knüpft nahtlos an die tief verwurzelten Gefühle der humanitären Hilfe und der Solidarität an. Allerdings gab es beim Spendenaufkommen dramatische Einbrüche, weil die Wirtschaft in unserem Teil Deutschlands und damit auch die Existenzgrundlagen vieler Menschen in kurzer Zeit zunichte gemacht wurden. Aber die systematische Präsenz von SODI hat dazu beigetragen, den Solidaritätsgedanken wach zu halten und ihm eine neue Orientierung zu geben. Somit konnte auch neue Menschengruppen erreicht werden. Das Ergebnis ist: Trotz aller Widrigkeiten stieg das Spendenaufkommen nach und nach wieder an. Die Leistungen für Vietnam wurden sowohl aus steigenden Spendeneinnahmen als auch durch ergänzende finanzielle Zuwendungen ermöglicht.

Es war auch kein Zufall, dass SODI in Vinh, der Partnerstadt der DDR, die neue Projektarbeit begann und bis heute fortsetzt. Dabei nutzten wir die Erfahrungen aus der DDR-Zeit und brachten einen neuen, äußerst wichtigen Faktor zum Tragen. SODI konnte und kann nun im Unterschied zu früher die D-Mark bzw. den Euro als konvertierbare Währung einsetzen. Die Hilfsprojekte werden direkt vor Ort in enger Zusammenarbeit mit vietnamesischen Kräften und Organisationen sowie gemeinsam mit der Bevölkerung geplant, vorbereitet und realisiert. Dadurch ist unser Verein immer in der Lage, auch für die kleinste Geldspende einen konkreten Empfänger und ein konkretes Projekt zu benennen. Das war eine der Voraussetzungen für den ständigen Anstieg der Spenden auf dem Konto von SODI.

Außerdem haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und nach 1990 funktionstüchtige medizinische Geräte und sehr gut erhaltene Ausrüstungen gesammelt und in großen Containern auch nach Vietnam geschickt. Bekanntlich wurden damals ganze Krankenhäuser geschlossen bzw. völlig neu ausgestattet auch dann, wenn es sich um nagelneue und hochwertige Aggregate und Einrichtungsgegenstände handelte.

SODI hat sich durch seine Aktionen und Dank der Spenden aus der Bevölkerung vor allem der so genannten neuen Bundesländer eine feste Position erarbeitet und zwar sowohl in Gesamtdeutschland als auch in Ländern Asiens und Afrikas sowie mit Abstrichen auch in Lateinamerika. Das Kürzel SODI ist in Vietnam im Laufe der vergangenen 20 Jahre sozusagen zu einem Markenzeichen für die solidarische und humanitäre Hilfe aus Deutschland geworden.

Lassen Sie mich das zum Abschluss meines Vortrages an einem konkreten Beispiel veranschaulichen, welches für sich genommen alle bisherigen Projekte an Größe, Wirkung und Nachhaltigkeit weit übertrifft.

Als einziger ostdeutscher Verein ist SODI Mitglied der Aktionsgemeinschaft gegen Landminen. In dieser Rolle trat unser Verein mit einem Projekt hervor, welches seine eigenen Erfahrungen und Kompetenzen bei humanitären Hilfsprojekten mit dem Kampf gegen Landminen und deren Folgen verbindet.

In Quang Ti, der nördlichsten Provinz des ehemaligen Südvietnam unmittelbar am 17. Breitengrad startete unser Verein das integrierte Programm zur Räumung von Minen und Blindgängern aller Art sowie zur Wiederansiedlung von zunächst zwei Dörfern, deren Gebiete von us-amerikanischen Stützpunkten besetzt und verwüstet worden waren. Dieses Programm läuft seit über 10 Jahren und hat bis einschließlich 2007 folgende Ergebnisse gebracht: Beseitigung von 40.177 Minen und Blindgängern bei der Räumung von 765,4 ha Land, den Aufbau von drei Dörfern auf dem geräumten Territorium für 219 Familien - natürlich mit Wohngebäuden, Wasser und Stromversorgung, Straßen und Wegen, Schulen und Kindergärten sowie neuen Existenzbedingungen durch Ackerland und Starthilfen für Nutzvieh, Pfeffer- und Kautschukanbau. Aus den von der Aktionsgemeinschaft gegen Landminen erwirkten Mittel zur weltweiten Minenräumung beim Auswärtigen Amt konnten bis zu diesem Zeitpunkt 5,5 Millionen Euro für die Räumung eingesetzt werden. Für die Finanzierung der Wiederansiedlung wurden Mittel in Höhe von 1,02 Millionen Euro und davon 375.742 Euro aus Spendemitteln bereitgestellt.

Lassen Sie mich noch folgendes hinzufügen:

Wir haben die Hoffnung auch unter schwierigsten Bedingungen niemals aufgegeben.

Die Überlebensfähigkeit und Leistungsstärke von SODI ist eines der Beispiele dafür, dass die Solidarität tiefe Wurzeln hat und weitergeht.

Monika van der Meer


Anmerkung

(11) Monika van der Meer: 1980-1990 Mitarbeiterin für Asien im Solidaritätskomitee der DDR, bis 2002 Projektmanagerin beim Solidaritätsdienst-international (SODI) für Vietnam, Laos und Kambodscha. Mitglied im Solidaritätsdienst-international e.V. (SODI)


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Ley Ngardigal(12): Dank für die solidarische Hilfe der DDR für die den Imperialismus bekämpfenden Völker Afrikas

An die Kommunisten und progressiven und revolutionären Kräfte Deutschlands und der früheren Deutschen Demokratischen Republik, an die Kommunisten Afrikas, Asiens, des Mittleren Ostens und Amerikas.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Gäste,

im Namen unserer Partei ACTUS/PRPE überbringen wir unsere kommunistischen und antiimperialistischen Grüße an alle, die hier in Berlin anwesend sind an diesem bedeutenden Tag des 10. Oktober 2009. Wir sind froh, euch auf diesem deutschen Boden zu begegnen, jenem Boden, auf dem der Marxismus geboren wurde, der zum Kompass aller unterdrückten Völker und Arbeiter der ganzen Welt wurde. Diese Lehre ist die wahrhaft offensive Waffe gegen den Kapitalismus und für die Befreiung der Völker und der Arbeiterklasse.

Wir bedanken uns besonders bei den Redaktionsgenossen der Zeitschrift "offen-siv", den Genossen der KPD-B und der "Kommunistischen Initiative" für die wichtige Entscheidung, die Feier zum 60. Geburtstag der Gründung der DDR zu organisieren.

Diese erste deutsche Arbeiterstaat wurde am 07. Oktober 1949 gegründet, nachdem das deutsche Volk, unterstützt von der glorreichen Roten Armee der UdSSR - angeleitet durch den Oberbefehlshaber Stalin, der treueste theoretische und praktische Erbe und würdige Nachfolger Lenins - den Sieg über den Faschismus davongetragen hatte.

Liebe Genossinnen und Genossen, im April 1946 vereinigten sich die Kommunistische Partei Deutschlands, KPD, und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, SPD, um die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) zu gründen. Diese Einheit im Kampf gegen die hinterhältigen imperialistischen Pläne hat es erlaubt, den Sozialismus in der DDR aufzubauen und das Land innerhalb kürzester Zeit in eine für unsere Begriffe wohlhabende, entwickelte und industrialisierte Sozialistische Republik zu verwandeln.

Dabei müssen wir bedenken, dass am Ende des faschistischen Krieges die Industrie der zukünftigen DDR zu 45 % zerstört worden war. Diese ökonomische und soziale Dynamik hat es nach eigenen Angaben der Imperialisten erlaubt, dass die junge Republik zur zehnstärksten wirtschaftlichen Macht der Welt aufsteigen konnte. Trotz ihres Hasses auf den Sozialismus und ihre Versuche, diesen Aufstieg zu behindern, waren sie dennoch gezwungen, diese Leistung der DDR anzuerkennen.

Zwanzig Jahre nach Verschwinden der DDR und trotz aller Häme und Verleumdungen gegen die Errungenschaften des Sozialismus, trotz aller Propaganda durch das kapitalistische System betrachtet die Bevölkerung heute die unleugbaren Wohltaten des Sozialismus, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt und seine Erfüllung anstrebt, welches auch immer seine soziale Herkunft sei, mit großer Nostalgie.

Die Errungenschaften des Sozialismus wie das Schulwesen, die kostenlose medizinische Versorgung, das lebenslange Recht auf einen unkündbaren Arbeitsplatz mittels der Vergesellschaftung der Produktionsmittel in der DDR sind durch den Kapitalismus zerstört worden.

Dieser anerkennt als einzige Werte und Prinzipien den Profit und die Rentabilität und dies auf Kosten der Zukunft des Menschen, der als simple Ware betrachtet wird.

Die Überlegenheit des Sozialismus über den Kapitalismus, was die Entfaltungsmöglichkeit des Menschen und die nachhaltige Entwicklung der Länder des Südens anbelangt, braucht nicht mehr bewiesen zu werden.

In der Tat, dank der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1917 wurde die UdSSR, ein früher rückständiges Land, zu einer sozialistischen Großmacht unter Führung Stalins, bevor sie seit dem Tode Stalins am 5. März 1953 schrittweise unterminiert und schlussendlich zerstört wurde durch die verräterischen Chrustschowisten.

Es war der chrutschowistische Chefkommandant Gorbatschow, der der UdSSR am 25. Dezember 1991 den Todesstoß versetzt hat. 38 Jahre Sabotage und Wühlarbeit hat es gebraucht, bis die Verräter ihr Ziel, den ersten sozialistischen Arbeiterstaat zu vernichten, erreichen konnten. Dies zeigt die Stärke des immerhin noch jungen Sozialismus gegenüber dem viel älteren Kapitalismus.

Wir bedauern natürlich das Verschwinden dieses großen sozialistischen Staates, der den unterdrückten Völkern der Welt so beispiellos geholfen hat in ihrem Kampf gegen das Joch des Imperialismus.

Liebe Genossinnen und Genossen, die Überlegenheit und Notwendigkeit des Sozialismus für die Länder des Südens im Kampf gegen Imperialismus und für eine allseitige Entwicklung zeigen sich heute am deutlichsten im sozialistischen Kuba Fidel Castros und Che Gueveras, seit dem die Revolution 1959 den Sieg davon getragen hat. In der Tat, trotz der ökonomischen Blockade seitens der USA und dem Verschwinden des sozialistischen Lagers leistet Kuba auch weiterhin Widerstand und bewahrt so die Errungenschaften des Sozialismus. Das kubanische Volk hält auch weiterhin an seiner Devise "Sozialismus oder Tod" fest und handelt entsprechend. Die Solidarität mit dem kubanischen Volk ist für uns im Namen des proletarischen Internationalismus Pflicht.

Andere Länder, wie die sozialistische Republik Vietnam und die Volksdemokratische Republik Korea setzten den Aufbau des Sozialismus unter für den antiimperialistischen Kampf schwierigen Bedingungen fort.

In Lateinamerika haben Venezuela unter Hugo Chavez, Bolivien unter Morales den Sozialismus angenommen, der es ihnen erlaubt, der imperialistischen Aggression seitens der USA und ihren örtlichen Helfershelfern die Stirn zu bieten. Diese Regierungen werden von ihren Völkern tatkräftig unterstützt, die ihre sozialen Errungenschaften damit erfolgreich verteidigen.

In Afrika kämpfen die Völker gegen jene Diktatoren, die ihnen durch den französischen Imperialismus aufgezwungen wurden. Dies ist unter anderem der Fall in meiner Heimat, dem Tschad, wo die Kräfte des nationalen Widerstandes mit der Waffe in der Hand gegen General Deby kämpfen. Dieser wird seit 20 Jahren von Frankreich unterstützt und an der Macht gehalten mittels wiederholtem Eingreifen der französischen Truppen, die in drei Basen im Tschad stationiert sind. Im nationalen Befreiungskampf hat sich unsere Partei ACTUS/PRPE der Bewegung des bewaffneten Kampfes angeschlossen.

Der Sudan, der Iran und Nordkorea beugen sich nicht den Befehlen und Drohungen der westlichen Mächte. Sie lehnen die Politik der Unterwerfung ab und betreiben eine unabhängige Entwicklungspolitik. Daher sind sie zu den schlimmsten Feinden des westlichen Imperialismus geworden. Schlussendlich hat unlängst die Feier des 60. Jahrestages der Gründung der Volksrepublik China gezeigt, dass dank der sozialistischen Revolution, geführt von der KP unter Mao, das Land sich aus dem Zustand der Unterentwicklung und der Herrschaft der imperialistischen Mächte befreit hat.

Liebe Genossinnen und Genossen, diese paar Beispiele zeigen die Legitimität und Lebensfähigkeit des Sozialismus.

Es liegt vor allem an uns, unsere Kommunistischen Parteien zu stärken und den proletarischen Internationalismus anzuwenden im Rahmen einer breiten fortschrittlichen Front - gemeinsam mit allen antiimperialistischen Ländern und Organisationen. Eine solche minimale Plattform wird unseren gemeinsamen Kampf und die Sache der Völker voranbringen in dieser ersten Phase unserer Anstrengungen nach der Konterrevolution in Europa.

Liebe Genossinnen und Genossen, das Beispiel der Einheit von KPD und SPD zur SED angesichts des Imperialismus und für den Aufbau des Sozialismus muss uns bestärken, uns, die hier anwesenden Kommunisten und Sozialisten angesichts der beispiellosen Offensive des Imperialismus und des kapitalistischen Systems der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.

In der Tat: mehr denn je wird die internationalistische Solidarität der Unterdrückten, der Arbeiter der ganzen Welt, geführt von den Kommunisten, notwendig sein, um dieser imperialistischen Offensive stand zu halten.

Der Imperialismus startet in den Ländern des Nordens ökonomische Angriffe gegen die Arbeiter mittels ständig neuer Betriebsschließungen und den daraus resultierenden menschlichen Dramen. Er provoziert ständig neue Kriege und die Rekolonisation der Länder des Südens (Kriege und Besetzung durch die NATO in Afghanistan und die Besetzung des Irak durch die USA). Der Imperialismus eröffnet ständig neue Fronten gegen die Völker des Tschad, des Sudan, der Demokratischen Republik Kongo, Zentralafrikas...

In den Ländern des Nordens hat der Kapitalismus mittels seiner Militärmaschinerie NATO mit Waffengewalt Jugoslawien zerstört und vor allem Serbien, dessen Präsident Slobodan Milosevic dem Druck der kapitalistischen Liberalisierung nicht nachgeben wollte.

Schlussendlich werden wir Zeuge der kriegerischen Provokationen gegen den Iran, Zimbabwe, Venezuela, Bolivien, Syrien, die Volksdemokratische Republik Korea.und Russland, das die Mächte der NATO jetzt mittels Militärbasen in der gesamten Region zu umzingeln versuchen.

Die Feier des 60. Jahrestages der Gründung der DDR erinnert uns an die frühere aktive und positive Solidarität zwischen den Völkern des sozialistischen Lagers und denen der Länder des Südens. Die Befreiung der durch die westlichen Imperialisten kolonisierten Länder ist die Frucht der allseitigen internationalistischen Hilfe, die den Bewegungen der nationalen Befreiung zuteil wurde: MPLA in Angola, FRELIMO in Mosambique, PAIGC in Ginea-Bisseau, ZANU/PF in Zimbabwe, ANC in Südafrika, SWAPO in Namibia.

Die DDR hat enormes Ansehen gewonnen durch die solidarische Hilfe, die sie den Ländern des Südens auf allen Ebenen der Erziehung, der Gesundheit, der Landwirtschaft, der Verteidigung und der Sicherheit hat zukommen lassen. Die DDR allein hat so viele hochqualifizierte Spezialisten für die Länder des Südens kostenlos ausgebildet, wie alle westlichen Kolonialstaaten zusammengenommen. Diese Großherzigkeit, zusammen mit der erstaunlichen Entwicklung der DDR in Rekordzeit, zeugen von der Überlegenheit des sozialistischen Systems gegenüber dem Kapitalismus.

Diese Solidarität im Rahmen des sozialistischen Lagers war ihrerseits ein entscheidender Faktor im Erreichen der Stabilität und des Friedens in der Welt. Der Friede und die weltweite Stabilität sind heute auf eine gefährliche Weise bedroht durch die imperialistische Offensive, die als wahrer Grund das Verschwinden des sozialistischen Lagers und der UdSSR hat.

Dies bestätigt die Erkenntnis von Lenin: "Imperialismus heißt Krieg".

Das Verschwinden des sozialistischen Lagers in Osteuropa, symbolisiert durch den Fall der Mauer in Berlin am 9. November 1989, gefolgt von der Zerstörung des ersten sozialistischen Arbeiterstaates in der Welt am 25. Dezember 1991 - der UdSSR unter Lenin und Stalin - waren für die Völker des Südens eine wahre Katastrophe: diese waren fortan der Grausamkeit der Imperialisten ausgeliefert, ohne über die notwendigen logistischen Mittel zu verfügen, sich wehren zu können.

Die Völker des Südens werden der DDR, Präsident Honecker, der SED und den anderen Ländern des europäischen sozialistischen Lagers (UdSSR, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Jugoslawien, Tschechoslowakei, Polen, ­...), den asiatischen (VR China) und lateinamerikanischen (Kuba) sozialistischen Ländern für ihre wertvollen und uneigennützige Hilfe und internationalistische Solidarität ewig dankbar bleiben.

Liebe Genossinnen und Genossen, die Teilnahme unserer Partei ACTUS/PRPE an der Feier zum 60. Jahrestages der Gründung der DDR steht symbolisch für unseren ungebrochenen Willen und die Hingabe an die sozialistische Weltrevolution sowie an die Wiedergeburt des proletarischen Internationalismus.

Es ist dies ein starkes Zeichen, dass der Kommunismus, der Sozialismus und die marxistisch-leninistische Revolution auch heute sehr aktuell sind angesichts der Angriffe des Imperialismus und der kriminellen Folgen für die Völker.

Es lebe der Marxismus-Leninismus, es lebe die Sozialistische Revolution, es lebe der Kommunismus!

Ley Ngardigal (Übersetzung aus dem Französischen: Robert Medernach)


Anmerkung

(12) Ley Ngargigal: Vorsitzender der Action Tchadienne pour l'Unité et le Socialism / Partie Revolutionaire Populaire et Écologique (ACTUS/PRPE)


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Wolfgang Herrmann(13): DDR-Solidarität mit Nicaragua

Ein oberstes Gebot der Politik der DDR war die Solidarität. Die Trümmer des Zweiten Weltkrieges waren noch nicht beseitigt, da begannen Millionen Bürgerinnen und Bürger der DDR Solidarität mit anderen Völkern zu üben. Solidaritätsausschüsse entstanden, aus denen das Solidaritätskomitee der DDR hervorging.

Die Solidarität mit Nicaragua nahm einen besonderen Platz ein. Bereits vor dem Sieg der Sandinistischen Volksrevolution unterstützte die DDR die Sandinistischen Front der Nationalen Befreiung (FSLN). Das barg eine gewisse Brisanz in sich.

Nach dem Sieg der Revolution am 19. Juli 1979 entwickelten sich in beiden deutschen Staaten starke Solidaritätsbewegungen. Während in der DDR das Solidaritätskomitee die Koordinierung übernahm, waren es in der BRD vor allem die Gewerkschaften und die DKP, welche die Internationalisten organisierten.

Mit dem Sieg der Sandinistischen Volksrevolution war die Zukunft des Landes noch nicht entschieden. Wird es einen sozialistischen Weg einschlagen oder wird es ein "Nicaragua ohne Somoza" werden, wie das die USA-Administration und die nicaraguanische Oligarchie wollten?

Bereits Wochen vor dem Sturz Somozas war in Costa Rica der Regierungsrat der Nationalen Erneuerung gegründet wurden. Ihm gehörten Daniel Ortega von der Sandinistischen Front der Nationalen Befreiung (FSLN), Violeta Chamorro von der Demokratischen Befreiungsunion (UDEL), Sergio Ramirez von der Gruppe der Zwölf, Moises Hassan von der Volkseinheitsbewegung (MPU) und Alfonso Robelo von der Breiten Oppositionsfront (FAO) an. Sofort nach der Einsetzung des Regierungsrates am 19. Juli 1979 anerkannte die DDR Nicaragua und nahm am 20. Juli diplomatische Beziehung auf, noch vor der BRD, die im Gegensatz zur DDR eine Botschaft in Nicaragua hatte. Die Maschine, die in den Tagen des Sieges nach Managua unterwegs war, nahm auf ihren Rückflug verwundete Kämpfer der FSLN mit nach Berlin. Die Zeit der Soliflüge hatte begonnen.

Wochen später trat Gerhard Möckel das Amt des ersten DDR-Botschafters in Nicaragua an. Das Beglaubigungsschreiben nahm übrigens Frau Chamorro entgegen, die 1980 mit Robelo den Regierungsrat verließ und 10 Jahre später eine Allianz aus 17 Parteien gegen die FSLN im Wahlkampf anführte. Ab 1980 musste die FSLN allein regieren. Die Sandinistische Volksrevolution trat in eine neue Phase ein. Die FSLN begann davon zu sprechen, dass die UdSSR und die sozialistischen Länder ihre strategischen Verbündeten wären. Nicaragua geriet ins Sperrfeuer der Systemauseinandersetzung. Die USA-Administration und die nicaraguanische Oligarchie organisierten den Contrakrieg und das Wirtschaftsembargo. Die USA wurden dafür vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu 17 Milliarden Dollar Schadensersatz verurteilt. Bis heute ist kein Dollar geflossen.

In diesem Spannungsfeld leistete die DDR Solidarität mit Nicaragua. Sie erstreckte sich auf alle Gebiete des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens, ohne Vorbedingungen. Eine Gemischte Kommission wurde eingerichtet, welche die Wirtschaftshilfe der DDR an Nicaragua auf Regierungsebene koordinierte. Die DDR gewährte Nicaragua Kredite in Dollar und DM. Jährlich erhielt das Land ein so genanntes Regierungsgeschenk in Form von Waren. Für technische Geräte, LKW, Telefonanlagen und Sicherheitstechnik lieferte Nicaragua Baumwolle, Kaffee und Rum zu Präferenzpreisen. Die DDR stellte Nicaragua Ausrüstungen für Zuckerfabriken und Druckerein bereit. Die Druckerei der Tageszeitung der FSLN "Barricada" war ein Geschenk der DDR. Die Lieferungen der DDR an Nicaragua trugen dazu bei, dass jedes dritte Weizenbrot aus Getreide der DDR gebacken wurde, in Stadt und Land Werkstätten entstanden, in denen aus Stoffen, Zwirn und Nähmaschinen aus der DDR Bekleidung, vor allen für Kinder, genäht wurde.

LKW W 50 und Robur waren aus dem Straßenbild nicht wegzudenken. Die LKW W 50 fuhren für die Nationale Volksarmee (EPS) und Sonderkampfeinheiten (BLI). Das Ifa-Werk Ludwigsfelde hatte eine Service-Brigade in Managua.

Hunderte Spezialisten der DDR halfen und berieten in Ministerien und Instituten oder lehrten an den Universitäten Managuas. Eine Spezialistenbrigade half Nicaragua beim Aufbau eines effizienten Bildungssystems. In Jinotepe richtete die DDR die Ausbildungsstätte "Ernesto Thälmann" ein. Spezialisten aus der DDR bildeten dort junge Nicaraguaner in verschiedenen Berufen aus. Und dann kam das Hospital "Carlos Marx". Zunächst war es als Feldlazarett gedacht. Als die nicaraguanische Regierung aber bat, daraus ein stationäres Krankenhaus zu machen, hatte die DDR-Führung kein Problem, diesem Wunsche zu entsprechen. Es begann mit Zelten und Containern und endete mit der Montage fester Gebäude. Hunderte Ärzte, Schwestern, Krankenhelfer und Techniker leisteten dort eine aufopferungsvolle Arbeit.

Auch an der überraschenden Geldumtauschaktion, die 1987 den Dollarspekulanten den Atem nahm, hatte die DDR ihren Anteil.

Kinder aus Nicaragua verbrachten Ferien in der DDR. Junge Nicaraguaner studierten an Hoch- und Fachschulen sowie Universitäten der DDR.

Die DDR half nicht nur wirtschaftlich und finanziell, sondern auch politisch und diplomatisch. In der UNO und deren Organisationen sowie auf internationalen Kongressen unterstützten die DDR-Vertreter die Positionen Nicaraguas. Reisten die Vertreter Nicaraguas in die sozialistischen Länder, aber auch in Nichtblock-Länder, dann waren sie mit der Interflug unterwegs. Berater aus der DDR halfen bei der Entflechtung der Strukturen der politisch-militärischen Organisation der FSLN. Spezialisten unterstützten den Aufbau von Geschichtsinstituten und Museen.

In der DDR wurde über die Entwicklung in Nicaragua berichtet. Bücher wie "Nicaragua - Dokumente einer Revolution" oder "Kurze Geschichte der sandinistischen Revolution" von Dr. Malte Letz, "Blüte aus Feuer" von Peter Hamann, "Christen in der Revolution" von Margaret Randall, "Nikaragua - so gewaltsam sanft" von Julio Cortázar, "Wie ein Vulkan" von Christiane Barckhausen, "Als die Muchachos kamen" von Thomas Billhardt und Peter Jacobs seien hier als Beispiel genannt. Der berühmte "Canto Epico al FSLN" ist 1984 anlässlich des Festivals des Politischen Liedes in Berlin uraufgeführt worden.

Stellvertretend für die Solidarität der DDR zeichnete Präsident Daniel Ortega anlässlich des 29. Jahrestages des Sieges der Sandinistischen Volksrevolution 2008 Margot Honecker mit dem Ruben-Dario-Orden aus. Man muss nicht kommentieren, wie das von der bundesdeutschen Politik und Medienlandschaft aufgenommen worden ist. Die Linkspartei trug ihren Senf dazu bei.

Auch Solidaritätsgruppen aus der BRD leisteten Beachtliches in Nicaragua. Internationalisten von Gewerkschaften und DKP halfen in der Alphabetisierungskampagne, beim Aufbau von Gesundheitsstützpunkten oder in den Kaffeeernten. Eine Brigade der DKP baute die Druckerei "Los Muchachos" in Managua auf und unterhielt sie. Der westdeutsche Internationalist Berndt Koberstein, Mitglied der DKP, wurde von Contras ermordet. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof von Matagalpa. In Matagalpa gibt es heute eine Schule "Berndt Koberstein" und einen Kindergarten "Berndt Koberstein". In der offiziellen bundesdeutschen Presse fand und findet man darüber kein Wort.

In diesem Jahr beging das nicaraguanische Volk den 30. Jahrestag des Sieges der Sandinistischen Volksrevolution. Aus diesem Anlass erschien im Christoph Links Verlag das Buch "Aufbruch nach Nicaragua".

Es stellt sich die Aufgabe, die Solidarität mit Nicaragua in den 80er Jahren im Licht der Systemauseinandersetzung zu betrachten. Herausgekommen ist eine einseitige Zeitgeistgeschichte. Die Solidarität wird in die staatlich verordnete der DDR und in die von Herzen kommende der unabhängigen Gruppen unter dem Dach von INKOTA, dem ökumenischen Netzwerk für Frieden und Gerechtigkeit der evangelischen Kirche der DDR geteilt. Es wird behauptet, dass deren "spontan gebildeten Soli-Gruppen an der Basis nicht in den offiziellen Planbetrieb integriert waren und ihr Engagement oft auch noch mit einer Kritik an der wenig durchschaubaren Arbeit des staatlichen Solidaritätskomitees der DDR verbanden".

An anderer Stelle wird geschrieben: "Während die Unterstützung von staatlicher Seite oft durch ökonomische Interessen vermittelt war, gab es in der Bevölkerung große Sympathien für den politischen Weg der Sandinisten. So entstand die engagierte Arbeit von unabhängigen Nicaragua-Soligruppen." Das schlägt den Fass den Boden aus. Wenn die Sympathien für den politischen Weg der Sandinisten so groß waren, dann frage ich, warum sie von INKOTA nach der Wahlniederlage der FSLN 1990 nicht aufrecht erhalten worden ist.

Und noch ein Zitat: "Insgesamt gab es ein halbes Dutzend unabhängiger Nicaragua-Solidaritätsgruppen, die in fünf Städten bestanden: Leipzig, Jena, Potsdam, Berlin und Magdeburg. Dies scheint, gemessen an der breiten Bewegung in der Bundesrepublik, ausgesprochen wenig." Von welcher breiten Bewegung ist hier die Rede? Ich hatte in Nicaragua Kontakt zu Internationalisten aus der BRD. Sie bedauerten sehr, dass der bundesdeutsche Staat nichts tat.

Im Buch wird nicht erwähnt, dass zur "breiten Bewegung in der Bundesrepublik" auch die "Solidarität" des bürgerlichen Lagers gehörte. In der Sendung "Die Lange Nacht" vom Deutschlandfunk am 29. und 30. September 1995 berichtet Frau Hildegard Staußberg, damals Chefredakteurin der Deutschen Welle, langjährige Korrespondentin für Mexiko und Zentralamerika, darüber, wie die offizielle Bundesrepublik den nicaraguanischen Unternehmerverband COSEP und die Contra unterstützte. In der gleichen Sendung sprach Michael Sommer von der CDU. Er gründete Mitte der 80er Jahre die konservative Nicaragua-Gesellschaft gemeinsam mit jungen Christdemokraten, die der Auffassung waren, das deutsche Bild von Mittelamerika sei verzerrt - sprich zu stark links eingefärbt. In Nicaragua waren die Stiftungen Konrad Adenauer, Friedrich Ebert und Friedrich Naumann aktiv. Der Sandinistischen Volksrevolution haben sie nichts gebracht.

Im Buch wird bemäkelt, dass "Hilfe und Unterstützung für Entwicklungsländer mit dem ökonomischen Nutzen für die DDR zu verbinden" waren. Nun ist es nicht so, dass die Bundesregierung Nicaragua ohne ökonomischen Nutzen unterstützt hätte. Sie unterstützte sie gar nicht. Die strenge Einforderung der Rückzahlung der teuren Kredite - um 730 Millionen Valutamark soll es gegangen sein - nahm 1991 der Kanzler der von Herzen kommenden Solidarität vor, als er von Frau Chamorro die Rückzahlung der DDR-Kredite verlangte und davon sowie von der Einführung der Demokratie nach westlichem Vorbild weitere Unterstützung abhängig machte. War das eine großzügige Hilfe für das nicaraguanische Volk nach dem Geschmack der unabhängigen Solidaritätsgruppen von INKOTA? Ich habe 1990 den unwürdigen Streit um das Erbe des Solidaritätskomitees der DDR miterlebt. Es ging dabei weniger um die Weiterführung der Solidarität, sondern um die Verteilung der finanziellen Fonds.

Die Solidarität der DDR mit Nicaragua hat Erben. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit von SODI Solidaritätsdienst International, der aus dem Solidaritätskomitee der DDR hervorging. Unser Verein unterstützt mit seinen bescheidenen Mitteln das von SODI betreute Projekt des Deutsch-Nicaraguanischen Krankenhauses, das einmal "Carlos Marx" hieß.

Unser Verein Nueva Nicaragua besteht seit 2007. Vorher waren wir der Freundeskreis Nicaragua Libre. Seit 1990 traf sich eine Gruppe, bestehend aus Diplomaten, Beratern und Spezialisten, die in den 80er Jahren in Nicaragua waren. Wir verfolgten die Entwicklung in Nicaragua und spendeten.

2004, anlässlich des 25. Jahrestages des Triumphes organisierte der Freundeskreis ein größeres Treffen, junge Welt und neue zeit berichteten darüber. Danach erschien erst unregelmäßig, seit Juli 2006 monatlich unsere Zeitschrift informe. 2006 trafen wir uns erneut im "großen Kreis".

Wir nehmen an den Festivals der Solidarität in Berlin teil. 2009 waren wir das erste mal beim Friedensfest in Graal-Müritz. Unser Vereinsmitglied, die Malerin Erika Lahmann, weilte 1994/95 für ein paar Monate in Nicaragua. Sie malte über 100 Bilder mit nicaraguanischen Motiven. 2008 organisierte die nicaraguanische Botschaft dazu eine Bilderausstellung.

Ich denke, dass die Solidarität der DDR mit Nicaragua aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden kann. Es kommt immer darauf an, wer "oben" und wer "unten" ist. Und noch eins: Wenn heute von Solidarität mit Völkern der Erde, die um ihre Unabhängigkeit kämpfen, gesprochen wird, dann ist vorrangig von materiellen Dingen die Rede. Ich vertrete den Standpunkt, dass unsere vordringliche Solidarität mit diesen Völkern darin bestehen muss, für andere gesellschaftlichen Verhältnisse in der BRD zu kämpfen, damit diese Länder nicht mehr Spielball der Interessen der Imperien sind, wie Daniel Ortega zu sagen pflegt. Er sagt auch, dass unsere Mutter Erde allen gehört und dass alle Völker das Recht haben, frei, souverän und gleich-berechtigt ihre Wege ziehen zu können.

Von solch einer Solidarität sind die Linken der BRD, darunter auch die Kommunisten, weit entfernt.

Solidarität ist eine Klassenfrage und keine Kategorie des Kapitals.

Wolfgang Herrmann, Dreesch


Anmerkung

(13) Wolfgang Herrmann war u.a. Berater der SED bei der FSLN in Nicaragua.

Raute

I. WAS WIR VERLOREN HABEN / Teil 3: Die DDR in Europa.

Zbigniew Wiktor(14): Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik 1949 - eine Fortsetzung der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in Russland

Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik am 7. Oktober 1949 war für Polen (und natürlich auch weit über Polen hinaus) ein historischer Umbruch in den Beziehungen zum deutschen Volk. Für Polen war es ein Neuanfang nach einer rund tausendjährigen Geschichte der für Polen sehr unheilvollen deutsch-polnischen Beziehungen.

Über diese Beziehungen haben in der Vergangenheit schon viele Historiker festgestellt, dass ihr Inhalt eine ständige Konfrontation war zwischen dem deutschen Drang danach, so genannte Ostgebiete zu erobern und zu kolonisieren und der polnischen Selbstverteidigung.

Diese ständige Bedrohung durch die deutschen Expansionsbestrebungen hatten schon immer zwei Gesichter: es gab die militärisch-politische Form und die wirtschaftlich-kulturelle Form des Kampfes. Beide wurden schon früh als Mittel der Germanisierung benutzt, und beide waren und sind gefährlich für das polnische Volk, für die Unabhängigkeit seines Staates und seine Souveränität.

Diese Ostexpansionspolitik Deutschlands wurde während der Feudalzeit über Jahrhunderte von den sächsischen und brandenburgischen Markgrafen, dem Deutschen Orden und dem so genannten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation betrieben. Fortgesetzt in verschärfter und gefährlicherer Form wurde diese Politik im Zeitalter des innerhalb der Feudalherrschaft erstarkenden Bürgertums vom preußischen König Friedrich dem II (dem Großen). Er war der Architekt der Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795, die er mit Hilfe des zaristischen Rußlands und des habsburgischen Österreichs vollbrachte. Es gab keinen polnischen Staat mehr.

Im 19. Jahrhundert dann, mit der Entwicklung des deutschen Imperialismus, begann eine neue Ära der Unterdrückung der polnischen Bevölkerung. Kanzler Otto von Bismarck tat sich hier mit besonders brutaler und raffinierter Verfolgung dessen hervor, was er Polentum nannte. Noch schärfere Unterdrückung brachte die darauf folgende Politik des deutschen Kaisertums, aus welcher der Erste Weltkrieg resultierte. In der Zeit vor diesem Krieg erlitt das polnische Volk innerhalb des Deutschen Reiches große Verluste auf ökonomischen Gebiet, ebenso auf kulturellem Gebiet durch eine Politik der systematischen Germanisierung mittels Armee, Verwaltung, Kirche und Schule. Die polnische Sprache wurde aus dem öffentlichen Leben verbannt und durfte nur noch innerhalb der Familien gesprochen werden. Aus diesen Gründen wuchs in der polnischen Bevölkerung der Hass auf das Deutsche Reich, auf das Preußentum und es entwickelte und organisierte sich innerhalb der polnischen Bevölkerung der Kampf um einen eigenen, unabhängigen Staat. Nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg konnte dieser neue polnische Staat realisiert werden.

Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte der deutsche Imperialismus eine neue Phase des Revanchismus, dessen gesellschaftliche Durchsetzung die faschistische Hitlerbewegung übernahm. Der Faschismus, die NSDAP, der Führer, das war die offene Diktatur des deutschen Großkapitals, gerichtet gegen die eigene Arbeiterklass, gegen das eigene Volk und gegen die Völker der Welt, insbesondere gegen das jüdische und die slavischen Völker, darunter auch das polnische. Der Drang des deutschen Imperialismus zur Ostexpansion entwickelte sich ungebremst und bedrohte das junge Polen aufs Neue.

Am 1. September 1939 ging erneut von deutschem Boden Krieg aus - mit dem Überfall auf Polen löste das faschistische Deutschland den Zweiten Weltkrieg aus. Der polnische Staat ist binnen eines Monates, des Septembers 1939, vernichtet worden. Das polnische Volk hat 90.000 Soldaten und Offiziere verloren, rund 600.000 polnische Soldaten wurden verwundet. In den großen Städten wie z.B. in Warschau gab es unermesslichen ökonomischen Schaden durch die barbarische Bombardierung ziviler Objekte wie Krankenhäusern, Schulen, Kirchen, Wohnhäuser usw., ein übriges taten die systematischen Massenvernichtungen. Die polnische Wirtschaft war als eigenständiger Faktor zerstört, Polen wurde erneut geteilt.

Die Westgebiete wurden in das Deutsche Reich eingegliedert, die Zentralgebiete bekamen eine militärische Besatzung in Form eines Protektorates, genannt: Generalgouvernement. In beiden Gebieten wurden die Polen rassistisch verfolgt. Es gab so genannte "Volksdeutschen-Listen", d.h. Polen mit deutschen Vorfahren wurden "germanisiert" und damit bevorzugt, die Mehrheit der polnischen Bevölkerung wurde als billige Arbeitskraft für die deutsche imperialistische Wirtschafts- und Kriegsmaschinerie betrachtet. Die polnische Intelligenz wurde systematisch verfolgt und vernichtet. Die Polen hatten keine Bürgerrechte und waren offiziell Staatenlose - sie wurden behandelt wie Einheimische in Kolonialgebieten. Hunger, Not, Elend und Krankheit waren an der Tagesordnung, denn die "Kriegswirtschaft" wurde eingeführt. Sie beinhaltete Verpflichtung zu unentgeltlicher Zwangsarbeit, jeder Liter Milch musste angegeben, jedes Schwein registriert und selbstverständlich alles abgegeben werden. Auf illegales Schlachten stand die Todesstrafe. Die Rationierung der Lebensmittel im Generalgouvernement Polen sah täglich für die so genannten "Volksdeutschen" 2.000 bis 2.500 Kalorien vor, für die polnische Bevölkerung 1.000 Kalorien und für die jüdische Bevölkerung in den Ghettos durchschnittlich 200 Kalorien. Dem entsprechend war die Lage der jüdischen Bevölkerung besonders schwierig, sie wurde schnell dezimiert in den Ghettos und später in den Konzentrations- und Vernichtungslagern.

Trotz dieser dramatischen Verfolgung haben die Polen den Kampfeswillen nie verloren, stattdessen leisteten sie den Besatzern ständigen harten Widerstand, es entstand eine breite Partisanenbewegung, es gab Sabotageakte und es wurde während der Zwangsarbeit bewusst und gezielt Ausschuss produziert.

Reguläre polnische militärische Einheiten entstanden in Frankreich und wurden nach dessen Niederlage im Mai/Juni 1940 in England wiedergegründet. Seit Ende September 1939 organisierte nämlich General Wladyslaw Sikorski erst in Frankreich und später in England die polnische Exilregierung, die den ständigen Kampf gegen Hitlerdeutschland durch die Landesarmeen und die Außenarmee in England organisierte. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion bildete sich auf sowjetischem Territorium sehr schnell eine polnische Armee, die während des Zweiten Weltkrieges in den Iran, den Irak und nach Palästina verlegt wurde und aktiv an den Kämpfen gegen die faschistische deutsche Wehrmacht in Libyen und in Italien teilnahm. Außerdem gab es seit 1943 in der Sowjetunion eine neue polnische Armee unter der Leitung des Bundes Polnischer Patrioten und polnischer Kommunisten. Sie hat gemeinsam mit der Roten Armee gegen den Hitlerfaschismus gekämpft und am Ende des Krieges haben zwei polnische Armeen den Durchbruch durch die Seelower Höhen Richtung Berlin und nach Sachsen in Richtung Dresden mit erkämpft. Die andere polnische Armee, geführt von der Exilregierung in England, hat als polnische Westarmee gegen die Wehrmachtseinheiten an der Italienfront, in Holland und später in den deutschen Westgebieten gekämpft. Polnische Einheiten haben ständig gekämpft, vom 1. September 1939 bis zum 8. Mai 1945.

Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges sind ungefähr 6 Millionen polnische Bürger umgekommen - an den Fronten oder in Konzentrations- und Vernichtungslagern. Rund 40% der polnischen Wirtschaft und ihrer Ressourcen sind vernichtet worden. Der ganzen Welt ist der Name Lidice in der Tschechischen Republik als Beispiel für den Vernichtungskrieg und die Vergeltung durch die deutschen Faschisten bekannt. In Polen zählten wir nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als 600 verbrannte und vernichtete Dörfer und Kleinstädte. Und in den Großstädten wie Warschau, Wroclaw, Gdansk und anderen waren etwa 70% der Gebäude durch die Bombardierungen und die Brandkommandos der Faschisten vernichtet. Der Vernichtungskrieg und die rassistische Besatzungspolitik haben aber nicht nur materiellen Schaden angerichtet. Es gab große, zum Teil unwiederbringliche moralische, geistige und kulturelle Verluste.

Liebe Genossinnen und Genossen, nun fragt Ihr Euch wahrscheinlich, warum ich so lange über dieses schreckliche und dramatische Schicksal des polnischen Volkes spreche, wo doch das Thema Lautet: "Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik". Ich habe so ausführlich davon gesprochen, weil der Zweite Weltkrieg und die unmenschliche Politik Hitlerdeutschlands nicht nur gegen Polen überall einen großen Hass und ein Vergeltungsgefühl gegen Deutschland und alle Deutschen hervorrief. Nach dem zweiten Weltkrieg war es deshalb sehr schwierig mit einer guten deutsch-polnischen Nachbarschaft oder gar einer Zusammenarbeit. Es dauerte einige Zeit, bis ein neues Bewusstsein entstand. Dank der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik konnten die Vorurteile aber doch recht schnell überwunden werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand eine neue politische und militärische Situation. Der Hitlerfaschismus und mit ihm der deutsche Imperialismus erlebte Dank der Roten Armee und der Westalliierten eine vernichtende Niederlage. Der deutsche Imperialismus wurde wesentlich geschwächt und seine Expansionsmöglichkeiten wurden für viele Jahre gestoppt. Obwohl die gemeinsame Politik der Anti-Hitler-Koalition schnell zerbrach und die Westalliierten die Kooperation durch den Kalten Krieg ersetzten, wurden in der sowjetischen Besatzungszone konsequent alle Forderungen des Potsdamer Abkommens erfüllt. Der Antifaschismus, die Demilitarisierung, die Dekartellisierung der Wirtschaft und die Demokratisierung haben neue politisch-ideologische Grundlagen gelegt für den Weg der Volksdemokratie und den Aufbau des Sozialismus in der DDR.

Die führende Kraft dieser Politik war die Sowjetunion, genauer die KPdSU mit ihrer klaren, klassengebundenen marxistisch-leninistischen Ideologie. Dank dieser Politik haben in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands die kommunistischen und sozialistischen Kräfte unter der Leitung der neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands sowie des links-revolutionären Flügels der SPD und anderer demokratischer Kräfte, die gemeinsam im Rahmen einer demokratischen Front agierten, die Geburt eines neuen Deutschlands vollziehen können. Die genannten Kräfte haben gemeinsam mit den Junkern, den Baronen, der Großbourgeoisie Nazideutschlands und des deutschen Imperialismus gebrochen. Diese neue Politik bewegte sich auf der Grundlage der internationalen Solidarität und des proletarischen Internationalismus, so dass eine feste Plattform für Frieden, Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen dem polnischen Volk und der Deutschen Demokratischen Republik geschaffen werden konnte.

Liebe Genossinnen und Genossen, vor 60 Jahren ist die Deutsche Demokratische Republik aus den Ruinen des deutschen Imperialismus und aus den Träumen der zahlreichen Generationen deutscher Kommunisten, Sozialisten und der revolutionären Sozialdemokratie aufgestanden. Sie war die logische Fortsetzung der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in Russland 1917 und der revolutionären Situation in Europa, die am Ende des Zweiten Weltkrieges entstanden war. Damals, wie 1944/1945 in Polen, haben die Völker Mittel- und Osteuropas unter der Leitung der Kommunisten und Sozialisten und mit Hilfe der Roten Armee und der Sowjetunion Volksdemokratien aufgebaut und den Weg zum Sozialismus eingeschlagen. So wurden auch in Deutschland, in der sowjetischen Besatzungszone, gewaltige Veränderungen vollbracht. Erstmals entstand auf deutschem Boden ein Arbeiter- und Bauernstaat. Die Deutsche Demokratische Republik hat das Erbe und die besten Traditionen der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung fortgesetzt. Sie war ein Resultat der langjährigen Mühen und tapferen Kämpfe der deutschen Arbeiterklasse sowie aller fortschrittlichen Kräfte seit der Bauernkriege, der Aktivitäten des Bundes der Kommunisten und des Völkerfrühlings in der Zeit von Karl Marx und Friedrich Engels, des Deutschen Arbeiterbundes, der Aktivitäten der I. und II. Internationale, der revolutionären SPD mit August Bebel, Wilhelm Liebknecht und anderen. Die DDR war auch die theoretische und politisch-organisatorische Tätigkeit und Fortsetzung der Aktivität der Kommunistischen Partei Deutschlands und ihrer Führer Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Ernst Thälmann, Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht. Alle diese Organisationen und Parteien haben großen Anteil an der Entstehung und der Geschichte der DDR und ihre Namen werden auch in Polen hoch verehrt.

Nach dem vom deutschen Faschismus entfesselten barbarischen Zweiten Weltkrieg entstanden Dank der Roten Armee in Ostdeutschland schöpferische Bedingungen zur Schaffung der Volksdemokratie und später zum Aufbau der Grundlagen des Sozialismus. Im April 1946 vereinigten sich die Kommunistische Partei Deutschlands und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands auf dem Territorium der sowjetischen Besatzungszone zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, die sich Schritt für Schritt zu einer marxistisch-leninistischen Partei entwickelte. Sie war fast 44 Jahre lang die ideologische und politische Hauptkraft bei der Entwicklung des Antifaschismus und bei der Demokratisierung Deutschlands sowie beim Aufbau des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik.

Aber die Deutsche Demokratische Republik entstand auch als Resultat der Teilung Deutschlands durch die imperialistischen Kräfte der Westzonen sowie den Drang des US-Imperialismus, als Führungsmacht die Welt zu beherrschen. Das Volk der DDR mit Beihilfe der Sowjetunion und aller progressiven Kräfte in Europa und der Welt hat die Macht der Imperialisten in Ostdeutschland nicht zugelassen. Es unterstützte konsequent das Streben der SED und der anderen demokratischen Parteien zur Schaffung des ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden.

Die Deutsche Demokratische Republik existierte etwas mehr als 40 Jahre lang. Und sie hat während dieser Zeit verschiedene Entwicklungsetappen durchlaufen. Während zweier Generationen ist in Deutschland der Aufbau und die Entwicklung des Sozialismus vollzogen worden. Das großkapitalistische Eigentum und der Besitz der Junker wurden enteignet. Gesellschaftliches Eigentum entstand, und auf dessen Grundlage neue Produktionsverhältnisse wie Volkseigene Betriebe, Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften und andere Formen. Diese schufen gute Grundlagen für das Wachstum der Produktion nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und vor allem für ein Leben in sozialer Gerechtigkeit. Die Bürger der DDR hatten zahlreiche politische Freiheiten sowie beispiellose soziale und kulturelle Rechte, die nach breiter Diskussion vom Volk in der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik 1968 verankert wurden. Dank dieser Politik der SED wurde die DDR schnell ein Vorbild und ein Muster für andere sozialistische Länder - die DDR gewann große internationale Anerkennung und Autorität.

Auf der internationalen Ebene war die DDR ein friedliebender Staat, der alle fortschrittlichen Kräfte in Europa und der Welt unterstützte. Für uns Polen war die DDR ein guter Nachbarstaat der von Anfang an die Politik der Freundschaft und der Zusammenarbeit betrieb. Die Volksrepublik Polen hat dementsprechend als einer der ersten Staaten die DDR völkerrechtlich anerkannt. Die Grundlagen dieser friedlichen Zusammenarbeit beider Staaten waren die sozialistische Ideologie sowie die führende Rolle der SED im politischen System der DDR und eine ähnliche Position der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei in Polen. Die wichtigsten Meilensteine dieser gemeinsamen Politik und der freundlichen Zusammenarbeit waren der Görlitzer Vertrag von 1950 zur Anerkennung der Oder-Lausitzer Neiße-Grenze als eine friedliche Grenze sowie das Abkommen über Zusammenarbeit und Freundschaft von 1967 zwischen Polen und der DDR. Die DDR und Polen waren wichtige Mitglieder des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe sowie des Warschauer Vertrages seit 1955.

Dank dieser freundschaftlichen und friedlichen Politik und dank der brüderlichen Zusammenarbeit beider Staaten sind nicht nur die nationalen Interessen beider Völker gesichert worden, es entstand auch eine breite Grundlage für enge Kontakte wie die Kooperation von Betrieben und ihrer Belegschaften, von Gewerkschaften, gesellschaftlichen Organisationen, Zusammenarbeit im Bildungssystem, Zusammenarbeit der Kinder- und Jugendorganisationen, der Hochschulen usw. Seit Anfang der 70er Jahre war die Grenze zwischen beiden Staaten offen, ohne Visumspflicht, und es wuchs ein millionenfacher Grenzverkehr. Diese Zeit spielte eine große Rolle bei der Annäherung unserer beiden Völker und bei der Überwindung der früher entstandenen negativen Stereotype und Vorurteile.

Wir in Polen schätzen die ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Errungenschaften der Werktätigen in der DDR sehr hoch. Wir sind der Ansicht, dass die Deutsche Demokratische Republik das Beste war, was das deutsche Volk und insbesondere die deutsche Arbeiterbewegung hervorgebracht hat. Mit der DDR brach eine neue Ära mit einer neuen Qualität der Beziehungen in der langjährigen Geschichte der Nachbarschaft unserer Völker an. Deswegen bleibt uns Polen das Erbe der DDR teuer und unvergessen. Und wir hoffen, dass dieses Erbe fruchtbar wird für die nächsten, neuen Kräfte im Kampf um eine bessere Welt, für den Sozialismus und Kommunismus - nicht nur in Deutschland.

Liebe Genossinnen und Genossen, das Thema "Gründung der Deutschen Demokratischen Republik" ist nicht zu behandeln, ohne auf das Problem der Entstehung zweier deutscher Staaten einzugehen - der DDR und der BRD. Dieses Problem wurde in Polen anfangs im Zusammenhang mit der gesamtdeutsch aufgefassten "deutschen Frage" behandelt, sehr bald aber, nämlich nachdem die beiden deutschen Staaten sich konsolidiert hatten und sich klar als sozialistischer bzw. kapitalistischer Staat erklärt hatten, setzte sich ein differenzierteres Herangehen durch, jetzt nämlich orientiert an der Klassenlinie und an den ideologisch-politischen Grundlagen der beiden Staaten. Das polnische Volk verstand mit den Jahren, dass in der DDR die Kräfte der Freundschaft und der guten Zusammenarbeit wuchsen und so die alten Stereotype und Vorurteile überwunden werden konnten - ganz im Gegenteil dazu stand die Einschätzung der BRD.

Uns Polen blieb nicht verborgen, dass die BRD stets und mit allen Mitteln versuchte, die DDR zu zerstören, und, da das auf direktem Wege nicht möglich war, ihr so viel zu schaden, wie es möglich war, Druck, Sabotage, Erpressung und so weiter anzuwenden. Die DDR musste diese historischen Prüfungen überstehen, und sie hat es getan. Das kostete sie viel Kraft und Mut und dazu brauchte die DDR die Unterstützung von Seiten der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder, darunter auch der Volksrepublik Polen.

Das Entstehen der DDR ist auch ein Resultat der unterschiedlichen Klassenziele und des Klassenkampfes zwischen der Sowjetunion und den Westalliierten. Die Politik der Sowjetunion war von Anfang an auf die Unterstützung der demokratischen und sozialistischen Kräfte in Deutschland gerichtet, denn sie gründete sich auf den Marxismus-Leninismus. Die Politik der Westalliierten kam sehr schnell nach der Niederlage des Hitlerfaschismus wieder zu ihren Klassenwurzeln zurück und versuchte, den Kapitalismus in Deutschland und damit das deutsche Großkapital zu retten. Revanchistische Kräfte wurden in Deutschland gestärkt, denn man braucht sie vor allem für die künftige Konfrontationspolitik gegen die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder. So wurde 1949 die kapitalistische Bundesrepublik gegründet. Die Systemteilung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg war ein Resultat der unterschiedlichen Klasseninteressen der Alliierten der Anti-Hitler-Koalition. Die DDR musste von Anfang an auf diese Herausforderung antworten und tat es mit Erfolg.

Die ersten 20 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren durch scharfe Widersprüche und harte Konfrontation gekennzeichnet, denn die Westmächte und die erstarkten deutschen Kapitalisten in der BRD standen wieder zu den alten Zielen, dem Revanchismus, der Osterweiterung, der Remilitarisierung und deshalb zur Schaffung der Bundeswehr und zum Eintritt der BRD in die NATO, was besonders gefährlich war für Polen und für den Frieden in Europa. Deshalb wurde im Mai 1955 als Antwort auf diese Bedrohungspolitik der Warschauer Vertrag unterzeichnet, dem auch die DDR und Polen beitraten.

Die BRD versuchte seit Beginn ihrer Existenz, die internationale Anerkennung der DDR zu hintertreiben. Von der Politik der BRD wurde die DDR als "Ostzone" oder "Sowjetzone" bezeichnet, der ganze Revanchismus der damaligen BRD-Politik kam in dem Begriff "Mitteldeutschland" zum Ausdruck. Besonders gefährlich war in diesem Zusammenhang die "Hallstein-Doktrin", der zufolge jeder Staat, der die DDR anerkannte, von der BRD als feindlich angesehen wurde. Die BRD hat die polnische Westgrenze angezweifelt, sie hat den Grenzverlauf an der von ihr so genannten "Oder-Neiße-Linie" nicht anerkannt und Pommern und Schlesien stets als "deutsche Ostgebiete" bezeichnet, die zur Zeit unter polnischer Verwaltung stünden. Das hat in Polen zu großer Beunruhigung geführt.

Von der BRD wurde auf unterschiedlichen Ebenen Sabotage gegen die DDR organisiert. Spionage, Anschläge, Embargos, und vor allem die im großen Stil betriebene Abwerbung von wissenschaftlichen und technischen Kadern fügten der DDR schweren Schaden zu. Für diese Akte und von den Geheimdiensten wurde vor allem die offene Grenze nach Westberlin genutzt. Zusätzlich spielten die Westmedien bei der Desinformation eine wichtige Rolle, vor allem RIAS Berlin. Die feindlichen Aktivitäten waren besonders hoch im Juni 1953 und im August 1961, als die DDR Dank der Sowjetunion und den Staaten des Warschauer Vertrages ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit verteidigte. Das polnische Volk hat damals mit großer Unruhe diese gefährliche und revanchistische Politik der BRD beobachtet. Die Volksrepublik Polen hat die Regierung der DDR in ihren Abwehrmaßnahmen aktiv unterstützt.

Eine neue Phase der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD entstand Ende der 60er Jahre mit der Proklamierung einer neuen Ostpolitik durch die SPD-geführte Regierung unter Willi Brandt. Die BRD hat mit dem Warschauer Abkommen zwischen der Volksrepublik Polen und der BRD die Westgrenze Polens - 20 Jahre nach der DDR - anerkannt. Das war die politische Grundlage für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Polen und der BRD. Und es war die Grundlage für eine Normalisierung der Beziehungen in ganz Europa. Die DDR wurde von vielen Staaten der Welt nun völkerrechtlich anerkannt, sie wurde gemeinsam mit der BRD Mitglied der UNO.

Diese Anerkennung war ein großer Sieg der sozialistischen Kräfte, aber er beschwor auch neue Gefahren herauf. Es entstand eine neue Phase der Systemkonfrontation - eine neue Phase der Politik der friedlichen Koexistenz begann. In dieser veränderten Klassenkampfsituation gab es sehr raffinierte Schachzüge der imperialistischen Staaten, wie sie beispielhaft mit dem Helsinki-Prozess deutlich werden. Der Klassenkampf wurde auf andere Ebenen gebracht, vordergründig ging es jetzt um Menschenrechte, Lebensqualität, Konsumniveau, Meinungsfreiheit, Reisefreiheit und so weiter.

Während diese Systemkonfrontationen in Europa friedlich abliefen, dauerte der heiße krieg in Vietnam bis in die 70er Jahre. Gleichzeitig dauerte der Konflikt im Nahen Osten zwischen Israel und den Palästinensern sowie anderen arabischen Staaten an und Ende der 70er Jahre erklärte die Sowjetunion ihr militärisch-politisches Engagement in Afghanistan. Darüber hinaus haben die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Staaten viele unterdrückte Völker in ihrem Kampf gegen den Imperialismus unterstützt. Es gab viele Kampffronten zwischen Kapitalismus und Sozialismus, die viele Menschenleben forderten und viel Geld und Ressourcen verschlangen. Die DDR hat den fortschrittlichen, antiimperialistischen und linken Kräften in der Welt sehr geholfen. Trotzdem stand ihr Hauptfeind im eigenen Land. Das war die ständige Konfrontation mit den reaktionären Kräften der imperialistischen BRD.

Die DDR konnte zwischenzeitlich große Erfolge erringen, was die Formierung des Stolzes auf das Erreichte, auf die sozialistische Lebensweise, auf die Staatsbürgerschaft der DDR anging. Das war sehr wichtig in der Konfrontation mit der BRD. Die Grundlage waren die soziale Gerechtigkeit, die Abwesenheit von Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, ein stabiler Wohlstand, wichtige Bürgerrechte, die Familienpolitik der DDR und das internationale Verhältnis zu anderen Staaten und Völkern.

Diese Politik, die hohe Stellung der Menschenrechte und die ausgeprägte Sozialpolitik waren der Grund dafür, dass die DDR international viel Autorität hatte und große Anerkennung erhielt. In Polen haben die DDR und ihre Bürger viele Freunde gefunden und die DDR hat, obwohl sie nur 40 Jahre existierte, viel dafür getan, die alten Vorurteile, die zum Teil schon über Jahrhunderte existierten, abzubauen.

Deshalb können wir mit fester Überzeugung sagen:

Es lebe die Deutsche Demokratische Republik! Es leben das Volk der DDR!
Es lebe der 60. Jahrestag der Gründung der DDR! Hohe Hochachtung, Ehre und besten Dank allen Mitbegründern und Aufbauern der DDR!
Die DDR war, ist und bleibt lebendig und unvergessen, auch in Polen!

Zbigniew Wiktor, Wroclaw, Polen


Anmerkung

(14) Zbigniew Wiktor: Mitglied der Führung der Kommunistische Partei Polens, China-Experte, Professor an der Universität Wroclaw, Publizist


*


Tamila Jabrowa(15): Die internationalen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der DDR

Teure Genossen!

Das Thema zu dem ich hier sprechen will umfasst die internationalen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der DDR. Bei der Länge und der Komplexität dieses Sachverhaltes reicht natürlich die Zeit nicht aus, so dass ich mich nur auf die konkretesten Punkte beziehen kann.

Bevor ich jetzt auf die Beziehung zwischen den beiden Staaten eingehe, möchte ich erst einmal kurz einen historischen Überblick über die Anfänge geben.

Ihr erinnert euch noch, dass der Genosse Lenin den deutschen Sozialdemokraten vor dem ersten Weltkrieg gesagt hat, dass ihre Theorien und ihre Ideologien voller Opportunismus stecken und dass nur die Linie solcher Genossen wie Liebknecht, Luxemburg und später natürlich auch Thälmann eine kommunistische Linie war, die innerhalb der Kommunistischen, der Dritten Internationalen eine Platz haben konnte. Im März dieses Jahres ist Jahrestag der dritten Internationalen.

Die dritte Internationale war eine Grundlage für die Wiedserherstellung einer kommunistischen Einheit auf internationaler Ebene und dementsprechend auch auf marxistischer Grundlage in Sachen Krieg und Frieden und dem Kampf gegen den Imperialismus. Und während des zweiten Weltkrieges, sowohl davor als auch danach, waren die Kommunisten in Deutschland die einzige Partei in diesem Land, die aktiv gegen den Faschismus gekämpft hat.

Die russischen Genossen vergessen auch nicht, dass die kommunistischen Genossen in Deutschland die Hauptopfer des deutschen Faschismus waren. Ich denke, ihr wisst sicherlich, dass von den 300.000 KPD-Mitgliedern fast die Hälfte von den Faschisten in Konzentrationslager gesteckt oder hingerichtet. Der größte Teil der höheren KPD-Ebene wurde von den Faschisten umgebracht, der größte Teil der ZK-Mitglieder usw.

Nun muss ich natürlich erwähnen, dass die Kommunisten in der Sowjetunion die größten Opferzahlen brachten. Über 3,5 Millionen Kommunisten und Komsomolzen haben im zweiten Weltkrieg ihr Leben gelassen.

Das verstärkte natürlich unsere internationale Freundschaft und wir werden dies nie vergessen.

Wir vergessen nicht, dass eine Reihe deutscher Genossen unter anderem auch bei der Industrialisierung der Sowjetunion mitgeholfen haben. Viele Genossen, viele Parteimitglieder und deren Kinder hatten auch die Möglichkeit, in der Sowjetunion zu leben, sich weiter zu bilden usw.

Ich habe die Bekanntschaft mit einem deutschen Genossen gemacht, der Sekretär des kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands in den dreißiger Jahren war, der auch in die UdSSR flüchten konnte, der unter andrem auch die kommunistischen internationale Jugend mit gegründet hat, er war unter anderem ein Hilfsarbeiter in Kosnjetzk als Metallarbeiter. Er wurde in dieser Brigade als Leiter eingesetzt. In diesem Kombinat haben etwa 2.000 angefangen, und innerhalb eines Jahres wuchs dank diesem deutschen Genossen die Gruppe auf über 60.000 Mitglieder! Er stellt ein gutes Beispiel für einen deutschen Genossen dar, der auch die deutsch-sowjetische Freundschaft festigte und der es auch innerhalb der kommunistischen Bewegung in der Sowjetunion weit nach oben gebracht hat.

Es ist natürlich auch so, das der Aufbau des Sozialismus nicht fehlerfrei verläuft und er gewissen Schwierigkeiten und Problematiken unterliegt.

Ich habe ein Buch von einem südafrikanischen Genossen gelesen, dessen Name Kastrils war, der vor kurzen dieses Buch herausgegeben hat, der im südafrikanischen Bürgerkrieg in der Befreiungsbewegung tätig war und dementsprechend auch Kontakte zu Mandela hatte. Und er ist halt einer dieser Führer. Genossen von ihm hatte die Möglichkeit, in der UdSSR zu arbeiten und später dann auch in der DDR.

Besonders fielen mir Kritiken, von denen er berichtete, auf, die über den Aufbau des Sozialismus innerhalb dieser Länder kursierten. So verhielt sich auch die junge Intelligenz innerhalb der DDR in den sechziger und siebziger Jahren, die dann auch im Zuge des Prager Frühlings deutlich machten, dass ihnen der Aufbau des Sozialismus in der DDR nicht gefällt.

Und viele von diesen Intellektuellen waren Kinder von hohen Parteifunktionären, die auch als Eltern überzeugte Kommunisten waren, die in Konzentrationslagern gesessen und die Gefahren des Faschismus und des Kapitalismus kennen gelernt hatten.

Die Jugend kannte halt die Problematik, die Gefahren des Kapitalismus und des Faschismus nicht. Die Parteiarbeit als auch die Führung der Partei und das alltägliche Leben gefiel ihnen so wenig wie der Staatsaufbau, sie dachten, sie hätten viel zu wenige Freiheiten. und sagten, dass sie, würden sie in der Sowjetunion wohnen, sich Dissidenten nennen würden.

Der südafrikanische Genosse war dem entsprechend verwirrt über diese Sichtweise.

Warum ich mich jetzt an diese Episode erinnere?

Hier zeigt sich das schädliche Wirken des Revisionismus und das Problem des Opportunismus, wenn er die Parteiführung ergreift oder wenn die Parteiführung ihn nicht bekämpft, was fast das Gleiche ist.

Wir wissen alle, wohin das geführt hat: Aus der guten Zusammenarbeit, der Freundschaft zwischen der DDR und der Sowjetunion wurde am Ende das Gegenteil. Gorbatschow betrieb die Absetzung des Genossen Honecker, Gorbatschow verkaufte die DDR.

Wir müssen wachsam sein, viel wachsamer als damals, denn das Problem begann keineswegs zu dem Zeitpunkt, an dem Gorbatschow an die Macht kam, sondern viel früher. Man muss das schleichende Gift des Revisionismus früh genug erkennen und man muss sich mit aller Kraft dagegen wehren, sonst geht man unter.

Das muss die Lehre sein.

Die Katastrophe war nicht zwangläufig.

Tamila Jabrowa, Kiew


Anmerkung

(15) Tamila Jabrowa: Ehem. KPdSU, heute Herausgeberin der Zeitschrift "Marksism i Sowremennost (Marxismus und Gegenwart)", Kiew, Ukraine

Raute

II. PROBLEME / Ursachen für die Niederlage

Hans-Werner Deim(16): Die militärische Sicherheit der DDR im Kalten Krieg

Wir DDR-Linken haben uns mit unserem Staat gut 40 Jahre gegen Neider, Gegner und Feinde behaupten können. Wir hielten uns an Lenins Prämisse: "Eine Revolution taugt nur dann etwas, wenn sie sich zu verteidigen versteht."

Immer dann, wenn unsere Uniformierten und Waffen gezeigt werden mussten, ging es um Selbstverteidigung.

Nicht jeder von uns ist sich aber eines folgenreichen Fehlers in den letzten Jahren der Existenz der DDR voll bewusst geworden. Wir ließen uns von der anderen Konfliktseite darin täuschen, dass das Hauptkriterium des Kalten Krieges der Einsatz von Truppen und Waffen, der bewaffnete Kampf sei. In der Forschung und Ausbildung waren unsere Anstrengungen noch nicht ausreichend, um hinter die Geheimnisse zu kommen, wie der Gegner auf den Gebieten der Politik, Wirtschaft, Diplomatie, Psychologie und Ideologie nach den Gesetzen des Krieges tätig ist. Der kluge Kopf und begnadete Marschall der Sowjetunion, Ogarov, verlor den Posten des sowjetischen Generalstabschefs, weil er eben das erwartete und forderte.

Es war dennoch kein Fehler, mit Konsequenz und Entschiedenheit den militärischen Schutz der DDR auf das Ernsthafteste zu betreiben. Die militärische Sicherheit der DDR war ohne die UdSSR nicht zu gewährleisten. Diese hatte selbst den Westen vor seinem Hauptgegner im gigantischen Ringen der Jahre 1941-1945 gerettet.

Nach dem Sieg hielt der Westen aus der Sicht des historischen Schuldners eine vernünftige Zusammenarbeit mit der UdSSR für ausgeschlossen. Der Kalte Krieg wurde erfunden. Mit ihm sollten auf neue Weise Problemlösungen von der Position der Stärke ermöglicht werden. Die UdSSR unternahm wie im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges auch nach dem Sieg über den Hitlerfaschismus angesichts der neuen Gegner und Feinde nahezu Unmögliches, um Kräftegleichheit und -parität zu ermöglichen. Damit rettete sie für 45 Jahre strategische Stabilität und Frieden. Sie half damit auch, das hoffnungsvolle DDR-Projekt vor dem Zugriff der äußeren Gegner und Feinde zu bewahren. Es erwies sich, dass unter solchen Bedingungen für die UdSSR und die DDR die militärische Sicherheit, der militärische Schutz für lange Zeit eines der wichtigsten Argumente und Anliegen wurde, um unabhängig und selbstbestimmt ihren historischen Weg festlegen und konsequent gehen zu können.

Die Verantwortlichen unserer Staaten hatten davon auszugehen, dass die Möglichkeit der Lösung wichtiger Problemfragen mit militärischer Gewalt kein Abstraktum war, sondern infolge der ständigen Entwicklung der militärischen Potentiale zunehmend eine realisierbare Option wurde.

Diese Option trug wie heute unter der unveränderten Stabsführung der USA schon damals die Merkmale von Globalität und Totalität. Die Globalität des uns aufgezwungenen heißen Krieges hätte sich aus seinem Maßstab, seiner Ausdehnung auf unseren ganzen Planeten und der Einbeziehung aller Staaten in ihn ergeben. Globalität hätte auch die Ausweitung der Handlungen auf alle physischen Sphären erbracht: Land, Luft, Meer und Kosmos.

Die Totalität des uns aufgezwungenen Krieges hätte sich daraus ergeben, dass von ihm die ganze Hierarchie der Lebensräume des Menschen erfasst worden wäre. Diese Hierarchie bildet drei Räume:

der physische Raum (das ist der materielle, u.a. auch der ökonomische),
der mentale Raum (das ist der politische, informelle, psychologische) und
der geistig-geistliche Raum.

Im Kalten Krieg, das war eben seine markante Besonderheit, hatte der mentale Raum dem physischen die Vorrangrolle genommen.

Für die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages und deren Streitkräfte waren alle Bedingungen zu schaffen, um der in Gestalt der Kriegspläne der USA und der Potenziale der NATO aus dem Westen heraufziehenden Möglichkeit einer Tragödie effektiver und verlustärmer begegnen zu können, als das 1939 und besonders 1941/42 gelang. Die Koalition sah sich im Besitz aller dafür erforderlichen objektiven und subjektiven Voraussetzungen.

Gefragt war - wie nie zuvor - Realitätssinn. Wie wird was gemacht, wenn die Vaterländer in akuter militärischer Gefahr sind? Das bezog sich selbst auf das militärische Wesen und Erscheinungsbild des Krieges. Bisher wurde er als die Zusammenfassung der breit und tief gefächerten Kriegshandlungen entlang einer die Welt in Interessenssphären teilenden Frontlinie angesehen.

Nun überwog die Überzeugung, dass er die Summe der strategischen Operationen auf den kontinentalen und ozeanischen Kriegsschauplätzen, zumindest den Hauptkriegsschauplätzen, dem Luftraum über ihnen und dem erdnahen kosmischen Raum über allem sei.

Das war ein prinzipiell neues System strategischer Handlungen. Es bildete sich in einem komplizierten und widersprüchlichen Prozess bis zum Ende der 70er Jahre heraus (Schema 5). In ihm fielen Tabus. Die Landstreitkräfte mussten auf den kontinentalen Kriegsschauplätzen Schritt für Schritt ihre führende Rolle mit den Luftstreitkräften teilen. Den strategischen Waffen wurde zugetraut, die wichtigsten strategischen und operativ-strategischen Aufgaben auf den Kriegsschauplätzen und über dieses hinaus in größerer Tiefe erfüllen zu können. Daher wurden als erste und wichtigste strategische Handlungsakte folgende Operationen in unterschiedlichen Handlungsformen von den sozialistischen Streitkräften vorbereitet:

1. Die Operation der strategischen Kernwaffenkräfte (bei unaufschiebbarer Notwendigkeit).
2. Die Operation der kosmischen Kräfte auf dem "besonderen Kriegsschauplatz Kosmischer Raum".
3. Die strategische Operation zur Abwehr des luft-kosmischen Überfalls.
4. Die strategische Operation im Atlantischen Ozean.
5. Die strategische Operation im Pazifischen Ozean.
6. Die strategische Operation auf dem südlichen kontinentalen Kriegsschauplatz.
7. Die strategische Operation auf dem östlichen kontinentalen Kriegsschauplatz.
8. Die strategische Operation auf dem westlichen kontinentalen Kriegsschauplatz unter Teilnahme der NVA.
9. Die strategische Operation auf dem südwestlichen kontinentalen Kriegsschauplatz.

Damit hätten die Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages (auf dem Schema gelb unterlegt), von den ersten 9 strategischen Operationen der Anfangsperiode des aufgezwungenen Krieges nur 2,2 aktiv gestaltet und durchgeführt. Das sind weniger als 25% dieser Art strategischer Vorsichtsmaßnahmen. Auch in dieser geringen Anzahl von Operationen war der sowjetische Kräfteanteil höher als 50%.

Zu Beginn der 80er Jahre veränderte sich die Herangehensweise an das Wesen der strategischen Handlungen auf den kontinentalen Kriegsschauplätzen. Sie wurden als Land-Raketen-Luft-Operationen definiert und vorbereitet. Die wachsenden Leistungsparameter aller Gattungen der Land- und Luftstreitkräfte erlaubten es, Bewegungs- und Manövercharakter der Gefechtshandlungen bedeutend zu erhöhen. Da diese Entwicklung die Rolle solcher Faktoren wie überraschende Anwendung neuer Verfahren und Einsatz bisher unbekannter Mittel erheblich verstärkte, wurde in den Vereinten Streitkräften das Gewicht der Verteidigung als effektivste Antwort auf diese Tendenzen angehoben. Auf hartnäckige und länger andauernde Verteidigungshandlungen wurden nun auch die Fronten und strategischen Gruppierungen auf den Kriegsschauplätzen orientiert und vorbereitet. Die Verkündigung der Verteidigungsdoktrin (1987) ergab sich als folgerichtiger und längst überfälliger Schritt nicht aus der politischen Weitsicht Gorbatschows, sondern aus der militärwissenschaftlichen Forschungsarbeit im Jahrfünft vor seinem Amtsantritt als Generalsekretär und Oberster Befehlshaber der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages.

Diese Entwicklungen hatten direkten Bezug auf den militärischen Schutz der DDR. Ihre Möglichkeiten, Ressourcen und Streitkräfte hätte sie folglich für und in der strategischen Gruppierung der Vereinten Streitkräfte auf dem westlichen Kriegschauplatz zu realisieren gehabt. Der westliche wie auch der südwestliche Kriegsschauplatz im möglichen Kriegsraum Europa waren Hauptkriegsschauplätze. Der westliche aber war der wichtigste unter ihnen.

Er nahm mit seinen 3,5 Millionen Quadratkilometern 35% der Fläche des geographischen Europas ein. Seine Tiefe erreichte 4.000 km, seine Breite 1.200 km.

Der westliche Kriegsschauplatz erfasste 20 (= 59%) der 34 Staaten Europas. Unter ihnen befanden sich die wichtigsten europäischen Länder. Zu den vom westlichen Kriegsschauplatz erfassten 16 kapitalistischen Staaten gehörte die BRD. Unter den ihnen entgegenstehenden 4 sozialistischen Staaten befand sich die DDR als Bewahrer und Hüter eines wichtigen geostrategischen Brückenkopfes in Zentraleuropa.

Auf dem westlichen Kriegsschauplatz berührten sich also unmittelbar die zwei entgegengesetzten sozialen Systeme. Auch das vertiefte zunehmend das Verständnis von den Staatsgrenzen als Schutzgrenzen.

Die leistungsfähigsten kapitalistischen Staaten bildeten in Europa die zweite ökonomische Basis des Westens. Die industrielle Produktion dieser Basis erbrachte fast 30% der kapitalistischen Weltproduktion und war für die europäischen NATO-Armeen in Rüstungsfragen fast Selbstversorger. Auf dem westlichen Kriegsschauplatz waren die in der Welt stärksten Streitkräftegruppierungen beider Konfliktseiten enthalten. Hier musste mit der Anwendung des ganzen Arsenals der modernsten Waffen und Kampftechnik sowie neuester Einsatzverfahren der Truppen und Kräfte gerechnet werden.

Gegenüber den militärischen Potenzialen der UdSSR und des Warschauer Vertrages, die für ihre Unterbringung und Tätigkeit die Vorteile eines riesigen und gesicherten Raumes voll ausnutzen konnten, litt die NATO permanent an Raummangel. Ihre Gruppierungen waren stark konzentriert. Es fehlte die für effektive Manöver und zweckmäßige rückwärtige Sicherstellung erforderliche Tiefe. Der Drang, aus dieser Enge herauszutreten, erhöhte die Gefahr von Abenteuern der USA und der NATO.

Der Kriegsschauplatz im Zentrum Europas hatte nach US-Plänen schon früh jene Mittel aufzunehmen, mit denen der anzustrebende Krieg nach US-Bedingungen geführt werde sollte: Kernwaffen. Zum Ende des Kalten Krieges wurden etwa 7.000 amerikanische Kernladungen in Europa gelagert, mehr als zwei Drittel davon in Zentraleuropa. Sie waren vorrangig bestimmt für die 2.500 präsenten operativ-taktischen Einsatzmittel, die unter bestimmten Bedingungen auf 4.500 anwachsen sollten. Die strategischen Kernwaffen, die aus Europa oder von außen auf Zielobjekte des Warschauer Vertrages gerichtet werden konnten, machten etwa 450 Träger mit 2.000 Schlägen in einer Salve aus.

Die Folgen dieser rund 6.000 Kernwaffenschläge hätten nicht nur den Bürgern der vier sozialistischen Staaten, sondern der Mehrzahl aller Europäer die Luft zum Atmen, zum Leben geraubt.

Als die NATO geschaffen wurde, ging man von der Notwendigkeit aus, alle 30 km eine Division zu positionieren. Das hätte erfordert, auf dem Territorium der BRD im Bereich der Grenze zur DDR 40-50 Divisionen hinzustellen. Das wurde den westlichen Staaten und ihren Wirtschaften zu viel. Die Gesellschaften wurden mit dem Verweis darauf beruhigt, die Heereskomponente habe den Hauptauftrag, die kriegsentscheidenden Kernwaffenkräfte zu sichern und deren Lage unantastbar zu stabilisieren.

Das ging solange gut, bis auch die US- und NATO-Strategen mitbekamen, dass der von ihnen bevorzugte und vorbereitete Kernwaffenkrieg keine Perspektive habe, nur mit dem Preis des eigenen Lebens durchführbar sei. Um der größeren Wahrscheinlichkeit des konventionellen Krieges entsprechen zu können, also dem Krieg, wie die Amerikaner meinten, nach den Bedingungen der UdSSR, mussten sich die USA und die NATO um die Neuprofilierung ihrer Streitkräfte fast 20 Jahre lang mühen.

Mit insgesamt 46 auf dem Kriegsschauplatz und 25 in der BRD präsenten Divisionen hätte die NATO in ausgewählten Richtungen sicher manchen Teilerfolg erringen können. Vielleicht die westliche Vorstadt von Prag sowie diesen oder jenen Oderzugang erreichen können, aber die operative und strategische Tiefe wäre US- und NATO-Streitkräften nicht zugänglich geworden (Schema 3)

Funktional-strukturell waren sie, weil die von vielen namhaften Vertretern ihrer politischen Eliten geforderte Ausradierung des Kommunismus auch militärisch versucht werden sollten, zu einer veränderten Aufstellung ihrer strategischen Gruppierungen genötigt.

Mit dem öffentlichen Eingeständnis der bereits in Angriff genommenen tieferen Staffelung der Gesamtkräfte im Interesse der Erhöhung der operativen und strategischen Schlagstärke der Streitkräfte hatten die NATO-Militärs ihre Probleme. BRD-Generale meinten noch im Januar 1990 beim Gesamteuropäischen Seminar der Spitzenmilitärs der NATO und des Warschauer Vertrages über Militärdoktrinen in Wien, die NATO sei defensiv aufgestellt. Ihre strategische Konfiguration reduziere sich in Mitteleuropa auf 9 Armeekorps der 1. Staffel und ein paar Brigaden der Reserve. Ihre britischen und französischen Kollegen rieten den Vertretern des Warschauer Vertrages, die Kräftekalkulationen realer zu betreiben. Es sei unzulässig, jene gut 60% ihrer Potenziale, die für die Verteidigung ihrer Metropolen und ihrer Interessen auf Besitzungen in Übersee vorgesehen seien, der NATO zuzuschlagen. Den westeuropäischen Völkern wurde aber jahrzehntelang die existenzsichernde Rolle und die Geschlossenheit der westlichen Militärkoalition verdeutlicht.

Die USA und die NATO kamen wie die UdSSR und der Warschauer Vertrag nicht umhin, die Entfaltung ihrer strategischen Gruppierungen auf dem zentraleuropäischen/westlichen Kriegsschauplatz in zwei strategischen Staffeln und dabei der ersten strategischen Staffel in zwei operativen Staffeln vorzusehen. Das schuf für Offensiv- und Gegenoffensivhandlungen zwei bedeutende Kräfte- und Schlagschübe. Folglich standen sich im wesentlichen schon in Friedenszeiten gegenüber:

• als 1. Strategische Staffeln

a.) auf der Seite der NATO mit vorgesehenem Aufwuchs auf gesamt etwa 60 Divisionen: die Armeegruppe Nord mit dem operativ unterstellten Kdo. Ostseeausgänge; die Armeegruppe Mitte sowie nächste strategische Reserven mit 3-5 verstärkten Armeekorps;

b.) auf der Seite des Warschauer Vertrages: gemeinsame Fronten aus nationalen Armeen und Gruppen der Streitkräfte der UdSSR, darunter:

- die 1. Front aus GSSD(17) und NVA
- die 2. Front aus CVA(18) und Zentralgruppe
- die 3. Front aus polnischer Armee und Nordgruppe

Sowie Frontvereinigungen auf der Basis von sowjetischen Militärbezirken

- die 4. Front auf der Basis des Belorussischen Militärbezirks
- die 5. Front auf der Basis des Karpaten-Militärbezirks.

• als 2. strategische Staffeln

a.) auf der Seite der NATO mit Aufwuchs auf gesamt etwa 30 Divisionen:

Strategische Reserven aus den Streitkräften Frankreichs, Großbritanniens, der Vereinigten Staaten von Amerika, Spaniens und Portugals.

b.) auf der Seite des Warschauer Vertrages:

Zwei Fronten auf der Basis des Baltischen Militärbezirks und des Moskauer Militärbezirks.

Diese Konsequenz hatte das bedeutende Anwachsen der Rolle der Mobilmachung neuer Truppen und der Heranführung gefechtsbereiter Truppen aus der Tiefe des strategischen Raumes der NATO im Ergebnis transkontinentaler und transozeanischer Umgruppierungen zur Folge. Schließlich waren die ständig präsenten Kampfgruppen zu verdoppeln und die ständig präsenten Kampfflugzeuge zu verdreifachen.

Die Zwänge, vor denen die NATO stand, verstärkten die Gefährdungslage der DDR erheblich.

(Schema 4)

Von den 60 Divisionen der 1. Strategischen Staffel der NATO auf dem zentraleuropäischen Kriegsschauplatz wären im Aggressionsfalle zumindest 40 und von ihren 4.800 Kampfflugzeugen zumindest 2.500 - 3.000 gegen Truppen, Kräfte, Mittel und Objekte auf dem Territorium der DDR zum Einsatz gekommen. Sie wären in unser Land in fünf operativen Richtungen eingefallen:

- In den beiden Hauptrichtungen, der Berliner und der Dresdener, je 10-12 Divisionen;
- In der Magdeburger Richtung 7-8 Divisionen;
- In der Leipziger und Küstenrichtung jeweils 3 - 4 Divisionen.

Für die vertikale Umfassung unserer 5 Armeen der 1. Staffel konnten auf dem Territorium der DDR 2-3 NATO-Luftlandedivisionen auf einer Tiefe von 120-200 km abgesetzt werden:

- die durch ihren Einsatz im Irak inzwischen gut bekannten 82. und 101. US-Luftlandedivisionen des 18. Luftlandekorps sowie
- die 11. französische Luftlandedivision.

Zu rechnen war zusätzlich mit dem Einsatz von 4-6 Luftsturmbrigaden auf einer Tiefe von 50-100 km und bis zu 15 Luftsturmbataillonen auf einer Tiefe von 15-40 km. In der Küstenrichtung waren 1-2 Seeanlandungen in Brigade- und Divisionsstärke nicht auszuschließen.

Die strategische Gruppierung der NATO auf dem zentraleuropäischen Kriegsschauplatz hätte mit der nächsten Aufgabe beabsichtigen können, die 1. Operative Staffel der Östlichen (insgesamt drei Fronten) zu zerschlagen, die Heranführung ihrer tieferen Reserven zu verhindern und den strategischen Abschnitt der Oder am 8.-12. Operationstag zu ereichen. Im folgenden wäre es der NATO etwa im Verlaufe eines Monats darum gegangen, die Zerschlagung der 1. strategischen Staffel der Östlichen, ihre 1. operative und 2. operative Staffel mit insgesamt 5 Fronten, zu vollenden.

Bei der operativen Umfassung der tiefer liegenden Gruppierungen der Östlichen hätte besonders der Wiederholungseinsatz von Luftlande- und Luftsturmdivisionen und -Brigaden eine große Rolle gespielt. Mit dem Erreichen der Westgrenzen der UdSSR wäre die weitere Aufgabe der 1. strategischen Operation der Truppen des zentraleuropäischen Kriegsschauplatzes erfüllt worden.

Die Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages, darunter die NVA, waren darauf vorbereitet, die Aggression des Gegners mit der Durchführung von Verteidigungsoperationen der Fronten der 1. operativen Staffel und der 1. Operation der Vereinten Ostseeflotte abzuwehren.

Die Hauptanstrengungen in der Verteidigung wären auf die Berliner Richtung konzentriert worden.

Mit Beginn der Aggression war der Kampf um die strategische Initiative von Anfang an auf den massierten Einsatz aller Feuermittel im Rahmen des eigenen 1. massierten Feuerschlages auszurichten. Im Verlaufe der Verteidigungsschlacht auf dem Territorium der DDR waren die einbrechenden und vorrückenden NATO-Gruppierungen zum Stehen zu bringen und ihnen im Ergebnis von Gegenangriffen und Gegenschlägen eine empfindliche Schlappe zuzufügen.

Mit der Heranführung der 2. Operativen Staffel zur Gegenoffensive waren schließlich die in die DDR eingebrochenen Nato-Truppen zu zerschlagen und vorerst die Lage an den Staatsgrenzen der DDR und der CSSR so wiederherzustellen, wie sie vor dem Beginn der Aggression bestanden. Es wurde davon ausgegangen, dass dieser gesamte Aufgabenkomplex in 60-90 Tagen erfüllt werden konnte.

Die Lösung der Verteidigungsaufgaben auf dem Territorium der DDR erforderte folgende Konfiguration der Aufstellung der Truppen:

in jeder der fünf operativen Richtungen der NATO kam eine Armee der auf dem Territorium der DDR entfalteten Front zum Einsatz; diese fünf Armeen bildeten folglich die 1. Staffel der Front;
für die Unterstützung und Verstärkung der Armeen der ersten Staffel der Front wurden in der 2. Staffel zwei weitere Armeen in Bereitschaft gehalten.

Unter dem Einfluss und in Abhängigkeit von den konkreten historischen Bedingungen der Bedrängung und Bedrohung der DDR hatte sich die Landesverteidigung der DDR herausgebildet. Ihr letztes Glied wurde 1970 die Zivilverteidigung. Damit verfügte die Landesverteidigung über alle jene Organe, Kräfte, Mittel und Einrichtungen, die den Schutz der DDR gemeinsam mit der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte vor militärischen Anschlägen, Eingriffen und Überfällen von außen sowie den Schutz der Bevölkerung und der Volkswirtschaft vor Waffenwirkung und Katastrophenfolgen gewährleisten konnten.

Für die "kalte Variante" des Dritten Weltkrieges, der als Kalter Krieg in die Geschichte eingegangen ist, reichte das dennoch nicht aus. Daraus sind wichtige Lehren und Schlussfolgerungen für die Zeit zu ziehen, in der der Sozialismus wieder real auf der Tagesordnung steht. Aber das ist sicher ein anderes Thema.

Hans-Werner Deim, Strausberg


Anmerkung

(16) Hans Werner Deim: Auf der Offiziersschule 1954 in die SED eingetreten, General im Ministerium für nationale Verteidigung der DDR im Rang des "Chef operativ"

(17) GSSD = Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland

(18) CVA = Tschechoslowakische Volksarmee


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 117: Strategische Streitkräftegruppierungen der Konfliktseiten
Abb. S. 118: Unmittelbare militärische Bedrohung der DDR
Abb. S. 119: Vereinte Streitkräfte der WV in der Gesamtsruktur der globalen und regionalen strategischen Operationen


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Michael Opperskalski(19): Revisionismus, imperialistische Diversion und Konterrevolution

Revisionistische Entwicklungen waren und sind immer Einfallstore für imperialistische Diversionsstrategien. Zum Teil bedingen Revisionismus und imperialistische Diversion einander, wobei Revisionismus bzw. Vertreter des Revisionismus immer auch verschiedene Rollen - jeweils entsprechend der historischen Situation - spielten bzw. spielen. Es gab immer wieder revisionistische Positionen, die, subjektiv ehrlich, vorgaben, die Entwicklung des Sozialismus vorantreiben zu wollen, objektiv jeden den Strategen des Imperialismus in die Hände arbeiteten. Und es gab natürlich immer auch revisionistische Positionen, die direkt und gewollt darauf abzielten, den Sozialismus und seine Grundpfeiler zu zerschlagen und ihn etwa durch einen "demokratischen Sozialismus", einen "Dritten Weg" oder einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" mit oder ohne "Perestroika" und "Glasnost" zu ersetzen. Die Spannbreite ist also recht breit und die Übergänge der unterschiedlichen Schattierungen des Revisionismus fließend. Gleiches gilt natürlich für deren Vertreter: Da gibt es "kritische Kommunisten" und solche, die sich später dann offen als Sozialdemokraten outen und es gibt "Kritiker", die nicht oder zu spät merken, dass ihre Tätigkeit imperialistischen Strategen nutzt und sie in diesem Sinne auch benutzt werden. Aber es gibt auch solche, die nach außen hin revisionistische und reformistische Positionen vertreten, in Wahrheit aber bewusst mit imperialistischen Sonder- und Geheimdiensten zusammenarbeiten oder gar in ihrem Auftrag den Sozialismus von innen heraus zersetzen sollen. Und es gibt wiederum andere, die als "kritische Kommunisten" begannen und als Verräter im Dienste der CIA, des BND, des israelischen MOSSAD oder de englischen MI6 endeten. Auch hier sind die Übergänge also fließend und die Analyse der Rolle des Revisionismus bzw. seiner Vertreter im konzeptionellen Rahmen imperialistischer Diversionsstrategien macht eine differenzierte Bewertung notwendig, ohne jedoch die Eingangsaussage verwischen zu wollen und zu dürfen, dass die imperialistischen Diversionsstrategien in der DDR und den anderen sozialistischen Ländern einer revisionistischen Entwicklung bedurften, um erfolgreich sein zu können. Damit wird der Kampf gegen den Revisionismus und Opportunismus - gleich welcher Schattierung - für die Kommunisten und ihre Partei zum entscheidenden Instrument im Kampf gegen den Imperialismus. An dieser Stelle sei deshalb Lenin zitiert: "Am gefährlichsten sind in dieser Hinsicht Leute, die nicht verstehen wollen, dass der Kampf gegen den Imperialismus eine hohle, verlogene Phrase ist, wenn er nicht unlöslich verknüpft ist mit dem Kampf gegen den Opportunismus."(20)


Was verstehen wir unter imperialistischer Diversion?

Blättert man im "Kleinen Politischen Wörterbuch", so findet man zunächst folgende recht knappe Erklärung unter dem Stichwort "Diversion": "jede Art illegaler Störtätigkeit durch Agenten imperialistischer Staaten oder demoralisierte Elemente im Inneren eines Landes, die das Ziel hat, die bestehende sozialistische oder fortschrittliche demokratische Staats- und Gesellschaftsordnung zu schädigen bzw. ihren Sturz herbeizuführen."(21) Folgt man schließlich dem herausgehobenen Querverweis "ideologische Diversion", dann wird die Erklärung detaillierter und umfangreicher: "eine Hauptform des Klassenkampfes und Bestandteil der psychologischen Kriegführung im Rahmen der Globalstrategie des Imperialismus gegen den Sozialismus; Ausdruck des sich verschärfenden ideologischen Kampfes zwischen den beiden entgegengesetzten Gesellschaftssystemen (...) Weil alle Versuche, den Sozialismus mit militärischen Mitteln zu vernichten, an der Kraft und Stärke des Sozialismus gescheitert sind, versucht der Imperialismus verstärkt mit neuen Mitteln u.a. Formen ökonomisch, politisch und ideologisch in die sozialistischen Länder einzudringen. Die ideologische Diversion zielt darauf ab, im breiten Umfang die bürgerliche Ideologie in die sozialistischen Länder einzuschleusen, den Einflussbereich des Sozialismus zu begrenzen, die Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft zu unterminieren, dem Sozialismus fremde und feindliche Lebens- und Verhaltensweisen zu verbreiten, um so Voraussetzungen dafür zu schaffen, die sozialistische Ordnung auf lange Sicht auch für den Einsatz anderer, vor allem militärischer Kampfmethoden, sturmreif zu machen, die der Imperialismus auch unter den Bedingungen der friedlichen Koexistenz im Arsenal des antisozialistischen Kampfes bereithält. In der ideologischen Diversion ist der Antikommunismus mit seinem Kernstück, dem Antisowjetismus, die alles beherrschende Dominante. Er ist darauf gerichtet, die anderen sozialistischen Staaten von der Sowjetunion zu trennen, die kommunistische Weltbewegung zu spalten und eine 'Erosion', eine innere Zersetzung der sozialistischen Gesellschaft herbeizuführen. Dem dienen u.a. die sog. Theorien von der Industriegesellschaft, die Konvergenztheorie, die Konzeption von der 'Demokratisierung' des Sozialismus sowie die Theorie von einem auf der Grundlage der 'sozialen Marktwirtschaft reformierten Kapitalismus'. Eine besondere Rolle in der ideologischen Diversion spielen der Sozialdemokratismus und die von Revisionisten aller Schattierungen propagierten verschiedenartigen 'Modelle' für einen 'besseren Sozialismus', dessen Wirtschaft 'dezentralisiert', seine staatliche Ordnung 'demokratisiert', sein gesellschaftliches Leben entideologisiert ist und der die Liquidierung der führenden Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei zur Voraussetzung haben soll."(22)

Zusammenfassend kann man also Folgendes festhalten:

Bei der imperialistischen Diversion handelt sich um ein ganzes Arsenal unterschiedlichster Strategien und Aktionen zur Zerschlagung des Sozialismus. Innerhalb dieses Arsenals spielen imperialistische Geheimdienste eine besondere Rolle; sie sind integraler Teil der imperialistischen "Globalstrategie".

Ich werde im Folgenden anhand von zwei Beispielen - der CSSR 1968 sowie der DDR - die Verbindungslinien zwischen imperialistischer Globalstrategie, Revisionismus, Diversion und Konterrevolution aufzeichnen.


Die imperialistische Globalstrategie in ihrer Entwicklung

Selbst viele bürgerliche Historiker beschreiben heute die Entwicklung der imperialistischen Globalstrategie gegen den staatlich organisierten Sozialismus im Wesentlichen in zwei Phasen (auch wenn sie sich natürlich nicht eines marxistisch-leninistischen Vokabulars bedienen!), der Phase des aggressiven "Roll-Back", d.h. der offensiven bis militärisch/konterrevolutionären Zerschlagung, zumindest jedoch "Eindämmung" ("containment") des Sozialismus in der UdSSR sowie den entstehenden Sozialismus in Ost-Europa nach dem Sieg über den deutschen Nazi-Faschismus 1945; sowie der Phase des "Wandels durch Annäherung", d.h. der konterrevolutionären Zersetzung des Sozialismus von Innen, der "Konterrevolution auf Filzlatschen". Dabei wird auch zugegeben, dass sich diese imperialistische Diversionsstrategie nicht nur gegen den staatlich organisierten Sozialismus richtete, sondern auch gegen sozialistische und kommunistische Organisationen, Parteien und Bewegungen in West-Europa. Entsprechende Ereignisse in Griechenland, Italien oder Frankreich seien an dieser Stelle nur stichwortartig erwähnt.(23)

Der Sieg der Anti-Hitler-Koalition über den deutschen Nazi-Faschismus hatte nach 1945 gerade in Europa zu einem deutlichen Anwachsen linker und kommunistischer Kräfte im Westen und in Ost-Europa zu national-demokratischen, später sozialistischen Entwicklungen geführt, in denen die Kommunistischen Parteien die gesellschaftlich führende Kraft waren; in manchen dieser Länder kam es gar zu einem organisatorischen Verschmelzungsprozess der jeweiligen Kommunistischen Partei mit revolutionären sozialdemokratischen Kräften auf marxistisch-leninistischer Grundlage. Die Sowjetunion, die im Kampf gegen den deutschen Faschismus nicht nur die größten Blutopfer gebracht, sondern auch die entscheidende Rolle gespielt hatte, genoss eine ungeheuere internationale Autorität, der Generalsekretär der sowjetischen Kommunisten, Genosse J.W. Stalin, war selbst in den USA zu einer populären Figur geworden; man nannte ihn bis weit ins bürgerliche Lager hinein respektvoll "Uncle Joe" (Onkel Joe). Und nur vier Jahre später siegte im bevölkerungsreichsten Land der Erde, in China, die Volksrevolution unter Führung der Kommunistischen Partei. Nicht nur in Indien entfalteten breite Massenkämpfe gegen den Kolonialismus. Als Konsequenz aus der Niederlage des deutschen Faschismus und der mit ihm verbündeten Achsenmächte schien der Vormarsch des gesellschaftlichen Fortschritts im Weltmaßstab kaum mehr aufzuhalten zu sein ...

Dies spiegelt exakt die Situation und auch Atmosphäre wieder, in der der Imperialismus, angeführt von seiner stärksten Kraft, den Vereinigten Staaten von Nordamerika, seine Konzeption zur Zerschlagung, zumindest jedoch "Eindämmung" ("containment") des Sozialismus entwickelte. In der Periode unmittelbar nach dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition 1945 war innerhalb des antisozialistischen strategischen Konzepts das Element des offensiven "Roll-Back", der sogar militärische Optionen einschloss, dominant. Der damalige US-Stratege James Burnham formulierte dieses Konzept ohne Schnörkel: "Wir sind bisher nicht bereit gewesen, zuzugestehen, dass es nur ein Ziel der amerikanischen Außenpolitik geben kann: die Vernichtung der Macht des Kommunismus."(24) Sich auf das damals noch existierende Atomwaffenmonopol der USA stützend erläuterte der damalige US-Außenminister J.F. Dulles 1952 das strategische Konzept dieses "Roll-Back": "Man muss die Sowjetunion von innen zersetzen (...) Das Gefüge der zahlreichen verschiedenen, in der Sowjetunion vereinigten Stämme muss zum Bersten gebracht werden. Voraussetzung ist aber, dass man die Politik des Containment (Eindämmung des Sozialismus, d. Verf.) aufgibt und aktiv vorgeht, um einen Sturz im Inneren der Sowjetunion herbeizuführen."(25)

Bestandteil dieser Konzeption war auch die Planung, den Sozialismus in der UdSSR in einem gewaltigen nuklearen Inferno verglühen zu lassen. Kaum waren die letzten militärischen Schlachten zur Niederringung der Nazi-Barbarei geschlagen, da nahmen die Vereinigten Staaten zwischen September und November 1945 die Doktrin des nuklearen "Erstschlages", d.h. einer überraschenden atomaren Aggression gegen die Sowjetunion, in ihr militär-politisches Arsenal auf. Bereits in den ersten Planungskonzeptionen wurden 20 sowjetische Städte für die nukleare Auslöschung ausgewählt. Vorbereitet worden war dies durch die Memoranden JCS 1496/2 ("Grundlage für die Formulierung einer amerikanischen Militärpolitik") sowie JCS 1518 ("Strategische Konzeption und Plan für den Einsatz der US-Streitkräfte"), die das "Komitee der Vereinigten Stabschefs" der USA am 18. September bzw. am 9. Oktober 1945 (!) gebilligt hatte.(26) Auf der Linie der aggressiven Nutzung des nordamerikanischen Atomwaffenpotenzials als Trumpfkarte im Kampf gegen den Sozialismus, insbesondere die Sowjetunion, liegt auch der Bericht des Sonderberaters von US-Präsident Truman, Clark M. Clifford, vom 24. September 1946 mit dem Titel "Amerikanische Beziehungen zur Sowjetunion". "Die Sprache der politischen Macht ist die einzige Sprache, die von den jüngeren der Machtpolitik verstanden wird. Die Vereinigten Staaten müssen diese Sprache sprechen (...) Es muss der sowjetischen Regierung klargemacht werden, dass unsere Stärke ausreichen wird, um jeden Angriff abzuwehren und die UdSSR entscheidend zu schlagen, falls ein Krieg ausbrechen sollte (...) Die Verwundbarkeit der Sowjetunion ist aufgrund des ausgedehnten Gebiets, über das ihre Schlüsselindustrien und Rohstoffe verstreut sind, begrenzt, aber sie ist durch Atomwaffen, biologische Kriegführung und Luftangriffe verwundbar. Die Vereinigten Staaten müssen sich daher für eine atomare und biologische Kriegführung rüsten, um ihre Stärke auf einem Niveau zu halten, dass zur wirksamen Zügelung der Sowjetunion reicht. (...)"(27) In der Direktive des "Nationalen Sicherheitsrates" Nr. 20/1 vom 18. August 1948 wird zur offiziellen Strategie, was zuvor geplant, ausgearbeitet und entwickelt worden war, die Option, das nukleare Potenzial entweder zur überraschenden militärischen Vernichtung der UdSSR (unvorbereiteter "Erstschlag") oder aber zu ihrer Erdrosselung mittels Erpressung einschließlich konkreter Kriegsvorbereitung einzusetzen: "Unsere Bemühungen, die darauf abzielen, dass Moskau unsere Konzeption akzeptiert, sind gleichbedeutend mit der Erklärung: unser Ziel ist der Sturz der Sowjetmacht. Von diesem Standpunkt aus könnte man argumentieren, dass solche Ziele ohne Krieg nicht zu erreichen sind. Folglich erkennen wir damit an: unser Endziel in Bezug auf die Sowjetunion sind der Krieg und der gewaltsame Sturz der Sowjetmacht."(28)

Sprache und Strategie sind nicht nur zynisch und menschenverachtend, sie sollen es sogar sein. Ein geheimer Sicherheitsbericht aus dem Jahre 1951 gibt dem 1947 gegründeten, berüchtigten nordamerikanischen Geheimdienst CIA folgende Maxime mit auf den weiteren Weg: "Es ist jetzt klar, dass wir uns einem unversöhnlichen Feind gegenüberstehen, dessen erklärtes Ziel die Weltherrschaft ist (...). In einem solchen Spiel gibt es keine Regeln. Bis heute anerkannte Normen menschlichen Verhaltens gelten nicht mehr. Wir müssen lernen, unsere Feinde zu untergraben, zu sabotieren und zu zerstören, und zwar mit Methoden, die cleverer, ausgefeilter und effektiver sind als jene, die man gegen uns anwendet."(29)


Bereits in dieser Phase: innere Zersetzung eingeplant

Es lässt sich also nachweisen, dass in dieser sehr frühen Phase nach 1945 die aggressive Strategie ("Roll-Back") - einschließlich militärischer Optionen - innerhalb der imperialistischen Global- und Gesamtkonzeption zur Zerschlagung des Sozialismus dominant war. Dies bedeutet jedoch ausdrücklich nicht, dass es zu dieser Zeit keine Pläne und Aktionen gab, die darauf abzielten, den staatlich organisierten Sozialismus, die regierenden kommunistischen Parteien in Ost-Europa, aber auch sozialistische und kommunistische Kräfte im Westen von innen her zu untergraben und zu zersetzen. Zuweilen werden beide Elemente der imperialistischen Globalstrategie auch von marxistischen Gesellschaftswissenschaftlern und Historikern in schroffen Gegensatz zueinander beschrieben sowie der Zeitpunkt der Ablösung der Dominanz des einen Elementes (der aggressiven Strategie) durch das zweite (flexible Strategie des "Wandels durch Annäherung" bzw. der "Politik der friedlichen Einmischung") auf den Beginn oder sogar die Mitte der 60er Jahre gelegt. Beidem möchte ich widersprechen.

Bereits das schon zitierte Dokument des "Nationalen Sicherheitsrates" (Nr. 20/1) aus dem Jahre 1948 lässt bereits konzeptionelle Muster für die Zersetzung des Sozialismus von innen heraus erkennen. Das Dokument entwirft Szenarien für eine Zeit nach dem von den USA herbeigeführten Sturz der Sowjetmacht. Dabei setzen die US-Strategen die diesem Zeitpunkt noch auf "russische Emigrantengruppen", die dann in eine möglicherweise atomar verstrahlte Sowjetunion eingeschleust werden sollten: "Gegenwärtig gibt es eine Reihe interessanter und starker russischer Emigrantengruppierungen (...) jede von ihnen eignet sich, von unserem Standpunkt aus gesehen, dazu, Russland zu regieren. (...) Der beste Weg wäre für uns, es allen im Exil lebenden Elementen zu erlauben, so schnell wie möglich nach Russland zurückzukehren und darauf zu achten - soweit dies von uns abhängt -, dass ihnen allen ungefähr die gleiche Chance eingeräumt werden, um ihre Machtansprüche anzumelden. (...)

In jedem von der Sowjetordnung befreiten Territorium werden wir uns dem Problem der menschlichen Überbleibsel (sic!, d.Verf.) des sowjetischen Machtapparates gegenübersehen.

Bei einem organisierten Abzug der sowjetischen Truppen vom jetzigen sowjetischen Territorium würde der örtliche Apparat der Kommunistischen Partei wahrscheinlich in den Untergrund gehen, wie er es in den Gebieten tat, die im vorigen Krieg von den Deutschen genommen wurden. Er würde wahrscheinlich in Form von Partisanenbanden und Guerillastreitkräften erneut hervortreten. In diesem Fall wäre die Frage, was mit ihnen geschehen soll, relativ einfach zu beantworten: den wir müssten nur der - wie auch immer gearteten - nichtkommunistischen, russischen Behörde, die das Gebiet kontrolliert, die erforderlichen Waffen und Militärhilfe geben, und es gestatten, gegen die kommunistischen Banden nach den traditionell gründlichen Prozeduren des russischen Bürgerkrieges vorzugehen. (...)

Ein noch komplizierteres Problem würden die einfachen Mitglieder der Kommunistischen Partei bzw. die Funktionäre darstellen, die entdeckt und verhaftet werden könnten bzw. sich auf Gnade und Ungnade unseren Truppen oder einer - wie auch immer gearteten - russischen Behörde, die in dem Gebiet existiert, ergeben könnten. Auch hier sollten wir nicht die Verantwortung für die Abrechnung mit diesen Leuten übernehmen oder den örtlichen Behörden direkte Befehle erteilen, wie mit ihnen zu verfahren sei (...) Aber grundsätzlich muss das ein Problem der - wie immer gearteten - russischen Behörde, die an die Stelle des kommunistischen Regimes tritt, bleiben. Wir können sicher sein, dass eine derartige Behörde die Gefahr, die frühere Kommunisten für die Sicherheit des neuen Regimes darstellen würden, viel besser als wir selbst beurteilt und ihnen auf eine Weise begegnet, dass künftig Schaden durch sie verhindert, wird (...)." (30)

Bereits ein Jahr später, am 14. September 1949, wird die Strategie der inneren Diversion entscheidend verfeinert und aktualisiert bzw. den historischen Erfordernissen angepasst, wenn es u.a. unter dem Titel "Politik der USA gegenüber den sowjetischen Satellitenstaaten" heißt: "Unser Endziel muss natürlich das Endstehen nicht-totalitärer Regierungen in Ost-Europa sein, die gewillt sind, sich der Gemeinschaft der freien Welt anzupassen und an ihr mitzuwirken. Gewichtige taktische Überlegungen sprechen jedoch dagegen, sich dieses Ziel als unmittelbar realisierbar zu setzen. (...) Das gegenwärtig geeignetere Verfahren ist demnach, einen herätischen Ablösungsprozess in den Satellitenstaaten zu begünstigen. So gering sie jetzt auch erscheinen mögen, Gründe für ketzerische Abspaltungen existieren bereits. Wir können zur Vertiefung dieser Risse beitragen, ohne Verantwortung auf uns zu nehmen. Und wenn sich die endgültigen Ablösungsprozesse durchsetzen, wären wir nicht direkt in diesen Angriff auf das sowjetische Prestige verwickelt; der Streit würde zwischen dem Kreml und der kommunistischen Reformbewegung ausgetragen. (...)

Ein Kurs, der Abspaltungen innerhalb der kommunistischen Welt fördert, kann nicht ohne Vorbehalt eingeschlagen werden, weil er ein taktisches Hilfsmittel ist, das (obgleich notwendig) niemals dazu führen darf, von unserem langfristigen und grundsätzlichen Endziel - nämlich ein nicht-totalitäres System in Osteuropa zu schaffen - abzuweichen. Das Problem besteht darin, die Entwicklung eines abtrünnigen Kommunismus zu fördern, ohne zur gleichen Zeit ernsthaft unsere Chancen zu beeinträchtigen, diesen Totalitarismus einer Übergangszeit endgültig durch freiheitliche Lebensformen zu ersetzen, die der westlichen Welt geistesverwandt sind. (...)(31)

Dass es sich bei den bisher zitierten strategischen Konzeptionen nicht um realitätsferne Überlegungen handelte, sondern um Blaupausen für konkretes Handeln, belegt ein weiteres Memorandum (Nr. 68) des "Nationalen Sicherheitsrates" der USA aus dem Jahre 1950, in dem ein ganzes Bündel von Maßnahmen dem damaligen US-Präsidenten Truman zur Umsetzung vorgeschlagen wird; es reicht von weiterer massiver Aufrüstung, der Organisation offener - auch militärischer - konterrevolutionärer Bewegungen in Ost-Europa, gezielter Sabotage und Diversion, der Unterstützung von "Dissidenten" jeglicher Couleur, dem Aufstellen des so genannten "Marshall-Plans" bis hin zu organisierter Propaganda einschließlich des Aufbaus "ideologischer Frontorganisationen". Dabei zielten die vorgeschlagenen (und dann auch umgesetzten) Maßnahmen nicht nur auf die Sowjetunion und Ost-Europa, sondern auch auf fortschrittliche, sozialistische oder kommunistische Bewegungen und Bestrebungen in West-Europa: "NSC 68 forderte eine deutliche Ausweitung der CIA-Operationen in Westeuropa, um den geheimen politischen Krieg zu führen, einen Krieg gegen sozialistische Wirtschaftsprogramme, gegen westliche kommunistische Parteien, gegen linke Sozialdemokraten, gegen Neutralismus, gegen Abrüstung, gegen den Abbau von Spannungen, gegen die Friedensoffensive, die damals von der Sowjetunion vorgetragen wurde. (...) Die Organisation, die für die Propaganda und die politischen Operationen der CIA Pate gestanden hat, zielte ursprünglich gegen linksgerichtete Sozialdemokraten und Sozialisten in Westeuropa. Sie entstand in New York aus einer Gruppe antikommunistischer Liberaler und Sozialdemokraten, darunter nicht wenige ehemalige Kommunisten, deren Zeitschrift 'New Leader' von einem russischen Emigranten namens Sol Levitas herausgegeben wurde. Im April 1950, just zu dem Zeitpunkt, als Truman dabei war, NSC 68 als die Blaupause für den Kalten Krieg zu genehmigen, löste der 'New Leader' urplötzlich seine schweren Finanzprobleme und erlebte in einer neuen aufwendigen Aufmachung seine Wiedergeburt.(...)

Die Organisation, die in Berlin das Licht der Welt erblickte, war der 'Congress for Cultural Freedom (CCF)'. Sitz seines Hauptquartiers wurde Paris; er sollte rasch weltweite Ausmaße annehmen. Zu den ihm verbundenen Publikationen gehörten unter anderem 'Der Monat' in West-Berlin, (...) 'Encounter' in London und 'Preuves' in Paris, zusammen mit einer Unzahl anderer Publikationen und Broschüren in mehreren Sprachen. CCF organisierte weltweite Kongresse, Seminare und Stipendienprogramme - alles mit dem Ziel, rechtsgerichtete Sozialisten und Sozialdemokraten zu stärken und sie für den Kreuzzug gegen die 'kommunistische Bedrohung' zu rekrutieren."(32)

In diesem Sinne sei nicht vergessen, u.a. auch auf die Rolle der Radiostationen "Radio Liberty" und "Radio Free Europe" hinzuweisen, die vom Boden der BRD aus in alle Winkel der sozialistischen Staatengemeinschaften strahlten. Zum Repertoire ihrer vielsprachigen Sendungen gehörten gezielte Desinformationen genauso wie offene Aufrufe zur organisierten Konterrevolution. Vor allem dienten sie jedoch auch als Multiplikatoren und Plattformen für tatsächliche oder erfundene "Dissidenten" jeglicher Couleur.


Die "Politik der friedlichen Einmischung" wird dominant

Mehrere Entwicklungen führten jedoch dazu, dass sich die imperialistische Globalstrategie langsam veränderte, geschmeidiger wurde und schließlich die "Politik der friedlichen Einmischung" im Rahmen ihrer Gesamtkonzeption, die natürlich niemals aggressive, militärische Veränderungen ausschloss, dominant wurde: der Sowjetunion war es gelungen, das Atomwaffenmonopol der USA zu brechen, mit dem Sieg der sozialistischen Volksrevolution in China war ein mächtiger Vorposten des Sozialismus in Asien entstanden und auch in Korea und Vietnam mussten die Imperialisten empfindliche Niederlagen hinnehmen, in Kuba siegte 1959 die von Fidel Castro angeführte Revolution gegen das US-hörige Batista-Regime; das Scheitern des Putschversuches im Juni 1953 in der DDR und die Zerschlagung der faschistischen Konterrevolution in Ungarn 1956 sowie die Sicherung der Staatsgrenze der DDR am 13. August 1961 mussten die Orientierung auf direkte Umsturzversuche in den sozialistischen Ländern als unrealistisch erscheinen lassen. So musste der ehemalige US-Senator W. Fulbright das Scheitern der "Roll-Back-Strategie" schließlich 1965 offen eingestehen: "Die Befreiungspolitik der 50er Jahre ist gescheitert, weil sie in der unglücklichen Formulierung, die ihr gegeben worden war, das Ziel verfolgte, den Eisernen Vorhang gewaltsam zu entfernen. Diese Politik hat also die Tatsachen des nuklearen Zeitalters außer Acht gelassen." (33)

Und es war ein weiteres wichtiges Moment dazugekommen, das die imperialistischen Strategen umdenken ließ: der XX. Parteitag der KPdSU. Hinter dem Vorhang der sogenannten "Entstalinisierung" hatte dieser Parteitag der sowjetischen Kommunisten grundsätzliche Beschlüsse gefasst und Orientierungen herausgegeben, die dramatische Folgen für die internationale kommunistische Bewegung haben und zu Ansatzpunkten für ein Aufweichen und auch eine gezielte Aushöhlung der Prinzipien des Marxismus-Leninismus werden sollten.

"Das bedeutendste Ereignis war, dass der XX. Parteitag die - in der damaligen historischen Situation - richtige Position verwarf, dass sich vor allem der Klassenkampf verschärfte. (...)

Theoretische Ansichten wurden kultiviert oder Optionen bevorzugt, die eine Abweichung von unserer Theorie, eine Verletzung ihrer grundlegenden Prinzipien bedeuteten. Die Kampffront gegen den Imperialismus und Revisionismus wurde geschwächt.

In einigen Fällen wurden falsche Theorien angenommen, die nichts mit den Realitäten zu tun hatten oder schlicht Fragen des Aufbaus des Sozialismus simplifizierten, so z.B. die Theorien, die einen raschen Übergang zum entwickelten Sozialismus und Kommunismus verlangten und so den komplexen und langfristigen Charakter der Übergangsperiode (siehe XX. Parteitag) unterschätzten, Theorien über den 'Staat des gesamten Volkes', der 'Partei des gesamten Volkes' und der 'Demokratie des gesamten Volkes'.

Die vom XX. Parteitag beschlossenen Orientierungen auf 'eine Vielzahl von Übergangsformen in verschiedenen Ländern unter bestimmten Bedingungen zum Sozialismus' wurden von den Führungen Kommunistischer Parteien als theoretisches Fundament für eine Offensive gegen die wissenschaftliche Theorie des Sozialismus benutzt. Im Namen von nationalen Besonderheiten und Eigenheiten wurden die unveränderlichen Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution einer Revision unterzogen. Sichtweisen wurden entwickelt, nach denen durch strukturelle Reformen und eine 'Politik der Demokratie' ein kapitalistisches System in ein sozialistisches transformiert werden könne, ohne dass ein revolutionärer Bruch notwendig sei."(34)

"Für die Abstumpfung des Klassenkampfes zugunsten der Klassen- bzw. Systemversöhnung wurden und werden verschiedene Begründungen angeführt.

In den Jahren unmittelbar nach dem Sieg über den Faschismus (1945, d.Verf.) wurde ein Argument wieder aufgegriffen, das 1925 bereits Karl Kautsky benutzt hatte, nämlich, weil die Arbeiterklasse jetzt so stark sei, werde der Klassenkampf immer milder. 'Nicht nur die Proletarier werden bei ihren Kämpfen immer ruhiger dank ihrem steigenden Selbstbewusstsein, und immer überlegener, klarer und einsichtsvoller dank ihrer zunehmenden Erfahrungen. Ihre wachsende Kraft zwingt auch ihre Gegner, die Kapitalisten selbst wie deren Freunde in den Regierungen und der Presse, den Proletariern respektvoller, gesitteter entgegenzutreten. So werden die Kapitalisten zu einer Milderung ihrer Methoden im Klassenkampf erzogen' (Karl Kautsky, Erläuterungen zum Heidelberger Programm der SPD, 1925).

Dies hatte Kautsky 1925 im Vorwort zum Heidelberger Programm der SPD geschrieben. Wenige Jahre später ließen die 'gesitteten' Kapitalisten in Deutschland in Hakenkreuz-Diktatur errichten!

Unter Berufung auf die gewachsene Stärke der Arbeiterklasse verkündete Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU die Möglichkeit, auf parlamentarischem Wege zum Sozialismus zu gelangen: 'In der ganzen Welt sind die Kräfte des Sozialismus und der Demokratie unermesslich gewachsen, der Kapitalismus dagegen ist um vieles schwächer geworden (...) Unter diesen Umständen hat die Arbeiterklasse (...) die Möglichkeit, (...) eine stabile Mehrheit im Parlament zu erobern und es aus einem Organ der bürgerlichen Demokratie in ein Werkzeug des tatsächlichen Volkswillens zu verwandeln (N.S. Chruschtschow, Rechenschaftsbericht des ZK der KPdSU an den XX. Parteitag, Berlin 1956, S.46)."(35)

Die Theorie der Klassenversöhnung, die in den Beschlüssen des XX. Parteitages ihren Niederschlag fand, wurde auch zunehmend, wenn auch schrittweise und widersprüchlich entwickelt, zum Leitfaden für die Außenpolitik der sowjetischen Kommunisten bzw. deren Einschätzung der Rolle des Imperialismus und der Unterschätzung seiner Gefährlichkeit. Der bis dahin kaum benutzte Begriff von der "friedlichen Koexistenz" etablierte sich zum zentralen Begriff im Vokabular der kommunistischen Parteien. Im Sinne Lenins bedeutet er eine Form des Klassenkampfes zwischen Sozialismus und Imperialismus, der jedoch als Ziel die vollständige Befreiung der Menschheit von der Herrschaft des Imperialismus beinhaltete. "Das Umfunktionieren der friedlichen Koexistenz aus einer Form des Klassenkampfes gegen den Imperialismus in eine Politik der Versöhnung mit ihm erfolgte in einem jahrzehntelangen, schleichenden Prozess, über verschiedene Stufen, in kleinen Schritten, so dass die Entfernung vom Ausgangspunkt und die immer größere Annäherung an den Gegenpol für viele unmerklich erfolgte. (...) Der Höhe- und Endpunkt dieser Austreibung des Leninschen Geistes aus dem Begriff der friedlichen Koexistenz fällt nicht zufällig mit dem Ende des Sozialismus in Europa zusammen. Im September 1988 verkündete Schewardnadse als Außenminister der UdSSR von der Tribüne der UNO: 'Wir sehen die friedliche Koexistenz als universelles Prinzip zwischenstaatlicher Beziehungen und nicht als besondere Form des Klassenkampfes'." die Grundsteine gelegt ...

Vieles von dem, was auf dem XX. Parteitag der KPdSU und in seiner Folgezeit von der kommunistischen Weltbewegung an Positionen entwickelt wurden, war in ihrem Kern nicht neu, knüpfte an Vorstellungen des "demokratischen Sozialismus" an und war somit objektiv ein verhängnisvoller Rückschritt in der notwendigen, ständig zu führenden Auseinandersetzung der Kommunisten als Träger des wissenschaftlichen Sozialismus mit allen Formen opportunistischen und revisionistischen Gedankenguts. Dieser Rückschritt wurde zum Einfallstor für alle Formen imperialistischer Diversion, die sich nach 1956 weiterentwickeln. Einer der US-Strategen der ideologischen Diversion, Z. Brzezinski, kleidete diese Strategie in deutliche Worte: "Ideologische Aushöhlung ist (...) die entscheidende Ursache politischen Wandels in den kommunistischen Gesellschaften."(36)

Die Konsequenzen, die sich aus dem XX. Parteitag ergeben hatten, wurden dementsprechend von den imperialistischen Strategen erkannt und umgesetzt. So meinte der damalige US-Außenminister Dulles treffend: "Die Anti-Stalin-Kampagne und ihr Liberalisierungsprogramm haben eine Kettenreaktion ausgelöst, die auf lange Sicht nicht aufzuhalten ist."(37) In einer Art "Nachbereitung" des XX. Parteitages beschreibt der ehemalige Kommunist Fritz Schenk in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" dessen Auswirkungen aus eigener Erfahrung: "Leuschner (damals stellvertretender DDR-Ministerpräsident und Mitglied des Politbüros der SED, d.Verf.) wusste, dass ich mit jenen Genossen kungelte, die den Sozialismus reformieren, zumindest dezentralisieren, ihn gern hätten 'humaner' machen wollen, wie es bis heute der Wunschtraum sozialistischer Schöngeister und Tagträumer geblieben ist. Für ihn schien es keinen Zweifel zu geben: Sozialismus geht nur als Stalinismus. Und mit Stalins Entzauberung begann dann auch der schleichende Zusammenbruch seiner realen Existenz."(38) Solche Art von Erkenntnissen blieb auch nicht vor den Türen der SPD-Führung stehen. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" analysierte der ehemalige SPD-Vorsitzende Willy Brandt die Entwicklungen in Ost-Europa und den dort herrschenden kommunistischen Parteien: "Ich habe mal 1960 (!, d.Verf.) auf einem Parteitag der SPD in Hannover gesagt - da bin ich zum ersten Mal zum Kanzlerkandidat nominiert worden - ich kann mir denken, dass sich die Enkel Chruschtschows noch Kommunisten nennen, auch wenn sie es vielleicht nicht mehr sind. Das ist nicht mehr Zukunftsmusik, sondern ziemlich aktuell. (...) Es sieht jetzt so aus, als ob die sowjetische Führung wohl an die erste Stelle setzt, dass der sicherheitsmäßige Rahmen aufrechterhalten bleibt, innerhalb dessen sich dann unterschiedliche Entwicklungen vollziehen können. Das wäre schon eine ganze Menge. Sonst bin ich eher geneigt, den Vergleich herzustellen mit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Mit dem großen Streit, der ja nicht nur ein Streit der Worte, sondern häufig auch ein blutiger Streit wurde, ob Sozialismus auf bolschewistische Art verwirklicht werden kann. Und da sehe ich nun doch eine Menge Anzeichen dafür, dass stattdessen der häufig verlästerte demokratische Sozialismus ein akzeptabler Nenner werden könnte. Das ist ermutigend. (...) Und es bleibt auch interessant, dass sich in einigen dieser noch regierenden Parteien (in Ost-Europa, d.Verf.) Tendenzen der Sozialdemokratisierung zeigen." (39) Diese Einschätzung liegt genau auf der Linie der US-Strategen, die diese bereits Mitte der 60er Jahre (auch und besonders in Auswertung der Beschlüsse und Konsequenzen des XX. Parteitages der KPdSU) gezogen hatten: "Im Westen herrscht gegenwärtig die Meinung derjenigen vor, die mit einer allmählichen Milderung des Kommunismus rechnen. Ja, mit einer Annäherung des Kommunismus an die Sozialdemokratie."(40) Ein britischer "Kommunismusexperte" und Mitarbeiter der bürgerlich-liberalen Tageszeitung "Guardian" stimmt dieser Einschätzung zu: "Jede kommunistische reformistische Bewegung wird unweigerlich vom 'schleichenden Kapitalismus' begleitet."(41)


Wichtige Rolle des Sozialdemokratismus ("demokratischer Sozialismus")

Das auch offiziell eingestandene Scheitern der direkten "Roll-Back"-Strategie wie die "ideologische Öffnung" durch die Beschlüsse und Orientierungen des XX. Parteitages der KPdSU führten, wie bereits gesagt, zu einer schrittweisen Veränderung der Strategie des Imperialismus. "Um eine derartige Strategie überhaupt Erfolg versprechend für den Imperialismus einsetzen zu können, bedurfte es erstmals umfangreicher Analysen der wirklichen Situation in den sozialistischen Ländern. Die großen anti-kommunistischen Forschungsinstitute in den USA begannen, die 'Ostforschung' enorm zu intensivieren."(42) Den imperialistischen Strategen war deutlich geworden, dass eine "feinere Waffe im Kampf gegen den Totalitarismus und insbesondere gegen das, was uns die meisten Sorgen bereitet, gegen den Marxismus, erforderlich"(43) war. Einer der strategischen Analytiker dieser neuen Nra der US-amerikanischen Strategie war der in Polen geborene Zbignew Brzezinski, zunächst Mitglied im Planungsstab des nordamerikanischen Außenministeriums, später Sicherheitsberater US-Präsident Carters. Es waren vor allem seine Analysen, die zur Entwicklung der sogenannten "Strategie der friedlichen Einmischung" führten.(44) "Allgemein muss bemerkt werden, dass die Grundgedanken einer sozialistischen Wohlfahrtsgesellschaft in Ost-Europa, das mit der freien Wirtschaft und dem ausländischen Kapital keine sehr glücklichen Erfahrungen gemacht hat, anscheinend Wurzeln geschlagen hat. Deshalb sollten die kommunistisch beherrschten Staaten in künftigen Wechselfällen nie vor die Alternative gestellt werden: Hie Sozialismus und Sowjetherrschaft - hie freies Unternehmertum und Unabhängigkeit."(45) Nur konsequent und logisch ergibt sich hieraus die objektive Rolle des "demokratischen Sozialismus" (Sozialdemokratismus). In einem Grundsatzartikel - gemeinsam geschrieben mit dem damaligen Direktor des "Studienzentrums für Probleme des internationalen Kommunismus" am Technologischen Institut von Massachusetts - beschreibt Brzezinski daher dessen Rolle in aller Deutlichkeit: "Sowohl in moralischer als auch in politischer Hinsicht sollte unsere Politik die ständige Forderung nach nationaler Selbstständigkeit mit dem Bestreben vereinen, die von der Sowjetunion unterstützten kommunistischen Regierungen auf friedlichem Wege in eine Art Sozialdemokratien westlicher Prägung umzuwandeln, die mit der sozialökonomischen Entwicklung West-Europas eng verbunden wären."(46) Dieser Ball wurde vom Vorsitzenden der SPD, Willy Brandt, konsequent aufgegriffen: "Wir haben Formen zu suchen, die die Blöcke von heute überlagern und durchdringen. Wir brauchen soviel reale Berührungspunkte und soviel sinnvolle Kommunikation wie möglich (...) Eine solche Konzeption kann zu einer Transformation der anderen Seite beitragen."(47) Günter Nenning, der damalige Sekretär der "Sozialistischen Internationale" brachte die ganze Sache auf den Punkt: "Der Kommunismus hat Zukunft. Seine Zukunft heißt Sozialdemokratie."(48)

Wir können also an dieser Stelle Folgendes zusammenfassen:

Aggressive "Roll-Back"-Strategie und strategische Konzeptionen der "Politik der friedlichen Einmischung" waren niemals gegensätzliche Elemente, sondern - je nach historischer Gegebenheit und Notwendigkeit - dialektisch miteinander verknüpft. Die "Politik der friedlichen Einmischung" begann bereits Anfang/Mitte der 50er Jahre zum dominanten Element innerhalb der imperialistischen Global-und Gesamtstrategie gegen das sozialistische Lager zu werden;

Zu ihrer ganzen Spannbreite gehörten folgende Bestandteile:

a) aggressive Rüstungspolitik mit dem Ziel, die sozialistische Staatengemeinschaft, insbesondere die UdSSR, ökonomisch zu schwächen und erpressbar zu machen, wobei jede mögliche militärische Option (einschließlich des nuklearen "Erstschlages") immer offen gehalten wurde;

b) massive Propaganda mit dem Ziel, die Bevölkerung Ost-Europas ideologisch zu beeinflussen;

c) Unterstützung eines "abtrünnigen Kommunismus" und sogenannter "Reformbewegungen", d.h. Unterstützung insbesondere auch jeglicher Tendenz zur Spaltung und Atomisierung der kommunistischen Weltbewegung;

d) Nutzung und Aufbau des Sozialdemokratismus ("demokratischer Sozialismus") als Alternative zum Marxismus-Leninismus und in organisatorischer Form zu den herrschenden kommunistischen Parteien;

e) Aufbau von Agenten- und Diversantennetzen mit dem Ziel, die unterschiedlichen Verteidigungsmechanismen der sozialistischen Länder sowie der regierenden kommunistischen Parteien zu schwächen und zu zerschlagen;

f) Zersetzung der Einheit der sozialistischen Staatengemeinschaft durch flexible politische, ökonomische, ideologische, kulturelle etc. "Bearbeitung" jedes einzelnen sozialistischen Landes. Damit sollte ein sogenannter Domino-Effekt entwickelt werden, an dessen Ende die Zerschlagung des Zentrums, d.h. der Sowjetunion, stehen sollte;

g) Organisierung ökonomischer Anhängigkeiten, um auf diesem Wege gezielt auf die Entwicklung einzelner sozialistischer Länder Einfluss nehmen zu können.


"Demokratischer Sozialismus" in Aktion

Der Sieg der Anti-Hitler-Koalition über den deutschen Faschismus hatte nach 1945 gerade in Europa zu einem deutlichen Anwachsen linker und kommunistischer Kräfte im Westen und in Ost-Europa zu national-demokratischen, später sozialistischen Entwicklungen geführt, in denen die Kommunistischen Parteien die gesellschaftlich führende Kraft waren; in manchen dieser Länder kam es gar zu einem organisatorischen Verschmelzungsprozess der jeweiligen Kommunistischen Partei mit revolutionären sozialdemokratischen Kräften auf marxistisch-leninistischer Grundlage.

Angesichts dieser Entwicklungen wurden Vertreter und Organisationen des "demokratischen Sozialismus" oder sogenannten "Dritten Weges" von der Bourgeoisie und ihren Sonder- und Geheimdiensten verstärkt eingesetzt, um diese gesellschaftlichen Prozesse aufzuhalten, sie zu beeinflussen und/oder zersetzend zu wirken.

"Im Berlin der fünfziger Jahre, während des Untergrundkampfes zwischen Ost und West, tummelten sich Vertreter von 80 ausländischen Geheim- und Nachrichtendiensten. Manche Agenten operierten solo, andere, wie Amerikaner und Russen, in Kompaniestärke. (...)

Mit dabei in der Spionage-Frontstadt war ein Trupp Entschlossener, der so gar nicht ins Romanbild eines John Le Carré passen wollte - keine Profis, sondern Parteisoldaten vom sogenannten 'Ostbüro' der SPD. (...)

Das 'Ostbüro' (...)

- arbeitete 'im konspirativen Bereich stark' mit den deutschen und westlichen Geheimdiensten zusammen;

- infiltrierte, von staatlichen Stellen geduldet und gefördert, im Rahmen seiner 'Inlandsaufklärung' politische Extremistengruppen (gemeint ist u.a. die KPD, d.Verf.);

- sammelte Informationen über drei Millionen DDR-Bürger, um nach einer Wiedervereinigung ein 'besseres Nürnberg' zu ermöglichen - die radikale Bestrafung stalinistischer Helfer;

- schickte Kuriere und V-Leute in den illegalen Propagandakampf gegen das Ulbricht-Regime (...).(...)

Dem 'Ostbüro' gelang es, aus der DDR viele vertrauliche, oft geheime Informationen herauszuschleppen: Sitzungsberichte des SED-Zentralkomitees oder Details über den Aufbau der Polizei, Baupläne von Gefängnissen oder Standorte der Roten Armee. (...)"(49)

Somit hatte der Antikommunismus und Antimarxismus der Vertreter des "demokratischen Sozialismus" oder "Dritten Weges" nicht nur objektiv eine ideologische Funktion, er fungierte - auch im "geheimen" - als Konterrevolution.

In einem Memorandum des "Nationalen Sicherheitsrates" der USA aus dem Jahre 1950 (NSC 68) wurden die aus der Sicht der Strategen des US-Imperialismus gewachsenen Herausforderungen durch die Sowjetunion, die national-demokratischen bzw. sozialistischen Entwicklungen in Ost-Europa und das Erstarken linker und kommunistischer Kräfte im Westen analysiert sowie Empfehlungen für deren Bekämpfung und Eindämmung gegeben. Die Empfehlungen, die dem Präsidenten der USA gegeben wurden, sahen ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor, die von massiver Aufrüstung, dem Organisieren offen - auch militärischer - konterrevolutionärer Bewegungen in Ost-Europa, gezielter Sabotage und Diversion, dem Aufstellen des sogenannten "Marshall-Plans" bis hin zu organisierter Propaganda, eben auch eines sogenannten "Dritten Weges", reichte.

"NSC 68 forderte eine deutliche Ausweitung der CIA-Operationen in Westeuropa, um den geheimen politischen Krieg zu führen, einen Krieg gegen sozialistische Wirtschaftsprogramme, gegen westliche kommunistische Parteien, gegen linke Sozialdemokraten, gegen Neutralismus, gegen Abrüstung, gegen den Abbau von Spannungen, gegen die Friedensoffensive, die damals von der Sowjetunion vorgetragen wurde. (...)

Die Organisation, die für die Propaganda und die politischen Operationen der CIA Pate gestanden hat, zielte ursprünglich gegen linksgerichtete Sozialdemokraten und Sozialisten in Westeuropa. Sie entstand in New York aus einer Gruppe antikommunistischer Liberaler und Sozialdemokraten, darunter nicht wenige ehemalige Kommunisten, deren Zeitschrift 'New Leader' von einem russischen Emigranten namens Sol Levitas herausgegeben wurde. Im April 1950, just zu dem Zeitpunkt, als Truman dabei war, NSC 68 als die Blaupause für den Kalten Krieg zu genehmigen, löste der 'New Leader' urplötzlich seine schweren Finanzprobleme und erlebte in einer neuen aufwendigen Aufmachung seine Wiedergeburt. (...)

Die Organisation, die in Berlin das Licht der Welt erblickte, war der 'Congress for Cultural Freedom' (CCF). Sitz seines Hauptquartiers wurde Paris; er sollte rasch weltweite Ausmaße annehmen. Zu den ihm verbundenen Publikationen gehörten unter anderen 'Der Monat' in West-Berlin (...), 'Encounter' in London und 'Preuves' in Paris, zusammen mit einer Unzahl anderer Publikationen und Broschüren in mehreren Sprachen. CCF organisierte weltweite Kongresse, Seminare und Stipendienprogramme - das alles mit dem Ziel, rechtsgerichtete Sozialisten und Sozialdemokraten zu stärken und sie für den Kreuzzug gegen die 'kommunistische Bedrohung' zu rekrutieren."(50)

Als ein anderes Beispiel sei die in der BRD im Mai 1959 ins Leben gerufene Zeitschrift "Der Dritte Weg" ("Zeitschrift für modernen Sozialismus") genannt. Obwohl ihre ideologisch-politische Orientierung auf einen "menschlichen Sozialismus", einen "demokratischen Sozialismus" und einen sogenannten "Dritten Weg" (womit der Titel der Zeitschrift zum Programm erhoben wurde ...) den bereits erwähnten Projekten ähnelte, gab es doch hinsichtlich der Autorenschaft sowie der Zielgruppe einen Unterschied. Die meisten Autoren waren ehemaligen Kommunisten, die als Anhänger des "Dritten Weges" mit ihrer Partei (SED oder KPD) gebrochen hatten. "In der kommunistischen Bewegung - in der DDR allemal - waren die Namen dieser ausgewiesenen Antistalinisten bekannt: Manfred Hertwig, Wolfgang Leonhard, Walter Philip, Fritz Schenk, Rudolf Schröder, Hermann Weber, Günther Zehm, Heinz Zöger, Gerhard Schröder."(51) Verantwortlicher Redakteur dieses Organs war der ehemalige hohe FDJ-Funktionär Heinz Lippmann, der sich mit 300.000 DM seines Verbandes in den Westen abgesetzt hatte. Vor diesem personellen Hintergrund war die Zielgruppe der Zeitschrift offensichtlich: Mitglieder und Funktionäre der SED sowie der 1956 in der BRD verbotenen KPD; "Der Dritte Weg" sollte in beiden Parteien zersetzend wirken.

Finanziert und kontrolliert wurde das Organ von Anfang an vom "Bundesamt für Verfassungsschutz", dessen ehemaliger Präsident Günther Nollau sich in seinem Memoiren erinnert: "Geheimdienstliche Arbeit besteht nicht nur darin, Nachrichten und Material herbeizuschaffen, das zur Festnahme von Verfassungsfeinden dienen kann. Wer die Besonderheiten der Untergrundarbeit erkannt hat, kann auch mit feinerer Klinge fechten.

Die KPD war 1956 verboten worden. Im selben Jahr hatte der XX. Parteitag der KPdSU stattgefunden, auf dessen Geheimsitzung Chruschtschow Stalin heftig angegriffen und dadurch dessen System diskreditiert hatte.

Intelligente Kommunisten diskutierten damals darüber, welcher Weg nun beschritten werden sollte. War es richtig, den orthodoxen Stalinismus beizubehalten, oder sich im kapitalistischen Bereich der reformerischen Sozialdemokratie anzuschließen? Einige meiner Mitarbeiter und ich diskutierten damals mit ehemaligen Kommunisten, vor allem mit dem aus der DDR geflohenen zweiten Sekretär der FDJ, Honeckers damaligen Stellvertreter Heinz Lippmann, darüber, wie man diese Diskussionen anregen und für unsere Abwehrzwecke nützen könne. Wir kamen zu dem Ergebnis, eine offene Werbung für die Sozialdemokratie werde es den moskautreuen Kommunisten erleichtern, jeden neuen Gedanken mit dem Etikett 'Sozialdemokratismus' zu versehen und abzulehnen. Einer kam auf die Idee, einen 'Dritten Weg' zu propagieren, einen schmalen Pfad, den zu begehen die Fähigkeit erforderte, zwischen dem orthodoxen Kommunismus und der reformerischen Sozialdemokratie zu balancieren. (...) Andere - wie ich - erwarteten, dieser Balanceakt werde in der illegalen KPD zersetzend wirken und uns die Möglichkeit eröffnen, unter den Dissidenten, die wir kennenzulernen hofften, Informanten zu gewinnen. (...)

Im Mai 1959 starteten wir unser Blättchen mit dem Artikel 'Zwischen Stalinismus und Kapitalismus'. Die Angriffe auf den Stalinismus fielen uns leicht. Aber um glaubwürdig zu sein, mussten wir auch den Kapitalismus und die Bundesregierung kritisieren. Das war zwar nicht schwer, denn an der damaligen Ostpolitik gab es manches zu beanstanden. Aber die Angriffe mussten so dosiert sein, dass sie, falls das Unternehmen einmal platzte, vor der Dienstaufsichtsbehörde zu vertreten waren. (...)(52)


Beispiel 1: CSSR 1968

Wie sehr Konzeptionen und Vertreter des sogenannten "Dritten Weges" oder "demokratischen Sozialismus" zu Instrumenten der Diversion und Konterrevolution werden können, sei an einem weiteren Beispiel aufgezeigt: den Ereignissen in der CSSR 1968 und ihren Hintergründen, gemeinhin als sogenannter "Prager Frühling" postuliert.

Wie bereits durch die bisher aufgezeigten Beispiele angerissen, ist die objektiv konterrevolutionäre Rolle des "demokratischen Sozialismus" eng mit der imperialistischen Strategie zur "Vernichtung des Kommunismus" verbunden. Zwischen den bisher dargestellten Beispielen und den Ereignissen in der CSSR 1968 liegen rund 20 Jahre, in denen sich die imperialistische Strategie verändert hatte.(53)

In der Periode unmittelbar nach dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition 1945 basierte die anti-sozialistische imperialistische Strategie im Wesentlichen auf dem Versuch eines offensiven "Roll-Back", der sogar militärische Optionen einschloss. Der damalige US-Stratege James Burnham formulierte dieses Konzept ohne Schnörkel: "Wir sind bisher nicht bereit gewesen, zuzugestehen, dass es nur ein Ziel der amerikanischen Außenpolitik geben kann: die Vernichtung der Macht des Kommunismus."(54) Sich auf das damals noch existierende Atomwaffenmonopol der USA stützend erläuterte der damalige US-Außenminister J.F. Dulles 1952 das strategische Konzept dieses "Roll-Back": "Man muss die Sowjetunion von innen zersetzen (...) Das Gefüge der zahlreichen verschiedenen, in der Sowjetunion vereinigten Stämme muss zum Bersten gebracht werden. Voraussetzung ist aber, dass man die Politik des Containment (Eindämmung des Sozialismus, d.Verf.) aufgibt und aktiv vorgeht, um einen Sturz im Inneren der Sowjetunion herbeizuführen."(55)

Mehrere Entwicklungen führten jedoch dazu, dass sich diese imperialistische Strategie langsam veränderte, geschmeidiger wurde und schließlich zur "Politik der friedlichen Einmischung" mutierte: der Sowjetunion war es gelungen, das Atomwaffenmonopol der USA zu brechen, mit dem Sieg der sozialistischen Volksrevolution in China war ein mächtiger Vorposten des Sozialismus in Asien entstanden und auch in Korea und Vietnam mussten die Imperialisten empfindliche Niederlagen hinnehmen, in Kuba siegte 1959 die von Fidel Castro angeführte Revolution gegen das US-hörige Batista-Regime; das Scheitern des Putschversuches im Juni 1953 in der DDR und die Zerschlagung der faschistischen Konterrevolution in Ungarn 1956 sowie die Sicherung der Staatsgrenze der DDR am 13. August 1961 mussten die Orientierung auf direkte Umsturzversuche in den sozialistischen Ländern als unrealistisch erscheinen lassen.

So musste der ehemalige US-Senator W. Fulbright das Scheitern der "Roll-Back-Strategie" 1965 offen eingestehen: "Die Befreiungspolitik der 50er Jahre ist gescheitert, weil sie in der unglücklichen Formulierung, die ihr gegeben worden war, das Ziel verfolgte, den Eisernen Vorhang gewaltsam zu entfernen. Diese Politik hat also die Tatsachen des nuklearen Zeitalters außer Acht gelassen."(56)

Und es war ein weiteres wichtiges Moment dazugekommen, das die imperialistischen Strategen umdenken ließ: der XX. Parteitag der KPdSU. Hinter dem Vorhang der sogenannten "Entstalinisierung" hatte dieser Parteitag der sowjetischen Kommunisten grundsätzliche Beschlüsse gefasst und Orientierungen herausgegeben, die dramatische Folgen für die internationale kommunistische Bewegung haben und zu Ansatzpunkten für ein Aufweichen und auch eine gezielte Aushöhlung der Prinzipien des Marxismus-Leninismus werden sollten.

Die Theorie der Klassenversöhnung, die in den Beschlüssen des XX. Parteitages ihren Niederschlag fand, wurde auch zunehmend, wenn auch schrittweise und widersprüchlich entwickelt, zum Leitfaden für die Außenpolitik der sowjetischen Kommunisten bzw. deren Einschätzung der Rolle des Imperialismus und der Unterschätzung seiner Gefährlichkeit. Der bis dahin kaum benutzte Begriff von der "friedlichen Koexistenz" etablierte sich zum zentralen Begriff im Vokabular der kommunistischen Parteien. Im Sinne Lenins bedeutet er eine Form des Klassenkampfes zwischen Sozialismus und Imperialismus, der jedoch als Ziel die vollständige Befreiung der Menschheit von der Herrschaft des Imperialismus beinhaltete. "Das Umfunktionieren der friedlichen Koexistenz aus einer Form des Klassenkampfes gegen den Imperialismus in eine Politik der Versöhnung mit ihm erfolgte in einem jahrzehntelangen, schleichenden Prozess, über verschiedene Stufen, in kleinen Schritten, so dass die Entfernung vom Ausgangspunkt und die immer größere Annäherung an den Gegenpol für viele unmerklich erfolgte. (...) Der Höhe- und Endpunkt dieser Austreibung des Leninschen Geistes aus dem Begriff der friedlichen Koexistenz fällt nicht zufällig mit dem Ende des Sozialismus in Europa zusammen. Im September 1988 verkündete Schewardnadse als Außenminister der UdSSR von der Tribüne der UNO: 'Wir sehen die friedliche Koexistenz als universelles Prinzip zwischenstaatlicher Beziehungen und nicht als besondere Form des Klassenkampfes'."(57) Auch für diese Art von "Verwandlung" hatte der XX. Parteitag die Grundsteine gelegt...

Zum "ersten Testfall" dieser "Strategie der friedlichen Einmischung" sollte die CSSR Ende der 60er Jahre werden; dort hatte sich ein "explosives Gemisch" aus verschiedenen Faktoren über einen längeren Zeitraum hinweg angesammelt:

Die "Kommunistische Partei der Tschechoslowakei" (KPC) war einer der kommunistischen Parteien Ost-Europas, die die Beschlüsse des XX. Parteitages der KPdSU am konsequentesten umgesetzt hatten. "So verkündete schon im Juli 1960 die Gesamtstaatliche Konferenz der KPC den 'Sieg des Sozialismus in der CSSR und den allmählichen Übergang zum Kommunismus'. Diese falsche Gleichsetzung vom Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse mit dem Sieg des Sozialismus überhaupt (...) hatte jedoch zur Konsequenz, dass die Partei ihre ideologische Erziehungsaufgabe praktisch nicht mehr wahrnahm und so die Kluft zwischen der sozialistischen Gesellschaftsordnung und dem Bewusstsein des Volkes immer größer wurde. Nicht einmal mehr die Normen des Parteilebens wurden allgemein eingehalten. Schon Anfang der sechziger Jahre wurde beispielsweise auf den Kandidatenstatus verzichtet, zuvor schon hatte man das für die Schulung der Parteimitglieder unerlässliche Parteilehrjahr abgeschafft. Die KPC gab sich der Illusion hin, dass sich auf der Basis vergesellschafteter Produktionsmittel das politische Bewusstsein der Massen spontan weiterentwickele, und verzichtete auf die Ausarbeitung einer strategischen Konzeption und taktischen Linie für die gesellschaftliche Entwicklung in der CSSR.(58)"

"Die Schwächung der politischen und ideologischen Arbeit bewirkte eine Abstumpfung des Kampfes gegen bürgerliche und kleinbürgerliche Tendenzen und ideologische Diversion. Das nahm gesetzmäßig Einfluss auf die Lockerung der Verbindung der Partei zu den Massen der Werktätigen. Die Fehler und Mängel hatten bei uns um so ernstere Folgen, weil in der sozialen Struktur unserer Gesellschaft die zahlreich vertretenen Schichten des Kleinbürgertums in den Dörfern und unter der städtischen Bevölkerung großes Gewicht hatten. Diese Schichten stellten eine markante politische Strömung mit großen Traditionen, starker Organisiertheit und ausgeprägter kleinbürgerlicher Ideologie des Nationalismus, Masarykismus und Sozialdemokratismus dar, die stark verwurzelt waren und auch in Teile der Arbeiterklasse eindrangen. (...) Das alles schuf bei uns einen Nährboden für das Einsickern und Einnisten opportunistischer und revisionistischer Tendenzen. (...)

Diese Tatsache haben die rechten und revisionistischen Kräfte ausgenutzt. Sie formierten sich zu einer allmählich anwachsenden Strömung, die sich schon lange vor dem VIII. Parteitag aus kleinbürgerlichen Elementen und Vertretern der besiegten Bourgeoisie herausgebildet hatte. Diese Elemente drangen auch in die Partei ein, besonders aber in den ideologischen Bereich und in die Massenmedien. (...)

Die innere Offensive der rechten Kräfte ist eng mit den ideologischen Zentren des Antikommunismus in der Welt verbunden. Ihr langjähriges Wirken und die Methoden der ideologischen Diversion und verschiedener psychologischer Operationen waren zielstrebig auf die allmähliche Erosion aller Grundwerte des Sozialismus in der CSSR und auf die Verstärkung des Einflusses des Revisionismus im inneren Parteiorganismus gerichtet. Diese Zentralen wandten gegenüber der CSSR eine gemeinsame Taktik an, indem sie dabei ihre innere Schwächung ausnutzten, zu der es infolge des Anwachsens einiger Krisenerscheinungen innerhalb der KPC gekommen war. (...)

Auf diesen konzentrierten, gut organisierten, koordinierten und gelenkten Angriff der inneren und äußeren revisionistischen und rechtsopportunistischen Kräfte war die Partei nicht genügend vorbereitet und gerüstet. Die Gefahr des Eindringens des Rechtsopportunismus und Revisionismus wurde unterschätzt, in der ideologischen Arbeit zeigte sich eine unzulässige Defensive und Nachsicht. Mit Worten wurde of auf die Gefahr einer ideologischen Diversion aufmerksam gemacht, aber es folgten keine konkreten Schritte. Die Erziehung der Parteimitglieder und der übrigen Werktätigen im Geiste des Marxismus-Leninismus wurde geschwächt. Die Partei wurde allmählich ideologisch entwaffnet. Die theoretische Arbeit in der Partei wurde Jahre hindurch vernachlässigt und litt an oberflächlichem formalistischem Herangehen an die ideologische Beeinflussung der Parteimitglieder. Sogar solche theoretischen Institutionen der Partei wie das Institut für Geschichte der KPC, die Parteihochschule und das Institut für politische Wissenschaften waren schon lange vor dem Jahr 1968 Träger vieler revisionistischer Konzeptionen. (...) Um den Fraktionskern der revisionistischen rechten Kräfte in der Partei gruppierte sich eine oppositionelle Strömung, die allmählich in immer mehr Organisationen eindrang und sich somit eine eigene politische Plattform und organisatorische Struktur schuf. Die Rechten besetzten nach und nach auf allen Ebenen wichtige Positionen mit ihren Leuten oder auch mit solchen Menschen, die sich ihnen aus verschiedenen Gründen anschlossen oder vor ihnen kapitulierten. (...)

Da die führenden Organe der KPC faktisch aufgehört hatten, die Partei und die Massenmedien anzuleiten, wurde die Richtung der politischen Entwicklung im Land immer mehr von den Rechten und nicht von der Parteiführung bestimmt.(59)"

Im Vergleich zu anderen sozialistischen Ländern waren die potenziell konterrevolutionären sozialen und politischen Kräfte in der CSSR wesentlich stärker geblieben und strebten seit dem Sieg der Volksrevolution im Jahre 1948 nach Revanche; so waren z.B. die entmachtete Bourgeoisie in ihrer überwältigenden Mehrheit im Lande geblieben. Vasil Bilak, der 1. Sekretär der Kommunistischen Partei der Slowakei hat damals das potenzielle Kräftereservoir der Konterrevolution folgendermaßen eingeschätzt. "Die 1,7 Millionen Mitglieder anderer Parteien (im Wesentlichen kleinbürgerliche und sozialdemokratische Kräfte, d.Verf.) (...), von denen ein großer Teil damals (gemeint ist die Volksrevolution von 1948, d.Verf.) nicht mit der Politik der KPC einverstanden war und dagegen aktiven Widerstand leistete, haben sich ebenfalls nicht aus der Gesellschaft 'verflüchtigt' (...) und auch die Angehörigen der Bourgeoisie, deren Eigentum nationalisiert wurde (...) werden sich sicher niemals mit der Existenz des Sozialismus abfinden (...)(60)"

Ökonomische Probleme, die u.a. aus der illusionären, auch wirtschaftlichen Orientierung der Partei auf den praktisch bevorstehenden Aufbau des Kommunismus und der ökonomischen Konzeptionslosigkeit der Partei herrührten, führten zur Unzufriedenheit in Teilen der Bevölkerung.

Die rechtsopportunistischen Kräfte, die schließlich faktisch 1968 die KPC kontrollierten, orientierten sich in ihrer politischen Programmatik im Wesentlichen an den bereits bekannten Theoriemustern des "demokratischen Sozialismus". Bereits im Oktober 1967 hatte Ota Sik, Ministerpräsident der CSSR und Wirtschaftsexperte der revisionistischen KPC-Führung in einem Interview mit der Zeitschrift "Osteuropa" erklärt: "Die Wiederherstellung von Marktbedingungen ist unser Ziel, und wir werden Schritte in dieser Richtung tun. (...) Wir versuchen, durch Konkurrenz (...) die Unternehmen unter größeren Marktdruck zu setzen. Mehr als das. Nicht nur einzelne Betriebe, sondern ganze Wirtschaftszweige werden mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Aber es gibt keinen anderen Weg."(61) "Und Ota Sik (...) äußerte am 10.12.1968 im Fernsehen: 'Wir wollen wirkliche Unternehmer und einen freien Markt.' Auf weitere Fragen, ob er das Profitinteresse anerkenne, antwortete er rund heraus mit 'ja'."(62) Der Vorsitzende der Staatsbank der CSSR, Dr. Eugen Löbl, wird noch deutlicher. Die "Neue Züricher Zeitung" vom 17. Juli 1968 berichtet, dieser habe bei einem Vortrag in Bonn erklärt, "dass die CSSR das marktwirtschaftliche System nie habe verlassen dürfen und dass die 'Vergesellschaftung des Privateigentums' nur eine von vielen Dimensionen sei, nicht weniger etwa als die Revolution im Management oder Ähnliches, und keineswegs ein nach Marx allheilendes Remedium."

Auf die Frage des Bayerischen Rundfunks an den Vorsitzenden des tschechoslowakischen Schriftstellerverbandes, Prof. Goldstücker "Würden Sie sagen, ob gewisse Formen zur Rückkehr eines Besitzes an Produktionsmitteln denkbar wären?" antwortete dieser: "Wir sind am Anfang eines großen, nicht kurzen Prozesses, und wir möchten, dass sich in diesem Prozess nicht sofort alles herauskristallisiert. Wir möchten, dass dieser Prozess an die Grenzen seiner Möglichkeiten läuft, wir möchten das Ende offen halten, so lange wie nur irgend möglich."(63) Dies ist nichts anderes als die Apologetik für eine schleichende, schrittweise Einführung des Kapitalismus ...

Für die Einführung des Kapitalismus mussten jedoch andere Machtverhältnisse durchgesetzt werden und auch hierfür hatten die Anhänger des "demokratischen Sozialismus" oder des "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" innerhalb der KPC konzeptionelle Vorarbeit geleistet: "Das sozialistische Entwicklungsmodell, das wir erstreben, erfordert vor allem die konsequente Entfaltung eines Demokratismus (...).

In unserem innerstaatlichen Leben haben wir die Grenzen der Klassenantagonismen überwunden, und der Klassenkampf ist kein wesentlicher Bestandteil der sozialen Entwicklung unseres Landes mehr. (...)

Der Sozialismus, den wir wollen, braucht zu seiner Entfaltung im Vergleich mit dem Kapitalismus kein geringeres, sondern ein größeres Maß an staatsbürgerlichen Freiheiten: Freiheit der Rede, der Presse, der Information, der Versammlung und Vereinigung, Bewegungs- und Reisefreiheit. (...)

Das gesellschaftliche System des Sozialismus muss unserer Meinung nach die grundlegenden Rechte und Freiheiten des Menschen vermitteln und garantieren - einerseits durch ein System der repräsentativen (politischen) Demokratie (besonders im Parlament).(...) Das Ziel der Reform ist - kurz gesagt - ein politisches System, das eine unseren Verhältnissen entsprechende Kombination der Grundsätze der formalen politischen Demokratie (gleiche politische Rechte und Freiheiten für alle Bürger, den Mechanismus der repräsentativen Demokratie, das Bestehen nicht nur einer einzigen politischen Partei, Teilung und Kontrolle der Macht, Rechtsgarantien für die bürgerlichen Freiheiten und für die Kontrolle der Macht) mit solchen Grundsätzen verbinden soll, die eine direkte Einflussnahme der sozial stärksten Interessengruppe, der arbeitenden Menschen, auf die Politik ermöglichen.(64)"

Der Klassenkampf, den die revisionistische Führung der KPC negierte und nicht zu führen bereit war, fand jedoch ganz konkret statt. Sprunghaft entstanden ganz legal operierende Gruppierungen, Zirkel und Organisationen, deren politische Spannweite von sozialdemokratischen bis pro-faschistischen Kräften reichte. Zur bedeutendsten politisch-organisatorischen Plattform der Konterrevolution wurde das sogenannte "Manifest der 2000 Worte" (einer der Verfasser dieses Dokuments war das revisionistische Mitglied des ZK der KPC, Ludvik Vaculic!!), in dem es u.a. hieß: "Aber wir haben schon so viel gesprochen, dass wir diesmal mit unserem Entschluss das alte (sozialistische, d.Verf.) Regime zu vernichten, bis zum Ende gehen müssen. Die Kommunisten besitzen eine wohlgebaute Organisation, innerhalb derer es den fortschrittlichen Flügel zu unterstützen gilt (...) unserer Regierung müssen wir zu verstehen geben, dass wir hinter ihr stehen, wenn nötig mit Waffen, solange sie das tun wird, wofür wir unser Mandat gegeben haben."(65)

Und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" frohlockte am 13. März 1968: "Die Sozialdemokraten (...), verlangen nun Beteiligung an der Macht." Das "Handelsblatt" wusste am 28. Juni zu berichten: "Eine kleine Gruppe früherer Sozialdemokraten, (...) hat inzwischen ein provisorisches 'Zentralkomitee der Sozialdemokratischen Partei' gebildet" und dementsprechend konnte die "Kölnische Rundschau am 8. Juni des gleichen Jahres berichten: "Auf den Straßen Prags laden Flugschriften die Einwohner zu Versammlungen der Sozialdemokraten ein (...)."

In einem Memorandum einer dieser neu entstandenen sozialdemokratischen Formationen hieß es dann. "Ein Gesetz, das wir annehmen werden, muss jede kommunistische Betätigung in der Tschechoslowakei verbieten. Wir werden die Tätigkeit der KPC verbieten und die KPC auflösen."(66)

"Klaus Mehnert, Ost-Europa-Spezialist des deutschen Imperialismus, der während der Nazizeit eine Schlüsselposition im Auslandspropagandadienst des Auswärtigen Amtes innehatte, äußerte sich am 30. März im westdeutschen Fernsehen: 'Dies bedeutet die Entwicklung in eine Richtung, die Lenin auf das Äußerste erregen würde, auf den Sozialdemokratismus, auf einen demokratischen Sozialismus in der CSSR (...). Es läge also durchaus in der Logik der Dinge, wenn eines Tages auch dort ein, sagen wir, Sozialdemokratismus die Zügel übernähme."(67)

Die Zeit wurde schließlich reif dafür, dass sich der führende US-Stratege Brzezinski persönlich in die für den Imperialismus so positiven Entwicklungen einmischen konnte. Im Juni 1968 weilte er auf Einladung des damaligen tschechoslowakischen Außenministers Hajek in der CSSR. Auf einer Veranstaltung des "Instituts für Internationale Politik" in Prag hielt er am 14. Juni 1968 einen Vortrag: "Unsere Meinung ist, dass heute, 20 Jahre nach dem Abschluss des Krieges, wieder politische Strukturen an die Öffentlichkeit kommen, die hier schon einmal gewesen sind. (...) Ich sage nochmals, dass wir in New York das was hier geschieht, sehr begrüßen und denken, dass es gerade aus dem Grunde gut ist, weil hier im Grunde genommen die alten Werte in neuer Form realisiert werden."(68)

Schließlich war bereits im März 1968 die von der Konterrevolution entfachte Stimmung im Lande so weit, dass die "Neue Züricher Zeitung" am 22. März 1968 in wohligem Glücksgefühl berichten konnte, das Wort "Kommunismus" erscheine in der CSSR als "geradezu unanständig", so dass kaum jemand mehr wage, es offen auszusprechen. Gleichzeitig verstärkten sich die Aktivitäten imperialistischer Geheimdienste zur Unterstützung ihrer Freunde im Land, auch illegale Geheimsender und Kommunikationsnetze sowie Waffenlager wurden aufgebaut. Es entwickelte sich schrittweise, aber rasend schnell ein Klima, in dem jeden Moment mit einem offen konterrevolutionären Aufstand zu rechnen war. In dieser gefährlichen Situation entschlossen sich die Sowjetunion und andere Staaten des Warschauer Vertrages, jenen Genossen innerhalb der KPC am 21. August 1968 zur Hilfe zu kommen, die sich der konterrevolutionären Entwicklung und dem drohenden konterrevolutionären Aufstand entgegenzustemmen versuchten; ihre militärische Intervention verhinderte die drohende, kaum mehr zu kontrollierende Eskalation der Ereignisse. Damit war die Konterrevolution in der CSSR zunächst gestoppt, jedoch nur unterbrochen wie die Entwicklungen - nicht nur - in der CSSR in den 80er Jahren zeigen sollten. Zwar waren der Konterrevolution in der CSSR militärische Fesseln angelegt worden, viele ihrer Ursachen, insbesondere der Revisionismus innerhalb der KPC, wurden jedoch nur an der Oberfläche und nicht an seinen Wurzeln, die auf den XX. Parteitag der KPdSU zurückreichen, bekämpft. Zu sehr hatte das revisionistische Gift bereits wichtige Glieder der kommunistischen Weltbewegung gelähmt - insbesondere der KPdSU -, so dass den Genossen in der CSSR die alleinige Verantwortung für diese Schuld kaum aufzubürden ist.

Die US-Strategen hatten jedenfalls die Situation erkannt: "Es wäre eine Fehleinschätzung unserer Wirklichkeit, wollte man die Übertreibung der eigenen Erwartungen vor dem 21. August durch eine entsprechende Übertreibung der Ernüchterung wettmachen und nun folgern, der Osten sei vereist und die kommunistischen Institutionen östlichen Typs seien dem Auflösungsprozess gegenüber immun. Dem ist keineswegs so. (...) Ideologische Aushöhlung ist folglich die entscheidende Ursache politischen Wandels in den kommunistischen Gesellschaften."(69)

Der damalige und inzwischen verstorbene österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky erklärte in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 20.2.1973, dass "die Entspannung zwischen Ost und West mit ihren wachsenden Kontakt- und Informationsmöglichkeiten, andererseits aber auch die fortschreitende industrielle Entwicklung im Ostblock zu einer scharfen Konfrontation zwischen Sozialdemokratie und Kommunismus führen werde". "Die Sozialdemokratie" werde "zum unmittelbaren Gegenpol der Kommunisten (...), während der Kapitalismus keine politische Kraft ist, die die kommunistischen Systeme fürchten. Für sie erwächst die Gefahr aus dem Ideengut des demokratischen Sozialismus, und damit wird die Lage für die kommunistischen Staaten sehr viel komplizierter und schwieriger."

Hinsichtlich der konterrevolutionären Ereignisse in der CSSR erklärte er in diesem Interview in aller Offenheit, dass die damals in der CSSR verantwortlichen politischen Kräfte "auf dem Boden der Sozialdemokratie fußen".


Beispiel 2: Die DDR von Anfang an im Fadenkreuz

Entsprechend der imperialistischen Globalstrategie waren zunächst alle Methoden dominierend, die DDR aggressiv noch in ihrem Aufbaustadium zu vernichten. Dabei spielte der BRD-Imperialismus - in engster Koordination mit seinem Paten in Washington - eine herausragende Rolle. "Die Deutsche Demokratische Republik sollte im Frontalangriff liquidiert und der Herrschaftsbereich des westdeutschen Imperialismus zunächst bis an die Oder und Neiße ausgedehnt werden. West-deutschland, so schrieb John Forster Dulles (damaliger US-Außenminister, d.Verf.) in seinem Buch 'War or Peace?' (Krieg oder Frieden?), müsse 'Ostdeutschland in den Machtbereich des Westens hineinziehen' und dadurch eine 'vorgeschobene strategische Position in Mitteleuropa gewinnen', um 'Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn und andere angrenzende Länder zu unterminieren'." "Der amerikanische Hochkommissar McCloy setzte 'Anfang Februar 1950 (...) ein Political and Economic Projects Committee (PEPCO) ein, dessen Aufgabe es war, politische und propagandistische Aktivitäten gegen die DDR und die sowjetische Deutschlandpolitik zu konzipieren und zu koordinieren.' Ein im April 1950 bestätigtes 'Programm für PEPCO legte als Ziele der amerikanischen Politik gegenüber der DDR fest, 'die Bevölkerung zu passivem Widerstand anzuregen, den Glauben an westliche Werte und Institutionen zu fördern, den Menschen die sowjetischen Unterdrückungsmaßnahmen deutlich zu machen, dadurch die weitere Sowjetisierung der DDR zu erschweren und den Irredentismus in der DDR und den von Polen verwalteten deutschen Gebieten aufrechtzuerhalten'."(70) Das ist exakt die bereits erwähnte Domino-Strategie im Konkreten ausformuliert!

Der BRD-Imperialismus erklärte die Vernichtung der DDR nicht nur offiziell zu seinem Programm, er verlieh ihm sozusagen zusätzlich mit dem "Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen" Ministerrang. Die Ministerebene, auf der viele der Fäden zusammenliefen, an deren Enden das Ende der DDR stehen sollte, unterstreicht jedoch zugleich die Bedeutung, die herausragende der BRD-Imperialismus diesem strategischen Ziel beimaß.

Man erinnert sich unvermittelt an die jüngere Geschichte - etwa die CIA-Kriege gegen das sandinistische Nicaragua oder den noch anhaltenden Krieg gegen das sozialistische Cuba - bei der inzwischen historischen Betrachtung der Sabotage- und Terrorakte, die imperialistische Geheimdienste, ihre Front- oder Tarnorganisationen gegen die noch junge DDR durchführten, mit dem erklärten Ziel, dem ersten Arbeiter- und Bauernstaat in der deutschen Geschichte sozusagen noch im Kindbett der Garaus zu machen. "In den meisten Diversions- und Sabotagefällen, die in der DDR aufgedeckt worden sind, bestanden unmittelbare Verbindungen zu Geheimdienstzweigen und deren Agentenorganisationen in der BRD und Westberlin. Das trifft auf die groß angelegte Schädlingstätigkeit in der sächsischen Textilindustrie (1949), in den Solvay-Werken in Sachsen-Anhalt (1952), in der Landwirtschaft des Kreises Wittstock (1953), in der MTS Brüsewitz (1953), im VEB Zementwerk Göschwitz (1953) und im VEG Messgerätewerk Zwönitz (1953) zu. Bezeichnend ist, dass in den betreffenden Fällen als Auftraggeber die Krupp- und Siemensmonopole in der BRD fungierten, die schon in Nazideutschland aufs Engste mit den faschistischen Gehheimdienstzweigen zusammengearbeitet haben und deren auf dem Territorium der DDR gelegene Betriebe enteignet worden sind. (...)

Die von der BRD aus gelenkte Diversion und Sabotage verdichtete sich zeitlich zunächst in den Jahren 1949 bis 1955 gegen die volkseigene Industrie und die Wirtschaftsplanung und konzentrierte sich besonders im Jahr 1958 gegen die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft in der DDR."(71)

Zur Tarnung und Organisation solcher Aktionen wurden diverse Gruppierungen ins Leben gerufen, die zumeist in engstem Kontakt zu imperialistischen Geheimdiensten, vor allem dem BND und der CIA standen. Zu nennen sind dabei u.a.:

die "Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" (KgU)(72)
der "Bund Deutscher Jugend" (BDJ)
die "Arbeitsgemeinschaft 13. August"

der "Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen" und viele andere Organisationen, Personenzusammenschlüsse sowie Grüppchen. Viele der in diesen Zusammenschlüssen agierenden Personen spielten zudem eine herausragende Rolle in der von der CIA geschaffenen Geheimorganisation GLADIO, die von den antikommunistischen Strategen in Washington und Langley (CIA-Hauptquartier) in West-Europa für einen "low-intensity-warfare" gegen jegliche Art von möglichen demokratischen oder progressiven Entwicklungen sowie gegen die sie tragenden Organisationen und Parteien aus der Taufe gehoben worden war.


Besondere Rolle des "Ostbüro" der SPD

Eine besondere Rolle spielte das sogenannte "Ostbüro" der SPD. Es war nicht nur der organisatorische Beleg für die Rolle des Sozialdemokratismus ("demokratischen Sozialismus" als ideologischem Kampfinstrument des Imperialismus gegen den Sozialismus, es war zugleich der lebendige Beweis für die Tatsache, dass die Übergänge von ideologischer Diversion zu Propaganda, Spionage und Sabotage in der Regel mehr als fließend sind.

Der ehemalige leitende Funktionär der SPD und ihres "Ostbüros" Helmut Bärwald bestätigt in seinem Buch "Das Ostbüro der SPD" viele der vom "Spiegel" gemachten Aussagen und präzisiert gar die Tätigkeit und Rolle dieser Organisation weiter:

"Nicht von Anfang an, jedoch bis spätestens Ende 1946 konkretisiert, erhielt das Ostbüro vom Parteivorstand (der SPD, d.Verf.) sechs Hauptaufgaben zugewiesen, die während der fast 25jährigen Arbeit des Ostbüros bis Januar 1971 mit den jeweiligen Situationen und Entwicklungen entsprechender Gewichtigkeit erfüllt wurden:

Kontaktstelle der SPD für Sozialdemokraten in der SBZ/DDR und Koordinierungsstelle für die Sozialdemokraten und sozialdemokratischen Gruppen, die politischen Widerstand gegen die Gewalt- und Willkürherrschaft in der SBZ/DDR leisteten. Gelegentlich bereits in den ersten drei Jahren nach Gründung des Ostbüros, vermehrt nach Gründung der DDR und nach der Umformung der SED in eine 'Partei neuen Typus', nahmen Personen mit diesem Büro Kontakt auf, die bis dahin zur SPD und zur Sozialdemokratie keine Beziehungen und keine Berührungspunkte hatten. Darunter befanden sich etliche gegenüber der SED-Führung und deren Politik in Partei und Staat und deren innerparteilichem Regiment oppositionell eingestellte Kommunisten.

Beschaffung, Sammlung, Auswertung und Verwertung von Informationen über die Lage und die Entwicklung in der SBZ/DDR (...).

Aufklärungsarbeit innerhalb der SED und anderen politischen bzw. gesellschaftlichen Organisationen und innerhalb der gesamten SBZ/DDR.

Herausgabe von Informationen und Analysen über die Lage und die Entwicklung in der SBZ/DDR an die Öffentlichkeit, an politische Institutionen und staatliche Stellen (bis 1949 in den westlichen Besatzungszonen) in der Bundesrepublik Deutschland und im westlichen Ausland.

Beobachtung, Analyse und Abwehr von gegen die SPD und (ab 1949) gegen die Bundesrepublik Deutschland und deren freiheitliche demokratische Grundordnung sowie gegen Mitarbeiter des Ostbüros gerichteter Aktionen von Geheimdiensten der Sowjetunion, der DDR und anderer Ostblockstaaten und der 'Westarbeits'-Apparate des SED-Staates und der Sowjetunion.

Überprüfung und Betreuung von Flüchtlingen aus der SBZ/DDR durch die dem Ostbüro angeschlossene Flüchtlingsbetreuungsstelle 'Ost', Betreuung politischer Häftlinge bzw. deren Familien und Mitwirkung an 'Freikaufaktionen' für politische Häftlinge."(73)

"Das Ostbüro der SPD hat wie mit anderen staatlichen Stellen, mit Forschungsinstituten und dergleichen auch mit Geheimdiensten des eigenen Landes, vor allem in den Bereichen Informationsbeschaffung und Informationsaustausch zusammengearbeitet und auch an der Anfertigung von Analysen mitgewirkt. Diese Zusammenarbeit wurde von der Parteiführung als in einer Demokratie durchaus passend, gerechtfertigt und selbstverständlich betrachtet, und bis zum Ende des Ostbüros niemals untersagt.

General Reinhard Gehlen (Nazi-General und -Geheimdienstfachmann, gründete im Auftrag der CIA and anfänglich von ihr sogar direkt bezahlt den BND, d.Verf.) berichtet in seinen 'Erinnerungen 1942-1971' über ein Gespräch mit dem SPD-Vorsitzenden Dr. Kurt Schumacher am 21. September 1950 im Beisein von Erich Ollenhauer, Annemarie Renger, Prof. Carlo Schmidt und Fritz Erler. Dieses Gespräch drehte sich hauptsächlich um die Rolle und Standort eines Auslandsgeheimdienstes wie des BND in der Demokratie. General Gehlen erinnert sich: 'Ich hatte das gute Gefühl, dass ich in allen wesentlichen Punkten eine Übereinstimmung mit Kurt Schumacher erzielen konnte. Zuletzt sicherte er mir zu, dass die SPD die Arbeit der Organisation unterstützen (...) werde.'

Auch Geheimdienste aus anderen NATO-Staaten unterhielten gute Beziehungen zum Ostbüro, dessen Archiv und dessen sachkundige und informative Expertisen über die SBZ/DDR, über die Entwicklung des internationalen Kommunismus und über kommunistische 'Westarbeit' seit 1946 auch im Ausland sehr geschätzt waren."(74)

"Nicht nur die Organe der Partei (Parteivorstand, Schiedskommission u.a.) sowie Gliederungen der SPD (Bezirke, Unterbezirke u.a.) erbaten vom Ostbüro die Überprüfung von Personen bzw. Personengruppen, sondern auch andere Organisationen (Gewerkschaften, Arbeiterwohlfahrt u.a.) und staatliche Organe. Das Ostbüro arbeite in seinem Arbeitsbereich 'Abwehr und Sicherheit' engstens und vertrauensvoll mit staatlichen Abwehr- und Sicherheitsorganen zusammen; nicht in administrativ kühler Distanz, sondern zumeist in geradezu kameradschaftlicher Weise. Als herausragende Beispiele sind die guten Kontakte des Ostbüros zum 14. Kommissariat der Kriminalpolizei in Bonn, zum Staatsschutz-Kommissariat der Hamburger Kripo, zum Staatsschutz-Bereich des Bundeskriminalamtes und zur Sicherungsgruppe Bonn des BKA, zum Bundesamt für Verfassungsschutz und zu den Landesämtern für Verfassungsschutz zu nennen. (...)

Das SPD-Präsidium wusste von diesen Verbindungen, billigte sie und nutzte sie hin und wieder auch (...)."(75)


Propaganda als Waffe gegen die DDR

Alle die bisher aufgeführten Organisationen verbanden ihre Sabotage- und Spionagearbeit - mal mehr, mal weniger, natürlich mit organisationsspezifischen Zugängen und Schwerpunkten - mit gezielter, gegen die DDR und ihre Bevölkerung gerichteter Desinformation und Propagandatätigkeit. Vor allem das "Ostbüro" der SPD zielte dabei auf die innere ideologisch-politische Zersetzung der SED in Richtung "demokratisch sozialistischen" Gedankenguts. All dies hatte zur Aufgabe, die DDR propagandistisch "reif zu schießen" für die Übernahme durch den BRD-Imperialismus. Die Formen dieser Propagandatätigkeit waren dabei sehr vielfältig: sie reichen von illegaler Flugblattverteilung, massenhaften Postwurfsendungen, dem Vertrieb illegaler (oder gefälschter und manipulierter SED-) Schriften und Bücher, dem Aufbau eines Netzes kleiner Untergrunddruckereien bis hin zu spektakulären "Ballonaktionen", bei denen mit Hilfe kleiner Ballons Flugblätter über dem Territorium der DDR abgeworfen wurden.

Doch es gab auch Organisationen und Institutionen, die in ihrer Bedeutung darüber hinaus gingen. In diesem Zusammenhang sind u.a. zu nennen:

der in Westberlin stationierte Sender RIAS, der bei der Organisierung des konterrevolutionären Putschversuches am 17. Juni 1953 in der DDR eine wichtige Rolle spielen sollte;

die in West-Berlin erscheinende und eingangs bereits erwähnte Zeitung "Der Monat" mit ihren Verbindungen und Abhängigkeiten von/zu der international operierenden Organisation "mit CIA-Hintergrund" "Congress for Cultural Freedon" (CCF)

die Zeitschrift "Der Dritte Weg - Zeitschrift für modernen Sozialismus".

Auf letztere möchte ich etwas näher eingehen, da sie sowohl hinsichtlich der imperialistischen Infiltration der SED, als auch der KPD in der BRD eine Rolle spielte und von Beginn an unter der Flagge eines "kritischen Kommunismus" segelte, für einen "modernen Sozialismus" eben...

Die meisten Autoren dieser Zeitschrift waren ehemalige Kommunisten, die als Anhänger eines "Dritten Weges" mit ihren Parteien (SED oder KPD) gebrochen hatten: "In der kommunistischen Bewegung - in der DDR allemal - waren die Namen dieser ausgewiesenen Antistalinisten bekannt: Manfred Hertwig, Wolfgang Leonhard, Walter Philip, Fritz Schenk, Rudolf Schröder, Hermann Weber, Günther Zehm, Heinz Zöger, Gerhard Zwerenz.

Auf zwölf Seiten umfasste jede Nummer der 'Zeitschrift für modernen Sozialismus', so der Untertitel des 'Dritten Weges', eine breite Themenpalette gesellschaftlicher Fragen in der DDR, in Osteuropa und der kommunistischen Bewegung. Die teilweise langen Beiträge erfuhren Auflockerung durch Lyrik von Erich Fried, Gerhard Zwerenz oder Jewgeni Jewtuschenko, durch Zitate von Marx und Engels bzw. Aufrufe, wie 'Freiheit für die Genossen Janka, Steinberger und alle anderen inhaftierten Sozialisten in der DDR!' 'Der Dritte Weg' setzte sich polemisch mit der praktischen Politik, der gesellschaftlichen Entwicklung, mit DDR-Medien und der DDR-Geschichtsschreibung auseinander. Er analysierte SED-ZK-Tagungen, Ulbricht-Reden oder Sendungen von Schnitzlers 'Schwarzem Kanal' ebenso wie das 'Nationale Dokument', den 'Deutschlandplan des Volkes' oder die Werke 'real-sozialistischer' Geschichtsschreibung und verbreitete Auffassungen von kritischen Intelligenzlern, die sich in der DDR kaum oder gar nicht öffentlich äußern konnten."(76)

Verantwortlicher Redakteur dieser Zeitschrift war der ehemalige FDJ-Funktionär Heinz Lippmann, der sich mit DM 300.000 seines Verbandes in den Westen angesetzt hatte. Finanziert und kontrolliert wurde das Organ von Beginn an vom "Bundesamt für Verfassungsschutz". Dessen ehemaliger Präsident Günther Nollau erinnert sich: "Geheimdienstliche Arbeit besteht nicht nur darin, Nachrichten und Material herbeizuschaffen, das zur Festnahme von Verfassungsfeinden dienen kann. Wer die Besonderheiten der Untergrundarbeit erkannt hat, kann auch mit feinerer Klinge fechten. Die KPD war 1956 verboten worden. Im selben Jahr hatte der XX. Parteitag der KPdSU stattgefunden, auf dessen Geheimsitzung Chruschtschow Stalin heftig angegriffen und dadurch dessen System diskreditiert hatte. Intelligente Kommunisten diskutierten damals darüber, welcher Weg nun beschritten werden sollte. War es richtig, den orthodoxen Sozialismus beizubehalten, oder sich im kapitalistischen Bereich der reformerischen Sozialdemokratie anzuschließen? Einige meiner Mitarbeiter diskutierten damals mit ehemaligen Kommunisten, vor allem dem aus der DDR geflohenen zweiten Sekretär der FDJ, Honeckers damaligen Stellvertreter Heinz Lippmann (hier wird die tatsächliche Position Lippmanns von Nollau wohl propagandistisch 'aufgeblasen'. Tatsächlich war er Sekretär des Zentralrats der FDJ, die Position eines 'zweiten Sekretär' gab es nicht, d.Verf.), darüber, wie man diese Diskussionen anregen und für unsere Abwehrzwecke nützen könnte. Wir kamen zu dem Ergebnis, eine offene Werbung für die Sozialdemokratie werde es den moskautreuen Kommunisten erleichtern, jeden neuen Gedanken mit dem Etikett 'Sozialdemokratismus' zu versehen und abzulehnen. Einer kam auf die Idee, einen 'Dritten Weg' zu propagieren, einen schmalen Pfad, den zu begehen die Fähigkeit erforderte, zwischen dem orthodoxen Kommunismus und der reformerischen Sozialdemokratie zu balancieren. (...) Andere - wie ich - erwarteten, dieser Balanceakt werde in der illegalen KPD zersetzend wirken und uns die Möglichkeit eröffnen, unter den Dissidenten, die wir kennenzulernen hofften, Informanten zu gewinnen. (...) Im Mai 1959 starteten wir unser Blättchen mit dem Artikel 'Zwischen Stalinismus und Kapitalismus'. Die Angriffe auf den Stalinismus fielen uns leicht. Aber um glaubwürdig zu sein, mussten wir auch den Kapitalismus und die Bundesregierung kritisieren. Das war zwar nicht schwer, denn an der damaligen Ostpolitik gab es manches zu beanstanden. Aber die Angriffe mussten so dosiert sein, dass sie, falls das Unternehmen einmal platzte, vor der Dienstaufsichtsbehörde zu vertreten waren."(77) Gerade Heinz Lippmann wurde immer wieder auch persönlich eingesetzt, um zu versuchen, SED- und FDJ-Funktionäre, die sich auf Dienstreisen ins kapitalistische Ausland befanden, zu rekrutieren, wobei sich dann der Kreis der ganzen Palette imperialistischer Diversionsstrategien gegen die DDR wieder zu schließen beginnt ...


Sag mir, wer Deine Freunde sind ...

Bei der Rekrutierung von Agenten sowie der geheimdienstlichen Nutzung von SED-Mitgliedern, sich herausbildenden innerparteilichen Tendenzen oder Fraktionen spielten immer wieder persönliche Frustrationen oder revisionistische Einstellungen eine entscheidende Rolle. Zwei Beispiele seien hier herausgegriffen:

- die Agentinnen der CIA Gertrud Liebing und Erika Lokenvitz, beide über Jahre im Apparat des ZK der SED tätig. Es gelang ihnen über 10 Jahre hinweg einen Spionagering für ihre Auftraggeber in Langley aufzubauen, wobei beide sich bei ihrer Agententätigkeit vor allem auf die Rekrutierung "kritischer SED-Mitglieder" stützten;(78)

- die Rolle der Gruppe um Wolfgang Harich, die sich in und um den "Aufbau-Verlag" Ende der 50er Jahre gebildet hatte.

Auf letztere möchte ich etwas näher eingehen, weil an ihr - erneut - der fließende Übergang von der Entwicklung revisionistischer Positionen zu objektiv konterrevolutionärer Tätigkeit deutlich wird. Wolfgang Harich gehörte damals zum Herausgeberkreis der "Deutschen Zeitschrift für Philosophie", die im "Aufbau-Verlag" erschien. Vom 22. bis 25. November 1956 hatte Wolfgang Harich unter dem Titel "Über die Aufgaben der SED im Kampf für die Festigung ihrer Reihen, für die sozialistische Demokratisierung der DDR und für die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands auf der Grundlage der Demokratie, des Sozialismus, der nationalen Souveränität und Unabhängigkeit und der Freundschaft mit allen Völkern" (später auch als "Plattform" bekannt geworden) ein Positionspapier erarbeitet, das - neben anderen Schriften aus seiner Feder - eindeutig revisionistischen Charakter hatte und auf eine Beseitigung der marxistisch-leninistischen Führung der SED orientierte:

"Schon in der Präambel wurde in erfreulicher Deutlichkeit das Grundproblem der DDR im Jahre 1956 benannt. Im ZK der SED gäbe es dominierende Kräfte, die die Notwendigkeit ernster theoretischer und praktischer Schlussfolgerungen aus dem XX. Parteitag der KPdSU verkennen. (...)

Das eigentliche Programm bestand aus drei Schwerpunkten, am Beginn stand der Komplex Erneuerung der SED. (...) Zu diesem Zweck müsse das Parteistatut der SED, das in der Stalinschen Periode angenommen wurde, überprüft werden. (...) Die Neufassung des Statuts müsse die Aussagen zur innerparteilichen Demokratie in früheren Parteistatuten aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung berücksichtigen, ebenso das Statut des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens (sic! d.Verf.) und die Organisationsprinzipien des XX. Parteitages der KPdSU (sic! d.Verf.), des VIII. Parteitages der KP Chinas und des VIII. Plenums der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei. (...)

Akzeptiert wurde nur ein Marxismus-Leninismus, der sich schöpferisch in Übereinstimmung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterentwickelt und historische Dogmen kritisch überwindet. Als Beispiel für eine dringend notwendige Überwindung wurde die Stalinsche These von der ständigen Verschärfung des Klassenkampfes bei wachsenden Aufbau-Erfolgen des Sozialismus genannt. Ebenso wurde ein neues Verständnis der Geschichte gefordert. Die Politik des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens seit 1948 (sic! d. Verf.), der Volksaufstand 1953 in der DDR (sic! d. Verf.), der XX. Parteitag der KPdSU (sic! d.Verf.), der Posener Volksaufstand vom Juni 1956 (sic! d. Verf.) und der ungarische Volksaufstand von 1956 (sic! d. Verf.) sollten als Glieder in der Kette des Aufbegehrens der Arbeiter gegen den Bürokratismus der Stalinschen Periode verstanden werden. Herangezogen werden sollten auch die Werke namhafter sozialdemokratischer Historiker. Die Geisteswissenschaften sollten zur umfassenden Ausarbeitung der These von der Mannigfaltigkeit des Übergangs zum Sozialismus beitragen. (...)

Für die Beziehungen der SED zu anderen Parteien sah der Programmentwurf vor, 'die einseitige Bindung der SED and die sowjetische Bruderpartei' zu beenden. Statt dessen sollten die Beziehungen der SED zu den Parteien besonders intensiviert werden, die bei der Überwindung der Fehler der Stalinschen Periode bereits große Fortschritte gemacht haben. Dazu zählen: Der Bund der Kommunisten Jugoslawiens (sic! d. Verf.), die KP Chinas, die PVAP, die Sozialistische Partei Ungarns, die KP Italiens und die KP der USA. Da die SED aus der Verschmelzung von KPD und SPD hervorgegangen sei, müssten auch zur Sozialistischen Partei Italiens (Nenni) freundschaftliche Beziehungen hergestellt werden. (...)

Besonderer Nachdruck wurde auf die Gestaltung neuartiger Beziehungen zwischen SED und SPD gelegt. Jedoch müsse die SED zuerst Voraussetzungen für eine Verständigung mit der SPD durch konsequente Entstalinisierung schaffen. Ebenso müsse die SED die reale Möglichkeit eines friedlichen, parlamentarischen Weges zum Sozialismus in der Bundesrepublik auf der Grundlage des Grundgesetzes anerkennen. Zu den Voraussetzungen zähle auch die rücksichtslose Kritik an Fehlern der KPD, die in der Vergangenheit die Wiederherstellung der Einheit der Arbeiterbewegung erschwert hätten. (...)

Ein entscheidendes Hindernis, der Einheit zuzustimmen, sei für viele Sozialdemokraten die einseitige Bindung der KPD und SED and die KPdSU gewesen. Die Bedenken Dr. Schumachers im Jahre 1946 hätten sich im Nachhinein als völlig richtig erwiesen (sic! d. Verf.). (...)."(79)

In diesem Positionspapier werden dann Schritte zu seiner Durchsetzung entwickelt. Und ganz oben steht folgender:

"1. Führungswechsel in der SED, Verkündung des Programms des besonderen deutschen Weges zum Sozialismus durch die SED, Durchführung des Programms, soweit es sich auf die DDR bezieht. Schaffung der inneren Voraussetzung zur Verständigung mit der SPD, innerhalb der DDR durch konsequente Entstalinisierung und Demokratisierung."(80)

Es versteht sich von selbst, dass mit der Ablösung der marxistisch-leninistischen SED-Führung und der Umsetzung des Programms von Harich und seinen Anhängern bereits in den 50er Jahren eine Liquidierung des Sozialismus in der DDR, die konsequentermaßen folgende Annexion der DDR durch den BRD-Imperialismus eingeleitet worden wäre - alles unter der Flagge eines "demokratischen Sozialismus" und in Zusammenarbeit mit der SPD-Führung. Mit anderen Worten: "Perestroika" und "Glasnost" vorverlegt ...

Doch Harich ging noch einen Schritt weiter, der sich aus seinen Positionen allerdings logisch erschließt. In seiner umtriebigen Suche nach Bündnispartnern und Unterstützern für sein Programm kontaktierte er die SPD in Westberlin, die ihn sofort an das "Ostbüro" weiterleitete. Der bereits ausführlich zitierte ehemalige Funktionär des "Ostbüros" Helmut Bärwald erinnert sich: "Nach Beginn der Entwicklung der SED zu einer 'Partei Neuen Typus' in den Jahren 1948/49 und insbesondere nach Gründung des SED-Staates im Oktober 1949 suchten immer mehr dieser Menschen Verbindungen zum Ostbüro, darunter auch zahlreiche oppositionelle Kommunisten und Sozialisten, teilweise auch höhere Funktionäre der SED, sogenannter Massenorganisationen oder aus der staatlichen Administration. (...) Bisweilen wurde das Ostbüro auch um Veröffentlichung von Aufsätzen, Memoranden oder politisch-ideologischer 'Plattformen' von Oppositionellen gebeten (...). Bemerkenswert ist das Gespräch, das Prof. Dr. Wolfgang Harich, damals Lektor im Ostberliner Aufbau-Verlag, Dozent für Geschichte der Philosophie an der Humboldt-Universität und Mitherausgeber der Ostberliner 'Deutschen Zeitschrift für Philosophie' und einer der führenden Köpfe der 'revisionistischen Opposition' innerhalb der SED, im Jahre 1956 mit Vertretern des Ostbüros in West-Berlin hatte (....). Ende 1956 wurde Harich gemeinsam mit anderen Oppositionellen vom Staatssicherheitsdienst des SED-Staates verhaftet und im März 1957 vor Gericht gestellt. Einer der Anklagepunkte in dem Gesinnungs- und Terrorprozess lautete: Agententätigkeit für das Ostbüro der SPD.(...)"(81)

Harich musste wissen, wen er mit dem "Ostbüro" zwecks Diskussion und Unterstützung kontaktierte. Die konterrevolutionäre Agentenrolle dieser Organisation im Rahmen der imperialistischen Diversionsstrategie war in der DDR bereits enthüllt worden. Wir sehen also: wieder einmal schließt sich der Kreis zwischen Revisionismus und offener Konterrevolution, ob dies von allen Beteiligten nun subjektiv gewollt wurde (ist) oder nicht ...


Ordinäre Geheimdienstaktivitäten(82)

Integraler Bestand der imperialistischen Diversion gegen die DDR war selbstverständlich auch die ganz ordinäre und professionelle Geheimdiensttätigkeit. Dabei lassen sich folgende Bereiche herausarbeiten:

Einsatz von Spionen (Agenten):

quantitativ mit dem Ziel, nach Möglichkeit das gesamte Territorium der DDR aufzuklären, insbesondere die militärischen und ökonomischen Zentren;

qualitativ: Einschleusung von Agenten in möglichst alle gesellschaftlichen Bereiche der DDR, wobei ein besonderer Augenmerk auf mittlere und hohe Funktionärspositionen gelegt wurde;

ständig in Bezug auf eine möglichst hohe Aktualität, was eine schnelle und präzise Übermittlung der Spionageergebnisse erforderte.

In diesem Zusammenhang veröffentlichte "die tageszeitung" am 25. September 2007 einen unscheinbaren, aber sehr aufschlussreichen Artikel unter der Überschrift: "BND hatte 10.000 DDR-Spione", in dem weiter ausgeführt wird: "Rund 10.000 DDR-Bürger sollen zwischen 1949 und 1989 für den Bundesnachrichtendienst (BND) und seine Vorgänger in Ostdeutschland spioniert haben. Das berichtete die 'Thüringer Allgemeine Zeitung' unter Berufung auf eine Studie des Thüringer Historikers Matthias Uhl. (...)" Ein nicht unwesentlicher Teil dieser Agenten war im Bereich der ideologisch-politischen Diversion tätig.

Insbesondere dieses Operationsfeld geheimdienstlicher Tätigkeit erforderte den regelmäßigen Einsatz bzw. das Einschleusen von Kurieren und Funkagenten.

Geheimdienstlich "abgesicherter" Wirtschaftskrieg, der sich in folgende Perioden mit klar erkennbaren Schwerpunktsetzungen untergliedern lässt:

Anfang bis Ende der 50er Jahre: Verhinderung oder Erschwerung ökonomischer Beziehungen zwischen der DDR und BRD;

Ende der 50er bis Anfang der 60er Jahre wurde versucht, die wirtschaftlichen Außenbeziehungen der DDR so zu beeinflussen, dass ein ökonomisches Abhängigkeitsverhältnis entstehen sollte. Auf diesem Weg sollte die DDR erpressbar werden;

In den 60er und 70er Jahren konzentrierten sich die Operationen darauf, die ökonomischen Beziehungen zwischen der DDR und kapitalistischen Staaten insgesamt zu erschweren und/oder zu behindern. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, die Entwicklung wirtschaftlicher Beziehungen zwischen der DDR und den jungen Nationalstaaten aus dem Trikont zu stören;

In den 80er Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt der Aktivitäten wieder auf die Schaffung von ökonomischen Abhängigkeitsverhältnissen. In diesem Zeitraum fällt dann auch ganz konsequent die recht flexible Kreditvergabe imperialistischer Staaten an die DDR.

Sabotage und Diversion

Hierzu habe ich in den vorangegangenen Kapiteln bereits einiges im Detail ausgeführt. Mit der Sicherung der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik am 13. August 1961 wurde die Durchführung dieses Programms allerdings äußerst kompliziert und damit in seinen Möglichkeiten drastisch eingeschränkt

Gezielte Abwerbung von Spezialisten und staatsfeindlicher Menschenhandel

In den 40er und 50er Jahren wurden besondern wissenschaftlich-technische Spezialisten abgeworben, um so die ökonomische Entwicklung der DDR zu schwächen;

Seit 1961 wurden die gezielten, wenn auch durch die Sicherung der Staatsgrenze äußerst erschwerten Ausschleusungsaktionen auf alle gesellschaftlichen Bereiche der DDR ausgeweitet.


Konterrevolutionärer Putschversuch 1953

All die bisher aufgezeigten und angerissenen Aktionen des Imperialismus gegen die DDR kulminierten am 17. Juni 1953 im Rahmen der dominanten "Roll-Back"-Variante innerhalb der imperialistischen Gesamtstrategie in dem Versuch, den Aufbau des Sozialismus in der DDR mittels Putsch zu beseitigen und eine sofortige Annexion durch den BRD-Imperialismus einzuleiten.

Eine hervorzuhebende Rolle spielte dabei der auf Initiative des BRD-Kanzlers Konrad Adenauer und seines "Ministeriums für Gesamtdeutsche Fragen" am 24. März 1952 aus der Taufe gehobene "Forschungsbeirat für die Fragen der Wiedervereinigung". Er hatte die Aufgaben, alle Vorbereitungen für die geplante Annexion der DDR zu treffen und entsprechende Aktionen zu koordinieren. Der "Tag X" für die Eroberung der DDR wurde festgelegt und auch offen formuliert. So ließ es der damalige "Minister für Gesamtdeutsche Fragen", Kaiser (CDU), alle wissen: "Es liegt durchaus im Bereich der Möglichkeit, dass dieser Tag X rascher kommt, als die Skeptiker zu hoffen wagen."(83) Und der "Spiegel" frohlockte: "Der Generalstabsplan für die administrative Machtübernahme (in der DDR, d. Verf.) ist so gut wie fertig. Es fehlt - nach der Unterzeichnung des Generalvertrages durch Bundeskanzler Adenauer - nur die Gelegenheit, ihn in die Praxis umzusetzen."(84) Sie wussten, wovon sie redeten, denn die Konterrevolution war ja über Jahre sorgfältig vorbereitet worden ...

"Analysiert man die bei der konterrevolutionären Aktion gegen die DDR 1952/53 von den imperialistischen Geheimdiensten angewandten Formen und Methoden des Klassenkampfes, so ergibt sich folgendes Bild: Zunächst wurde 'die psychologische Kriegführung in einem längeren Zeitraum - etwa ein Jahr lang - verstärkt. Speziell die Gehlen-Organisation (gemeint ist der BND, d. Verf.) schürte die Bürgerkriegshysterie'. Die gleiche Aufgabe erfüllten der RIAS und andere Rundfunkstationen. Sie verbreiteten die 'Strategie der effektiven subversiven Tätigkeit' und die 'Technik der offenen Verschwörung'. (...)

Unmittelbar vor der Auslösung des Putschversuchs, am 13. Juni 1953, erklärte der damalige Bundesminister Schröder ostentativ: 'Die Bundesrepublik ist Deutschland. Alles andere Gebiet ist uns entzogenes und vorenthaltenes Territorium, das zurückgegliedert werden muss.' (...)

Die psychologische Putschvorbereitung war von einer zunehmenden Infiltration der DDR mit konterrevolutionären Elementen begleitet. Zugleich sollten Provokationen an der Staatsgrenze die internationale Spannung verschärfen und die Bevölkerung der DDR aufwiegeln. Im Jahr 1952 kam es an der Staatsgrenze zwischen der DDR und der BRD wiederholt zu bewaffneten Provokationen und zahlreichen illegalen Grenzüberschreitungen. Das war mit forcierter Spionage, mit Diversion und Sabotage koordiniert. Von Westberlin aus wurden Terrorgruppen gegen die Staatsgrenze der DDR angesetzt. (...)

Bereits im Mai 1952 verurteilte das Oberste Gericht der DDR 22 Agenten imperialistischer Geheimdienste wegen Sabotage und staatsgefährdender Gewaltakte. (...)

Die Weltöffentlichkeit erfuhr, dass in den Jahren 1953/54 allein in der DDR mehr als 400 Gehlen-Agenten verhaftet und mehr als 100 dem Aufruf gefolgt waren, mit ihren Auftraggebern zu brechen und sich freiwillig den Sicherheitsorganen der DDR zu stellen."(85)

Der Generalsekretär des ZK der SED, Genosse Walter Ulbricht, beschreibt sowohl die Gründe als auch den Ablauf des konterrevolutionären Putschversuches am 17. Juni 1953 sehr deutlich: "Auf der 2. Parteikonferenz waren die Richtlinien für den sozialistischen Aufbau beschlossen worden. Die Maßnahmen des Übergangs zum Sozialismus auf allen gebieten des gesellschaftlichen Lebens mussten jedoch noch im Einzelnen ausgearbeitet werden. Das war eine schwierige Aufgabe, deren Lösung längere Zeit beanspruchte. (...)

Die Feinde der Arbeiter-und-Bauern-Macht beantworteten den Übergang zum planmäßigen Aufbau des Sozialismus mit einer außerordentlichen Verschärfung des Kalten Krieges gegen die DDR und mit den Vorbereitungen, die unmittelbar darauf gerichtet waren, die sozialistische Ordnung zu beseitigen. Bereits Anfang 1952 wurde deutlich, dass die reaktionärsten und aggressivsten Gruppen der imperialistischen deutschen und amerikanischen Bourgeoisie direkte Maßnahmen zum konterrevolutionären Sturz der Arbeiter-und-Bauern-Macht einleiteten. Während der Staatssekretär im westdeutschen Außenministerium, Walter Hallstein, die Vereinigung Europas bis zum Ural forderte und Konrad Adenauer die 'Neuordnung in Europa' unverhüllt als Ziel seiner Politik bezeichnete, wurden von den Geheimdiensten und Agentenorganisationen, vom Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen und von den Leitungen der Landsmannschaften Schritte unternommen, um die Aktionen des Kalten Krieges gegen die DDR zu koordinieren und wesentlich zu verstärken. Im März 1952 wurde in Bonn ein sogenannter Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands gebildet. Ihm gehörten Vertreter der aggressivsten Kreise des Monopolkapitals und des Junkertums, darunter Friedrich Ernst, Friedrich Spennrath und Friedrich-Karl von Zitzewitz-Muttrin, sowie Herbert Wehner von der SPD und Ludwig Rosenberg vom DGB an. (...)(86)

In einem Interview mit der französischen Zeitung "Humanité", des Zentralorgans der (damals noch) Kommunistischen Partei Frankreichs vom August 1953 ging der Ministerpräsident der DDR, Genosse Otto Grotewohl, ebenfalls auf Gründe und Hintergründe des konterrevolutionären Putschversuches ein:

"Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik hat ein forciertes Tempo in der Entwicklung der Schwerindustrie eingeschlagen; dadurch verzögerte sich die Erzeugung von Konsumgütern. Das hatte unter Teilen der Bevölkerung Missstimmung und Beunruhigung hervorgerufen. (...)

(...) wir haben das in der Vergangenheit forcierte Tempo der Entwicklung der Schwerindustrie verlangsamt. Beträchtliche Summen an Investitionsmitteln und Rohstoffen können somit für die Verbesserung der Lebenshaltung verwendet werden. (...)

Die faschistischen Provokateure haben ihren Putschversuch, der als 'Tag X' von langer Hand vorbereitet war, gerade deshalb Mitte Juni 1953 unternommen, um den neuen Kurs zu Fall zu bringen. Es gelang den Provokateuren der faschistischen westlichen Agenturen, einen Teil der Arbeiterschaft unter Ausnutzung ihrer Unzufriedenheit über noch nicht erfüllte oder nicht sofort erfüllbare Wünsche und Forderungen zeitweilig irrezuführen.

Es ist bewiesen, dass die Provokation im amerikanischen Sektor Berlins und in der amerikanischen Besatzungszone vorbereitet wurde. Dort wurden die faschistischen Banden formiert und ausgebildet, mit Brandbomben, Benzinflaschen, Phosphorampullen und Waffen ausgerüstet und in den demokratischen Sektor Berlins geschickt. Amerikanische Offiziere in voller Uniform leiteten von Kraftwagen aus die Banditen und erteilten ihnen Befehle. Diese Tatsache gestanden verhaftete Banditen. Die Provokateure interessierten sich natürlich nicht für die Verbesserung des Lebens unserer Arbeiter, sondern ihre Aufgabe war es, den Kriegsfunken zu entfachen. (...)

Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik unterstützte die Provokateure nicht. Diejenigen Arbeiter, die sich von den Provokateuren täuschen und zur Arbeitsniederlegung verführen ließen, erkannten in dem Augenblick ihre Fehler, als die Faschisten plündernd und brennend in den demokratischen Sektor Berlins einzogen, als sie ihre Errungenschaften, Klubhäuser, staatliche Handelsgeschäfte usw., in Flammen aufgehen sahen."(87)

In der Entschließung der 15. Tagung des SED-Zentralkomitees vom 24. bis 26. Juli 1953 "Der neue Kurs und die Aufgaben der Partei" werden noch weitere Fakten aufgeführt:

"Der 17. Juni hat bewiesen, dass in der DDR eine von den Amerikanern organisierte und unterstützte faschistische Untergrundbewegung vorhanden ist. An diesem Tage traten in einigen Städten (Magdeburg, Halle, Görlitz u.a.) ganze Gruppen maskierter Volksfeinde aus der Anonymität hervor und provozierten Unruhen. Es wurden illegale faschistische Organisationen mit eigenen Zentren, eigener Disziplin und ständigen Verbindungen mit den Agentenorganisationen in Westberlin aufgedeckt. So gab es zum Beispiel im Buna-Werk in der Werkstätte G 32 eine faschistische Zentrale, die nach den Direktiven des RIAS Unruhen im Werke organisierte. Im Leuna-Werk stand ein ehemaliger SS-Mann an der Spitze des Provokationszentrums. In diesen großen chemischen Werken traten bei der Anleitung der Provokationen die in den Werken noch vorhandenen Agenten des IG-Farben-Konzerns besonders hervor.

(...) Außerdem bestanden in einigen Städten (Magdeburg, Leipzig u.a.) illegale Organisationen aus ehemaligen SPD-Mitgliedern, die noch immer den arbeiterfeindlichen Auffassungen des Sozialdemokratismus anhingen und darum leicht Opfer der Agenten des Ostbüros wurden (...).

In einigen Städten waren auch verschiedene andere feindliche Gruppen konzentriert, wie brandlerische Spionagegruppen(88), Trotzkisten, SAP-Gruppen(89). Auch aus unserer Partei entfernte feindliche Elemente beteiligten sich aktiv an den Provokationen."(90)

In weiteren Dokumenten (nicht nur) der SED sowie zahlreichen historischen Abhandlungen und Analysen werden vor allem die Hintergründe des konterrevolutionären Putschversuches im Juni 1953 weiter und detaillierter beschrieben und analysiert. Hier ist weder der Platz noch die Stelle, darauf näher einzugehen. Es ging vor allem darum, die Entwicklungen dieses Jahres vor dem Hintergrund der imperialistischen Diversionsstrategie - dem Thema meines Beitrages - zu beleuchten und diese historisch einzuordnen.


Zur "Strategie der friedlichen Einmischung" in der DDR

Die Niederlage des konterrevolutionären Putschversuches am 17. Juni 1953, vor allem aber auch die Sicherung der Staatsgrenze der DDR am 13. August 1961 förderten eine deutliche Gehwichteverschiebung innerhalb der imperialistischen Gesamtstrategie in Bezug auch auf die DDR. Vor allem in Washington hatte man verstanden, dass eine militärisch, offen konterrevolutionäre Lösung auch in der DDR unrealistisch war und zudem nicht mehr in die veränderten Axiome der gesamtstrategischen Konzeption des Kampfes gegen die sozialistische Staatengemeinschaft, insbesondere die Sowjetunion, passte. Der führende US-Stratege Brzezinski hatte die sich für die DDR entwickelnde US-Strategie bereits 1965 in seinem Buch "Alternative zur Teilung" auf den Punkt gebracht: "Solange der Westen militärisch stark und in seiner politischen Zielsetzung klar bleibt, brauchen wir keine Angst davor zu haben, der kommunistischen Welt einen aufrichtigen Vorschlag zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu machen (...)

Zu diesem Zweck könnten die Vereinigten Staaten durch ihren Präsidenten den europäischen Ländern einschließlich Russlands den Vorschlag unterbreiten, mit Amerika zusammen einen gemeinsamen Plan für die Wirtschaftsentwicklung Europas zu erarbeiten. Ziel dieses Planes wäre, die gegenwärtige europäische Teilung zu überwinden (...).

Dieser Vorschlag beruht allerdings auf der Voraussetzung, dass damit auch eine in Phasen sich vollziehende Wiedervereinigung Deutschlands gekoppelt ist und dass der Osten implicite den westlichen Vorschlag akzeptiert, der Wiederaufbau Europas müsse mit der Wiedervereinigung Deutschlands Hand in Hand gehen. Ein großabgelegter Plan für die wirtschaftliche Zusammenarbeit Europas, der auch für Russland und für Osteuropa offen steht, ist für den Osten auf jeden Fall viel annehmbarer als bilaterale versuche Westdeutschlands, Russland die ostdeutschen Gebiete 'abzukaufen'."(91) Einmal davon abgesehen, dass sich die aus dem Jahre 1965 (!) stammenden Äußerungen Brzezinskis höchst aktuell anhören, weil sie nämlich frappierend an die Gorbatschowsche Konzeption vom "gemeinsamen Haus Europa" erinnern, verleihen sie der "indirekten Strategie" ein weiteres, ein ökonomisches Standbein. Auf die politisch-ideologischen Momente bin ich ja bereits zu Beginn meiner Anhandlung detaillierter eingegangen.

Die reaktionäre, CDU geführte Regierung in Bonn sperrte sich jedoch dagegen, den längst in Washington vollzogenen Variantenwechsel innerhalb der breit gefächerten imperialistischen Globalstrategie nachzuvollziehen. Damit wurde der "treue Freund am Rhein" objektiv zum Hemmschuh für eine flexible Entwicklung der imperialistischen Globalstrategie sowie ihrer konkreten Ausformulierung für die DDR.

Also mussten die US-Strategen Henry Kissinger und Zbigniew Brzezinski an die Front. Ihre Beiträge in der Wochenzeitung "Die Zeit" initiierten 1965 in der BRD eine breite gesellschaftliche Debatte zur konzeptionellen Neubestimmung der imperialistischen Diversionsstrategie gegen die DDR. So schrieb z.B. Henry Kissinger ganz unverblümt: "Eine aktivere deutsche Ostpolitik würde besonders in Washington und London von vielen Verantwortlichen begünstigt. Sie sind überzeugt, dass vermehrte Kontakte zwischen beiden Deutschland die Erosion des ostdeutschen Regimes fördern werden. Nach ihrer Ansicht würde die Bundesrepublik bei vermehrter Fühlungnahme zwischen den beiden Deutschland dank seiner größeren Geschlossenheit und Stärke bei Weitem die bessere Ausgangsposition haben."(92)

Die von der "Zeit" initiierte breite Debatte um die erfolgversprechendste Strategie zur Zerschlagung der DDR löste in allen Lagern hinderliche Verkrustungen; zu einer offensiven, in jeder Hinsicht geschmeidigen Entfaltung der "Strategie der friedlichen Einmischung" von Seiten der Bonner Regierung konnte es jedoch erst mit dem Regierungswechsel 1969 zur sozial-liberalen Koalition kommen, als die Sozialdemokratie mit ihrer Konzeption des "demokratischen Sozialismus" zur bestimmenden Regierungskraft geworden war.(93)

Am 2. Januar 1978 begann das Wochenmagazin "Der Spiegel" mit dem Abdruck eines "Manifestes" einer angeblich in der DDR neu formierten, illegal operierenden Organisation namens "Bund Demokratischer Kommunisten Deutschlands" (BDKD): "Die praktischen Forderungen der Streitschrift deckten sich weitgehend mit den Gedanken der Eurokommunisten: In Anlehnung an deren Vorstellungen verlangte der Text die Einführung eines echten Mehrparteiensystems sowie Versammlungs-, Glaubens- und Pressefreiheit für die DDR. Wie sie wandte er sich gegen die Diktatur des Proletariats und den demokratischen Zentralismus. Wie sie wollte er einen von Moskau unabhängigen nationalen Weg zum Sozialismus (erinnert dies nicht auch an die Vorstellungen Wolfgang Harichs Mitte der 50er Jahre?! D.Verf.). (...) Dass sich die Verfasser der Streitschrift von allen in der DDR vertretenen Westmedien gerade den SPIEGEL aussuchten, um mit ihren Thesen an die Öffentlichkeit zu treten, hatte mehrere Gründe: Die Publikation im auflagenstarken SPIEGEL bot zum einen die Gewähr dafür, dass die Streitschrift für öffentliches Aufsehen sorgte.

Der SPIEGEL galt zum anderen wegen seines Eintretens für die Entspannungspolitik bei der SED als offiziöses Organ der sozialliberalen Koalition. Die Lektüre des vermeintlichen Sprachrohrs der Bundesregierung war lange Zeit Pflichtübung leitender Kader im Partei- und Staatsapparat. Auch wenn offiziell nur rund 200 Exemplare des Magazins jede Woche in die DDR geliefert wurden, war doch allen im SPIEGEL publizierten Nachrichten die Aufmerksamkeit der wichtigsten Funktionäre sicher.

Im Laufe des Jahres 1977 mehrten sich im SPIEGEL-Artikel, die mit Detailkenntnissen über die parteiinternen, wirtschafts- und innenpolitischen Schwierigkeiten der SED gespickt waren. Diesen Berichten lagen offensichtlich Insider-Informationen aus dem Führungszirkel von Partei und Staat zugrunde. Der SPIEGEL verdankte sie einem Mann, der seiner Vita nach ein musterhafter SED-Funktionär zu sein schien: Hermann von Berg. (....)."(94) "Der Spiegel" bezweifelt in seiner rückwirkenden Betrachtung 1996 selbst die Existenz eines "Bundes Demokratischer Kommunisten Deutschlands" in der DDR im Jahre 1978 und danach und gibt sich dann - ganz im Stil des Hamburger Wochenmagazins - den wildesten Spekulationen hin. Art und Weise der Veröffentlichung und Nutzung lassen einen geheimdienstlichen Hintergrund vermuten. Ob man diesen nun beweisen kann oder nicht, Tatsache ist, die Artikelserie erfüllte ganz offensichtlich das Ziel, ideologische Unsicherheiten in die Reihen der SED zu treiben und den ideologisch-politischen Gärungsprozess insbesondere unter intellektuellen Kadern der Partei in Richtung "demokratischer Sozialismus" voranzutreiben. Die revisionistische Entwicklung der kommunistischen Weltbewegung seit dem XX. Parteitag hatte ja dementsprechende "Türen geöffnet", marxistisch-leninistische Grundpositionen beschädigt, aufgehoben und/oder in Frage gestellt ...

Der nächste Coup in dieser Richtung wurde 1987 mit der Veröffentlichung des gemeinsamen SPD/SED-Papiers unter dem Titel "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit" gelandet; allerdings waren nun die Ausgangsvoraussetzungen für die Strategen des Imperialismus wesentlich günstiger: 1985 war mit Herrn Gorbatschow ein Mann Generalsekretär der KPdSU geworden, bei dem recht schnell deutlich wurde, dass er unter den Parolen von "Perestroika" und "Glasnost" die Entwicklung des Revisionismus ins Unkontrollierbare beschleunigen wollte, bis diese in eine offene Konterrevolution umschlägt und die Sowjetmacht vernichtet. Zudem gab es augenscheinlich im intellektuellen Apparat der SED sowie einiger DDR-Universitäten und Forschungseinrichtungen Kräfte, die bereit waren, diese Signale aus Moskau willig nachspielen. Doch lassen wir einen der Autoren dieses Papiers, Harald Neubert (PDS) - als Co-Autor von Robert Steigerwald (DKP) und Beitragsschreiber für die Zeitung der DKP (UZ) wieder hervorgetreten (sic! d. Verf.) - zu Worte kommen: "Beim Treffen 1985 wandte sich Erhard Eppler gegen den Begriff der friedlichen Koexistenz, da friedliche Koexistenz nach kommunistischer Auffassung mit weltrevolutionären Ambitionen verknüpft, auf die Überwindung des Kapitalismus gerichtet sei. Wegen dieser einseitigen, antikapitalistischen und revolutionären Zielrichtung könne die SPD sich nicht zur friedlichen Koexistenz bekennen. Es komme vielmehr darauf an, im Interesse von Frieden, Sicherheit und normaler internationaler Zusammenarbeit die Existenzberechtigung beider Systeme anzuerkennen. Seitens der Gesprächsteilnehmer der SED wurde - in Abweichung von der damals gängigen, allerdings mehr rhetorischen als realpolitischen Interpretation von friedlicher Koexistenz als Form des Klassenkampfes entgegnet, dass friedliche Koexistenz neu zu definieren sei. (...)

In unserem Papier war unter anderem von der Koexistenzfähigkeit des Kapitalismus die Rede - eine Erkenntnis, die einerseits der neuen weltpolitischen Situation entsprach, andererseits so noch nicht zur damaligen offiziellen Position der SED-Führung gehörte (sic! d.Verf.)."(95)

So ergibt sich, dass dann in dem offiziellen Dokument formuliert wurde: "Beide Systeme müssen sich gegenseitig für friedensfähig halten. Das im Osten vertretene Konzept der Friedlichen Koexistenz zwischen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung und das im Westen, vor allem von Sozialdemokraten entworfene Konzept einer Gemeinsamen Sicherheit setzen, soweit sie ernst gemeint und konsequent sind, beide die prinzipielle Friedensfähigkeit der anderen Seite voraus."(96)

Harald Neubert spricht weiter Klartext: "In reformorientierten Kreisen der SED war zu jener Zeit das kritische Nachdenken über diese Probleme bereits viel weiter fortgeschritten, als das in diesem Dokument Ausdruck findet. (...) Die Veröffentlichung des Dokuments 'Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit' fand eine sehr breite Erörterung in beiden Parteien, in der DDR und der BRD, in der internationalen Arbeiterbewegung. Trotz manchen Vorbehalten war besonders in den reihen der SED das Interesse an diesem Dokument sehr groß. In den Organisationen der Partei fanden zahlreiche Veranstaltungen statt, die keineswegs die Auseinandersetzung mit dem Dokument, sondern dem wohlwollenden vertraut machen (sic! d.Verf.) mit ihm dienten. (...)

Aufgrund der positiven, von der SED gebilligten Aussagen zum Dialog und wegen des hierbei zum Ausdruck kommenden Dilemmas der SED trug das Gemeinsame Dokument wesentlich zur Stärkung des Selbstbewusstseins oppositioneller Kräfte, zur Erosion des öffentlichen Bewusstseins in der DDR bei."(97) Angesichts dieses offensiven Infragestellens sowie der Aufgabe marxistisch-leninistischer Grundprinzipien auf Seiten der SED wird vielerlei verständlicher: einmal, dass sich die SPD-Führung heute rühmt - so z.B. Hans-Jochen Vogel und Erhard Eppler 1993 in der "Enquete-Kommission des Bundestages zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte" - u.a. und besonders auch mit der Ausarbeitung des gemeinsamen SED/SPD-Papiers zur Erosion der SED und damit letztendlich zur Zerschlagung der sozialistischen DDR beigetragen zu haben. Klarer wird jedoch auch, warum das Papier und seine Folgen innerhalb der SED zur Verbreiterung revisionistischer Positionen führten, die nicht wenige ihrer Vertreter schließlich objektiv in eine konterrevolutionäre Rolle hineinwachsen ließen. Dieses Klima und diese Positionen verstärkten sich rasant insbesondere in intellektuellen Kreisen in der SED.

Während sich innerhalb der SED die DDR-Anhänger von Gorbatschows "Perestroika" und "Glasnost" formierten und organisierten, waren die Strukturen der Kirchen in der DDR Anlaufstellen für Personen, Grüppchen sowie Keimzellen von Organisationen, die nicht selten offen den Sozialismus ablehnten, zumindest jedoch einer an der BRD-SPD orientierten Sozialdemokratie zuneigten.

"Parallel zu dem, was unter den Kirchendächern geschah, begann sich seit Gorbatschows Machtübernahme zunächst abseits jeder Öffentlichkeit eine ganz andere Opposition herauszubilden. Sie wurde getragen von den prosowjetischen, atheistischen Eliten des Apparates. Einer ihrer frühen Protagonisten im Land war Manfred von Ardenne, der Leiter des kernphysikalischen Instituts in Dresden. (...)

Wie Ardenne später selbst offen legte, war er am 18. Juni 1987 in seinem Dresdner Haus mit dem stellvertretenden KGB-Chef und Andropow-Zögling General Wladimir A. Krjutschkow - einem der nächsten 'Mitstreiter' Gorbatschows - zusammengetroffen. Thema des Gesprächs war die dringend erforderliche Umgestaltung in der DDR. (...)

Ob der Dresdner SED-Bezirksvorsitzende Hans Modrow damals anwesend war, erwähnte Ardenne nicht. Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass Krjutschkow, der 1988 als erster Chef der Auslandsaufklärung zum Vorsitzenden des KGB avancieren sollte, sich in Dresden aufhielt, ohne mit dem Bezirksvorsitzenden zusammengetroffen zu sein. Die Partei-Etikette hätte solches verlangt. Im selben Jahr, in dem Krjutschkow in Dresden weilte, besagten Gerüchte, Modrow sei der von den Sowjets favorisierte Nachfolgekandidat Honeckers. (....)

Fast zur gleichen Zeit trat ein 'guter Freund' Modrows als lautstärkster Verfechter von Glasnost und Perestroika, aber auch für ein 'Europäisches Haus' an die Öffentlichkeit: Markus Wolf (...)

Von Wolf gingen die Kontakte zu anderen Angehörigen prosowjetischer Eliten wie etwa dem Ost-Berliner Gesellschaftswissenschaftler Michael Brie, der wie die Juristin Rosemarie Will oder der Gesellschaftswissenschaftler Dieter Segert der interdisziplinären Projektgruppe 'Sozialismus' and der Humboldt-Universität angehörte, die in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre Glasnost und Perestroika, übertragen auf die Verhältnisse in der DDR, nachvollzog. (...)

Ein früher intellektueller Mitkämpfer für die Durchsetzung der Ideen von Glasnost und Perestroika war auch Michael Bries Bruder, der Diplomwissenschaftler André Brie. Auch er arbeitete an einem Konzept eines 'alternativen Sozialismus'."(98)

Diese Entwicklung der Ereignisse wird auch von anderen Zeitzeugen und Historikern in den wichtigsten Punkten belegt oder geschildert, selbst von solchen, die der PDS angehören.(99) Auch bestätigen inzwischen einige der Verantwortlichen in eigenen Veröffentlichungen - direkt oder indirekt, in vollem Ausmaß oder teilweise und z.T. geschönt - ihre Rolle in diesen Prozessen, die objektiv und gemeinsam mit anderen Faktoren zur Konterrevolution führten, sie zumindest jedoch förderten.(100) So schreibt z.B. der "PDS-Vordenker" André Brie in seinem Buch "Ich tauche nicht ab": "Ich hatte vierzig, fünfzig Vorträge jährlich gehalten. Der Schriftsteller Reinhold Andert, der meinen Bruder und mich gelegentlich in solchen Veranstaltungen erlebte, schrieb darüber: 'Dieses Brüderpaar zog in den letzten DDR-Jahren als Wanderprediger durch Kultur-, Studenten- und andere intelligenzfreundliche Klubs, um in Vorträgen zum Entsetzen ihrer Zuhörer das Ende des realen Sozialismus zu verkünden. André tat dies mit Rüstungs- und Umweltzahlen, Michael mit der Messlatte moderner Industriegesellschaften'."(101)


Die Kreise schließen sich, das Ende naht

Während sich die SED-interne Opposition zum Sturm auf die Führung der Partei vorbereitet, wachsen 1988/89 jene oppositionellen Kräfte außerhalb der SED an und vernetzen sich, von denen sich viele bereits - in welcher Form auch immer - vom Sozialismus verabschiedet haben, inoffiziell zumindest. Das gerade in deren Nähe immer häufiger imperialistische Geheimdienste zu finden waren, mag inzwischen nicht mehr verwundern.

"Im Verlauf der 80er Jahre suchten Oppositionelle aus der DDR verstärkt Verbindungen zu diplomatischen Vertretungen und Journalisten ausländischer Medien. Diese wiederum waren daran interessiert, sie als ständige Gesprächs- und Auskunftspartner zu gewinnen, weil sie zurecht dort ein Informationspotenzial vermuteten, aus dem sie mehr über die DDR erfahren konnten als aus Gesprächen mit offiziellen Vertretern der DDR. Die Kontaktpartner aus der Opposition ihrerseits, auf diesem Wege Unterstützung zu bekommen. Sei es als Öffentlichkeit, die sie schützte, sei es materielle Hilfe, sei es Literatur. Nicht zuletzt schufen sie sich damit sichere Verbindungskanäle nach dem Westen.

Auf die Entwicklung solcher Kontakte konzentrierten sich zunehmend die Residenturen westlicher Geheimdienste, vor allem der CIA, in den 80er Jahren. Dafür setzten sie nachrichtendienstlich ausgebildete Gesprächsaufklärer ein, die in Abstimmung mit der Leitung der Botschaften fast ausschließlich diese speziellen Verbindungen pflegten. Das ging soweit, dass selbst beim Besuch eines stellvertretenden Außenministers der USA das Gespräch mit Vertretern oppositioneller kirchlicher Kreise durch die CIA-Residentur in der DDR vorbereitet und organisiert wurde. (...)

Eine Vorstellung von der Intensität dieser Kontaktarbeit konnte 1987 bei der Beendigung des Einsatzes des CIA-Mitarbeiters Quigley und des Gesprächsaufklärers Gregory Sandford gewonnen werden. Die Spionageabwehr (der DDR, d. Verf.) zählte in ihrem Abschlussbericht fast 200 DDR-Bürger zu den stabilen Kontaktpartnern. Etwa 25% von ihnen waren Vertreter des Staates und von Parteien, rund 30% Kunst- und Kulturschaffende und 22% Funktionsträger von Kirchen und Religionsgemeinschaften. Weitere 23% der Gesprächspartner kamen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen.

Von den 200 verdienten aus Sicht des MfS (Ministerium für Staatssicherheit, d. Verf.) etwa 30 die Bezeichnung 'aktiver Oppositioneller'.

Die wohl engsten Kontaktpartner in Ostberlin waren Pfarrer Rainer Eppelmann und sein Adlatus Rainer Hirsch. Die Verbindung wurde über Jahre von Mitarbeitern der CIA-Residentur und amerikanischen Diplomaten und Gesprächsaufklärern nahtlos aufrechterhalten."(102)

Während die Konterrevolution auf den Straßen der DDR ab Oktober 1989 immer aggressiver auftrat, sich in den unterschiedlichsten Zirkeln und Gruppierungen organisierte, aber auch vernetzte, die Einmischung des BRD-Imperialismus immer intensiver wurde, stand die Parteiführung der SED faktisch mit dem Rücken zur Wand: ohne jegliche Konzeption, der immer bedrohlicher werdenden Entwicklung organisiert entgegenzutreten, zumindest die Kommunisten und die Partei zu mobilisieren, gefangen in revisionistischen Vorstellungen und Positionen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten schrittweise und widersprüchlich entwickelt hatten, mit wachsenden ökonomischen Schwierigkeiten konfrontiert und durch hohe Auslandskredite potenziell durch den Imperialismus erpressbar gemacht, der immer gefährlicher und dynamischer werdenden Entwicklung hinterhertrabend, vor allem von einem ehemaligen Freund und Verbündeten, der gorbatschowistischen Sowjetunion zunächst im Stich gelassen, dann an den Imperialismus verkauft. Und dieser "Freund" hatte buchstäblich den scharfen Dolch nicht nur im Gewande; so häufen sich in letzter Zeit die Hinweise und Verweise auf eine Struktur innerhalb des sowjetischen Geheimdienstes KGB ("Luch"), die nicht nur in der DDR, sondern auch in anderen sozialistischen Ländern, die Aufgabe hatte, "Perestroika" und "Glasnost" falls notwendig auch gegen die jeweiligen Parteiführungen durchsetzen zu helfen. Dementsprechend habe es in der DDR Koordinierungen mit und Unterstützung für "Gorbatschowisten" innerhalb der SED gegeben.(103) Zudem gibt es Indizien dafür, dass es dabei sogar zu einer direkten Kollaboration mit imperialistischen Geheimdiensten, vor allem der CIA, kam. So soll die berühmt-berüchtigte "Operation Rosenholz" der CIA, bei der hochbrisante Akten des MfS nach Langley verschleppt wurden, ein Kind dieser engen Zusammenarbeit sein.


Die konterrevolutionäre Rolle von "Luch"

Die Nachhaltigkeit des konterrevolutionär-revisionistischen Einflusses (nicht nur) in der DDR lässt sich anhand der Entwicklung und Rolle einer Sondereinheit des sowjetischen Geheimdienstes KGB nachweisen, obwohl noch nicht alle Fakten offengelegt werden konnten. Der Name dieser Einheit: "Luch" (Strahl). Sie operierte in allen sozialistischen Staaten, mit besonderem Schwerpunkt jedoch in der DDR: "Im Frühjahr 1992 - inzwischen war nicht nur die DDR, sondern auch die Sowjetunion untergegangen - informierte das Bundesamt für Verfassungsschutz eine kleine Zahl ausgewählter Verantwortungsträger der Bundesrepublik über eine geheime KGB-Struktur in Deutschland. In dem streng geheimen Papier heißt es, dass außerhalb der bekannten KGB-Residentur in Karlshorst, dem für die Aufklärung der Bundesrepublik zuständigen 'Führungskopf', dem so genannten 'Berliner Apparat', eine weitere geheime KGB-Residentur existierte, die sogenannte Gruppe 'Luch' (russisch für Strahl). Während die 'normalen' Vertretungen des KGB wegen der historischen Entwicklung und wegen der überwiegend identischen Aufklärungsschwerpunkte eng mit dem MfS zusammengearbeitet hätten, sei die Gruppe 'Luch' ein völlig abgeschotteter Bereich gewesen, der keinerlei Arbeitskontakte zum MfS der ehemaligen DDR unterhalten habe. Auch innerhalb des KGB sei die Gruppe 'Luch' einer besonderen Geheimhaltung unterworfen gewesen. Es heißt dazu ''Luch' war aus dem regulären Hierarchiegefüge der offiziellen Residentur herausgelöst und nur den direkt befassten Mitarbeitern der 4. Abteilung (der so genannten Deutschlandabteilung im Moskauer Hauptquartier, d. Verf.) sowie der Leitungsebene der 1. H(aupt)V(erwaltung) des ehemaligen KGB insgesamt bekannt und entsprechend unterstellt'."(104)

Diese Sondertruppe "Luch" war zu Beginn der 80er Jahre aus handverlesenen Geheimdienstkadern zusammengestellt worden, um eine offen revisionistische Wende zunächst in der Sowjetunion, aber auch in anderen sozialistischen Ländern einleiten zu helfen. Damit ist ihr entscheidender Aufgabenbereich im weitesten Sinne umschrieben.

Neben bestimmten Kreisen von Intellektuellen innerhalb und außerhalb der Partei, waren es vor allem hoch organisierte Kader innerhalb der bewaffneten Organe der Sowjetunion, insbesondere im Geheimdienst KGB, die Träger und Motoren revisionistischer Gedanken, Theorien und Konzeptionen waren bzw. wurden. Hiemit hatte der Revisionismus eine organisierte Machtbasis, von der aus die KPdSU systematisch von innen her zersetzt werden konnte. Dieser in sich widersprüchliche, aber kontinuierliche Prozess, für den der XX. Parteitag der KPdSU zur Wende und Basis geworden war, belegt auch auf dieser Ebene, wie eng verzahnt Revisionismus und Konterrevolution sind, dass der Revisionismus die notwendige Basis für konterrevolutionäre Entwicklungen bildet. Neben dem XX. und vor allem auch dem XXI. wie XXII. Parteitag der sowjetischen Kommunisten hatte unter Führung des Renegaten Chrustschow vor allem innerhalb der bewaffneten Organe, so an erster Stelle innerhalb des KGB, eine massive, wenig wahrgenommene und bisher noch viel zu wenig wissenschaftlich untersuchte Säuberungswelle eingesetzt, der wichtige marxistisch-leninistische Kader zum Opfer fielen und durch Anhänger Chrustschows ersetzt wurden.

Schließlich war die Zeit für den Generalangriff auf das Führungszentrum gekommen, um damit die revisionistische Entwicklung unumkehrbar zu machen. Für seinen Erfolg steht ein Name: Michail Gorbatschow: "Gorbatschows steile Karriere wäre ohne einflussreiche Förderer nicht möglich geworden. (...) Hinzu kam als Gönner vor allem aber der langjährige KGB-Chef Andropow, der den Nordkaukasier (gemeint ist Gorbatschow, d. Verf,) unter seine Fittiche genommen hatte. Auch der hatte schon früh sein Interesse an dem mächtigen KGB bekundet. Seine praktische journalistische Ausbildung leistete er wohl nicht bei einem Gericht oder einer Staatsanwaltschaft ab, sondern beim Geheimdienst. Andropow setzte seinen gelehrigen Zögling für seine Politik ein. Um diese in Angriff nehmen zu können, galt es zunächst, Parteiapparat den Widerstand der orthodoxen Kommunisten zu brechen. Gorbatschow war es, der nun zahlreiche Partei- und Staatsfunktionäre des Machtmissbrauchs und der Korruption bezichtigte und damit aus ihren Ämtern entfernen ließ."(105)

In der ersten Phase ihrer Existenz lassen sich die Aufgaben der revisionistisch-konterrevolutionären KGB-Einheit "Luch" in zwei wichtigen Bereichen zusammenfassen:

Durchsetzung des Machtantritts Gorbatschows sowie seiner Absicherung

Zersetzung und Zerschlagung des Parteiapparates der KPdSU durch interne Operationen sowie externe Aktionen (z. B. Organisierung revisionistischer Propaganda, Unterstützung sich im Rahmen von "Perestrojka" und "Glasnost" entwickelnder, sich im Rahmen der Zersetzungsstrategie als nützlich erweisender Organisationen, Vereine, Publikationen etc. oder der Gründung derselben)

In der zweiten Phase (etwa ab Beginn 1987) weiteten sich die Aufgabenfelder von "Luch" aus:

- Schwächung und Zerschlagung von Gegnern der sowjetischen, revisionistischen "Perestrojka"- und "Glasnost"-Politik innerhalb des sozialistischen Lagers, insbesondere die Zersetzung der dort regierenden kommunistischen Parteien durch Gorbatschow-Anhänger

- Spaltung kommunistischer Parteien und auch anderer revolutionärer Kräfte "im Westen" bzw. dem Trikont (so genannte "Dritte Welt") mit dem Ziel, die Anhänger revisionistischen Gedankenguts à la Gorbatschow dominant werden zu lassen

- Propagierung und Durchsetzung der Politik der Versöhnung mit dem Imperialismus im Trikont (so geschehen zum Beispiel in Geheimverhandlungen mit der konterrevolutionären Banditenorganisation UNITA seit 1986 und entsprechenden geheimdienstlichen Kontakten mit dem Apartheid-Regime Südafrikas)

Das war nichts anderes als Konterrevolution global, eingehüllt in den Mantel des Revisionismus!

Im sozialistischen Lager Osteuropas kann Widerstand gegen diesen offenen Ausverkauf des Sozialismus vor allem aus der DDR, der Tschechoslowakei und Rumänien.

"Auch für die kommunistischen Führer in der Tschechoslowakei wurde das Jahr 1989 zum Schicksalsjahr. (...) Später wurde von einer gemeinsamen Verschwörung des KGB und des tschechoslowakischen Geheimdienstes berichtet. Die Aktivitäten, die mit dem Sturz der Regierung endeten, sollen demnach unter dem Decknamen 'Operation Keil' durchgeführt worden sein - Behauptungen, deren Kern kein Geringerer als Staatspräsident Havel bestätigte. Am 31. Mai zitierten ihn Zeitungen dahin gehend, dass das KGB ein Komplott zur Ablösung des orthodoxen Systems unterstützt habe."(106)

Zu präzisieren sei an dieser Stelle nur, dass es sich beim KGB nicht um das gesamte Organ, sondern um Spezialeinheit "Luch" handelte und in der CSSR um einige "Luch"-Kollaborateure innerhalb der der tschechoslowakischen Sicherheitsdienste, nicht den gesamten Dienst. Auch gegen die kubanische Revolution im Allgemeinen und Genossen Fidel Castro im Besonderen entfaltete "Luch" eine Regie von Aktivitäten, die jedoch scheiterten. Seit 1988 sondierten Agenten aus Moskau in Kontakt mit nahezu allen kubanischen Contra-Fraktionen Möglichkeiten, die revolutionäre Führung der KP Kubas abzulösen, um einen gorbatschowistischen Wechsel auch auf der sozialistischen Karibikinsel vor der Haustür des US-Imperialismus herbeizuführen.

Im besonderen Maße richtete "Luch" jedoch seine Aufmerksamkeit auf die DDR, nicht nur sozialistische Nahtstelle mit dem Imperialismus in Europa, sondern zugleich auch das fortgeschrittenste sozialistische Land (neben der Sowjetunion). Auch an der DDR war der XX. Parteitag nicht spurlos vorübergezogen, hatte sich revisionistisches Gedankengut herausgebildet, zum Teil widersprüchlich verfestigt, zu bereits beschriebenen, immer bedenklicher werdenden Entwicklungen geführt, die konsequent zur Entwicklung revisionistischer Leitfiguren und der Bildung von revisionistischen Organisationskernen innerhalb der SED bzw. ihrem unmittelbaren "Umfeld" führen mussten. In diesem Zusammenhang fallen Namen wie Hans Modrow, Markus (Mischa) Wolf oder die der Brié-Brüder. Das bot auch für "Luch" genügend Ansätze, um einen offen revisionistischen "Wandel" der SED herbeizuführen. Seit Mitte der 80er Jahre hatte "Luch" mit einer strategischen Regierungsoffensive in der DDR begonnen, wobei Bürger der DDR, vor allem Mitglieder der SED und ihrer Massenorganisationen auf verschiedenen Ebenen, zum Teil direkt als Agenten verpflichtet wurden oder aber, ohne ihr Wissen, abgeschöpft oder benutzt wurden. "Bei den von 'Luch' rekrutierten Personenkreisen soll es sich, der Analyse des Verfassungsschutzes zufolge, neben Kadern aus der Staatsführung um Entscheidungsträger aus der FDJ, aus Bildungseinrichtungen, aber auch aus den Reihen der Kirche gehandelt haben. In den Jahren 1988/1989 sei die Arbeitsweise von 'Luch' modifiziert worden. 'Fortan waren nicht mehr Verpflichtungen von hochrangigen DDR-Führungskadern vorrangig (...), sondern vielmehr die Suche nach Fachleuten der mittleren Managementebene.' Man habe sich 'auf Mitglieder der Blockparteien der ehemaligen DDR, solcher neugegründeter Parteien im Zuge der Wende und Angehörige von Jugendorganisationen konzentriert'."(107)

In dieser Situation spitzte sich die Lage innerhalb der SED zu. Es kam zum Parteiputsch der "DDR-Gorbatschowisten" und zur schrittweisen Mutation der SED in die PDS (heute "Die Linke"). Es sollte dann nur noch wenige Monate dauern, bis der BRD-Imperialismus endgültig am lang gehegten Ziel seiner Begierden und Diversionsstrategien war: der Liquidierung des Sozialismus in der DDR und der Annexion des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates auf deutschem Boden.


Resümee und Ausblick

Ich gehe davon aus, dass ich mit meinen Ausführungen den Zusammenhang zwischen Revisionismus, imperialistischer Diversion und Konterrevolution aufzeigen konnte.

Erst der Revisionismus und seine - wenn auch widersprüchliche und in Etappen vollzogene - Ausbreitung in den regierenden kommunistischen Parteien wie auch der internationalen kommunistischen Bewegung schuf die notwendigen Voraussetzungen für die schließlich siegreiche Konterrevolution, insbesondere der Sowjetunion, aber auch in den anderen sozialistischen Ländern Europas.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ein erfolgreicher Wiederaufbau der einst so mächtigen kommunistischen Bewegung nur im ständigen und konsequent geführten Kampf gegen den Revisionismus erfolgen kann.

Deshalb gilt es heute unter den Bedingungen der so genannten imperialistischen "Neuen Weltordnung", gestützt auf die Erfahrungen der Konterrevolution (die ich an zwei Beispielen aufgezeichnet habe), den aktuellen Zusammenhang zwischen Revisionismus, imperialistischer Diversion, Konterrevolution UND "Neuer Weltordnung" zu untersuchen.

Als Beispiel hierfür sei die vollkommene Entartung der so genannten "Irakischen Kommunistischen Partei" herausgegriffen, die von einer "klassisch" revisionistischen Partei in eine Marionette des Imperialismus und der Yankee-Besatzungstruppen im Irak mutierte. Dieser offene Verrat und die Kollaboration mit dem imperialistischen Feind haben der revolutionären und kommunistischen Bewegung (nicht nur) im Nahen Osten einen im Umfang und in der Tiefe noch nicht ganz abzuschätzenden Schaden zugefügt.

Der permanente Kampf gegen den Revisionismus in all seinen Spielarten bedeutet nicht nur eine notwendige Verteidigung der revolutionären, marxistisch-leninistischen Identität der Kommunisten, er ist zudem der Schlüssel, das Tor für eine Zukunft der kommunistischen Bewegung als mächtiger Kraft zu öffnen.

Michael Opperskalski, Köln


Anmerkungen

(19) Michael Opperskalski: Als freier Journalist und Buchautor tätig; zahlreiche Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftenveröffentlichungen. Mitglied des Herausgebergremiums offen-siv. Seit 1985 Redaktionsmitglied der geheimdienstkritischen Zeitschrift GEHEIM (www.geheim-magazin.de, Mail: opperskalski@geheim-magazin.de), seit 1988 verantwortlicher Redakteur des englischsprachigen Schwestermagazins TOP SECRET, Mitglied des "Internationalen Komitees der Nino Pasti Stiftung" (Italien), Internationalistisches Engagement u.a. in Nicaragua, Angola, Mosambik, Namibia, Zimbabwe, Ghana und dem Nahen sowie Mittleren Osten. Wegen seiner zahlreichen Enthüllungen über die Aktivitäten imperialistischer Geheimdienste sowie seines Engagements u.a. an der Seite von ANC und SWAPO wurden auf ihn drei Mordanschläge verübt bzw. geplant: einer durch eine eng mit der CIA zusammenarbeitenden "Vigilante"-Gruppe 1988 auf den Philippinen, einer durch des südafrikanischen Militärgeheimdienst DMI 1990 in Namibia, ein weiterer ebenfalls durch den DMI 1991 in Zimbabwe.

(20) W.I. Lenin, "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus", Ausgewählte Werke, Bd. II, Frankfurt/Main 1970, S.766 ff.

(21) "Kleines Politisches Wörterbuch", Dietz Verlag, Berlin (DDR), 1973, S.174

(22) ebenda, S.345/346

(23) vgl. dazu u.a. ausführlicher: Neuberger/Opperskalski, "CIA in West-Europa", Lamuv-Verlag, 1982

(24) James Burnham, "Die Strategie des Kalten Krieges", Stuttgart, 1950, S.53

(25) Zit. Nach: "Archiv der Gegenwart", Bonn/Wien/Zürich, 1955, S.5542

(26) vg. dazu ausführlicher: N.N. Jakovlev, "CIA contra UdSSR", Berlin (DDR), 1985, S.22 ff.

(27) Zit. nach: Bernd Greiner/Kurt Steinhaus, "Auf dem Weg zum 3. Weltkrieg? Amerikanische Kriegspläne gegen die UdSSR", Köln, 1980, S.90-94

(28) Zit. nach: ebenda, S.180 ff.

(29) Zit. nach: Nair/Opperskalski, "CIA: Club der Mörder", Göttingen, 1988, S.15

(30) Zit. nach: Greiner/Steinhaus, "Auf dem Weg zum 3. Weltkrieg?", S.149 ff

(31) ebenda, S.182 ff

(32) Der ehemalige CIA-Mann Philip Agee in seinem Vorwort zu: Opperskalski/Neuberger, "CIA in Westeuropa", Bornheim, 1982, S.17 ff

(33) W. Fulbright, "Bridges, East and West", Congressional Recort, 6.1.1965, S.229

(34) Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), Dokument des ZK: "Gedanken über die Faktoren, die zur Zerschlagung des sozialistischen Systems in Europa führten (...)", Athen, Griechenland, 24. März 1995, S.25 und 32 ff.

(35) Kurt Gossweiler, "Stärken und Schwächen im Kampf der SED gegen den Revisionismus", Streitbarer Materialismus, Nr. 18, S.43/44

(36) Zit. nach: "'Demokratischer Sozialismus' in Aktion", eine Dokumentation des MSB Spartakus, 1977

(37) Zit. nach: Archiv der Gegenwart, 11.7.1956

(38) Fritz Schenk, "Die Zerschlagung des Mythos Stalin", FAZ 24.2.1996

(39) Interview der "Süddeutschen Zeitung" mit Willy Brandt, 8./9.4.1989

(40) Z. Brzezinski, "Die Aufgaben von morgen", Foreign Affairs, 7-9/1966, S.663

(41) Zit. nach: Prawda, 21.8.1968 aus einem Artikel von J. Shukov: "Was sie angestrebt haben. Spekulationen und Fehlrechnungen der Feinde des tschechoslowakischen Volkes"

(42) Zit. nach: "rote blätter", Organ des MSB Spartakus, "Angriffsziel Sozialismus", Folge 1, Nr.4/77

(43) M. Loichot, "La réforme pancapitaliste", Paris 1966, S.34

(44) Zur "Strategie der friedlichen Einmischung" siehe u.a. und genauer: J.S. Nowopaschin, "Strategie der 'friedlichen Einmischung'", Berlin (DDR), 1974 oder Sahra Wagenknecht, "Antisozialistische Strategien im Zeitalter der Systemauseinandersetzung. Zwei Taktiken im Kampf gegen die sozialistische Welt.", Bonn, 1995

(45) Z. Brzezinski, "Der Sowjetblock - Einheit und Konflikt", Köln/Berlin 1962, S.427

(46) "Foreign Affairs", New York, Juli 1961, S.644

(47) Willy Brand, "Koexistenz - Zwang zum Wagnis", Stuttgart 1963, S.83

(48) G. Nenning, "Sozialdemokratie", Wien/Frankfurt 1963, S.197

(49) aus: "Der Spiegel", "SPD-Spionageaktivitäten im Kalten Krieg", Nr. 25,1990

(50) Der ehemalige CIA-Agent Philip Agee in seinem Vorwort zum Buch von Opperskalski/Neuberger: "CIA in Westeuropa", Bornheim 1982, S.17 ff

(51) Michael Herms, "Heinz Lippmann. Porträt eines Stellvertreters", Dietz Verlag, Berlin 1996, S.214

(52) Günter Nollau, "Das Amt", München 1979, S.226f.

(53) In diesem Zusammenhang sei auch auf das Buch von Sahra Wagenknecht "Antisozialistische Strategien im Zeitalter der Systemauseinandersetzung. Zwei Taktiken im Kampf gegen die sozialistische Welt", Bonn 1995, verwiesen

(54) James Burnham, "Die Strategie des Kalten Krieges", Stuttgart 1950, S.53

(55) Zit. nach: Archiv der Gegenwart, Bonn/Wien/Zürich 1955, S.5542

(56) W. Fulbright, "Bridges, East and West", Congressional Report, 6.1.1965, S.229

(57) Kurt Gossweiler, "Der 'moderne Revisionismus' und die Niederlage des Sozialismus - eine Thesenreihe", Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ), Nr. 48, 11.11.1993

(58) Fojtik, Hartmann, Schmid, "", Frankfurt (BRD) 1978, S.41

(59) Zit. nach ebenda, S.114ff.: "Lehren aus der krisenhaften Entwicklung in der Partei und Gesellschaft nach dem XIII. Parteitag der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei". Bestätigt von der Plenartagung des ZK der KPC im Dezember 1970

(60) Zit. nach "rote blätter", Organ des MSB Spartakus (BRD), "Angriffsziel Sozialismus", Teil 2, Nr. 5/77

(61) "Osteuropa", Nr. 3/86

(62) Robert Steigerwald, "Einige Bemerkungen zur Frage der Tschechoslowakei" in DKP-Extra, "'Linke' Phrasen - rechte Politik. Zur Politik und Praxis des KBW", Düsseldorf 1975

(63) Zit. nach: "rote blätter", "Angriffsziel Sozialismus", Nr. 5/77

(64) Aus: Jiri Pelikan (ehemaliges revisionistisches ZK-Mitglied der KPC), "Panzer überrollen den Parteitag", Zusammenstellung von Dokumenten der KPC, eingeleitet von Pelikan, Wien 1969

(65) "Manifest der 2000 Worte", Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.7.1968

(66) Zit. nach: "Zu den Ereignissen in der Tschechoslowakei", eine Dokumentation, Moskau 1968

(67) Zit. nach: "rote blätter", "Angriffsziel Sozialismus", Teil 2, Nr. 5/77

(68) "Neues Deutschland", Berlin (DDR), 31.8.1968

(69) Z. Brzezinski, "Entspannungspolitik im Schatten Prags" in: "Das 198 Jahrhundert", Hamburg 1969, S.54 u. 42

(70) Eichner/Dobbert, "Headquarters Germany, Die USA-Geheimdienste in Deutschland", Berlin 1997, S.63

(71) Charisius/Mader, "Nicht länger geheim", Berlin (DDR), 1980, S.318 ff.

(72) Terror- und Sabotageaktionen der KgU und ihrer Hintermänner werden detailliert beschrieben u.a. in: Heinrich/Ullrich, "Befehdet seit dem ersten Tag. Über drei Jahrzehnte Attentate gegen die DDR", Berlin (DDR), 1981

(73) Helmut Bärwald, "Das Ostbüro der SPD", Krefeld, 1991, S.28/29

(74) ebenda, S.52/53

(75) ebenda, S.104/105

(76) Michael Herms, "Heinz Lippmann - Porträt eines Stellvertreters", Berlin, 1996, S.214

(77) G. Nollau, "Das Amt", München, 1979, S.226 ff

(78) vgl. dazu ausführlich: Borgmann/Staadt, "Deckname Markus. Spionage im ZK", Berlin, 1988

(79) S. Prokop, "Ich bin zu früh geboren. Auf den Spuren Wolfgang Harichs", Berlin, 1997, S.103 ff

(80) ebenda, S.107

(81) H. Bärwald, "Das Ostbüro der SPD", Krefeld 1991, S.47

(82) die in diesem Kapitel nur angerissen beschriebenen Aktionen können wesentlich umfangreicher und analytischer dargestellt nachgelesen werden u.a. in: Charisius/Mader, "Nicht länger Geheim", Berlin (DDR), 1980

(83) "Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung", 26. Juni 1952, S.1002

(84) Der Spiegel, Nr. 28, 1952

(85) Charisius/Mader, "Nicht länger Geheim", Berlin (DDR), 1980, S.527 ff

(86) siehe dazu ausführlicher: Walter Ulbricht, "Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung", Berlin (DDR), 1966, Bd.13, S.224-248

(87) Otto Grotewohl, "Im Kampf um die einige Deutsche Demokratische Republik. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1945-1953", Berlin (DDR), Bd. III, S.473 ff

(88) gemeint sind illegal tätige Gruppen, die vor allem aus Mitgliedern und Anhängern der Partei "KPD-Opposition" gebildet wurden. Führer dieser Partei, die vor allem in den 20er und 30er Jahren aktiv war, waren die ehemaligen Funktionäre der KPD Brandler und Thalheimer, die wegen Rechtsopportunismus aus der KPD ausgeschlossen wurden bzw. ausgetreten waren

(89) die SAP war eine halb-trotzkistische Splitterpartei in den 20er und 30er Jahren. Zu ihren Funktionären hatte auch Willy Brandt gehört, bevor er zur SPD wechselte

(90) Zit. nach: Herbst/Stephan/Winkler (Hrsg.), "Die SED. Geschichte-Organisation-Politik. Ein Handbuch.", Berlin, 1997 S.606 ff

(91) Z. Brzezinski, "Alternative zur Teilung", Köln, 1965, S.208 ff

(92) Zit. Nach: T. Sommer (Hrsg.), "Denken an Deutschland", Hamburg 1966, S.81

(93) vgl. hierzu im Detail und umfangreich nachgezeichnet: S. Wagenknecht, "Autosozialistische Strategien im Zeitalter der Systemauseinandersetzung", Bonn, 1995 vor allem die S.138 ff

(94) Der Spiegel", Nr. 38/1996

(95) H. Neubert, "Zum gemeinsamen Ideologie-Papier von SED und SPD aus dem Jahr 1987" Hefte zur DDR-Geschichte, Nr. 18, S.10

(96) Zit. nach ebenda, S.11

(97) ebenda, S.14/15

(98) Reuth/Bönte, "Das Komplott", München/Zürich1993, S.79 ff

(99) vgl. dazu in diesem Sinne ausführlich u.a.: Czichon/Marohn, "Die DDR im Perestroika-Ausverkauf", Köln, 1999

(100) vgl. in diesem Zusammenhang z.B.: Markus Wolf, "In eigenem Auftrag", München, 1991

(101) A. Brie, "Ich tauche nicht ab", Berlin, 1996, S.14

(102) Eichner/Dobbert, "Headquarters Germany. Die USA-Geheimdienste in Deutschland", Berlin 1997, S.138/139

(103) vgl. dazu: Czichon/Marohn, "Die DDR im Perestroika-Ausverkauf", Köln, 1999 sowie Reuth/Bönte, "Das Komplott", München/Zürich, 1993

(104) zitiert nach und ausführlicher in: Reuth/Bönte, "Das Komplott", München/Zürich, 1993

(105, 106, 107) ebenda


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Kurt Gossweiler(108) und Dieter Itzerott(109): Die Geschichte der SED

(Liebe Genossinnen und Genossen, ich werde nun im Auftrag der beiden hervorragenden Genossen Dieter Itzerott und Kurt Gossweiler die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit zur Geschichte der SED in einer für diese Veranstaltung bearbeiteten und sehr konzentrierten Fassung vortragen.

Gesundheitliche Probleme machen es Dieter Itzerott unmöglich, die Strapazen einer Reise nach Berlin auf sich zu nehmen; und Kurt Gossweiler bat uns, ihm in seinem hohen Alter nicht mehr einen rund einstündigen Vortrag zuzumuten. Wir freuen uns, dass Kurt Gossweiler heute hier anwesend sein kann.

Frank Flegel)


Zunächst einige kurze, einführende Bemerkungen der beiden.

Als Kommunisten müssen wir auf die Frage nach dem historischen Platz der SED in den Kämpfen der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung eine eindeutige Antwort geben. Diese Antwort ist von prinzipieller Bedeutung für die künftigen Kämpfe für Sozialismus und gegen Barbarei.

Wir sagen deshalb erstens: Die SED war die erfolgreichste Partei der Deutschen Arbeiterbewegung.

Und wir wollen zweitens die Geschichte unserer Partei nicht den Reißzähnen der antikommunistischen Hyänen und auch nicht der Demagogie linker Kleinbürger überlassen.

Drittens sagen wir mit Lenin: "Man darf nicht vergessen, dass man zugrunde gehen kann unter Verhältnissen, wo die Schwierigkeiten zwar groß sind, der Untergang aber nicht im geringsten, nicht im allergeringsten zwangsläufig ist". (Lenin Werke, Bd33, S.194)

Der historische Materialismus ist Grundlage unserer Arbeit. Sie ist eine Kampfansage gegen Geschichtsrevisionismus und alle Spielarten des Revisionismus!


Die Vorgeschichte der SED

Die politischen Grundlagen für das Wirken der KPD/SED nach dem Sieg über den Hitlerfaschismus waren die Beschlüsse der Kommunistischen Internationale, besonders ihres VII. Weltkongresses 1935 und der Brüsseler Konferenz der KPD. Ihre wichtigsten Erkenntnisse bestanden darin, die Einheit der Arbeiterklasse und die Herstellung einer breiten Bewegung zum Sturz des Faschismus zu schaffen.

Der Aufruf der KPD vom 11. Juni 1945 war ein Dokument, das exakt der Linie des Weltkongresses entsprach und eine hervorragende Anwendung auf die konkret-historische Situation in Deutschland darstellte. Der Hauptstoß des politischen Kampfes war gegen Faschismus, Militarismus und deren Träger gerichtet. Der im antifaschistischen Kampf gereifte Wille bei Kommunisten und Sozialdemokraten zur Einheit der Arbeiterklasse war nicht nur im sowjetisch besetzten Osten, sondern auch im Westen stark. Der Aufruf der KPD war eine tragfähige politische Plattform für die Aktionseinheit von KPD und SPD und aller antifaschistischen Kräfte.

Die Situation war trotzdem äußerst schwierig.

Die Besatzungsmächte der imperialistischen Staaten kamen ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nach. Ihre Ziele bestanden darin, ihr imperialistisches System zu schützen, den deutschen reaktionären Kräften eine Atempause zur Sammlung und Umgruppierung ihrer Kräfte zu verschaffen, alte Machteliten in Position zu bringen. Den antifaschistischen Kräften dagegen wurde in den Westzonen jede öffentliche Betätigung auf längere Zeit untersagt.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir alle wissen: Die Befreiung Deutschlands musste von außen erfolgen, weil die Mehrheit der Deutschen den Faschisten bis zum Schluss folgten und erfüllt waren mit faschistischer Ideologie, vor allem mit Antikommunismus und Hass gegen die Sowjetunion.

Das hat die Befreiung der Köpfe der Menschen von faschistischer Ideologie, von Rassismus, Nationalismus, Antikommunismus und Feindschaft gegen die Sowjetunion viel schwerer gemacht als in allen anderen befreiten Ländern.

Ferner: Zwei Drittel des Landes waren von den imperialistischen Siegermächten besetzt. In diesen Teilen befanden sich die wirtschaftlich am stärksten entwickelten Gebiete nicht nur Deutschlands, sondern Europas. Mit ihnen aber waren Industrie und Landwirtschaft der sowjetisch besetzten Zone eng verflochten.

Und weiter: Die Sowjetunion forderte völlig zu Recht Wiedergutmachung durch Arbeitsleistung und Reparationen, vor allem in Gestalt von Warenlieferungen. Da die Westmächte aus ihren Zonen keine Reparationen an die SU lieferten, musste die SBZ und später die DDR die Reparationslasten alleine tragen. Das drückte natürlich auf die Lebenshaltung der Bevölkerung.

Die USA boten finanzielle Unterstützung, den Marshall-Plan, für alle Zonen an, aber gebunden an Bedingungen, die auch die Entwicklung in der SBZ den Weisungen und der Kontrolle der US-Regierung unterstellt hätte. Die Übernahme des Marshall-Planes auch für die SBZ wurde deshalb von der Sowjetregierung abgelehnt, was aber von den Westmächten recht wirkungsvoll zur anti-sowjetischen Stimmungsmache benutzt wurde mit dem Argument: "Die USA helfen dem deutschen Volk, die Sowjets nehmen ihm auch noch das Letzte".

Besonders erschwerend für die eigenständige progressive Entwicklung in der DDR war die Existenz Westberlins als Zentrum aller feindlichen Anschläge der imperialistischen Westmächte gegen sie und die Sowjetunion.

Noch existierte die deutsche Nation, von der die Bevölkerung der SBZ/DDR ein Teil war und deren Wiedervereinigung in einem einheitlichen, antifaschistisch-demokratischen Deutschland das ausdrückliche Ziel auch und gerade der fortschrittlichen Kräfte, der Kommunisten war und sein musste.

Zum anderen gehörte die SBZ/DDR zur Gemeinschaft der Länder, die nach ihrer Befreiung durch die Sowjetunion den Weg der volksdemokratischen Entwicklung beschritten hatten.

Trotz dieser komplizierten Lage kam der Prozess der Formierung der antifaschistisch-demokratischen Einheitskräfte voran. Am 14. Juli 1945 entstand als Quelle des Mehrparteiensystems der "Demokratische Block". Am 21.12.45 kam es zur gemeinsamen Konferenz der KPD und SPD, um den Zusammenschluss ideologisch und organisatorisch vorzubereiten. Noch vor der Vereinigung der Parteien kam es am 7.3.1946 zur Gründung der FDJ und des FDGB. Am 21. und 22. April 1946 fand der gemeinsame Parteitag von KPD und SPD in Berlin statt. Die SED wurde gegründet. Als ihre theoretische Grundlage wurde genannt: das Kommunistische Manifest, das Eisenacher Programm der deutschen Sozialdemokratie und die Kritik von Marx und Engels am Gothaer Programm. Von Lenins Arbeiten war noch die Rede. Die SED wurde also gegründet als marxistische, aber noch nicht marxistisch-leninistische Partei. Dazu musste die neue Einheitspartei erst entwickelt werden.

In der Jahreswende 1945/46 ging die unmittelbare Nachkriegsphase zu Ende. Ende Dezember 1945 hatte der US-Präsident Truman erklärt "dass den USA die Verantwortung für die Führung der Welt auferlegt worden sei." Und am 05.03.1946 hielt der englische Premier W. Churchill in Fulton, USA, seine berüchtigte Rede, die als Beginn des "Kalten Krieges" in die Geschichte einging.


Die ersten Aufgaben der SED

Liebe Genossinnen und Genossen, richten wir unser Augenmerk nun auf die ersten Aufgaben der SED.

Die neu gegründete Partei fasste Beschlüsse zur Verstärkung der Bildungs- und Schulungsarbeit. (Einführung von Bildungsabenden, Durchführung von Wochenendkursen, Schaffung von Kreis- und Landesschulen; Im April 1946 Gründung des parteieigenen "Dietz-Verlages" zur Herausgabe und Vertreibung marxistisch-leninistischer Literatur.)

Der II. Parteitag im September 1947 stellte fest, dass die Partei die Mitgliederzahl von 1,8 Mio. Mitgliedern erreicht hatte. Der Parteitag traf die reale Einschätzung, dass die Aktivität und das Bewusstsein der Parteimitglieder nicht mit dem zahlenmäßigen Wachstum und den neuen Anforderungen Schritt hielt. Er erhob die Forderung zur Intensivierung der Schulungsarbeit und forcierte die Bildung von Betriebsgruppen der SED. Die Partei verband sich enger mit der Arbeiterklasse.

Die revolutionären Veränderungen nach 1945 führten dazu, dass Aufgaben konsequent antifaschistisch-demokratischen Charakters in Angriff genommen wurden, Aufgaben, die schon eine sozialistische Perspektive in sich trugen. So war es am 30.06.1946 im Land Sachsen zu einem Volksentscheid gekommen, in dem mit 77,6% die entschädigungslose Enteignung der Betriebe der aktiven Nazis und Kriegsverbrecher vollzogen wurde. Das war ein Barometer für die Bewusstseinslage der Arbeiterklasse. Auf der Grundlage des Volksentscheids wurden in allen Ländern der sowjetischen Besatzungszone durch Gesetz die Betriebe der Nazi- und Kriegsverbrecher enteignet und in Volkseigentum überführt.

Damit wurde in der sowjetisch besetzten Zone die ökonomische Machtgrundlage des Imperialismus beseitigt. Die Partei ging gestützt auf diese neue Grundlage und das wachsende Bewußtsein der Arbeiterklasse zu ersten Schritten der Wirtschaftsplanung über. Am 30. Juni 1948 beschloß der Parteivorstand der SED den Entwurf für den ersten 2-Jahresplan.

Auf der Grundlage der Aktionseinheit von KPD und SPD, einer Massenbewegung der Landarbeiter, Kleinbauern und Umsiedler und einer Verständigung im Block der antifaschistischen Parteien wurde schon 1945 die Aufteilung des Großgrundbesitzes der militaristischen Junker und aktiven Nazis in Form einer Bodenreform vollzogen, ein staatlicher Bodenfond geschaffen und Boden und Inventar an landarme Bauern, Landarbeiter und Umsiedler übereignet. Diese Bodenreform wurde zu einer in der deutschen Geschichte bis dahin beispiellosen, siegreichen revolutionären Massenaktion. Sie wurde durch demokratisch gewählte Bodenreformkommissionen durchgeführt, der über 50.000 Mitglieder angehörten. Über 200.000 Landarbeiter erhielten Boden und Inventar für neue Wirtschaften. Etwa 125.000 landarme Bauern und Kleinpächter erweiterten durch Übernahme von Neuland ihre Wirtschaften. Diese revolutionären Veränderungen haben neue Klassen- und Machtverhältnisse hervorgebracht.

Diese Tatsache vor allem war es, die die wütende Reaktion der imperialistischen Kräfte und der rechten Sozialdemokratie hervorrief.

Trotz der vollzogenen revolutionären Veränderungen waren die ökonomischen Möglichkeiten einer Restauration des Kapitalismus noch groß. Die beschleunigte Entwicklung der SED auf Basis des Marxismus-Leninismus erwies sich als dringendes Erfordernis. 1948 schon stand die Alternative: konsequente Weiterführung der revolutionären Umwälzung in Richtung sozialistischer Orientierung - oder deren Preisgabe und Restauration des Kapitalismus.


Die Gründung der DDR

Wir kommen zur Gründung der DDR, dem Anlass, der uns heute hier zusammengeführt hat.

Nachdem die herrschenden Kreise der Westzonen in Abstimmung mit den imperialistischen Besatzungsmächten den Weg der Spaltung der Nation beschritten und am 7. September 1949 den Separatstaat BRD geschaffen hatten, stand eine Entscheidung mit historischem Charakter an.

Die Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 war eine notwendige Antwort auf die Gründung des westdeutschen Separatstaates und fand die volle Unterstützung der Sowjetunion. Erinnert sei an die Würdigung der historischen Bedeutung der Gründung der DDR durch das Telegramm Stalins, in dem es hieß: "Die Gründung der Deutschen Demokratischen friedliebenden Republik ist ein Wendepunkt in der Geschichte Europas. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Existenz eines friedliebenden demokratischen Deutschland neben dem Bestehen der friedliebenden Sowjetunion die Möglichkeit neuer Kriege in Europa ausschließt, dem Blutvergießen in Europa ein Ende macht und die Knechtung der europäischen Länder durch die Weltimperialisten unmöglich macht. ... Wenn Sie so den Grundstein für ein einheitliches, demokratisches und friedliebendes Deutschland legen, vollbringen Sie gleichzeitig ein großes Werk für ganz Europa, indem Sie ihm einen festen Frieden gewährleisten..."

Auf deutschem Boden entstand ein Staat der Arbeiter und Bauern, der dem Einfluss der reaktionären Kräfte entzogen war. Die Tür zu neuen Perspektiven wurde aufgestoßen.

Nach der Gründung der DDR standen vor der SED neue, kompliziertere Aufgaben. Es galt nun, den eigenen antifaschistisch-demokratischen Staat ökonomisch und politisch zu stärken und zu entwickeln und die Zusammenarbeit mit den volksdemokratischen Staaten immer enger zu gestalten, ohne dabei aus den Augen zu verlieren, dass die Hauptaufgabe noch immer die Herstellung eines einigen, demokratischen Deutschland war.

Und das alles unter den Bedingungen eines immer schärfer werdenden Kampfes der Bundesrepublik und der Westlichen Besatzungsmächte gegen die DDR von außen und eines sich zuspitzenden Klassenkampfes der gestürzten Ausbeuterklassen und ihrer Interessenvertreter in den Blockparteien CDU und LDP im Inneren.

Um diese neuen Aufgaben einer revolutionären Partei des 20. Jahrhunderts zu meistern, musste die Partei zu einer Partei des Marxismus des 20. Jahrhunderts, also zu einer Partei eines neuen Typs, zu einer marxistisch-leninistischen Partei, entwickelt werden.

Das konnte nicht ohne innerparteiliche Auseinandersetzungen mit den Anhängern der westdeutschen Schumacher-SPD und Auseinandersetzungen mit den reaktionären Kräften in den Blockparteien vollzogen werden, die z. T. selbst die SED bzw. ihre Blockpartei verließen und in die Bundesrepublik übersiedelten oder ausgeschlossen werden mussten.

Die SED zeigte sich den neuen Anforderungen gewachsen und unternahm die notwendigen Schritte zur Entwicklung zu einer marxistisch-leninistischen Partei.

Wir wollen einige Maßnahmen nennen:

- Erste Parteikonferenz, Januar 1949: Aufhebung der vom Vereinigungsparteitag beschlossenen paritätischen Besetzung aller Parteifunktionen; Einführung einer Kanndidatenzeit bei Aufnahme in die Partei; Bildung eines Politbüros.

- 1. September 1949: Das auf Beschluss der SED-Führung gegründete "Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut beim Parteivorstand der SED", später umbenannt in "Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED", nimmt seine Arbeit auf. Seine Aufgaben waren die Herausgabe der Werke der Klassiker Marx, Engels, Lenin und Stalin und von Führern der deutschen und der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung, sowie die Forschungsarbeit auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Sozialismus und der Geschichte der deutschen und der internationalen Arbeiterbewegung.

- Dritter Parteitag, 20.-24. Juli 1950: Systematische marxistisch-leninistische Schulung mit erstem einheitlichen Parteilehrjahr ab 1950/51; Überprüfung der Parteimitglieder.

- Zur Ausbildung qualifizierter Kader für die theoretische und praktische politisch-ideologische Arbeit wurde im Dezember 1951 das "Institut für Gesellschaftswissenschaften" geschaffen.


Die gesellschaftliche Entwicklung drängte voran zur nächsten Etappe

Früher oder später musste in der DDR eine klare Entscheidung über ihren weiteren Entwicklungsweg fallen, und das konnte, - wenn es nicht gelang, in absehbarer Zeit das Ziel eines einheitlichen demokratischen Deutschland zu erreichen -, auf Grund ihres Klassencharakters nur die Entscheidung für den Sozialismus sein.

Die Westmächte taten ihrerseits alles, die Spaltung Deutschlands zu vertiefen, Westdeutschland zu remilitarisieren und zu einer Speerspitze für die Aggression gen Osten aufzurüsten. 1951 einigten sich die USA, England und Frankreich in einer Konferenz in Washington über die Bedingungen der Remilitarisierung Westdeutschlands und über seine Eingliederung in die NATO.

In Reaktion darauf forderte die Regierung der DDR im Februar 1952 in einer Note die vier Großmächte dazu auf, den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland zu beschleunigen.

Als einzige der vier Großmächte reagierte darauf die Sowjetunion. Am 10 März 1952 richtete die SU eine Note an die Westmächte mit dem Entwurf eines Friedensvertrages. Es war dies die berühmte Stalin-Note. Deutschland sollte als einheitlicher Staat in den vom Potsdamer Abkommen festgelegten Grenzen wiederhergestellt werden, eigene zur Verteidigung notwendige Streitkräfte besitzen dürfen und sich verpflichten, keine Koalitionen oder Militärbündnisse einzugehen, die sich gegen irgendeinen Staat der Antihitlerkoalition richten.

In dieser Situation hatte die Stalin-Note eine doppelte Bedeutung:

Erstens als Prüfstein, der die Westmächte und die Adenauer-Regierung zwang, Farbe zu bekennen und vor aller Welt zu offenbaren, dass sie die Spaltung aufrechterhalten wollten, entsprechend der Adenauer Devise: "Lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb."

Zweitens als Initialzündung für die Vereinigung aller Bemühungen in Ost und West zu einer großen, machtvollen Volksbewegung zur Erzwingung der Einheit Deutschlands als demokratischer und neutraler Friedensstaat.

Die Stalin-Note stellte damit klar, dass die Verantwortung für die Konsequenzen der Fortdauer der Spaltung ganz alleine bei den Westmächten und der BRD-Regierung lag.

Die Ablehnung des sowjetischen Vorschlages und die beschleunigte Einbeziehung Deutschlands in das westliche aggressive Bündnissystem stellten nun den Übergang zum Aufbau des Sozialismus auch in der DDR auf die Tagesordnung.


Die II. Parteikonferenz der SED vom 9.-12. Juli 1952

Am 1. und 7. April 1952 beriet eine Delegation der SED-Führung - Pieck, Ulbricht und Grotewohl - mit der Sowjetführung - Stalin, Bulganin, Malenkow, Molotow - über die nächsten vordringlichen Schritte in der DDR. Zwei Themen standen im Vordergrund:

Zum einen die Schaffung eigener Streitkräfte in der DDR, zum anderen der Übergang zum Aufbau der sozialistischen Ordnung.

Zum 9. bis 12. Juli 1952 wurde vom ZK der SED die II. Parteikonferenz einberufen.

Walter Ulbricht war in seinem Referat über die gegenwärtige Lage und die neuen Aufgaben der SED zu folgender Schlussfolgerung gelangte: "Die demokratische und wirtschaftliche Entwicklung sowie das Bewusstsein der Arbeiterklasse und der Mehrheit der Werktätigen sind jetzt so weit entwickelt, dass der Aufbau des Sozialismus zur grundlegenden Aufgabe geworden ist. .... In Übereinstimmung mit den Vorschlägen aus der Arbeiterklasse, aus den Reihen der werktätigen Bauern und aus anderen Kreisen der Werktätigen hat das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands beschlossen, der II. Parteikonferenz vorzuschlagen, dass in der Deutschen Demokratischen Republik der Sozialismus planmäßig aufgebaut wird."

Nach diesen Feststellungen brach ein überwältigender Begeisterungssturm aller Teilnehmer aus. Beispielhaft sei Otto Buchwitz, ehemaliger Führer der Sozialdemokraten Sachsens zitiert, der sagte: "Wir haben es immer gewollt! Wir haben es ersehnt! Wir haben es in uns getragen wie einen heiligen Schatz! Wir haben gekämpft! Wir haben gelitten und Opfer gebracht, wie sie ein einzelner für diese große, schönste und herrlichste Idee nur bringen kann... Ich erlebte manche Zeitenwende. Immer wieder mussten wir mit Bitternis feststellen, dass die Reaktion verstand, solchen Zeitenwenden ihren Stempel aufzudrücken. Ich glaube, dieser Zeitenwende, an der wir uns befinden... drücken wir den Stempel unseres Wollens auf!"

Die Beschlüsse der II. Parteikonferenz waren die radikalste und längst fällig gewesene revolutionäre Umwälzung, die Deutschland bis dahin erlebt hatte.

Aber, liebe Genossinnen und Genossen, natürlich schläft der Feind nicht, sondern er konspiriert, infiltriert und organisiert. Am 17. Juni 1953 erhebt die Konterrevolution ihr Haupt.


Der 17. Juni 1953

Die Gegenschläge der Feinde im Lager des Imperialismus und im eigenen Lager ließen nicht lange auf sich warten. Im Sommer 1952 verkündete der USA-Außenminister John Foster Dulles den Übergang der USA von der Politik der "Einschränkung", des "Containment", zur Politik der "Befreiung", des "roll back" gegenüber dem Sozialismus.

Das Jahr 1953 war eine Zeit brisanter Entwicklungen von hoher geschichtlicher Intensität.

Ein - wie sich bald erwies - folgenschweres Ereignis war der Tod Stalins am 5. März 1953. Er löste weltweit bei allen Kommunisten große Erschütterung und bei allen Freunden der Sowjetunion große Trauer und Besorgnis aus.

Die reaktionären Feinde der Sowjetunion dagegen schöpften neue Hoffnungen. Die Führer der imperialistischen Mächte, von Eisenhower über Churchill bis Adenauer, hofften, nun günstigere Bedingung für den Kampf gegen die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Ländern vorzufinden. Als nächstes Ziel dafür hatten sie, wie sich wenige Monate später - im Juni - zeigen sollte, die DDR aufs Korn genommen.

Die Ereignisse am 16. und 17. Juni 1953 in der DDR können als weitgehend bekannt vorausgesetzt werden: die Unzufriedenheit in breiten Kreisen der Bevölkerung mit einigen Maßnahmen der Regierung, unter den Arbeitern vor allem mit einer angeordneten Erhöhung der Arbeitsnormen um 10 Prozent, wurden von äußeren und inneren gegnerischen Kräften ausgenutzt, um in Berlin und in anderen Städten Streiks und Unruhen auszulösen.

Alldem wurde am Mittag des 17. Juni durch die Verhängung des Ausnahmezustandes durch die sowjetische Militäradministration und den Einsatz sowjetischer gepanzerter Einheiten ein Ende bereitet.

Die Ereignisse dieser beiden Tage kamen für den weitaus größten Teil der Bevölkerung ebenso unerwartet und überraschend wie für die Regierung und für die Parteiführung.

Wie konnte es geschehen, dass so kurz nach der großen Aufbruchstimmung im Lande ein solcher Rückschlag erfolgen konnte?

Genauer gefragt: wie konnte es dem Gegner gelingen, Teile der Arbeiter der DDR gegen die DDR, den Staat der Arbeiterklasse, aufzuhetzen? Berthold Brecht charakterisierte die Ereignisse mit den Worten: "Unreife der Klasse, Fehler der Partei und das Aufbegehren des braunen Gestern."

Die antikommunistisch-imperialistischen Kräfte gaben die Ereignisse des 17. Juni 1953 als "Arbeiteraufstand" aus. Aber das war kein "Arbeiteraufstand". Insgesamt haben sich an den Aktionen nicht mehr als 5% der Werktätigen beteiligt. In zahlreichen Städten und Kreisen wurde normal gearbeitet. Besonders die Arbeiter der Grundstoffindustrie hatten hohes politisches Bewußtsein gezeigt, indem sie die konterrevolutionäre Provokation zurückwiesen.

Liebe Genossinnen und Genossen, hier ist es unumgänglich, etwas genauer auf die Hintergründe einzugehen.

Bei den äußeren Faktoren nimmt die Bundesrepublik und ihre auf die "Wiedergewinnung" der "Ostzone" ausgerichtete Politik den ersten Platz ein - im Bündnis mit den USA und den anderen NATO-Mächten. Ihre Embargo-Politik und die Auswirkungen ihres Alleinvertretungsanspruches waren darauf gerichtet, die DDR ökonomisch und politisch zu isolieren und sie wirtschaftlich zu ruinieren.

Aber so belastend diese ökonomische Kriegführung für die DDR auch war - das alles konnten den Bestand der DDR nicht gefährden, solange dem NATO-Bündnis das Bündnis der Warschauer-Pakt-Staaten mit der Sowjetunion an der Spitze einig und geschlossen zum Schutz der DDR und aller anderen sozialistischen Länder gegenüberstand.

Das änderte sich aber in unvorhersehbarer Weise, als - ausgehend von der Sowjetunion - ein Kurswechsel im Lager der europäischen sozialistischen Staaten stattfand, in dessen Ergebnis die DDR sich feindlichen Angriffen nicht mehr nur vom Westen, sondern auch aus östlicher Richtung ausgesetzt sah.

Dass solches zu Gorbatschows Zeiten geschah, das ist heute kaum noch bestritten. Aber dass zu den äußeren Faktoren, die 1953 zum 17. Juni in der DDR führten, nicht nur die BRD, sondern auch Maßnahmen der neuen nach-stalinschen Sowjetführung gehören, das ist nahezu unbekannt und muß deshalb hier etwas ausführlich berichtet werden.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1952 geriet die DDR in ökonomische Schwierigkeiten, die sich vor allem daraus ergaben, dass die DDR wegen der Aufrüstung der Bundesrepublik und deren Einbeziehung in das NATO-Bündnissystem ihrerseits mit dem Aufbau bewaffneter Verteidigungskräfte und mit deren Ausrüstung rascher beginnen musste, als bisher vorgesehen.

Dadurch mussten bei anderen Posten des Wirtschaftsplanes beträchtliche Kürzungen vorgenommen werden, die auch zu empfindlichen Belastungen der DDR-Bürger führen mussten. Im Januar 1953 wandte sich deshalb das ZK der SED mit einem Schreiben an die Regierung der UdSSR mit der Bitte zu überprüfen, ob eine Hilfe bei der Lösung der schwierigen Probleme nicht möglich sei.

Die Sowjetische Kontrollkommission (SKK) empfahl im April 1953 strenge Sparmaßnahmen, auch auf sozialem Gebiet, darunter z.B. die Streichung von Fahrpreisermäßigungen für Behinderte und Schwerbeschädigte und den Ausschluß von Selbständigen aus der Kartenversorgung.

Eine Maßnahme, die in der Arbeiterschaft auf großes Unverständnis und auf wachsenden Widerstand stieß und auf die sich die feindliche Propaganda vor allem stürzte, war ein am 13./14. Mai vom Zentralkomitee der SED gefasster Beschluß, die Arbeitsnormen zum 30. Juni 1953 um 10 Prozent zu erhöhen.

Dadurch entstand eine Situation, die sehr günstig war für alle sozialismusfeindlichen Kräfte innerhalb und außerhalb der DDR, und von diesen auch kräftig zu einer antikommunistischen regierungsfeindlichen Hetz- und Wühlarbeit ausgenutzt wurde.

Anfang Juni 1953 wurde die DDR-Führung nach Moskau zitiert zur Entgegennahme der von der neuen Moskauer Führung mit Chruschtschow und Berija an der Spitze beschlossenen Maßnahmen.

Der DDR-Delegation - Grotewohl, Ulbricht und Oelssner - wurde ein Dokument überreicht, betitelt "Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der Deutschen Demokratischen Republik". Darin wurde behauptet, dass "infolge der Durchführung einer fehlerhaften politischen Linie" in der DDR "eine äußerst unbefriedigende politische und wirtschaftliche Lage entstanden" sei.

Es wurde behauptet, auf der II. Parteikonferenz sei ein Beschluß "zum beschleunigten Aufbau des Sozialismus" gefasst worden, und das sei falsch gewesen, weil dafür die innen- und außenpolitischen Voraussetzungen gefehlt hätten.

Dazu eine Anmerkung: auf der II. Parteikonferenz war beschlossen worden, dass in der DDR "die Grundlagen des Sozialismus" geschaffen werden; aber von "beschleunigtem Aufbau des Sozialismus" war mit keinem Wort die Rede.

Im "Gesundungsbeschluß" der neuen Moskauer Führung wurde ferner "die Propaganda über die Notwendigkeit des Überganges der DDR zum Sozialismus" für falsch erklärt.

Besonders unbegreiflich waren die Forderungen des "Gesundungsbeschlusses", die auf eine Liquidierung der Anfänge sozialistischen Eigentums in der Landwirtschaft hinausliefen. In der DDR könne "unter den heutigen Bedingungen nur eine einfachere Form der Produktionskooperierung der Bauern, wie die Genossenschaften zur gemeinsamen Bearbeitung des Bodens, ohne dass die Produktionsmittel vergesellschaftete werden, mehr oder weniger lebenfähig sein." Alle Genossenschaften seien zu überprüfen und gegebenenfalls aufzulösen.

Dieses merkwürdige Dokument läßt vermuten, dass es bei irgendwem in der neuen sowjetischen Führung ein Interesse gab, die SED-Führung und insbesondere Walter Ulbricht zum Sündenbock zu machen, um seine Stellung zu erschüttern.

Mit den Ereignissen des 16. und 17. Juni beschäftigten sich zwei Tagungen des ZK der SED, das 14. ZK-Plenum am 21. Juni und das 15. Plenum vom 24.-26. Juli 1953.

Auf diesem Plenum kam es zu heftigen Auseinandersetzungen über die Frage der Ursachen für die Unruhen und zu Angriffen einiger Teilnehmer auf Walter Ulbricht als dem, wie sie behaupteten, Hauptverantwortlichen für eine "falsche Politik", deren Ergebnis der 17. Juni gewesen sei. Mit dieser Beschuldigung traten Wilhelm Zaisser, Leiter des Ministeriums für Staatssicherheit, und Rudolf Herrnstadt auf. Sie schlugen vor, die Parteiführung zu ändern; nach dem Vorschlag Zaissers sollte Herrnstadt Walter Ulbricht als 1. Sekretär ablösen. Zaisser selbst wollte selbstverständlich das Ministerium für Staatssicherheit weiter in der Hand behalten.

Herrnstadt brachte den Entwurf einer Entschließung ein, in dem er die "Erneuerung der Partei" forderte. Es hieß in dieser Entschließung ferner, die Partei müsse der Diener der Massen sein, nicht ihr Führer. Die SED solle umgewandelt werden in eine Volkspartei aller Klassen.

Der Anschlag misslang. Zum einen, weil Herrnstadt und Zaisser im ZK keine Mehrheit erhielten, zum anderen, weil Zaissers Beschützer und wohl auch Auftraggeber, sein ihm übergeordneter sowjetischer Minister für Inneres und Staatssicherheit, Berija, in Moskau - gerade am letzten Tag des SED-ZK-Plenums, am 26. Juli, - verhaftet und aller seiner Ämter enthoben wurde.

Mit der Zurückweisung des Herrnstadt-Zaisser-Vorstoßes war der Grund gelegt worden für die Konsolidierung der Partei und der DDR.

Der 17. Juni 1953 ist ein Ereignis der Geschichte der DDR, aber er ist viel mehr. Er ist auch ein Bestandteil der Geschichte der kommunistischen Weltbewegung, und dazu noch ein sehr bedeutsamer. Er ist nämlich das Eröffnungs-Glied einer Kette von Ereignissen, die - rückschauend betrachtet - Glieder eines fortschreitenden Prozesses der Zersetzung und Auflösung der einst fest gefügten und unbesiegbaren sozialistischen Staatengemeinschaft und der kommunistischen Weltbewegung waren:

- 1955 die Versöhnung und Total-Rehabilitierung Titos durch Chruschtschow.

- Februar 1956 - der XX. Parteitag der KPdSU, der Parteitag der Implantierung des Revisionismus-Bazillus in die kommunistische Weltbewegung.

- Oktober 1956: Wahl des Nationalisten und Revisionisten Gomulka zum 1. Sekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei.

- 23. Oktober 1956: Beginn des konterrevolutionären Putschversuches in Ungarn.

- 25. Oktober 1956: Imre Nagy wird Ministerpräsident Ungarns, - auf gemeinsames Betreiben von Chruschtschow und Tito. Die Konterrevolution wütet weiter.

- 1. November 1956: Imre Nagy erklärt den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Pakt und die Neutralität Ungarns und fordert den Westen zum Schutz der ungarischen Neutralität auf.

- 4. November 1956: Endlich - nach langem Gewährenlassen der Mordorgien der Konterrevolution - greifen die im Lande stehenden Einheiten der Sowjetarmee ein und schlagen die Konterrevolution nieder.

- 11. November 1956: Tito-Rede in Pula. Er bestätigt die Zusammenarbeit mit den "guten Elementen" in der KPdSU gegen die "Stalinisten" und legt seine Vorstellungen über das weitere Vorgehen dar, um das Ziel zu erreichen, in allen kommunistischen Parteien das jugoslawische Modell als Vorbild durchzusetzen.

- 24.-26. Juni 1960: III. Parteitag der Arbeiterpartei Rumäniens. Auf diesem Parteitag beginnt Chruschtschow in seiner Rede eine Hetzkampagne gegen die Volksrepublik China.

- Juli 1960: die Sowjetregierung zieht plötzlich und einseitig alle in China tätigen sowjetischen Fachleute zurück und bricht damit Hunderte von Abkommen.

So waren denn der Aufstieg eines Gorbatschow und schließlich eines Jelzin an die Spitze von Partei und Staat und die Auflösung der Sowjetunion und das Ende aller sozialistischen Staaten Europas die folgerichtigen Endglieder einer Kette, die mit dem 17. Juni 1953 als scheinbar lokalem Ereignis der kleinen DDR als erstem Glied begann.

Nach diesem ersten Überblick über die Folgen der revisionistischen Wühlarbeit kommen wir zurück zur Entwicklung in der DDR:


Die erfolgreichen 60er Jahre.

Die sozialistische Revolution wurde in der DDR auch auf dem Gebiet der Ideologie und Kultur konsequent weitergeführt. Die Partei ging davon aus, dass es nach der Errichtung der Diktatur des Proletariats und der Eroberung der Kommandohöhen in der Wirtschaft keine Grundaufgabe der sozialistischen Umgestaltung gab, die ohne die Sozialistische Kulturrevolution hätte vollständig gelöst werden können. Ein wichtiger Schritt war die weitere Umgestaltung des sozialistischen Schulwesens. Im Herbst 1958 wurde mit der Einrichtung des Unterrichtstages in der Produktion und damit in den allgemeinbildenden Schulen dem von Marx und Engels begründeten Prinzip der poly-technischen Bildung entsprochen. Unter den neuen Bedingungen der Bewusstseinsentwicklung entwickelte sich eine neue Qualität des künstlerischen Schaffens, die gekennzeichnet war durch eine neue Stufe der künstlerischen Bewältigung der Probleme des antifaschistischen Widerstandes, Kunstwerke von Weltruf entstanden vor allem auf den Gebieten der Literatur, des Theaters, des Films, der Musik, der Malerei und der bildenden Kunst. Eine neue Stufe des schöpferischen Zusammenwirkens von Berufs- und Laienkünstlern fand in den Arbeiterfestspielen der Gewerkschaften Ausdruck.

Die sozialistischen Produktionsverhältnisse erweiterten und festigten sich, wenn auch die durch die Spaltung entstandenen Disproportionen noch nicht voll überwunden waren und der noch existierende Widerspruch zwischen Akkumulationskraft und Investitionsbedarf die Möglichkeiten der Erneuerung und Modernisierung beschränkten. Auf dieses Problem konzentrierte sich die Hauptaufgabe der laufenden Fünfjahrespläne. Von besonderer Bedeutung war, dass die Landwirtschaft zu 85% der landwirtschaftlichen Nutzfläche von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) und Volkseigenen Gütern (VEG) bewirtschaftet wurde. In der Periode 1961-1965 nahm die Partei Kurs auf den umfassenden Aufbau des Sozialismus. Grundlage dafür waren die Fortschritte im Bewusstseinsprozess der Massen. Darauf und auf die Solidarität des Warschauer Vertrages gestützt konnte die DDR die Maßnahmen zum Schutz ihrer Staatsgrenze vom 13. August 1961 durchführen. Sie machten die Veränderungen des internationalen Kräfteverhältnisses zugunsten des Sozialismus und der Sicherung des Friedens in Europa deutlicher sichtbar. Wütender Protest der BRD und der NATO-Partner konnte nicht verhindern, dass der so genannte "Mauerbau" zur Festigung des Bewusstseins der DDR-Bürger führte.

In allen sozialistischen Ländern Europas reifte im Zusammenhang mit der sich international vollziehenden wissenschaftlich-technischen Revolution die Frage heran, welche Konsequenzen für den weiteren Aufbau des Sozialismus daraus zu ziehen waren. Die SED stellte sich auf ihrem VI. Parteitag diesem Problem. Sie fasste den Beschluss zum "Neuen ökonomischen System der Volkswirtschaft der DDR". Darüber wurde in der Partei und in der Wirtschaft eine umfassende Diskussion geführt. Zu beachten war:

1. konnten solche Veränderungen nur mit der Zustimmung der UdSSR erfolgen;

2. durften keine Zugeständnisse an den Westen, sein marktwirtschaftliches System gemacht werden.

Im Politbüro, in der von W. Ulbricht mit der Ausführung beauftragten Arbeitsgruppe und in wirtschaftsleitenden Organen kam es zu widersprüchlichen Standpunkten zum "NÖS"-Projekt. Widerstand wurde auch aus Moskau laut. Im Kern ging es um die Frage der Planung materieller Prozesse und die damit verbundenen neuen "Ideen", die zentrale Volkswirtschaftsplanung durch ein "selbstregulierendes System" zu ersetzen. Die "Autoren" dieser "Ideen" waren nicht in der Lage, dafür eine konkrete Definition und machbare Vorstellungen zu liefern. Das führte dazu, dass W. Ulbricht im Sommer 1965 das Projekt stoppte. Tatsache ist aber, dass über das NÖS-Projekt der Revisionismus massiv in den Bereich der Polit-Ökonomie eingebracht wurde. Die Ursache der Warenproduktion wurde nun nicht mehr im Privateigentum gesehen, sondern in der Arbeitsteilung. Dementsprechend entstanden die Theorien von der sozialistischen Warenproduktion, das Wertgesetz wurde als eine zentrale Kategorie des Sozialismus bezeichnet.

Im Januar 1968 beriet die Volkskammer den Entwurf der neuen sozialistischen Verfassung der DDR. In einer breiten Volksaussprache berieten die Bürger darüber. Über 11 Millionen nahmen an den Versammlungen dazu teil. Mehr als 120.000 Ergänzungen und Änderungsvorschläge wurden eingereicht. Die Volkskammer unterbreitete den überarbeiteten Verfassungsentwurf dem Volk der DDR zur Bestätigung. Im Volksentscheid am 6. April 1968 stimmten 94,45% aller Abstimmungsberechtigten für die Verfassung. Ein in der deutschen Geschichte einmaliger demokratischer Vorgang, dass die Verfassung per Volksentscheid in Kraft gesetzt wurde. In dieser Verfassung wurde durch das Volk die führende Rolle der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei fixiert.


Die Jugendpolitik der SED

Vorweg sei festgestellt: Die Jugendpolitik der SED und das Wirken der von ihr initiierten Jugendorganisation "Freie Deutsche Jugend" gehören zum positiven Erfahrungsschatz der deutschen Arbeiterbewegung und der fortschrittlichen Kräfte unseres Volkes.

Das faschistische Regime des deutschen Imperialismus und Militarismus und sein Raubkrieg hatten die Jugend in eine fruchtbare Situation gebracht. Hunderttausende junge Männer waren gefallen oder kehrten als Krüppel zurück. Die materielle Lage der Kinder und Jugendlichen war katastrophal, vor allem aber ihre geistige Situation. Kein anderer Teil der der Bevölkerung hatte so sehr unter dem Einfluss faschistischer Ideologie und Propaganda gestanden wie sie: Antikommunismus, Antisowjetismus, Nationalismus, Chauvinismus und die barbarische Rassentheorie hatten das Bewusstsein ungezählter Mädchen und Jungen vergiftet. Das Ziel, den Weg einer antifaschistisch-demokratischen Entwicklung einzuschlagen, hing im hohen Maße von der Umerziehung und Gewinnung der jungen Generation ab.

Die Einheitsfront-Politik, die von der KPD im Kampf gegen den Faschismus ausgearbeitet worden war, fortführend, nahm sie darauf Kurs, mit der Spaltung der Arbeiterjugendbewegung Schluss zu machen. Sie verzichtete auf die Bildung eines kommunistischen Jugendverbandes und trat für die Schaffung einer einheitlichen, freien antifaschistisch-demokratischen Jugendorganisation ein. Als erster Schritt ging man darum an die Gründung antifaschistischer Jugendausschüsse, die schon spontan entstanden waren.

Am 7. März 1946 wurde die FDJ gegründet. Die von ihr unter dem Titel "Kampf um die vier Grundrechte der jungen Generation" (Recht auf Arbeit, Recht auf politische Mitbestimmung, Recht auf Bildung und Recht auf Freude und Frohsinn) vorgestellte Zielstellung fand breite Resonanz unter allen Schichten der Jugend. Die Mitgliederzahl der FDJ wuchs.

Der Beschluss der II. Parteikonferenz, die Entwicklung in sozialistische Bahnen hinüberzuleiten und mit dem planmäßigen Aufbau von wesentlichen Grundlagen des Sozialismus zu beginnen, erforderte eine neue Rolle der FDJ. Die FDJ bekam einen neuen Motivationsschub. Aber die FDJ trat auch in einen spannenden und konfliktreichen Prozess ihrer eigenen Entwicklung zur sozialistischen Jugendorganisation ein. Sie gab sich eine "Verfassung", in der ihr Verhältnis zur SED neu formuliert wurde. Sie bekannte sich zu ihr als führende Kraft der Gesellschaft und ihre eigene Rolle wurde als "Helfer und Kampfreserve der Partei" definiert. Diese neue Rolle der Jugendorganisation allen Mitgliedern verständlich zu machen war nicht leicht und führte zu innerverbandlichen Konflikten.

Nach dem 17. Juni machte der Verband eine Schwäche-Periode durch. Sie hing vor allem mit den Beschlüssen des ZK der Partei zu den Konsequenzen aus dem konterrevolutionären Anschlag zusammen.

Mit den kadermäßigen Konsequenzen wurde Karl Schirdewan am 26. Juli 1953 in das ZK und das Politbüro kooptiert als Sekretär für Kader. Zu seiner Zuständigkeit gehörte auch die Jugendkommission und die Abteilung für Jugendfragen beim ZK. Schirdewan brachte für die Leitung der FDJ einen ihm bekannten jungen Parteifunktionär, der über keinerlei Erfahrungen in der Arbeit des Jugendverbandes verfügte. Seine Vorstellungen waren im Wesen revisionistischen Charakters. Den Problemen, die sich bei der Durchsetzung eines klaren Klassenstandpunktes unter allen Teilen der Jugend ergaben, sollte aus dem Wege gegangen werden. An die Stelle zielstrebiger sozialistischer Bewusstseinsbildung sollte eine Massenarbeit verschwommenen politisch-ideologischen Inhalts treten. Das lief darauf hinaus, die FDJ unfähig zu machen, ihre Rolle als Kampforganisation für den Sozialismus gerecht zu werden. Diesen Tendenzen musste energisch entgegengetreten werden. Am 6. Februar 1958 wurde Schirdewan wegen Fraktionstätigkeit aus dem Zentralkomitee ausgeschlossen.

Besonders das 1963 unter dem Titel "Der Jugend Vertrauen und Verantwortung" stehende Jugendkommunique hatte tiefgreifende Wirkung in der ganzen Gesellschaft. Man kann davon ausgehen, dass die bewusstseinsmäßige Bindung der Mehrheit der Jugend an Partei und Staat am stabilsten war. Dazu hatten die Maßnahmen vom 13. August 1961 zum Schutz der Staatsgrenze der DDR ("Mauer") entscheidend beigetragen.

In der Jugendpolitik - wie auf allen Gebieten - wurden weitere Fortschritte verhindert und durch eine rückläufige Entwicklung abgelöst, die ihre Hauptursache in dem schon im Zusammenhang mit dem 17. Juni 1953 erwähnten Kurswechsel im sozialistischen Lager hatte. Der war - wie dort gezeigt, - zwar schon 1953 spürbar, aber erst der durch den XX. Parteitag der KPdSU eingeschlagene Kurs der Verurteilung der bisherigen Politik der Sowjetunion und des sozialistischen Lagers machte es möglich, dass die von der BRD und ihren imperialistischen Verbündeten schon seit 1953 betriebene Politik des "Wandels durch Annäherung" - vom Außenminister der DDR Otto Winzer treffend als "Konterrevolution auf Filzlatschen" bezeichnet, - zusammen mit dem verführerischen Konsumstandard und der "Reisefreiheit" in der BRD in wachsendem Maße die gewünschte zersetzende Wirkung tat und eben auch unter der Jugend zu Erosionserscheinungen in ihrer Bewußtseinshaltung führte. Diese Tendenz wurde Mitte der siebziger Jahre immer deutlicher spürbar In dieser Zeit fand der 9. Parteitag der SED statt - genauer: vom 18.-22. Mai 1976 -, der ein neues Parteiprogramm beschloss. Dem Beispiel der KPdSU folgend, wurde darin für die kommende Periode das Ziel gestellt, "grundlegende Voraussetzungen für den allmählichen Übergang zum Kommunismus zu schaffen" ... und, direkt an die Jugend gewandt, "die kommunistische Erziehung zum Grundanliegen der Jugendpolitik zu machen". Man muss sich darüber klar sein, dass das Wort "kommunistisch" hier nicht klassenkämpferisch gemeint war, sondern als eine Vision der klassenlosen Gesellschaft.

Auf dem diesem Parteitag folgenden 10. FDJ-Parlament am 1.-5. Juni 1976 rief dann Erich Honecker den Delegierten zu: "Ihr seid berufen, Erbauer des Kommunismus zu sein!" Was für eine lebensfremde Aufgabenstellung angesichts der realen Entwicklung! Viele der jungen FDJ-Funktionäre wussten damit nichts anzufangen."

Es kam zu Schwankungen. Der im Verband schon immer vorhandene Hang zum Kampagnestil und auf rasche Erfolge zielenden Aktionismus, zur Zahlenhascherei und immer stärker werdenden, zentralistischen Bürokratie traten verstärkt auf. Die Massenverbindungen der Partei lockerten sich und die "westliche Lebensweise" beeinflusste immer mehr das Weltbild der Jugend. Ein Übriges bewirkte seit Mitte der 80er Jahre die antikommunistische Gorbatschow-Clique. Das Institut für Jugendforschung signalisierte diese Erscheinungen und schlug Alarm. Der Zentralrat der FDJ reagierte nicht. Auch die Parteiführung reagierte nicht. E. Honecker war krank, seine Realitätsferne wurde immer bedenklicher, er war ausgebrannt. Das Ende der FDJ-Geschichte, die über Jahrzehnte durch ihn geschrieben wurde, war eingeläutet.

Das bringt uns, liebe Genossinnen und Genossen, zu der Frage, wie es sich mit der SED und dem Revisionismus verhielt.


Die SED und der Revisionismus

Zuvor sei gesagt: Wenn man ihre Geschichte der SED überblickt und dabei die komplizierten, sich ständig verändernden Kampfbedingungen in Betracht zieht, unter denen sie handeln musste, erkennt man, dass die Partei, besonders in der ersten Phase der Gesellschaftsentwicklung, insgesamt ein hohes Maß an Prinzipienfestigkeit und nötiger Flexibilität miteinander zu verbinden wusste. Sie hat in dieser Zeit unter dem ständigen Feuer des Klassengegners im Inneren und von außen einen marxistisch-leninistischen Kurs gehalten. Dabei besaß sie in den ersten Jahrzehnten die Unterstützung der Mehrheit des Volkes.

Nach dem XX. Parteitag der KPdSU mit der "Geheimrede" Chrutschows, begann der revisionistische Niedergang der internationalen kommunistischen Bewegung.

Wie hat die Führung der SED auf diese Situation reagiert?

Zur Total-Rehabilitierung Titos durch Chrustschow und zur Erklärung des Grundsatzes des "Nationalkommunismus" (die Negierung einer einheitlichen kommunistischen Weltbewegung, formuliert als "Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer kommunistischer Parteien und sozialistischer Länder"):

Unsere Führung nahm das zur Kenntnis und veröffentlichte die sowjetischen Verlautbarungen im vollen Wortlaut. Sie wusste aus den eigenen Untersuchungen von 1953, dass die Rehabilitierung Titos zu Unrecht erfolgte, brachte das aber nicht zum Ausdruck, sondern verhielt sich wie damals alle Führungen der kommunistischen Parteien: sie begrüßte die Versöhnung der Sowjetunion mit Jugoslawien als Schritt zur Überwindung der Spaltung im Lager der sozialistischen Staaten. Wie ist diese Haltung einzuschätzen?

Natürlich nicht als offener Kampf gegen den Schwenk der Sowjetführung zum Revisionismus, aber auch nicht als Überlaufen mit vollen Segeln auf den "neuen Kurs", sondern als "zurückhaltende Billigung". Für die Masse der Parteimitglieder und für die Bevölkerung der DDR waren diese feinen Unterschiede nicht zu erkennen - für sie stand die DDR-Führung voll hinter der Erklärung, dass Tito unter Stalin schweres Unrecht zugefügt worden war.

Der durchaus noch nicht überwundene Antisowjetismus bei beträchtlichen Teilen der Bevölkerung wurde mindest bei Teilen durch die Forderung nach der "Nichteinmischung von außen" bestärkt, bei anderen wiederbelebt. Die Desorientierung von Partei und Bevölkerung in Richtung Revisionismus nahm hier ihren Anfang.

Zum XX. Parteitag der KPdSU und Chrustschows "Geheimrede":

Wir sind uns sicher, dass Ulbricht und wohl auch Matern von dieser Erklärung nicht nur, wie alle, völlig überrascht und überrumpelt wurden, sondern sie auch als das empfanden, als was sie ja auch gedacht war: als einen Angriff nicht nur gegen Stalin, sondern gegen alle Parteiführungen, (also auch gegen die Führung der SED), die Stalin aus fester Überzeugung von der Richtigkeit der Stalinschen Politik gefolgt waren.

Vor allen Parteiführungen kommunistischer Parteien stand die Frage: Wie verhalten wir uns zu dieser schroffen Verurteilung dessen, woran zu zweifeln in der Vergangenheit zumindest den Verdacht der Parteifeindlichkeit erweckte?

Die Aufnahme der Rede in den Kommunistischen Parteien war unterschiedlich. Im vollen Wortlaut veröffentlicht wurde sie bezeichnenderweise zuerst in einem us-amerikanischen Monopolblatt. Von den revisionistischen Führungen der Polnischen und der Ungarischen Partei und Jugoslawiens wurde sie freudig aufgenommen. Mit kritischen Bemerkungen traten nur wenige Parteien an die Öffentlichkeit - Maurice Thorez von der KP Frankreichs, Palmiro Togliatti von der KP Italiens, und die Kommunistische Partei Chinas.

Ein ähnliches Auftreten war von keiner Partei der Warschauer Pakt- und RGW-Staaten zu verzeichnen. Das mußte nun seinen Grund nicht mehr allein in ihrer Übereinstimmung mit der sowjetischen Führung haben, sondern erklärt sich vor allem aus der Abhängigkeit von der Sowjetunion, in der sie sich alle befanden.

Was die SED betrifft, vor allem ihren führenden Mann Walter Ulbricht, so spricht seine bisherige Haltung und Politik dafür, dass der revisionistische Kurs Chruschtschows seinen politischen Überzeugungen und Wünschen nicht entsprach. Aber, vor die Entscheidung gestellt, entweder den offenen Kampf gegen die revisionistische Führung der KPdSU aufzunehmen, wie das inzwischen die KP Chinas und die KP Albaniens getan hatten, oder den offenen Bruch zu vermeiden, die Kursänderung so minimal wie möglich mitzumachen und sich dabei auf Schadensbegrenzung zu beschränken, entschied er sich offenbar für das letztere.

So sehr das damals als richtig und unvermeidlich erschien, bedeutete es aber auch die Gewöhnung der Partei und der Bevölkerung des Landes daran, die aus Moskau verkündete revisionistische Ideologie und die vorgeführte entsprechende Praxis als den notwendigen und einzig richtigen Weg für den Aufbau des Sozialismus anzusehen. Es machte unfähig zu einem eigenen Urteil über falsch und richtig der Politik der Führung, weil durch die Verurteilung all dessen, von dessen Richtigkeit man vorher überzeugt worden war, die bisherigen Maßstäbe außer Kraft gesetzt wurden und plötzlich das Gegenteil Geltung haben sollte.


Der Wechsel an der Parteispitze von Walter Ulbricht zu Erich Honecker.

Die Ablösung W. Ulbrichts durch Erich Honecker hatte eine Vorgeschichte und erfolgte nicht ohne Einfluss aus Moskau. Am 21. Januar 1971 hatten sich einige Mitglieder des Politbüros der SED, darunter Axen, Grüneberg, Hager, Honecker, Mittag, Mückenberger und Kleiber, an das Politbüro der KPdSU mit einem Brief gewandt, in dem sie sich auf Differenzen mit W. Ulbricht zu Grundfragen der Politik beriefen und L. Breshnew baten, "in den nächsten Tagen mit Genossen Walter Ulbricht ein Gespräch zu führen, in dessen Ergebnis dieser von sich aus das Zentralkomitee der SED bittet, ihn auf Grund seines hohen Alters und seines Gesundheitszustandes von der Funktion des Ersten Sekretärs zu entbinden. Diese Frage sollte möglichst bald gelöst werden, das heißt unbedingt noch vor dem VIII. Parteitag der SED."

So verlief der Wechsel dann auch.

Das ist keineswegs als Wechsel von einem Marxisten-Leninisten zu einem Revisionisten zu sehen. Aber es war der Wechsel von einem der im Klassenkampf erfahrensten und begabtesten Führer der deutschen und internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung zu einem vom besten Willen erfüllten, aber infolge schwacher Führungsqualitäten leicht auf Abwege zu führenden Parteiführer.

Überblickt man die fast 20 Jahre, in denen Erich Honecker an der Spitze der SED und des Staates stand, dann muss man feststellen, dass es ihm subjektiv ehrlich um das Wohl der DDR ging. Er hat nie daran gedacht, diese dem Imperialismus auszuliefern. Zunächst erschien es so, als sei mit ihm die Ära der größten Erfolge der DDR angebrochen. Unter der Losung der "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" wurde ein umfassendes Sozialprogramm verkündet, dass von den Werktätigen freudig begrüßt wurde. Aber es handelte sich bei den ersten Fortschritten im Grunde nicht um Erfolge der neuen Führung, sondern die Ernte der vorangegangenen Jahre. Bald stellte sich heraus, dass das erhoffte Wachstum der Arbeitsproduktivität und Wirtschaftskraft nicht wie geplant eintrat. Die Erwartungen der Menschen wurden enttäuscht. Das wäre zu ertragen gewesen, wenn die Partei offen die Ursachen der negativen Entwicklung dargelegt und mit den Parteimitgliedern und den Massen darüber beraten hätte, wie man sie meistern könnte.

Die Parteiführung ging den anderen Weg, den des Administrierens, der Vertuschung von Widersprüchen und Problemen und der Schönfärberei, der in der Medienpolitik Ausdruck fand. Die Kluft zwischen Partei und breiten Teilen der Massen war groß geworden und innerhalb der Partei verlor die Führung immer stärker das Vertrauen der einfachen Mitglieder.

Und, liebe Genossinnen und Genossen, wir müssen uns die Probleme der SED in den 80er Jahren etwas genauer ansehen.


Die Probleme der SED in den 80er Jahren

Die Notwendigkeit der Verstärkung der politisch-ideologischen Arbeit wurde in allen Beschlüssen hervorgehoben. Die Ideologie wurde jedoch immer deutlicher zur Dienerin der aktuellen Politik und inhaltlich immer stärker auf kurzfristige Ziele und tagespolitische Probleme gerichtet. Statt Werke der Klassiker des Marxismus-Leninismus kamen immer mehr Reden der Mitglieder des Politbüros und Parteibeschlüsse auf die Liste der von den Teilnehmern am Parteilehrjahr zu lesenden "Pflichtliteratur". Dies scheint überhaupt ein Wesensmerkmal revisionistischer Aufweichungen zu sein: die Abkehr vom Grundlagenstudium und damit von der Wissenschaftlichkeit unserer Weltanschauung und die Hinwendung zum Auswendiglernen aktueller (und natürlich opportunistischer bzw. revisionistischer) strategischer Orientierungen der Führung.

Besonders die immer restriktiv werdende Informationspolitik der Medien stieß zu Recht auf Ablehnung. Schönfärberischer Aktionismus, dauernde Erfolgsmeldungen, Kampagnehaftigkeit und peinliche "Hofberichterstattung" prägten zunehmend deren Bild.

Der "Demokratische Zentralismus" ist das von Lenin formulierte Organisationsprinzip einer marxistisch-leninistischen Partei. Als solche verstand sich die SED. Der demokratische Zentralismus wurde im Kontext des von der KPdSU ausgehenden Revisionismus verzerrt angewandt. Die innerparteiliche Information, Diskussion und Urteilsfindung als Grundlage der innerparteilichen wurde immer mehr eingeengt. Das führte zu einer unzulässigen Verschärfung bürokratisch-zentralistischer Tendenzen, z.B.:

- die Rechenschaftslegung des ZK an die Parteitage war unter Leitung von W. Ulbricht garantiert; ab dem VIII. Parteitag gab es keine Rechenschaftslegung mehr;

- die zeitlichen Fristen zwischen den Tagungen des ZK wurden verlängert, die Sitzungsdauer verkürzt;

- die ZK-Sitzungen wurden immer mehr frei gehalten von Auseinandersetzungen und Ringen um Entscheidungen, an deren Stelle traten "Zustimmungserklärungen" und Bekenntnisse zur "Linie";

- keine Rede auf Tagungen wurde gehalten, ohne dass sie der Führung vorher bekannt war und durch sie "abgesegnet" wurde;

- keine Berichterstattung einer Kreisleitung vor dem Politbüro, die nicht bis ins Detail vom Apparat des ZK kontrolliert wurde.

Es bleibt festzustellen: die Rechte und Pflichten der Parteimitglieder waren beträchtlich, wurden aber durch stetige Einengungen konterkariert. War es bis zum VIII. Parteitag üblich, dass turnusmäßig Beratungen des Politbüros mit den Ersten Sekretären der Kreisleitungen durchgeführt wurden, verkam diese Form des demokratischen Meinungsaustausches der Führung mit diesem Kreis der Basisfunktionäre in eine Form der Disziplinierung. An Stelle regen Erfahrungsaustausches trat ein 5-stündiges Referat des Generalsekretärs, das den Ersten Sekretären danach gedruckt ausgehändigt wurde mit der Verpflichtung, es wörtlich vor dem Kreisparteiaktiv zu verlesen. Diskussionen darüber gab es nicht mehr.

Im Zusammenhang mit diesen Tendenzen steht die Frage nach der Mitgliederstärke der Partei. Und die Frage: Wer kann Mitglied der Partei sein? Aus der Geschichte der KPdSU ist die prinzipielle Auseinandersetzung zwischen Lenin und Martow bekannt. Lenin wandte sich gegen die Definition der Partei als "Massenpartei". Er vertrat den Standpunkt, dass eine strenge, qualitative Auswahl die zahlenmäßige Stärke der Partei bestimmen muss. Zitat: "...es ist besser, zehn Arbeiter bezeichnen sich nicht als Parteimitglied als dass ein Schwätzer das Recht und die Möglichkeit hat, Parteimitglied zu sein". Lenin sah die reale Gefahr, "dass die Versuchung, in die Regierungspartei einzutreten, riesig groß ist und damit Karrieristen in die Partei kommen". 1922 stellte Lenin fest, dass die KPdSU mit 300.000 Mitgliedern entschieden zu groß sei und er forderte eine Verringerung der Mitgliederzahl. Dieses Leninsche Vermächtnis wurde in unserer Partei nicht mehr beachtet.

Mitgliederentwicklung der SED:
1946: nach Vereinigungs-Parteitag .. 1.298.415
1949: nach Gründung der DDR ....... 1.603.754
1970: ................................................. 1.904.026
1988: ................................................. 2.300.000

Die Losung "Wo ein Genosse ist, da ist die Partei" war zur reinen Phrase geworden.

Neben diesen innerparteilichen Problemen gab es noch weitere, vor allem den Imperialismus betreffende:

Besonders dramatische Auswirkungen hatte die von den revisionistischen Kräften der KPdSU getroffene Einschätzung der internationalen Beziehungen und das damit verbundene Abweichen vom klaren marxistisch-leninistischen Standpunkt der friedlichen Koexistenz. Hinzu kam die Einschätzung der SED-Führung, dass nun die Barriere der NATO gegen die DDR durchbrochen worden wäre. Wir behandeln diesen Punkt hier sehr kurz, weil der Genosse Dieter Hillebrenner diesen Punkt noch gesondert beleuchten wird.

Aber, liebe Genossinnen und Genossen, gab es wirklich plötzlich die "Friedensfähigkeit" des Imperialismus und der NATO? War die treffende, weitsichtige Einschätzung der neuen imperialistischen Strategie "Wandel durch Annäherung", die der erfahrene Kommunist und Außenpolitiker Otto Winzer getroffen hatte, dass es sich hier nämlich um die "Konterrevolution auf Filzlatschen" handelt, vergessen?

Nüchtern betrachtet hatte die Parteiführung damit auf außenpolitischem Gebiet der revisionistischen Aufweichungspolitik in die Hände gearbeitet. So auch bei der Vorbreitung und Durchführung des folgenden KSZE-Prozesses und dem Abschluss des Helsinki-Abkommens.

Eine besondere Fehlhandlung der Parteiführung war die Billigung des gemeinsamen Dokuments von SED und SPD vom August 1987 "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit", mit dem die Autoren eine Vorarbeit für den Herbst 1989 leisteten. Sie ging der imperialistischen Strategie auf den Leim. Prof. Erich Hahn, einer der Verhandlungsführer, sagte im August 2002: "Die Vision eines Hauses Europa schien in greifbare Nähe zu rücken".

Klarer kann der Grad der ideologischen Aufweichung marxistisch-leninistischer Positionen nicht ausfallen. Die SED war in die Falle der imperialistischen Strategie gegangen!

Die Saat Gorbatschows tat schließlich - trotz unbestrittener Bemühungen Erich Honeckers und anderer, sie in der DDR nicht aufgehen zu lassen - ihr Werk. Der die DDR zersetzende Revisionismus ging zwar von der KPdSU aus, schlug aber auch bei uns Wurzeln und entwickelte eigenständige Früchte.

Als Ende Juni 1989 das 8. Plenum des ZK zusammentrat, erwarteten viele Parteimitglieder Impulse, wie die offensichtliche Krise zu bewältigen wäre. Aber es geschah nichts. Die politische und ökonomische Situation wurde schöngeredet und die aktuellen Probleme einfach ignoriert. Es machte sich eine Atmosphäre der Ausweglosigkeit und des Pessimismus breit. Die Mitglieder des SED Politbüros verkannten völlig, dass sie ihre letzte Chance verspielt hatten.


Fazit:

Die Entwicklung der DDR und damit auch das Bewusstsein ihrer Bürger und vor allem der Parteimitglieder hatten eine Aufstiegs- und eine Abstiegsphase. Die antifaschistische, antiimperialistische und sozialistische Erziehung hat bis Ende der sechziger Jahre hinein spürbare Erfolge gehabt und zur Entwicklung eines DDR-Selbstbewusstseins bei der Mehrheit der DDR-Bevölkerung geführt. Dann aber setzte - auch im Bewusstsein - eine Rückwärtsentwicklung ein, deren Hauptursache darin lag, dass, ausgehend vom XX. Parteitag der KPdSU und verstärkt nach Gorbatschows "Glasnost"- und "Perestroika"-Verkündung die klaren Klassenpositionen verlassen wurden. Der Hauptfeind der Menschheit und des Sozialismus, der Imperialismus, wurde zum Partner bei der Sicherung des Friedens und bei der Errichtung eines zu errichtenden "gemeinsamen europäischen Hauses" erklärt.

Es muss allerdings gesagt werden: die verschiedentlich unternommenen Versuche, den Untergang der DDR ganz allein auf die von der DDR-Führung und der SED und ihren Mitgliedern begangenen Fehler zurückzuführen, sind völlig abwegig, weil sie außer acht lassen, erstens, dass es sich bei der Katastrophe von 1989/90 nicht um den Untergang eines einzelnen Landes DDR, sondern um den kollektiven Untergang aller sozialistischen Staaten Europas handelt, und zweitens, dass der bewußt und vorsätzlich herbeigeführt wurde von der Führung des Landes, von dem ihrer aller Schicksal abhing.

Der russische Publizist Alexander Sinowjew antwortete auf die Frage, wie er sich den plötzlichen Untergang der Sowjetordnung erkläre: "Nicht wegen ihrer Lebensunfähigkeit brach die Sowjetordnung zusammen, sondern wegen der Verräter, die mit einem mächtigen äußeren Feind gemeinsame Sache machten. Der Zusammenbruch ging fast ohne einen einzigen Mucks vonstatten, weil die KPdSU-Elite den systematischen Ausverkauf des Sozialismus betrieben hatte." (Erstveröffentlichung in der ungarischen Zeitschrift "Dialektika", übernommen vom "Rotfuchs"-Oktoberheft 2001, S.15.)

Und Gorbatschow sagte in seinem Vortrag in Ankara: "Mein Lebensziel war die Zerschlagung des Kommunismus, der eine unerträgliche Diktatur über das Volk ist. In dieser Haltung hat mich meine Ehefrau unterstützt und bestärkt. ... Am meisten konnte ich dafür in den höchsten Funktionen tun. Deswegen empfahl meine Frau, mich um immer höhere Funktionen zu bemühen. ... Ich musste die gesamte Führung der KPdSU und der UdSSR entfernen. Ich musste auch die Führung in allen sozialistischen Staaten beseitigen. Ich fand für dieselben Ziele Mitarbeiter. Es waren vor allem Jakowlew und Schewardnadse, die gewaltige Verdienste an der Niederwerfung des Kommunismus haben.". (Quellen: Dialog, Prag, Nr. 146, Oktober 1999. Auch in "Unsere Zeit", DKP, v. 8.9.2000.)

Die entscheidende Ursache für den Untergang der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Staaten Europas war, dass nicht schon die ersten Anfänge revisionistischer Abweichungen in den sozialistischen Staaten konsequent bekämpft wurden, obwohl in Beratungen der kommunistischen und Arbeiterparteien erkannt und mehrfach ausgesprochen wurde, dass der Revisionismus die Hauptgefahr darstellt.

Ich danke Euch im Namen der beiden Genossen Dieter Itzerott und Kurt Gossweiler für Eure Aufmerksamkeit (in beider Auftrag vorgetragen von Frank Flegel).

Dieter Itzerott, Torgau
Kurt Gossweiler, Berlin


Wortmeldung Kurt Gossweiler: Ich habe den Auftrag vom Dieter Itzerott. Er ist leider krank und kann deswegen nicht hier sein. Ich soll also von ihm schöne Grüße übermitteln und ich werde ihm den Dank und den Beifall, den Ihr gespendet habt, übermitteln.


Anmerkungen

(108) Kurt Gossweiler: Historiker, als junger Soldat übergelaufen zur Roten Armee, Lehrer an der sowjetischen Antifa-Schule in Tula, in der DDR Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR, Faschismus- und Revisionismusforscher, Mitglied im Herausgebergremium offen-siv

(109) Dieter Itzerott: Aufbaukader und Sekretär des Zentralrats der FDJ, Abgeordneter der Volkskammer der DDR, Mitglied der Jugendkommission der SED


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Heinz Keßler(110): Gemeinsame Kraftanstrengungen

Ich möchte mich hier in Ergänzung - oder besser als Verstärkung des Beitrages von Kurt und Dieter - zu einigen Fragen äußern.

Wir Antifaschisten, Sozialisten im wahrsten Sinne des Wortes und Kommunisten sind dies im Grunde genommen deswegen, weil wir helfen wollen, uns aus dem Elend zu befreien. Wir wollen dafür die notwendigen politischen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen, dass die Werktätigen in unserem Land und in allen anderen Ländern dieser Erde in jeder Beziehung ein würdiges Leben führen können und wir wollen, dass dafür die Voraussetzungen geschaffen werden, dass sie ihre Nachkommen, ihre Kinder, Enkelkinder so erziehen und so bilden können, dass sie, wenn sie dazu reif sind, eine vernünftige Welt entwickeln können.

Nun werde ich oft von Sympathisanten, von Antifaschisten, Sozialisten, Kommunisten, Angehörigen unterschiedlicher linker Gruppierungen gefragt: "Kannst Du uns erklären, warum es zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland verschiedene, unterschiedliche sich sozialistisch oder kommunistisch nennende Gruppierungen gibt, die doch in einigen, entscheidenden Fragen, die das Leben der Werktätigen betreffen, übereinstimmen, und sie doch von einander unabhängig existieren?"

Es fällt mir persönlich immer schwer, das verständlich und richtig zu beantworten. Wenn ich ihnen erkläre, dass es unter den Gruppierungen unterschiedliche Auffassungen gibt, wie man zum Sozialismus kommt und was man unter Sozialismus versteht, so hört man mir zu, und ich habe das Gefühl, manches versteht man, aber manches versteht man nicht, weil sie sagen: "Es kommt doch jetzt darauf an, unter den gegebenen Bedingungen, den Herrschenden das abzuringen, was durch gemeinsame Kraftanstrengungen, also durch gemeinsames Organisieren, durch gemeinsamen Kampf möglich ist."

Dann überlege ich mir, warum es nicht möglich ist, dass Gruppierungen antifaschistischer Natur, Gruppierungen oder Parteien sozialistischer/kommunistischer Natur sich zu bestimmten Grundfragen in der Bundesrepublik Deutschland verständigen können, ich brauch sie ja nicht alle zu nennen, weil sie bekannt sind: Rentenalter, Abschaffung Hartz IV, keine Beteiligung an irgendwelchen militärischen Einsätzen in anderen Ländern zu den Zwecken, die uns allen bekannt sind und so weiter und so fort.

Ich möchte in diesem Zusammenhang zwei historische Ereignisse oder Beispiele einbringen. Als das faschistische Deutschland, nicht zuletzt geduldet und zum Teil sogar gefördert durch andere kapitalistische, imperialistische Staaten, heimtückisch im Juli 1941 die Sowjetunion überfiel, vorher den europäischen Staaten und Völkern bereits unsäglichen Schaden zugefügt hatte und das nun in viel größerem Ausmaße in der Sowjetunion durchführte, gerieten im Verlaufe dieses Krieges, der von der damaligen politischen Führung Großer Vaterländischer Krieg genannt wurde, (auch darüber wäre nachzudenken), Tausende, Zehntausende, Hunderttausende Angehörige der faschistischen Armee in sowjetische Gefangenschaft und es ergab und erhob sich die Frage, was mit diesen Gefangenen geistig, moralisch und politisch in den Gefangenenlagern passieren sollte. Und wir wissen alle und wussten damals ganz genau, dass die überwältigende Mehrheit der in Gefangenschaft geratenen Soldaten, Unteroffiziere, Offiziere und Generale der faschistischen Armee, wenn auch in unterschiedlichem Maße, so doch grundsätzlich geistig faschistisch verseucht waren mit all den faschistischen "Theorien", die uns weit und breit bekannt sind und die ich hier im einzelnen nicht darlegen muss. Und hier fasste die damalige Parteiführungen der KPD in der Sowjetunion mit der Unterstützung der damaligen sowjetischen politischen und staatlichen Führung - an der Spitze Stalin - der Beschluss oder die Entscheidung: Wir müssen mit diesen Soldaten, Unteroffizieren, Offizieren, Generalen beginnen, eine politische Diskussion zu führen und sie aufklären über das, was Faschismus ist, was er mit sich gebracht hat und was er schließlich für unser eigenes Land für Deutschland an menschlichem Leid, materiellen Schäden und sonstigen Grausamkeiten mit sich gebracht hat. Und so setzten die verantwortlichen Genossen der KPD wie Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht, Wilhelm Florin, Heinz Hoffmann und viele, viele andere gemeinsam auch mit sowjetischen Genossinnen und Genossen eine intensive antifaschistischen Arbeit in den Gefangenenlagern ein und schufen Schritt für Schritt in den einzelnen Gefangenenlagern antifaschistische Aktivs, führten mit ihnen politische Kurse, Lehrgänge, Gespräche zu einzelnen und komplexen Fragen durch und schufen so Schritt für Schritt unter den Gefangenen unterschiedlicher Dienstgrade die Voraussetzung, dass sie anfingen, über das, was sie hinter sich gebracht hatten, nachzudenken und so fanden diese Schritt für Schritt sozusagen den Weg zu neuen Ufern. Viele von ihnen, um nicht zusagen, die am weitesten antifaschistisch fortgeschritten waren, haben im Verlaufe des Vaterländischen Krieges und danach antifaschistische Schulen besucht, wurden selbst Dozenten, Lehrer und waren später mit anderen Antifaschisten, Sozialisten, Kommunisten Wegbereiter des Aufbaus der antifaschistischen demokratischen Ordnung und der Grundlage des Sozialismus in der DDR.

Das Bemerkenswerte dabei ist folgendes, dass es für diese Genossen, die ich genannt habe, die nur ein Teil der Vielen sind, die zum Antifaschismus gekommen und später Kommunisten gewordenen sind, nicht immer einfach war, sich mit diesen Leuten wie faschistischen Generalen, Offizieren und Unteroffizieren an einen Tisch zu setzten, mit ihnen zu reden und sich anzuhören, was sie an faschistischen Argumenten vorzubringen hatten, weil man ja als Antifaschist, Sozialist, Kommunist wusste, was Faschismus war - und dennoch haben die von mir genannten Genossinnen und Genossen viel Geduld, viel Aufmerksamkeit an den Tag gelegt und haben aus der großen Zahl der in Gefangenschaft geratenen Angehörigen der faschistischen Armee einen beträchtlichen Teil für das gewonnen, was notwendig war nach der Zerschlagung des Faschismus, über das ja die beiden vor mit referierenden Genossen gesprochen haben.

Ich glaube, dass die Notwendigkeit besteht, diese Art und Weise, die Methode und den Inhalt dieser Arbeit, auch gründlich zu studieren und für unsere praktische Arbeit nutzbar zu machen.

Die zweite Sache, auf die ich verweisen möchte, ist der Zusammenschluss von KPD und SPD. Zuweilen wir das so dargestellt - sogar von vernünftigen, anständigen Menschen - als sei das eine einfache, unkomplizierte Angelegenheit gewesen, die wenig Anstrengungen, wenig Überlegungen bedurfte. So war es aber nicht, liebe Genossinnen und Genossen, die Vereinigung von KPD und SPD war, so wussten wir Kommunisten, viele Sozialdemokraten, andere Antifaschisten und auch die, die aus der Sowjetunion zurückkamen, eine sehr schwierige, sehr komplizierte politische Aufgabe. Wir wussten, wenn wir die Forderungen, jene Beschlüssen von Jalta und Potsdam, in denen durch die Anti-Hitler-Koalition festgelegt wurden, in Deutschland dafür Voraussetzungen zu schaffen - materielle und ideelle - dass so etwas nie wieder passieren, von deutschem Boden ausgehen kann, dass dafür eine der Voraussetzungen war, eine starke, antifaschistische, sozialistische in ihrer Entwicklung kommunistische Partei zu schaffen. Und dazu war die Vereinigung von KPD und SPD eine der entscheidenden Voraussetzungen. Aber KPD und SPD hatten ihre Traditionen. Viele Sozialdemokraten hingen an ihren alten Vorstellungen und glaubten, man könne - unter Berücksichtigung einiger bitterer Erfahrungen, die man hinter sich gebracht hat - so weiter machen wie bisher. Und so mancher Kommunist hatte im Ohr und im Auge: "Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten"! Und so setzte, von verantwortlichen Genossen der KPD und verantwortlichen Genossen der Sozialdemokratischen Partei in der Sowjetischen Besatzungszone initiiert, eine zähe Kleinarbeit gegen den von den Feinden der Einheit dieser beiden Parteien geschürten Widerstand an der Basis zur Aufklärung über die Notwendigkeit der Vereinigung der beiden Parteien ein.

In den Zusammenkünften von Grundorganisationen der KPD und der SPD, ich habe selbst an vielen teilgenommen, war es nicht immer ganz einfach, alle Genossinnen und Genossen, ich rede jetzt von meinen Parteigenossen, von dieser Notwendigkeit, von dieser historischen Notwendigkeit als Voraussetzung zur Schaffung eines antifaschistischen, demokratischen, später sozialistischen Deutschlands im ersten Schritt zu überzeugen.

Es bedurfte einer großen, umfangreichen, auch mit vielen psychischen Belastungen versehenen Anstrengung, um Schritt für Schritt die Voraussetzung an der Basis zu schaffen für die Erkenntnis: Jawohl, wir gehöre zusammen und wir können nur zusammen die vor uns liegenden großen historischen Aufgaben lösen.

Otto Buchwitz beispielsweise hat auf jeder Versammlung, an der er teilgenommen hat und auf der es immer noch Bedenken gab, darauf gedrungen, den folgenden Hinweis zu berücksichtigen: "Liebe Genossinnen und Genossen, wollen wir erst wieder abwarten, bis man uns, den kommunistischen Genossinnen und Genossen, den sozialdemokratischen Genossinnen und Genossen in den Gefängnissen, Zuchthäusern, Konzentrationslagern die Knochen bricht, um zu der Erkenntnisse zu kommen, dass wir gemeinsam kämpfen müssen?" Und solche Aufrufe von Otto Buchwitz, Wilhelm Piek, Walter Ulbricht, Erich Honecker und vielen, vielen anderen haben dann geholfen, auf Kreisebene, Landesebene, zentraler Ebene jene Konferenzen durchzuführen, über die Kurt hier in seinem Referat gesprochen hat.

Ich komme zu einer Schlussfolgerung und will damit meine Bemerkung beenden. Müssen wir nicht Wege finden, Überlegungen anstellen, nicht zuletzt nach den Ergebnissen der Bundestagswahl, wie wir die Fragen, die wir jetzt lösen müssen, die Zugeständnisse, die wir jetzt den Herrschenden in unserem Lande abringen müssen, in gemeinsamen Aktionen unterschiedlichen Charakters erreichen können? - Und wie machen wir das? Um ein Beispiel zu nennen: Nehmen wir die Kommunistische Plattform in der Partei Die Linke. Ich habe gestern in dem neuen Mitteilungsblatt der Kommunistischen Plattform einen Artikel gelesen von der Genossin Ellen Brombacher. Sie zählt dort die Forderungen auf, von denen sie glaubt, dass sie der Grund dafür waren, dass die Linke bei den Bundestagswahlen etwa elf ein bisschen Prozent der Stimmen bekommen hat. Und sie knüpft daran die Hoffnung, dass die Bundestagsfraktion der Linken in einer Größenordnung von 75, 76 Abgeordneten auch an diesen Forderungen festhält. Besteht nicht die Notwendigkeit, dass DKP, KPD, wir, die hier im Saal versammelt sind und andere linken Gruppierungen nunmehr mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln Druck darauf machen, dass diese Forderungen auch umgesetzt werden? Denn in den Auseinandersetzungen, im Kampf um diese Forderungen können die Werktätigen mehr und mehr verstehe: letzten Endes können ihre Probleme nur gelöst werden, wenn eine andere Gesellschaftsordnung existiert, nämlich der Sozialismus.

Und deswegen sage ich, zum Sozialismus gibt es keine Alternative.

Ich danke für die Aufmerksamkeit

Heinz Keßler, Berlin


Anmerkung

(110) Heinz Keßler: Seit 1984 Minister für Nationale Verteidigung der DDR, als junger Soldat zur Roten Armee übergelaufen, Mitbegründer des Nationalkomitees Freies Deutschland, Sekretär des Zentralrats der FDJ, Beauftragter für den Aufbau der Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR, Chef der Luftstreitkräfte; Mitglied des ZK der KPD, dann Mitglied des Politbüros des ZK der SED


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Dieter Hillebrenner(111): Zum "Neuen Denken" über Frieden, Krieg und Streitkräfte in den 80er Jahren

In der "Erinnerungsschlacht" um die DDR werden auch die Auseinandersetzungen um ihre Streitmacht härter und die Positionen klarer. Geht es doch um die NVA als Erfahrungsobjekt sozialistischer Landesverteidigung.

Nicht unsere Schwächen, Fehler und Versäumnisse, sondern unsere Stärken sind es, die den Klassengegner zu immer neuen Hasstiraden veranlassen. Vor dem Hintergrund der Kriegseinsätze der Bundeswehr müssen die unvergänglichen historischen Leistungen des Volkes der DDR beim militärischen Schutz von Frieden und Sozialismus entstellt, verfälscht und verschwiegen werden. Tonangebend für die Forschungen zur NVA ist das Militärgeschichtliche Forschungsamt der Bundeswehr in Potsdam mit seinem Forschungsbereich "Militärgeschichte der DDR". Bisher sind 17 Bände erschienen. Der Volksmund sagt: "Die Sieger schreiben die Geschichte."

Das scheint mir aber nur die halbe Wahrheit. Denn sie tun es nicht selten mit Hilfe von Besiegten; in unserem Falle sogar mit ehemals führenden Militärhistorikern der DDR.

Ihnen hat es besonders das letzte Jahr der NVA angetan. Es wird sozusagen zum Höhepunkt der 34-jährigen Geschichte der NVA gemacht. Ein "innerer Wandelungsprozess" habe sich in der NVA vollzogen. "Ein neues Verhältnis von Armee und Gesellschaft, das dem Charakter einer wirklichen Volksarmee entsprach, begann sich herauszubilden. ... Wesentliche Voraussetzungen für eine gewisse Kooperation mit der Bundeswehr auf dem Weg in die deutsche Einheit" seien entstanden(112). Auf einer Veranstaltung zum 50. Jahrestag der NVA war zu hören, dass als "geistige Wegbereiter sowohl für die Reformbewegung in der NVA wie für deren Verhalten in den Jahren 1989/90" die Ideen des Neuen Denkens über Frieden, Krieg und Streitkräfte gewirkt hätten(113). Diese Ideen, ihr Inhalt und Charakter bedürfen unserer Aufmerksamkeit.

Zunächst zum Sachverhalt.

An der Militärakademie "Friedrich Engels" in Dresden wurden im Lehrstuhl Marxistisch-Leninistische Philosophie seit Ende der 70er Jahre schrittweise Auffassungen entwickelt, denen ihre Schöpfer später in Anlehnung an Gorbatschow die Bezeichnung "Neues Denken" bezogen auf Frieden, Krieg und Streitkräfte gaben. Dieses Denken wurde in einem 1989 erschienenen Buchsystematisch dargestellt(114) und 1989/90 politisch wirksam. Die Auffassungen polarisierten. Denn dem "neuen" Denken stand das "alte" entgegen, und das war die marxistisch-leninistische Lehre vom Krieg und von den Streitkräften. Nach ihr wurde an der Militärakademie seit ihrer Gründung 1959 zielstrebig und erfolgreich ausgebildet.

Die Verfechter der neuen Auffassungen empfanden sich als Reformer. Wer ihrem "neuen" Denken nicht folgte, gehörte ihrer Meinung nach zu den Konservativen, den Reformunwilligen, ja Reformunfähigen.

Die neuen Auffassungen fanden zuerst Anklang in wissenschaftlichen Einrichtungen, u.a. an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, im Wissenschaftlichen Rat für Friedensforschung an der Akademie der Wissenschaften, auch in der Sicherheitsabteilung beim ZK der SED unter Wolfgang Herger(115). Sie wurden letztlich mit der Verleihung des Nationalpreises der DDR an drei Offiziere gewürdigt(116). In der Begründung hieß es, "für ihren Beitrag zur marxistisch-leninistischen Theorie von Frieden, Krieg und Streitkräften im nukrear-kosmischen Zeitalter".

Wen wundert es, dass die neuen Ideen auch das Interesse der Bundeswehr weckten?! Egon Bahr vermittelte die erste inoffizielle Begegnung von Militärs der Führungsakademien der Bundeswehr und der Militärakademie "Friedrich Engels" im Frühjahr 1989 in Hamburg, der weitere folgten(117). Eineinhalb Jahrzehnte später wird das "Neue Denken" in einem der erwähnten 17 Bände zum Thema "widerständiges Verhalten und politische Verfolgung" in der NVA in einem Exkurs erwähnt(118). Soweit zum widersprüchlichen Sachverhalt.

Wo finden wir den Ansatz für dieses "Neue Denken"?

Spätestens im Übergang zu den 80er Jahren wurde offenkundig, dass die Produktivkraftentwicklung unter den Bedingungen der Systemauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus Destruktivkräfte hervorgebracht hatte, die zum Entstehen einer existenziellen Bedrohung bis hin zur Gefahr existenzieller Selbstvernichtung der Menschheit führen kann. Die Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages stellten in ihrer Politischen Deklaration vom 5. Januar 1983 fest: "In einem Kernwaffenkrieg, würde er entfesselt, kann es keine Sieger geben. Er würde unausweichlich zum Untergang ganzer Völker, zu kolossalen Zerstörungen und katastrophalen Folgen für die Zivilisation und das Leben auf der Erde überhaupt führen."(119) Die Schreckensvisionen eines nuklearen Infernos waren und sind keine Erfindungen von Panikmachern und Pessimisten. Die Totalität und Globalität der Gefahren waren und sind real. Viele Fragen wurden damit aufgeworfen, politische, ökonomische, militärische, organisatorische, auch weltanschaulich-theoretische. An letztere knüpfte das "Neue Denken" mit der Prämisse an, dass der Übergang vom pränuklearen zum nuklearen Zeitalter, der mit der Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki einsetzte, den tiefsten historischen Einschnitt in der Entwicklung des Krieges, des Friedens und der Streitkräfte seit ihrer Entstehung darstellt. Entsprechend tief sei die qualitative Wandlung, die Krieg, Frieden und Streitkräfte erfahren.(120)

Dieser qualitative Wandel wurde an folgenden zentralen Aussagen festgemacht:

1. Im nuklear-kosmischen Zeitalter wird gegenüber dem pränuklearen das Wesen des Krieges grundlegend verändert. Angesichts der Kriegsfolgen verliert der Krieg seinen Sinn als Fortsetzung der Politik. Er ist das Ende der Politik. Er ist Unkrieg. Das trifft nicht nur für den Raketen-Kernwaffen-Krieg zu, sondern tendenziell auch für mit konventionellen Waffen geführte Kriege, die in hochindustriellen und stark urbanisierten Regionen geführt werden und infolge der extrem gesteigerten Waffenwirkung und der Verletzbarkeit moderner Gesellschaften die Bevölkerung der betreffenden Gebiete auslöschen könnte.(121)

2. Das nuklear-kosmische Zeitalter stellt angesichts dessen alle Klassen und Staaten unter den Zwang, um ihrer Existenz willen den Weltfrieden sicher zu bewahren. Dieses oberste Menschheitsinteresse verlangt von allen Klassen, ihre spezifischen Klasseninteressen zu diesem Menschheitsinteresse ins Verhältnis zu setzen.(122) Das heißt, die Anerkennung der Priorität der gemeinsamen Menschheitsinteressen vor den divergierenden Gruppeninteressen, also den unterschiedlichen Interessen sozialer Systeme, Klasen und Nationen.(123)

3. Im nuklear-kosmischen Zeitalter hat sich Wesentliches in der Funktion sozialistischer Streitkräfte verändert. "Den Sozialismus zuverlässig zu schützen heißt jetzt nicht mehr, einen imperialistischen Aggressor in einem Verteidigungskrieg zu besiegen, sondern heißt, keinen Krieg zuzulassen".(124) Das verlangt von den Streitkräfte, nicht mehr den Krieg, sondern den Frieden zur Zentralkategorie militärischen Denkens zu machen. Jetzt gibt es den Zwang, vom bewaffneten Frieden, der in den Krieg zurückfallen kann, zu einem unbewaffneten Frieden überzugehen.(125)

Diese drei zentralen Aussagen bedürfen der Erläuterung, zumal sie nach dem Sieg der Konterrevolution z.T. präzisiert, ergänzt, vor allem aber kommentiert wurden.

Zur ersten zentralen Aussage:

Die These, dass der Krieg nicht mehr Fortsetzung der Politik sondern ihr Ende sei, war nicht neu. Bereits in den 60er Jahren wurde sie von bürgerlichen Friedens- und Konfliktforschern vertreten. Später finden wir sie auch in Dokumenten der SED und anderer Bruderparteien. Sie entstand im Zusammenhang mit der Herausbildung einen annähernden militärstrategischen Gleichgewichts in der Systemauseinandersetzung.

Diese These wurde bedeutsam. Sie konnte zur Mobilisierung einer breiten Friedensbewegung dienen. Sie war auch als Dekanstoß für jene Kreise des Imperialismus zu gebrauchen, die - ungeachtet des entstandenen militärischen Kräfteverhältnisses - weiterhin auf die Erringung militärischer Überlegenheit setzten. Denken wir an Kennedy, in dessen Amtszeit der Wechsel von der Militärstrategie der massiven Vergeltung zur Strategie der flexiblen Reaktion erfolgte.

Es gab auch noch andere Möglichkeiten, diese These zu nutzen. Brzezinski nahm die neue Situation zum Anlass, eine imperialistische Entspannungspolitik zu konzipieren. In seinem Buch "Alternativen zur Teilung", 1965 in den USA erschienen, empfahl er die Einrichtung einer regelmäßig zusammentretenden gesamteuropäischen Konferenz unter Beteiligung der USA, um über wirtschaftliche Zusammenarbeit, kulturellen und sonstigen Austausch zunächst ideologischen und später politischen Einfluss auf die sozialistischen Länder zu gewinnen.(126) Und genau in diesem Zusammenhang erhielt die These vom Ende der Politik auch einen Gebrauchswert als ideologischer und politischer Fallstrick. Denn durch die Konzentration auf die Folgen eines Raketen-Kernwaffen-Krieges gerieten die Ursachen und Urheber des Krieges aus dem Blickfeld.

Die Verfechter des "Neuen Denkens" übernahmen nicht einfach die genannte These. Sie gaben ihr eine eigentümliche theoretische Begründung mit entsprechenden Schlussfolgerungen. Das war das eigentlich Neue. "Wir kamen zu der Erkenntnis", so ist zu lesen, "dass die bisher gültige Wesensbestimmung des Krieges nicht auf Marx, sondern auf Lenin zurückging und dass die marxistisch-leninistische Lehre vom Krieg die Entstehung des Krieges und damit seine allgemeinen Ursachen fälschlicher Weise an die Entstehung des Privateigentums und die Klassengesellschaft gebunden war. ... Jetzt wurde die ursprüngliche Auffassung von Marx und Engels wieder hergestellt, wonach es Krieg schon an der Wiege der Menschheit gegeben habe, dessen Wesen sich natürlich von dem in der Klassengesellschaft unterschied. Damit war die einseitige Fixierung des Krieges auf die Privateigentumsordnung aufgehoben."(127)

Der Krieg wurde jetzt in seiner historischen Entwicklung nach drei verschiedenen historisch-konkreten Kategorien unterschieden:

- der alte Krieg von Stamm zu Stamm, der noch keine Fortsetzung der Politik war,
- der klassische Krieg, dessen Wesen die Fortsetzung der Politik mit gewaltsamen Mitteln ist,
- der alles vernichtende Krieg im nuklear-kosmischen Zeitalter, der nicht mehr Fortsetzung der Politik ist.(128)

Die Leninsche Wesensbestimmung des Kriegs wurde noch für den pränuklearen Krieg akzeptiert. "Sie kann aber nicht auf einen in seinem Wesen völlig veränderten Krieg ausgedehnt werden", wurde angemahnt.(129)

Die neue Wesensbestimmung, die die Kriegsfolgen statt der Kriegsursachen in den Vordergrund stellte, wurde mit einer gravierenden Konsequenz verbunden. "Keine der Krieg führenden Seiten konnte mehr eine Berechtigung für ihren Krieg herleiten, auch nicht die in Notwehr handelnde, die einen Verteidigungskrieg gegen einen Aggressor führt."(130) Die Unterscheidung nach gerechten und ungerechten Kriegen wurde sinnlos und damit für die marxistisch-leninistische Auffassung vom Krieg gegenstandslos.

Damit nicht genug. Wir erfahren nämlich, dass die Unterscheidung nach gerechten und ungerechten Kriegen erst von Lenin in die marxistische Kriegsauffassung eingeführt worden sei, woraus später eine Lehre wurde. "Sie erfüllte vor allem eine Rechtfertigungsfunktion für die sowjetische Militärpolitik. Sie relativierte die notwendige Ächtung des alles vernichtenden Krieges, hatte die Soldaten der NVA in eine ungerechtfertigte Frontstellung gegenüber dem Pazifismus gebracht und der Vereinigung aller Friedenskräfte im Kampf gegen den Atomkrieg im Wege gestanden."(131) Eine Ergänzung lieferte vor drei Jahren ein Militärhistoriker der DDR mit der bisher unvorstellbaren Behauptung, die NVA hätte einer Militärkoalition angehört, "in der das Friedensinteresse aller Beteiligten zugleich von den Machtinteressen der Sowjetunion beschnitten war."(132)

Genug der Zitate. Ich sprach bei der Wesensbestimmung des Krieges als Ende der Politik von einem Fallstrick. Jetzt kann es noch präziser gefasst werden: Die neue Wesensbestimmung besaß eine ideologische Diversionsfunktion!

Der Marxismus-Leninismus hat das Wesen des Krieges eindeutig bestimmt, indem er auf die Ursachen, den sozialen Inhalt, den Klasseninhalt, die Bestimmung als bewaffneter Kampf und die Funktion des Krieges verweist. Marx und Engels hatten, wie Lenin hervorhob, "jeden Krieg als eine Fortsetzung der Politik der betreffenden interessierten Mächte - und der verschiedenen Klassen in ihnen - in dem betreffenden Zeitabschnitt"(133) aufgefasst. Mit dieser historisch-materialistischen Bestimmung erhielten die Kommunisten den Schlüssel für das Verständnis des Krieges im allgemeinen wie auch für das jedes besonderen Krieges. Sie ermöglichte aufzudecken, welche sozialen und politischen Kräfte es sind, die ein Interesse an der Fortsetzung der Politik mit dem Instrument des Krieges haben. Ebenso kann ermittelt werden, welche Kräfte weshalb den Krieg nicht wollen, also entschieden gegen den Krieg sind.(134)

Die richtige Feststellung, dass ein Raketen-Kernwaffen-Krieg seinen Sinn verliert als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, hat doch zur Bedingung, dass die sozialistische Verteidigungsmacht mit der Erringung eines annähernden militärstrategischen Gleichgewichts dem potentiellen imperialistischen Aggressor keine Chance auf einen Sieg lässt. Diese Konsequenz erwuchs aus der bewussten Anwendung der marxistisch-leninistischen Erkenntnis über das politische und soziale Wesen des Krieges. Das Begreifen der Tatsache, dass auch ein Raketen-Kernwaffen-Krieg Fortsetzung der Politik mit anderen, mit gewaltsamen Mitteln ist, war und bleibt die politische Erkenntnisvoraussetzung dafür, den Krieg als Mittel der Politik auszuschalten.(135)

Zur zweiten zentralen Aussage:

Wie wir bereits sahen, folgte das "Neue Denken" dem verbreiteten Argument, Menschheitsfragen seien klassenunabhängige und klassenunspezifische Fragen. Dem steht die marxistische Auffassung entgegen, dass die anstehenden Menschheitsfragen in ihrem Wesen aus der Klassenstruktur der kapitalistischen Gesellschaftsformation entspringen und infolge der inneren Widersprüche des Kapitalismus ungelöst bleiben. Sie waren und sind deshalb Menschheitsfragen, weil es grundlegende Fragen sind, die alle Menschen betreffen. Aber sie sind klassenspezifisch in ihrer Struktur, die sie haben, und in der Form, in der sie ausgetragen werden müssen.(136) Die abweichende Beurteilung des Verhältnisses von Menschheitsinteressen und Klasseninteressen muss zu falschen, ja für unsere Sache gefährlichen Schlussfolgerungen führen.

Im Ringen um die Erhaltung des Friedens war es nach Auffassung der Verfechter des "Neuen Denkens" von übergreifender Bedeutung, nichtmarxistische Anschauungen nicht pauschal abzuwerten, sondern zu unterscheiden in Friedensdenken und Kriegsideologie. Entgegen dem bisherigen Denkmuster befanden sich damit marxistisches und bürgerliches Friedensdenken nunmehr gemeinsam in einem feindlichen Gegensatz zur Kriegsideologie. "Der Hauptkonflikt verlagerte sich so vom Kampf zwischen Kapitalismus und Sozialismus auf den Kampf zwischen den Kräften des Krieges und Kräften des Friedens, auf den Kampf zwischen "Falken und Tauben" in beiden Systemen." Die "Falken" im Sozialismus wurden in einem sowjetischen Militär-Industrie-Komplex ausgemacht, dessen Erbe heute Russland sei. "Die Differenzierung in Friedens- und Kriegsideologie bot die Möglichkeit einer verdeckten, aber dennoch wirkungsvollen Kritik an geheiligten Glaubenssätzen der staatsoffiziellen verteidigungspolitischen Denkweise."(137) Die Urheber wussten also sehr genau, worauf es hinauslief!

In einer Zeit, in der mehr denn je die Klarheit und damit politische Kraft unserer wissenschaftlichen Weltanschauung gebraucht wurde, musste jedes Zugeständnis an die bürgerliche Ideologie zu einer Schwächung des Sozialismus führen.

Doch da gab es noch eine politische Komponente im Kampf um die Abwehr der Kriegsgefahr, in der auch der Klassencharakter nicht nur ignoriert, sondern in Abrede gestellt wurde. Der im Kalten Krieg auf Abschreckung beruhende labile Frieden sollte durch einen "Verständigungsfrieden zwischen den politischen Kontrahenten" ersetzt werden. Dazu sei es notwendig, die "frühere Bestimmung der friedlichen Koexistenz als eine Form des Klassenkampfes zwischen Sozialismus und Kapitalismus ... als einseitig und missverständlich" zu überwinden.(138) Hier folgte man den Aussagen im hinreichend bekannten Papier von SED und SPD "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit". Sie hatten ja einen verhängnisvollen, defätistischen Verlust an revolutionärem Bewusstsein zur Folge. In unserem Zusammenhang mit dem "Neuen Denken" ist von Interesse, wie die dem Kapitalismus bescheinigte Friedensfähigkeit theoretisch begründet wurde. Wir lesen: "Für die Verwandlung des Kapitalismus in eine Gesellschaft, die zu dauerhaftem Frieden in den internationalen Beziehungen fähig und bereit ist", seien in unserer Zeit objektive Voraussetzungen entstanden:

"Da der Krieg seine Fähigkeit verliert, politische Konflikte zu lösen, hört er auch auf, eine politische Notwendigkeit, ein Gesetz des Kapitalismus zu sein."
Die Konflikt ... friedlich zu lösen, wird daher zum Gesetz des nuklearen Zeitalters, dem sich imperialistische Politik beugen muss."(139)

Hieraus wurde der Schluss gezogen: "Ist der Kapitalismus zu dauerhaftem Frieden fähig, so ist der Übergang zu einem unbewaffneten Frieden nicht mehr vom Sieg des Sozialismus im Weltmaßstab abhängig. Er kann sich nun bereits in Anwesenheit des Kapitalismus und gemeinsam mit dem Kapitalismus vollziehen."(140)

Mit einem bildhaften Vergleich argumentierend möchte man sagen, dass jetzt das Kommunistische Manifest, Marx' Kapital und Lenins Imperialismustheorie in den Müll geworfen wurden. Auch der erschreckende Verlust an Realitätssinn war angesichts der Bedrohung kaum noch zu überbieten. Während die DDR einseitig weitreichende Abrüstungsschritte unternahm, fand Anfang 1989 die strategisch-militärisch-zivile NATO-Kommandostabsübung Wintex-Cimex 89 statt. Sie war die größte (die Frontbreite reichte vom Nordkap bis in die Türkei), gefährlichste (Kernwaffeneinsatz) und deshalb geheimste Stabsübung der NATO. An ihr nahm die höchste zivile und militärische Führungsebene Teil.(141) 1989 gelangten zum ersten Mal die zweieinhalb Jahre zuvor von der Nuklearen Planungsgruppe beschlossenen "Allgemeinen politischen Richtlinien" zur Anwendung. Zum Szenario dieser Stabsübung gehörte auch der Kernwaffeneinsatz gegen die DDR. Ein Schlag war auf Dresden vorgesehen! Die Militäraufklärung der NVA konnte die Übung komplett aufdecken. Der Chef der Aufklärung der NVA, Generalleutnant Krause, berichtete über die Erkenntnisse dem Nationalen Verteidigungsrat am 16. Juni 1989.(142)

Das waren die Fakten, als "neue Denker" die Möglichkeit des Übergangs zum unbe-waffneten Frieden verkündeten, den Sozialismus und Imperialismus gemeinsam vollziehen könnte!

Zur dritten zentralen Aussage:

Noch eine notwendige Bemerkung zur dritten zentralen Aussage. Sie beinhaltete die Forderung, nicht mehr der Krieg, sondern der Frieden müsse die Zentralkategorie im militärischen Denken im nuklear-kosmischen Zeitalter sein. Wenn im "Neuen Denken" der Marxismus-Leninismus als falsche Ideologie abgetan wird, bleibt logischer Weise Lenins historisches Friedensdekret als Ausgangspunkt militärischen Friedensdenkens auf der Strecke. Doch das nur nebenbei.

Die das forderten waren Angehörige der Militärakademie. Die Aufgabe der Militärakademie war es aber nicht, Friedensforscher auszubilden, sondern Kommandeure, Polit- und Stabsoffiziere für die Führungsebenen Truppenteil und Verband, die über ein ausgeprägtes kriegsbezogenes Denken verfügen. Nur so konnten sie den Anforderungen ihrer künftigen militärischen Tätigkeit gerecht werden, in deren Mittelpunkt die Gefechtsausbildung, die Vorbereitung auf das Gefecht stand. Das Gefecht, politisch verstanden als extremste Form des Klassenkampfes, stellte an die Wehrmotivation der Armeeangehörigen höchste Anforderungen.

In der NVA konzentrierten wir uns deshalb seit jeher auf die Ausprägung der Überzeugung von der Verteidigungswürdigkeit des Sozialismus, der Überzeugung von der Verteidigungsnotwendigkeit des Sozialismus und der Überzeugung von der Verteidigungsmöglichkeit des Sozialismus. Am sensibelsten Abschnitt der Trennlinie der beiden Gesellschaftssysteme, an der sich die beiden mächtigsten Militärkoalitionen der Geschichte gegenüber standen, waren hohe Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft, ein ausgeprägtes kriegsbezogenes Denken und Handeln Voraussetzung und Bedingung der Kriegsverhinderung. Das war die Zentralkategorie für unsere Armeeangehörigen. Die längste europäische Friedensperiode ist der Beweis, dass diese Auffassung auch im nuklear-kosmischen Zeitalter richtig war und ist.

Das skizzierte "Neue Denken" hat sich bis Oktober 1989 in der NVA nicht durchsetzen können. Es bedurfte schon besonderer Voraussetzungen und Umstände, um es für kurze Zeit politisch wirksam zu machen. Doch das ist ein eigenständiges Problem, dessen gründliche Bearbeitung noch aussteht.

Verwiesen sei lediglich auf solche Voraussetzungen in der NVA wie die Auflösung der Politorgane, die Eliminierung der SED-Parteiorganisationen und die am 20. November 1989 vom neuen Verteidigungsminister, Admiral Hoffmann, angekündigte Militärreform, die sich bald als außerordentlich widersprüchlich erwies und bereits nach vier Monaten abgebrochen wurde. Denn in Bonn hatte man die Militärreform argwöhnisch beobachtet. Eine Armee wie NVA zu diesem Zeitpunkt, für die "auflösen ohne Rest" angesagt war, brauchte vor ihrem Ende nicht noch reformiert zu werden.

Und bei der Bundeswehr ging der Bedarf an "neuem Denken" in eine ganz andere Richtung. Wer einen "Weltkrieg gegen den Terrorismus" rechtfertigen will, dem sind Überlegungen zur Unführbarkeit eines Krieges im nuklear-kosmischen Zeitalter suspekt. Gebraucht wurden Vorstellungen darüber, wie man Kriege führen und gewinnen kann!(143) Die Ideen des "Neuen Denkens" und ihre Schöpfer waren nur in einem kurzen historischen Moment für die Bourgeoisie der BRD interessant. Dass sie, die Schöpfer, unbeirrt die Entsorgung marxistisch-leninistischen Gedankengutes fortsetzen, sei nur noch angemerkt, ohne darauf näher einzugehen.

Eine grobe Zusammenfassung:

Mit dem "Neuen Denken" wurde auf Fragen reagiert, die die Systemauseinandersetzung aufwarf. Die Antworten waren nicht nur schlechthin revisionistisch. Sie zeugten von der Abkehr vom Marxismus-Leninismus.

Die weltanschauliche Auffassung des Marxismus-Leninismus über den Krieg wurde ausgehebelt. Die Einheit von Sozialismus und Frieden sowie Imperialismus und Krieg löste sich im nuklear-kosmischen Zeitalter auf. Die imperialistische Friedensdemagogie wurde undurchschaubar. Die Bedrohungslüge dagegen erhielt kräftig Nahrung. Die Perspektiven des Friedenskampfes gingen verloren. Der Sinn des Soldatseins im Sozialismus wurde zum Unsinn.

Das "Neue Denken" erwies sich als Einfallstor für die Konterrevolution in der NVA. Darum ist die Frage nach dem letzten Jahr der NVA nicht nur die Frage nach der Konterrevolution, sondern auch die Frage danach, wie die NVA ihren sozialistischen Charakter verlor. Ihre Beantwortung ist eine Bedingung für die Auseinandersetzung mit dem eingangs aufgezeigten Geschichtsrevisionismus und somit für die Bewahrung der unvergänglichen Leistungen der NVA unter Führung der SED.

Die Antworten im "Neuen Denken" waren nicht nur revisionistisch und eine Abkehr vom marxistisch-leninistischen Denken, sie waren auch tatsächlich falsch:

1. Die Welt ist nach der Niederlage des europäischen Sozialismus nicht sicherer und friedlicher. Kriege sind alltäglich. Auch in Europa wurde Krieg wieder möglich. Die Ausgaben für Krieg und Aufrüstung erreichten 2008 den vorläufigen Rekord von 1,5 Billionen Dollar. Das alle ist deshalb so, weil sich am Wesen des Imperialismus nichts geändert hat. Der Imperialismus ist nicht friedensfähig.

2. Der Krieg bleibt auch im nuklearen Zeitalter seinem Wesen nach das, was der Marxismus-Leninismus definierte: Fortsetzung der Politik mit gewaltsamen Mitteln.

3. Die Beseitigung der Kriegsursachen muss und kann nur in sozialen Revolutionen, wie sie Lenin verstand, erkämpft werden. Sollten sie nicht stattfinden, bleiben die Friedensfrage und auch alle anderen Menschheitfragen ungelöst.

4. Wer über künftige soziale Revolutionen nachdenkt, kommt an den Fragen von Krieg, Frieden und Streitkräften nicht vorbei.

Völlig neue Probleme werfen viele Fragen auf. Von uns wird intensive theoretische Arbeit verlangt. Dass dabei immer aufs Neue die Gefahr des Revisionismus lauert, ist bekannt. Darauf müssen wir uns einstellen. Und das geschieht, indem wir an der revolutionären Theorie von Marx, Engels und Lenin nicht rütteln lassen und die neuen Fragen auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus analysieren und beantworten.

Dieter Hillebrenner, Dresden


Frage aus dem Publikum:

Die Gefahr des vernichtenden Atomkriegs bestand doch aber nun mal. Was hat der Sozialismus davon, eine vernichtende Antwort geben zu können. Unbewohnbar wäre der Planet dann allemal, also gäbe es auch keinen Sozialismus mehr.


Antwort Dieter Hillebrenner

Diese Frage habe ich gerade versucht deutlich zu machen. Es war die Frage für uns: "Der Krieg muss verhindert werden!". Der darf nicht ausbrechen, dieser Krieg - und dies war die Kompliziertheit, das zu vermitteln.

Ich kann den Krieg nur dann verhindern, wenn die Gegenseite mitbekommt, ein Angriff ist sinnlos, das ist mein Untergang. Das kann man nicht, indem man wie die Kerzenkinder im Graben hocken und mit der Kerze in der Hand unsere Friedensbemühungen zum Ausdruck bringt, sondern nur. wenn die Gegenseite merkt: die sind in der Lage, höchste Leistungen zu vollbringen.

Das ist ja die Logik gewesen des entstandenen strategischen Gleichgewichtes. Keine Seite - und das real - hatte die Chance. Wer zuerst schießt, stirbt als zweiter, dies war eine allgemeine Losung, die kennen wir und die ist real. Ich musste doch durch meine eigene Vorbereitung deutlich machen, dass der Gegner auch bei langer und genauer Vorbereitungen seine Ziele nicht umsetzten kann. Ich musste ihm durch meine Bereitschaft die Sinnlosigkeit seiner Absicht verdeutlichen.

Das war auf höherer Ebene alles klar, aber wir hatten es mit Soldaten zu tun, mit Offizieren, die ausgebildet werden mussten, dass heißt, die davon überzeugt werden mussten, dass wir in der Lage waren, dazu beizutragen, dass dieser Krieg nicht ausbricht. Und dies war ein Problem in dieser sensibelsten Ecke in Deutschland, dies gab es auf der ganzen Welt nicht noch einmal.

Ich hatte die Möglichkeit soziologischer Befragungen in der Akademie und in der Truppe mit Hilfe meiner Genossen durchzuführen. Die Überzeugung über die Verteidigungsmöglichkeit, das war die, die am längsten stabil war.

Aber als diese Problematik auf dem ideologischen Gebiet kam, dieses Abstriche-Machen, dieser Einfall, dass der Imperialismus friedensfähig wäre und es möglich wäre, eine gemeinsame Friedenspolitik mit ihm zu machen, dieses Dokument der SED mit der SPD, das waren die Einbruchstellen für uns. Da finde ich, waren wir zu wenig darauf vorbereitet, dieser Sache - sagen wir einmal - mit unserer militärischen Ausrichtung der eigenen Stärke entgegenzutreten.

Dieter Hillebrenner


Anmerkungen

(111) Dieter Hillebrenner: Diplomhistoriker, Oberst a.D. der NVA, Lehroffizier an der Militärakademie "Friedrich Engels" in Dresden, Leiter Lehrstuhl Wissenschaftlicher Kommunismus, Leiter Lehrstuhl Führung der politischen Arbeit, stellvertretender Kommandeur der Sektion Gesellschaftswissenschaften für Ausbildung, Soziologie, seit 1956 Mitglied der SED, Mitglied der Parteikontrollkommission bei der politischen Hauptverwaltung der NVA

(112) Siehe Paul Heider: Die NVA im Blickwinkel individueller Erinnerungen sowie wissenschaftlicher Erforschung und Bewertung ihrer Geschichte; in: DSS-Arbeitspapiere, Heft 80-2006, S. 22

(113) Siehe Prof. Dr. Reinhard Brühl: Vom Sinn des Soldatseins. In: Solidaritätskomitee für die Opfer der politischen Verfolgung in Deutschland. Berlin, Mai 2006, Heft 26 der Dokumentation, S. 17

(114) Frieden, Krieg, Streitkräfte. Historisch-materialistischer Abriss. Militärverlag der DDR, Berlin 1989

(115) Siehe Wolfgang Scheler: Neues Denken über Krieg und Frieden in der NVA. In: Wolfgang Wünsche (Hrsg.): Rührt Euch! Zur Geschichte der Nationalen Volksarmee. edition ost, Berlin 1998, S. 522

(116) Oberst Prof. Dr.sc. Erich Hocke; Oberst a.D., Dozent Dr.sc Siegfried Keil; Kapitän zur See Prof. Dr.sc. Wolfgang Scheler

(117) Die Delegationsleiter waren Generalmajor Lehmann, Stellvertreter für Wissenschaft und Forschung des Chefs der Militärakademie "Friedrich Engels" und Brigadegeneral Hagena, Stellvertreter des Kommandeurs der Führungsakademie der Bundeswehr.

(118) Siehe: Staatsfeinde in Uniform? Widerständiges Verhalten und politische Verfolgung in der NVA. Ch.-Links-Verlag 2005, S. 415ff.

(119) Dokumente zur Abrüstung 1983 - 1986, Berlin 1989, S. 39

(120) Siehe: Kapitän zur See Prof. Dr. sc. phil. W. Scheler: Neues militärisches Denken; in: Militärwesen, Berlin, Heft 2/1990, S. 16

(121) Siehe: Frieden, Krieg, Streitkräfte, a.a.O., S. 91f.

(122) Siehe: ebenda, S. 141f.

(123) Siehe: ebenda, S. 324

(124) Siehe: ebenda, S. 197

(125) Siehe: Wolfgang Scheler: Neues Denken., a.a.O., S. 521

(126) Siehe: Sahra Wagenknecht: Marxismus und Opportunismus. Kämpfe in der sozialistischen Arbeiterbewegung gestern und heute; in: Wider die Resignation der Linken, Verlag GNN, o.J., S. 228

(127) Wolfgang Scheler: Neues Denken., a.a.O., S. 514

(128) Siehe: Frieden, Krieg, Streitkräfte, a.a.O., S. 89

(129) Ebenda

(130) Kapitän zur See., a.a.O., S. 18

(131) Wolfgang Scheler, Neues Denken., a.a.O., S. 516

(132) Prof. Dr. Reinhard Brühl, a.a.O., S. 16

(133) W.I. Lenin, Werke Bd. 21, S. 213

(134) Die Philosophie des Friedens im Kampf gegen die Ideologie des Krieges, Dietz-Verlag Berlin 1984, S. 71

(135) Siehe: Wolfgang Scheler: Neues Denken über Krieg und Frieden; in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 35. Jg., 1987, Heft 1, S. 15

(136) Siehe: Hans Heinz Holz: Kommunisten heute, Neue Impulse Verlag 1997, S. 145

(137) Wolfgang Scheler: Neues Denken., a.a.O., S. 511

(138) Frieden, Krieg, Streitkräfte, a.a.O., S. 175

(139) Ebenda, S. 146

(140) Siehe: Wolfgang Scheler: Neues Denken., a.a.O., S. 520

(141) Siehe: Rainer Rupp: Wintex; in: Stopp NATO!, Verlag Wiljo Heiner, Berlin 2009, S. 243ff.

(142) Siehe: Bodo Wegmann: Die Militäraufklärung der NVA, Verlag Dr. Köstner, Berlin 2006, S. 25f. sowie NVR, Protokoll der 78. Sitzung, 16.6.1989, BArch-MArch, VA-01/39539, Bl. 6

(143) Siehe: Peter Scherer: Die Bedeutung der Novemberrevolution 1918 für die deutsche und europäische Geschichte; in: Z. Zeitschrift marxist. Erneuerung Nr. 77, März 2009, S. 73

Raute

III. KONSEQUENZEN FÜR DIE EINSCHÄTZUNG DER GEGENWART

Michael Kubi:(144) Theoretische Probleme der Imperialismusanalyse und praktische Konsequenzen.

Waren die imperialistischen Mächte lange Zeit - wenn auch nicht widerspruchsfrei - Verbündete im Kampf gegen das sozialistische Lager, so treten die Widersprüche zwischen den einzelnen imperialistischen Mächten heutzutage in ihrer barbarischsten Hemmungslosigkeit hervor. Vor allem verschärfen sich die Widersprüche zwischen der bisherigen imperialistischen Hegemonialmacht USA und einem stärker und aggressiver werdenden imperialistischen Europa unter deutsch/französischer Führung.

Wie die Tatsachen zeigen, hat Lenins Imperialismustheorie nichts an ihrer Aktualität und ihrem Wert verloren. So sollte man meinen, dass innerhalb der kommunistischen Bewegung in dieser Frage Klarheit bestehe. Das ist jedoch nicht der Fall. Innerhalb des kommunistischen Spektrums herrscht große Verwirrung über die eigene Geschichte und die Gültigkeit der Theorie.

In dieses Spannungsfeld sind oberflächliche Konzeptionen gestoßen, die mit "Begriffen" wie "Neoliberalismus" oder "Globalisierung" die Lage beschreiben und sowohl von Ideologen der Bourgeoisie als auch von der Partei Die Linken, der DKP-Führung und Teilen der Friedensbewegung in politischen Analysen verwandt werden.

Beide Begriffe, "Neoliberalismus" wie auch "Globalisierung" taugen schon ganz grundsätzlich nicht zur Analyse der imperialistischen Realität.

Der Begriff "Neoliberalismus" leitet sich von einer bestimmten Wirtschaftspolitik ab, wie sie in den imperialistischen Zentren in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstand, nämlich: Rücknahme der Staatsinterventionen in Wirtschaft und Gesellschaft, Deregulierung der Verwertungsprozesse und Märkte, Abbau der Errungenschaften der Gewerkschaftsbewegung. Der Neoliberalismus ist also eine politische Erscheinung, die aus den ökonomischen Problemen des Imperialismus, genau wie sie von Lenin dargestellt wurden, erwächst.

Und der Begriff "Globalisierung" ist nichts weiter als eine hohle Phrase, die die internationale Verflechtung des Kapitals beschreiben soll. Daran ist absolut nichts Neues. Globalisierung ist so alt wie das Kapital: Sie wird schon von Marx und Engels im Kommunistischen Manifest wie auch von Lenin in seiner Imperialismusanalyse beschrieben.

Die Kernaussagen der Rede von der "neoliberalen Globalisierung" lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Da es kein national gebundenes Kapital mehr gäbe, verlören die klassischen Nationalstaaten an Gewicht. So entstehe ein imperialistisches Gesamtinteresse an der Ausbeutung und Niederhaltung der 3. Welt, die Konkurrenz zwischen den imperialistischen Zentren werde dagegen immer geringer und entfalle schließlich ganz. Das Ganze wurde aktuell von Leo Mayer in der UZ, der Zeitung der DKP, als brandneue Entwicklung eines so genannten "kollektiven Imperialismus" dargestellt.

Trotz neuen Namens ist das keine neue "Theorie", sondern ein Aufguss der "Ultraimperialismus-Theorie" des Renegaten Kautsky, der kurz vor dem Ersten Weltkrieg in scharfer Frontstellung zu Lenin fragte, "ob es nicht möglich sei, dass die jetzige imperialistische Politik durch eine neue, ultraimperialistische verdrängt werde, die an Stelle des Kampfes der nationalen Finanzkapitale untereinander die gemeinsame Ausbeutung der Welt durch das international verbündete Finanzkapital setzte. Eine solche neue Phase des Kapitalismus ist jedenfalls denkbar."

Wie falsch und voller Illusionen dieser Ansatz ist, zeigt in der jüngsten Vergangenheit z.B. die Konkurrenz zwischen USA, EU, BRD und Russland anlässlich des Irak-Krieges. Frankreich, Russland und China hatten lukrative Verträge zur Ausbeutung irakischer Ölfelder abgeschlossen, die ihnen den Zugriff sicherstellten, so bald die UNO-Sanktionen aufgehoben würden. Mit dem Sturz Saddam Husseins durch die US-Invasion waren diese Verträge hinfällig. Leo Mayer als einer der Vertreter der Theorie vom "kollektiven Imperialismus" hielt das Ganze trotzdem für die "Sicherung des Ölflusses durch die Amerikaner für alle Metropolen-Mächte". Und noch einige weitere Stichworte: die Weltraumrüstung der BRD, die schnelle Eingreiftruppe der EU, die ausdrücklich ohne Rücksicht auf NATO oder UNO vor allem für Einsätze in Afrika einsatzbereit sein soll, das Weißbuch der Bundeswehr usw. Da ist weder die Konkurrenz zwischen den imperialistischen Metropolen erloschen noch ist da gar irgendetwas "friedensfähig".

Interessant ist, dass Strategen und Ideologen des Imperialismus sich klarer ausdrücken als so mancher verwirrte Linke: Lassen wir den führenden US-Bankier und Berater diverser US-Administrationen, Jeffrey E. Garten, in diesem Sinne zu Wort kommen: Er "charakterisierte ... die Periode nach dem Kalten Krieg als 'Der Kalte Friede'. Die USA, Japan und ein deutsch geführtes Westeuropa, so der Mann von der Wall Street, würden sich in einer massiven Auseinandersetzung um politische und wirtschaftliche Hegemonie befinden. An die Stelle des Ost-West-Konflikts sei die Systemauseinandersetzung zwischen drei kulturell, ökonomisch und politisch konkurrierenden Wirtschaftsblöcken getreten."

So weit zu den theoretischen Problemen. Nun wollen wir einen kurzen Blick auf die politischen Konsequenzen dieser Abkehr von der Leninschen Imperialismustheorie werfen:

Wenn es außer dem US-Imperialismus keine anderen nationalen Imperialismen mehr gibt, dann gibt es auch keinen deutschen Imperialismus mit eigenen imperialistischen Interessen und Zielen mehr. So spielen nationale Kämpfe keine Rolle mehr und somit ist auch Karl Liebknechts Losung "Der Hauptfeind steht im eigenen Land" hinfällig geworden. Folglich besteht auch kein Grund, die Expansionsgelüste eines deutschen Imperialismus zu entlarven, da es ja diesen nicht gibt. Denn dann gibt es nur noch einen Hauptfeind für alle: den US-Imperialismus. Somit haben wir auch nicht mehr für den Sturz der Herrschenden im eigenen Land zu kämpfen, sondern nur noch dafür, dass diese dem Hauptfeind USA keine Unterstützung mehr leisten. Es gibt nur "Deutschland" und alles was zu tun bleibt, ist, von diesem Deutschland zu fordern, dass es seine Interessenidentität mit der Führungsmacht des kollektiven Imperialismus, den USA, beendet. Das ist das Einfallstor für alle möglichen Arten von "Querfronten", wie sie z.B. Elsässer versucht mit seiner Forderung einer "Koalition zur Verteidigung der nationalen Souveränität - von links bis zur demokratische Rechten" gegen den Neoliberalismus der USA.

Die eben aufgezeigten praktischen Konsequenzen finden sich - bis auf die Querfront - alle in einem Artikel in der UZ vom 4. Juli 2003, verfasst von Leo Mayer, Conrad Schuhler und Fred Schmid mit dem Titel: "Wie der Kriegsblock zu stoppen ist. Thesen zur politischen Ökonomie des 'Kriegs gegen den Terror'. Aufgaben und Perspektiven der Friedensbewegung."

Wir wollen dem gegenüber festhalten: Indem die Grundaussagen Lenins zum Imperialismus und seinem prinzipiellen Charakter über Bord geworfen werden, soll die Leninische Imperialismustheorie stillschweigend begraben werden - mit all den sich daraus ergebenen politischen Konsequenzen für Strategie und Taktik der Kommunisten und anderer Revolutionäre.

Michael Kubi, Frankfurt/M


Anmerkung

(144) Michael Kubi: Vorläufiges Organisationskomitee der Kommunistischen Initiative, Mitglied des Herausgebergremiums offen-siv, Teilnehmer unseres marxistisch-leninistischen Fernstudiums


*


Michael Opperskalski: Wo wir stehen... Einige Thesen zur derzeitigen Situation der kommunistischen Bewegung

"Am gefährlichsten sind in dieser Hinsicht Leute, die nicht verstehen wollen, dass der Kampf gegen den Imperialismus eine hohle, verlogene Phrase ist, wenn er nicht unlöslich verknüpft ist mit dem Kampf gegen den Opportunismus" (W.I. Lenin(145))

"Die Geschichte der Partei lehrt ferner, dass die Partei der Arbeiterklasse ohne unversöhnlichen Kampf gegen die Opportunisten in ihren eigenen Reihen, ohne Vernichtung der Kapitulanten in ihrer eigenen Mitte die Einheit und Disziplin ihrer Reihen nicht aufrechterhalten, ihre Rolle als Organisator und Führer der proletarischen Revolution, ihre Rolle als Erbauer einer neuen, der sozialistischen Gesellschaft nicht erfüllen kann." (Geschichte der KPdSU (Bolschewiki) - Kurzer Lehrgang(146))

Analysiert man die Grundtendenz der derzeitigen Entwicklung, den Diskussionen und Veränderungsprozessen in der internationalen kommunistischen Bewegung, samt ihren Entsprechungen auf nationaler Ebene, dann zeichnet sich eine neue Stufe der Entwicklung seit dem - zeitweiligen - Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern, insbesondere der Sowjetunion, ab.

Die Basis für die erfolgreiche Konterrevolution war das Eindringen sowie der nicht widerspruchsfreie und sich in unterschiedlichen Tempi in der internationalen kommunistischen Bewegung verbreitende Revisionismus.

Das Jahr 1956 wurde zum Wendepunkt hinsichtlich der Rolle und der Entwicklung des Revisionismus innerhalb der internationalen kommunistischen Bewegung. Mit dem XX. Parteitag der KPdSU, seinen Thesen und Orientierungen begann der verhängnisvolle Entwicklungsweg der internationalen kommunistischen Bewegungen sowie ihrer "nationalen Abteilungen", der sich zunächst in der Spaltung derselben manifestierte. Vor allem die chinesischen Genossen waren nicht bereit gewesen, dem Positionswechsel der KPdSU kritiklos zu folgen. Ihnen schlossen sich schließlich weitere Parteien oder Genossen aus anderen Parteien an. Die Inhalte dieser Auseinandersetzungen wurden bereits in der "offen-siv" verschiedentlich und ausführlich dokumentiert.

Die Kernpunkte des Positionswechsel der sowjetischen Kommunisten, der sich mit entsprechenden Konsequenzen auch in der gesamten kommunistischen Weltbewegung - natürlich widersprüchlich und in unterschiedlicher "Tiefe" - um- und durchsetzte, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Mit der Einleitung der so genannten "Entstalinisierung" wurden wesentliche Elemente und Erfolge sowie die Geschichte und Traditionen des Aufbaus des Sozialismus in der Sowjetunion entweder in Frage gestellt oder in einzelnen Aspekten gar gänzlich negiert;

Mit der Zurückweisung der marxistisch-leninistischen Position, dass sich der Klassenkampf auch im Sozialismus (natürlich unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen) fortsetzt und sogar verschärft, wurden dem Eindringen kleinbürgerlicher, revisionistischer, sogar konterrevolutionärer Positionen in die KPdSU Tür und Tor geöffnet;

Mit der Annahme der These von der kommunistischen Partei als "Partei des gesamten Volkes" wurde diese dem Klassencharakter sowie der daraus folgenden Avantgarderolle beraubt;

Die These vom "friedlichen Übergang zum Sozialismus" als Haupttendenz des Kampfes für den Sozialismus nahm der kommunistischen Bewegung in einem Kernbereich ihren revolutionären Charakter.

Die griechischen Genossen der KKE haben Orientierungen und Konsequenzen des XX. Parteitages der KPdSU sehr zutreffend beschrieben: "Das bedeutendste Ereignis war, dass der XX. Parteitag die - in der damaligen historischen Situation richtige - Position verwarf, dass sich vor allem der Klassenkampf verschärfte. (...) Theoretische Ansichten wurden kultiviert oder Optionen bevorzugt, die eine Abweichung von unserer Theorie, eine Verletzung ihrer grundlegenden Prinzipien bedeuteten. Die Kampffront gegen den Imperialismus und Revisionismus wurde geschwächt. In einigen Fällen wurden falsche Theorien angenommen, die nichts mit der Realität zu tun hatten oder schlicht Fragen des Aufbaus des Sozialismus simplifizierten, so z.B. die Theorien, die einen raschen Übergang zum entwickelten Sozialismus und Kommunismus verlangten und so den komplexen und langfristigen Charakter der Übergangsperiode (siehe XX. Parteitag) unterschätzten, Theorien über den 'Staat des gesamten Volkes', der 'Partei des gesamten Volkes' und der 'Demokratie des gesamten Volkes'.

Die vom XX. Parteitag beschlossenen Orientierungen auf eine 'Vielfalt von Übergangsformen in verschiedenen Ländern unter bestimmten Bedingungen zum Sozialismus' wurden von den Führungen kommunistischer Parteien als theoretisches Fundament für eine Offensive gegen die wissenschaftliche Theorie des Sozialismus benutzt. Im Namen von nationalen Besonderheiten und Eigenheiten wurden die unveränderlichen Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution einer Revision unterzogen. Sichtweisen wurden entwickelt, nach denen durch strukturelle Reformen und eine 'Politik der Demokratie' ein kapitalistisches in ein sozialistisches System transformiert werden könne, ohne dass ein revolutionärer Bruch notwendig sein."(147)


Auswirkung der Konterrevolution auf die kommunistische Bewegung

Der Revisionismus war nicht nur die notwendige Grundlage für die Konterrevolution in den sozialistischen Ländern, er schuf zudem die Voraussetzungen für eine massive Schwächung und teilweise Zerschlagung der internationalen kommunistischen Bewegung. Seither haben sich im Wesentlichen drei Grundtendenzen der Entwicklung der Kommunisten herausgeschält.

Bevor ich allerdings diese aus meiner Sicht deutlich gewordenen Grundtendenzen herausarbeite, möchte ich etwas im wissenschaftlichen Sinne klar stellen, um gewollten oder ungewollten Missverständnissen vorzubeugen. Grundtendenzen aufzuzeigen, bedeutet immer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, um Entwicklungen, manchmal auch in zugespitzter Form, deutlich zu machen; dabei mögen zuweilen auch wichtige Aspekte, die zwar eine besondere Bedeutung haben, die Grundtendenz der Entwicklung jedoch nur unwesentlich beeinflussen können, "zu kurz kommen". Bei der Einschätzung der Rolle, der Funktion, der Position oder dem Charakter einer politischen Formation, die sich das hohe Attribut "kommunistisch" - aus welchen Gründen und historischen Hintergründen auch immer - selbst gegeben hat, kann es nur folgende wissenschaftliche Kriterien geben: ihr Programm, ihr Statut, ihr Führungspersonal sowie ihre programmatischen wie politischen Positionierungen zu entscheidenden Grundfragen des revolutionären Kampfes. Die wissenschaftlichen Kriterien der Analyse werden vorgegeben vom Marxismus-Leninismus, zu dessen Einheit ja u.a. in diesem Zusammenhang die Leninsche Partei-, Staats-, Imperialismus- und Revolutionstheorie gehört. Dies kann deshalb auch in Einzelfällen bedeuten, dass die wissenschaftliche Grundeinschätzung einer kommunistischen Formation die analytische Feststellung beinhalten kann, dass es innerhalb einer Grundtendenz auch mehr oder weniger starke organisatorische Strukturen oder Persönlichkeiten geben können, die zu einem gewissen Zeitpunkt eine Rolle innerhalb der Grundentwicklung einer kommunistischen Formation spielen. Dies ist eine Frage des Klassenkampfes unter den besonderen Bedingungen eines Landes.

Die Entwicklung der kommunistischen Bewegung auf internationaler wie auch nationaler Ebene muss sich im Rahmen der klaren Gesetze des Marxismus-Leninismus bewegen. Dies ist die Voraussetzung für die Bildung einer breiten, demokratischen, anti-imperialistischen Volksfront unter der Führung der Arbeiterklasse als notwendige Voraussetzung für die proletarische, sozialistische Revolution. Beide "Ebenen" haben ein dialektisches Verhältnis, bedingen sich gegeneinander, aber jede Form der "Mischung" bedeutet objektiv eine Aushöhlung, Schwächung und gegebenenfalls sogar Zerschlagung beider Entwicklungsprozesse. Deshalb ist ein wichtiger Bestandteil dieses dialektischen Verhältnisses die Leninsche Forderung nach Klarheit vor Einheit!

Welche Grundtendenzen innerhalb der kommunistischen Bewegung haben sich also im Zuge und als Konsequenz von Revisionismus und Konterrevolution herausgebildet?

1) nicht wenige Parteien, vor allem im ehemals sozialistischen Lager, haben sich ganz offiziell aufgelöst (z.B. in Polen, Rumänien). Andere haben sich in offen sozialdemokratische Formationen verwandelt, was in Einzelfällen nicht ausschließen muss, dass in ihnen nach wie vor Strukturen und/oder einzelne Mitglieder zu finden sind, die ein kommunistisches Selbstverständnis artikulieren und/oder sich zumindest in kommunistischer Tradition fühlen. Diese Parteien haben damit sozusagen das Endstadium des Revisionismus erreicht: die organisatorische und/oder politisch-ideologische Tilgung des Marxismus-Leninismus;

2) andere Parteien befinden sich noch auf einem revisionistischem Entwicklungsweg (in der BRD die DKP). Das jeweilige Entwicklungsstadium muss sehr differenziert analysiert und bezüglich jeder einzelnen Partei oder Formation gesondert betrachtet werden. Ihnen allen gemeinsam ist es jedoch, dass ihre politisch-ideologische Programmatik sowie ihre Führungen mehrheitlich, dominant oder geschlossen revisionistisch sind. Die DKP ist deshalb hinsichtlich ihres Programms, ihres Führungspersonals sowie ihrer Positionen bezüglich grundsätzlicher Fragen (Beispiele wie Irak, Libanon, Naher Osten oder zur so genannten "Europäischen Linkspartei" wie auch ihre Stellung zur und Einschätzung der Rolle der Partei "Die Linke" seien an dieser Stelle nur stichwortartig und ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit erwähnt) in den für eine kommunistische Partei entscheidenden Fragen revisionistische Partei. Trotzdem - und dies widerspricht nicht dieser Grundeinschätzung (!) - gibt es innerhalb der DKP immer (noch) vereinzelt Parteistrukturen und/oder einzelne Genossinnen und Genossen, die innerhalb ihrer Partei für Veränderungen streiten, die den kommunistischen Charakter der DKP wiederherstellen sollen;

3) eine Minderheit von Parteien hat, teilweise noch sehr widersprüchlich und ebenfalls in unterschiedlicher Konsequenz, eine Korrektur revisionistischer Positionen vorgenommen und einen eindeutig marxistisch-leninistischen Entwicklungsweg eingeschlagen. Zu den herausragendsten und dynamischsten Kommunistischen Parteien, die in Europa auf marxistisch-leninistischen Positionen kämpfen, zählen vor allem die griechische KKE, aber auch die schwedische KP, die portugiesische PCP oder die belgische PTB.

Auf die Entwicklung vormals "maoistischer" Parteien (seien sie ehemals auf die KP Chinas oder die Partei der Arbeit Albaniens orientiert gewesen) kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Manche von ihnen spielen jedoch eine offen konterrevolutionäre Rolle (so in der BRD die so genannte MLPD, der "Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD, die diversen KPD/MLs oder zum Beispiel auf internationaler Ebene die so genannte PCP/"Sendero Luminoso" in Peru). Ihnen gemeinsam ist, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, ihr Bezug auf die maoistische Sozialfaschismus- und/oder Drei-Welten-Theorie. Für die BRD bedeutet dies z.B. die Ablehnung der DDR als größter Errungenschaft der deutschen Arbeiterklasse und ihre Denunzierung als "sozialfaschistischer Diktatur", zu welchem Zeitpunkt und in welchem Duktus auch immer.

Zwar gibt es inzwischen eine Reihe von regelmäßigen oder auf einzelne Anlässe bezogene internationale Treffen kommunistischer und Arbeiterparteien; ihre Struktur, Ablauf, Orientierung und Positionierungen widerspiegeln jedoch den oben skizzierten, in unterschiedliche Tendenzen zerfallenden Charakter dessen, was von der einst mächtigen internationalen kommunistischen Bewegung übrig geblieben ist.


Die Widersprüche spitzen sich zu

Die seit dem - zeitweiligen - Sieg der Konterrevolution in den sozialistischen Ländern vorherrschende so genannte "Neue Weltordnung" hat die Barbarei des imperialistischen Weltsystems auf allen Ebenen eskalieren lassen. Zwar ist der US-Imperialismus noch militärisch und ökonomisch dominant, aber ihm erwachsen mit deutlich erkennbarer Geschwindigkeit mächtige imperialistische Konkurrenten, vor allem Europa, in dem der BRD-Imperialismus eine herausragende Rolle nicht nur hinsichtlich seiner politischen und ökonomischen Stellung, sondern vor allem auch seiner Aggressivität spielt. In diesem Sinne formieren die herrschenden Klassen ihre imperialistischen Gesellschaften, machen sie sozusagen "fit" für die langsam, aber wahrnehmbar eskalierende innerimperialistische Konkurrenz; Stichworte hierfür sind massiver Sozialabbau, die Vernichtung hart erkämpfter sozialer und gewerkschaftlicher Rechte insbesondere der Arbeiterklasse, der rasante Abbau demokratischer Rechte bis hin zu Faschisierung (siehe USA) und damit der in Konsequenz verbundene Auf- und Ausbau der Repressionsorgane, die organisierte Entwicklung extrem nationalistischer, chauvinistischer, sogar offen faschistischer Kräfte.

Im Rahmen der so genannten "Neuen Weltordnung" wurde der Krieg wieder zu einem Mittel der Durchsetzung von Politik im Zusammenhang mit imperialistischen ökonomischen wie geostrategischen Interessen. Die Kriege gegen Jugoslawien, den Irak und der drohende gegen den Iran seien hier wirklich nur als Stichworte angerissen. Diese Kriege haben jedoch auch blutig belegt, dass die innerimperialistischen Widersprüche anwachsen, aus der Konkurrenz der imperialistischen Mächte zunehmend eine immer härter und schärfer geführte Auseinandersetzung unter ihnen wird. Kurzum: die Kriegsgefahr wächst, auch unter den imperialistischen Mächten.

Diese sich zuspitzenden Bedingungen imperialistischer Barbarei, anhaltender Konterrevolution sowie den insgesamt noch viel zu unterentwickelten Klassenkämpfen sowie Kämpfen um nationale Befreiung und antiimperialistische Orientierung, beeinflussen natürlich insbesondere die unterschiedlichen Entwicklungstendenzen innerhalb dessen, was der Revisionismus von der kommunistischen Bewegung übrig gelassen hat. Hiervon sind alle noch existierenden ideologisch-politischen Strömungen sowie Parteien und andere organisatorische Strukturen betroffen. Dies bedeutet, dass zurzeit folgende Tendenzen zu beobachten sind:

1) innerhalb der Parteien und Organisationen, die sich - widersprüchlich und mit unterschiedlichem Tempo - auf dem revisionistischen Entwicklungsweg befinden, spitzen sich die Widersprüche zum Teil dramatisch zu (Beispiel: Österreich) oder aber sind nicht mehr zu übertünchen und manifestieren sich inzwischen in konkret geführten öffentlichen Debatten, die über den organisatorischen Rand der betroffenen Partei hinausgehen (Beispiel: BRD/DKP). Hierbei ist zu beobachten, dass die Kritik an den jeweiligen revisionistischen Parteiführungen inzwischen nicht mehr nur von marxistisch-leninistischen Kräften innerhalb der betroffenen Organisationen vorgetragen wird. Auch dies ist ein sehr lebendiger Beleg für den fortschreitenden politisch-ideologischen wie organisatorischen Zerfallsprozess des Revisionismus;

2) die Konsolidierung der Parteien (z.B. KKE), die ihre Politik auf Basis des Marxismus-Leninismus entwickeln und umsetzen, nimmt immer klarere Züge an. Sie werden damit, obwohl sie sich insgesamt noch in der Minderheit befinden, zu einem kommunistischen Pol nicht nur für die zu erkämpfende Reorganisation der kommunistischen Bewegung, sondern besonders auch für den weltweiten Aufbau einer breiten, demokratischen, antiimperialistischen Front.


"Kritik auf den Knien"

Teil der von mir skizzierten, sich zuspitzenden Widersprüche ist die immer vernehmbarer werdende "Kritik auf Knien" innerhalb der sich auf dem revisionistischen Entwicklungsweg befindlichen Parteien. Dies ist aus meiner Sicht ein Beleg sowohl für die zunehmende ideologisch-politische, organisatorische Schwäche der revisionistischen Kräfte (selbst wenn sie in ihren Parteien und Organisationen noch dominant sind), aber auch der Marxisten-Leninisten. Das wurde innerhalb der kommunistischen Bewegung sowohl auf internationaler Ebene, wie auch in ihrer nationalen Entsprechung immer deutlicher. Ich möchte deshalb für die Situation in der BRD jene Tendenz, auch in ihrer Widersprüchlichkeit, untersuchen. Ich nenne sie "Kritik auf Knien".

Als Beispiel für eine solche "Kritik auf Knien" können die Positionen genommen werden, die Genosse Hans Heinz Holz in der "jungen Welt" am 8. Januar 2005 ("Richtungskämpfe müssen ausgefochten werden" und am 20. Januar 2005: "Es gilt, die Einheit der Gegensätze herzustellen") entwickelt hat.

Beide Aufsätze enthalten Richtiges und Kluges, vieles Ungenaues, manches Falsches. Zunächst einmal muss die Forderung des Genossen Holz, dass Richtungskämpfe ausgefochten werden müssen, vorbehaltlos unterstützt werden, zumal die Verkleisterung derselben auch kaum mehr durchzuhalten ist angesichts der fortschreitenden Barbarei des Imperialismus. Daher hat der entsprechende Titel des ersten Textes von Genossen Holz in der "jungen Welt" bei nicht wenigen Genossinnen und Genossen Unterstützung, ja Hoffnung geweckt.

Doch welche Konsequenzen sieht Genosse Holz aus der von ihm erhobenen Forderung und den damit erweckten Erwartungen?

Er beschreibt die internationale kommunistische Bewegung in ihrer massiven Krise und Zerrissenheit. Das ist durchaus richtig. Doch schon bei dieser Beschreibung schleichen sich Ungenauigkeiten und Fehler in seinen Aufsatz. Er baut einen Widerspruch zwischen den kommunistischen Parteien Europas (die sich alle noch nach "der Niederlage des Sozialismus in der Sowjetunion" in einer "tiefe(n) Krise" befänden und jenen aus dem Trikont (wobei er folgende Länder und Regionen besonders hervorhebt: "Indien und Lateinamerika, im Nahen Osten und in Südafrika", wo der "kommunistische Kampfgeist (...) noch ungebrochen" sei. Konkrete Beispiele nennt er nicht. Damit wird das Bild, das Genosse Holz vom derzeitigen Zustand der internationalen kommunistischen Bewegung malt, in einer Mischung aus Ungenauigkeit und Fehlerhaftigkeit gezeichnet.

Zum einen gibt es sehr wohl in Europa kommunistische Parteien, deren "Kampfgeist ungebrochen" ist. Dies sind vor allem die griechischen Genossen der KKE, die portugiesischen Genossen der PCP, die schwedischen Genossen der KP oder die belgischen Genossen der PTB. Was diese Parteien - bei manchen Unterschiedlichkeiten in einigen Positionen - eint, ist die Tatsache, dass sie ein festes marxistisch-leninistisches Fundament besitzen, das sie sich zum Teil im härtesten Kampf mit revisionistischen Kräften innerhalb wie außerhalb ihrer Parteien bewahrt, erneuert oder zurückerkämpft haben.

Und wenn Genosse Holz nebulös Indien als Hort des Kampfgeistes erwähnt, wen meint der dann? Die revisionistische KP Indiens oder zum Beispiel die Genossen des SUCI (wahrscheinlich wohl eher nicht)? Und ist eine Partei, die wie in Südafrika (vom Genossen Holz besonders hervorgehoben) viele neoliberale Winkelzüge der Regierung, die auf Kosten der Arbeiterklasse gehen, unterstützt oder in Zimbabwe offen auf Seiten der konterrevolutionären Opposition zur ZANU-PF steht, die sich bereits vor Jahren parteioffiziell von wesentlichen Grundpositionen des Marxismus-Leninismus sowie den Traditionen der internationalen kommunistischen Bewegung verabschiedet hat, wirklich als "Kraftquell" zu bezeichnen? Im Nahen Osten spielen Kommunisten nur eine Rolle am Rande der Entwicklungen sowie der immer schärfer werdenden antiimperialistischen Kämpfe. Im Irak ist die Führung der dortigen so genannten "Irakischen Kommunistischen Partei" zu billigen Kollaborateuren mit dem US-Imperialismus verkommen. Leider gibt uns Genosse Holz jedoch kein Instrument zur Hand, mit dessen Hilfe wir in der Lage wären, kommunistische "Kraftquellen" im Nahen Osten zu orten. Es wäre wirklich sehr interessant, zu erfahren, welche er erkennen kann und nach welchen Kriterien er sie zum "Kraftquell" erhoben hat.

Und warum schweigt sich Genosse Holz über die Rolle jener Länder (Cuba, VDR Korea, Vietnam, Laos, China) aus, die, von kommunistischen Parteien geführt, am Aufbau des Sozialismus festhalten wollen?


Weitere Aspekte

Es gibt noch eine Reihe weiterer Aspekte in den beiden genannten Aufsätzen des Genossen Holz, die entweder unklar, nebulös, falsch oder eine Mischung aus allem sind. Erwähnen möchte ich nur am Rande, dass er sich mit den Beschreibungen kommunistischer Traditionen, Fehlentwicklungen, Problemen unter den Zwischenüberschriften "Ursprünge der Krise" oder "Kommunistische Identität" nicht nur auf der Ebene von Oberflächlichkeit bewegt, sondern viel mehr Fragen und Probleme in einer Art und Weise "bedient" (Beispiel: "Dieser Weg forderte ungeheure Opfer. Auf ihm wurden auch Verbrechen begangen, die nicht hingenommen und gerechtfertigt werden dürfe. Es gab schließlich eine bürokratische Erstarrung, die die Initiative der Menschen lähmte und die Weiterentwicklung zum Erliegen brachte.") Hiermit meint er die notwendige Repression konterrevolutionärer Kräfte in der Sowjetunion vor allem in den 20er und 30er Jahren, die ein Beleg für die Verschärfung des Klassenkampfes im Sozialismus, vor allem vor dem Hintergrund des immer stärker werdenden Faschismus in Europa, sind. Dass es dabei zu bedauerlichen Fehlern und auch Überspitzungen kam, haben die sowjetischen Kommunisten, so auch Genosse Stalin, als erste angeprangert, kritisiert und korrigiert. Die Positionen des Genossen Holz landen jedoch auf einer "schiefen Ebene", die zu revisionistische Positionen hinführt.

Bei allen Fragen, die beide Aufsätze aufwerfen, bei allem Richtigen, das zu unterschreiben ist, bei allem Falschen oder Ungenauen, über das diskutiert werden müsste - dennoch ist ein roter Faden erkennbar, der sich durch beide Aufsätze (wie auch andere Veröffentlichungen) des Genossen Holz zieht und der typisch für jene lauter vernehmbare Position ist, die ich mit "Kritik auf Knien" bezeichnen würde.

Genosse Holz drückt sich vor einer entscheidenden Positionierung: der Rolle des Revisionismus in der kommunistischen Bewegung - seine historischen Konsequenzen bis hin zu seinem aktuellen Einfluss. Mehr noch: Revisionismus im klassischen Sinne vermag er anscheinend nicht zu erkennen ("Es wäre falsch, hier einfach von Opportunismus und Reformismus einerseits, von Orthodoxie und Dogmatismus andererseits zu sprechen."). Genosse Holz sowie alle jene, die wie er ihre "Kritik auf Knien" vortragen, verschließen natürlich ihre Augen nicht vor der Tatsache der sich verschärfenden Widersprüche innerhalb vieler kommunistischer Parteien als Ausdruck der sich verschärfenden Widersprüche des Imperialismus.

Im Gegenteil, sie kritisieren in vielen Fragen grundsätzlich die Positionen revisionistischer Parteiführungen und/oder Ideologen. Sie streiten aus ihrer Sicht für eine wirklich revolutionäre Alternative zur Barbarei des Imperialismus, für einen revolutionären Bruch mit diesem System. Sie erfüllt es mit Stolz, in der kämpferischen Tradition der kommunistischen Bewegung zu stehen. Sie positionieren sich daher im Prinzip positiv zum realen Sozialismus, insbesondere der Sowjetunion und DDR.

Sie sehen allerdings (noch) nicht die verheerende Rolle, die der Revisionismus in der kommunistischen Bewegung als Grundvoraussetzung für Spaltung, Konterrevolution, Schwächung, Zerschlagung oder Transformierung zur Sozialdemokratie gespielt hat und noch spielt. Sie sehen (noch) nicht die Zurückdrängung und schließliche Zerschlagung des Revisionismus als notwendig für den Wiederaufbau einer kommunistischen Bewegung, die fest auf den Positionen des Marxismus-Leninismus steht.

Im Gegenteil, Genosse Holz beschwört die "Einheit der Gegensätze"(148): "Ich wollte zeigen, dass es aus historischen Gründen in der gegenwärtigen Phase der Neuformierung weltpolitischer Fronten zwei Tendenzen im Kampf gegen den Imperialismus gibt: dass diese Tendenzen einen objektiven Widerspruch der Situation widerspiegeln; und dass es für die kommunistische Bewegung verhängnisvoll wäre, wenn nicht beide Tendenzen zusammen das Bewusstsein und die Handlungsbreite kommunistischer Parteien bestimmen: defensiv bis reformerisch (nicht reformistisch!) und offensiv bis revolutionär. Die Dominanz der einen Richtung würde zu einer 'Sozialdemokratisierung' führen, die Dominanz der anderen Richtung geriete in die Gefahr eines abenteuerlichen Linksradikalismus."(149) Welch ein Drahtseilakt, den Genosse Holz mit vielen Worten, in vielen Bildern, manchmal nebulös durchzuhalten sucht, nur um nicht mit allen Konsequenzen über die Rolle und Funktion des Revisionismus in der kommunistischen Bewegung zu sprechen oder sich klar und eindeutig positionieren zu müssen (dabei weiß er sehr gut den Klasseninhalt des Revisionismus einzuschätzen, sonst würde er ja nicht, wie das Zitat belegt, vor einer "Sozialdemokratisierung" der kommunistischen Bewegung bzw. ihrer Partei warnen, falls von ihm als "defensiv bis reformerisch" beschriebene Kräfte die absolute Dominanz hätten)!

Diese Position des Genossen Holz ist jedoch nicht neu: "In vielen Einzelfragen mag es und wird es unterschiedliche Vorstellungen bei Genossinnen und Genossen geben. Sie verdienen Beachtung und Respekt. (...) Der Ausdruck unserer politischen und weltanschaulichen Einheit ist das Programm, das sich die Partei gibt. Darum ist es richtig, dass um die Inhalte des Programms mit höchstem Ernst gerungen wird. (...) Wo Differenzen auftauchen, müssen diese in gegenseitiger Achtung und ohne Rechthaberei ausgetragen werden. (...) Es gibt keine Alternative zur Partei."(150) An anderer Stelle wurde Genosse Holz in dieser Hinsicht allerdings noch deutlicher: "Unleugbar ist, dass unter Kommunisten heute konzeptionelle Differenzen bestehen, die auch in kontroversen Publikationen zutage treten. Nicht ideologische Abstempelungen und Verdammungsurteile schaffen diese Situation aus der Welt, sondern nur eine konsequente und solide theoretische Arbeit, die sich mit der Praxis des Klassenkampfes vermittelt. Damit muss die Einheit aller kommunistisch Denkenden das Ziel sein; Zersplitterung der Kommunisten nutzt nur der herrschenden Klasse. Eine polemische Kritik von 'links' schwächt den ohnehin schwierigen Konsolidierungsprozess der kommunistischen Partei, der DKP, die die Kerntruppe der 'Linken' in Deutschland bildet. Wie wir aus der Geschichte der Arbeiterbewegung wissen, haben antikommunistische Geheimdienste sich dies immer wieder zunutze gemacht."(151)

Genosse Holz und alle, die ihre "Kritik auf Knien" vortragen, haben es jedoch bisher versäumt, zu erklären, wie eine faktische Einheit von Revisionismus und Marxismus-Leninismus in einer Partei dauerhaft "funktionieren" soll, ohne dass diese Partei ihren revolutionären Charakter verliert. Auch ist mir kein geschichtliches Beispiel bekannt, wo dies in etwa über einen längen Zeitraum "funktioniert" hätte. Die Geschichte der PDS sei hier nur als letzte Katastrophe in dieser Hinsicht genannt.

Und: die Identität der Kommunisten ist unmittelbar mit dem Kampf gegen den Revisionismus und jegliche Formen des Opportunismus in der Arbeiterbewegung (wie auch in den eigenen Reihen) verbunden. Ja, die Gründung der Kommunistischen Parteien als eigenständige revolutionäre Formation der Arbeiterbewegung wäre ohne diese permanente Auseinandersetzung überhaupt nicht erklärlich (und historisch notwendig gewesen). Anders formuliert: ohne diese Auseinandersetzung, verknüpft mit der Verteidigung der Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus, ist die Existenz von kommunistischen Parteien objektiv überflüssig, ihre Existenzberechtigung stirbt förmlich ab...

DESHALB ist es hier und heute die revolutionärste Aufgabe der Kommunistinnen und Kommunisten, in der imperialistischen BRD, also einer Hauptmacht des imperialistischen Europa, mutig und entschlossen auf klaren marxistisch-leninistischen Positionen, ob in einer kommunistischen Formation organisiert oder unorganisiert, gemeinsam einen tatsächlich kommunistischen Pol zu formieren, auf dessen Basis langfristig wieder eine einheitliche, marxistisch-leninistische Kommunistische Partei aufzubauen. Dies ist die Voraussetzung für ein wirkliches und vorwärtsweisendes kommunistisches Eingreifen in die Entwicklung der Klassenkämpfe sowie den Aufbau einer breiten, demokratischen, anti-imperialistischen Volksfront unter Führung der Arbeiterklasse als Voraussetzung für den Sieg der proletarischen, sozialistischen Revolution! Sozialismus oder Barbarei!

Michael Opperskalski, Köln


Anmerkungen

(145) W.I. Lenin: "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus", Ausgewählte Werke, Bd. II, S. 768, Frankfurt/Main 1970

(146) "Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki), Kurzer Lehrgang", S. 447, Berlin (DDR) 1955

(147) Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), Dokument des ZK, "Gedanken über Faktoren, die zur Zerschlagung des sozialistischen Systems in Europa führten (...)", Athen, Griechenland, 24. März 1995, S. 25 und 32 ff.. Zur Entwicklung, Rolle und Funktion des Revisionismus siehe ausführlich das entsprechende Sonderheft der "offen-siv" ("Der Revisionismus", Nr. 2/2004)

(148) "junge welt", 20. Januar 2005

(149) ebenda

(150) Hans Heinz Holz: "Die Einheit der Partei und ihr Programm" in UZ, 16. Januar 2004

(151) Hans Heinz Holz: "Ein Brief an Rosemarie Müller-Streisand" in "Weissenseer Blätter", Nr. 2/2002. Aber Genosse Holz greift sogar - im Einklang und ähnlich wie einige Mitglieder der DKP-Führung, wohl auf Basis ihrer "Informationen" - ganz der Argumentationslinie und Logik seines Aufsatzes folgend zur Methodik der Diffamierung, wenn er z.B. den Autor dieses Aufsatzes als "Geheimdienstagenten" zu verunglimpfen versucht hat.


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Frank Flegel(152): Klarheit vor Einheit

Liebe Genossinnen und Genossen,

Klarheit vor Einheit ist ein nicht ganz einfaches Thema.

Zunächst stellt sich die Frage, um welche Einheit es eigentlich geht:

Es gibt Bündnisse wie die konkrete und aktuelle Aktionseinheit, die langfristigere und strategische Einheitsfront und es gibt die Einheit der Kommunisten.

Unter Aktionseinheiten versteht man im allgemeinen Zusammenschlüsse unterschiedlicher Kräfte zwecks einer ganz konkreten Aktion, z.B. gegen einen Aufmarsch von Neofaschisten in einer Stadt, gegen die Ansiedlung eines Atomkraftwerkes, gegen eine militärische Zeremonie oder ähnliches. Dies ist die breiteste Form der Einheit, beruhend auf dem gemeinsamen Interesse des Kampfes gegen ein einzelnes Phänomen. Dementsprechend finden sich hier unterschiedlichste Kräfte aus unterschiedlichen Klassen und Schichten mit - das gemeinsame Ziel einmal ausgenommen - völlig unterschiedlichen Interessen und politischen Vorstellungen.

Unter Einheitsfronten versteht man dagegen langfristiger angelegte Bündnisse wie es die antifaschistische Einheitsfront oder unterschiedliche anti-imperialistische Bündnisse waren und sind. Mit Abstrichen kann man auch die Friedensbewegung und die Anti-Atomkraftbewegung hinzurechnen. Auch hier gibt es unterschiedliche Klassenkräfte und unterschiedliche Interessen, das gemeinsame Ziel ist aber langfristig angelegt, bei diesem Zusammenschluss handelt es sich um ein strategisches Bündnis.

Beide haben mit kommunistischer Einheit zunächst einmal nichts zu tun.

Kommunistische Einheit kann als Grundlage nur die gemeinsame wissenschaftliche Weltanschauung haben, den Marxismus-Leninismus. Das klingt ganz einfach, ist es offensichtlich aber nicht, denn statt kommunistischer Einheit sehen wir heute eine große Zersplitterung der kommunistischen Bewegung.

Schauen wir uns deshalb die größten historischen Brüche kurz an:

Die erste große Spaltung entstand 1918/1919 am Ende des Ersten Weltkrieges. Sie war die Folge der durch den klassischen Revisionismus hervorgerufenen Katastrophe der alten revolutionären Sozialdemokratie, die 1914 mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten ins Lager der Bourgeoisie wechselte, statt europaweit mit Massenaktionen und Streiks gegen den Krieg aufzustehen. 1918/1919 ließ diese Sozialdemokratie dann auf die Revolutionäre des Spartakusbundes schießen und erstickte die Novemberrevolution.153 Die Ursache dieser Spaltung war der klassische Revisionismus, der den Kampf gegen die Bourgeoisie ersetzte durch die Zusammenarbeit mit ihr.

Einige Jahrzehnte später entwickelte sich eine neue Form des Revisionismus, der moderne Revisionismus in den sozialistischen Staaten, genauer: in den kommunistischen Parteien, die an der Macht waren. Während der Stalin-Ära wurde dieser systematisch bekämpft. Was geschieht, wenn er stattdessen gefördert wird, zeigte sich 1956: Der XX Parteitag der KPdSU markiert den Durchbruch dieses modernen Revisionismus an die Macht. Inhaltlich ähnelt er dem klassischen Revisionismus, auch hier wird der Klassenkampf ersetzt durch die Klassenkollaboration, Frieden sichern durch Zusammenarbeit mit dem Imperialismus (und nicht durch den Aufbau eigener Stärke), Klassenkampf im Inneren leugnen durch die These von der Partei des ganzen Volkes, Propagierung des parlamentarischen Weges zum Sozialismus, gleichzeitiger Rückbau der Planwirtschaft und des volkseigenen Sektors der Ökonomie und so weiter.

Mitte der 60er Jahre erfolgte als Resultat der Chrustschow-Politik die nächste große Spaltung, die Spaltung des sozialistischen Weltsystems, UdSSR und Staaten des Warschauer Paktes auf der einen Seite, Volks-China mit einigen Verbündeten auf der anderen. Diese Spaltung bedeutete eine enorme ökonomische und politische Schwächung der kommunistischen Weltbewegung.

Und etwas mehr als 20 Jahre später vollendete der moderne Revisionismus dann sein Zerstörungswerk mit der Katastrophe von 1989/90. Sie war die Folge der Niederlage der marxistisch-leninistischen Kräfte in der KPdSU gegen den modernen Revisionismus der Gorbatschowisten, die den Sozialismus in Theorie und Praxis so weit ausgehöhlt hatten, dass er sich 1989/90/91 annähernd wehrlos der Konterrevolution geschlagen geben musste.

Parallel dazu war in Westeuropa eine ähnlich zerstörerische Offensive des Revisionismus abgelaufen: der so genannte "Eurokommunismus". Dieser raffte die einst starken kommunistischen Parteien Italiens, Frankreichs und Spaniens entweder völlig dahin oder ließ sie zu neosozialdemokratischen Wahlvereinen verkommen. Reste marxistisch-leninistischer Kräfte versuchten zu retten, was zu retten war, erst unter Beibehaltung der Einheit der Partei, dann auch mittels Abspaltung oder Neugründung. Das Resultat ist im Ganzen gesehen niederschmetternd.

Man muss anerkennen, dass der Revisionismus das erreicht hat, was die Bourgeoisie weder durch die Kommunistenverfolgung der Faschisten noch durch den Angriffskrieg gegen die Sowjetunion erreicht hat - die Zerstörung der kommunistischen Partei und die Zerstörung des Sozialismus in Europa. Für das vergangene Jahrhundert gilt: der Revisionismus war die schärfste, weil erfolgreichste Waffe der Bourgeoisie im Kampf gegen die kommunistische Bewegung.

Daraus ergeben sich wichtige Schlussfolgerungen für heute:

1. Der Revisionismus betrieb und betreibt die Aufweichung und Entstellung der wissenschaftlichen Theorie unserer Klassiker.

2. Damit produziert er die ideologische Spaltung zwischen wissenschaftlicher Weltanschauung und revisionistischen Abweichungen.

3. Er produziert außerdem eine noch weitergehende Zersplitterung, denn hat eine Partei erstmal Abschied genommen von der wissenschaftlichen Weltanschauung, dann besteht die Politik aus irgendwelchen Positionen zu irgendwelchen Phänomenen. Diese Positionen werden zunehmend beliebig, sind nicht mehr wissenschaftlich zu begründen - und daraus entwickeln sich selbstverständlich weitere Spaltungen je nach Ausmaß der Anpassung an die bürgerliche Gesellschaft. Z.B.: Welche antiimperialistischen Kämpfe unterstützt man noch - und von welchen distanziert man sich? Wie weit geht man in der Frage von Krieg und Frieden? Trägt man im Schwitzkasten der "Sachzwänge" Sozialabbau mit - und wenn ja, wie weit? Und so weiter.

4. Der Revisionismus ist grundsätzlich dogmatisch, auch wenn er stets das Gegenteil von sich behauptet, denn der Revisionismus muss den offenen wissenschaftlichen Diskurs fürchten. Er selbst hat ja die Wissenschaftlichkeit von Politik, den Marxismus-Leninismus verlassen und an dessen Stelle allgemeine Glaubenssätze gestellt. Dementsprechend arbeitet der Revisionismus mit den Mitteln der Ausgrenzung, Verunglimpfung, ja mit dem Bannstrahl gegen seine kommunistischen Kritiker. Ich wurde beispielsweise einmal erstaunt, ungläubig und kopfschüttelnd gefragt, ob ich wirklich Bücher von Stalin besäße. Genau so funktioniert dieser "undogmatische" Dogmatismus: man darf sich noch nicht einmal informieren!

Wie nun aber bei all dem Gerümpel zur kommunistischen Einheit kommen?

Angesicht der Lage in Deutschland habe ich schon oft gehört: "Lasst beiseite, was Euch trennt - stellt nach vorne, was Euch eint".

Dies Motto ist sicherlich gut gemeint. Aber kann damit eine kommunistische Einheit erreicht werden? Nein, liebe Genossinnen und Genossen, das kann sie nicht, denn auf diesem Wege würden die Differenzen und Widersprüche zwischen Marxismus-Leninismus und Revisionismus als Wurzel in die Einheit gelegt. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wohin das führt: zur nächsten Spaltung.

Die Einheit der Kommunisten muss sich deshalb abgrenzen vom Revisionismus.

Für die kommunistische Einheit muss gelten: Verteidigung des Marxismus-Leninismus, konsequenter Kampf gegen den Revisionismus, Abwehr jeder ideologischen Beliebigkeit. Anders ist die Einheit der Kommunisten nicht zu erreichen.

Für Kommunisten muss gelten: Klarheit ist die Grundbedingung der Einheit.

Frank Flegel, Hannover


Anmerkungen

(152) Frank Flegel: Redakteur der Zeitschrift offen-siv, Mitglied des Herausgebergremiums offen-siv

(153) Nur am Rande angemerkt sei, dass die deutsche Sozialdemokratie 1933 im Bestreben, von den Hitlerfaschisten nicht verboten zu werden, ihren Vorstand "judenfrei" machte.


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Josef Skala(154): Wir müssen das Desinformationsmonopol brechen

Liebe Genossen!

Als Kennedy ankam in Berlin, verkündete er demagogisch: "Ich bin ein Berliner". Ich möchte heute ankommen und sagen: "Ich bin ein Ostberliner". Und das ist eine bescheidene, aber ganz ehrliche Haltung.

Ich sollte heute zum Thema Revisionismus sprechen in der Tschechoslowakei und auch in der Sowjetunion. Man kann die Antwort in Form eines einzigen Zitats von Gorbatschow geben. Er wurde 1988 von Journalisten gefragt, was eigentlich der Unterschied zwischen ihm und Dubcek sei. Die Antwort lautete: "Nur 20 Jahre."

Ich gehe davon aus, dass ich vor Euch nicht stundenlang über den Revisionismus referieren muss. Ich möchte mich jetzt eher auf die Fragen beschränken, die noch unklar oder ungelöst sind.

Ihr wisst von der Art und Weise, wie Marx, Lenin und überhaupt unsere Klassiker Gedenktage begangen haben, nämlich immer mit ganz konkreten Aufgaben und Zukunftsorientiertheit verbunden. Das Thema, mit dem wir uns heute auseinandersetzen, die Abwicklung der DDR und die Konterrevolution, könnte besser von einer anderen Perspektive verstanden werden. Wir kennen Engels und den "Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen". Wir sollten ein Buch schreiben über die partielle Menschwerdung des Kapitals durch den Sozialismus. Damit auch die jungen Leute verstehen, was wir verloren haben. Wir sollten uns klar machen, welch ein Mosaik von Menschenrechten es einmal gegeben hat, dass sie überhaupt erst durch den Sozialismus Wahrheit geworden und wie diese nach der Konterrevolution abgebaut worden sind.

Der so genannte Sozialstaat war dem Kapitalismus eins seiner ungeliebtesten Kinder. Wir sollten uns klar machen, wie stark der Sozialismus ausgestrahlt hat in den Klassenkampf der kapitalistischen Länder.

Und wir müssen uns ganz konkret größten Raubzug der Geschichte vor Augen führen. Das allererste was auf den Auktionstisch kam, waren alle sozialen Errungenschaften der DDR. Dann alle Vermögenswerte der DDR, die als Nettoverluste definiert worden sind. Die Werte, die die Treuhand für die Betriebe der sozialistischen Länder angesetzt hat, nicht nur in der DDR, sondern auch in der tschechischen Republik, wie z. B. bei Skoda, waren viel zu niedrig. Es ist so, dass ein Teil des Marktwertes eines Unternehmens durch seinen Namen, durch die Marke entsteht (Coca Cola sagt z.B., dass der Name des Unternehmens 90% des Wertes des Unternehmens ausmache). Die Marke steht für eine gewisse Marktakzeptanz. Hätte man diese Methode, wie die kapitalistische Unternehmen bewertete werden, auf die Treuhand in der DDR oder z.B. beim Verkauf von Skoda angewandt, wäre man zu komplett anderen Ergebnissen gekommen.

Schon relativ früh, in den 50er und 60er Jahren hat der Kapitalismus systematisch und mit Erfolg versucht, Kapital einzuschmuggeln in die sozialistischen Länder, dies ist ein wichtiger Baustein der Konterrevolution, den man berücksichtigen muss - dass es immer zwei Währungen z.B. in der DDR oder auch bei uns, in der CSSR gab. Ähnliche Probleme hatten wir im politischen System, also die so genannte Liberalisierung und die so genannten Reformen.

Das alles hat dazu geführt, dass die Arbeiterklasse verwirrt wurde, dass eben die revisionistischen Kräfte zum Zuge kamen. All diese Fragen bleiben aktuell und bleiben auf unserer Agenda.

Eine weitere Bemerkungen. Wir haben die größte Krise des Kapitalismus und die schlimmsten Auswirkungen werden wir erst noch erleben. Nun haben wir das Problem, dass die, die für dieses Krise verantwortlich sind, keine Vorstellung haben, wie diese Krise gelöst wird. Sie werden in keinster Weise konfrontiert mit ihrer Verantwortung und das ist eine große Herausforderung für uns. Diese Krise, wird den Kapitalismus von seiner langfristigen Erholung abschneiden.

Es ist uns aber bisher nicht ausreichend gelungen, genau diese Umstände zur Sprache und in die Politik einzubringen. Wir alle leiden unter dem fürchterlichen Desinformationsmonopol.

Es kann sein, dass wir nicht schaffen, was ich jetzt fordere: wir müssen das Desinformationsmonopol der Bourgeoisie brechen! Ich bin sicher, dass ihr mit mir übereinstimmt. Aber diese Aufgabe ist heute wesentlich schwerer, als sie es nach dem Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg war - zu der Zeit, als wir die sozialistischen Länder aufbauten.

Allein unter dem Banner von Hammer und Sichel können wir heute eine solche Gegeninformation nicht aufbauen. Es kann sein, dass ihr denkt, dass ich jetzt rede wie ein Reformist, aber ich garantiere euch, ich bin keiner. Die Frustration der Bevölkerung in den kapitalistischen Ländern wird im Zuge der Krise sehr groß werden. Diese Frustration wird ausgenutzt werden von den rechten Kräften, den Rassisten und Faschisten.

Und wir sind in dieser Defensivposition zu überlegen, wie wir in der Lage sind, in diesem kleinen Zeitfenster dieses Desinformationsmonopol, ja diese reaktionäre Entwicklung zu stoppen. - und gerade unter der jungen Generation. Mir geht es darum zu überlege, in welcher effektiven Art und Weise wir denn in der Lage sein könnten, die Jugend zu mobilisieren, also die Sprache dafür zu finden.

Ich habe gehört, dass morgen die Diskussion stattfinden soll, wie wir uns die Zukunft vorstellen, wie wir den zukünftigen Kampf organisieren.

Es würde mich freuen, wenn meine Hinweise als bescheidener Beitrag morgen in eure Überlegungen einfließen könnten.

Josef Skala, Prag


Anmerkung

(154) Josef Skala: Vor der Konterrevolution Vorsitzender des Kommunistischen Jugendverbandes der CSSR, heute Mitglied der KSCM, Distrikt 1, Prag, stellvertretender Vorsitzender der Partei.


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Fanis Paris(155)(KKE): Fragen, die einer weiteren Untersuchung bedürfen

Im Namen der Kommunistischen Partei Griechenlands bedanken wir uns bei den Organisatoren dieser Konferenz für die herzliche Einladung.

Wir bitten um Verständnis, dass wir keine spezifizierte Darstellung der Solidarität der DDR gegenüber der demokratischen Armee Griechenlands vorbereiten konnten. Die Ausrufung der vorgezogenen Neuwahlen in Griechenland und die Notwendigkeit für unsere Partei, so breit wie möglich bei der Arbeiterklasse und dem Volk präsent zu sein, haben die kollektive Ausarbeitung eines Referates unmöglich gemacht.

Wir verfolgen mit besonderem Interesse die Referate während Eurer Konferenz.

Die Wiederbelebung der Zuversicht an den Sozialismus habt Ihr verknüpft mit der Erklärung der Gründe für die Konterrevolution und die Wiederherstellung des Kapitalismus und mit der Verteidigung der Errungenschaften des Sozialismus, des ersten Versuchs in der menschlichen Zivilisation, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abzuschaffen.

Die Kommunistische Partei Griechenlands, die KKE, organisierte im Februar 2009 ihren 18. Parteitag. Nach einem reichen Gedankenaustausch und Diskussionen in den Parteiorganisationen verabschiedete der Parteitag die Thesen des ZK zum Sozialismus mit dem Titel: Einschätzungen und Schlussfolgerungen aus dem sozialistischen Aufbau im 20. Jahrhundert (Schwerpunkt UdSSR). Die Vorstellung der KKE über den Sozialismus.

Ich werde mich auf einige wichtige Punkte des Parteitagsbeschlusses beziehen und besonders auf Fragen, die einer weiteren Untersuchung bedürfen.

Das Hauptfeld unserer Untersuchung bildet die Sowjetunion als das Land, das als erstes den Sozialismus aufgebaut hat. Gegenstand der weiteren Forschungen sind auch die anderen Länder Mittel- und Osteuropas.

Der Beschluss des 18. Parteitages fokussiert auf das Feld der Wirtschaft, d.h. auf die Produktionsverhältnisse und deren Widerspruch gegenüber dem Stand der Entwicklung der Produktivkräfte im Sozialismus - Kommunismus.

Herausragend für uns ist die Bestimmung der Rolle des subjektiven Faktors, vor allem der bewussten und organisierten Vorhut der Arbeiterklasse, der Kommunistischen Partei, deren führende und regierende Rolle beim sozialistischen Aufbau und bei der sozialistischen Entwicklung eine Gesetzmäßigkeit darstellt.

Die zentrale Planung der Wirtschaft ist eine weitere Gesetzmäßigkeit und stellt eine erforderliche Bedingung für die Gestaltung der neuen Eigentumsverhältnisse und für die weitere Entwicklung der Produktivkräfte dar. Gesetzmäßigen Charakter haben auch die Arbeiterbeteiligung und -kontrolle der Produktionsleitung.

Der gesellschaftliche Charakter der Produktion muss vertieft werden. Die Gesamtheit der Produktion muss in das große gesellschaftliche (staatliche) Eigentum eingegliedert werden. Die Überbleibsel der Warenproduktion und des genossenschaftlichen Eigentums oder gegebenenfalls des Privateigentums an Produktionsmitteln und Produkten müssen planmäßig verschwinden. Die Verteilung der Produkte auf der Grundlage der gesellschaftlichen Bedürfnisse muss ständig erweitert werden - bis zu endgültigen Durchsetzung dieses Prinzips.

Die Verteilung mit dem Ziel der erweiterten Befriedigung der gesellschaftlichen Bedürfnisse ist eine Gesetzmäßigkeit des Kommunismus. Es wird für einen Zeitraum unabwendbar sein, dass in der unteren Stufe des Kommunismus (Sozialismus) ein Teil des gesellschaftlichen Produkts nach der geleisteten Arbeit verteilt wird.

Dieser Weg wird nicht ohne gesellschaftliche Widersprüche, ohne Klassenwidersprüche sein.

Die kommunistischen Verhältnisse werden nicht für einen längeren Zeitraum mit dem Markt, mit dem Wertgesetz, mit der Warenproduktion koexistieren können.

Der Weg zur Abschaffung der Widersprüche und der wesentlichen Unterschiede, wie z.B. zwischen Stadt und Dorf, zwischen er industriellen und der landwirtschaftlichen Produktion, des Widerspruchs zwischen intellektueller und schwerer körperlicher Arbeit, zwischen leitender und der ausführenden Arbeit, bedeutet Fortsetzung des Klassenkampfes mit anderen Formen und anderen Mitteln. Wie es bewiesen wurde, können solche Widersprüche sogar zu Zusammenstößen führen.

In jeder Entwicklungsphase des Sozialismus treten neue zu lösende Probleme auf. Ihre Lösung soll im Sinne der Entwicklung der kommunistischen Produktionsverhältnisse erfolgen. Andernfalls würde die Nichtrealisierung eines Schritts nach vorn nicht nur Stagnation, sondern Rückschritt bedeuten.

Veränderungen, die in der Wirtschaft der UdSSR nach dem 20. Parteitag der KPdSU und in den 60er Jahren (Kossygin-Reformen) im Namen der Lösung reeller Probleme (z.B. Mängel an bestimmten Produkten) stattfanden, führten zur Eigenverantwortung der Betriebe, führten den Begriff des Gewinns als Kriterium der Leistungsfähigkeit der Betriebe ein, verstärkten die Warenproduktion, intensivierten den Warenaustausch, intensivierten die daraus entstehende Anarchie, schwächten die Zentralplanung.

An dieser Stelle muss man bemerken, dass Anfang der 50er Jahre die Lösung der existierenden Probleme von der Partei der Bolschewiki in die entgegengesetzte Richtung angestrebt wurde: Entwicklung der kommunistischen Produktionsverhältnisse, die Umwandlung der Genossenschaften (Kolchose) in Sowchose, d.h. in eine große staatliche landwirtschaftliche Produktion. Das kommt im Werk von Stalin "Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR" sowie in den Dokumenten des 19. Parteitag der KP (Bolschewiki) zum Ausdruck, trotz mancher Schwächen und Widersprüche.

Ähnliche Veränderungen im Wirtschaftssektor erfolgten auch in anderen Ländern des sozialistischen Aufbaus. Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass uns besonders die ökonomischen Werte, Statistiken und Einschätzungen der Volksdemokratien und vor allem die der DDR interessieren.

Auf der theoretischen Ebene bei der KPdSU sowie in verschiedenen Instituten u.a. setzten sich falsche Vorstellungen durch, die ökonomische und politische Abweichungen theoretisierten. Das Wertgesetz galt als das Gesetz des Sozialismus! Auf der philosophischen Ebene setzte sich die Vorstellung über die nicht konkurrierenden Widersprüche durch. Solche Vorstellungen, besonders in der politischen Ökonomie, spielten eine negative Rolle bei der herrschenden Vorstellung der folgenden Jahre und ermöglichten die Einführung von kapitalistischen Kategorien in den Sozialismus.

Interessant ist auch die Untersuchung des Einflusses des ökonomischen Denkens von kleinbürgerlichen und sozialdemokratischen Wirtschaftswissenschaftlern auf die politische Ökonomie der sozialistischen Länder.

Ein besonderes Thema künftiger Forschung sind die wirtschaftlichen Beziehungen der Mitgliedsländer des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, sowie ihre wirtschaftliche Austauschbeziehungen mit den kapitalistischen Ländern. Existierte beispielsweise das staatliche Handelsmonopol oder durften einzelne Betriebe, direkt oder verdeckt, Außenhandelsbeziehungen pflegen?

Ein weiteres Forschungsthema ist die Entwicklung der Lohnpolitik, die Entwicklung in der Zusammensetzung der Arbeiterklasse.

Ein wichtiges Thema ist auch die Entwicklung der Eigentumsverhältnisse und der Verteilung bei der landwirtschaftlichen Produktion der UdSSR, die Differenzierungen innerhalb der Werktätigen in den sozialistischen Produktionsbetrieben und Dienstleistungen, das Schichtgefüge bei den individuellen und den kollektivierten Agrarproduzenten.

Ohne die Rolle des Imperialismus zu verkennen, ist es für uns das Wesentliche, dass die konterrevolutionären Umstürze von innen und von oben kamen. Sie waren weder das Ergebnis eines imperialistischen Eingriffs von außen, noch das eines konterrevolutionären Aufstandes. In der UdSSR und in anderen Ländern wurde die Wiederherstellung des Kapitalismus durch die Parteiführungen selbst gefördert.

Unsere Grundeinschätzung für dieses Phänomen ist es, dass der Opportunismus sich zu einer konterrevolutionären Kraft vollendet hat. Der Boden für seine Durchsetzung gestaltete sich jedoch auf der ökonomischen Grundlage selbst, denn besonders nach dem 20. Parteitag wurde eine größere Möglichkeit der Verselbstständigung der individuellen und gruppenbezogenen wirtschaftlichen Interessen gegenüber den gesellschaftlichen Interessen gegeben. Dadurch verstärkte sich die gesellschaftliche Grundlage des Opportunismus.

Das Klassenbewusstsein und die Wissenschaftlichkeit der Kommunistischen Partei und der Kampf gegen Opportunismus werden zu einem bestimmenden Faktor für den Ausgang des Klassenkampfes während des Aufbaus des Sozialismus.

Weiter erforscht werden sollen die Entwicklungen in der Klassenzusammensetzung der Partei, in ihrer Struktur und ihrer Funktion sowie in ihrem Einfluss auf das ideologische Niveau und die revolutionären Merkmalen, vor allem bei der KPdSU.

Interessante Erkenntnisse sollen, unserer Meinung nach, aus den Erfahrungen der anderen Parteien gewonnen werden, die an der Macht waren. Es waren Parteien, egal ob sie sich umbenannt haben oder nicht, die in ihren Reihen sozialdemokratische Kräfte durch die Vereinigung mit den linken Flügeln von Sozialdemokraten integrierten. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten die revolutionäre Strategie der Parteien, ihre konsequente Haltung gegenüber der Förderung der kommunistischen Produktionsverhältnisse ermöglichte. Inwieweit waren die kommunistischen Kräfte gezwungen, Zugeständnisse im Namen des Erhalts der Koalition zu machen?

Ein weiteres Forschungsfeld ist die Funktionsweise der Arbeitermacht, der Diktatur des Proletariats, zuerst in der UdSSR. Wir interessieren uns weiterhin für die Funktionsweise der Volksdemokratie als eine Form der Diktatur des Proletariats in anderen sozialistischen Ländern, das Bündnis der Arbeiterklasse mit den kleinbürgerlichen Schichten und der Auseinandersetzung untereinander.

Nach dem Weltkrieg und der Auflösung der Kommunistischen Internationale, 1943, schwächte sich die Ausarbeitung einer einheitlichen revolutionären Strategie. Die Gründung der Kominform im Jahr 1947 konnte diese Lücke nicht füllen. Trotz des Mangels an einer einheitlichen Strategie und einer einheitlichen internationalen Organisation des Proletariats kam durch die Parteien und die Völker der sozialistischen Länder die internationale Solidarität gegenüber den kämpfenden Völker und der KKE zum Ausdruck.

In der Zeit des dreijährigen Kampfes der Demokratischen Armee Griechenlands und der anschließenden Illegalität konnten tausender politischer Flüchtlinge, ehemalige Kämpfer, in der UdSSR und in den jungen Volksrepubliken Zuflucht finden. 1128 unter ihnen kamen in die DDR. Während des Kampfes wurden Tausende von verwundeten Kämpfern in den Volksrepubliken medizinisch betreut. In der DDR, in Dresden, konnten hunderte schwerverletzte Kämpfer der demokratischen Armee durch spezialisierte orthopädische Versorgung mit Kunstgliedern ausgestattet werden. In der UdSSR und in den Volksrepubliken konnte jahrzehntelang die Führung der KKE ihren Sitz haben. Hier, in der DDR, fand auch der 9. Parteitag statt, während in Griechenland die Militärdiktatur herrschte.

Nach dem zweiten Weltkrieg kam der Mangel einer gemeinsamen revolutionären Strategie unter den kommunistischen Parteien des Westens noch stärker zum Ausdruck - bezüglich der Machtfrage nach der Beendigung des Befreiungskrieges. Diese Widersprüche spiegelten sich in den Dokumenten der internationalen Treffen der nächsten Jahre wider, sowie im Auftreten der Strömungen des Eurokommunismus, also in der Umwandlung kommunistischer Parteien in sozialdemokratische Parteien mit kommunistischem Gewand.

Eine Frage, die zu erforschen ist, ist, in wieweit dieser Prozess die Parteien beeinflusste, die an der Macht waren, vor allem in Verbindung mit der Vorstellung über die friedliche Koexistenz und über den friedlichen parlamentarischen Weg zum Sozialismus.

Wir wollen zum Schluss die Notwendigkeit des Kampfes gegen den Antikommunismus der EU bekräftigen. Hier ist - auch gegen die opportunistischen Kräfte - kein Zögern zu rechtfertigen.

Der Sozialismus, den wir kennen gelernt haben, zeigte uns, dass die Arbeiterklasse auch ohne Kapitalisten leben kann!

Fanis Paris, Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE)


Anmerkung

(155) Fanis Paris: Mitglied der Ideologischen Kommission der Zentralkomitees der KKE und Redaktionsmitglied der Theoriezeitschrift der Partei


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Harpal Brar(156): Wir dürfen niemals vergessen, was der Sozialismus für die Menschheit geleistet hat

Zunächst herzlichen Dank im Namen meiner Partei, der kommunistischen Partei Großbritanniens - Marxisten-Leninisten, dass ich hier die Gelegenheit habe zu sprechen und ich grüße Euch alle in diesem Sinne und bedanke mich.

Unsere Partei ist noch sehr neu und sie ist auch noch sehr klein, aber dies treibt uns nicht die Schamröte ins Gesicht.

Unsere Bewegung ist insgesamt ziemlich zerschmettert und gespalten durch den Revisionismus und wir müssen die schwere Aufgabe auf uns nehmen, wieder ganz von vorn mit sehr viel Energie und sehr viel Geduld aufzubauen.

Nach dem Zusammenbruch aller Volksdemokratien in Osteuropa hat das Renegatentum in der Arbeiterbewegung überhand genommen. Diese Renegaten behaupten, dass das ganze Anliegen falsch sei. Der Sozialismus sei schief gegangen, das Modell Sowjetunion sei schief gegangen, die Oktoberrevolution sei schief gegangen, und das meinen sie grundsätzlich und erzählen uns deshalb, dass wir etwas komplett Anderes, etwas völlig Neues auf die Beine stellen müssten.

Unsere Partei meint genau das Gegenteil, nämlich, dass die Straße des Roten Oktober, die Straße des Sozialismus und die Straße des Bolschewismus genau die richtige ist und wie nie zuvor heute benötigt wird. Deshalb haben wir in Großbritannien mit unserer kleinen Partei genau diesen Weg eingeschlagen, weil wir überzeugt sind, dass der Weg des Marxismus/Leninismus, der Weg des Roten Oktober, der einzige Weg ist, der zu dem Ziel führt, die ganze Menschheit zu befreien.

Wir schämen uns nicht, die Errungenschaften zu feiern, die in der Sowjetunion und in den Volksdemokratien erreicht worden sind und wir schämen uns nicht, dann auch klar zu sagen, dass das unter der Führung von Josef Stalin passiert ist. Als Marxismus/Leninismus noch die Grundlage war für die osteuropäischen Volksdemokratien und die Sowjetunion, gab es keine Festung in der Welt, die nicht hätte auf dieser Basis erstürmt werden können. Und wir müssen ganz klar sehen, dass die Siege der Roten Armee, die Siege der Partisanen im Zweiten Weltkrieg, die die faschistische Armee zerschmettert haben, heute noch nachwirken, dass auch die sozialen Errungenschaften, die die Arbeiterklasse erreicht hat in den europäischen Ländern, auf diesen Siegen basieren.

Das mag jetzt erst einmal alles verschwunden sein, aber das ist nur zeitweise. Zeitweise sind die Volksdemokratien, zeitweise ist die DDR verschwunden, aber dies wird alles wiedererstehen, weil die Idee des Roten Oktober bestehen bleibt.

Wir müssen sehen, dass nach der Konterrevolution Kriege in einem völlig neuen Maße geführt werden - gerade nicht nur gegen die Dritte Welt, sondern auch in Europa, nämlich in Jugoslawien. Und wir haben eine ganz neue Dimension der Unterdrückung der Arbeiterklasse im eigenen Land.

Wenn wir uns nun anschauen was nach der Konterrevolution in den ehemals sozialistischen Ländern geschah, sehen wir Verbrechen, wir haben Prostitution, wir haben Drogenhandel und wir haben letzten Endes eine handvoll kleiner Oligarchen, die sich das Volkseigentum unter den Nagel gerissen haben. Man muss sich einmal vorstellen, all die hochausgebildeten jungen Leute, die heute eigentlich als Lehrer, als Techniker, als Zahnärzte, als Wissenschaftler arbeiten müssten, putzen stattdessen unsere Toiletten in den Zentren. Und wenn man dann in die Fünf-Sterne-Hotels marschiert in der Dritten Welt, dann trifft man dort Prostituierte aus Ost-Europa. Das sind die "Großartigkeiten", die erreicht worden sind nach der Zerstörung des Sozialismus. Dies sind "Großartigkeiten", die es unter sozialistischen Bedingungen unmöglich gegeben hätten.

Und nun müssen wir uns die Frage stellen, was können wir lernen aus dem, was nach der Niederlage passiert ist? Welche Konsequenten muss man ziehen?

Wir müssen uns klar machen, dass wir nicht von außen besiegt wurden! Nicht der Imperialismus hat gesiegt gegen den Sozialismus, sondern gesiegt haben die Renegaten, die Opportunisten, die Revisionisten, die Feinde im eigenen Lager, die den Sozialismus ausgehöhlt haben und sturmreif gemacht haben für den Feind.

Das, was die Hitlerarmee nicht geschafft hat, nämlich die Sowjetunion zu zerstören, haben Chrustschow und seine Anhänger geschafft. Mitten im ersten Weltkrieg hat Lenin sein wegweisendes Werk "Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" geschrieben. Bezüglich des Revisionismus der Sozialdemokraten hat er festgestellt, dass die in das Lager des Gegners übergegangen sind, bzw. zu seiner Hauptstütze geworden sind. Aus diesem Umstand hat er die Schlussfolgerung gezogen, dass man den Imperialismus nie sinnvoll bekämpfen kann, wenn man nicht zugleich den Opportunismus in der Arbeiterklasse bekämpft, der ja erst durch den Imperialismus ermöglicht wird.

Abgesehen von der eigenen Revolution, abgesehen von der Unterstützung der Revolution in den fortgeschrittenen Ländern hat die Sowjetunion zusätzlich etwas ganz Großartiges vollbracht: die Befreiung der vom Kolonialismus und Imperialismus abhängigen Länder auf die Tagesordnung zu setzten, sie also im Kampf um nationales Selbstbestimmungsrecht, nationale Souveränität zu unterstützen.

Davor hat man im Zusammenhang nationaler Befreiung vielleicht mal von Polen oder Irland gesprochen, die Aufmerksamkeit war auf wenige Länder beschränkt: Durch die Solidarität der Sowjetunion wurde der antiimperialistische Kampf ein allgemeines Thema, was die ganze Welt der abhängigen Länder betraf. Vor der Oktoberrevolution war es noch möglich, die Welt nach Unterschieden einzuteilen: schwarz und weiß, zivilisierte und unzivilisierte Völker.

Gerade Stalin hat nach der Oktoberrevolution die nationale Frage zu einer ganz zentralen Frage erhoben, indem er klar gemacht hat, dass die Befreiung der abhängigen Ländern eine wesentliche und bedeutende Hauptstütze ist für den Befreiungskampf in den Zentren des Imperialismus. Und in der Abrechnung mit dem Verrat der Zweiten Internationale hat er klar gemacht, dass genau die enge Verbindung des Kampfes in den Metropolen gegen die eigene Bourgeoisie mit dem Kampf der unterdrückten Völker gegen den Imperialismus ein zentrales Element der Befreiung vom Kapitalismus ist, dass das Hand in Hand gehen muss.

Dies ist genau der Grund, warum unsere Partei jeden antiimperialistischen Kampf unterstützt. Sei es im Irak, sei es in Afghanistan, sei es der Befreiungskampf des palästinensischen Volkes gegen den Zionismus.

Es gibt einige in den Reihen der Kommunistischen Bewegung, die meinen, dass dieser Kampf nicht unterstützenswert ist, weil er von fundamentalistischen, reaktionären Kräften geführt werde. Unsere Haltung dazu ist eine ganz klare, wir sagen nämlich: der schlimmste, übelste Fundamentalismus überhaupt ist der so genannte Marktfundamentalismus. Genau dieser Marktfundamentalismus erhebt ein System über die Menschheit, drückt ihr ein System auf, das bereits seit hundert Jahren auf den Müllhaufen der Geschichte gehört. Es ist besonders lächerlich, dass es aktuell heißt, wir müssten die Marktgesetze weiterhin aufrecht erhalten - angesichts der tiefen Krise, in der der Imperialismus sich befindet. Es sind rund 250 Millionen Menschen arbeitslos geworden, die Banken werden vom Steuerzahler bezahlt!

Und es sind diese eigenartigen "Sozialisten" schädlich, die sich freuen, dass die Banken verstaatlicht werden. Marx hat schon im ersten Band des Kapitals klar gemacht, dass das einzige, was jemals verstaatlicht werden wird, die nationalen Schulden sind. Solange es Profite zu machen gibt, können und müssen die Banken, können und müssen die Geschäfte ganz privat laufen, aber sobald Verluste auftauchen, sind wir auf einmal alle in einem Boot und müssen zusammen stehen und gemeinsam dafür aufkommen.

Ausgerechnet in einer Zeit, in der es für den Imperialismus keine Perspektive mehr gibt, wird die sozialistischen Geschichte in den osteuropäischen Ländern, in der DDR und in den anderen nationaldemokratischen Ländern verachtet und niedergetrampelt. Auch der Unterschied zwischen Faschismus und Kommunismus wird eingeebnet.

Wir müssen uns klar machen, dass der Imperialismus von der größten Krise erfasst ist. Die Imperialisten sehen jetzt schon wieder die zarten Pflänzchen des Aufschwungs, sie sehen bereits das Licht am Ende des Tunnels. Sie verwechseln das Licht am Ende des Tunnels mit dem entgegenkommenden Zug, der mit hoher Geschwindigkeit auf sie zurast. Die Krise, die der Imperialismus jetzt durchmachen muss in Kombination mit all den Befreiungskämpfen, die überall in der Welt stattfinden, im Irak, in Afghanistan, in Palästina, aber auch in Venezuela, Bolivien, in Kolumbien - das treibt den Imperialismus in die Enge.

Wir müssen die Gunst der Stunde nutzen, die Tatsache nutzen, dass der Imperialismus jetzt in die Enge getrieben ist und eine revolutionäre Bewegung aufbauen, eine revolutionäre Bewegung, die auf jeden Fall auch den Kampf der abhängigen Länder unterstützt. Und wir müssen natürlich die interne Kooperation, den internen Austausch unter uns verstärken.

Genau diese Konferenz ist ein Beispiel für unsere Kooperation und Verständigung. Es gibt sehr, sehr viele Differenzen innerhalb der kommunistischen und antiimperialistischen Bewegung, aber das darf kein Grund sein, irgendjemanden auszuschließen. Wir müssen lernen, mit diesen Differenzen umzugehen, denn in den weiteren Kämpfen, die weitere Analysen hervorbringen werden, werden wir auch diese Widersprüche überwinden. Und während wir diese Differenzen austragen, sollten wir auf keinen Fall das gemeinsame Ziel aus den Augen lassen, den Imperialismus koordiniert und gemeinsam anzugreifen.

Wir dürfen niemals vergessen, was der Sozialismus für die Menschheit geleistet hat. Und deshalb bin ich stolz darauf, dass ich heute in den Reihen derjenigen, die den Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik 40 Jahre lang aufgebaut und verteidigt haben, diesen 60. Jahrestag begehen kann.

Ich gestehe Euch: ich habe hohe Achtung vor die Führung der DDR. Denn sie hat nicht nur den ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden geschaffen, sie hat auch dafür gesorgt, dass die DDR einen sehr hohen, überproportionalen Beitrag geleistet hat für die Solidarität mit den vom Imperialismus unterdrückten Völkern der Welt.

Und wenn man von Fehlern redet, die es gab, ja ich weiß es, das SED-SPD-Papier, manche Entscheidungen der Wirtschaftspolitik, die KSZE-Politik, so hat die Führung diese nicht aus eigener Überzeugung begangen, sondern wegen der Politik, die aus Moskau kam. Sie ist der Politik der KPdSU gefolgt. Und, liebe Genossinnen und Genossen, die DDR war ganz objektiv nicht in der Lage, einen Zwei-Fronten-Kampf zu führen: auf der einen Seite an der gefährlichsten Schnittstelle der Systeme dem Imperialismus stand zu halten und auf der anderen Seite den Kampf gegen den Chruschtschow-Revisionismus zu führen.

Lasst uns daraus Lehren ziehen: es gilt gemeinsam eine einheitliche, starke kommunistische Bewegung aufzubauen, die den Zweifronten-Krieg führt, also einerseits den Imperialismus bekämpft und die sozialistische Revolution vorbereitet, zu diesem Zweck aber andererseits auch den Opportunismus, den Revisionismus und die sozialdemokratischen Tendenzen in den eigenen Reihen bekämpft.

Ich möchte über ein Beispiel aus Großbritannien sprechen: Neben meiner Partei gibt es zwei weitere kommunistische Parteien bei uns, also Parteien, die sich kommunistisch nennen, die aber die Labour-Party unterstützen. Die Begründung ist, dass es dank Labour ein paar linke Angeordnete im Parlament gäbe. Aber diese so genannten linken Abgeordneten haben sowohl die Aggression gegen den Irak als auch die Drohungen und die Embargopolitik gegen den Iran unterstützt. Einer von ihnen, Jeremy, hat sich von seiner Frau scheiden lassen, weil sie ihren gemeinsamen Sohn auf eine Privatschule schicken wollte, er ein solches Vorgehen aber nicht mit seiner sozialistischen Grundüberzeugung vereinbaren könne. Ich sagte: "Gut, Jeremy, da warst Du mal richtig prinzipientreu. Wann aber lässt Du Dich in ähnlicher Prinzipientreue von Deiner proimperialistischen und kriegstreiberischen Labour-Party scheiden?"

Man darf sich niemals Illusionen machen. Sobald jemand in eine solche sozialdemokratische, linksbürgerliche Partei eintritt, unterliegt er einer Gehirnwäsche. Die Leute machen Karriere, erringen einen Sitz in einem Parlament, kommen an Geld, werden korrupt, kommen auf Abwege - aber das liegt in der Logik des bürgerlichen Parlamentarismus.

Man kann nicht davon ausgehen, dass solche Leute in der Lage sind, die Sache der Arbeiterklasse zu vertreten.

Es gilt, unsere unverzichtbaren Grundprinzipien zu vertreten, deshalb muss sich eine kommunistische Partei von einem Sumpf, wie ich ihn gerade geschildert habe, fernhalten.

Ich danke Euch für Eure Geduld und Eure Aufmerksamkeit.

Harpal Brar, London.


Anmerkung

(156) Harpal Brar: Vorsitzender der CPGB-ML, erem. Rechtsprofessor, Herausgeber von "Lalkar", Buchautor.


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Radim Gonda(157): Zur Verteidigung der Theorie des Sozialismus / Entwicklung gemeinsamer Theoriearbeit

Geehrte Genossinen und Genossen,

Ich möchte mich bedanken für die Einladung zu dieser Konferenz.

Ich möchte einen Beitrag zur prinzipiellen Diskussion über die Konzeption des Sozialismus halten. Zu diesem Thema haben wir unseren Beitrag vorbereitet. Wir sind höchst beunruhigt wegen der Situation im Bezug zu dieser Problematik.

Es wird inzwischen schon die These ausgesprochen, dass es eine allgemein annehmbare und verbindliche Konzeption das Sozialismus nicht gäbe! D.h., dass gegenwärtig so getan wird, als ob die wissenschaftlich tief fundierte Theorie des Sozialismus nicht existiere! Und so werden an Stelle der wissenschaftlichen marxistischen Perspektive aufgrund von subjektiven Vorstellungen und Wünschen willkürlich bzw. nach politischen Opportunitätskriterien verschiedene Konzeptionen des "zukünftigen Sozialismus" "ohne Fehler der Vergangenheit" konstruiert.

Wo sind die Ursachen dieser Situation?

1) Es werden die theoretisch-methodologischen Prinzipien des Marxismus ignoriert.

2) Der reale Sozialismus, bloß der Anfang der sozialistischen Entwicklung, wird unbewusst dem "voll seinem Begriff entsprechenden" (Engels) Sozialismus d.h. dem voll entwickelten, gleichgesetzt. Und umgekehrt: in den Begriff des Sozialismus werden die Unvollkommenheiten, die konkret-historisch bedingten Besonderheiten und Einzigartigkeiten, die erzwungene Reaktionen auf die Angriffe der Feinde und die entstandenen, dem Sozialismus fremden und sogar feindlichen Erscheinungen als wesenseigen angedichtet - ohne Blick auf die historische Situation. Hier herrscht große Verwirrung.

3) Statt von den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung zum Sozialismus geht man von historisch-konkreten Besonderheiten und sogar Einzigartigkeiten aus.

4) Völlig wird die historische Dimension ignoriert. Der Übergang von der Jahrtausende existierenden Klassengesellschaft zur klassenlosen, dieser größte Umsturz in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft, wird als in kurzer Zeit von einigen Jahrzehnten realisierbar dargestellt!

In Hinsicht zu alledem ist es möglich, nein - unausweichlich! - vom wissenschaftlichen Erbe der Klassiker auszugehen. Nur so ist es möglich, zur objektiven Beurteilung der Vergangenheit des realen Sozialismus gelangen. Und die Hauptsache: die gegenwärtigen Bemühungen für den Sozialismus allerorts in der Welt objektiv, realistisch, über die Perspektiven beurteilend, zu beurteilen - und nicht in subjektivistische Phantasien und subjektivistisches Wunschdenken zu verfallen.

Das alles sind enorme Aufgaben, sie sind schwer zu erreichen - auch, wenn wir sie mit großen, breit aufgestellten Theoretiker-Teams angehen. Desto mehr ist es notwendig, die Kräfte zu konzentrieren, mit denen wir heute disponieren können. Wir schlagen deswegen vor, unaufschiebbar mit der Zusammenstellung eines internationalen Theoretikerkollektivs zu beginnen:

- dass einen Plan zusammenstellen werde;
- dass zu diesem Zweck eine internationale theoretische Zeitschrift gegründet werde;
- dass die weiteren wahrscheinlichen Schritte verabredet werden.

Für den Anfang bieten wir zur Disposition unser Material, gerichtet gegen den opportunistisch-revisionistischen Entwurf des "Sozialismus für das 21. Jahrhundert" (der von der Parteiführung der KSTchM dem Parteitag rasch vorgelegt, aber vom Plenum nicht angenommen wurde). Unser Material beinhaltet einen kurzen Abriss der allgemeinen Theorie des Sozialismus und Kommunismus. Der Teil, dem realen Sozialismus gewidmet, konnte nur angedeutet werden - er stellt nur gewisse Prolegomena zu jener umfangreichen Problematik dar. Unser Material orientiert auf den objektiv-historischen Zugang zur Problematik des realen Sozialismus, ausgehend von den allgemeinen Gesetzen des Übergangs zum Sozialismus.(158)

Stellungnahme der Gruppe tschechischer Marxisten-Leninisten; Radim Gonda, Prag


Anmerkungen

(157) Radim Gonda: Politologe und Historiker, 1992 Eintritt in den Kommunistischen Jugendverband (KSM) der Tschechischen Republik, von 2005-2007 dessen stellvertretender Vorsitzender sowie Mitarbeiter in der internationalen Abteilung des Sekretariats des ZK der KSCM, Anhänger der marxistisch-leninistischen Strömung in der KSCM

(158) Hinweis auf die schon früher in deutscher Sprache veröffentlichten Materialen: "Den Sozialismus verteidigen" (in: offen-siv 6/2000); und "Wir müssen unsere Vorstellungen über die sozialistische Epoche konkretisieren" (in: Imperialismus und anti-imperialistische Kämpfe im 21 Jahrhundert, Hrsg: offen-siv, Hannover 2000)


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Ali San(159): Informationen über die TKP und ihre aktuellen Arbeitsfelder in der Türkei

1. Kurze Gründungsgeschichte der TKP:

In der Folge des ersten Weltkrieges, in dem das Osmanische Reich eine deutliche und verhängnisvolle Niederlage erlitten hatte, begann in den größeren Städten der Türkei eine Mobilisierung der Organisationen der Arbeiterklasse gegen die imperialistische Besetzung. Auf der Höhe des Befreiungskrieges bündelten diese Organisationen ihre Kräfte und gründeten, inspiriert von der großen Oktoberrevolution in der UdSSR, unter der Führung von Mustafa Suphi, die TKP am 10. September 1920 in Baku.

Mustafa Suphi und seine 14 Genossen wurden im Zuge der Eliminierungswelle seitens Mustafa Kemal hingerichtet, wodurch er zum alleinigen Führer der Befreiungsbewegung wurde. Dieses schreckliche Ereignis markierte gleichsam den Beginn des illegalen Kampfes der Partei und demaskierte die bürgerliche Identität der Bewegung um Mustafa Kemal.

Während der 1920er und 30er Jahre, als die türkische Republik aus der Asche des Osmanischen Reiches wieder auferstand, arbeitete die TKP im Untergrund. Die Partei genoss eine beachtliche Bekanntheit in den Reihen des schnell anwachsenden Proletariats, die Unterdrückung des Regimes und innerer Probleme hinderten die TKP jedoch daran, sich zu einer einflussreichen Partei zu entwickeln. Dennoch schlossen sich in dieser Zeit viele Intellektuelle, darunter der berühmte kommunistische Dichter Nazim Hikmet (1903-1962) der Linie der Partei an und trugen bedeuten zum Wiedererstarken der kommunistischen Bewegung in den folgenden Jahrzehnten bei. Trotzdem kann man vor den 1960er Jahren nicht von einer kontinuierlichen Geschichte der kommunistischen und revolutionären Bewegung sprechen. Während der 90er Jahre wurde die TKP durch den Einfluss Moskaus und der zahlreichen Gorbatschowisten in der Partei einer Liquidation ausgesetzt.

Nach jahrelanger politischer Arbeit in der Illegalität mit periodischen Repressionen und Verfolgungen konnte die SIP (Sozialistische Arbeiterpartei) im Jahre 2001 trotz Drohungen und bestehenden Verboten im Parteiengesetz ihren Namen in kommunistische Partei der Türkei (TKP) umwandeln und setzt seither ihre Aktivitäten legal fort.


2. Charakter und Identität der TKP

a) Die TKP ist das Mittel des politischen Kampfs der Arbeiterklasse, die die führende Kraft der sozialistischen Revolution ist.

b) Die TKP nähert sich anderen sozialen Klassen aus historischer Perspektive und aus den Interessen der Arbeiterklasse heraus an.

c) Die TKP besteht aus Kommunisten, die, egal aus welcher Klasse sie entstammen, akzeptieren, dass diese Perspektive und diese Interessen essentielle Komponenten des politischen Kampfes sind.

d) Unsere Arbeiterklasse ist eine Einheit bestehend aus Türken, Kurden und Menschen anderer nationaler und ethischer Herkunft. Die TKP nimmt diese Gesamtheit als Basis und stellt eine politische und organisatorische Einheit gegen alle Arten der Segregation dar.

e) In dem sie den Marxismus-Leninismus, der einen universellen Charakter trägt, als Richtlinie für alle ihre Aktivitäten versteht, handelt der TKP im Bewusstsein der Notwendigkeit, diese Lehre in der Türkei zu verbreiten, wie ihre Verbreitung auch in jedem andern Land notwendig ist.

f) Die Zielsetzung, die die "raison d'étre" der TKP formt, ist es, für den Sozialismus zu kämpfen und den Sozialismus in der Türkei zu errichten. Die TKP ist darüber hinaus Teil der weltweiten kommunistischen Bewegung.

g) Die TKP verbindet das Erbe der internationalen revolutionären Bewegung mit den tatsächlichen Dynamiken in der Türkei und kämpft gegen nationalistische und dogmatische Methoden an, die diese Verbindung im Kampf für den Sozialismus nicht beachten.


3. Aufgabenfelder der Arbeit der TKP

Europäische Union, NATO

Die TKP wehrt sich strikt und bedingungslos gegen die Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union und sieht diese als eine imperialistische Organisation an. Die TKP enthüllt die Dichotomie der leeren Versprechungen der EU zu Demokratie und Menschenrechten und informiert die Öffentlichkeit über die Mechanismen von ökonomischer Ausbeutung und politischer Unterwerfung, verkörpert durch die EU. Sie kämpft darüber hinaus gegen neoliberale Grundsätze, die von der Regierung als ein Teil der Integration in die EU umgesetzt wurden und wirbt für den Sozialismus als eine Alternative zur EU.

Die TKP hält die NATO für ein brutales, militärisches Werkzeug in den Händen der Imperialisten und verteidigt die Rückgängigmachung der Mitgliedschaft der Türkei in der NATO. Die TKP hat all ihre Kräfte gegen den NATO-Gipfel im Juni 2004 in Istanbul mobilisiert und wird weiterhin gegen die NATO-Präsenz in der Türkei und der Region kämpfen.


Irak, Zypern, Kurdenfrage:

Die TKP war von Beginn an gegen den Krieg im Irak und spannte 2003 all ihre Kräfte an, um die Menschen in der Türkei gegen den Krieg zu mobilisieren. 2003 kämpfte die TKP nicht nur gegen die Besetzung eines benachbarten Landes durch die Imperialisten, sondern trug auch zur Verhinderung der Verwicklung der Türkei in diesen Krieg, durch den Einsatz ihrer Truppen oder durch logistische Unterstützung für die USA, bei. Auch heute warnt die TKP immer noch vor den andauernden Versuchen der Regierung, Truppen in den Irak zu senden und enthüllt gleichzeitig, dass die Kapitalisten die imperialistische Besatzung unterstützen, in dem sie im Irak Geschäfte abwickeln.

Die TKP steht für ein vereinigtes, unabhängiges Zypern und weiß, dass dies nur im Sozialismus erreicht werden kann. Während die TKP nationalistische Argumente für die Teilung der Inseln ablehnt und den Rückzug aller ausländischen Truppen, einschließlich der türkischen, griechischen und britischen Truppen verlangt, ist sie außerdem gegen die EU-Mitgliedschaft Zyperns und betont, dass die Imperialisten, die die Hauptverantwortung für die jetzige Situation der Insel tragen, Zypern nicht den Frieden bringen können.

Für die Brüderlichkeit der Menschen in der Türkei stehend, sieht sich die TKP selbst als Partei des kurdischen und des türkischen Proletariats. Seit der Unterdrückung kurdischer Menschen, als direktes Ergebnis des kapitalistischen Systems, ist die Befreiung der kurdischen Bevölkerung untrennbar verbunden mit der Befreiung des türkischen Proletariats.

Während die TKP gegen nationalistische und rassistische Einstellungen gegenüber kurdischen Menschen kämpft, verurteilt sie gleichzeitig kurdischen Nationalismus. Speziell nach der Auflösung der Sowjetunion begann sich die kurdische Bewegung, wie viele andere nationalistische Befreiungsbewegungen, nach rechts zu verschieben. Die TKP kämpft gegen den subalternen Nationalismus, der der nationalen Frage Priorität über den Klassenkampf verleiht und organisiert einen gemeinsamen Marsch der kurdischen und türkischen Arbeiter in Richtung Sozialismus.


Neoliberalismus, Fundamentalismus und AKP

Im Kampf gegen den Neoliberalismus versucht die TKP über den Widerstand hinaus zu gehen und einen Gegenangriff zu organisieren, indem sie den Sozialismus als einzige ernsthaft Alternative zur "Neuen Weltordnung", die von den Imperialisten und Kapitalisten eingeführt wurde, vorlegt. Die TKP kämpft gegen den Neoliberalismus, sowohl auf ideologischer als auch auf politischer Ebene. Der Prozess der Neoliberalisierung begann in der Türkei nach dem Militärputsch von 1980, auf dessen Grundlage eine riesige Welle von Privatisierungen und Antiarbeitsprogrammen das Land erschütterten. Die TKP glaubt, dass neoliberale Angriffe nur durch eine starke Bewegung der Arbeiterklasse abgewehrt werden können.

Die TKP hält den islamischen Fundamentalismus in der Türkei für eine konterrevolutionäre Kraft, die den Interessen der türkischen Bourgeoisie und den Imperialisten dient. In der Türkei entstand der Fundamentalismus in den 60er Jahren als eine Angriffskraft gegen Linke und Revolutionäre und wurde nach dem Militärputsch 1980 vom Militär unterstützt, um den Einfluss der Revolutionäre und der Arbeiter auszulöschen. In den 90er Jahren setzten Islamisten ihre Angriffe auf Linke fort. Das brutale Beispiel war der Mord an 35 Intellektuellen 1993 in Sivas. Die TKP kämpft auf politischer und ideologischer Ebene gegen den islamischen Fundamentalismus in der Türkei und zeigt gleichzeitig dessen Verbindungen zu Bourgeoisie und Militär auf.

Die AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung), die seit den Wahlen 2002 an der Macht ist, ist eine loyale Dienerin des Imperialismus und gehorsame Repräsentantin der Bourgeoisie. Als organischer Teil der Bourgeoisie schafft es die AKP, die Stimmen der Arbeiterschaft durch Lügen und leeren Versprechungen zu gewinnen und ist seit den frühen 2000er Jahren machthabende Partei ohne Koalition. Obwohl die Wurzeln der AKP in der Bewegung des islamischen Fundamentalismus liegen, zögert sie nicht, mit den USA zu kollaborieren, die Türkei in die EU einzugliedern und die Abhängigkeit der Türkei von der NATO noch zu verstärken. Die TKP deckt den kollaboratorischen Charakter der AKP auf und kämpft im ideologischen Bereich gegen die islamische Propaganda der AKP.


Arbeiterbewegung und Internationalismus:

Eine neue Arbeiterbewegung zu schaffen ist eine der Prioritäten, die sich TKP gesetzt hat. Weil die neuen Methoden der kapitalistischen Produktion die Gewerkschaften zu einer unzulänglichen Plattform für die Schaffung einer effektiven Interessenvertretung der Arbeiterklasse gemacht haben, kämpft die TKP dafür, "feigen" Gewerkschaften in "rote" Gewerkschaften umzuwandeln und ihre morschen Bürokratien zu eliminieren, um eine Arbeiterbewegung zu schaffen, die alle Arbeiter des Landes einschließt. Zu diesem Zweck schuf die TKP den "Arbeiterrat", bestehend aus Gewerkschaftern, Intellektuellen und führenden Arbeitern, der die Aufgabe erfüllen soll, auf dem Weg zu einer Arbeiterklassenbewegung Strategien zu entwickeln und eine Koordinierung zu schaffen.

Ali San, Türkische Kommunistische Partei


Anmerkung

(159) Ali San: Repräsentant der Türkischen Kommunistischen Partei, lebt zur Zeit in Luxemburg

Raute

IV. MÖGLICHKEITEN FÜR DIE ZUKUNFT

Thomas Waldeck(160): Die Kommunistische Initiative in Deutschland

Liebe Teilnehmer unserer kritischen und vorwärts gewandten Konferenz! Liebe Freunde und Gäste! Liebe Genossinnen und Genossen!

Der Ruf nach mehr Einigkeit der fortschrittlichen Kräfte in der BRD ist nicht neu. Illusionen und politische, ideologische und begriffliche Verwirrung führen zur Forderung nach mehr Einigkeit der "Linken".

Dabei fehlt die klassenmäßige Sicht auf die Struktur der Gesellschaft und die Erkenntnis, dass die Gesellschaft durch ihre Klassenstruktur von zwei Hauptbewegungen geprägt ist, der fortschrittlichen und derjenigen, die sich diesem Fortschritt entgegen stellt.

Von beiden kann nur die zielklarere, besser geplante und besser organisierte Bewegung sich behaupten und durchsetzen. Die herrschende Klasse besitzt die Macht und deren Apparate. Sie erhält ihre Macht unmittelbar durch den Einsatz von Justiz, Polizei, Armee und mittelbar durch Medien und Bildungswesen. Der Staat ist der gemeinsame Machtapparat der herrschenden Klasse, trotz deren Differenziertheit.

Die herrschende Klasse besitzt die Macht und ist sich einig im gemeinsamen Willen, ihre Macht, das heißt, ihren Besitz an Produktionsmitteln zu erhalten. Dieser Wille wird durch die bestehenden Machtmittel sofort wirksam und muss nicht strategisch formuliert werden. Jeder, der an der Macht kratzt, ist automatisch ein Feind der Macht.

Die beherrschten Klassen müssen zuerst ihren Feind erkennen und erkennen, wo die Frontlinie verläuft. Und sie müssen sich organisieren. Da geht nichts automatisch.

Die breite Mehrheit des Volkes hat also eine unvergleichlich viel größere und schwierigere Aufgabe damit vor sich, gemeinsame Ziele zu verfolgen.

Zu dieser Einheit muss geführt werden durch die bewusstesten Kräfte der Gesellschaft, durch die Kommunisten.

Nun müssen zuerst die Kommunisten selbst zur Einheit finden.

Um diese Einheit herzustellen, muss man zunächst anerkennen, dass sie bereits einmal bestanden hat und untersuchen, wodurch sie zerstört wurde.

Man erkennt, dass diese Zerstörung mit Bestrebungen einherging, Einigkeit mit dem Gegner herzustellen.

Arbeiteraristokratie entstand, Illusionen über Auflösung der Klassengegensätze wurden propagiert und theoretisch konstruiert. Wir nennen dies den alten oder klassischen Revisionismus. Diese Inkonsequenz führte zu zwei Weltkriegen und hundert Millionen Opfern.

Zur selben Zeit gab es eine konsequente Weiterführung des kollektiven Willens der breiten Mehrheit des Volkes in der Sowjetunion. Diese Konsequenz führte zum Sieg gegen den Hitlerfaschismus, zur Entstehung des Sozialismus in halb Europa und zu fast fünfzig Jahren Frieden in Europa, der in NATO-Aggressionen und dem Bombenhagel auf Jugoslawien unterging.

Allerdings gab es in der Sowjetunion seit den fünfziger Jahren neue Bestrebungen, die Klassengegensätze zu vertuschen, die äußerst fortschrittliche Bilanz, die Konsequenz des Sowjetvolkes zu verleugnen und sich wieder dem Imperialismus politisch-ideologisch anzunähern, die revolutionäre Entwicklung in Frage zu stellen. Diese theoretische Ausrichtung nennen wir den modernen Revisionismus, welcher letztlich in die vollzogene Konterrevolution mündete.

Aus diesem theoretischen Sumpf wuchsen immer neue Formationen, die die Einheit und gemeinsame Organisation immer aufs neue verhinderten, verschiedene linke parlamentaristisch-reformistische Gruppierungen, die den Klassenkampf ausdrücklich ablehnen, die Machtfrage nicht stellen, also aufs neue die Einheit mit dem Gegner suchen.

Jeder erkennt an diesem Punkt: Der Sumpf des Revisionismus, auf dem dies wächst, verhindert die Einheit, verhindert die gemeinsame Organisation der beherrschten Klassen.

Dieser Sumpf muss ausgetrocknet werden. Dazu muss man ihn aber zuerst verlassen.

Eine weitere Organisation kann das aber nicht leisten. Dazu ist die Zersplitterung der Kräfte zu weit fortgeschritten.

Das heißt, die Kräfte in einer Nichtorganisation zu bündeln, die eine Vorform oder Urform einer späteren gemeinsamen Organisation ist. Das bedeutet eine Urform der späteren gemeinsamen revolutionären, kommunistischen, das heißt marxistisch-leninistischen Partei.

Nur diese gemeinsame Kraft kann den Revisionismus überwinden und schließlich trocken legen.

Die Vorstufe dazu ist die Kommunistische Initiative.

Die Kommunistische Initiative ist überall da, wo jede Organisation, in der Kommunisten organisiert sind, sich momentan Grenzen setzt und sie ist da, wo es keine Organisation gibt.

Wer die Lage erkannt hat, ist nach Brechts Worten nicht aufzuhalten. Was bedeutet das? Wer eine revolutionäre kommunistische Partei vermisst, weil die Lage erkannt ist, findet zur Gemeinsamkeit. Er findet also zur KI und zwar unausweichlich.

Die KI hat bundesweit Mitglieder. Sie hat bereits mehrere lokale Gruppen gebildet, sowie eine Regionalgruppe. Sie führt politische Diskussionen in Kulturzentren durch, veröffentlicht regelmäßig in großer Dichte weltpolitische und lokale Analysen, verbreitet antiimperialistische Aufrufe und Erklärungen. Sie macht gemeinsame Bewegung durch ihre Medien publik und vernetzt diese.

Die Kommunistische Initiative ist bereits unübersehbar geworden. Andere Organisationen informieren uns, wenden sich an uns mit Bitte um Unterstützung, geben uns Raum für Informationen und Veranstaltungen oder aber geben uns die Ehre, sich mit uns als unvereinbar zu erklären.

Mitglied der KI zu sein - das ist im Moment aber nur; Mitglied einer Vorstufe zu sein, der Vorform oder Urform einer Organisation der Zukunft, die eben, und das ist des Rätsels Lösung, gemeinsam organisiert wird.

Das heißt, diese selbst aufzubauen, selbst mitzuprägen und mitzubestimmen.

Es ist inzwischen kein Geheimnis mehr, dass die KI Mitglieder in den bestehenden linken Organisationen hat sowie unorganisierte Mitglieder.

Es ist zweitens kein Geheimnis mehr, dass die KI ihr erstes Stadium, das Stadium des ersten Impulses, bereits verlässt - und sich embryonale Strukturen bilden.

Dieser praktische Erfolg bestätigt das schlüssige Konzept der KI, keinen Sonderweg zu gehen. Es ist der Erfolg dessen, der sich an alle wendet, in unserem Fall an alle Kommunisten dieses Landes.

Es ist aber genauso klar, dass das momentane Embryonal-Stadium Reifung erfordert, also Gründlichkeit und so lange nicht vorüber gehen kann, wie sein Inhalt nicht gleichermaßen wächst und Raum greift, nämlich die Überwindung des revisionistischen Sumpfes, die Rückkehr zum Marxismus-Leninismus.

Wer jetzt an der KI teilnimmt, erhält den 14-tägigen Newsletter, bestimmt dessen Inhalt mit, macht Vorschläge für die weitere Arbeit, nimmt an den Diskussionen teil; wo, wann und wie die KI gefordert ist.

Bis jetzt und weiterhin ist die KI eine Initiative. Wer an der KI teilnimmt, ergreift selbst Initiative. Nicht so sehr den Zeitpunkt zu bestimmen, wann die Kommunistische Initiative keine Initiative mehr sein wird, ist Aufgabe unserer Mitglieder, sondern die saubere Grundlage zu schaffen als Voraussetzung für die saubere gemeinsame Organisation.

Das Vorläufige Organisationskomitee, das bislang den KI-Impuls verwaltete, wird in kurzer Zeit verschwunden sein, weil sich, wie gesagt, Strukturen abzeichnen. Dieses derzeitige Komitee diskutierte Grundlagen der ersten Aufbauphase, organisationspolitische Fragen, Fragen der Öffentlichkeitsarbeit, kulturpolitische Fragen und Bildungsfragen und unter anderem den Namen des zukünftigen Organs der KI. Bekanntlich gibt es bis jetzt nur eine regelmäßige, aber provisorische Informationsschrift.

Der Titelvorschlag für das Organ der KI, der verabschiedet wurde, ist "EINHEIT". Er wird dem zukünftigen Leitungsgremium als Vorlage für das Periodikum der KI dienen.

Die erste tiefergehende Diskussion der gesamten KI soll das zukünftige Manifest betreffen, das an die Stelle des bisherigen Aufrufs tritt. Dieses Manifest wird das zentrale Dokument der KI bilden.

Die Kommunistische Initiative hat das Potential, ALLE Kommunisten, bislang mit oder ohne Parteibuch, zusammmenzuschließen. Die KI kann das erreichen, weil sie ÜBER den Parteien steht und dadurch auch den Unorganisierten einschließt. Die KI wirkt dabei nicht nur mechanisch, indem sie sammelt, sondern organisch, da sie die politische Aussage, den politischen Kampf, die Klärung, über alles andere stellt.

Sie bezieht ein, indem sie in die lebendige Diskussion einbezieht und nicht in Mitgliedslisten. Sie gibt und gewährt jede Form der Mitwirkung außer dem schädigenden Einfluss, dem revisionistischen Einfluss. Sie fordert nichts, außer dem Verständnis für die Probleme unserer Zeit.

Die KI stellt keine Anforderungen an Parteien und Organisationen, sondern sie bewertet sie anhand des Marxismus-Leninismus. Die KI will nichts sein, sondern sie ist wirkliche Bewegung.

Die KI proklamiert nicht die Einheit. Sie beginnt sie.

Die KI verfügt über eine weitgehende Planung ihrer Regionalisierung, bei der die Bildung politischer Kräftezentren in Form von Redaktionen im Mittelpunkt steht. Hier wird die Gruppe der bislang Unorganisierten, die zahlenmäßig bedeutend ist, eine wichtige Rolle übernehmen. Selbstverständlich wirken die organisierten KI-Mitglieder weiter an der politischen Arbeit in ihrer Organisation, aber mit Blick auf die gemeinsame Organisation der Kommunisten in diesem Land. Schwerpunkt ist, Arbeitsformen zu finden, die klare Analysen zur Grundlage haben, zu wirksamen Zielstellungen und Losungen führen und in die gemeinsame Arbeit münden.

Ich will ein Beispiel dieser Arbeit nennen, das alle Kampffelder umfasst. Die KI wird neue Wege bei der Bewusstseinsbildung gehen. Es wurde erkannt, dass die marxistisch-leninistische Kulturtheorie im Zuge der reaktionären, konterrevolutionären und revisionistischen Einflüsse entscheidend vernachlässigt wurde. Es gab zu Ulbrichts Zeiten Versuche, dem entgegenzuwirken, die bürgerliche Kultur in der revolutionären aufzulösen, die kleinbürgerliche Kultur durch revolutionäre und gesellschaftliche Ethik, also auch Ästhetik, zu verdrängen, etwa über den "Bitterfelder Weg", durch bewusste Erziehung zur revolutionären Kultur. Dabei entstanden auch Meisterwerke, die heute aus guten Gründen als Klassiker gelten.

Aber nur wenig sinnhafte Bücher und Filme gibt es, die die DDR revolutionär reflektierten. Statt dessen beherrschten bürgerliche Bejammerung und Skepsis bis hin zu kleinbürgerlich-idiotischen Westkopien wie dem "Kessel Buntes" die volkseigenen Medien. Auch dies ist konterrevolutionär.

Eine sensitive kulturelle Widerspiegelung des Sozialismus und des revolutionären Kampfes muss den objektiv begonnenen Aufbruch in das historische Neuland begleiten - denn wirkliche gesellschaftliche Dialektik, diese stets wirksame Bewegung, kann den Weg voran befestigen - sogar unumkehrbar machen.

Diese Sensibilisierung fand nicht statt, sondern wurde verhindert. Anderenfalls mussten die revolutionären oder - auf die DDR bezogen - planwirtschaftlichen Erfolge ihre Entsprechung finden in der Erneuerung der revolutionären Triebkräfte. Ich glaube, die griechischen Genossen haben diesen Punkt ebenfalls angesprochen. In Denken und Forschung wurde der mechanische Materialismus NICHT durch den dialektischen ersetzt. Die kulturhistorische Dialektik muss die bürgerliche Kultur beherrschen und nicht umgekehrt. Durch den modernen Revisionismus wurde das verhindert. Im Maßstab des gesamten Warschauer Vertragssystem gedacht, hätten die realen gesellschaftlichen Erfolge als Sein aufs Bewusstsein so zurückwirken müssen, dass die Bourgeoisie heute weltweit in den letzten Zuckungen läge. Es gäbe heute weder Krieg noch Seuchen.

Denn kein Volk, dessen Sinne geschärft sind, vernachlässigt seine Spannkraft, um einer Schrebergartenkultur willen. Kein Volk, das wach und klar seine Geschichte und realen Möglichkeiten überschaut, hätte Kohl und seinesgleichen ins Land gelassen. Das aber ist das Neue beim Sozialismus: Er verlangt die bewusste Einflussnahme des Menschen als gesellschaftliches Wesen, er kommt nicht mehr über die Menschen, sondern er verlangt deren bewusste Teilnahme, ein neues Denken.

Wir sehen dabei auch: Weil die DDR und der Sozialismus real waren, haben sie Wirkungen im Bewusstsein hinterlassen, haben sie ein- für allemal gesellschaftliche Ansprüche hinterlassen und sogar ansatzweise schon das Neue Denken. Obwohl sie nicht mehr bestehen, sorgen die DDR und der Sozialismus noch heute für Grenzen des Kapitals.

Wir sehen auch, dass das Kapital versucht, diese Grenzen zu sprengen. Aber zugleich finden wir einen Boden vor, der durch DDR und Sozialismus bereits bebaut wurde und den wir wieder bebauen können. Wir können uns dazu entschließen und den Kampf aufnehmen. Wir können dieses Werk beginnen. Oder wir schieben es vor uns her.

Die KI hat sich für heute, für jetzt, für sofort, entschieden für Frieden und Sozialismus!

Um den Rahmen zu verdeutlichen, in dem dies geschieht, möchte ich aus einer bürgerlichen Zeitung zitieren. Die Süddeutsche schreibt am 3. September: "Mittlerweile ist das Vertrauen in die Gemeinsamkeit der Interessen aller wichtigen Kräfte erschöpft. Die Unterschiede in Einkommen und Vermögen wachsen; dass den Unternehmensführungen noch viel am 'einträchtigen Zusammenwirken' liege ... das glaubt nur noch eine Minderheit der Deutschen. Stark geschwunden sind die Aufstiegschancen der Arbeiterschaft, das Bildungssystem ist zu undurchlässig. Die Bevölkerung erlebt sich als immer stärker segmentiert, damit aber zerbröckeln die Grundlagen der Volksparteien."

Liebe Genossinnen und Genossen!

Um wirklich voranzukommen, bedarf es keiner These, sondern der revolutionären Theorie. Um wirklich voranzukommen, bedarf es nicht zuerst der besseren Taktik, sondern zuerst eines klaren Ziels. Um wirklich voranzukommen, bedarf es nicht allein des Mutes und der Kraft, Resignation und scholastische Wortklauberei zurückzulassen. Um wirklich voranzukommen, bedarf es revolutionärer Entschlossenheit, die Gesellschaft zu verändern!

Thomas Waldeck, Cottbus


Anmerkung

(160) FDJ, FDGB, NVA, seit 1998 Betriebsrat, seit 2000 Betriebsratsvorsitzender, Mitbegründer der "Poetik-Initiative Menschwerdung II" in Fortführung der Erich Koehlerschen Poetik, Redakteur der Zeitschrift novum, Vorläufiges Organisationskomitee der Kommunistischen Initiative


*


Martin Kober(161): Über die Regionalisierung

Liebe Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer, liebe Genossinnen und Genossen!

Der Aufruf

Viel war heute bereits die Rede von Parteien, Personenbündnis und Nichtorganisierten. Zu letzteren gehöre ich, nachdem ich nun schon zweimal die DKP verlassen habe, zuletzt Anfang 2008. Hauptgrund dafür war, dass ich nicht an eine Parteigruppe angebunden war - die nächste war zwei Autostunden entfernt - sondern bruchlos die Politik des Parteivorstands mitbekam. Dieser stützte damals die mit den Besatzern kollaborierende irakische KP, wetterte gegen den Lokführer-Streik und hatte zwei Jahre zuvor ein revisionistisches Parteiprogramm(i) verfasst, das ohne den Begriff der "Diktatur des Proletariats" auskommt.(ii)

Irgendwann war ich parteilos, bin es noch immer, war aber schon seit Jahren eifriger Offensiv-Leser (herzlichen Dank an das HG-Gremium!) und hörte oder las von dem Projekt KI. Als der Aufruf da war, war ich begeistert: Da stand formuliert, dass "Klarheit das Fundament jeder kommunistischer Politik und Organisation sein muss", und es wurden drei elementare Punkte benannt:

- erstens das Anerkennen der wissenschaftlichen Grundlagen des Marxismus-Leninismus,

- zweitens das Anerkennen der DDR als größter Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung,

- drittens der Kampf gegen jede Form des Revisionismus und Reformismus.

Dieses verbunden mit der Perspektive, in einem Bündnis mit Kommunistinnen und Kommunisten über Parteigrenzen hinweg eine neue, starke KP zu erkämpfen war genau das, worauf ich gewartet hatte, und ich unterschrieb den Aufruf noch am Tag seiner Veröffentlichung.

Aber dann? Funkstille. Es passierte nichts. Zwar gab es sofort eine Homepage(iii), auf der aber wochenlang nur der Aufruf zu lesen war. Dann erschien ein erstes sehr gutes Bulletin und irgendwann wurden Veranstaltungen mit Ricardo Peña vom venezolanischen PSUV angekündigt. Es ging wohl los. Dann aber geschah wieder lange nichts. Meine revolutionäre Ungeduld entsprach in keinster Weise der Notwendigkeit zu revolutionärer Geduld. Doch revolutionäre Geduld wäre berechtigt gewesen, denn das, was bei der KI passierte, blieb zunächst im Verborgenen, und zwar:

Die Genossen des Koordinierungsgremiums wurden regelrecht überrollt mit der dreifachen Resonanz dessen, was sie erwartet hatten. Innerhalb kurzer Zeit lag die Zahl der Anfragen, Interessenten und Unterstützer im dreistelligen Bereich, es gab Rückmeldungen von Unorganisierten, aus der DKP, der KPD, der KPD(B), von DIE LINKE, von Offensiv-Fernstudenten und anderen. Natürlich wurde auch Ablehnung und Kritik formuliert, aber die Reaktionen waren insgesamt sehr positiv. Vierzehn Genossinnen und Genossen fanden sich bereit, mit ihren Namen als Erstunterzeichner zu werben. Was bedeutete diese Resonanz?

Vor allem eines wurde deutlich: Der Aufruf hatte ins Schwarze getroffen! Er hatte Antwort gegeben auf das Bedürfnis, die ideologische oder organisatorische Begrenztheit und z.T. auch Borniertheit anderer Formationen zu überwinden. Gleichzeitig wurde die Antwort auf die offene Frage des Wie gegeben. Der Aufruf traf ins Schwarze bei vielen der bewusstesten Genossinnen und Genossen, bei denen, die die Notwendigkeit der Einheit der kommunistischen Bewegung in der BRD erkannt hatten und die dazu bereit waren, sich für sie einzusetzen. Und er traf auch ins Schwarze bei vielen jungen parteilosen Genossinnen und Genossen, denen eine Mitgliedschaft in einer bestehenden kommunistischen Organisation aus verschiedenen Gründen nicht attraktiv schien, die aber auf revolutionäre Weise dieses Land verändern wollen.

Stand des Erreichten

Seit Veröffentlichung des Aufrufs ist nun ein Jahr vergangen. Welche Zwischenbilanz können wir ziehen, wo stehen wir?

Die bisherige Entwicklung der KI ist als überaus positiv einzuschätzen, auch wenn, wie erwähnt, zunächst Unzulänglichkeiten vorkamen. Diese hatten damit zu tun, dass die wenigen Mitglieder des Koordinierungsgremiums bzw. des Vorläufigen Organisationskomitees eine große Resonanz abarbeiten mussten - es gab viele Nachfragen in vielen Mails - aber auch damit, dass es zu Beginn noch keine Strukturen oder klaren Aufgabenverteilungen oder schlichtweg Erfahrungen in der Organisation eines derartigen Projekts gab. Auch stellte sich als problematisch heraus, dass etwa die Hälfte der Interessierten sehr verstreut wohnte.

Seit Frühjahr 2009 können wir aber eine deutliche Hinwendung zu mehr Kontinuität in der gesamten Arbeit beobachten. Das heutige und größere Vorläufige Organisationskomitee arbeitet in klarer Aufgabenverteilung, die Treffen in Berlin werden häufiger. Genossinnen und Genossen melden sich, um Bereitschaft zur Mitarbeit kundzutun, um Aufgaben zu übernehmen oder einfach deshalb, um mehr Kontakt zu suchen. Jetzt endlich stabilisiert sich auch die Öffentlichkeitsarbeit: Das mittlerweile vierte Bulletin ist gerade fertiggestellt und die Newsletter erscheinen nun regelmäßig 14-tägig, um die große Mehrheit der Unterstützer und Interessenten per Internet oder Brief mit Informationen zu versorgen.

Vor allem aber: Die KI hat in den letzten Monaten den Status einer Adressensammlung verlassen: Wir haben auf der Homepage und in Newslettern berichtet über Treffen auf regionaler Ebene, mehrmals in Gera, Weimar bzw. Greiz, zwei Male in Berlin, mehrere Male in Dresden. Die ersten Regionalgruppen wurden gebildet in Cottbus, Südost (Gera) und Dresden. In Gera wurde sogar ein Manifest verfasst. Der Westen des Landes blieb hingegen bislang seiner Tradition treu und hinkt noch der Entwicklung hinterher - aber auch hier gab es zumindest ein informelles Treffen in Frankfurt.

Wie weiter?

Liebe Genossinnen und Genossen,

das alles sind erste positive Ergebnisse, auf denen wir ab jetzt aufbauen wollen.

Wie geht es nun weiter? Stellen wir zunächst fest: Wir können etwas bewegen! Auf Grundlage unseres Aufrufs haben wir Diskussionen angestoßen und schon viele Unterstützer und Interessenten gewonnen, haben Diskussionen vor Ort geführt und Regionalgruppen gegründet, haben Aktionen und Aufrufe unterstützt. Die KI ist in der Diskussion, und manche Organisation fürchtet uns offenbar als eine Konkurrenz, die wir nicht sein wollen. Was sie wohl aber noch mehr fürchtet, ist die Diskussion darum, wer wir sind und was wir wollen, weshalb sie ihre Mitglieder von uns fernzuhalten versucht.

Thomas hat vorhin Grundlegendes genannt: Wir wollen Einheit (natürlich in Klarheit), revolutionäre Entschlossenheit und Bewegung. Fassen wir dies nochmals deutlich zusammen: Mit revolutionärer Entschlossenheit und marxistisch-leninistischer Klarheit werden wir uns ab jetzt ganz entschieden in Bewegung setzen, um die hier so nötige Einheit der Kommunisten voranzubringen. Mit ihren Positionen kämpften viele von uns lange allein gegen die Barbarei von Ausbeutung, sozialer Unsicherheit und Arbeitslosigkeit, Kriegen und Diskriminierungen. Wir brauchen aber Zusammenarbeit, um zu sagen: Genug dieser Barbarei, der Boden muss jetzt bereitet werden für den Sozialismus, für Sozialismus statt Barbarei! Diesen Boden wollen wir bereiten mit dem Ringen um eine geeinte kommunistischen Partei, die sich nicht nur traut, "Diktatur des Proletariats" in ihr Parteiprogramm zu schreiben, sondern auch dahintersteht. Dafür gilt es zu streiten, dafür gilt es, in einer neuen Etappe die KI durch unser Zutun zu stärken.

"Wer seine Lage erkannt hat, wie sollte der aufzuhalten sein?" Brecht meinte damit auch uns, diejenigen, die über Parteigrenzen hinweg mit den Kommunistinnen und Kommunisten aus anderen Organisationen darüber diskutieren, auf welche Weise langfristig die Schaffung dieser Organisation möglich ist. Und genau da ist das entscheidende Schlüsselwort für die nun beginnende Etappe der KI gefallen: "diskutieren". Ja, wenn wir etwas bewegen wollen in die gesagte Richtung, müssen wir diskutieren, uns trauen, vor Ort da sein, einladen, reden, Beschlüsse fassen und sie umsetzen. Eine langfristig geeinte KP verlangt, dass wir uns in unserer Gegend oder Stadt mit den Genossinnen und Genossen zusammensetzen sollten, denen wir Klarheit im Kopf zutrauen, und sie fragen: Wie stehst Du zur Einheit der Kommunisten? Wie stehst Du zur KI?

Liebe Genossinnen und Genossen,

es würde mich freuen, wenn ihr diese Auffassungen teilt. Beschreiten wir eine neue Etappe! Was ist nun zu tun?

Sprechen wir bei uns zu Hause diejenigen an, die dabeisein sollten. Diskutieren wir auch mutig mit Mitgliedern anderer Organisationen. Laden wir ein zu weiteren regionalen Treffen, gründen wir weitere Gruppen. Bald ist ein Flugblatt fertiggestellt, mit dem wir werben können. Machen wir uns auch mehr als bisher die Newsletter zunutze, geben wir dort Neuigkeiten zu unserer jeweiligen Region bekannt.

Jens hat die Wichtigkeit unserer Zeitung betont. Arbeiten wir ausgehend von unseren Regionalgruppen dort mit, machen wir sie zu dem, was sie sein muss: Zu einem Werkzeug der vordersten Front.

Wir brauchen ein erneutes, großes Treffen der sich vergrößernden KI. Denn wenn wir diskutieren, diese Diskussion auch bestimmen und uns verbreitern wollen, dann sollten wir uns inhaltlich wie organisatorisch stärken. Z.B. reicht unser Aufruf nicht mehr aus. Wir brauchen eine umfassendere Analyse und Handlungsanleitung, wir sollten Unterschiede zu anderen Formationen deutlich machen. Daher wollen wir den Aufruf ablösen durch eine Vorform eines Programms, und zwar durch ein umfassendes Manifest. Und wir benötigen breitere Strukturen und somit Genossinnen und Genossen, die auch zentral mitarbeiten. Es gibt so viele, die Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen - wir brauchen die besten und sollten sie demokratisch auswählen. Deswegen möchten wir euch auffordern und einladen:

Kommt nach Berlin zu einer Perspektivkonferenz am 05. Dezember(162)! Hier soll der Platz sein für alles: Für die Diskussion und die Erarbeitung des Manifests, für den Austausch von Erfahrungen, für die Suche nach Lösungen von offenen Fragen betreffend Regionales und Zeitung, für die Schaffung stärkerer Strukturen.

Bitte meldet euch ab jetzt am Stand der KI - meldet euch an oder, wenn ihr den Termin erst klären müsst, bekundet dort euer Interesse. Kommt am 05.12. nach Berlin, bringt Ideen mit, bringt die KI nach vorn!

Antworten wir zum Schluss doch auf Brechts Frage - Außer uns selbst kann uns niemand aufhalten!

Sozialismus oder Barbarei!

Martin Kober, Amtzell


Anmerkungen

(161) Martin Kober: Gewerkschafter, Vorläufiges Organisationskomitee der Kommunistischen Initiative

(162) Der Protokollband des Perspektivkongresses ist zu bestellen bei: info@kommunistische-initiative.de, z.Hd. Jens Focke.


*


Jens Focke(163): Über die Propagandaarbeit

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde.

Die Propagandaarbeit der Kommunistischen Initiative ist in sehr wichtiges wie auch umfangreiches Thema, deswegen werde ich bei weitem nicht alles ausführlich behandeln können.


Die Grundsätze

Zu den elementaren Aufgaben und Inhalten der Propaganda- und Agitationsarbeit in der Kommunistischen Initiative gehören die Verteidigung und Bewahrung des Marxismus-Leninismus in seiner Einheit und Reinheit.

Dazu gehören die drei nicht trennbaren Eckpfeiler:

Der Historische und Dialektische Materialismus, die Politische Ökonomie, und der Wissenschaftliche Kommunismus.

Weiterhin gehört zur Aufgabe der KI: Der Kampf gegen jegliche Spielarten des Revisionismus, Reformismus und Opportunismus.

Folgende Prinzipen sollten gelten bzw. angewandt werden: Der Proletarische Internationalismus wie auch der Demokratische Zentralismus.

Um die verschiedenen gesellschaftlichen Erscheinungen wissenschaftlich erfassen und erklären zu können, muss stets vom Standpunkt der Arbeiterklasse ausgegangen werden.

Diese Prinzipien des Marxismus-Leninismus sind schöpferisch anzuwenden, wie auch die umfangreichen Erfahrungen des Aufbaus des Sozialismus in der DDR, der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder.

Es wurde mit der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, dem Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion, wie auch später in vielen Ländern der Welt, der Beweis erbracht, dass der Sozialismus möglich und lebensfähig ist. Daran hat auch der teilweise und zeitweilige Sieg der Konterrevolution nichts geändert.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Kampf gegen den Neofaschismus.

Die Traditionen der Arbeiterbewegung zur bewahren ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil.

Während unserer Arbeit und der ständigen Auseinandersetzung dürfen wir unser endgültiges Ziel nie aus den Augen verlieren, den Sturz des Kapitalismus, die Vergesellschaftung der entscheidenden gesellschaftlichen Produktionsmittel und den Aufbau des Sozialismus mit seiner Herrschaftsform der Diktatur des Proletariats, als Ausdruck dafür, dass die Macht und Gewalt nun von der Arbeiterklasse ausgeht.


Die Vergangenheit, das Jetzt und die nahe Zukunft

Vor gut einem Jahr wurde die Kommunistische Initiative ins Leben gerufen. Anstatt eines Programms wurde ein Aufruf verfasst und veröffentlicht, welcher auch der Startschuss für die Propagandaarbeit der KI war.

Sinn und Zweck dieses Aufrufs, ist hier, so denke ich, allgemein bekannt.

Viele Genossen in der BRD kennen uns noch nicht oder zweifeln. So einige sind skeptisch, das Auftreten und der Ansatz der KI erscheinen neu und ungewohnt. Es werden Fragen aufgeworfen:

Wie soll ich als Kommunist mit der KI umgehen?

Was kann sie der Bewegung bringen?

Lässt sich so das Teilziel, die Gründung einer handfesten marxistisch-leninistischen Partei bewerkstelligen?

Für uns gilt es, alle Möglichkeiten auszunutzen und neue Wege zu suchen, um Skeptiker und Zweifler davon zu überzeugen, dass wir gemeinsam den Weg zur kommunistischen Partei mit der KI beschreiten können und auch müssen.

Ich meine die allgemeine Stimmung innerhalb der KI, die Stimmung der einzelnen Genossen selbst ist sehr gut.

Die Erwartungen sind berechtigterweise sehr hoch. Es gilt die hohe Stimmung und Motivation, den Optimismus auszustrahlen und den potentiellen Unterstützern nahe zu bringen.

Es sollte klar sein, die Kommunistische Initiative ist zum heutigen Zeitpunkt kein erneuter Versuch mehr. Sie ist im linken Spektrum ein nicht mehr zu übersehender Faktor, sie wird zusehends politischer, die Arbeit in ihr wird konkreter, und, sie steht mittlerweile schon auf einer recht breiten Basis.

Die KI hat nicht nur ein unerwartetes Ausmaß angenommen, sie hat sogar in den verschiedenen Regionen eine Eigendynamik entwickelt, die Vorbild sein sollte. Als solches möchte ich hier das "Geraer Manifest" erwähnen, welches im Juli diesen Jahres kurzerhand von den Gründungsmitgliedern der Regionalgruppe Süd/Ost beschlossen wurde. Nachzulesen im aktuellem hier ausliegendem Informationsbulletin.

Um nun solche Entwicklungen innerhalb der KI weiter zu beschleunigen und natürlich die politisch-ideologische Linie zu halten, zu festigen und zu entwickeln, bedarf es einer umfassenden Propagandaarbeit.

Weitere Regionalorganisationen sollten entstehen, weiterhin müssen Unterstützer gesammelt und zusammengefasst werden. Dazu gehört es immer wieder neue Informationstagungen zu organisieren, dazu gehört aber auch die aktive Anwesenheit unserer Genossen auf Veranstaltungen, eine geschickte Bündnisarbeit, die Verteilung der Bulletins und natürlich das persönliche Gespräch. Die nun alle zwei Wochen erscheinenden Newsletter, inklusive der Sonderausgaben, die mittlerweile regelmäßig gewordene Aktualisierung der Homepage, sind natürlich auch ein wichtiger Bestandteil.

Das, was wir nicht gebrauchen können ist Informationsstau, welcher aber mittlerweile so gut wie der Vergangenheit angehört.

Stets sollte Solidarität gezeigt werden, wie z.B. zu den Übergriffen der Berliner Polizei auf den Wahlkampf der DKP, oder aber auch zu den in den USA eingekerkerten "Miami 5".


Praktische Arbeit - wir brauchen eine Zeitung an sich

Was bedeutet das alles für die praktische Arbeit?

Fakt ist: Die Aufgabenfelder der Propagandaarbeit sind weit reichend und absolut entscheidend für die weitere Entwicklung der KI.

Wir brauchen eine Zeitungsredaktion, an der vordergründig, aber nicht nur die Herstellung einer politischen Zeitung, namentlich "Einheit" "Organ der Kommunistischen Initiative", hängt. Ohne eine solche, ich möchte hier aus Lenins Schrift, "Womit beginnen?", zitieren: "...ist jene systematische Durchführung einer prinzipienfesten und allseitigen Propaganda und Agitation unmöglich."

Es gehört somit zu unseren grundsätzlichen Aufgaben eine politische Zeitung herauszugeben.

Ein regelmäßig erscheinendes Periodikum, welches eindeutige Ziele propagiert, welches interessant ist und gelesen wird. Die Zeitung sollte so oft wie möglich, ich denke vorerst monatlich, erscheinen. Sie sollte organisieren, koordinieren und aufklären.

Es muss ständig die politische Landschaft verfolgt, analysiert und in Artikeln verpackt werden. Das Zeitungsprofil muss formal vielseitig geprägt sein. Dazu gehören Meldungen, Berichte, Reportagen, Interviews, Portraits, Kommentare, Glossen etc.

Aktuelle Themen aufgreifen, Berichte von Aktionen liefern, Erfahrungen im alltäglichen Kampf für unsere Sache, um den Genossen auch Beispiele zu geben was möglich ist, gehört zu den weiteren Aufgaben. Die Zeitung muss die Genossen untereinander vernetzen, in dem Sinne, dass Aktionen bekannt gemacht werden, dass der einzelne Genosse sieht, es wird gekämpft und auch weiß, da kann ich mich konkret beteiligen.

Sie muss Werkzeug in den Händen des Agitators sein, Kräfte bündeln und zur politischen Bildung beitragen.

Sie muss das Potential haben, die Arbeiter wachzurütteln, sie muss das Klassenbewusstsein wieder entwickeln, denn hier herrscht eben kein so genannter Klassenfrieden. Sie muss das Interesse an Politik entwickeln und dabei die Zusammenhänge transparent machen, zwischen Parlamentarismus, nationaler Bourgeoisie und Finanzkapital. Diese Fäden sind überall, aber nirgendwo werden sie enthüllt.

Die Zeitung wird zur Solidarisierung der Werktätigen und aller Ausgebeuteten untereinander beitragen, denn ohne umfassende Solidarität geht es nicht.

Die Zeitung trägt entschieden dazu bei, dass die kommunistische Partei die wir anstreben, die Partei neuen Typs, sich fest in den Reihen der Arbeiterklasse, in den Gewerkschaften, verwurzelt, eben überall da, wo die Fronten des Klassenkampfes stehen.

Kurz gesagt, die Zeitung muss überall und an vorderster Front stehen und auch bestehen.

Einen kleinen Anfang dazu haben wir schon gemacht, mit dem Informationsbulletin. Den Genossen des Vorläufigen Organisationskomitees war von vornherein klar, ohne Presse geht es nicht. So haben wir uns entschlossen, in größeren Abständen, also vierteljährlich, das Bulletin herauszugeben. Den provisorischen Charakter erkennt man zwar, ich denke aber es wurde eine schon sehr brauchbare Arbeit geleistet.

Mittlerweile wurden unzählige Aufrufe gedruckt und verteilt, die Nachfrage nach den Bulletins steigt stetig, die letzte Ausgabe umfasste eine Auflage von ca. 500 bis 600 Stück. Und weil ich gerade dabei bin, die Zugriffszahlen auf unsere Homepage steigen nach anfänglichen Unregelmäßigkeiten bis März 2009 (da waren es ca. 2700), stetig an. Zugriffe gerundet im: April - 2400, Mai - 2550, Juni - 2850, Juli - 3000, August - 3150, September - 3350


Praktische Arbeit - wir brauchen eine Redaktion an sich

Nun gilt es weiter voranzuschreiten, denn wie ihr seht, werden die Planungen für das reguläre Organ der Kommunistischen Initiative immer konkreter.

Die Herstellung des Bulletins, mit allen Arbeitsschritten wurde bis jetzt mit größtenteils provisorischen Mitteln getätigt, oft funktionierten einfache Abläufe nicht, Herausgabetermine mussten verschoben werden. Dies besserte sich zusehends, im VOK wurden von Zeit zu Zeit die verschiedenen Aufgaben eindeutiger verteilt, jedem wurde klar was zu tun ist. Das aktuelle Bulletin erschien zwar nun doch pünktlich, was aber ohne Improvisation nicht möglich gewesen wäre.

Das kann kein Dauerzustand sein und darf es auch nicht werden.

Daraus geht klar hervor, wir müssen weg von der provisorischen Verteilung und Abarbeitung von dringlichen Aufgaben.

Gerade in Bezug auf die Pressearbeit, um ihre Funktion zu garantieren und unsere Möglichkeiten besser zu nutzen, liegt mir folgendes sehr am Herzen:

Wir brauchen ein gewähltes zentrales Leitungsgremium, dessen letztliche Bezeichnung natürlich noch nicht fest steht. Aus den Reihen dieses Gremiums sollte ein Verantwortlicher für die Pressearbeit gewählt werden und es muss eine zentrale Redaktion gebildet werden.

Diese Redaktion wird eng mit den Regionalorganisationen verknüpft sein, es muss ein reger Austausch unter all diesen Knotenpunkten stattfinden.

Die Redaktion muss selbstständig arbeiten können. Es muss das Prinzip der Selbstkontrolle und -kritik herrschen, der Chefredakteur muss rechenschaftspflichtig sein, und, als Organisations- und Führungsprinzip muss in der Redaktion, als Vorbild für die gesamte Organisation, der Demokratische Zentralismus angewandt werden! Es gilt das theoretische Wissen über diese Prinzipien aufzufrischen und wieder bei der praktischen Arbeit anzuwenden.

Die Aufgaben sollten nach den Möglichkeiten der Genossen verteilt werden, wer ist wofür geeignet. Trotz alledem sollten die Redaktionsmitglieder möglichst universell einsetzbar sein und die Redaktion selbst muss ohne das leitende übergeordnete Gremium funktionieren.

Einen festen Autorenkreis zu organisieren gehört dazu und es muss mit den Lesern in gewissen Grenzen interagiert werden, und das alles natürlich auf einem möglichst hohem politisch-ideologischen und auch technischem Niveau.

Die Propagandaarbeit muss nicht nur unsere Genossen ansprechen, sondern gerade auch die Arbeiterklasse und ihre natürlichen Verbündeten.


Internet

Das Internet nimmt einen immer größeren Anteil bei der Informationsbeschaffung der Menschen, vor allem bei jungen Leuten, ein. Schon aus diesem Grund sollten wir dieses Medium nicht vernachlässigen.

Die Informationsbeschaffung aus dem Internet trägt aber, aufgrund der unüberschaubaren Informationsflut, leider auch zur allgemeinen Verwirrung bei.

Ich denke eine schlicht und einfach gehaltene Internetseite, im Verantwortungsbereich der zukünftigen Redaktion, mit aktuellen Berichten und Grundsatzdokumenten, reicht für unsere Zwecke vorerst aus. Auf jeden Fall sollte der gezielt Suchende auch über die Homepage auf uns aufmerksam werden.

Die Newsletter sollten ebenso von der Redaktion entworfen werden.

Die einzelnen Regionalorganisationen könnten auch eigene Internetseiten aufbauen, um beispielsweise spezielle regionale Themen aufzugreifen.


Zum Erscheinungsbild

Die Monatszeitung und nicht nur die, trägt entschieden zum allgemeinen und inhaltlichen Erscheinungsbild der KI bei. Wir sollten beachten, dass alle Materialien, alle Schriften und natürlich auch die Internetpräsenz ein einheitliches Erscheinungsbild aufweisen.

Im Moment ist noch fast alles offen. Wir haben bewusst auf grundsätzliche Symbolik verzichtet, die Internetseite ist optisch zurückhaltend und man erkennt nicht mal auf den ersten Blick, dass es sich hier um Sozialismus/Kommunismus dreht. Es gibt sicher Fragen, warum blau, und nicht rot?

Hier gilt es weiter zu entwickeln und genau zu bedenken, wie wirkt die Erscheinung KI mit ihren Medien auf Außenstehende.


Die mittel- bis längerfristige Orientierung

Zu den längerfristigen Aufgaben gehört aber nicht nur die Herstellung einer Zeitung.

Wie ihr wisst, veranstaltet nun schon seit einigen Jahren die offen-siv das Marxistisch-Leninistische Fernstudium. Dieses fand und findet große Resonanz und wurde vor allem auch von den jüngeren Genossen mit Begeisterung aufgenommen.

Diese Konzeption wird aktuell von der Regionalorganisation Süd/Ost aufgegriffen. Dies zum Vorbild genommen, wird es unsere Aufgabe sein, Studienmaterialen zu erarbeiten.

Es wird nötig sein Seminare zu allgemeinen und speziellen Themen zu entwickeln und zu organisieren, denn eine umfassende politische Bildung macht die Genossen standhaft und sicher, und das schweißt die zukünftige Organisation fest zusammen.

Zu den weiteren Aufgaben gehört die Verbreitung:
- der klassischen Schriften des Marxismus-Leninismus,
- eine Auswahl von wichtigen historischen Schriften,
- umfangreiche Themen der heutigen Zeit usw. usf.

Nach und nach sollte eine gut sortierte Bibliothek entstehen, um den Genossen und Sympathisanten Werkzeuge zur Agitation an die Hand zu geben, sie beim Selbststudium zu unterstützen - natürlich muss das alles für die Genossen und Interessierten auch bezahlbar bleiben. In diese Bibliothek gehört auch einschlägige Literatur anderer Verlage.


Schluss

Offensichtlich sitzen wir, nun nach 20 Jahren Konterrevolution immer noch hinter den Barrikaden, in der Isolation und Defensive. Nach zwanzig Jahren Konterrevolution ist es beispielsweise immer noch wichtig, die DDR zu verteidigen. Es ist wichtig die akute Geschichtsfälschung aufzudecken, die Menschen müssen erkennen, dass der Spruch "es war ja nicht alles schlecht in der DDR", andersrum viel besser funktioniert. Obwohl wir scheinbar einer übermächtigen Mediendiktatur gegenüberstehen, was aus aktuellem Grund sehr auffällig an der ungezügelten Hetze gegen die DDR zu erkennen ist, lässt sich nicht jeder davon blenden.

Im Osten der BRD haben viele Menschen schon erkannt, was sie verloren haben. Das steigende Interesse am "Kapital" von Karl Marx zeigt uns einen Trend der Menschen mit Interessen zu Gesellschaftsalternativen auf. Die Suche hat wieder begonnen, unsere Aufgabe ist es aufzuzeigen, welchen Weg die Arbeiterklasse gehen muss, aufzuzeigen, welche Gesellschaftsformation die einzig richtige ist, nämlich, der Kommunismus, mit seiner Vorstufe, dem Sozialismus.

Liebe Genossinnen und Genossen, der unaussprechliche Hass der herrschenden Klasse mitsamt ihrer Mediendiktatur gegen den Sozialismus, der Ausbau des Überwachungsstaates BRD und die immer weitere fortschreitende Faschisierung der Gesellschaft, die sich ständig verschärfende allgemeine Krise des Kapitalismus, die zunehmende Ausbeutung der Werktätigen, der soziale Kahlschlag und die damit einhergehende Zuspitzung der Lebensverhältnisse, das militaristische Ungetüm des deutschen Imperialismus, welches sich in der zunehmenden Beteiligung an Kriegen immer deutlicher zeigt, die zunehmende Ausgrenzung von Menschen die scheinbar anders sind, all dies zwingt uns zu Taten.

Mögen unsere Mittel und Möglichkeiten auch noch bescheiden sein, wir haben die richtige Ideologie, wir haben die Klassiker und eine Schatztruhe voller Erfahrungen, welche die Arbeiterbewegung im Klassenkampf machte.

Die Geschichte ist nicht zu Ende!

Jens Focke, Berlin


Anmerkung

(163) Mit Uwe Langer gleichberechtigter Vorsitzender der KPD(B), Vorläufiger Organisationskomitee der Kommunistischen Initiative, Mitglied des Herausgebergremiums offen-siv


*


Ingo Höhmann(167): Organisatorische Möglichkeiten der KI

Genossinnen und Genossen,

über das "Was" haben wir heute schon ausführlich diskutiert. Ich werde mich in meinem Vortrag auf das "Wie" konzentrieren.

Ein historisches Beispiel: Zu Beginn des Großen Vaterländischen Krieges erlitten die sowjetischen Truppen große Niederlagen. Verbände und Truppenteile der Roten Armee wurden zerschlagen, verloren ihre ursprüngliche Organisationsstruktur, tausende Rotarmisten irrten plan- und ziellos durchs Gelände. In dieser Situation ergriffen entschlossen Kommandeure die Initiative. Sie sammelten die versprengte Rotarmisten, ließen antreten und erteilten ihre Anordnungen: "Offiziere vortreten, Artilleristen nach rechts, Panzerleute nach links, Infanteristen bleiben stehen. Genossen Offiziere, gehen sie zu ihrer Waffengattung und handeln sie!" Innerhalb kurzer wurde aus der führungslosen Masse wieder eine kampffähige Einheit, gegliedert in Gruppen, Zügen, Kompanien und höher. So und ähnlich spielte es sich an der gesamten Front von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer ab. Ich brauche hier nicht ausführen, wie der Krieg ausging.

Wie ist nun der organisatorische Zustand der kommunistischen Bewegung seit 1989/90 in Deutschland?

Wir haben in Deutschland eine große Anzahl unorganisierter Kommunisten mit hohem Bewusstsein aber mangelnder Aktivität. Jeder weiß alles und keiner tut was. Niemand trifft Entscheidungen, weil alles gemeinschaftlich geregelt werden soll. Auf langen Sitzungen/Veranstaltungen wird bis zum Nervenzusammenbruch diskutiert. Das Ergebnis sind halbgare, übermüdete Kompromisse, die wiederum die Grundlage für hässliche, persönliche Schlammschlachten sind.

Die aktiven Genossen sind überarbeitet und ausgelaugt. Der Personalbestand ermüdet und ist immer weniger bereit sich zu engagieren Es fehlen Verantwortungsbewusstsein, Disziplin, der demokratische Zentralismus.

Ich komme zu meinen Vorschlägen, wie eine kommunistische Klassenkampforganisation beschaffen sein muss. Die Betonung liegt auf Kampf.

Die KI hat drei Aufgaben, die parallel zu erfüllen sind:

1. Formierung der Organisation,
2. Organisation und Durchführung der politischen Bildungsarbeit,
3. Teilnahme an den aktuellen Kämpfen.

Die Grundeinheit der Organisation ist die Zelle mit mindestens 3 Mitgliedern. Die Mitgliederzahl darf 15 nicht überschreiten. Bei Erreichen von 10 Mitgliedern ist die Zellteilung vorzubereiten. In den Zellen existieren einheitliche Funktionsverteilungspläne. Folgende Bereiche sollten abgedeckt werden: Innen-Außenpolitik, Arbeit/Gewerkschaft, Militär- und Sicherheitspolitik, Antifa, Bildungs- und Jugendarbeit, Ökologie, ein Koordinator.

Mindestens einmal im Monat ist Beratung. Präzisierung in Zeiten erhöhter politischer Ereignisse.

Grundsätze für Zusammenkünfte:

1. Formulierung des Ziels,
2. Lagebeurteilung durch die einzelnen Bereiche mit Schlussfolgerungen und Vorschlägen,
3. Ziel-Diskussion,
4. Idee/Entschlussfassung,
5. Festlegung der Verantwortlichkeiten.

Damit ist gewährleistet, dass die einzelnen Mitglieder der Zelle auch zwischen den geplanten Beratungen aktiv sind.

Denn wie ist denn die gängige Praxis?! Es gibt gut besuchte politische Veranstaltungen mit hohem Niveau. Sie haben nur zwei Kardinalfehler. Erstens, es fehlen die Enkel. Und zweitens: Nach der Veranstaltung klopfen sich die Zuhörer auf die Schulter, versichern sich gegenseitig, dass ihr Herz immer noch links schlägt und gehen nach Hause. So wichtig wie Promi-Vorträge sind, sie können eine systematische Bildungsarbeit nur ergänzen, nicht ersetzen.

Deswegen ist in den Zellen für eine kontinuierliche Weiterbildung zu sorgen. Dem ABC des politischen Kampfes ist höchste Priorität zu schenken. Und dabei nicht vergessen den aktuellen Bezug herzustellen! Bildungsarbeit und Jugendarbeit hängt aufs engste zusammen. Wir müssen weg von der Praxis, dass sich 20 "Lenins" auf einen Jugendlichen stürzen, der zu einer Veranstaltung gekommen ist. Es gibt viele Methoden den Kommunismus zu schädigen, das ist die für den Gegner effizienteste. Denkt dran, die Ches, Castros und Chavez' in Europa sind heute unter 30.

Als Kommunist ist man verpflichtet sich den bürgerlichen Medien zu entziehen.

Jeder ist verpflichtet sich weiterzubilden und auf den Laufenden zu halten. Nach Lage der Dinge kommen für die tägliche Lektüre nur die marxistische Tageszeitung junge Welt, für das theoretische Verständnis die offen-siv und der Rotfuchs für die Kenntnis der Geschichte der DDR in Frage. Das gewährleistet einen einheitlichen Informationsstand und damit ein geschlossenes Auftreten der KI.

Genossen, hier im Raum steht eine Deutschlandkarte mit rund 300 Stecknadelmarkierungen. Jede einzelne Nadel steht für eine Interessenten/Unterstützer der KI. Was muss damit geschehen? Ein Führungszentrum hat diese Genossen miteinander bekannt zu machen, da viele nicht voneinander wissen. Das heißt, das Führungszentrum braucht wiederum Ansprechpartner in den Regionen.

Nach den Grundsätzen, die ich hier genannt habe, müssen schnellstmöglichst die Zellen gebildet werden. Diese Zellen müssen sich wiederum untereinander vernetzen. Hierbei sollte das Prinzip von Nord nach Süd, von Ost nach West angewandt werden. Da in jeder Zelle einheitliche Funktionsverteilungspläne existieren, kann auch noch eine Vernetzung nach Fachkompetenz erfolge. Das heißt, dass das Fahrrad nicht überall neu erfunden werden muss. Die KI hat so schnell wie möglich handlungsfähig, was heißt führbar zu werden.

Wenn wir eine Organisation präsentieren können, wo Nägel mit Köpfen gemacht werden, brauchen wir uns um den Zulauf keine Sorgen machen. Ich halte es für real, dass innerhalb eines Jahres die KI einen aktiven Unterstützerbestand von 1.000 Genossinnen und Genossen haben kann.

Voraussetzung natürlich, wir halten uns an Che "Worte, auf die keine Taten folgen, sind unbedeutend." Also, packen wir es an!

Ingo Höhmann, Berlin


Anmerkung

(164) Offizier der NVA, Cuba-Aktivist, Venezuela-Solidarität, Mitarbeiter der "jungen Welt", Mitglied des Herausgebergremiums offen-siv

Raute

DANKSAGUNG

Wir danken allen Mitgliedern unseres Herausgebergremiums für den Beschluss, diese Konferenz durchzuführen.

Wir danken den Genossinnen und Genossen, die die Veranstaltung inhaltlich ausgestaltet und mit ihren Beiträgen dieses Buch ermöglicht haben. Das waren: Hans Bauer, Harpal Brar aus Großbritannien, Erich Buchholz, Hans-Werner Deim, Frank Flegel, Jens Focke, Radim Gonda aus der Tschechischen Republik, Kurt Gossweiler, Wolfgang Herrmann, Dieter Hillebrenner, Ingo Höhmann, Dieter Itzerott, Tamila Jabrowa aus der Ukraine, Heinz Keßler, Martin Kober, Michael Kubi, Heinz Langer, Hermann Leihkauf, Michael Lukas aus Kanada, Robert Medernach aus Luxemburg, Ley Ngardigal aus dem Tschad, Michael Opperskalski, Fanis Paris aus Griechenland, Achim Reichardt, Torsten Reichelt, Ali San aus der Türkei, Josef Skala aus der Tschechischen Republik, Monika van der Meer, Thomas Waldeck, Heiderose Weisheit, Khalil Weshah aus Palästina, Zbigniew Wiktor aus Polen.

Wir danken der GRH, der KPD(B) und der Jugendbibliothek Gera für die Unterstützung unserer Konferenz.

Wir danken den Genossen Michael Kubi, Robert Medernach, Thorsten Reichelt und der Genossin Eva Niemeyer dafür, die Vortragsübersetzungen aus dem Englischen, Französischen und Russischen und die Betreuung unserer ausländischen Gäste gewährleistet zu haben.

Wir danken den Genossen B. B., A. G., Jens Focke, Martin Kober, Patrick Naske und Alexander Sadegh für Aufbau, Umbau und logistische Hilfe.

Wir danken der Genossin Andrea Vogt, den Genossen André und Robert Vogt sowie der Genossin Antje Mahle für die Sicherstellung der hervorragenden Versorgung für alle Gäste unserer Konferenz.

Wir danken dem Genossen Michael Geipel für die Betreuung der Bühnentechnik.

Wir danken Frau Jenny Schindler für die kostengünstige Überlassung des Tagungsraums und die Bereitstellung der Tagungstechnik.

Wir danken der Tageszeitung "junge Welt" für die Möglichkeit, kostengünstige Anzeigen für die Veranstaltung zu schalten.

Wir danken ganz besonders dem Genossen Hans Fischer für seine Kontakte und sein hervorragendes Pfadfindertum.

Und wir danken ganz besonders dem Genossen Michael Opperskalski, der mit uns das Organisationszentrum bildete.

Ohne all die Genossinnen und Genossen, die bei der Konferenz anwesend waren, wären alle Anstrengungen vergebens gewesen.

Wir danken Euch für Eure Konzentration, Eure Konstruktivität, für die kameradschaftliche Atmosphäre, die interessanten Gespräche in den Pausen, vor allem aber für Euer unbeirrbares Einstehen für unsere gemeinsame Sache.

Anna und Frank


*


IMPRESSUM

offen-siv, Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik e.V.
Mitglieder am Tag der Gründung:
Erich Buchholz, Hans Fischer, Frank Flegel, Kurt Gossweiler,
Peter Hacks(†), Dieter Hainke, Ingo Höhmann, Anna C. Heinrich,
Günther Lange, Michael Opperskalski, Eva Niemeyer, Hans Schröter(†).

Geschäftsführung, Redaktion, Satz, Herstellung und Schreibbüro:
A. C. Heinrich und F. Flegel
Druck: Lange und Haak, Orsingen-Neuzingen.
Bezugsweise: unentgeltlich, Spende ist erwünscht.

Postadresse: Redaktion Offensiv
Frank Flegel, Egerweg 8, 30559 Hannover
Telefon und Fax: 0511 - 52 94 782
E-Mail: redaktion@offen-siv.com
Internet: www.offen-siv.com

Spendenkonto Inland: Konto Frank Flegel,
30 90 180 146 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80

Spendenkonto Ausland: Konto Frank Flegel, Internat. Kontonummer.
(IBAN): DE 10 2505 0180 0021 8272 49
Bankidentifikation (BIC): SPKHDE2HXXX; Kennwort Offensiv

Freundeskreis offen-siv
A. Vogt, Telefon: 0351 - 41 79 87 91
E-Mail: freundeskreis@offen-siv.com


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Quelle:
offen-siv (Hrsg.): Protokollband "Und der Zukunft zugewandt"
Hannover 2010
Herausgegeben vom "Verein zur Förderung demokratischer Publizistik"
e.V.
Einzelverlag, offen-siv
Frank Flegel, Egerweg 8, 30559 Hannover
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E-Mail: redaktion@offen-siv.com
Internet: www.offen-siv.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2010