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POLITISCHE BERICHTE/115: Zeitschrift für linke Politik 12/08


Politische Berichte - Zeitschrift für linke Politik

Nr. 12 am 4. Dezember 2008


INHALT

Aktuell aus Politik und Wirtschaft
Politische Berichte im Internet
US-Präsidentschaftswahl - Teil 1:
"Bekräftigung der Vielfalt und des Ausmaßes der Bürgerbeteiligung"
CDU-Parteitag: Merkels Lager
Auslandsnachrichten
Aktionen ... Initiativen

Regionales und Gewerkschaftliches
Stuttgarter Netz für alle Kinder: Ein richtiger Schritt
Hamburger Verfassungsschutz
Generalverdacht gegen zivilgesellschaftliches Engagement
Mehr Demokratie in den städtischen Gesellschaften
Kommunale Politik
kommunalnewsletter
Tarifabschluss in der Metallindustrie
Nach heftiger Diskussion mehrheitlich gebilligt

Diskussion und Dokumentation
Finanzmarktkrise: Lesenswertes zu Ursachen und Folgen
Eine Kirchengemeinde stellt sich ihrer Vergangenheit
In & bei der Linken

Termine

Raute

AKTUELL AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT

Politische Berichte im Internet

Keine neuen Mindestlöhne in 2008

Handelsblatt, 28.11. rül. Die Entscheidung, ob weitere Branchen neben der Bau-, Reinigungs- und Briefbranche in das Entsendegesetz aufgenommen werden und einen Mindestlohn erhalten, wird erst im nächsten Jahr fallen.

Das hat die Koalitionsarbeitsgruppe von Unionsparteien und SPD am 27.11. beschlossen. Insgesamt acht Branchenverbände und die zuständigen DGB-Gewerkschaften haben bisher bei der Regierung eine Allgemeinverbindlichkeit ihrer Tarifverträge beantragt. Dazu gehört u.a. die Pflegebranche mit 450.000 Beschäftigten. Dort arbeiten fast 50% der Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen, in denen zumeist ohne die Gewerkschaften Löhne und Arbeitsbedingungen festgelegt werden. Die Kirchen lehnen deshalb die Anwendung des Mindestlohntarifvertrags, den die Gewerkschaften mit den privaten Pflegefirmen geschlossen haben, für ihren Bereich ab.

Streit gibt es auch bei der Entsorgungswirtschaft, weil der Kommunale Arbeitgeberverband (VKA) und der Arbeitgeberverband der privaten Entsorgungswirtschaft BDE noch keinen Mindestlohntarifvertrag mit der Gewerkschaft Verdi abgeschlossen haben. Am umstrittensten ist die Aufnahme der Zeitarbeitsbranche mit 700.000 Beschäftigten, weil es dort neben den DGB-Tarifen auch "Tarifverträge" der sogenannten "christlichen", in Wirklichkeit gelben Gewerkschaften gibt. Diese haben in der Unionsfraktion handfeste Unterstützer, die jeden Mindestlohn oberhalb der sogenannten "Christentarife" blockieren. Aus dem gleichen Grund ist auch der von der IG Metall geforderte Mindestlohn für die gewerbliche Textilreinigung umstritten. In der Union gibt es deshalb starke Kräfte, die nur in vier der jetzt geforderten acht Branchen einen Mindesttariflohn zulassen wollen. Damit würde die Zahl der Beschäftigten, die unter eine solche Mindestregelung fallen, nur von derzeit 1,6 auf künftig 2,1 Millionen ansteigen.


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Hohes Risiko, dauerhaft erwerbslos zu bleiben

www.iab.de, 26.11. alk. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), das von der Bundesagentur für Arbeit betrieben wird, hat in seinem jüngsten Kurzbericht dargelegt, dass junge Erwachsene immer noch viel zu lange im System von Arbeitslosengeld II verbleiben. Kurz zusammengefasst sind die Ergebnisse der Studie:

"Etwa 40 Prozent der 18- bis 29-Jährigen, die im Januar 2005 erstmalig Arbeitslosengeld II bezogen hatten, waren bis Ende 2006 durchgängig im Leistungsbezug.

Rund 60 Prozent der jungen Leistungsbezieher schafften in den Jahren 2005 und 2006 den Ausstieg aus dem Hilfebezug. Jedoch war etwa die Hälfte dieser jungen Erwachsenen bis Ende 2006 zumindest zeitweise erneut auf Arbeitslosengeld II angewiesen.

Junge Erwerbstätige mit Familie und Alleinerziehende beziehen überdurchschnittlich lange Arbeitslosengeld II, wenn ihnen der Eintritt in eine möglichst dauerhafte und Existenz sichernde Beschäftigung nicht gelingt.

Zudem können Schüler längerfristig Arbeitslosengeld II benötigen, wenn sie keinen Zugang zur Berufsausbildung finden, oder wenn die Bedürftigkeit während einer mehrjährigen Ausbildung mit geringer Vergütung fortbesteht.

Am häufigsten ist die anhaltende Bedürftigkeit allerdings auf Langzeitarbeitslosigkeit zurückzuführen. Vor allem Geringqualifizierte und junge Menschen ohne Erwerbserfahrung tragen ein hohes Risiko, keinen dauerhaften Zugang zum Erwerbsleben zu finden. Sie sind auf Betreuungs- und Qualifizierungsangebote der Grundsicherung für Arbeitsuchende angewiesen."

Neuere Zahlen aus 2007 und 2008 liegen der Studie nicht zugrunde. Aus einzelnen Berichten von JobCentern geht hervor, dass sich die regionalen Unterschiede aufgrund unterschiedlicher Arbeitsmarktentwicklungen eher noch verschärft haben. Im Süden, wo die Arbeitslosenzahlen generell niedriger sind, finden auch junge Erwerbstätige eher Zugang und sind die Zahlen der jungen Langzeitarbeitslosen stark zurückgegangen.


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15 Jahre Kurdenverfolgung sind genug

Die beiden kurdischen Organisation in der BRD Rechtshilfe Azadî und der Dachverband Yek-Kom wenden sich aus Anlass des 15. Jahrestages des PKK-Verbots an die Öffentlichkeit:

Gleichgültig, ob schwarz-gelb, rotgrün oder rot-schwarz, auf eines war Verlass: Keine Bundesregierung hat in den vergangenen 15 Jahren auch nur ansatzweise Überlegungen angestellt, das Betätigungsverbot der PKK zu lockern, geschweige denn, es aufzuheben. Das trifft inzwischen sowohl auf die Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag zu als auch auf die Spitzen der Parteien. Erinnert sei an eine Zeit, in der es für heute etablierte grüne Parlamentarier/innen und frühere Aktivist(inn)en selbstverständlich war, sich für eine freie politische Betätigung von Kurdinnen und Kurden in Deutschland und eindeutig gegen das Verbot einzusetzen.

Heute sind die Kurdinnen und Kurden - von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt - immer noch konfrontiert mit den Folgen des vom damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) am 26. November 1993 erlassenen Verbots. Obwohl die seinerzeit genannten Verbotsgründe nicht zuletzt aufgrund der tiefgreifenden Veränderungen der kurdischen Bewegung längst obsolet geworden sind, haben sich alle Bundesregierungen die Fortsetzung der Repression auf die Fahnen geschrieben. Für sie war die Auflösung früherer Strukturen, aus denen grundlegend neue Organisationen mit neuer Zielsetzung hervorgegangen sind, einfach die Fortführung des Alten. Als Rechtfertigung für eine Beibehaltung der Verbotspolitik gilt deshalb die Gleichung PKK = Kadek = Kongra-Gel usw. Die im Zuge des sog. Anti-Terror-Kampfes, unter dem der türkisch-kurdische Konflikt gesehen wird, beschlossenen Gesetzesverschärfungen und die Tatsache, dass PKK und Kongra-Gel auf der EU-Terrorliste geführt werden, erleichtern die Arbeit des Verfolgungsapparates erheblich.

Vor diesem Hintergrund werden nach wie vor kurdische Vereine und Privatwohnungen durchsucht, Vereinsvorsitzende und -mitglieder festgenommen, erkennungsdienstlich behandelt und Ermittlungen gegen sie eingeleitet. Oder: es werden Demoteilnehmer/innen wegen des Rufens von Parolen oder Zeigens von Plakaten mit dem Konterfei von Abdullah Öcalan strafverfolgt. Ebenso wird das Sammeln von Spenden oder das Spenden selbst geahndet mit der Begründung, es diene - ähnlich der Mitgliedschaft in einem kurdischen Verein - der Finanzierung der kurdischen Guerilla bzw. der Aufrechterhaltung der Organisationsstrukturen. Wurde dies bislang in der Regel als Verstoß gegen das Vereinsgesetz verfolgt, versuchen Staatsanwaltschaften vermehrt, Aktivist(inn)en wegen Unterstützung einer "kriminellen" Vereinigung (§ 129 Strafgesetzbuch) anzuklagen. Das verschafft ihnen die Grundlage für umfassende Abhör- und Observationsmaßnahmen. Auch mit dem im Juni dieses Jahres verfügten Verbot des kurdischen Fernsehsenders Roj TV durch Bundesinnenminister Schäuble ist Deutschland den wiederholten Forderungen der Türkei nach Schließung kurdischer Medien entgegengekommen. Eine politisch motivierte Maßnahme, gegen die Klage beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht wurde, das in Kürze darüber entscheiden wird.

Auch kurdische Politiker/innen bleiben im Fokus der Anklagebehörden und werden wegen mutmaßlicher Funktionärstätigkeit nach § 129 StGB zu in der Regel mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Dass viele von ihnen wegen ihres politischen Engagements für die Rechte des kurdischen Volkes schon lange Haftstrafen in der Türkei verbüßt haben und danach ihre Heimat wegen politischer Verfolgung verlassen mussten, spielt für deutsche Behörden keine Rolle. Im Gegenteil: Sie alle verlieren ihren erlangten Asylstatus und müssen nach der Haftentlassung darum kämpfen, nicht in die Türkei abgeschoben zu werden. In den vergangenen 15 Jahren sind allein über 100 Kurdinnen und Kurden wegen ihrer politischen Betätigung (§ 129/a StGB) in deutscher Haft gewesen.

Azadî und Yek-Kom haben aus Anlass des Jahrestages eine Broschüre mit dem Titel "15 Jahre PKK-Verbot - Eine Verfolgungsbilanz" herausgegeben. Mit der - unvollständigen - Chronologie der Repression wollen wir einen Eindruck vermitteln von den Auswirkungen einer Verbotspolitik, in der auf dem Rücken der Kurden innen- und außenpolitische Interessen der Bundesrepublik verfolgt werden.

Diese Politik trägt nicht zuletzt dazu bei, den Krieg des türkischen Staates gegen die kurdische Bewegung und Bevölkerung zu verlängern. Diese verhängnisvolle Politik muss beendet werden. Die Öffentlichkeit ist aufgerufen, die Kurdinnen und Kurden bei ihrem Kampf für das freie Wort und eine von Repression befreite politische und kulturelle Betätigung zu unterstützen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Aufhebung des PKK-Verbots die erste Voraussetzung. Es ist höchste Zeit.


Rechthilfefonds Azadi e.V., Graf-Adolf-Str. 70A, 40210 Düsseldorf;
Tel: 0211-8302908; e-mail: Azadi@t-online.de; internet: http://www.nadir.org/azadi/



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Die nächste Ausgabe der Politischen Berichte erscheint nach der Weihnachtspause am 15. Januar 2009. Redaktionsschluss: Freitag, 9. Januar. Artikelvorschläge und Absprachen über pb@gnn-verlage.de. Tel: 0711/3040595, freitags von 7-12 h.

Die übrigen Erscheinungstermine für 2009, jeweils donnerstags: 12. Februar, 12. März, 9. April, 7. Mai, 4. Juni, 2. Juli, 30. Juli, 10. September, 8. Oktober, 5. November und 3. Dezember.

Raute

Zur US-Präsidentschaftswahl - Teil 1*

"Bekräftigung sowohl der Vielfalt wie auch des noch nie dagewesenen Ausmaßes der Bürgerbeteiligung"

Laut CNNPolitics.com - ElectionCenter2008 konnte Barack Obama 53 % bzw. 66.882.230 der abgegebenen Stimmen für sich verbuchen und John McCain 46 % bzw. 58.343.671 davon. Die nachfolgend wiedergegebene Wahlanalyse sowie die daran anschließende kleine Auswahl öffentlicher Stellungnahmen sollen einen möglichst authentischen Eindruck von der gesellschaftspolitischen Entwicklung bzw. Situation liefern, die sich in diesem Wahlergebnis wiederspiegelt. Diese Entwicklung bzw. Situation soll in drei Teilen näher beleuchtet werden - hauptsächlich gestützt auf entsprechende Selbstzeugnisse. Teil 1*, der in dieser Ausgabe der Politischen Berichte vorgestellt wird, soll gleich anschließend unten skizziert werden.

Was den in dieser PB-Ausgabe vorgestellten ersten Teil anbelangt, so kann hinsichtlich der Unterstützerkräfte, die wesentlich beigetragen haben zum Wahlerfolg der Demokratischen Partei bzw. Barack Obamas, vor allem auf folgende Punkte aufmerksam gemacht werden:

Erstens. In der aktuellen US-Presse wird u.a. darauf hingewiesen, dass die Organisationsstrategie der Obama-Kampagne und ihrer Verbündeten - die auf größtmögliche direkte Mobilisierung der Wählerschaft angelegt war - ihre historischen Wurzeln in der Bewegung der Vereinigten Latino-Landarbeiter hat. Obamas Slogan "Yes, We can!" geht direkt zurück auf Cesar Chavez' "Si, Se Puede!"(1).

Zweitens. In den vergangenen beiden Jahren konnte die Antikriegsbewegung, die sich v.a. auf das Netzwerk 'Cities for Peace' stützt, in vielen Stadt- und Kommunalräten Beschlüsse herbeiführen, die einen direkten Zusammenhang herstellen zwischen dem Niedergang der öffentlichen Dienstleistungen und dem steten Anstieg der Kosten für die auswärtigen Kriegseinsätze. Eine neue Qualität gewann diese Bewegung durch die Unterstützung jener US-Bürgermeister-Initiative, die mit derselben Begründung Front macht gegen einen US-Angriff auf den Iran. Um diesen bisherigen Initiativen mehr Rückhalt in der öffentlichen Meinung zu verschaffen, rief 'Cities for Peace' im Vorfeld der Präsidentschaftswahl (20.9.2008) zur Aktion "Million Doors For Peace" auf: Diese Aktion rief die Leute ganz bewusst nicht zu einem zentralen Protest zusammen - wie zuvor; sondern diese Aktion suchte die Leute dort auf, wo sie leben(2).

Drittens. Diese direkte Ansprache wurde auf ähnliche Weise von den US-Gewerkschaften gesucht, die für diesen Zweck schon 2004 die Massenorganisation "Working America" (bzw. "Working American Families") gegründet hatten. Ähnlich wie die zuvor angesprochene Aktion, wurden hier von Wohnung zu Wohnung, Haus zu Haus, Ortsteil zu Ortsteil, Stadt zu Stadt sowohl organisierte wie auch nichtorganisierte Beschäftigte aufgesucht, um sie für eine Mitgliedschaft zu gewinnen sowie für die damit verknüpfte Unterstützung eines entsprechenden Forderungskatalogs an die örtlichen/regionalen Mitglieder des US-Repräsentantenhauses (Kongress und Senat). Ein ausführlicher Bericht des 'Wall Street Journals' zu dieser politischen Feldarbeit der US-Gewerkschaften lässt u.a. deutlich werden, dass diese Mobilisierung in der 'weißen' Bevölkerung entscheidend zur Absehung von der Hautfarbe Obamas bzw. zu seiner Unterstützung aus wirtschaftlichen Gründen geführt hat(3).

Hunno Hochberger

Quellen:
(1) Steve Coble u. Joe Velasquez / Obama's Latino Vote Mandate - in: The Nation, 18.11.2008
(2) siehe Aufruftext vom 20.8.2008 unter: www.citiesforpeace.org und www.citiesforprogress.org
(3) Brody Mullins u. Kris Maher / Labor Woos Whites for Obama - in: The Wall Street Journal, 7.10.2008


Vorankündigung:

* Teil 2 wird in PB-1/2009 veröffentlicht werden: Er befasst sich mit den Verhältnissen, die eine mehrheitliche Interesseneinheit ermöglicht haben - bei gleichzeitiger wechselseitiger Akzeptanz sonstiger Unterschiede bzw. minoritärer Interessen. Was an der geographischen Verteilung des Ergebnisses dieser US-Präsidentschaftswahl sofort ins Auge sticht, ist die weitgehende Übereinstimmung der bundesstaatlichen Erfolge der Demokratischen Partei einerseits mit dem gebietlichen Gesamtumfang der sogenannten "US-Megaregionen" innerhalb dieser kontinentalen Union andererseits. Hier haben sich offenkundig weitgehend einheitliche Lebensumstände herausgebildet, die eine ebenso einheitliche Interessenwahrnehmung erlauben bzw. erzwingen. Die diesbezügliche öffentliche Verständigung zentriert sich einerseits um die Frage des Zusammenwirkens der drei Staatsebenen (zentralstaatliche-, bundesstaatliche und lokale-). Und andererseits um die Frage der notwendigen Inanspruchnahme dieser Ebenen durch die Bevölkerung dieser "US-Megaregionen".

Teil 3 wird in PB-2/2009 veröffentlicht werden: Bis zu seinem Amtsantritt am 20. Januar 2009 wird das bereits jetzt in groben Zügen erkennbare Regierungsprogramm des neugewählten US-Präsidenten ganz konkret vorliegen. Es soll daher dann der Frage nachgegangen werden, inwieweit es den Netzwerken und basisdemokratischen Kräften, die Obama unterstützt haben, gelungen ist, sich mit ihren jeweiligen Zielsetzungen und Forderungen dort einzubringen. Hier wird u. a. von großer Bedeutung sein, ob der 'Employee Free Choice Act' in der von den US-Gewerkschaften geforderten Fassung alsbaldige Gesetzeskraft erlangt.


Folgende Wahlanalysen aus amerikanischen Quellen wurden nicht
in den Schattenblick übernommen:

- Obama und die Minderheiten-Mehrheit
- Städte: Bürgermeister Bob Coble - Hoffnung für die Wirtschaft
- Netzwerk "Vereinigt für Frieden und Gerechtigkeit"
- "Bleibt jetzt nicht stehen"

Raute

CDU-Parteitag

Merkels Lager

Das Wahljahr 2009 wird ein Krisenjahr sein. Bereits im Wahlkampf des Jahres 2005 hatte Frau Merkel steuerliche Belastungen der privaten Haushalte zu Gunsten einer Stärkung der Staatsfinanzen propagiert. Die Entscheidung der Wähler führte zu einer großen Koalition, die umgehend eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte beschloss. Die Entwicklung der Weltwirtschaft führte zu einer stabil hohen Nachfrage nach Investitionsgütern und Autos. Der Bund konnte seine Verschuldung herunterfahren. Vor dem Hintergrund dieser positiven Erfahrung hält Frau Merkel unbeirrbar an ihrer Linie fest, die Staatsfinanzen durch hohe Steuern abzusichern.


Das Finanzamt über alles ?

Die jetzige Wirtschaftskrise geht nicht mit einer Krise der Staatsfinanzen einher, wenigstens bis jetzt nicht. Der Staat tritt im Wirtschaftsleben als starker Bürge auf. Unvermeidlich wird es aber im Gang der Rezession zu einem Rückgang der Steuereinnahmen kommen. Der Zuschussbedarf der Sozialversicherungssysteme und die Kosten direkt staatlich finanzierten Sozialleistungen werden ansteigen. Geht die Wirtschaftsleistung weit zurück und dauert die Rezession lang an, hat der Staat ein Finanzierungsproblem. Vor diesem Hintergrund suchen die Parteien nach Wegen, durch staatliches Handeln die Rezession abzudämpfen und zeitlich zu kürzen.

Auf dem einen Pol stehen Kräfte aus der CSU und die FDP, die mehr Geld bei den Privaten, bei Unternehmen und Haushalten belassen wollen. Sie setzen auf die Nachfrage der Privaten. Auf dem anderen Pol stehen Kräfte aus der CDU und der Sozialdemokratie, sie wollen die Steuern hoch lassen und öffentliche Investitionen tätigen. Öffentliche Investitionen sind Folge politischer Beschlüsse. Sie sind sachlich klar umrissen. Würde das gleiche Volumen von Privaten eingesetzt, wäre nicht klar, wofür. Würden die privaten Haushalte das einfach sparen? Würden die Firmen investieren oder in Wertpapiere anlegen? Frau Merkels Regierung hat sich dafür entschieden, einstweilen ihre Einnahmen durch Steuern hochzuhalten. Der Parteitag der CDU hat diese Strategie nicht gekontert, allerdings blieben andere Optionen offen.


Emotionale Defizite ...

Die Handhabung des Staates als wirtschaftender Verband ist eine Sache, der Auftrieb einer Mehrheit von Wählerinnen und Wählern etwas anderes. Presse und Parteivolk beklagen, dem Parteitag habe das Emotionale gefehlt. Hatte Frau Merkel ihre erste Kanzlerschaft noch unter das Motto gestellt: Ich dien', haben sich inzwischen die Akzente verschoben. Die Regierung Merkel, man kann Köhler und die SPD-Minister dazurechnen, entwickelt eine Ideologie vom Vorrang des Staates, und das kann in bürgerlichen Parteien nicht in emotionale Wallungen versetzen. Wenn die Kanzlerin den Bürgern dienen will, ist es ja gut, aber umgekehrt?


... werden völkisch abgedeckt

Der Parteitag klang in eine scharfe Absage an die Fortführung einer großen Koalition aus. Diese Aussage ist glaubhaft. Die von Merkel geführte Union kann sich gegenüber der SPD behaupten. Ihre auf die Stärkung des Staatswesens gerichtete Politik läßt der FDP funktional und emotional viel Platz. Bereits die Hessen-Wahlen werden zeigen, ob diese Rechnung aufgeht.

Zu einem Lagerwahlkampf gehört eine Feindbildbestimmung. Der CDU-Parteitag hat in dieser Hinsicht Zeichen gesetzt. Die vordergründig um die Charakterisierung der DDR-Blockpartei CDU geführte Auseinandersetzung leitet eine Umdeutung der Vorgänge beim Anschluss der DDR ein. Während bisher feststeht, dass die DDR spätestens im Akt ihrer Auflösung in die BRD als Staatswesen im rechtlichen Sinne anerkannt wurde, versucht man jetzt, die DDR als Staatswesen ohne jede Legitimation hinzustellen. Die Union sucht in dieser Sache die Konfrontation mit der Partei Die Linke.

Ein politisches Lager muss in Abgrenzung zum politischen Feind gebildet werden, zusammengehalten wird es durch innere Kräfte, durch Anerkennung eines höhen Wesens, das man verehrt. Aus dem Saarland kam der Antrag, die deutsche Sprache als jenes höhere Wesen grundgesetzlich dingfest zu machen. Ähnlich wie in das Programm der CSU der Begriff der "Leitkultur" durch die Nachwuchskraft Söder hineingepresst wurde, hat sich auch hier mit dem saarländische Ministerpräsidenten Müller einer aus der zweiten Reihe in den Vordergrund gespielt und auch dieser sucht Anschluss an deutsch-völkische Politik. Problematisch ist der geschichtliche Kontext(*), immer wieder wurde gefordert, den ganzen Sprachraum anzuschließen. Die Forderung ist so angelegt, dass sie weit über die Grenzen hinaus einschließt, was deutsch spricht, während sie im Inneren der BRD eine andere "Zunge" nicht klingen lassen will.

(*) http://de.wikipedia.org/wiki/Was_ist_des_Deutschen_Vaterland%3F: "... So weit die deutsche Zunge klingt und Gott im Himmel Lieder singt: Das soll es sein! Das soll es sein! ..." (Ernst Moritz Arndt, 1813)

Raute

AUSLANDSNACHRICHTEN

Tschechien: Neonazis rufen zur Jagd auf Roma

Für Mitte Dezember hat die neonazistische "Arbeiterpartei" eine "Demonstration" in der nordböhmischen Stadt Litvinov angekündigt. Damit droht den im Plattenbauvorort Janov lebenden Roma erneut Gewalt. Bei einer Demonstration am 17. November - dem Jahrestag der "Samtenen Revolution" von 1989 - hatten mehrere hundert Neonazis beim Versuch, nach Janov einzudringen, schwere Krawalle verübt. In Janov wohnen rund 3000 Roma und ungefähr ebensoviele Nicht-Roma. Viele der Neonazis waren mit Schlagstöcken, Schlagringen und sogar Schusswaffen bewaffnet, sie warfen Pflastersteine und Brandsätze. Es herrschte Pogrom-Stimmung, Hunderte Anwohner klatschten den Neonazis Beifall und feuerten sie mit Rufen wie "Gebt's den schwarzen Schweinen" an. Erst nach Stunden wurde die Polizei des Mobs Herr. Bürgerrechtsorganisationen kritisierten, dass die Polizei die Demonstration nicht verboten bzw. gleich zu Beginn aufgelöst hatte, obwohl die Nazis im Internet angekündigt hatten, dass sie bewaffnet kommen würden und ihr Ziel die "Lösung der Roma-Frage" sei. Das Pogrom wirft ein Licht auf die nach wie vor prekäre Situation der Roma in Tschechien. Sie leben in sozial abgehängten Siedlungen, regelrechten Ghettos, der Großteil von ihnen ist erwerbslos, ohne Ausbildung und Perspektive. Zeitungen berichten von einer nahezu grenzenlosen Phantasie von Regionalpolitikern, wenn es darum geht, den Roma Kinder- oder Arbeitslosengeld zu streichen. EU-Programme zur Integration der Roma werden kaum umgesetzt.

Die offene rassistische Diskriminierung wird von Regierungsmitgliedern angeheizt. So erklärte der Vizepremier und Vorsitzende der Christdemokratischen Partei KDU-CSL Cunek erklärte zwei Tage nach den Ausschreitungen: "Die Rechtsextremisten reagieren auf tatsächliche Probleme, doch in einer völlig falschen Art und Weise."

Dieser Politiker hatte erst im September vorgeschlagen, zur Auflösung der Ghettos die Roma "nach ihrem sozialen Standard" in drei Gruppen einzuteilen: in die, die keine Sozialleistungen bezögen; die, die Sozialleistungen missbrauchten, und eine dritte Gruppe, die in Baracken "mit fester Herrschaft" angesiedelt und unter direkte Staatsaufsicht gestellt werden sollten. Jetzt erwägt die Regierung zwar das Verbot der "Arbeiterpartei", der Frage, wie die Diskriminierung der Roma beendet und der Rassismus bekämpft werden kann, stellt sie sich nach Auffassung von Kritikern aber nicht. Da Roma-Viertel in tschechischen Städten seit Monaten immer wieder von neonazistischer Gewalt heimgesucht werden, fürchten Roma-Verbände, dass die Ereignisse von Litvinov nicht das Ende, sondern Auftakt zu neuen Pogromen sein könnten.


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Schwere Gewalt auch gegen ungarische Roma

Auch die ungarischen Roma sind zunehmender Gewalt ausgesetzt. Anfang November kamen zwei Roma in der nordostungarischen Ortschaft Nagycés ums Leben, nachdem ihr Haus mit Molotow-Cocktails beworfen wurde. Am 18. November starben die Eltern einer sechsköpfigen Familie in der Stadt Pécs, als eine Handgranate in ihre Wohnung geworfen wurde. Die Familie schlief zu diesem Zeitpunkt, die vier Kinder überlebten. Zwei Tage später warfen Unbekannte ein Molotow-Cocktail in einen Garten, in dem zwei von Roma bewohnte Häuser stehen, durch Zufall wurde niemand verletzt. Bis Oktober hatte es in diesem Jahr bereits rund ein Dutzend ähnlicher Anschläge auf Roma gegeben. Die Roma sind nicht nur wegen der Kette der Gewalttaten besorgt; die Polizei schließt fast regelmäßig noch vor Abschluss der Untersuchungen rassistische Motive aus. Die auch in Ungarn erstarkenden Neonazis kommen ihr deshalb kaum ins Blickfeld.


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EU-Rahmengesetzgebung für die Integration von Roma gefordert

In einem Interview mit der österreichischen Zeitung "derStandard" vom 21.11. äußerte sich der Direktor des in Brüssel ansässigen European Roma Right Center, Robert Kushen, zur Lage der Roma in Osteuropa: "Viele Roma-Kinder landen in schlechten Schulen. In Tschechien kommen sie zum Teil in Schulen, die für geistig Behinderte gedacht sind. Sie kommen dorthin, weil sie vielleicht sprachliche Defizite oder Lernschwierigkeiten haben. Diese Kinder kommen oft auch aus Familien, in denen Bildung wenig Tradition hat. Die Regierung ermuntert diese Familien, ihre Kinder auf Substandard-Schulen zu schicken. Der europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat vergangenes Jahr entschieden, dass diese Vorgehensweise gesetzeswidrige Diskriminierung ist. Aber auch ein Jahr später hat sich nichts verändert. Und unglücklicherweise ist Tschechien nicht das einzige Land in dem dieses Problem existiert." Weiter erklärte er auf die Frage, was die EU diesbezüglich unternehmen könne: "Wir versuchen seit langer Zeit, die EU zu einer Rahmengesetzgebung über die Integration von Roma zu bewegen. Bisher waren wir damit nicht erfolgreich. Sie wollen keine Minderheit herausgreifen, es gebe ohnehin eine breite Antidiskriminierungs- und Minderheitenpolitik. Die europäischen Staaten haben hier schlechte Arbeit geleistet - und nicht nur die osteuropäischen, sondern auch die westeuropäischen Staaten." Die bisherigen Programme arbeiteten zum großen Teil isoliert, hätten nur ein geringes Ausmaß, und ihnen fehlte der politische Wille.

Zusammenstellung scc

Raute

AKTIONEN ... INITIATIVEN

10.000 Unterschriften für neues Ausländer- und Jugendwahlrecht

BERLIN. Das Bündnis "Mehr Demokratie beim Wählen" hat am 27.11.2008 im Berliner Abgeordnetenhaus mehr als 10.000 Unterschriften für eine Änderung des Ausländer- und Jugendwahlrechts eingereicht. Die Petition wurde von Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) entgegengenommen, wie das Bündnis mitteilte. Mit ihr befasse sich jetzt der Petitionsausschuss. Die Initiative setzt sich für die Einführung eines generellen Ausländerwahlrechts auf Bezirks- und Landesebene ein. Bisher dürfen in den Bezirken nur EU-Bürger wählen, auf Landesebene sind Zuwanderer völlig von Wahlen ausgeschlossen. Zugleich strebt das Bündnis eine Herabsetzung des Wahlalters für Jugendliche ab 16 Jahren an. Außerdem soll die Drei-Prozent-Hürde auf Bezirksebene abgeschafft und die Sperrklausel auf Landesebene von fünf auf drei Prozent gesenkt werden. In Berlin werde rund 285.000 erwachsenen Menschen das Wahlrecht verwehrt, weil sie keine EU-Bürger seien. Von politischen Entscheidungen seien sie wie andere Bürger auch betroffen, deshalb sollten sie auch ein Wort mitreden können. Zudem lerne nur der Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen, der sich an Politik beteiligen könne und ernst genommen fühle. Das Bündnis forderte deshalb das Land Berlin auf, eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines Ausländerwahlrechts zu starten.
www.mehr-demokratie.de
www.besseres-wahlrecht.de


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Aktionsbündnis gegen Aids stellt Forderungen

BONN/TÜBINGEN: Die Vollversammlung des Aktionsbündnisses gegen AIDS hat am 8./9.11.2008 die Bundesregierung im Rahmen einer Resolution nachdrücklich aufgefordert, ihr Versprechen zu halten und jährlich mindestens 800 Millionen Euro für die weltweite Bekämpfung von HIV und Aids zur Verfügung zu stellen und in den Bundeshaushalt entsprechend einzustellen. Die VertreterInnen der über 100 Organisationen der Aids- und Entwicklungszusammenarbeit, die sich im Aktionsbündnis gegen AIDS zusammengeschlossen haben, erwarten von der Bundesregierung dass diese endlich reagiert und konkrete Schritte unternimmt. Sie vermissen im aktuell diskutierten Bundeshaushalt Schritte zur Umsetzung der Beschlüsse des diesjährigen G8-Gipfels in Toyako, Japan. Dort hatten die G8-Chefs versprochen, dass die im Vorjahr zugesagten Finanzmittel in Höhe von 60 Mrd US $ zur weltweiten Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose, Malaria und anderen Infektionskrankheiten in den kommenden fünf Jahren bereitgestellt werden sollen.

Auf Vollversammlung wurden auch die Perspektiven des Bündnisses diskutiert. Angesichts der weltweiten HIV/Aids Pandemie mit 33 Millionen infizierten Menschen und den nach wie vor ungenügenden Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft zur Eindämmung der Pandemie, hat die Vollversammlung des Aktionsbündnisses gegen AIDS beschlossen, seine Arbeit dauerhaft weiterzuführen.
www.aids-kampagne.de


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BAG Prekäre Lebenslagen gegründet

MEPPEN. VertreterInnen unabhängiger Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen haben am 9. November in Meppen einen neuen unabhängigen bundesweiten Dachverband gegründet. Die Gründung war notwendig geworden, nachdem die Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen e.V. BAG-SHI Insolvenz anmelden musste. Die Anwesenden waren sich darüber einig, dass sich bisherige Fehler nicht wiederholen dürfen und haben beschlossen, einen kollektiven Vorstand zu wählen. Ein nahtloser Übergang der inhaltlichen Arbeit und die Vernetzung mit Initiativen und Bündnissen soll so gewährleistet werden. Gleichzeitig sollen zukünftig auch die Interessen von Betroffenen in prekärer Beschäftigung und prekären Lebenslagen vertreten werden, da durch immer neue Verschärfungen der Hartz IV-Gesetze noch mehr Menschen von Armut und damit auch von sozialer Ausgrenzung bedroht sind.

Die Zielgruppen des neuen Verbandes werden damit auf Erwerbslose, Erwerbstätige mit geringfügigen Einkommen, SozialleistungsbezieherInnen und alle prekär Lebenden ausgeweitet.
www.bag-shi.de


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Am 16. Dezember für mehr Arbeitnehmerrechte in Europa

BERLIN. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften rufen gemeinsam mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) und unseren europäischen Schwestergewerkschaften zu einer Demonstration und Kundgebung am 16. Dezember 2008 in Straßburg am Sitz des Europäischen Parlamentes auf. Das Europäische Parlament wird in dieser Sitzungswoche über die Rechte für Europäische Betriebsräte, die Verschlechterung der europäischen Arbeitszeitregulierung sowie die Mitbestimmung in europäischen Unternehmen entscheiden.

Die Forderungen der Gewerkschaften lauten:

- Vorrang der sozialen Grundrechte vor den wirtschaftlichen Binnenmarktfreiheiten
- bessere Arbeitnehmerrechte in Europa
- gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort
- Verbot von Lohn- und Sozialdumping
- mehr Rechte der europäischen Betriebsräte und mehr Mitbestimmung in europäischen Unternehmen
- keine Verschlechterung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie - wirkungsvolle Regulierung der Finanzmärkte.

www.dgb.de


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Erster Asylantrag eines US-Deserteurs in Deutschland

FRANKFURT a.M. Auf einer Pressekonferenz am 27.11.2008 in Frankfurt/Main stellte der US-Deserteur André Shepherd der deutschen Öffentlichkeit seinen Asylantrag vor. Er hatte den Antrag am Tag zuvor als erster US-Deserteur des Irakkrieges beim Bundesamt für Migration gestellt. Die Pressekonferenz wurde ausgerichtet von der in Bammental ansässigen Beratungsstelle für US-SoldatInnen, Military Counseling Network, und dem Kriegsdienstverweigerungsnetzwerk Connection e.V.

André Shepherd war als Mechaniker für den Kampfhubschrauber Apache in Katterbach (Bayern) stationiert. Ein halbes Jahr lang wurde er 2004 und 2005 in der Nähe von Tikrit im Irak eingesetzt. Vor einer erneuten Verlegung im Jahre 2007 entschloss er sich, die Armee unerlaubt zu verlassen, da er sich bis dahin ausführlich über den Kriegseinsatz informiert hatte. Er sieht den Krieg im Irak, wie den in Afghanistan, als illegal an. "Ich glaube, dass die Apache-Hubschrauber für einen bedeutenden Teil der getöteten Zivilisten im Irak verantwortlich sind, deren Zahl zuletzt auf 500.000 geschätzt wurde. Ich wusste, wenn ich noch einmal gehe, werde ich für den Tod und das Elend anderer verantwortlich sein. Ich musste mich entscheiden: entweder mein Gewissen verleugnen oder das Militär unerlaubt verlassen. Wenn ich einen erneuten Kriegseinsatz verweigere, droht mir eine Verfolgung wegen Desertion, Haft oder sogar die Todesstrafe. Dennoch war für mich der richtige Weg eindeutig: Ich musste raus aus der Armee." Er ergänzte, dass ein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung für ihn nicht in Frage gekommen sei, da seine Überzeugung nicht den Regelungen des US-Militärs für Kriegsdienstverweigerer entsprächen. Sie verlangten, dass grundsätzlich jeder Krieg abgelehnt werde. Zudem habe er im April 2007 beobachten müssen, wie ein anderer US-Verweigerer, Agustín Aguayo, trotz seiner Gewissensentscheidung abgelehnt und zu acht Monaten Haft verurteilt worden sei ...
Mehr Informationen: www.connection-ev.de


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6./7. Dezember: Friedensbewegung trifft Friedensforschung

KASSEL. Am 6. und 7. Dezember findet an der Uni Kassel der 15. Friedenspolitische Ratschlag statt. Erfahrungsgemäß werden zwischen 300 und 400 Teilnehmer/innen aus dem In- und Ausland diskutieren. Die jährlich stattfindenden "Ratschläge", die von der Arbeitsgruppe Friedensforschung der Uni Kassel, unterstützt von der im "Bundesausschuss Friedensratschlag" zusammengeschlossenen Friedensbewegung, veranstaltet werden, sind geistige Umschlagplätze von Ideen, Informationen, Analysen und politischen Forderungen, die in der Friedensforschung, Friedensbewegung und in der Politik diskutiert werden. Neben dem Hauptthema "Die Welt nach Bush" wird es vor allem um die Zukunft der NATO gehen, um die Lage auf den bestehenden Kriegsschauplätzen, um die Militarisierung der Europäischen Union und der internationalen Beziehungen insgesamt und um die deutsche Sicherheitspolitik, die sich immer stärker ins Fahrwasser des US-geführten sog. Antiterror-Kriegs hinein manövriert.
Vollständiges Programm unter: www.uni-kassel.de/fb5/frieden


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Keine Militärforschung im neuen KIT!

KARLSRUHE. Universität und Forschungszentrum Karlsruhe sollen zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) verschmolzen werden. Für das Forschungszentrum gilt seit Gründung ein Militärforschungsverbot in Form der Satzungsbestimmung "Die Gesellschaft verfolgt nur friedliche Zwecke." Diese Zivilklausel, darin besteht dort Einigkeit zwischen allen Beteiligten vom Vorstand bis zum Betriebsrat, müsse im KIT weiter gelten.

Auf Anfrage des baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Johannes Stober (SPD), ob Forschungsthemen der Universität einer solchen Zivilklausel entgegenstehen, antwortete der Minister, dass ihm solche Themen nicht bekannt seien. Kurz davor hatte die Bundesregierung auf eine Bundestagsanfrage der LINKEN mitgeteilt, dass für die Universität Karlsruhe im Jahr 2007 Drittmittel für wehrtechnische Auftragsforschung aufgewendet wurden. Merkwürdig. Nach zunächst widersprüchlichen Äußerungen erklärten Bundesforschungsministerium und Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg, dass die Klausel ins KIT-Gesetz übertragen werden soll. Auf die diesbezügliche Anfrage von MdL Stober teilt der Minister nun jedoch mit, dass bei der Klausel auch der "Verteidigungsauftrag des Staates zur Sicherung des Friedens, wozu gegebenenfalls auch die entsprechende Forschung zählt" beachtet werden müsse. Bedeutet das, dass der Minister eine Zivilklausel anstrebt, die Militärforschung am KIT erlaubt?

Die Gewerkschaft Verdi stellt sich hinter die Forderung von Vorstand und Betriebsrat des Forschungszentrums wie des Personalrats der Universität, das am Forschungszentrum gültige Militärforschungsverbot im KIT fortzuführen, und die bezeichnete Zivilklausel unverändert in das KIT-Gesetz zu übertragen. Verdi appelliert an die demokratische Öffentlichkeit, die Fortführung des Militärforschungsverbots zu unterstützen...
http://mittelbaden.verdi.de


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Wie geht es weiter nach dem Schülerstreik?

STUTTGART. Der erfolgreiche Schülerstreik am 12.11.2008, mit bundesweit 125.000 und in Stuttgart 8.000 TeilnehmerInnen, hat deutlich gemacht, dass Schüler und Schülerinnen aller Schularten bereit sind für ihre Forderungen zu kämpfen. Jetzt muss der Protest weitergehen. Neben vielfältigen Aktionen (offener Brief an Kultusminister, Podiumsdiskussion, Party.) wird deshalb auch einen weiteren Streik in den nächsten Monaten diskutieren.

In den letzten Wochen haben SchülerInnen die Erfahrung gemacht, wie wichtig die Solidarität von anderen vom Bildungsabbau Betroffenen ist. Der Protest in Italien gegen den Abbau von Lehrerstellen war auch deshalb so beeindruckend, weil es dort gelungen ist, dass Beschäftigte und SchülerInnen gemeinsam auf die Straße gegangen sind. Die Stuttgarter Schulaction unterstützt deshalb die Idee einer bundesweiten Demonstration im Frühjahr, z.B. unter dem Motto: "Wir zahlen nicht für eure Krise - Geld für Bildung uns Soziales statt für Banken". Zur Vorbereitung einer solchen Demonstration von SchülerInnen, Studierenden, Beschäftigten... schlagen sie ein bundesweites Treffen aller betroffenen Gruppen vor. Die beste Vorbereitung für eine solche bundesweite Demonstration und ein guter Anknüpfungspunkt an den Schülerstreik ist eine regionale Demonstration im Februar oder März in Stuttgart, zu der von SchülerInnen und Gewerkschaften gemeinsam mobilisiert wird. Mit diesem Vorschlag werden wird die Schulaction den nächsten Wochen an Eltern, Studierende, GEW, Verdi, IGM, DGB und deren Gewerkschaftsjugenden herantreten.
www.schulaction.org

Raute

REGIONALES UND GEWERKSCHAFTLICHES

Stuttgarter Stadtrat

Stuttgarter Netze für alle Kinder: Ein richtiger Schritt!

Am 20. Oktober hat der Gemeinderat die Vorlage des OB "Stuttgarter Netze für alle Kinder" beschlossen. Dieses Netz umfasst Hilfen in Höhe von 2,5 Mio. Euro pro Jahr und das Versprechen, weiterhin strukturelle Verbesserungen durchzuführen.


Die wichtigsten Punkte sind:

- Die Bonuscard, mit der einkommensarme Haushalte Vergünstigungen bekommen, wird ausgedehnt, so dass 14,2 Prozent Haushalte mehr einbezogen werden. Grundlage ist die neue Berechnung für die sogenannten Schwellenhaushalte, die zwar nicht vom Regelsatz Hartz IV leben müssen, aber nur geringfügig darüber liegen. Die Zugangsberechtigung zur Bonuscard zu erweitern, hat als einzige die LINKE in den letzten Jahren mehrfach beantragt.

- Besonders wichtig ist, dass nun die Berechnungsgrundlage in Zukunft alle zwei Jahre angepasst wird an die gestiegenen Mieten (berechnet auf Grundlage der von Hartz-IV-Haushalten tatsächlich gezahlten Mieten). Alle nachfolgenden Leistungen erhalten damit 14,2 Prozent mehr Menschen.

- Für die Kinder aus bonuscard-berechtigten Familien sind Kitas, Krippen, Horte und die Betreuung in der Schule kostenlos. Auch das hat die LINKE seit Jahren gefordert.

- Alle bonuscard-berechtigen Kinder bekommen zur Einschulung 100 Euro für die Erstausstattung ("Ranzengeld").

- Die Kitas und Schulen erhalten für jedes bonuscard-berechtigte Kind einen Jahresetat von 50 Euro. Damit können Lernmittel, Fahrtkosten für Veranstaltungen, Fördermaßnahmen etc. bezahlt werden.

- Für Kinder in Kitas und allgemein bildenden Schulen wird das Mittagessen auf 1 Euro verbilligt. Da aber nicht alle Schulen ein Mittagessen anbieten, gehen viele Kinder leer aus.

- Die LINKE, hat daher beantragt, dass auch in Betreuungseinrichtungen außerhalb der Schulen, wie z.B. Haus 49 im Nordbahnhofviertel, das verbilligte Mittagessen bekommen. Das wurde zusätzlich zum Paket des OB beschlossen.

- Aufgrund von Forderungen der CDU und der Grünen sind im Paket Programme für Musik und Bewegung an den Schulen enthalten. Diese werden aber zunächst in einigen Klassen als Projekte ausprobiert.


Nicht alles wurde durchgesetzt

Die Forderung, ein Konzept zur Ausweitung des Schulessens für alle Schulen mit Nachmittagsunterricht zu erstellen und dies in den nächsten Jahren umzusetzen, wurde von allen anderen außer SÖS abgelehnt. Ebenso ging es der weiteren Forderung, das verbilligte Mittagessen auch an beruflichen Schulen zu gewähren, obwohl der Vertreter der Schulleiter an beruflichen Schulen dies ausdrücklich in der Verwaltungsausschusssitzung unterstützte.

Auch der erneut zusätzlich gestellte Antrag, die Zuschüsse zum öffentlichen Nahverkehr so zu erhöhen, dass der Fehlbetrag zwischen Verkehrsanteil im Regelsatz und den Kosten der VVS-Karte ausgeglichen wird, wurde abgelehnt von allen außer der SÖS. In den Regelsätzen sind für den öffentlichen Verkehr für Kinder 9,42 Euro, für Jugendliche 12,56 Euro und für Erwachsene 15,70 Euro vorgesehen. Damit kann man selbst die verbilligten VVS-Tickets nicht zahlen.

Einige Forderungen von mir waren weitergehend als der jetzige Beschluss. Mein Antrag war nicht nur ein Starterpaket bei der Einschulung, sondern ein Lernmittelfonds für die Kinder/Eltern in jedem Schuljahr von 120 Euro. Die Bundesregierung plant jetzt etwas Ähnliches, sie will 100 Euro für jedes Schuljahr Jahr einführen. Das begrüße ich. Die Gemeinderatsmehrheit hat jetzt allerdings schon festgelegt, dass wenn dieses Geld kommt, es nicht den Eltern gegeben wird, sondern für die Musik- und Bewegungsprojekte eingesetzt werden soll. Darüber wird zu reden sein, wenn das Gesetz im Wortlaut vorliegt. Weiter sind folgende Vorschlägen von mir nicht im Paket enthalten: z.B. Sozialtarife oder ein kostenloses Grundkontingent für Energie und Wasser, Teilhabe an Kultur und Sport, was mehr umfasst als die jetzt zu beschließenden Projekte, Abschaffung der Fürsorgeunterkünfte und weiteres. Diese werde ich weiterhin einbringen, spätestens in den nächsten Haushaltsberatungen.


Wichtiger Mangel

Ein Mangel des jetzt beschlossenen Paketes ist, dass alle Verbesserungen sich nur auf Kinder bis zum zwölften Lebensjahr beziehen. Die Definition "Kind" bezieht sich aber - zu Recht - nach deutschen Gesetzen bis zum 14. Lebensjahr, nach Definition der UNO sogar bis zum 18. Lebensjahr. Kinder und Jugendliche über zwölf leiden aber genauso unter Hunger und Benachteiligung. Die Regelsätze der über 13-Jährigen sind so hoch wie die von Säuglingen und niedriger als früher bei der Sozialhilfe.


Langjährige Arbeit zahlt sich aus

Die gesamte Beschlussfassung sehe ich als Erfolg meiner jahrelangen Arbeit an. 2003 habe ich in den Haushaltsberatungen ein Programm gegen Armut gefordert. Seitdem habe ich zahlreiche Anträge gestellt, von denen jetzt viele zum Tragen kommen. 2005 hat sich abgezeichnet, dass die Hartz-IV-Gesetze die Lage von langzeitarbeitslosen Menschen und ihrer Familien massiv verschlechtern, weil sie aus der Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe gedrückt wurden. Die Sozialhilfesätze wurden vorher schon mehr als zehn Jahre lang nicht erhöht. Einmalige Leistungen wurden durch die Pauschalierung zurückgefahren. Die Erhöhungen der Regelsätze seit 2005 um 6 Euro ist da eher ein Hohn denn eine Verbesserung. Das Kindergeld wird den Kindern der armen Familien zuerst formal gewährt und dann angerechnet auf den Regelsatz, d.h. weggerechnet, so dass sie leer ausgehen. (Immerhin hat der OB aufgrund meiner Forderung einen Brief an Ministerin von der Leyen geschrieben und die Beseitigung dieser Benachteiligung verlangt.)

Um so wichtiger und bedeutender ist, dass Stuttgart - nach zahlreichen anderen Städten - jetzt ein Hilfsprogramm startet. Das kann die unzureichende Versorgung durch die Regelsätze nicht ausgleichen, aber die Bildungschancen und die gesellschaftliche Teilhabe der Kinder werden verbessert.

In der Begründung des Beschlusses anerkennt der Gemeinderat die Zielsetzungen: Förderung und Bildung für alle Kinder - egal welcher Herkunft -, ausreichende Wohnungsversorgung, gesundes und sicheres Aufwachsen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Zusammenleben der Generationen. Damit wird klar der Auftrag erteilt, an dem Thema weiterzuarbeiten.

Mein Ziel bleibt weiterhin, die Bildung und Betreuung, die sich ja nicht trennen lassen, für alle Kinder kostenlos machen. Bildung muss generell kostenlos sein!

Die Arbeit geht weiter!

Ulrike Küstler,
Stadträtin der Linken in Stuttgart

Raute

Hamburger Verfassungsschutz

Generalverdacht gegen zivilgesellschaftliches Engagement

Der Verfassungsschutz kontrolliert alle Informationsstände, die von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Vereinen, Bürgerinitiativen und Einzelpersonen in Hamburg bei den Bezirksämtern angemeldet werden. Fünf von sieben Bezirksämtern melden seit dem 1. Oktober 2008 Informationen und personenbezogene Daten an die mail-Adresse:
ermittlung@verfassungsschutz.hamburg.de


Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat mit Schreiben vom 1. Oktober 2008 die sieben Bezirksämter in Hamburg "ersucht", alle Informationsstände dem Verfassungsschutz zu melden. Begründet wird dieser Zugriff, der sich auch auf personenbezogene Daten erstreckt, mit der "Erfahrung, dass Informationen über die Anmeldung von Informationsständen zuvor nur unvollständig oder mittelbar (über die Polizei) an das LfV übermittelt wurden." Fünf von sieben Bezirksämtern sind dem "Ersuchen" nachgekommen und haben den Verfassungsschutz "in die Verteilerliste über Info-Stände" aufgenommen. Dies geht aus der Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage von Christiane Schneider, innenpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, hervor. (Bürgerschaftsdrucksache 19/1428).

Die aktuelle Praxis: Detailliert gibt der Senat Auskunft darüber, wie viele Informationsstände von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Vereinen, Bürgerinitiativen und Einzelpersonen seit dem 1. Oktober 2008 an das Landesamt für Verfassungsschutz gemeldet wurden. Seither wurden von den fünf Bezirksämtern insgesamt 164 Informationsstände an das Landesamt für Verfassungsschutz gemeldet. Dabei hat das Bezirksamt Altona 62 Info-Stände gemeldet, Bergedorf 37, Eimsbüttel 36, Harburg 12, Nord 17. Das Bezirksamt Mitte hat in 2008 insgesamt 12 Info-Stände an das LfV gemeldet.

Besonders betroffen sind die Parteien, insgesamt wurden 102 Informationsstände gemeldet. Als zweites folgen die Bürgerinitiativen: in Eimsbüttel wurden die Daten von 25 und in Altona von 7 Infoständen an den Verfassungsschutz weitergeleitet. Bei den Einzelpersonen sind es 17, bei den Vereinen 16 Info-Stände, die in der Statistik ausgewiesen wurden.

Die Gewerkschaften haben im Jahr 2008 insgesamt 27 Informationsstände angemeldet. Da sie seit dem 1.10.2008 keine Info-Stände angemeldet haben, sind sie von der Kontrolle derzeit nicht betroffen. Bei den Kirchen hingegen wurden von den Bezirksämtern 10 Info-Stände in Bergedorf und 3 in Altona weitergemeldet. (Anlage zur Drs. 19/1428)

Rechtliche Einschätzung: Der Verfassungsschutz beruft sich bei seinem "Ersuchen" an die Bezirksämter auf § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Satz 1 des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes (HambVerfSchG. In § 7 Abs. 2 Satz 1 ist allerdings geregelt, dass der "(...) Verfassungsschutz (...) bei den hamburgischen Behörden (...) nur die Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben [darf], die diesen Stellen zur im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bereits vorliegen und die zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes erforderlich sind."

Die Aufgaben des Verfassungsschutzes sind in § 4 Absatz 1 Nr. 1 bis 4 eindeutig und abschließend geregelt. Demnach ist die Aufgabe, "die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen, über

1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder einer Landes gerichtet sind (...).

2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht in der Bundesrepublik Deutschland,

3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,

4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes), insbesondere das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind (§ 3 Abs. 1 BVerfschG)." Deshalb ist es keinesfalls Aufgabe des Verfassungsschutzes alle zivilgesellschaftlichen und politischen Aktivitäten in Hamburg zu kontrollieren, sondern nur solche, die seinen gesetzlichen Aufgaben entsprechen.

Bewertung: Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE: "Der Verfassungsschutz stellt seit dem 1. Oktober 2008 alle Menschen in Hamburg, die sich zivilgesellschaftlich oder politisch engagieren unter Generalverdacht. Dieser offensichtliche Gesetzesbruch ist ein handfester innenpolitischer Skandal. Die Kommunikationsgrundrechte sind für den demokratischen Rechtsstaat konstituierend, insbesondere die Meinungsfreiheit und das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung sind durch die Verfassung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geschützt.

Innensenator Ahlhaus und der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz verlassen den Boden der Rechtstaatlichkeit, wenn sie die Grundrechte der Menschen in Hamburg aushebeln. Sie offenbaren ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Engagement der Bürger/innen, stellen alle unter Generalverdacht und betreiben eine uferlose Überwachung. Geradezu grotesk ist es, dass diese Überwachungsmethoden unter einem CDU-GAL-Senat vorangetrieben werden und die GAL ohnmächtig und sprachlos den Innensenator gewähren lässt, der vor kurzem sogar den Einsatz der Bundeswehr im Inneren befürwortet hat."

DIE LINKE fordert die sofortige Beendigung der Kontrollen durch den Verfassungsschutz sowie die Benachrichtigung der betroffenen Personen und Initiativen, damit diese sich politisch und gerichtlich gegen die Überwachung wehren können. Außerdem will die LINKE wissen, ob die Innenbehörde zusätzlich systematisch Informationen über alle Kundgebungen und Demonstrationen sowie alle Versammlungen in geschlossenen Räumen für den Verfassungsschutz, beispielsweise bei der Versammlungsbehörde, den Schulen und Hochschulen sowie anderen Vermietern in Hamburg anfordert.

www.linksfraktion-hamburg.de - hier findet sich auch die Anfrage sowie die Antwort des Senats einschließlich des Anhangs


Legal, illegal, scheißegal - ?

An dem Tag, an dem wir den Skandal öffentlich machten, also am 13. November, ging das Landesamt für Verfassungsschutz seinerseits in die Offensive. Auf der Homepage www.hamburg.de/schlagzeilen/ - unter der Rubrik "Bürgerinfo & Bürgerservice"! - rechtfertigt es unter der Überschrift: "Hintergrundwissen über Info-Stände: Verfassungsschutz als Frühwarnsystem" dreist das grundrechtsverletzende Vorgehen. In der Logik des Geheimdienstes gibt es für das Sammeln und Sortieren von Daten überhaupt keine Grenze. Man sammelt erst einmal alles und entscheidet dann nach eigenem Ermessen, was man wie verwendet.

Ob diese uferlose Datensammelei beendet werden kann, hängt nun nicht zuletzt davon ab, ob sich die Betroffenen gefallen lassen, dass ihre Daten wie selbstverständlich beim Verfassungsschutz landen.

Um Gegenwehr zu organisieren und ggbfs. zu koordinieren, bitten wir Betroffene (also alle, die seit dem 1. Oktober Informationsstände angemeldet haben), sich an uns zu wenden:

Christiane.Schneider@linksfraktion-hamburg.de.

Raute

Mehr Demokratie in den städtischen Gesellschaften

Die Fraktion DIE LINKE/DKP/AUF im Rat der Stadt Essen hat einen Antrag für mehr Transparenz in den 66 Gesellschaften gestellt, die sich ganz oder teilweise in städtischer Hand befinden. Dort werden in der Rechtsform von Aktiengesellschaften oder GmbH wesentliche öffentliche Angelegenheiten geregelt, wie die kommunale Wohnungswirtschaft, die Kultur, der ÖPNV etc. Der Antrag verfolgt das Ziel, die Geheimhaltungspflicht der städtischen Aufsichtsratsmitglieder nur auf die Punkte zu beschränken, die zwingend der Geheimhaltung bedürfen. Der Rat und seine Gremien sollen vor wichtigen Entscheidungen der Aufsichtsräte beteiligt und angehört werden. Außerdem sollen sich die Aufsichtsratssitzungen in einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil aufteilen und die Presse über die Tagesordnungspunkte im Vorfeld informiert werden. Der Antrag wurde von CDU und SPD wegen Beratungsbedarfs in den Februar vertagt, der Stadtdirektor kündigte eine rechtliche Überprüfung an.

Der Anlass war ein lokales Ereignis in Essen, bei dem deutlich wurde, dass nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger Aufsichtsratsentscheidungen undurchsichtig bleiben. Auch Ratsmitglieder, deren Fraktion oder Gruppe keine Vertreter in den Aufsichtsräten haben, sind oft auf die Zuschauerrolle ver- und auf Hörensagen angewiesen. Im aktuellen Fall ging es um Budgetüberschreitungen in der Essener Philharmonie. Dazu hat sich der Aufsichtsrat der entsprechenden Gesellschaft ganze sechs Mal in den letzten zwei Jahren beraten und den Intendanten, Michael Kaufmann, öfter ermahnt. Der Rat und seine Ausschüsse wurden aber nicht ein einziges Mal über diese Probleme informiert und erst mit der Entlassung des Intendanten vor vollendete Tatsachen gestellt. Dieses Verfahren ist undurchsichtig und undemokratisch und leider kein Einzelfall.

Denn durch die "Flucht" der städtischen Gesellschaften in das Privatrecht kommt es zu einem Widerspruch, da das Kommunalrecht weitgehend vom Grundsatz der Öffentlichkeit ausgeht. Das Gesellschaftsrecht, das für GmbHs und Aktiengesellschaften gilt, aber nicht. Bestärkt wird diese Intransparenz auch durch eine falsche Anwendung des Gesellschaftsrechts. Denn die strengen Bestimmungen des Aktienrechts gelten in wichtigen Punkten, wie z.B. der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsräte, nicht bei GmbHs, die über keinen gesetzlich vorgeschriebenen obligatorischen Aufsichtsrat verfügen. Das betrifft immerhin 29 der städtischen Gesellschaften in Essen, die einen sog. fakultativen Aufsichtsrat haben, weil ihre Mitarbeiterzahl unter 500 Mitarbeitern liegt.

Die Fraktion DIE LINKE/DKP/AUF stützt sich mit ihrem Antrag auf ein Gerichtsurteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg (Az. RN 3 K 04.1408) und ein Urteil des Bundesgerichtshofes (Az. III ZR 294/04) So hat der Bundesgerichtshof bezogen auf das Presserecht Niedersachsen entschieden, dass "der Auskunftspflicht (gegenüber Journalisten) auch Betriebe der kommunalen Daseinsvorsorge unterliegen, die in Form von Gesellschaften mit beschränkter Haftung geführt werden, aber unter beherrschendem Einfluss der öffentlichen Hand stehen."

Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hat ein Bürgerbegehren "Mehr Bürgerbeteiligung statt geheimer Rathauspolitik" zugelassen, welches eine Änderung der Satzung einer städtischen GmbH forderte. Demnach sollte die Geheimhaltungspflicht der Aufsichtsratsmitglieder beschränkt werden und die Medien die Tagesordnungspunkte des Aufsichtsrates zur Verfügung gestellt werden. Die Fraktion DIE LINKE/DKP/AUF hat eine gutachterliche Stellungnahme eines Rechtsanwaltes, die nachweist, dass diese beiden Urteile auch auf die Kommunalpolitik in Essen, bzw. anderen Städten übertragbar sind.

Thorsten Jannoff


Die Krise der WestLB
Kommunen und Landschaftsverbände als Gefangene einer Investmentbank

Die linke Gruppe im Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat jetzt die Broschüre: "Die Krise der WestLB - Kommunen und Landschaftsverbände als Gefangene einer Investmentbank" herausgebracht. Die Broschüre beleuchtet in einem historischen Teil wichtige Stationen der Bank und ihrer Vorläufer mit besonderem Augenmerk auf die beständige Tendenz der Bankenführungen, sich von ihren öffentlichen Auftrag zu entfernen. Die Broschüre kann man kostenlos bestellen bei: Die Linke. i. d. Landschaftsversammlung Rheinland, LVR, 50663 Köln, Tel. 0221/809-7661, Fax -7663, Email: Die. Linke@lvr.de

Raute

KOMMUNALE POLITIK

http://die-linke.de/politik/kommunal/kommunalnewsletter/

Der Kommunal-Newsletter der AG Kommunalpolitik der Bundestagsfraktion DIE LINKE erscheint in der Regel zweimal im Monat. Jede Ausgabe enthält aktuelle Informationen zu verschiedenen kommunal relevanten Themen aus EU, Bund, Ländern und Kommunen. Die AG Kommunalpolitik schreibt im Vorwort:

"Wie immer nehmen wir sehr gern weiterführende Hinweise oder Verbesserungen zur Gestaltung des Kommunal-Newsletters entgegen. Um möglichst Viele zu erreichen, wären wir euch auch dankbar, wenn ihr den Kommunal-Newsletter weiter verschicken oder empfehlen würdet.

Mit freundlichen Grüßen

Katrin Kunert (MdB), Petra Brangsch, Felicitas Weck und Manfred Klaus"


Die Politischen Berichte möchten diesen Newsletter den kommunalpolitisch interessierten Leserinnen und Leser empfehlen, weil er das fast unüberschaubaren Feld der kommunalpolitische relevanten Ereignisse sichtet, eine Arbeit, die vor Ort gar nicht zu leisten ist. Während wir an dieser Stelle sonst eine Übersicht von Initiativen der Linksfraktionen im Westen liefern, bringen wir diesmal Kurzbesprechungen zum Thema Stadtplanung/Bürgerbeteiligung, die in diesem Newsletter im letzten Halbjahr erschienen.


Michael Meschik. Planungshandbuch Radverkehr. 2008, Springer Verlag, ISBN: 978-3-211-76750-4.

Kurzbeschreibung: Der Radverkehr kann wesentlich und nachweisbar zur Lösung innerörtlicher Verkehrsprobleme, zum Klimaschutz und zur Volksgesundheit beitragen. Das Planungshandbuch bietet in kompakter Weise relevante Grundlagen und technische Details zur Wahl und Dimensionierung einer funktionierenden Infrastruktur für den Radverkehr. Um ein gutes Umfeld für die Akzeptanz und die Förderung des Radverkehrs zu schaffen wird auch auf die "Soft Policies" - also die organisatorischen und sonstigen Fördermaß nahmen - eingegangen. Beispiele aus der Praxis der Planung, der Umsetzung sowie des öffentlichen Umgangs ausgewählter europäischer Kommunen ergänzen und veranschaulichen die im Buch aufgezeigten Planungsstrategien.


Christoph Zöpel/Heiner Monheim. Raum für Zukunft. Zur Innovationsfähigkeit von Stadtentwicklungs- und Verkehrspolitik 2008, Klartext Verlag, ISBN: 978-3-8375-0010-3

Kurzbeschreibung: Dieser Titel erschien 1997 erstmals als Überblick zu Geschichte und Konzeption von Stadtplanung und als praktischen Einblick in die Stadterneuerung Nordrhein-Westfalens. Die Neuauflage wurde stark erweitert, u.a. durch Beiträge über die Notwendigkeit von Regionalisierungen auf den verschiedenen Maßstabsebenen, die Schwierigkeiten der Planung im Umgang mit Schrumpfungsprozessen, die Fortsetzung flächenbeanspruchender Planung trotz Schrumpfungsprozessen, den städtebaulichen und verkehrlichen Wandel der Innenstädte, die Entwicklung der kommunalen Verkehrsplanung, die Probleme von Großprojekten der Verkehrspolitik.


Rolf Junker/Gerd Kühn/Christian Nitz/Holger Pump-Uhlmann. Wirkungsanalyse großer innerstädtischer Einkaufscenter. 2008, Verlag Deutsches Institut für Urbanistik, ISBN: 978-3-88118-461-8

Kurzbeschreibung: Große Einkaufscenter haben in Innenstädten seit Jahren Konjunktur, längst haben Investoren und Projektentwickler auch die Mittelstädte entdeckt. Die zu beobachtende Entwicklung "Pro Innenstadt - contra Peripherie" ist mit Blick auf eine tragfähige Stadtentwicklung zweifelsohne zu begrüßen. Gleichwohl drängen sich Fragen auf:

Welche Wirkungen gehen von großen Einkaufscentern auf den innerstädtischen Einzelhandel aus? Wie fügt sich diese Betriebsform in die gewachsenen Stadtstrukturen ein?

Welche Entwicklungen finden in Innenstädten ohne Einkaufscenter statt? Im Rahmen der Untersuchung wurde in 16 Kommunen, die einen breiten Querschnitt der bundesdeutschen Städtelandschaft darstellen, nach Antworten gesucht. Der Band enthält auf der Basis der ermittelten Ergebnisse konkrete Empfehlungen für das richtige Vorgehen bei der Ansiedlung von großen Einkaufscentern in Innenstädten.


Aktive Beteiligung fördern! Ein Handbuch für die bürgernahe Kommune zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Hrsg. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) 2008, Verlag der DWA, ISBN: 978-3-940173-37-9

Kurzbeschreibung: Der Titel befasst sich mit der Öffentlichkeitsbeteiligung auf lokaler Ebene und konzentriert sich auf die damit verbundenen Aufgaben bei der Gewässerbewirtschaftung und - entwicklung. Nach über zwei Jahren intensiver Arbeit und mit Erkenntnissen aus über 40 ausgewerteten Beteiligungsprojekten der letzten zehn Jahre im Bereich der Gewässerbewirtschaftung in Deutschland und Österreich liegen Ergebnisse vor, mit denen die drei wichtige Punkte für den Erfolg von Beteiligungsprojekten verdeutlicht werden: Erfolgreiche Beteiligungsprojekte auf lokaler Ebene: benötigen ein bekanntes "Zugpferd" als Promotor, brauchen eine neutrale und professionelle Moderation sowie Steuerung, können auch von einer anderen Seite als der Verwaltung erfolgreich initiiert werden.


Franz-Reinhard Habbel/Andreas Huber (Hrsg.). Web 2.0 für Kommunen und Kommunalpolitik. 2008, Verlag Werner Hülsbusch, ISBN: 978-3-940317-36-0

Kurzbeschreibung: Die neueste Entwicklung im Internet heißt "Web 2.0" oder "Soziales Internet". Damit ist vorrangig eine besondere Einbindung der Nutzer gemeint, in welcher sie als unentgeltliche Informationslieferanten an der Erstellung der Internetangebote beteiligt sind. Das Web 2.0 bietet auch für die Kommunen und die Kommunalpolitik erhebliche Potenziale. Insbesondere die Entstehung einer neuen Öffentlichkeit und die aktive Einbindung der Bürger in Arbeitsabläufe der kommunalen Behörden sind attraktiv. Für Wahlkämpfer und gewählte Repräsentanten bietet es Kontaktmöglichkeiten. Die Bandbreite der Themen geht von Berichten über erfolgreiche "Rennen um das Bürgermeisteramt" und Praxisbeispiele über demokratie-theoretische Überlegungen zu Web 2.0 in Kommunen bis hin zu konkreten Tipps für den Umgang eines Bürgermeisters mit diesem Thema.


Bürklin, Thorsten, Peterek, Michael. Basics Stadtbausteine. 2008, Birkhäuser Verlag, ISBN: 978-3-7643-8459-3

Kurzbeschreibung: Das Wissen über die unterschiedlichen Stadtbausteine gehört zum grundlegenden Handwerkszeug jeder städtebaulichen Planung. Aus diesen Bausteinen sind unsere Städte und Quartiere zusammengefügt. Für das städtebauliche Entwerfen ist es unerlässlich, ihre Form und Struktur, die funktionalen Bedingungen, ihre Differenzierung von privaten und öffentlichen Bereichen sowie die Vernetzung mit dem Umfeld zu verstehen. Die Beschäftigung mit den Stadtbausteinen stellt einen ersten Schritt dar, die gebaute Struktur der Stadt als physischen und sozialen Lebensraum zu begreifen und als solchen weiter zu entwickeln.


Klages, Helmut, Daramus, Carmen, Masser, Kai. Bürgerbeteiligung durch lokale Bürgerpanels. Theorie und Praxis eines Instruments breitenwirksamer kommunaler Partizipation, 2008, Verlag edition sigma, ISBN: 978-3-8360-7232-8, 8,90 Euro

Kurzbeschreibung: An der repräsentativen Demokratie des hierzulande praktizierten Typs wird vielfach kritisiert, dass die Wähler MandatsträgerInnen für die Dauer einer Wahlperiode gleichsam "Generalvollmacht" erteilen. Als Alternative werden zuweilen plebiszitäre Methoden "direkter" Demokratie oder auch Beteiligungsverfahren diskutiert, die aber nur wenige Personen einbeziehen.

Chancen für breitere Teile der Bevölkerung, sich wirksam in den politischen Prozess einzubringen, ohne die gewählten VertreterInnen zu entmachten, scheinen nicht verfügbar zu sein.

In diesem Buch wird jedoch ein praktisch gangbarer Weg hierzu vorgestellt: das lokale Bürgerpanel.

Dieses Instrument zielt auf einen institutionalisierten Dialog von Rat und Verwaltung mit der Bürgerschaft durch wiederkehrende Bürgerbefragungen. Das in diesem Band präsentierte Konzept zeigt, dass verschiedene heterogen erscheinende Zielsetzungen gleichzeitig erreicht werden können: Bürgerpanels können repräsentativ, jedoch gleichermaßen für alle BürgerInnen offen und für die EntscheiderInnen nicht nur machbar, sondern sogar attraktiv sein. Die Beteiligung kann niederschwellig organisiert und für die Kommune mit erstaunlich geringen Kosten verbunden sein.


Privatisierung und Liberalisierung - Strategien zur Selbstentmachtung des öffentlichen Sektors, In: Kritik des Neoliberalismus - "Mit dem Aufstieg des Neoliberalismus in den 1970er-Jahren brach sich im gesellschaftlichen wie im politischen Raum mehr und mehr eine Haltung Bahn, die einseitig auf die Privatisierung staatlicher Aufgaben setzt. Die Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse durch den freien Markt - die zentrale Devise lautet: "Less government is good government" - stellt seither ein konstitutives Merkmal wirtschaftspolitischer Entscheidungsprozesse dar. Ungeachtet regionaler und sektoraler Unterschiede zielt die neoliberale Doktrin auf eine "Entthronung der Politik" (Friedrich A. von Hayek), die sich in der Forderung nach einer möglichst weitreichenden Rückführung des öffentlichen Sektors konkretisiert."

http://www.springerlink.com/content/3346152/fulltext.pdf

Raute

Große Tarifkommission und Delegiertenversammlung Mannheim der IG Metall

Tarifabschluss nach heftiger Diskussion mehrheitlich gebilligt

Nach heftiger Diskussion aber letztlich doch mit großen Mehrheiten ist der Entgelt-Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie in den jeweiligen Gremien gebilligt worden.


IG Metall-Vorstand stimmt Verhandlungsergebnissen zu

26.11. Einen Tag vor Ende der Erklärungsfrist stimmte der IG Metall-Vorstand den Verhandlungsergebnissen der einzelnen Tarifbezirke für die Metall- und Elektroindustrie zu. Das für Baden-Württemberg erzielte Ergebnis wurde in allen anderen Tarifbezirken übernommen.

Die rund 3,6 Millionen Beschäftigten der Branche erhalten für die Monate November, Dezember und Januar eine Einmalzahlung in Höhe von 510 Euro, anschließend eine Lohnerhöhung von 4,2 Prozent in zwei Schritten.    www.igmetall.de

Zur Erinnerung: Der Vorstand der IG Metall hat im September nach entsprechenden Beschlüssen der Großen Tarifkommissionen eine Entgeltforderung von 8% für eine Laufzeit von 12 Monaten beschlossen. Der Tarifvertrag ist am 31.10. ausgelaufen gewesen.

Der nun verhandelte Abschluss vom 12. November 2008 lautet: Für die Monate November, Dezember 2008 und Januar 2009 gibt es eine Einmalzahlung von 510 €, ab Februar 2009 eine tabellenwirksame Erhöhung der Entgelte von 2,1%, ab Mai nochmals eine Erhöhung von 2,1% jeweils bezogen auf das Grundentgelt von Januar 2008, so dass die Gesamterhöhung der Grundentgelte 4,2% beträgt. Der Tarifvertrag läuft bis zum April 2010, so dass sich eine Laufzeit von 18 Monaten ergibt. Neben diesem Betrag gibt es von Mai bis Dezember 2009 eine monatliche Zahlung von 0,4% = 122 € Einmalzahlung im September 2009. Diese Zahlung fällt ab 2010 wieder weg, da hierüber der Altersteilzeittarifvertrag für vier Monate in 2010 finanziert wird.

Aus mehreren Gründen ist das verhandelte Ergebnis kritisiert worden.

1. Wegen der Höhe. Rechnet man die 4,2%ige Tabellenerhöhung von 18 Monaten auf das Jahr um, so ergibt sich eine Erhöhung von 2,8%. Von der ursprünglichen Lohnforderung von 8% ist man mit diesem Ergebnis arg weit weg. Normalerweise wurden bisher laut Statistiken bei Lohnforderungen der IG Metall über 50% durchgesetzt. Waren es mehr wie 60%, dann ist das Ergebnis in der Regel sehr gut. So gesehen hätte bei dem Abschluss mindestens eine 4 vor dem Komma stehen müssen, eine 5 wäre ein sehr gutes Ergebnis gewesen.

2. "Vertrauensschwund für die IG Metall. Die Basis erwartet, dass die IG Metall endlich mal hart bleibt. Man muss auch mal wieder streiken. Man muss auch in der Krise streikfähig sein. Man müsse das Ruder auch mal in die andere Richtung herumreißen, die Zumutungen von Unternehmern und Regierung müssen ein Ende haben, man müsse mal wieder aufstehen, Beispiel Lokführergewerkschaft. Ist die IG Metall überhaupt noch streikfähig." Das sind Stichworte, die bei den Belegschaften und in der Debatte eine wichtige Rolle gespielt haben.

3. Die große Mehrheit der Delegierten hat letztlich aber akzeptiert, dass sich bedingt durch die "plötzliche" und mit einer ungeahnten Wucht sich entwickelte Wirtschaftskrise, ein besseres Ergebnis nicht zu erstreiten war. Ursprünglich wollten die Kapitalvertreter nur einmal 2,1% bieten. Erst die Streikdrohung der IG Metall, das Einberufen der Großen Tarifkommission während der Verhandlung brachte Bewegung in die Tarifverhandlung und führte nach einem 19-stündigen Verhandlungsmarathon zu besagtem Ergebnis.

4. Ausgerechnet die bewährten "Streiktruppen" der IG Metall in der Automobilindustrie und der Zulieferindustrie wie Bosch und ZF sahen sich nicht mehr in der Lage, durch einen Streik ökonomischen Druck aufzubauen. Daneben schwächelten auch andere Unternehmen wie die Heidelberger Druckmaschinen. Diese Betriebe haben für die kommenden Wochen und Monate Zwangsurlaub und/oder Kurzarbeit angekündigt. Es gibt zwar Betriebe, die nach wie vor die Auftragbücher voll haben, wie John Deere oder Alstom in Mannheim, aber das war offensichtlich nicht die Mehrheit.

5. Es blieb vor allem die Kritik an der Art und Weise, wie der Tarifvertrag zustande gekommen ist, z.B. dass der Abschluss in einer Nacht- und Nebelaktion zustande gekommen ist, während die Kolleginnen und Kollegen schon startklar in den Startlöchern saßen, um mit der Urabstimmung am nächsten Tag zu beginnen. Da ist bemängelt worden, dass der Abschluss schön gerechnet worden ist, z.B. in der Bild-Zeitung mit einer halbseitigen Anzeige der IG Metall. Damit mache man sich unglaubwürdig. Es sind auch die nicht abgesprochenen Äußerungen des IG-Metall Vorsitzenden Huber kritisiert worden, der schon vor den eigentlichen Verhandlungen öffentlich eine verlängerte Laufzeit zur Disposition stellte. Letztlich sind auch einige Betriebsratsvorsitzenden oder Bevollmächtigte kritisiert worden, die nach außen hin die Streikbereitschaft einzelner Betriebe zugesagt haben. Als es dann zum Schwur gekommen ist, dann wurde mit dem Verweis der schlechten Auftragslage eine Rolle rückwärts gemacht. Hier ist von allen eine bessere Kommunikation und Auseinandersetzung untereinander angemahnt worden.

6. Bei der Delegiertenversammlung in Mannheim ist das Ergebnis trotz aller Kontroverse letztlich mit breiter Mehrheit bei 17 Gegenstimmen und einigen Enthaltungen angenommen werden. Dies waren neben den Delegierten von Alstom, die den Abschluss heftig kritisierten, auch etliche andere Delegierte aus anderen Betrieben. Die Große Tarifkommission Baden-Württemberg hat das Ergebnis bei 220 Stimmberechtigten bei 11 Gegenstimmen und einigen Enthaltungen gebilligt.

Roland Schuster (Mitglied der Delegiertenversammlung der IG Metall und der Großen Tarifkommission der IG Metall Baden-Württemberg).

Aus: Kommunal-Info Mannheim 24/2008

Raute

DISKUSSION UND DOKUMENTATION

Texte zur Finanzmarktkrise

Lesenswertes zu Ursachen und Folgen

Die Ursachen, schon eingetretenen und in Zukunft noch zu erwartenden Folgen der Finanzmarktkrise und die Frage, was getan werden kann, um eine Wiederholung einer solchen globalen wirtschaftlichen Großkrise in Zukunft zu verhindern, bewegen viele. Entsprechend groß ist die Zahl der Aufsätze, Bücher und Broschüren, die sich mit dem Thema befassen. Im folgenden stellen wir einige Texte vor. Zum Teil bereits vor Ausbruch der Krise erschienen, haben sie seitdem nicht an Aktualität verloren. Weitere Rezensionen sollen folgen.
(gst, rül)


Paul Windolf (Hrsg.), Finanzmarkt-Kapitalismus. Analysen zum Wandel von Produktionsregimen. Sonderheft 45/2005 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Wiesbaden, Mai 2005, 510 Seiten, 34 Euro

Die Kölner Zeitschrift, in deren Reihe dieser Band erschien, wurde begründet durch Rene König, einen liberalen Soziologen, der nach seiner Emigration während der NS-Zeit von 1949 bis 1974 an der Kölner Universität lehrte und in seinen letzten Jahren neben Helmut Schelsky und Theodor W. Adorno als einer einflussreichsten Vertretern der deutschen Soziologie der Nachkriegszeit galt. König setzte sich für die empirische Sozialforschung ein und grenzte sich damit sowohl von Schelsky wie von der eher sozialphilosophisch geprägten dialektischen Soziologie ab, wie sie Theodor W. Adorno und die Frankfurter Schule betrieben.

"Es geht in diesem Band um die Frage, in welcher Weise das 'Modell Deutschland' sich an ein neues Produktionsregime anpasst ... Der Titel dient als Chiffre für einen Transformationsprozess, in dem die globalen Finanzmärkte einen erheblichen Einfluss auf die Veränderungsrichtung und die Veränderungsgeschwindigkeit der Gesellschaft ausüben", schreibt Paul Windolf, der Herausgeber, Professor für Soziologie an der Universität Trier. Die 22 Autoren, darunter auch in Gewerkschaftskreisen bekannte Autoren wie Klaus Dörre, stellten ihre Beiträge erstmals 2004 auf einer Tagung der Evangelischen Akademie in Bad Herrenalb vor. Hier sollen schon aus Platzgründen nur die beiden einleitenden Aufsätze des Herausgebers skizziert werden.

Unter der Überschrift "Die neuen Eigentümer" beschreibt Windolf dabei die Ablösung des von ihm als korporatistisch beschriebenen "Modell Deutschland", bei dem der Staat die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln setzte, die operativen Entscheidungen aber bei wenigen großen Banken lagen. Von ausländischen Beobachtern seien die deutschen Banken deshalb lange als Ordnungsmacht im deutschen Wirtschaftsleben angesehen worden. Dazu gehörte der große Aktienbesitz dieser Banken, ihre Präsenz in Aufsichtsräten und ihre Verfügung über das Depotstimmrecht der Kunden. Seit Mitte der 1990er Jahre werde dieses System schrittweise aufgelöst. Typisch dafür war die Erklärung der Deutschen Bank vom März 2001, sie werde in Zukunft keinen Aufsichtsratsvorsitz in einem deutschen Unternehmen mehr übernehmen. Mit diesem Rückzug der deutschen Banken sei in der Wirtschaft ein Machtvakuum entstanden, in das Investment- und Pensionsfonds eindrangen.

Durch neue Finanzmarktgesetze wurde dieses Vordringen der Investmentfonds erleichtert und zugleich reguliert. Stärkerer Anlegerschutz, Verbot von Insiderhandel und neue Publizitätspflichten gehörten zu der neuen Regulierung dazu, die für Windolf eine "nachholende Modernisierung" war. Er schränkt aber ein: "Das neue System hat einen höheren Grad an Komplexität und verursacht wahrscheinlich höhere Transaktionskosten". (S. 13).


Neues Produktionsregime - alter Streit

Damit verbunden sei ein neues "Produktionsregime", das sich stark am wirtschaftlichen Aufstieg der USA im 20. Jahrhundert orientiere und auf ähnliche Wachstumserfolge hoffe. Interessant ist dabei der Hinweis von Windolf, dass der anhaltende Streit über das sogenannte "deutsche Modell" und das sogenannte "angelsächsische Modell" eine lange Geschichte hat: "Bereits vor dem 1. Weltkrieg wurde im 'Verein für Socialpolitik' über unterschiedliche 'Varianten' des Kapitalismus diskutiert ... Die USA waren das Land der Trusts und der anarchischen Konkurrenz, Deutschland war das Land der Kartelle und der regulierten Konkurrenz." (S. 13)

"Das System ökonomischer Institutionen, das hier als Finanzmarkt-Kapitalismus bezeichnet wird, hat sich zuerst in den USA entwickelt. Es sieht so aus, als ob damit ein neues Produktionsregime entstanden ist, das in besonderer Weise an globalisierte Märkte angepasst ist."

Strittig ist für Windolf, welches von beiden Systemen zu größerem Wachstum führe. Gegenüber dem alten Modell seien die Akteure des neuen Systems mehr an kurzfristiger Rendite orientiert, ist seine Hauptsorge. Zudem vertiefe sich die soziale Ungleichheit.


Vom Kredit zur Aktie

Im nächsten Aufsatz, "Was ist Finanzmarkt-Kapitalismus?" versucht Windolf, diese Unterschiede näher zu analysieren. "Das dominante Finanzierungsinstrument ist nicht der Kredit, sondern die Aktie", ist eine Feststellung (S. 25). Es habe eine "Re-Konzentration des Eigentums bei den Investmentfonds stattgefunden". Diese "neuen" Eigentümer sind "ungeduldiger" als Banken, kurzfristiger orientiert, wechseln schnell ihr Portfolio und stehen immer in Konkurrenz um die höchstmögliche Rendite. Sie zwingen auch früher wenig kontrollierte Manager der Aktienunternehmen, eine hohe Eigenkapitalrendite zu erreichen. Beispiel Siemens: Das Unternehmen meldete 2004 eine Eigenkapitalrendite von 16% und gab gleichzeitig bekannt, für langfristige Bank-Kredite deutlich weniger zu zahlen. 57 Prozent der Siemens-Aktien befanden sich 2004 in Händen ausländischer Investoren, überwiegend von Investment-Fonds.


Gütermärkte und Finanzmärkte

Interessant ist der Vergleich, den Windolf (zum Teil in Anlehnung an Marx) zwischen Realmärkten und Finanzmärkten zieht. "In der Realökonomie werden Güter und Dienstleistungen produziert und getauscht; auf den Finanzmärkten werden Zahlungsversprechen gehandelt. Gütermärkte sind vergangenheitsorientiert: Ein vergangener Produktionsprozess muss sich am Markt bewähren. Zahlungsversprechen (Aktien) sind zukunftsorientiert. Es geht um die Summe künftiger Erträge ..." (S. 25/26)

Diese Zukunftsorientierung berge auch Risiken, so Windolf weiter, und zitiert Hayeks Kritik der Planwirtschaft. Der liberale österreichische Ökonom "hat argumentiert, dass die sozialistische Planwirtschaft nicht zuletzt an einem Informationsproblem gescheitert ist: Niemand könne wissen, wie viel Stahl im nächsten Jahr gebraucht wird und ob Konsumenten in der nächsten Saison noch schwarze Hosen kaufen werden. Die Finanzmarkte müssen aber genau das prognostizieren, wenn sie die zukünftige Profitabilität eines Stahlwerkes oder einer Kleiderfabrik bestimmen wollen." (S. 28)

Windolf deutet dabei an, dass solche Finanzmarkt-orientierten Steuerungssysteme, obwohl technisch hoch effizient, "in vielen Fällen durch die Komplexität der Umwelt überfordert" sein können (S. 29). Er fährt fort: "Wenn die These zutrifft, dass Finanzmärkte die Komplexität der Gebrauchswerte und die damit verbundenen Kontingenzen ("Möglichkeiten") nicht zureichend verarbeiten können, ... dann kann auch die relative Autonomie und die Entkopplung der Finanzmärkte von der "Real"-Ökonomie erklärt werden (S. 31), ebenso wie damit verbundene, zyklisch wiederkehrende "Über"- und "Unter"-Bewertungen bestimmter Prozesse. Windolf: "Die Puffer, mit denen die Realökonomie sich gegen die Finanzmärkte abgeschottet hat, werden schwächer", Turbulenzen auf den Finanzmärkten schlagen stärker auf die Realmärkte durch. (rül)


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Till van Treeck, Eckhard Hein und Petra Dünhaupt, Finanzsystem und wirtschaftliche Entwicklung: Tendenzen in den USA und in Deutschland aus markoökonomischer Perspektive, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung an der Hans Böckler Stiftung, Düsseldorf, Studies 5/2007, 108 Seiten

Die Studie des IMK, erschienen vor Ausbruch der derzeitigen Finanzmarktkrise bzw. in einem frühen Stadium, knüpft in vielen Punkten an den Analysen von Windolf an. Sie ist, das allein macht sie schon lesenswert, wenig moralisierend, sondern eher nüchtern, kritisch und analytisch.

Ihre Hauptthese: Die Finanzmarkt-Orientierung bzw. das Shareholder-Value-Regime beeinflussen, anders als von den Befürwortern solcher Steuerungssysteme gewünscht, das physische Investitionsverhalten der Wirtschaft negativ, verlangsamen wirtschaftliches Wachstum eher, als es zu beschleunigen. Sie verstärken zudem soziale Ungleichheiten zu Lasten der abhängig Beschäftigten.

Für die USA sei das gleich an mehreren Faktoren erkennbar:

a) einer niedrigen Lohnquote, geringen und stagnierenden Einkommen der Arbeitnehmer und einer damit verbundenen hohen Verschuldung der privaten Haushalte. Ein auf immensen Schulden basierender Konsum sei zum Hauptträger des wirtschaftlichen Wachstums in den USA geworden;

b) einer wenig investierenden und deshalb auf den Weltmärkten kaum konkurrenzfähigen Industrie (ausgenommen Rüstung), erkennbar am hohen Außenhandelsdefizit der USA und

c) einer Finanzbranche, die sich - auch in Ermangelung von industriellem "Geschäft" - immer mehr auf das Spekulationen mit Immobilien, Rohstoffen etc. orientiert.

Für die Bundesrepublik, im Vergleich zu den USA eher ein "Nachzügler" bei der Übernahme solcher Steuerungssysteme, seien die Folgen noch nicht so gravierend, teilweise aber bereits erkennbar an stagnierenden Einkommen im Inland und einer damit verbundenen gefährlich hohen Exportlastigkeit. Bei einem globalen konjunkturellen Einbruch könne das, so die Diagnose der Autoren im Sommer 2007, fatale Folgen haben.

Die Autoren schildern dann ausführlich die Befürworter wie die Kritiker des neuen Steuerungssystems und deren Theorien.

Befürworter des "Finanzmarkt-Kapitalismus" sind die Vertreter der sogenannten "neuen Wachstumstheorie" und der Informationsökonomik. Ihre Hauptargumente: Das neue Regime ermöglicht eine effizienteren Einsatz von Kapital, einen schnelleren Fluss von neuem Kapital in wachstumsstarke Sektoren. Die Aussicht auf höhere Renditen erhöht die private Sparneigung und beschleunigt den Strukturwandel. Der stärkere Druck auf Belegschaften wie Manager vermindere zudem bei beiden "Drückebergerei" und Ineffizienz.

Die tatsächliche Entwicklung in den USA in den letzten Jahren - minimale Sparneigung, geringes industrielles Wachstum, hohes Außenhandelsdefizit - widerlegt inzwischen gleich mehrere dieser Annahmen und macht es insofern Kritikern dieser Theorie leicht. Von steigender Sparneigung kann in den USA nun wirklich keine Rede sein. Hinzu kommt, dass anscheinend große industrielle Investitionen vielfach aufgeschoben werden, weil sie die vierteljährlich an die Investment- und Pensionsfonds zu berichtenden Gewinnzahlen des Unternehmen negativ beeinflussen und so zu einem Ausstieg dieser Investoren aus dem Unternehmen führen können. Die Orientierung an Quartalszahlen hemmt so eher den Strukturwandel im Unternehmen, statt ihn zu beschleunigen. Kritiker sprechen deshalb auch von "Profiten ohne Investitionen" seit Beginn der 1980er Jahre in den USA und von einem Abzug von Geldmitteln aus den Unternehmen durch die neuen Eigner, der die Aktienkurse nach oben schießen ließ, ohne das die damit verbundenen Erwartungen der Aktionäre durch die realwirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen bestätigt wurde. Zudem würden wichtige Preise (Rohstoffe, Wertpapiere, Wechselkurse) unter dem neuen Regime stärker schwanken als in der Vergangenheit und damit die Unsicherheit der Unternehmen bei Real-Investitionen verstärken.

Diese Entwicklung gelte inzwischen auch für Deutschland: "Die Gewinne der 30 größten Aktiengesellschaften sind in den letzten fünf Jahren um die Hälfte gestiegen, die Dividenden wurden erhöht ... Allerdings ist die Investitionsquote auf einem historischen Tiefststand. Statt in langfristige Forschungsvorhaben und Strategien investieren die Unternehmen in Aktienrückkäufe", zitieren die Autoren. (S. 24)

Ähnlich in den USA: Dort erzielten Unternehmen wie General Motors und Ford "im 2. Quartal 2004 höhere Einnahmen durch Konsumenten- und Hypothekenkredite sowie Leasinggebühren als durch den Verkauf von Autos" (S. 34) Generell neige das neue Steuerungssystem zu "irrationaler Überschwenglichkeit", wird der frühere US-Notenbankpräsident Alan Greenspan zitiert (S. 50).

Wie eine frühe Prognose der inzwischen eingetretenen Krise liest sich auch der Hinweis, dass der auf einer Erwartung ständig steigender Preise basierende Immobilienboom in den USA auch die Gefahr mit sich bringe, dass ein Einbruch der Preise (wie inzwischen geschehen) "zu erheblichen Liquiditäts- und Solvenzproblemen (solvent = zahlungsfähig) im privaten Haushaltssektor und bei den Finanzdienstleistern führt" (S. 51).

Die "Abkopplung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft" bedeute "eine Abkopplung der Zinszahlung von ihrem realwirtschaftlichen Fundament der Profiterzielung", stellen die Autoren fest.

Für die Bundesrepublik kommen die Autoren zudem zu der interessanten Feststellung, dass der Anteil von Aktien an der Finanzierung von gewerblichen Investitionen entgegen populären Vermutungen "überaus gering" ist (S. 71). Der größte Teil der Investitionen werde von den Unternehmen vielmehr aus dem laufenden Ertrag finanziert. Die Wachstumsschwäche, wie sie hierzulande bis 2004 beobachtbar war, sei deshalb auch nicht durch die geänderten Finanzierungsbedingungen der Unternehmen erklärbar, sondern durch eine insgesamt wenig wachstumsfreundliche Politik. (S. 74) (rül)

Die Studie ist im Internet herunter zu laden unter
http://www.boeckler.de/show_product_imk.html?productfile=HBS- 003956.xml



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Eckhard Hein und Till van Treeck, Finanzmarktorientierung - ein Investitions- und Wachstumshemmnis? IMK-Report Nr. 26, Januar 2008, 14 Seiten

In den theoretischen Prämissen identisch mit der eben beschriebenen Studie, aber kürzer gehalten und zudem aktueller, ist der hier genannte Report. Anders als die Studie enthält der Report auch eine kurze Übersicht der wichtigsten Gesetzesreformen für das Finanzsystem in Deutschland seit 1990, die zu der jetzigen Situation beigetragen haben. Beispielhaft genannt seien die vier "Finanzmarktförderungsgesetze" aus den Jahren 1990, 1994, 1998 und 2002, die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer 1991, die Legalisierung der (seit der Weltwirtschaftskrise 1931 verbotenen) Aktienrückkäufe 1998, die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen durch die Steuerreform von 2002 (die den im folgenden Jahr legalisierten Hedge Fonds und der Private Equity-Branche den Weg frei machte), und die Zulassung von sogenannten REITS (Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen) durch den deutschen Bundestag, die pikanterweise 2007 in Kraft trat. Kurz darauf brach die Immobilienkrise in den USA aus und verhinderte so das Ausbreiten der noch kurz zuvor von angeblichen "Experten" gepriesenen REITS.

Anders als die Studie enthält der Report auch Vorschläge für politische Konsequenzen. So befürworten die Autoren eine Beschränkung von Aktienrückkäufen durch Unternehmen, eine Mindesthaltedauer von Aktienoptionen für Manager, um die kurzfristige Orientierung von Managemententscheidungen auf Quartalszahlen zu schwächen, eine stärkere Bilanzierung von Risikopositionen von Banken und die Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer und einer Steuer auf Veräußerungsgewinne von Kapitalbeteiligungen, um den kurzfristigen Ein- und Ausstieg von Investoren in Unternehmen zu behindern und auf eher längerfristige Engagements hin zu wirken. (rül)

Auch dieser Report ist im Internet herunter zu laden unter http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_26_2008.pdf


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Robert J. Shiller, The Subprime Solution, Princeton University Press, 2008 (erscheint am 15.12.08 unter dem Titel "Die Subprime Lösung" bei Börsen Medien AG Kulmbach)

Robert J. Shiller ist Vertreter der Schule der "behavioral finance", die entgegen der verbreiteten Lehre vom "homo oeconomicus" vor allem die beschränkte Fähigkeit der Wirtschaftssubjekte zu rationaler Informationsverarbeitung sowie ihren Hang zu gleichartigem Handeln betont. Er wurde dadurch bekannt, dass er Ende der 1980er den ersten brauchbaren Index für die Bewegung der Hauspreise in den USA entwickelte, den er in 2005 mit Daten ab dem Jahr 1890 ergänzte. In seiner neuesten Veröffentlichung hat er diese Kurve bis Anfang 2008 fortgeschrieben.

Die oberste Linie zeigt die durchschnittlichen inflationsbereinigten Hauspreise für Ein- und Zweifamilienhäuser in den USA, darunter die Entwicklung ihrer Baukosten, der Bevölkerungszahl und der langfristigen Zinsen. Seit Mitte der 90er Jahre entfernen sich die Hauspreise wie eine Rakete von ihren Baukosten, um nach ihrem Höhenflug ab Mitte 2006 noch schneller abzustürzen. Der Ausfall des dahinter stehenden Kreditvolumens in Höhe mehrerer Billionen Dollar, welches durch globale Finanzinstrumente auf Gläubiger in aller Welt verteilt wurde, ist der Auslöser der gegenwärtigen Finanz- und Weltwirtschaftskrise.

Die Preisbewegungen in unterschiedlichen Regionen der USA, in teuren oder billigen Segmenten des Wohnungsbaus gleichen sich alle. Ähnliche Bewegungen gab es auch im Großraum London und anderen Metropolen. Sie korrelieren offensichtlich nicht mit den anderen im Schaubild dokumentierten Faktoren.

Shiller berichtet, wie sich der Immobilienboom im Zeitraum von 1991 bis 2005 ausbreitete und alle Kreise der US-amerikanischen Gesellschaft vom "Subprime"-Kreditnehmer bis zum Notenbankpräsidenten erfasste, wie sich das Denken in Kategorien der Spekulation wie eine "gesellschaftliche Epidemie" entwickelte. Diese Epidemie entwickelte ihre zunehmende Glaubwürdigkeit aus "stories", die man am besten als "Erzählungen" übersetzt, Erzählungen von einem "neuen Zeitalter". Dieses neue Zeitalter bestand laut Shiller in der Entwicklung kapitalistischer Institutionen in den ehemaligen realsozialistischen Ländern und den Schwellenländern, allen voran in China und Indien. Eine riesengroße Klasse von Reichen in diesen Ländern würde den Preis aller knappen Güter weltweit unaufhörlich hochtreiben.

In diesen "Geschichten", zu denen auch Vorstellungen über ständig steigende Öl- oder Nahrungsmittelpreise gehören, verschmelzen die Bodenwerte mit den Immobilienwerten. Wenn der Bodenwert von ca. 15% auf über 50% des Gesamtimmobilienwertes steigt, werden Häuser nicht mehr als Manufakturprodukte, die Unterhalt benötigen und aus der Mode kommen können, betrachtet, sondern nur noch mit dem Boden identifiziert, auf dem sie gebaut werden. Hier setzen dann die öffentlichen Mythen von der Immobilienknappheit aufgrund der Begrenztheit von Grund und Boden an, so als gäbe es keine Alternativen zu den sich um die Städte schlingenden Ringen von Einfamilienhäusern, die ihre Bewohner zwingen, sich auf das Automobil für das anstrengende Pendeln in die Zentralstadt zu verlassen. Dieser Lebensstil ist an seine Grenze gestoßen.

Shiller stellt dem die Entwicklung eines tatsächlichen urbanen Lebensstil (größere Verdichtung und Entwicklung neuer urbanen Zentren) entgegen. Gegen die Vorstellung, es gäbe explodierende Baukosten aufgrund Materialknappheit, setzt er auf den technischen Fortschritt. Spekulative Blasen will er durch eine "Demokratisierung der Märkte" verhindern, Damit meint er aber nicht Verstaatlichung sondern Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes durch Entwicklung von Finanzinstrumenten "für alle", wie z.B. handelbare Optionen zur Versicherung von Hauseigentümern gegen Preisverfall. Der Staat soll die Verbraucher schützen, indem er unabhängige Finanzberater subventioniert, die selbst keine Finanzprodukte vertreiben dürfen und Familien beim Abschluss von Hypotheken oder Lebensversicherungen beraten. Keine angenehme Kost für die Linke. (gst)


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Lucas Zeise, Ende der Party. Die Explosion im Finanzsektor und die Krise der Weltwirtschaft, Papy-Rossa Verlag, Köln 2008

Der Autor ist seit mehr als 20 Jahren als Finanzjournalist tätig, war bei der Gründung der "Financial Times Deutschland" beteiligt und schreibt dort noch regelmäßig Kolumnen. Auf knapp 200 Seiten erzählt er von den spezifischen Bedingungen, die zur globalen Finanzkrise geführt haben.

Diese charakterisiert er als eine klassische Spekulationskrise, die durch vier Besonderheiten gekennzeichnet sei:

- Das Objekt der Spekulanten sei die "triviale und wenig aufregende Finanzierung von Ein- oder Zweifamilienhäusern in der US-amerikanischen Provinz" gewesen.

- Das gewaltige Ausmaß dieses Spekulationsbooms sei nur durch die in den letzten Jahren entwickelte Technik der massenhaften Umverpackung von faulen Krediten in komplizierte Mischkonstruktionen und deren Weiterverkauf an alle Welt möglich geworden.

- Dieser schuldenfinanzierte Konsum der US-Haushalte, der sich in einem ständig steigenden Außenhandelsdefizit der USA niederschlug, wurde durch Kapitalzufuhr aus dem Ausland bezahlt, durch Länder mit starker Exportindustrie - zuletzt vor allem durch die VR China. Deren Notenbank hielt den Kurs der eigenen Währung, des Renminbi niedrig und kaufte daher massiv Dollar in Form von US-Staatsanleihen.

- Schließlich seien praktisch alle Aspekte des Finanzsektors, der Interbankenmarkt für kurzfristige Gelder, die Märkte für Aktien, Anleihen und Kredite in die Krise geraten, es blieb zuletzt nur noch der Rohstoffmarkt, wo die Preise trotz abflauender Weltkonjunktur bis vor kurzem noch stiegen.

Als "eigentlichen Grund" für die Krise sieht der Autor die Größe und ökonomische Wucht des Finanzsektors selbst, das "Missverhältnis zwischen Finanzsektor und dem realwirtschaftlichen Teil der Weltwirtschaft." In ersterer werde kein Wert geschaffen, sondern nur Ansprüche oder juristische Titel auf die in der Realwirtschaft produzierten Werte konstruiert oder getauscht. Welche Größe aber soll die Finanzwirtschaft für ein geordnetes Funktionieren der Realwirtschaft haben? Und wieso sollen deren Produkte wertlos sein, wo selbst ein Buch darüber zum Preis von 14,90 Euro seinen Käufer findet?

Jedenfalls lag das Wachstum der Kreditvergabe und damit das der Geldmenge in den letzten Jahren um ein Mehrfaches über dem Wachstum des Sozialprodukts verschiedener Währungsräume. Dass dies nicht zu galoppierender Inflation geführt habe, liege daran, dass der Kredit nicht in der Realwirtschaft sondern an den Börsen und Kapitalmärkten angekommen sei, wo er die Preise der Aktien, Anleihen, Unternehmen und Immobilien angetrieben habe.

In diesem Zusammenhang gibt der Autor einen launigen Überblick über die Geschäftsmodelle der Private-Equity-Fonds, Hedge-Fonds, die Kreditverpackungsbranche, die Rolle der Kapital gedeckten Altersvorsorge. Seine Grundthese: der Kredit sei nicht bzw. zunehmend weniger "produktiv" verwendet worden, d.h. anstatt zur Ausdehnung der Produktion zur Finanzierung von Wetten in einer Art weltweitem Spielkasino. An dieser Stelle der Einwand: wenn das Ergebnis dieser Wetten sich in gewaltigen Halden von langweiligen Ein- und Zweifamilienhäusern darstellt, was ist daran unproduktiv?

Warum das Buch trotz der offensichtlichen Abneigung des Autors gegen das Geldgeschäft lesenswert ist: aufgrund seiner profunden Kenntnisse der Akteure des Finanzmarktes und der damit befassten staatlichen Institutionen, insbesondere der Zentralbanken, zeigt er, dass es Instrumente gab und gibt, die geeignet sind, den Finanzsektor zu zügeln und das unvermeidbare Eingehen von Risiken zu beschränken. Die für die Aufsicht der Banken und des Finanzmarktes Zuständigen haben dagegen genau das, was sie verhindern sollen, zugelassen oder sogar befördert. Besonders spannend wird dies im Kapital über die "die Rolle der Notenbanken" dargestellt, deren immer noch in weiten Kreisen als unantastbar dargestellte Unabhängigkeit vom Souverän rein gar nichts zu einer wenigstens milderen Verlaufsform des Spekulationsbooms beigetragen hat.

Für den Autor ist der Finanzsektor, soweit er ihn als notwendig betrachtet, eine öffentliche Infrastruktur. Sie ist bereits hoch reguliert wie keine andere privatwirtschaftliche Branche. Die Anreize, die Aufsichtsregeln zu verletzen oder zu umgehen, seien hoch, zumal die Bank auf Grund der de facto existierenden staatlichen Garantie nicht für die Folgen von Fehlspekulation haftet. Ein Entzug der staatlichen Garantie mit der Folge der Insolvenz sei für die Gesellschaft nicht akzeptabel. Folglich laufe die Entwicklung über kurz oder lang auf die Verstaatlichung hinaus. Er verweist hier auf den Chefökonom der britischen "Financial Times", der die Zukunft der Bankenwelt durch viele dezentrale, öffentliche Banken und Sparkassen gekennzeichnet sieht, was aber enge Kontrolle und Regulierung nicht überflüssig mache.

Ein prägnanter Überblick über die Basler Abkommen zur Begrenzung der Kreditvergabe im Verhältnis zum Eigenkapital zeigt, wie hier die Schwierigkeit im Detail liegt und klare Regeln eher aufgeweicht und die Überschuldung gefördert wurden. Hier wie in der Darstellung der staatlichen Reaktionen auf die Finanzkrise (Stand September 2008) liefert das Buch Beurteilungsmaßstäbe für die verschiedenen in letzter Zeit umlaufenden Reformvorstellungen zur Verbesserung der Regulierung. Dazu gehört als moderne Version des Speise- und Getränketests des königlichen Mundschenks die Idee von einem 10 Prozent Selbstbehalt beim Kreditverkauf, die Reform von Bilanzierungsregeln, die Entmachtung der Rating-Agenturen zugunsten des Ratings durch den Markt (!), Änderung der Entlohnungssysteme, institutionelle Verbesserungen des Handels mit komplexen Finanzprodukten - letzteres lehnt der Autor ab, weil er diese Produkte für überflüssig hält. Auch Kapitalverkehrskontrollen werden gefordert, um eine strikte Kontrolle der Banken und bankähnlichen Fonds sowie über die Kredit- und Geldschöpfung wieder zu gewinnen.

Politik er die letzten Jahre beruflicherseits immer wieder kommentieren musste. "Sie werden die Grundregeln zur Bändigung des Finanzkapitals in operationale Detailregeln formulieren müssen. Sie sollen den Finanzmarkt mit Geld versorgen, aber sie sollen ein genaues Auge darauf haben, was mit diesem Geld geschieht. Sie werden für die Stabilität des Finanzsektors verantwortlich sein und gemacht werden. Sie müssen deshalb einem Minimum an demokratischer Kontrolle unterworfen werden und die von ihnen geliebte Unabhängigkeit im Interesse der Finanzwelt aufgeben." (gst)

Raute

Eine Kirchengemeinde stellt sich ihrer Vergangenheit

In Erinnerung rufende Klage

Kaltenkirchen, Schleswig-Holstein. In einer gottesdienstlichen Gedenkfeier am 9. November 2008 versuchte die St. Michaeliskirche, sich dem dunkelsten Punkt ihrer eigenen Geschichte zu stellen: Ernst Szymanowski-Biberstein, Mitglied der SS, Gestapochef in Oppeln, Einsatzgruppenleiter im südrussischen Rostow, verantwortlich für Tausende von Erschießungen, in Nürnberg 1947 zum Tode verurteilt, begnadigt und in den Schoß der Kirche zurückgekehrt, war von 1927 bis 1933 Pfarrer in Kaltenkirchen und anschließend Propst in Bad Segeberg.


Und so könnte es gewesen sein:

"Stolz stellt der Chef des Reichssicherheitshauptamtes in gemütlicher Runde die bürgerlichen Berufe seiner Offiziere in den Einsatzgruppen vor. "Rechtsanwalt, Arzt, Wirtschaftsexperte, Opernsänger", zählt Heydrich auf und legt eine Kunstpause ein. "Und hier ist unser Prachtstück - Standartenführer Biberstein, ehemaliger lutheranischer Pastor."

"Biberstein!" ruft Heydrich scherzend, "erzählen Sie uns doch mal von dieser Organisation, die Sie gründeten, als Sie die Kanzel verließen. Wie hieß sie noch?" Biberstein, auf einmal im Mittelpunkt, errötet. ",Die Bruderschaft der Liebe'", antwortet er. "Und wie hat sie sich bewährt?" frotzelt einer der SS-Männer. "Leider sehr schlecht", antwortet Biberstein gequält, "deshalb bin ich ja auch bei der SS gelandet." "Das Evangelium verbreiten, was, Biberstein?" höhnt die Männerrunde. "Ach, das ist hier gar nicht nötig", versucht Biberstein den Schulterschluss, "hier sind wir alle Bekehrte zu einem neuen Glauben."

Eine Fiktion? Diese Szene stammt aus Gerald Greens Roman "Holocaust". In Kaltenkirchen war sie Wirklichkeit geworden.

Der Romanfigur von Green liegt das Leben Ernst Bibersteins zugrunde. Vor 1941 hieß der SS-Mann Ernst Szymanowski. Geboren am 15. Februar 1899 in Hilchenbach im Kreis Siegen, hatte Szymanowski nach der Schulzeit zwei Jahre lang als Soldat im Ersten Weltkrieg gekämpft.

In nur vier Semestern studierte er evangelische Theologie, besuchte sechs Monate ein Predigerseminar und schloss seine Ausbildung mit einem Vikariatsjahr ab und wurde Pastor in Schleswig-Holstein. 1924 in Kating, Eiderstedt, und 1927 in Kaltenkirchen. Im Oktober 1933 wurde er zum kommissarischen Propst von Neumünster und wenig später zum Propst von Bad Segeberg ernannt.

Bereits am 19. Juli 1926 war er in die NSDAP eingetreten. Aktiv als "SA-Pfarrer" in der ihr nahe stehenden kirchenpolitischen Gruppierung der "Deutschen Christen", wollte er beiden Herren dienen: Jesus und Hitler. 1934 bis 1935 war er Kreisschulungsleiter der NSDAP. Auf einer Parteiversammlung im November 1934 erklärte er, wer Deutschlands Unglück sei: "Der Jude, ob Marxist oder gleich in welcher Schattierung, ist immer das Verderben bringende Übel der Völker gewesen. Wo nur der geringste Anlass besteht, sein Verderben bringendes Gift auszustreuen, wird es geradezu gründlich besorgt."

Bald hielt es Szymanowski nicht länger im kirchlichen Dienst. Er strebte mitten in den NS-Staat und wechselte ins Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten. Am 1. August 1936 trat Szymanowski der SS bei, Mitgliedsnummer 1300292 und brachte es bis zum Obersturmbannführer. Als Verbindungsmann zur Geheimen Staatspolizei in einer herausragenden Position angestellt, löste er sich immer mehr von der Amtskirche. In einem Fragebogen zur Ergänzung der Parteiakte betonte er 1937, im Besitz eines germanischen "Jul-Leuchters" zu sein. Im darauf folgenden Jahr trat Szymanowski aus der Kirche aus. Seine Konfession gab er fortan mit "gottgläubig" an. Er hatte sich für Hitler als seinen einzigen Herrn entschieden.

Im August 1941 wurde er nach Oppeln versetzt, um Leiter der dortigen Staatspolizeistelle zu werden, jetzt unter seinem neuen Namen Ernst Emil Heinrich Biberstein. Denn sein Namen erschien ihm zu "polnisch", wie er sagte, er wollte aber ganz und gar ein deutscher Nationalsozialist sein. Dort organisierte er die Deportation der einheimischen Juden.


Statt MGs setzt Biberstein lieber Gaswagen ein

Dann kam er im Juni 1942 nach Russland, wo er das Einsatzkommando 6 der Einsatzgruppe C anführte. Ihm wurde die Führung eines Einsatzkommandos der SS übertragen - im südrussischen Rostow, der heutigen Ukraine.

Sein Auftrag bestand darin, die Bevölkerung in dem besetzten Gebiet durchzukämmen, Haus für Haus, um auch jene Juden noch aufzutreiben, die den vorauf gegangenen deutschen Massakern entkommen waren. Sie galt es - immer mit Kenntnis und Unterstützung der Wehrmachtsführung - aus ihren Verstecken zu holen. Es waren fast nur Frauen, Kinder und Greise - denn die Männer kämpften längst in der Roten Armee.

Das ganze Ausmaß von Bibersteins Taten wurde 1947 im Nürnberger Einsatzgruppenprozess deutlich. Biberstein selbst gab die Zahl der von seinem Kommando erschossenen Männer, Frauen und Kinder mit "zwei bis drei Tausend" an. Sie wurden entweder erschossen oder in speziell gebauten Lkws vergast. Er habe die Vernichtung durch "Gaswagen bevorzugt, weil die Gesichter der Toten nicht verzerrt waren". Vom Chefankläger in Nürnberg, Robert W. Kempner, ist Bibersteins Selbstverständnis überliefert: "Da er nach seiner eigenen Aussage noch am unsichtbaren Altar seiner eigenen Religion betete, wurde er gefragt, ob er versucht habe, den vor dem Tode Stehenden Zuspruch und Trost zu bieten. Seine Antwort war, dass man, da der Bolschewismus den Atheismus predigte, 'keine Perlen vor die Säue werfen sollte'. Er habe gegen das Gebot der Liebe nicht verstoßen." Biberstein erklärte vor dem Gericht: "In Bezug auf alle Anklagepunkte fühle ich mich vor Gott und meinem Gewissen nicht schuldig."

Am 8. April 1948 wurde er zum Tode durch den Strang verurteilt.


Kaltenkirchener Kirchenzeitung "Pflugschar und Meißel"

Schauderhaft und ekelerregend mutet uns eine Biographie wie die des Szymanowski-Biberstein selbst nach so vielen Jahrzehnten an. Lehrreich auch für heute ist ihr sozialer und ideologischer Zusammenhang. Ist sie doch ein Beispiel dafür, wie sich in der evangelischen Kirche auf dem Lande in Schleswig-Holstein der Faschismus bis hin zur brutalsten Umsetzung in Verbrechen entwickeln konnte: Vom religiös gefärbten Sympathisieren mit faschistischem Gedankengut hin zur festen Überzeugung, von der Überzeugung hin zur mörderischen Tat.

Einen nicht geringen Beitrag dazu leisteten die kirchlichen Gemeindeblätter Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre. "Die evangelische Presse präsentiert traditionsgemäß das Sprachgefühl des institutionalisierten Christentums mit seiner gehobenen, oft kanaanitischen und gelegentlich esoterischen Sprechweise. ... Zugleich wird aber die Kirchensprache für die ganz andere Sprachwelt pathetischer Propaganda und Agitation missbraucht. Die Verbindung von religiösem mit nationalem Pathos führt zu einer Verfälschung des spezifisch evangelischen Sagens." So eine Analyse der ideologischen Funktion dieser Blättchen.

Die Kaltenkirchener Kirchenzeitung "Pflugschar und Meißel" legte zum Jahresbeginn 1933 ihren Lesern die Frage in den Mund "Was erwarten wir von 1933?" Die Antwort wies mit geradezu religiösem Pathos hin auf den, der da kommt: Adolf Hitler. "Man hat das Bild des berühmten Mannes schon oft gesehen, man weiß, wie er aussieht ... Man erwartet noch irgend etwas besonderes von ihm, seine Gestalt, seine Sprache, seine Bewegungen werden dies besonders offenbaren. Und so schlägt ihm, wohin er auch kommt, eine große Erwartung entgegen. Kein Zweifel, dass heute unzählige von dieser Erwartung des Außerordentlichen - um nicht zu sagen: des Wunders - beseelt sind."

Typisch ist die Mischung aus religiös formuliertem Nationalsozialismus und Blut-und-Boden-Theologie:

"Geschichte wächst als Schicksal aus Blut und Boden. Männer, die Geschichte machen, nehmen dieses Schicksal, Blut und Boden, als Aufgabe. Alles Schicksal wird überwunden, wenn der Mensch sich selbst als Opfer gibt zur Hilfe für seine Nächsten, für die Brüder aus Blut und Boden: Dann werden Blut und Boden geweiht als heilige Zeichen des Schicksals, und durch opferbereite Menschen entsteht gewaltige Wandlung, den von ihren Lippen flammt der Ruf: Gott will es!"

So in "Pflugschar und Meißel" vom 14. Januar 1934


Die Amtskirche schaltet sich ein: "Die Dinge lagen ganz anders"

Aber die Geschichte geht ja noch weiter: Szymanowski-Biberstein wird 1947 nicht sofort hingerichtet. Zahlreiche Gnadengesuche der Kirche bewirken 1951, dass seine Todesstrafe in lebenslänglichen Freiheitsentzug umgewandelt wird.

Am 1. November 1953, noch in Haft, nimmt die evangelische Kirchengemeinde Neumünster Szymanowski-Biberstein wieder auf. Am 8. Mai 1958, wurde Biberstein auf "Parole", d.h. unter dauerhafter Beaufsichtigung und Betreuung, freigelassen.

Als am 16. Juni 1958 im "Pressedienst des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes" nüchtern und objektiv der Werdegang und die Verbrechen des Szymanowski-Biberstein unter der Überschrift "Das war einst ein Pfarrer" geschildert wurden, reagierte im "Deutschen Pfarrerblatt" (Nr. 18/1958) der Propst von Neumünster Richard Karl Steffen mit dem Gegenartikel: "Die Dinge lagen ganz anders".

"Den Ausführungen des Pressedienstes ... muß widersprochen werden. Über 12 Jahre saß B. in Landsberg. Lange Zeit war er Todeskandidat, der jeden Freitag darauf wartete, dass sich auch seine Tür öffnete zu seiner Hinrichtung. So lange hat die Familie um ihn gebangt und auf seine Freilassung gehofft. Die spärlichen Besuche, die erlaubt waren, geschahen nur unter Aufsicht. Das Rote Kreuz bemühte sich um seine Freilassung im Paroleverfahren. Ich erklärte mich bereit, für ihn zu bürgen und ihm wenigstens einen Arbeitsanfang zu ermöglichen. Andere halfen mir darin. Viele Gesuche wurden abschlägig beschieden. Immer neue Enttäuschungen! Nach der Aussage des Gefängnisgeistlichen hat B. diese Zeit in vorbildlicher Haltung durchgestanden, und zwar im wesentlichen gehalten durch Gottes Wort und Sakrament und durch seinen in der Tiefe gereiften lebendigen Christusglauben. So konnte er auch den anderen Zuspruch geben. Endlich kam jetzt im Mai der Tag seiner Freilassung nun doch ganz plötzlich ... Wir konnten ihm für einige Monate Arbeit bei uns im Kirchenbüro geben. Was weiter werden soll, ist noch ungewiß. Ich kann den Fall hier im einzelnen nicht darlegen. Aber das muß ich auf Grund meiner sehr eingehenden Beschäftigung mit den ganzen Zusammenhängen sagen: Die Dinge liegen ganz anders, als wie sie nach dieser Notiz den Anschein haben. Wir sollten doch auch sehr vorsichtig sein in der Verwertung der Nürnberger Prozessakten. Nach meiner Überzeugung ist B. kein Verbrecher. Was übrig bleibt an Schuld vor Menschen und Gott, ist menschlich gestraft genug und geistlich in Gottes Vergebung gestellt. Sollten wir nicht auch vergeben können?"


"Die in die Erinnerung rufende und weckende Klage - sie täte auch uns gut."

Dr. Gerhard Hoch, der durch seine historische Forschung viele dieser Fakten wieder an das Tageslicht gebracht hat, eröffnete seine Ansprache am 9. November 2008 in der Michaeliskirche zu Kaltenkirchen mit den Worten: "Dieser Tag und dieser Gottesdienst rufen uns an, unsere Gedanken und unsere Gefühle zu öffnen, und Ereignisse einzulassen, die lange zurück liegen, die aber unsere Geschichte unablösbar begleiten." "Denken wir daran, dass jenes Furchtbare sich aus kleinen Anfängen auch hier am Ort entwickelte: Aus den Bildern, den Schlagworten, den Reden und Liedern, auch dem Sonntagsblatt der Gemeinde "Pflugschar und Meißel" mitten in unserer engsten Heimat Menschen ausgegrenzt wurden, erst aus dem Wirtschaftsleben, dann aus Kultur und Gesellschaft, am Ende aus ihrer physischen Existenz. Ausgrenzung tötet!" "Wahrhafte, schwerste Schuld hat sich die Kirche insgesamt dadurch aufgeladen, dass sie fast vom Anbeginn ihrer Geschichte das Gift des kirchlichen Anti-Judaismus säte, ein Gift, das in Deutschland zum tödlichen rassistischen Antisemitismus gesteigert wurde. ... Die in die Erinnerung rufende und weckende Klage - sie täte auch uns gut."

Siebzig Jahre nach der Reichspogromnacht, nach jahrzehntelangem Schweigen, brachte die Kirchengemeinde es über sich und benannte offiziell die Tatsache, dass einer ihrer Geistlichen zu den NS-Schergen gehörte.

Karl-Helmut Lechner


Quellen: Gerhard Hoch, "Zwölf wiedergefundene Jahre"; Kaltenkirchen unter dem Hakenkreuz, 1997

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Oben: Ernst Bieberstein auf dem einzigen Foto, das ihn in SS-Uniform zeigt.
Rechts: Ernst Bieberstein (links außen) auf der Anklagebank während des Prozesses vor dem Nürnberger Militärgerichtshof.

Raute

IN & BEI DER LINKEN

Gemeinsam für den Wechsel in Europa!

Die Vertreter der 30 Mitglieds- und Beobachterparteien der EL, die am Wochenende zu einer Wahlkonferenz in Berlin zusammengekommen waren, haben per Akklamation die "Plattform der Partei der Europäischen Linken für die Wahlen zum Europäischen Parlament 2009" beschlossen. In dem Dokument heißt es:

"Die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 sind eine Chance, die Grundlagen der Europäischen Union (EU) zu verändern und für Europa eine neue Perspektive zu eröffnen. Wir sind mit einer finanziellen, wirtschaftlichen und sozialen Krise des Systems konfrontiert, die täglich weiter eskaliert. Sie verschärft und verschlimmert die Lebensmittel-, Energie- und Umweltkrise. Sie vertieft die Kluft zwischen den Geschlechtern. Sie beeinflusst das Leben aller Menschen in Europa und der Welt ganz unmittelbar ..."

Inzwischen hat Lothar Bisky öffentlich erklärt, dass er als Spitzenkandidat auf der Europaliste antreten wird. Einige der bisherigen Eu-Abgeordneten suchen sich neue Betätigungsfelder. Die Berlinerin Sarah Wagenknecht will für den Bundestag in NRW antreten. Yvonne Kaufmann, erfahrene EU-Abgeordnete und stellv. Vorsitzende der Linksfraktion (GUE/NGL) im EP steht anscheinend nicht auf Lothar Biskys Personalliste. Kaufmann vertritt in der Linkspartei eine Minderheitenposition. Zum EU-Reform-Vertrag erklärte sie jetzt:

"Die Chancen nutzen!

Wir wollen ein soziales, demokratisches und friedliches Europa. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Kräfteverhältnisse nach links verschoben werden. Darum geht es bei der Europawahl am 7. Juni 2009. Bleiben aber die jetzigen Verträge in Kraft - und das ist es, was mich bewegt, dann werden alle Neuerungen im Lissabon-Vertrag obsolet, die gerade uns neue Spielräume eröffnen, um die EU grundlegend zu verändern.

Deutlich gestärkt wird das EU-Parlament, die europäische Vertretungskörperschaft der Bürgerinnen und Bürger und die einzige europäische Institution, in der linke Parteien europäische Politik unmittelbar gestalten können. Hier gibt es keine starre Kräftekonstellation zwischen Regierungskoalition und Opposition wie in nationalen Parlamenten. Mehrheiten zu jedem Sachthema müssen jeweils neu hergestellt werden. Gerade dies eröffnet diverse Möglichkeiten, Entscheidungen von links zu beeinflussen. Zudem wird mit der Europäischen Bürgerinitiative die Tür ein wenig geöffnet hin zu direkter Demokratie in der EU. Soziale Bewegungen bekommen so einen wirksamen Hebel, um stärker in europäische Politik einzugreifen.

Der Reformvertrag enthält eine Klausel, die zwingend vorschreibt, alle EU-Richtlinien vorab auf ihre Sozialverträglichkeit hin zu überprüfen - ein scharfes Schwert, wenn man es zu gebrauchen versteht. Die Daseinsvorsorge wird dem EU-Wettbewerbsrecht entzogen, und zugleich werden solch wesentliche Prinzipien wie Qualität, Sicherheit, Bezahlbarkeit und universeller Zugang rechtlich verankert.

Strikt abzulehnen bleibt die Entwicklung der EU zur Militärmacht, allerdings wird sie auch ohne neuen Vertrag vorangetrieben. Aber ohne ihn gäbe es keine klare Bindung der EU an das Völkerrecht und keine Stärkung ziviler Komponenten wie bindende Kooperation mit der OSZE oder ein Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe.

Vor Ort in der Kommune oder im Land unterstützen wir im Interesse der Menschen alle Schritte in Richtung Fortschritt. Dies sollte auch für Europa gelten."


*


DIE LINKE.Hessen stellt Landesliste auf - derzeitige Landtagsabgeordnete führen die Liste an

Die Vertreterinnen- und Vertreterversammlung der Partei DIE LINKE. Hessen hat die Wahlen zur Landesliste für die Landtagswahl 2009 am zweiten Versammlungstag abgeschlossen. Die Landesliste umfasst 55 Plätze, diese Anzahl entspricht der Zahl der Wahlkreise bei der Landtagswahl. Die derzeitigen sechs Landtagsabgeordneten wurde auch wieder auf die ersten sechs Plätze nominiert.

"DIE LINKE wird flächendeckend in allen Wahlkreisen mit Direktkandidatinnen und -kandidaten antreten. In den meisten unserer 26 Kreisverbände haben die Wahlversammlungen bereits stattgefunden", erklärt Landespressesprecher Achim Kessler: "Es ist beeindruckend, dass manche Mitglieder dafür sogar einen Teil ihres Urlaubs opfern. Von den 25.000 Plakaten des letzten Wahlkampfs wurde kein einziges durch eine beauftragte Firma aufgehängt."

Raute

TERMINE

Die Winterschule der ArGe Konkrete Demokratie - Soziale Befreiung: 2. bis 4. Januar 2009 in Erfurt

Bitte beachtet die geänderten Anfangs- und Endzeiten: Beginn ist am Freitag, 2.1., 13 Uhr, Ende am Sonntag, 4.1., 16 Uhr. Die ArGe-Mitgliederversammlung wird voraussichtlich am Samstagabend sein


Kurse und Themen

Kurs Wirtschaft:
Als Thema des nächsten Kurses in der Winterschule vereinbarten die Teilnehmer/innen: "Soziale Stadt / Kommunale Politik im Umgang mit sozialen Brennpunkten und Krisengebieten." Auch für die Sommerschule 2009 wurde schon ein Thema vereinbart: "Mindesteinkommen, Mindestlöhne / Zwischenbilanz der Anstrengungen für ein gesetzliches Lohnminimum, von dem ein menschenwürdiges Leben möglich ist".

Kurs Philosophie / Kulturwissenschaften:
Für die Winterschule gibt es folgenden Vorschlag: Das Gegensatzpaar "Freiheit und Sicherheit" als Thema würde erlauben, neben dem aktuellen Bezug auch theoriegeschichtlich und mit philosophischen Texten zu arbeiten, könnte als Fortsetzung insbesondere der Schlussdiskussion vom Sommer verstanden werden und würde die Hinzuziehung von relevanten aktuellen Autoren erlauben.

Kurs internationale Politik:
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kurses waren sich einig, das begonnene Thema "Internationale Beziehung" in der Winterschule mit der Lektüre und Diskussion von Texten der "Neorealistischen Schule" - einer aus der Kritik an der Realistischen Schule entstandenen Weiterentwicklung - fortzusetzen. Außerdem soll versucht werden, Mitglieder des Gesprächskreises "Frieden und Sicherheitspolitik" zu Vortrag und Diskussion einzuladen.

Anmeldeinformationen
Wir tagen wie zuletzt in der Jugendherberge Hochheimer Straße, in der JH Klingenstraße übernachten wir. Beide liegen nur etwa drei Minuten Fußweg auseinander. Adresse: JH Erfurt, Hochheimer Str. 12, Klingenstraße 4, 99094 Erfurt, Tel. 0361 5626705.

Die JH ist vom Bahnhof Erfurt mit der Straßenbahn 5 bis Endstation Steigerstraße zu erreichen. Von dort sind es noch ca. 200 m Fußweg.

Autofahrer nehmen die Abfahrt Erfurt-Zentrum, -Waltersleben, dann in Richtung Erfurt, in Erfurt Richtung Innenstadt fahren (bis Kreuzung Kaffeetrichter), dort links abbiegen, über die Schillerstraße (B 4 und B 7), in der Pförtchenstraße links abbiegen, nach ca. 400 m befindet sich die JH auf der linken Straßenseite (auf Ausschilderung JH achten).

Die Kosten für Übernachtung/Frühstück betragen ab dem kommenden Jahr 25,50 Euro pro Person. Bettwäsche ist vorhanden, aber bitte Handtücher mitbringen. Wir sind als Gruppe angemeldet. Um die benötigte Anzahl von Betten ggfs. korrigieren zu können, meldet euch bitte rechtzeitig und verbindlich bis zum 1. Dezember an bei hanne-reiner@onlinehome.de


*


6. Dezember. Leinfelden-Echterdingen. Landesparteitag der Linken Baden-Württemberg

6. Dezember. Regensburg. Landesparteitag der Linken Bayern.

2. bis 4. Januar. Erfurt. Winterschule der ArGe Konkrete Demokratie Soziale Befreiung (siehe Kasten)

31. Januar. Aufstellung der Landesliste Baden-Württemberg der Linken zur Bundestagswahl.

31. Januar. Aufstellung der Landesliste Niedersachsen der Linken zur Bundestagswahl.

13. Februar. Dresden. Bundesweite Demonstration gegen Nazi-Aufmarsch in Dresden (Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg).

28. Februar. Essen. Bundesparteitag und Vertreter/innen-Versammlung zur Europawahl der Linken


*


Vorschau auf Wahlen
Jahr
Monat
Wo?
Was?
Termin
Wahlperiode
2009















Januar
Mai
Juni
Juni
Juni
Juni
Juni
Juni
Juni
Juni
Juni
August
August
August
Sept.
Sept.
Hessen / a.o.
Bundesversamml.
EU
Baden-Württemb.
Mecklenb.-Vorp.
NRW
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
Saarland
Thüringen
Sachsen
Brandenburg
Bundesrepublik
Landtag
Bundesprä
Euro.Parl.
Kommunal
Kommunal
Kommunal
Kommunal
Kommunal
Kommunal
Kommunal
Kommunal
Landtag
Landtag
Landtag
Landtag
Bundestag
18.1.
23.5.
7.6.
7.6.
7.6.
7.6.
7.6.
7.6.
7.6.
7.6.
7.6.
30.8.
30.8.
30.8.
27.9.
27.9.
4 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
4 Jahre
2010

Frühj.
Frühj.
Schlesw.-Holstein
NRW
Landtag
Landtag


5 Jahre
5 Jahre
2011







Frühj.
Frühj.
Frühj.
Frühj.
Frühj.
Herbst
Herbst
Herbst
Baden-Württemb.
Rheinland-Pfalz
Sachsen-Anhalt
Hessen
Bremen
Niedersachsen
Berlin
Mecklenb.-Vorp.
Landtag
Landtag
Landtag
Kommunal
Landtag/K
Kommunal
Landtag/K
Landtag








5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
4 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre

Quelle: www.wahlrecht.de/termine.htm

Raute

IMPRESSUM

Politische Berichte

ZEITUNG FÜR LINKE POLITIK - ERSCHEINT ZWÖLFMAL IM JAHR

Herausgegeben vom: Verein für politische
Bildung, linke Kritik und Kommunikation,
Venloer Str. 440, 50825 Köln
Herausgeber: Barbara Burkhardt, Christoph Cornides,
Ulrike Detjen, Emil Hruska, Claus-Udo Monica,
Brigitte Wolf.

Verantwortliche Redakteure und Redaktionsanschriften:

Aktuelles aus Politik und Wirtschaft;
Auslandsberichterstattung:
Christiane Schneider, (verantwortlich),
GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, 20359 Hamburg,
Tel. 040/43 18 88 20, Fax: 040/43 18 88 21.
E-mail: gnn-hamburg@freenet.de - Alfred Küstler,
GNN-Verlag, Postfach 60 02 30, 70302 Stuttgart,
Tel. 0711/62 47 01, Fax: 0711/62 15 32.
E-mail: stuttgart@gnn-verlage.com

Regionales / Gewerkschaftliches: Martin Fochler,
GNN Verlag, Stubaier Straße 2, 70327 Stuttgart,
Tel. 0711/62 47 01, Fax: 0711/62 15 32,
E-mail: pb@gnn-verlage.de

Diskussion / Dokumentation: Rüdiger Lötzer,
Postfach 210112, 10501 Berlin,
E-mail: gnn-berlin@onlinehome.de

In & bei der Linken: Jörg Detjen,
GNN Verlagsgesellschaft Politische Berichte mbH,
Venloer Str. 440, 50825 Köln, Tel. 0221/21 16 58,
Fax: 0221/21 53 73. E-mail: gnn-koeln@netcologne.de

Termine: Alfred Küstler, Anschrift s. Aktuelles.

Die Mitteilungen der "Bundesarbeitsgemeinschaft
der Partei die Linke Konkrete Demokratie - Soziale
Befreiung" werden in den Politischen Berichten
veröffentlicht. Adresse GNN Hamburg

Verlag: GNN-Verlagsgesellschaft Politische
Berichte mbH, 50825 Köln, Venloer Str. 440
und GNN Verlag Süd GmbH, Stubaier Str. 2,
70327 Stuttgart, Tel. 0711/62 47 01, Fax: 0711/62 15 32
E-mail: stuttgart@gnn-verlage.com

Bezugsbedingungen: Einzelpreis 4,00 Euro. Ein
Halbjahresabonnement kostet 29,90 Euro (Förderabo
42,90 Euro), ein Jahresabonnement kostet 59,80 Euro
(Förderabo 85,80 Euro). Ein Jahresabo für Bezieher
aus den neuen Bundesländern: 54,60 Euro,
Sozialabo: 46,80 Euro. Ausland: + 6,50 Euro
Porto. Buchläden und andere Weiterverkäufer erhalten
30 % Rabatt.

Druck: GNN Verlag Süd GmbH Stuttgart

Gegründet 1980 als Zeitschrift des Bundes Westdeutscher Kommunisten unter der Widmung
"Proletarier aller Länder vereinigt Euch!
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt Euch".
Fortgeführt vom Verein für politische Bildung, linke Kritik und Kommunikation.


*


Quelle:
Politische Berichte - Zeitschrift für linke Politik
Ausgabe Nr. 12, 4. Dezember 2008
Herausgegeben vom: Verein politische Bildung, linke Kritik und
Kommunikation
Venloer Str. 440, 50825 Köln
E-Mail: gnn-koeln@netcologne.de
Internet: www.gnn-verlage.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2009