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ROTFUCHS/098: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 144 - Januar 2010


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

13. Jahrgang, Nr. 144, Januar 2010



Inhalt
Lederer will Marx ans Leder
Zornesröte am Stammtisch
Wo einst der rote Stern erglühte
Deutsche Biographien
Die Mär vom sozialdemokratischen Zeitalter
Gilt das Grundgesetz auch in Petershagen?
Ein Trattendorfer Kraftwerker erinnert an große Vorbilder
Totschlagsargumente oder politische Kultur?
Unvergessener Alfred Neumann
Die Würde des alten Krans
Absturz des Neuen Ökonomischen Systems
Das wahre Motiv
Die billige Zutat
Verschüttetes
Den "Aufarbeitern" in die Suppe gespuckt
Die DDR-Strafjustiz im Prisma
Was ist ein Rechtstaat?
1929: Hungermarsch zum KaDeWe
RF-Extra Warum ich in der DDR Offizier werden wollte
RF-Extra Rudi Kurz: Der Meineid
Der Fememord am Gefreiten Kunze
Jagd auf Andersdenkende
Eine Schweizerin erinnert sich
Beobachtungen einer Britin
Sternstunde der Kommunisten Italiens
Der freundliche Herr vom BND
Aus der Geschichte Palästinas
USA: Kinder als Kunden
Rußland: Job-Sterben bei Lada
Dr. Alfred Brehm und der Leipziger "Verbrechertisch"
Paul Robeson in Peekskill
Die Lebensphilosophie des Erhart Eller
Wolfgang Schreyer - Ein Meister spannender Abenteuerliteratur
In Nordhorn hochgeachtet: Lisel Deymann
Archie und sein Stahlroß
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Das Wespenkabinett

Wespen fallen vor allem durch zwei Eigenschaften auf: ihre grelle schwarz-gelbe Färbung und ihre stachelbewehrte Aggressivität. Sie attackieren nicht nur, wenn sie selbst angegriffen werden, sondern stechen häufig auch jene, welche ihnen gar nichts getan haben. Daher nehmen Wespen in der Beliebtheitsskala unter Insekten keinen Spitzenrang ein.

Anders bei den Menschen. Zum Beispiel in der BRD. Dort ist jetzt eine schwarz-gelbe Wespen-Koalition am Ruder: die rechteste Regierung seit Adenauers, Kiesingers und Kohls Tagen. Glaubt man allerdings dem ZDF-Politbarometer, dann besteht das neue Kabinett in Berlin fast nur aus "Publikumslieblingen". Die gezielte Abrichtung der Bürger durch Sender und Blätter des Kapitals, die diesem selbst gehören oder dessen Geschäfte besorgen, ist das Werk raffinierter Mediendompteure.

Die Mainzer CDU-Fernsehzentrale bescheinigt der Bundeskanzlerin unablässig höchste Popularitätsraten, obwohl ihre Partei bei den letzten Bundestagswahlen eher mäßig abgeschnitten hat. Allerdings nicht so mäßig wie die SPD Steinmeiers, der sich nach seiner eklatanten Niederlage stehenden Fußes in die Funktion des Fraktionsvorsitzenden flüchtete, bevor das Personalkarussell der Verlierer auch ihn hinauszuschleudern vermochte.

Das einzig Bunte an der Merkel-Administration sind die entzückenden Jacken der Kanzlerin. Was die Wespen-Koalition sonst offeriert, ist eher ausgeblichen. Das neue Kabinett mit der durch einige FDP-"Besserverdiener" aufgemischten Truppe von gestern wird den Bundesbürgern spätestens nach den NRW-Landtagswahlen das Fell gründlich über die Ohren ziehen. Strauchdiebmanieren sind angesagt. Das Tandem Merkel/Westerwelle ist in Wahrheit ein Überfallkommando der Superreichen. Noch sind die Sturmriemen nicht festgezurrt, doch schon bald dürften die Hunde von der Kette gelassen werden.

Sehen wir uns jene, welche jetzt als Vertreter des triumphierenden "bürgerlichen Lagers" posieren, etwas genauer an. Als "Publikumsliebling" präsentiert man mit Vorliebe den Freiherrn zu Guttenberg, einen naßforschen Gutsbesitzersprößling aus Bayern, der mit der CSU die rechteste Bundestagspartei kurzfristig als deren Generalsekretär führte, bevor er seine "reichen Erfahrungen" dem Wirtschaftsressort der großen Koalition zugute kommen ließ. Dieser aristokratische Finsterling befehligt jetzt die in Aggressionen verstrickten bundesdeutschen Streitkräfte. Neue Abenteuer und Kriege sind zu befürchten. Zu seinem Amtsvorgänger Jung (CDU) gibt es einen auffälligen Unterschied: Der Intelligenzquotient Guttenbergs liegt höher. Der in Kriegsverbrechen verstrickte Jung mußte nach nur einem Monat als Arbeitsminister aus dem Verkehr gezogen werden. Außenminister ist nunmehr der gespreizte Gernegroß Westerwelle (FDP), der sich wie ein Rummelboxer zum Kraftprotz aufgeblasen hat. Sein Kurs: Weiter so und noch viel schlimmer!

Offenbar vollziehen die herrschenden Kreise des bundesdeutschen Kapitals derzeit eine Umgruppierung ihrer politischen Kräfte. Dabei wird die seit etlichen Jahren dahindümpelnde FDP anstelle der bei manchen im Unternehmerlager als zu bißschwach empfundenen CDU neuerdings favorisiert. Die Tatsache, daß sich die Hundts als die eigentlichen Drahtzieher der BRD für den schwachen und willigen FDP-Mann Brüderle als Wirtschaftsminister entschieden haben, läßt darauf schließen.

Zu seiner Zeit als Innenminister tat Schäuble (CDU) alles, die BRD gezielt auf den Kurs der schleichenden und offenen Faschisierung zu führen. Nachfolger Steinbrücks, wird er bald alle Puppen tanzen und die BRD-Bürger den Riemen gehörig enger schnallen lassen. Natürlich steht auch dieser Raubzug im Zeichen einer angeblichen Gesundung der in Milliardenhöhe an die Banken verschleuderten Staatsfinanzen.

Innenminister wurde mit dem bisherigen Geheimdienstkoordinator de Maizière ein weiterer Frontmann der prononcierten Rechten. Seinen Nachfolger als Bundeskanzleramtsminister hat er indes wirklich nicht verdient: Frau Merkel hat Pofalla offenbar nur ausgesucht, um sich durch den geistigen Abstand selbst besser profilieren zu können.

Übrigens gibt man sich jetzt im überwiegend deutsch-chauvinistischen Wespenkabinett ganz "multikulti". Der in Vietnam gebürtige Bauchredner Rösler (FDP), der schon im Alter von neun Monaten ins Ausland verbracht worden war, konnte der neuen Arbeitsministerin von der Leyen (CDU) im Gesundheitsressort den Rang ablaufen. Das ND feierte die Entscheidung für einen "ethnisch anders Aussehenden" fast wie einen Sieg der internationalen Solidarität. Dabei wissen wir doch: Nicht Hautfarbe oder Abstammung, sondern allein die Klassenzugehörigkeit zählt.

Alles in allem: Die schwarz-gelben Wespen werden jeden, der nicht zur "Oberschicht" gehört, gnadenlos stechen. Doch auch gegen sie gibt es bekanntlich Mittel. Entschlossener Widerstand ist da am wirksamsten.

Klaus Steiniger

Raute

Ein PDL-Politiker, der seine Partei ihrer Identität berauben möchte

Lederer will Marx ans Leder

Marianna Schauzu und Walter Ruge stellten in der "jungen Welt" (6. und 11.10.2009) die Frage, warum sich die Linkspartei so widerspruchslos gefallen läßt, was ihr Berliner Landesvorsitzender so alles von sich gibt. Angesichts der in der PDL bevorstehenden Programmdiskussion und angesichts der Tatsache, daß es sich bei Lederer um kein unbeschriebenes Blatt handelt, scheint das durchaus berechtigt. Vor etwa drei Jahren war er in unserer Basisorganisation der damaligen PDS am Humannplatz im Prenzlauer Berg zu Gast.

Manche hielten die Meinungsverschiedenheiten, die dabei auftraten, für erklärliche Differenzen zwischen "jungen" und älteren Genossen. Dem war aber nicht so. Es ging um Grundpositionen. Lederer wollte uns weismachen, Marx habe nie von Klassenkampf gesprochen, die DDR sei mit den "Untaten" ihres MfS ein verbrecherisches, vom "Stalinismus" gezeichnetes Regime gewesen. Fragen hinsichtlich der von PDS und WASG vereinbarten "Programmatischen Eckpunkte" über die Haltung der Partei zu Kriegen und internationalen Kriegseinsätzen beantwortete er nicht. Er sprach über vieles - von Rosa Luxemburg über den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt bis zur Untersuchungshaftanstalt in Hohenschönhausen. Da das alles in der Versammlung nicht ausdiskutiert werden konnte, schrieb ich ihm danach einen Brief, den ich auch unseren Genossen übermittelte. Er antwortete, er habe "die Kultur unserer Debatte abstoßend, teilweise inquisitorisch" gefunden, "jedenfalls einer modernen Linken nicht angemessen".

Es fragt sich: Was ist einer "modernen Linken" angemessen? Die Leugnung des Klassenkampfes, der Existenz von Klassen überhaupt und der von ihnen vertretenen Klasseninteressen? Lederer - sinngemäß: Der Fahrgast ist an einem erschwinglichen Fahrpreis, der Busfahrer aber an angemessenem Lohn interessiert; sind das nicht Interessengegensätze? Ich ergänze: So könnte man auch die Interessen der Lidl-Kunden mit denen der Lidl-Kassiererinnen vergleichen oder die der Milchbauern mit denen der Joghurt-Liebhaber ... Der Pferdefuß: Zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen liegt die Handelsspanne, und die enthält nicht nur Geschäftskosten, sondern auch Gewinn, und dieser dient nicht nur Erweiterungsinvestitionen. Die Interessen der Kassiererinnen und der Kunden einerseits stehen den Interessen der Handelsketten, der Großunternehmen andererseits diametral entgegen.

Was, es gibt keine Klassen mehr, keine Klasseninteressen, keinen Klassenkampf? Ist das die einer "modernen Linken" angemessene Weisheit? Oberflächlich betrachtet: Die Arbeiter der Rüstungsindustrie haben ein Interesse am Erhalt ihrer Arbeitsplätze, und das Rüstungskapital hat Interesse an seinen Profiten. Beides erfordert den Absatz ihrer Produkte, und der verlangt die immer schnellere technische Umrüstung der Armeen (auf Kosten der Steuerzahler) und letztlich den Einsatz von Waffen und Munition in Kriegen. Deutsche Rüstungsexporte in die Krisengebiete des Erdballs, Einsatz deutscher Soldaten in aller Herren Länder - wäre das ein "angemessenes Programm" einer "modernen Linken"? Gehören nicht vielmehr die strikte Ablehnung von NATO-Einsätzen - ob mit oder ohne UNO-Mandat - und die Forderung nach Konversion der Rüstungsbetriebe ins Parteiprogramm?

Lederers Probleme sind andere. Im Juli-Heft 2009 der "Blätter für deutsche und internationale Politik" klagt er, die Partei sei gegenwärtig "in keiner guten Verfassung". Die neue Linke mißachte Individualismus und individuelle Freiheitsrechte. Er hetzt - vorsichtshalber anonym - gegen Lafontaine; die Schmerzgrenze sei erreicht. "Ein das linke Denken verkleisternder dogmatischer Grundbestand an Vorstellungen" erweise sich als "recht beharrlich", so die fundamentale Verneinung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Systemalternative sei aber "an ihren eigenen Widersprüchen ruhmlos untergegangen".

Heute gehe es um die "ungehemmte Befriedigung der eigenen Bedürfnisse und Triebe". Liberalisierung und kapitalistische Gesellschaftsreproduktion seien eben nicht unvereinbar. Heute müsse man sich "an den herrschenden Codes orientieren", was soziale Anpassung erfordere, um sich individuell "ein schönes Leben zu organisieren". Klassenzugehörigkeit sei nicht mehr gemeinsam erlebbar, "das historische Subjekt, auf dem das linke Zukunftsvertrauen beruht", breche in sich zusammen. Massenproteste gebe es kaum noch. Ein "großer Entwurf" für die Zukunft sei nicht mehr denkbar. "Die Hoffnung auf eine vernünftige Gestaltung der gesellschaftlichen Lebensverhältnisse" hätte sich "historisch als Alptraum von Totalitarismus und Terror" entpuppt. Die heute vom kapitalistischen Verwertungsprozeß Ausgestoßenen hätten "kaum mehr Energien, um gemeinsam für die Verbesserung ihrer Lage einzutreten".

Die "emanzipatorischen Freiheitsgewinne" dürften von der Linken nicht kleingeredet werden. Sie müsse sich vielmehr "von Teilen ihrer eigenen Identität emanzipieren". Schabowski bezeichnete das als "Paradigmenwechsel". Mit anderen Worten: Verrat an unserem sozialistischen Ziel und an unserer marxistischen Weltanschauung. Lederers Begründung: Es habe "keinen Sinn, sich Luftschlösser zu bauen". Die neue Linke brauche eine "Re-Orientierung an ihrem ursprünglichen humanistischen Ethos: menschliche Selbstverwirklichung ­..." Der Anspruch, den Lauf der Welt zu beeinflussen, sei kein Monopol einer Klasse ... Und dann - der Berliner sagt: Nachtigall, ick hör Dir trapsen! - Damit wird der Kapitalismus nicht abgeschafft, aber er wird immer wieder anders ... Mit welchem Ergebnis, das werden wir später sehen ... Selbst dem "grünen" Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen Strengmann-Kuhn, MdB, war das zuviel. Im Magazin "Prager Frühling" schrieb er (12.9.2009), das sei alles "so allgemein und richtungslos, daß es auch aus einer Rede des Bundespräsidenten stammen könnte ..."

Das Geschreibsel des Lederer wäre nicht wert, sich damit auseinanderzusetzen. Aber der Mann ist nicht ohne Einfluß in der PDL, und er ist ein Eiferer! Man vergesse nicht seine Rolle bei der Verhinderung der von zehn namhaften Genossen auf dem Berliner Landesparteitag 2007 angestrebten Diskussion über die "Fünf Überlegungen zum Umgang mit Geschichte"! Man denke auch an die von ihm ausgelöste Presse-Kampagne gegen die von Harry Nick und Heinrich Fink geleiteten "Lichtenberger Sonntagsgespräche"!

Und noch ein Grund, die Sache ernst zu nehmen: PDL-Vorsitzender Bisky hatte im Juni angekündigt, die Partei werde sich 2010 oder 2011 ein Programm geben, das über die "Eckpunkte" hinausgehe. Nach den Bundestagswahlen erklärte er jedoch (13.9.2009), feste Parteiprogramme seien eine Sache des vorigen Jahrhunderts gewesen. Jetzt verkündet er sogar, "perspektivisch" gehe es "bei gemeinsamen Wurzeln" um die Vereinigung von PDL und SPD.

So oder so: Es gibt seit der Vereinigung von PDS und WASG kein gültiges Parteiprogramm, und Grundsatzdebatten werden immer wieder verschoben. Der Wahlerfolg vom September 2009 war vor allem der Tatsache geschuldet, daß sich die Linkspartei geschlossen gegen die deutsche Kriegsteilnahme in Afghanistan und andere Militäreinsätze, gegen den EU-Vertrag von Lissabon, gegen Hartz IV, Rente ab 67 und weiteren Sozialabbau erklärte. Diese Positionen dürfen auf keinen Fall aufgegeben werden, schon gar nicht, um sich die Option einer künftigen Regierungsbeteiligung offenzuhalten, welche der Partei den Garaus machen würde.

Dr. Ernst Heinz

Raute

Wie ich als "Ossi" in der Schweiz die DDR verteidigte

Zornesröte am Stammtisch

Seit 2000 lebe ich in der Schweiz. Von 1990 bis 2000 war ich in Fellbach bei Stuttgart tätig. Ich bin kein politischer oder wirtschaftlicher Flüchtling, sondern eine durch die Liebe "Entführte". So kam ich nach Fellbach, und auf der Flucht vor dieser Liebe bin ich in die Schweiz gelangt. Ja, das Leben ist schon eigenartig.

Nun komme ich aus Leipzig, einer großen Stadt, und lebe inzwischen in einem Dorf mit 1900 Einwohnern. Das ist recht kraß, weiß doch hier jeder über jeden Bescheid - ganz ohne "Stasi"!

Mein Arbeitsplatz, ein Restaurant, befindet sich im nächsten Ort, der bereits 3000 Einwohner zählt. Unlängst fand in "meinem" Lokal eine politische Woche statt. Am Montag hörte ich, wie schon so oft, einige Herren am Stammtisch über die Planwirtschaft und die DDR reden. Nur diesmal konnte und wollte ich nicht mehr auf Durchzug schalten. So fragte ich höflich, ob ich mich dazusetzen dürfte. Bald kam es zu einem heftigen Streitgespräch.

Behauptung Nr. 1: Alle Menschen in der DDR wünschten sich die BRD! Ich konnte sagen, was ich wollte, nichts kam an. Allerdings hatte ich "Leipzigs Neue" zu Hause und kopierte dem Herrn, der so weit vorgeprellt war, was eigentlich 1989 und 1990 in Leipzig und Berlin abging.

Behauptung Nr. 2: Die Hilfe des Westens für die Dritte Welt sei überaus wirksam gewesen, wir aber hätten nichts für sie getan. Da kam ich dann schon eher bei den Herren Kapitalisten an, denn ich erzählte ihnen, daß bei uns junge Menschen aus vielen Ländern der Dritten Welt studieren durften. Anschließend mußten sie wieder nach Hause, um das Gelernte daheim anzuwenden. Dort waren sie dann als Lehrer, Wissenschaftler, Politiker und in anderen Bereichen tätig.

Das nenne ich wahre Hilfe, denn wohin die vielen "Hilfsgelder"-Millionen flossen und immer noch fließen, kann kein Sterblicher nachvollziehen.

Behauptung Nr. 3 trieb mir die Zornesröte ins Gesicht. Mein Karl Marx sei der größte Massenmörder aller Zeiten gewesen, behauptete einer. Ich war so wütend, daß ich nur noch laut und emotional zu argumentieren wußte. Da bin ich nicht sehr gut, ein kühler Kopf wäre besser gewesen.

Aber in der Nacht, als sich der Ärger verzogen hatte, schrieb ich an das Wochenblatt einen Brief und bat die Herren Redakteure, den Herren Gemeinderäten eine Frage zu stellen und zwar: Ist Oppenheimer auch ein Massenmörder?

Am Donnerstag war einer der Stammtischteilnehmer wieder im Restaurant. Ich fragte ihn, mit wem ich denn eigentlich die Ehre des Meinungsstreits gehabt hätte. Es sei der Gemeindepräsident gewesen, erfuhr ich. Das war mir egal! Ich gab ihm den Artikel aus "Leipzigs Neue" und erzählte ihm auch noch von meinem Brief an das Wochenblatt. Fünf Männer standen um mich herum, allerdings wußte keiner, daß Robert Oppenheimer der geistige "Vater" der ersten Atombombe gewesen ist. Ich finde das beschämend. Diese Leute bilden sich eine Meinung über einen Staat, von dem sie nur aus Filmen und vom Bildschirm ihr Wissen haben, statt Menschen zu fragen, die dessen Bürger gewesen sind. Und stolz war ich in dem Moment, stolz auf meine Bildung, die ich in der DDR genossen habe.

Nun wollte ich das Thema nicht mehr im Geschäft besprechen, auch deshalb, weil mein Chef ja von den Umsätzen lebt und ich seine Gäste nicht verpolitisieren sollte. Aber dann kam im Schweizer Fernsehen die Sendung DOK. Herr Moor, ein Schauspieler, der in Mecklenburg-Vorpommern einen Bauernhof besitzt und in der einstigen DDR sein neues Zuhause gefunden hat, obwohl er ursprünglich aus der Schweiz stammt, drehte einen Film über ein Pärchen, um allen Eidgenossen am konkreten Beispiel klarzumachen, daß wir DDR-Bürger in jeder Minute unseres Lebens bespitzelt worden seien. Ich wurde erneut wütend, unterzieht sich doch keiner der Mühe, unseren wirklichen Alltag zu beschreiben. Ein Leben, wie ich es geführt habe, mit Schule, Studium, Berufswechsel, Liebe und allem, was dazugehört. Lachen, Tanzen, Weinen, Ärgern und Improvisation.

Aber - und jetzt kommt ein großes Aber - danach wurde ich von Gästen, die diesen Film auch gesehen haben, gefragt, ob es denn wirklich so gewesen sei, wie man es gezeigt habe. Und das fand ich dann wieder prima. Nein, habe ich ihnen geantwortet. Und: daß auch unser Land Gesetze hatte, wobei nur derjenige bestraft wurde, welcher gegen sie verstieß. Ich habe kein Urteil darüber abgegeben, was ich persönlich von der Mauer hielt, aber ich bedeutete den vier Menschen, mit denen ich sprach, daß es im Einzelfall genauso war, wie im Film gezeigt: Dort saßen wegen Republikflucht Verurteilte halt einige Jahre in Bautzen 2, während viele Millionen, die so lebten wie ich, diesen Knast nur aus Erzählungen kannten. Und die "Stasi" war auch nicht allgegenwärtig.

Fazit: Es ist anstrengend, im Ausland erklären zu müssen, daß auch wir gelebt und geliebt haben und daß man diesen Filmemachern nicht alles glauben darf. Auf keinen Fall sollte man das, was dort gezeigt wird, verallgemeinern.

Übrigens: Es war die politischste Woche seit Jahren, und sie war anstrengend.

Freundliche Grüße aus der Schweiz von einer stolzen "Ossi".

Petra Zimpel

Raute

Würdige Wiederbegegnung mit der Waldstadt Wünsdorf

Wo einst der rote Stern erglühte

Am 3. Oktober begab ich mich mit einigen Gleichgesinnten auf eine völlig andere "Festmeile": auf die B 97 zwischen Zossen und Wünsdorf, die seit Jahren öffentlich zugänglich ist. Rechts und links befinden sich ehemalige Kasernen, und in der Mitte des Areals erblickt man eine überdimensionale Figur: Die tiefschwarze Statue verkörpert Lenin, der einmal "an den Schlaf der Welt" rührte. Das Standbild stammt aus dem Jahr 1970 und ist etwas größer als der an Strippen hängende und die BRD darstellende "Riesenonkel" - eine französische Marionette -, der seine kleine DDR-"Nichte" auf der Berliner "Festmeile" am "Tag der Einheit" zu beglücken hatte.

Das heute allgemein als "Wünsdorf" bezeichnete Gelände ist ein Komplex von militärischer Bestimmung entsprechenden Gebäuden: Kasernen, Lazaretten, Sportsälen, Kantinen und Kasinos. Es handelt sich um Bauten aus der deutschen Kaiserzeit. Ursprünglich nannte man dieses Gebiet Zossen. Die letzte größere Zusammenrottung von Resten der geschlagenen Armee Wilhelms II. vollzog sich hier 1918/19 unter dem sozialdemokratischen Kriegsminister Gustav Noske. Es ging um die Niedermetzelung der Spartakisten um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Dann wurde der gesamte Ort, den Bestimmungen des Versailler Vertrags entsprechend, entmilitarisiert. Die Gebäude übergab man an Berliner Schulen als Heime für den Sommer. Das galt solange, bis Hitler Reichskanzler wurde und sein Versprechen, das "Schanddiktat" zu zerreißen, wahr machen konnte.

Die bis dahin 100.000 Mann umfassende Reichswehr wurde in Windeseile zur millionenköpfigen Wehrmacht aufgestockt und für den geplanten Revanchekrieg gerüstet. Es ist bekannt, daß diese "auf den Führer eingeschworene Truppe" so lange kämpfte, bis die siegreiche Rote Armee vor den Toren Berlins - konkret vor der Militärstadt "Zossen" - stand, wo sie dann kampflos in Hitlers heilige Gemäuer einmarschierte. In der Folgezeit, bis zu ihrem Abzug aus dem "vereinigten Deutschland" im Jahre 1994, blieb die Sowjetarmee dort stationiert. Wir nannten sie respektvoll "Befreier", während diejenigen, die den Krieg wie ein blutiges Spiel "verloren" hatten, verächtlich von "Besatzern" sprachen.

Uns schien es lohnend, diesem permanenten Versuch, Geschichte plump ausradieren zu wollen, einmal nachzugehen. Die frühere Wache, wo der Passierschein ausgestellt wurde, gibt es nicht mehr, direkt daneben jedoch die erste "historische" Bushaltestelle. In der UdSSR - besonders im Süden - legte man auf die "künstlerische Gestaltung" solcher Verkehrspunkte großen Wert. In "Klein-Moskau" lebten zeitweilig bis zu einer halben Million Menschen. Der "innerstädtische Verkehr" der 17er Kleinbusse war gebührenfrei, der Fernverkehr ermäßigt. Täglich kam ein Sonderexpreß Moskau-Wünsdorf. Für die höheren Chargen standen komfortable Maschinen im 10 km entfernten Sperenberg bereit. Der Ausbau dieses modernen Flughafens zum Projekt IBB hätte das Überfliegen dicht besiedelter Gebiete in und um Berlin vermieden.

Zunächst stießen wir auf die Überreste der "Flieger". Sie bildeten einen der drei großen Komplexe des Oberkommandos der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland. Diese hatten damals ein großzügig ausgestattetes Luftfahrtmuseum angelegt, vor dessen Eingang eine der legendären silbergrauen MIG-21 glänzte. Hier konnte man vom Polarflieger Valeri Tschkalow bis zu weiblichen Kommandeuren von berühmten Jagdfliegerstaffeln im Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion Wichtiges erfahren. Alle Versuche, diese historischen Werte dem "vereinigten Deutschland" gegen angemessene Bezahlung zugänglich zu machen, scheiterten an den neuen Machthabern der BRD. Sie forderten kategorisch: "Raus mit den Bolschewiken!" So sind auch die Sehenswürdigkeiten - wie gewünscht - spurlos verschwunden.

Nach dem Abzug kamen zunächst die zivilen Marodeure, die alles mitgehen ließen, was nicht niet- und nagelfest war. Dann erschienen die Sprayer, die auf eigene Art den Liegenschaften ihren Stempel aufdrückten. Darauf folgte die Konversion, die Rückführung in das zivile Leben. Es handelte sich nicht etwa um die Entsorgung von Munition. Das mußte anderen Ortes bewältigt werden. Die eigentliche Stadt war zutiefst zivil. Sie wurde durch Krankenhäuser, Lazarette und Schulen geprägt, aus denen fröhliche Kinderstimmen zu vernehmen waren. Jungen und Mädchen mit "verordneten" Pionierliedern und roten Halstüchern bevölkerten die Straßen. Für ein reiches kulturelles Leben sorgten mehrere Klubs mit Konzerten und Vorführungen neuester DEFA-Filme. Die Veranstaltungen waren stets ausverkauft. Danach gab es im nahegelegenen Restaurant Kostproben russischer Küche mit Pelmeni, Borschtsch, Balyk, Kaviar und einem guten Schuß Wodka. Den Gästen, unter denen sich auch DDR-Bürger befanden, wurde Gelegenheit gegeben, Leckerbissen am "Buffet" zu erwerben, die in den Schaufenstern der HO-Läden nicht gerade auslagen. Natürlich wurden auch prominente Künstler aus der UdSSR stürmisch gefeiert, unter ihnen David Oistrach, Sergej Obraszow und das Moissejew-Ensemble, die ihren "Einsatz bei der Truppe" als Ehrenauftrag betrachteten. Heute sind die komfortablen Säle baupolizeilich gesperrt. Sie würden bei dem frenetischen Beifall von einst in sich zusammenbrechen. Sehr bald nach dem "Abzug der Russen" nahm sich Brandenburgs Landesregierung unter Manfred Stolpe der "Zukunft" dieser nun als "Waldstadt" bezeichneten Siedlung an. Anstelle von Genialität gab es viel Wortgeprassel. Nicht nur eine "Bücherstadt" mit Buchhandlungen, Antiquariaten und Lesungen sollte entstehen, sondern auch eine sonnige "Beamtenstadt im Grünen" mit 30 000 Einwohnern. Das schwebte künftigen Betreibern vor. Heute hat die Waldstadt ganze 3000 Einwohner. Als sich langsam die Einsicht durchsetzte, daß es sich um einen geschichtsträchtigen Ort handelt, kam noch das abfällige Wort "Bunkerstadt" hinzu.

Eine "Museumsstadt" hatten die Oberen allerdings nicht im Sinn. Man ließ die kostbarsten Museen einfach davonziehen. Moskau hatte z. B. das Museum des Großen Vaterländischen Krieges und das etwa 35 Meter breite Diorama "Sturm auf den Reichstag" der BRD zum Erwerb angeboten. Der von Prof. Nehrlich - er war wie Stefan Doernberg mit der roten Befreierarmee gekommen und deshalb Ehrenbürger Potsdams geworden - projektierte und durch den VEB Spezialbau realisierte Rundbau steht bis heute. Das Diorama blieb allerdings bis vor kurzem verschollen. Zwei wißbegierige Absolventinnen der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Ulrike Mohr und Susanne Weck, machten sich wie einst Aladin mit der Wunderlampe nach Rußland auf, um das Großbild zu suchen. Mit viel Verstand und etwas Glück wurden sie in der 12.000-Seelen-Stadt Shukowo, 200 km südwestlich von Moskau, tatsächlich fündig. Hier befindet sich das zu Ehren von Marschall Shukow gegründete Museum. Die beiden jungen Frauen entdeckten nicht nur das Diorama, sondern machten auch einen der beteiligten Künstler ausfindig. Benjamin Sibirsk hatte die Schäden des aufwendigen Transports fachgerecht beseitigt.

"Den Deutschen" ist somit wertvolles Kulturgut - diesmal keine Beutekunst - entgangen. Das Werk, das sich nun in Shukowo befindet, ist ein wichtiges Dokument deutscher Geschichte. Wer einmal wie ich auf der Empore des Dioramas gestanden hat, dem bleibt dieses dreidimensionale Panorama unvergeßlich. Im Zentrum der brennenden Stadtmitte Berlins sieht man den Reichstag. Wie bei solchen Werken üblich, geht die Darstellung im Vordergrund in gegenständliche Kunst über: Panzer, Militärfahrzeuge, Drahtverhaue, gefangengenommene Wehrmachtsoldaten, Gräben, Uniformen, Kochgeschirr, Granathülsen beherrschen die Szene. Nur Blut und Tote, auch Deutsche, sind ausgespart. An der absoluten Realität des Bildes fehlen allein der ohrenbetäubende Donner der Geschütze und Schnellfeuerwaffen, der Geruch von Pulverdampf, die Schreie der Soldaten. Dieses enorme Halbrund zieht den Betrachter unwillkürlich in seinen Bann.

Doch zurück zu unserer Rundfahrt. Sie begann im "Zentrum der Bücher- und Bunkerstadt". Ein sehr freundlicher Stadtbild-Erklärer, Herr Borchert, vermittelte seinen Zuhörern ein Füllhorn an Wissen und Kenntnissen. Er verschonte sie aber vor der landesüblichen Didaktik eines Hubertus Knabe. Überdies spricht er Russisch, was seine Ausführungen mit zusätzlicher Glaubwürdigkeit versieht. Auch Englisch ist ihm geläufig. Mit anderen Worten: ein Weltmensch. Herr Borchert erweckte den Interessierten diese schlummernde Stadt aus ihrem Dornröschenschlaf. Dort, wo schon zu Zeiten des roten Sterns Restaurants und diverse Geschäfte angesiedelt waren, ist das Bild inzwischen "verwestlicht". Es gibt viel neue Verkaufsfläche. Unser Stadtbild-Erklärer erläuterte seinen Zuhörern: Nach langem Stolpe-Hin-und-Her sei die "Waldstadt" an die Landes-Entwicklungsgesellschaft, einen Ableger der "Treuhand", gefallen, die aber ein solches Übermaß der Aneignung von Volkseigentum nicht verkraftete und schon bald bankrott ging. Seitdem rudert die Gemeinde, mehr schlecht als recht und knapp bei Kasse, auf eigenen Kanälen. Selbst bei ihr angestellte Beamte fahren nach getaner Arbeit in ihre Wohnorte außerhalb Wünsdorfs zurück. Die Vision des historischen Ortes wird nicht so recht angenommen.

Dennoch: Am "Tag der Einheit" war unsere Exkursion eine würdige Wiederbegegnung mit dem von der Roten Armee besiegten Deutschland und seinen Befreiern.

Walter Ruge

Raute

Meldete sich Horst Köhlers Bruder freiwillig zur KVP?

Deutsche Biographien

Als RF-Leser möchte ich unsere Tribüne zu einigen autobiographischen und die Lebensläufe anderer Personen betreffenden Bemerkungen nutzen.

Im Januar 1945 mußte ich, damals sechsjährig, gemeinsam mit meiner Mutter und meiner zehnjährigen Schwester das niederschlesische Guhrau verlassen. Mein Vater war im Krieg. Auf der Flucht sah ich grauenvolle Bilder, die ich bis heute nicht vergessen habe. Auf Irrwegen gelangten wir Mitte Februar ins Erzgebirge.

Der 7. Oktober 1949 wurde auch für mich zu einem Wendepunkt in der eigenen Entwicklung. An diesem Tag trat ich der Pionierorganisation bei, die mich - wie später die FDJ und die Partei - im Geiste des Sozialismus, des Friedens und der Völkerfreundschaft erzog.

Am 18. Januar 1956 wurde die Nationale Volksarmee der DDR ins Leben gerufen. Zur Zeit ihrer Gründung war ich noch Oberschüler. Obwohl mir bereits die Bestätigung eines Studienplatzes nach Ablegung des Abiturs zugegangen war, entschied ich mich kurzfristig für die Laufbahn eines Berufsmilitärs und nahm das Studium an der Offiziersschule auf. Dieser Schritt war natürlich ein politisches Bekenntnis. In der DDR konnte ich als Arbeiterkind lernen, studieren und an der Errichtung eines neuen Deutschlands ohne Ausbeuter teilhaben. Darauf bin ich sehr stolz. Wir besaßen zwar nur eine eingeschränkte Reisefreiheit und hatten selten Bananen, aber wir kannten auch keine Existenzsorgen.

Heute tun viele so, als hätten sie mit der DDR nie etwas am Hut gehabt. Sogar Bundespräsident Horst Köhler versuchte, seine Familien-Biographie zu frisieren. In der "Super-Illu" vom 15. Juli 2004 wurde ein Leserbrief veröffentlicht, dessen Schreiber darauf verwies, Köhler habe behauptet, sein Bruder sei 1953 zur NVA eingezogen worden. Das dürfte sich wohl nicht so verhalten haben. Ganz einfach: Die NVA entstand erst im Januar 1956 als Nachfolgerin der Kasernierten Volkspolizei (KVP). Zu deren Zeiten aber bestand in der DDR keine Wehrpflicht.

In einem Schreiben an den Bundespräsidenten machte ich ihn darauf aufmerksam, daß sein Bruder demzufolge als Freiwilliger in den Dienst der KVP eingetreten sein müsse, also ganz offensichtlich seine Bereitschaft zum bewaffneten Schutz der Arbeiter-und-Bauern-Macht und der Errungenschaften des Sozialismus ausgedrückt haben dürfte. Eine Antwort darauf erhielt ich natürlich nicht. Das wird schon seine Gründe haben: Immerhin ließ sich Herr Köhler 2004 mit der Stimme des inzwischen verstorbenen Nazi-Blutrichters Filbinger zum Staatschef der BRD wählen.

Auch Angela Merkel versucht vehement, den "Makel" ihres SU-Auslandsstudiums und ihrer überaus aktiven Mitgliedschaft in der FDJ sowie das Erinnern an ihre verantwortliche Funktion auf dem Gebiet von Agitation und Propaganda loszuwerden. Natürlich weiß sie ganz genau, daß in der DDR nicht jeder x-beliebige für ein Auslandsstudium in Frage kam. In aller Regel griff man auf dem Staat treu ergebene Kader zurück. Ohne Zweifel besitzt Frau Merkel zwei Zungen: Zu DDR-Zeiten paßte sie sich dem sozialistischen System an, um persönlich alle Vorteile für sich in Anspruch zu nehmen. Anschließend verfluchte sie es und machte bei seinen Gegnern Karriere. Man kann das auch als üble Mantelwenderei bezeichnen.

Was mich betrifft: Ich stehe zu meiner Biographie und möchte die 40 Jahre DDR nicht missen. Gern denke ich an die positiven Seiten dieses Landes zurück.

Generalmajor a. D. Klaus-Dieter Ölschläger, Homberg


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Illustration von Werner Brems in der dänischen marxistischen Zeitschrift "Ret & Vrang"
- Auch die Pfarrerstochter und FDJ-Agitatorin Angela Merkel fühlte sich in der DDR wohl

Raute

Warum ehrliche SPD-Genossen dem rechten Kurs ihrer Führer nicht folgten

Die Mär vom sozialdemokratischen Zeitalter

Das sozialdemokratische Zeitalter wurde vor nunmehr 10 Jahren von Tony Blair und Gerhard Schröder proklamiert. Beide mußten inzwischen abtreten. Und nun im Wahljahr 2009 diese katastrophalen Niederlagen für die SPD auf allen Ebenen. Wo liegen die Ursachen? Viele sehen sie in der zunehmenden Entfernung der SPD von ihren Grundwerten, ihren Wurzeln.

Blicken wir kurz in die Geschichte.

Nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes erfolgte 1890 die Umbenennung der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands in Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Ideologisch herrschte in der Partei der von Marx und Engels entwickelte, vom Internationalismus ausgehende revolutionäre Sozialismus vor, aber auch der staatsfreundlich orientierte Reformismus von Lassalle behielt eine gewisse Bedeutung. Die SPD entwickelte sich hinsichtlich ihrer Mitgliederzahlen und der Wahlergebnisse in den folgenden Jahren zu einer Massenpartei. 1912 stellte sie zum ersten Mal die stärkste Fraktion im Deutschen Reichstag.

Etwa zur Jahrhundertwende (1899/1900) vollzog sich unter dem Einfluß von Eduard Bernstein in der SPD ein ideologischer Wandel, der zum Abweichen von den bis dahin vereinbarten Zielen führte. Der von Bernstein entwickelte Revisionismus vertritt die These, daß die bisherige Ausrichtung auf Klassenkampf und Abschaffung des Kapitalismus durch die Realität überholt sei. Dieser habe sich als krisenfest und anpassungsfähig erwiesen, so daß die SPD nur im Rahmen der bestehenden Produktionsweise durch Sozialreformen Verbesserungen für die Arbeiter und eine allmähliche Angleichung des Lebensstandards erreichen könne ("Der Weg ist mir alles, das Ziel ist mir nichts").

Diese Position wurde von der Parteilinken als Abkehr vom damaligen Programm der revolutionären Abschaffung der Klassengesellschaft zurückgewiesen, setzte sich aber in der SPD zunehmend durch. Eine Folge dieser Entwicklung war, daß die Reichstagsfraktion der SPD den aus den Widersprüchen des Imperialismus erwachsenen 1. Weltkrieg unterstützte und im August 1914 den Kriegskrediten zustimmte. Das war das erste Mal, daß sie in aller Offenheit zur Interessenvertretung der imperialistischen Reaktion wurde. Als einziger votierte Karl Liebknecht im Dezember 1914 gegen den Krieg. Die andauernde Kriegsunterstützung durch die SPD führte dazu, daß sich die linken Kräfte (Spartakusbund, USPD) von der Mehrheits-SPD abspalteten und im Zuge der revolutionären Entwicklung in Deutschland die KPD entstand.

Bereits am 10. November 1918, einen Tag nach dem Sturz des Kaisers, schloß der SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert ein Bündnis mit General Groener von der Obersten Heeresleitung, um die Revolution mit Hilfe reaktionärer Truppen abzuwürgen und die Macht des Militärs und des Kapitals zu erhalten. Auch in der Folgezeit verhinderte das Zusammenspiel sozialdemokratischer Führer mit dem Militarismus, daß bedeutsame Einheitsaktionen der Arbeiter zu dauerhaftem Erfolg führten.

Das zeigte sich besonders, als 1920 rechtsextreme Kreise unter Kapp und General Lüttwitz die sozialdemokratische Regierung davonjagten. Die zum Schutz der Weimarer Demokratie spontan entstandene Rote Ruhrarmee, die wesentlich zur Zerschlagung der Putschisten beigetragen hatte, wurde anschließend auf Befehl der zurückgekehrten sozialdemokratischen Regierung von Polizei- und Reichswehrtruppen angegriffen und unterlag der Übermacht. Nach der Zerschlagung der Roten Ruhrarmee waren auch die vorher verbrieften Forderungen der Gewerkschaften nicht mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden. Massenerschießungen und unzählige Todesurteile von Standgerichten zeichneten den Rachefeldzug der Soldateska in den Städten nördlich der Ruhr.

Drei Monate nach dem Kapp-Putsch verlor die SPD bei den Wahlen zur Nationalversammlung die Hälfte ihrer Wähler und flog aus der Regierung. Die SPD-Führung wurde nicht mehr gebraucht, nachdem sie geholfen hatte, die Macht der Reaktion erneut zu sichern.

In einer Deklaration des ZK der KPD vom März 1932 wurde festgestellt: "Jeder Lohn- und Gehaltsabbau, jede neue Steuerlast, jeder Renten- und Unterstützungsentzug, alle Zölle, sind dem arbeitenden Volk mit Hilfe der SPD aufgebürdet, alle politischen Unterdrückungsmaßnahmen von ihr beschlossen und durchgeführt worden. Die Sozialdemokratie hat 12 Jahre lang mit hündischer Treue die 'Erfüllungspolitik' durchgeführt." Inzwischen hat die große Koalition von CDU und SPD gezeigt: Geschichte wiederholt sich manchmal eben doch, zumindest im Detail.

1933 lehnte die rechte SPD-Führung den Vorschlag der KPD ab, mit der Einheitsfront der Arbeiterklasse den Machtantritt Hitlers zu verhindern. Die vom Bernsteinschen Revisionismus geleitete Politik der rechten SPD-Führung führte so letztlich zur Kapitulation vor dem Faschismus.

In all den Jahren sind viele ehrliche Sozialdemokraten dem Kurs ihrer rechten Führer nicht gefolgt und haben gemeinsam mit ihren Klassengenossen für die Rechte der Unterdrückten gekämpft. In den Konzentrationslagern der Nazis haben nicht wenige sozialdemokratische Genossen erkannt, daß nur gemeinsames Handeln aller Antifaschisten zum Erfolg führen kann. Nach der Niederlage des Faschismus haben in ganz Deutschland auch viele Sozialdemokraten für die Einheit der Arbeiterparteien gestritten. In der Ostzone wurde sie Wirklichkeit. In den Westzonen kamen, mit direkter Unterstützung der westlichen Besatzungsmächte, die revisionistisch eingestellten Kräfte wieder in die Führungsspitze der Partei.

So konnte es geschehen, daß im November 1959 das Godesberger Programm verabschiedet wurde, mit dem die SPD sich vom Kampf gegen den Kapitalismus lossagte, die "freie Marktwirtschaft" anerkannte und somit - ganz im Bernsteinschen Sinne - den Schritt von einer Partei der Arbeiterklasse zu einer sogenannten "Volkspartei" vollzog, die auch für bürgerliche Schichten wählbar sein wollte.

Auf Grund der unterschiedlichen Mitglieder- und Wählerzusammensetzung ist eine solche "Volkspartei" gekennzeichnet durch eine relativ starke Parteiführung und den geringen Einfluß der Mitgliedschaft sowie, wenn überhaupt, durch eine mehrdeutige und oftmals widersprüchliche Programmatik. Genau diese Entwicklung der SPD haben wir seit Godesberg miterlebt. Und sie, die im Rahmen der Koalition mit der anderen "Volkspartei" CDU/CSU zur Unterwürfigkeit gegenüber dem Partner führte, hat die andauernden schweren Niederlagen zur Folge.

Welche Schlußfolgerungen ergeben sich für uns?

Die Klassengesellschaft (Ausbeuter und Ausgebeutete) existiert nach wie vor. Im Parteiprogramm der DKP heißt es u. a.: "Folge der ökonomischen und politischen Prozesse in den entwickelten kapitalistischen Ländern, so auch in Deutschland, ist eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft. Auf der einen Seite stehen eine kleine Gruppe von Konzernherren, Bankchefs und Multimillionären. Auf der anderen Seite steht die überwältigende Mehrheit der Arbeiter, Angestellten und Beamten, der in der Landwirtschaft Beschäftigten, der Intelligenz, der Freiberufler und auch kleine und mittlere Unternehmer, die alle der ökonomischen und politischen Herrschaft des Monopolkapitals unterworfen sind."

Die Bundestagswahl 2009 hat diese Feststellung bestätigt. Und die "Volkspartei" SPD ist tief gespalten. Gegenwärtig findet ein Polarisierungsprozeß auch in der SPD statt. Die bisher führenden bürgerlichen Kreise, die die CDU-Politik unterstützt und mit sozialen Phrasen ihre Wählerschaft betrogen haben, wurden zum Rückzug gezwungen. Neue Kräfte streben an die Macht. Ihnen geht es darum, die Richtung der SPD-Politik zu bestimmen. Unsere Aufgabe muß es sein, bei Wahrung unserer Prinzipien die linken Kräfte in der SPD darin zu unterstützen, die bürgerliche Ideologie und die reformistischen Positionen zurückzudrängen, ihnen zu helfen, die SPD auf die antikapitalistische, revolutionäre Tradition der deutschen Sozialdemokratie, auf unsere gemeinsame Wurzel, zurückzuführen.

Noch mal zur "Volkspartei": Der Begriff Partei kommt aus dem Lateinischen: pars, partis = Teil, Richtung. Eine Partei vertritt also immer nur einen Teil, niemals das ganze Volk. Der Begriff "Volkspartei" ist folglich eine Wortschöpfung, die den Klassencharakter der gegenwärtigen Gesellschaft verschleiert und nur dem Machterhalt der herrschenden Klasse dient. Es ist nicht das erste Mal, daß das Volk in diesem Sinne mißbraucht wird. Während der Nazi-Herrschaft waren alle - ob Krupp oder Krause - "Volksgenossen" in einer "Volksgemeinschaft". Deren zentrale Parole lautete: "Ein Reich, ein Volk, ein Führer". Oh Gott, bloß das nicht wieder!

Gerhard Scholz,
"Die Linke", Wolgast

Raute

Gilt das Grundgesetz auch in Petershagen?

Eklat

Am östlichen Stadtrand von Berlin liegt Petershagen. Vor einigen Jahren schuf sich die Gemeinde eine attraktive Sport- und Mehrzweckhalle. Für die nun schon traditionellen Herbsttreffen mietete die Arbeitsgruppe Grenze der Gesellschaft für Rechtliche und Humanitäre Unterstützung e.V. (GRH) bereits Monate zuvor diese "Giebelseehalle".

Am 24. Oktober reisten rund 350 Mitglieder, Freunde und Sympathisanten der GRH aus allen östlichen Bundesländern und Berlin an. Auf der Tagesordnung stand ein Referat von Egon Krenz zur Öffnung der DDR-Staatsgrenze am 9. November 1989.

Gleich zu Beginn bat der Ortsvorsteher von Petershagen ums Wort. Bürgermeister Olaf Borchardt sorgte für einen Eklat. "Ich heiße Sie hier im Namen der Gemeinde ausdrücklich nicht willkommen", gab er von sich. Natürlich äußerten die Anwesenden ihren Unmut. Buhrufe und Pfiffe ertönten im Saal.

Herr Borchardt bedauerte zutiefst, daß dieses Treffen mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht zu verhindern gewesen sei. Er finde es wie viele andere Bürger Petershagens unerträglich, daß sich "im 20. Jahr nach dem Mauerfall" in diesem Ort Mitglieder eines Vereins treffen könnten, der nach wie vor leugne, daß die DDR ein "Unrechtsstaat" gewesen sei. Wörtlich erklärte er: "Ich werde mich bei den Einwohnern dafür entschuldigen, daß diese Veranstaltung hier heute stattfinden konnte."

Da fragt sich: Gilt auch in Petershagen eigentlich das Grundgesetz der BRD? Hier maßt sich ein Ortsvorsteher - vorgeschickt und gedeckt durch bestimmte Fraktionen - das Recht an, darüber zu befinden, ob das Grundgesetz in seinem Bereich Gültigkeit besitzt oder nicht. Wie steht es um die vielgepriesene Meinungs- und Versammlungsfreiheit, wenn einem eingetragenen Verein aus durchsichtigen politischen Gründen das Recht versagt sein soll, sich zu versammeln und über politische Fragen zu beraten?

Hier gilt offensichtlich zweierlei Maß: Die einen dürfen, die anderen nicht, weil sie den Stachel wider den "Zeitgeist" löcken und nicht den "Mainstream" bedienen. Wenn man überdies erfährt, daß Herr Borchardt von 1980 bis 1990 SED-Mitglied war und sogar die Funktion eines Parteisekretärs ausübte, dann schlägt das dem Faß den Boden aus.

Linken Kräften wird es in dieser "Demokratie" wahrlich schwergemacht, ihre Meinung zu äußern und gegen die wütende Hetze der Antikommunisten aller Schattierungen anzugehen. 53 TV-Stationen (davon 42 private), 245 Radiosender (unter ihnen 187 private), 9412 Zeitungen und Zeitschriften verbreiten die Ideologie der politisch Herrschenden. Allein "Bild" erreicht bei einer Auflage von täglich 3,3 Millionen etwa die dreifache Zahl von Lesern. Hinzu kommen Filme, Bücher und zahllose andere Veröffentlichungen sowie Veranstaltungen aller Art. Auch etliche Institutionen, eingebettet in sogenannte Netzwerke, leisten mit hochdotierten Historikern, Publizisten, Aktenverwaltern, Museumspädagogen, Fernsehjournalisten und Politikwissenschaftlern ihren Beitrag dazu, die Geschichte der DDR wie der BRD umzudeuten und zu verfälschen.

Horst Liebig, Joachimsthal

Raute

Ein Trattendorfer Kraftwerker erinnert an große Vorbilder

In den letzten Monaten sind Dieter Albert und Karl-Heinz Jahnke verstorben. Beide waren hervorragende Verfechter des Vermächtnisses von Artur Becker, dieses Vorkämpfers gegen Krieg und Faschismus, der im Spanischen Freiheitskrieg erst 33jährig fiel.

Vor über 50 Jahren, am 28. April 1959, erhielt der "Bau der Jugend - Kraftwerke Trattendorf" den Namen "Artur Becker" verliehen.

In seinem Sinne wurden neue Kraftwerkergenerationen ausgebildet und erzogen. Daran hatten Dieter Albert und Karl Heinz Jahnke entscheidenden Anteil.

Der Beauftragte des FDJ-Zentralrats der FDJ für dieses Zentrale Jugendobjekt der DDR, Dieter Albert, wurde dann Betriebsleiter und Werkdirektor des VEB Kraftwerke "Artur Becker" Trattendorf.

Auch als Werkdirektor der Kraftwerke Lübbenau-Vetschau und als Direktor der VVB Kraftwerke trug der Diplomingenieur der Energiewirtschaft große Verantwortung für die Elektroenergie- und Fernwärmeversorgung der Volkswirtschaft.

Prof. Dr. Karl-Heinz Jahnke unterstützte uns seit 1960 als herausragender Historiker des antifaschistischen Widerstands mit Dozenten und Studenten der Universitäten Greifswald und Rostock bei der Bewußtseinsentwicklung.

Dieter Albert und Karl-Heinz Jahnke verband das gemeinsame Anliegen, einen sozialistischen deutschen Staat alternativ zum Kapitalismus aufzubauen und zu festigen.

Ausdruck dessen waren über drei Jahrzehnte zuverlässiger, weitgehend störungsfreier Kraftwerksbetrieb, gute Arbeits- und Lebensbedingungen mit der Betriebsschule, dem Kulturhaus "Artur Becker", der Gewerkschaftsbibliothek, dem Betriebsmuseum, dem Warmwasser-Freibad, dem Sportplatz "Turbine", den Wohn- und Garagenkomplexen und Betriebsferienheimen sowie eine geringe Belegschaftsfluktuation. Wie wir alle waren beide entrüstet, daß mit der Beseitigung des Volkseigentums und der Privatisierung auch das Kulturhaus und das Freibad vernichtet wurden. Der Straßenname Artur-Becker-Ring und die Artur-Becker-Gedenkstätte mit Büste konnten erhalten bleiben.

Ein öfter geäußerter Wunsch, besonders von Dieter Albert, war es, die Erinnerungstafel an das Kraftwerk Trattendorf auf dem Granitstein am Werkseingang würdevoller zu gestalten.

Wir ehemaligen Trattendorfer Kraftwerker haben beiden Genossen viel zu verdanken. Sie werden nicht nur einstigen Betriebsangehörigen und anderen Sprembergern in bester Erinnerung bleiben.

Dieter Albert starb im 82. Lebensjahr, Karl-Heinz Jahnke kurz nach seinem 75. Geburtstag.

Claus Zober, Spremberg

Raute

Empfehlung des Bundespräsidenten: "Es lohnt, einander zuzuhören"

Totschlagsargumente oder politische Kultur?

Bundespräsident Horst Köhler sagte nach seiner Wiederwahl der "Leipziger Volkszeitung" vom 25.5.2009 zufolge: "Aus meiner Sicht war die DDR ein Unrechtsstaat." Er sei jedoch dagegen, sich über diesen Begriff zu zerstreiten.

Das muß er ja nicht. Aber über einen politischen Kampfbegriff, der als Totschlagsargument gegen alles benutzt wird, was DDR heißt, muß man sehr wohl streiten. Zumal Herr Köhler in seiner Festrede zum 60. Jahrestag der BRD drei Tage zuvor ausdrücklich erklärt hatte: "... es lohnt, einander zuzuhören. Suchen wir das Gespräch!"

Er ignoriert dabei allerdings die von Haß diktierte antikommunistische Stimmungsmache, an der er selbst ganz maßgeblich teilhat. Sie tötet jeden sachlichen und damit sinnvollen Dialog. Ich versuche es dennoch und lege meine Meßlatte an den Rechtsstaat BRD. Dabei werde ich mich bemühen, nicht in ebensolche Klischees zu verfallen wie andere. Sie widersprechen meinen Vorstellungen von politischer Kultur.

• Aus meiner Sicht achtet ein Rechtsstaat seine Verfassung. Im Augenblick der Erfüllung seiner Maximalforderung, die staatliche Einheit Deutschlands herzustellen, wurde der entscheidende Artikel des Grundgesetzes mißachtet, daß in diesem Falle eine Verfassung ausgearbeitet und dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden sollte. Liegt hier der Schluß nahe, daß es 1990 gar keine Vereinigung gab? Eher so etwas wie eine Vereinnahmung, um es nicht noch drastischer zu sagen?

• Aus meiner Sicht beteiligt sich ein Rechtsstaat nicht an völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Angriffskriegen, in denen noch dazu international geächtete Waffen eingesetzt werden. Er stellt für derartige Handlungen auch nicht sein Territorium zur Verfügung. Ein Rechtsstaat exportiert keine Waffen in Spannungsgebiete bzw. an Diktaturen.

• Aus meiner Sicht kann man nicht von Rechtsstaatlichkeit sprechen, wenn die Führungsgrößen dieses Landes in Sachen Menschenrechte stets schulmeisterhaft und vorwurfsvoll auf andere Staaten zeigen, aber selbst indirekt, also in anderen Ländern, foltern ließen bzw. "Folterflüge" über BRD-Territorium gestatteten. Darüber hinaus leistet die BRD Auslandshilfe beim Aufbau von Polizeikräften in Millionenhöhe, darunter in über 30 Staaten, in denen gefoltert wird.

• Aus meiner Sicht ist selbst in manchen Politikerköpfen nach wie vor braunes Denken fest verwurzelt, wenn z. B. ein oft im Fernsehen präsenter Ministerpräsident eines Bundeslandes, der jetzt als EU-Kommissar nach Brüssel geht, einen faschistischen Blutrichter an dessen Grab einen aufrechten Demokraten nennt. Die Entschuldigung folgte zwar prompt, aber nicht ganz freiwillig, am nächsten Tag. Wer soll glauben, daß sich in einer Nacht das Denken dieses CDU-Politikers so gründlich verändert hat? Es ist kaum vorstellbar, daß ein Mann in dieser Position 12 Jahre Nazidiktatur und 60 Jahre BRD verschlafen hat. Ein weiteres braunes Kapitel ist die militärische Traditionspflege. Als ein Beispiel sei hier nur der unter aktiver Teilnahme der Bundeswehr alljährlich stattfindende Gebirgsjägerkult von Mittenwald genannt.

• Aus meiner Sicht sind die ARGEs, die den Schwächsten der Gesellschaft helfen sollten, die widerlichsten Instrumente der Disziplinierung Hunderttausender. Sie sind eines der reichsten Länder der Erde, welches flugs mal so eine halbe Billion für die die Krise verursachende Banken lockermacht, unwürdig. Rechtsstaatlich? Diese schräge Rechtsstaatlichkeit ist für mich Unrecht.

Ich kann belegen, daß Hartz-IV-Empfänger über die berüchtigten Zwangsparagraphen hinaus zusätzlich oft noch kriminalisiert werden. Es dürfte ebenfalls nicht rechtsstaatlich sein, wenn viele Bürger als Hartz-IV-Bezieher oder Niedriglohnempfänger nicht an der wissenschaftlich-kulturellen Entwicklung des Landes aktiv teilnehmen können.

• Aus meiner Sicht war auch in der Alt-BRD Paßfälschung ein strafbares Delikt. Entweder habe ich da etwas falsch verstanden oder die Rechtsauffassungen haben sich so gravierend verändert. In der MDR-Sendung "Fakt ist" vom 27.4.2009 war zu sehen, wie man DDR-Bürgern mittels gefälschter Pässe zur Republikflucht verhalf. Ein ehemaliger BRD-Außenminister wohnte dieser Veranstaltung bei und ließ sich feiern.

• Aus meiner Sicht ist es nicht nachzuvollziehen, daß fast zwanzig Jahre nach dem "Beitritt" die Menschen in den neuen Bundesländern bei Löhnen und Renten weiter als Bürger zweiter Klasse behandelt werden.

Es ließen sich noch zahlreiche Beispiele anführen, die mit meinem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit kollidieren. So u. a.:

die sich schleichend vollziehende "Demokratie von oben", welche die formelle Demokratie aushöhlt und zu einer allmählichen Entmachtung der Bürger führt. Die rückläufige Wahlbeteiligung drückt gerade dieses Gefühl der Ohnmacht breiter Schichten der BRD-Bevölkerung gegenüber Staat und Wirtschaft aus;
die gebrochenen oder gar in ihr Gegenteil verkehrten Wahlversprechen und die Verfälschung des Wählerwillens. Jüngstes Beispiel: die Selbstveräußerung des SPD-Vorsitzenden Matschie an die CDU in Thüringen;
die Beschnüffelung der Bürger durch den Staat und die Wirtschaftsbosse;
das ungleiche Maß der Rechtsprechung für Vermögende einerseits und für Mittellose andererseits u. v. a. m.

Um an die Worte des Bundespräsidenten anzuknüpfen: Das sind aus meiner Sicht einige Kriterien eines Unrechtsstaates bei Vorhandensein tatsächlicher zivilisatorischer Errungenschaften. Solche gab es ebenso in der DDR und sie stünden der BRD in puncto sozialer Gerechtigkeit, Friedensliebe und Vergangenheitsbewältigung nicht schlecht zu Gesicht.

Harry Pursche, Leipzig

Raute

Der "lange Ali" war gradlinig und furchtlos

Unvergessener Alfred Neumann

Alfred Neumann trug den Spitznamen "langer Ali". Er war groß, gradlinig, furchtlos, sportlich, wißbegierig, kreativ, treu, väterlich und menschlich. Sein Kompaß im Leben war das "Kommunistische Manifest", und er folgte ihm als treuer Soldat der Revolution. Er wurde am 15. Dezember vor hundert Jahren geboren.

Ich kannte Alfred Neumann seit dem Januar 1963, als mir Ali vorschlug, als sein Stellvertreter für Erzbergbau, Metallurgie und Kali im Volkswirtschaftsrat der DDR zu arbeiten. Wider besseres Wissens akzeptierte ich das Angebot, nachdem meine Gegenargumente nicht berücksichtigt worden waren. Für dieses "Kaderexperiment" entschuldigte sich Ali später bei mir, was ich ihm nie vergaß.

Auch Alfred Neumann gehörte viele Jahre danach zu jenen, welche 1989 als Politiker Schiffbruch erlitten. Aber die persönliche Anerkennung und Hochachtung wird man ihm nicht versagen können.

1909 in einer Berliner Arbeiterfamilie geboren, erlebte Alfred Neumann in der damals viertgrößten Stadt der Welt das Völkergemetzel 1914-1918 wie auch die Demonstrationen revolutionärer Arbeiter und Soldaten. Als Tischler und Mitglied im Arbeitersportverein "Fichte" sowie als von der Massenarbeitslosigkeit in der Weimarer Republik Betroffener wandte er sich der KPD als der stärksten Berliner Partei zu. 1934 mußte er über Skandinavien in die UdSSR emigrieren. Als Sportlehrer am Moskauer Zentralinstitut für Körperkultur war er u. a. Berater von Schwernik, dem Vorsitzenden des Zentralrats der sowjetischen Gewerkschaften.

Auf abenteuerlichen Wegen gelangte Alfred Neumann 1936 über Frankreich nach Spanien. Als Mitglied der XI. Internationalen Brigade kämpfte er gegen das faschistische Franco-Regime und wurde verwundet. Nach Inhaftierung in den französischen Lagern St. Cyprien, Gurs und Vernet verurteilte ihn der Volksgerichtshof 1942 wegen "Hochverrats" zu acht Jahren Zuchthaus. Aus Brandenburg-Görden wurde er im Februar 1945 in ein Strafbataillon überstellt. Er flüchtete zur Roten Armee und kam im April in sowjetische Kriegsgefangenschaft.

Nach der Rückkehr war Alfred Neumann von 1947 bis 1951 in verschiedenen Verwaltungs-und Parteifunktionen der Berliner Stadtbezirke Treptow, Tempelhof und Neukölln tätig. Er setzte sich nachhaltig für die Begrenzung der Folgen der separaten Währungsreform ein. Wegen unerlaubten Hissens einer schwarz-rot-goldenen Fahne am SED-Parteibüro in der Neuköllner Karl-Marx-Straße wurde er im März 1949 durch ein US-Militärgericht verurteilt.

Von 1949 bis 1957 war Alfred Neumann Sekretär der SED-Bezirksleitung, Stellvertreter des Oberbürgermeisters im Magistrat von Groß-Berlin, dann 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung. In dieser Zeit sorgte er sich um den Wiederaufbau der Hauptstadt der DDR, in der fast 40 % des Wohnraums sowie die Hälfte aller Brücken und Schulen zerstört waren. Der Schutt maß 70 Millionen Kubikmeter. Alis Aufmerksamkeit galt der Durchführung der III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin, dem Wiederaufbau der Heiz- und Energiekraftwerke, der Brücken und Straßen, des Transportwesens und des Stadtzentrums, des Brandenburger Tors, der damaligen Stalinallee, der Humboldt-Universität, der Deutschen Staatsoper und anderer wichtiger Objekte.

Im Volkswirtschaftsrat (VWR) bemühte sich Ali Neumann stets, in die Tiefe der Problematik einzudringen. Er war ein ausgeprägter Analytiker. Im Mittelpunkt stand die Realisierung des Neuen Ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft. Alfred Neumann befaßte sich intensiv mit Fragen des Schiffbaus, besuchte Werke des Kraftwerksanlagenbaus und konsultierte sich im Chemieanlagenbau.

Seine Stellvertreter W. Böhme, E. Pasold und H. Wunderlich mußten manche herbe Kritik einstecken. Als sich der Landmaschinenbau 1963 in einer schwierigen Entwicklungsphase befand, leitete Neumann dessen Umstrukturierung. Er forderte den Ausbau der Kaliindustrie. Wichtige Etappen seiner Leitungstätigkeit waren die Inbetriebnahme des Erdölverarbeitungswerkes Schwedt (1964), des Rohrwerks III Riesa-Zeithain (1965) und die Elektrifizierung der Deutschen Reichsbahn in den 70er und 80er Jahren. Alfred Neumann schätzte Persönlichkeiten wie Walter Ulbricht, Bruno Leuschner, Karl Maron, Heinrich Rau, Willi Rumpf, Kurt Singhuber und Hans Modrow. Über Günter Mittag äußerte er sich hingegen geringschätzig.

1993 führte ich mit dem alten und allein lebenden Neumann mehrere längere Gespräche. Er war gastfreundlich und aufgeschlossen. Sein Buch "Poltergeist im Politbüro" erschien im Verlag Frankfurt Oder Editionen. Alfred Neumann lehnte eine Autorisierung der Texte ab, wollte sie sogar gerichtlich verhindern. Auf einen Prozeß hierzu ließ er es aber nicht ankommen, weil er das finanzielle Risiko scheute. Das Buch ist ein interessanter Mosaikstein zur Erforschung der jüngsten deutschen Geschichte. Leider enthält es Worte, wie sie Neumann nie gebraucht hätte, da er in seiner Umgebung auf Benehmen und Äußeres stets achtete.

Rechtsanwalt Dr. Friedrich Wolff wurde am 13. Dezember 1993 vom ehemaligen Mitglied des Politbüros und des Nationalen Verteidigungsrates Alfred Neumann mit seiner Verteidigung beauftragt. Das Verfahren beschäftigte Wolff etwa sechs und die Staatsanwaltschaft sieben Jahre. Alfred Neumann selbst wollte den Prozeß. Mit Beschluß vom 7. Mai 1999 stellte die Schwurgerichtskammer das Verfahren ein. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Rechtsmittel.

In einem Kondolenzbrief zum Tode Alfred Neumanns am 8. Januar 2001 schrieb Friedrich Wolff: "Ich glaube nicht, daß ich einen mutigeren und aufrichtigeren Mandanten gehabt habe als ihn. Seine Haltung hat mir immer großen Respekt eingeflößt, und die vielen Gespräche, die weit über den Rahmen des für seine Verteidigung Notwendigen hinausgingen, werden mir immer in Erinnerung bleiben."

Hinter Ali Neumann lag ein beeindruckendes Leben. Er war für viele das, was man unter einem aufrechten Kommunisten versteht. Er bleibt das Vorbild eines der Sache ergebenen Arbeiterfunktionärs.

Dr.-Ing. Helmut Kinne, Zepernick

Raute

Die Würde des alten Krans

Gedanken eines Wachmanns im einstigen VEB Elektrokohle

Nachtschicht in der Berliner Herzbergstraße. Mit der Straßenbahn fahre ich vorbei am einstigen Kulturhaus des VEB Elektrokohle, welches verlassen, vernagelt und besprayt noch vor Betreten des Betriebsgeländes davon kündet, daß es hier niemanden mehr gibt, dem man Kultur vermitteln kann oder will. Meinen Nachtdienst versehe ich allein auf dem riesigen Areal mit seinen gewaltigen Hallen, Werkstätten, Verwaltungsgebäuden und Kantinen, die heute wie in tiefen Schlaf versunken dastehen und auf etwas zu warten scheinen, das mit Sicherheit nicht Zukunft heißt. Trotz der Melancholie, die dieser Ort auf mich überträgt, komme ich gern her. Er beflügelt meine Gedanken. Versöhnlich werden diese allerdings nicht ausfallen.

Es regnet heute in Strömen. Ununterbrochen prasseln die Wassertropfen auf die Wellblechdächer der alten Werkhallen herab und lassen ein leises, metallenes Konzert erklingen. Mit Taschenlampe und Schlüsselbund ziehe ich meine Runden über die verlassenen Wege, die dunkel und einsam sind. Die riesigen Fenster der Gebäude, die heilen wie die kaputten, blicken schwarz und verlassen auf mich herab.

Ich stelle mir vor, wie es wohl früher hier gewesen sein mag. Damals zog kein Wachmann allein zur Nachtschicht, sondern Hunderte Werktätige waren da. Die Fenster waren hell erleuchtet. Der Klang der Maschinen, der aus den Toren drang, übertönte sicher jedes Regengeprassel auf den Dächern ebenso wie die Stimmen der Menschen. Man arbeitete, schwatzte, verabredete sich, diskutierte, stritt und versöhnte sich wieder. Man lebte in sozialer Sicherheit und wußte mit der Frage "Wie geht es weiter?" kaum etwas anzufangen, weil man sich damit nicht beschäftigen mußte. In den Kantinen wurde gegessen und gelärmt, Geschirr klapperte und klirrte, und die letzte Veranstaltung im Kulturhaus wurde mit ihren Licht- und Schattenseiten bewertet. Der Ort lebte da, wo er heute tot ist.

In der leeren Halle 20 treffe ich meinen heimlichen Liebling, den alten Kran. Er befindet sich auf einer Laufschiene an der Decke. Die Führergondel hängt noch da, wo sie ihr Kranführer vor beinahe zwanzig Jahren zum allerletzten Mal zum Stehen gebracht hat. Heute sind ihre Scheiben zerschlagen, sie rostet, und lose Kabel hängen im Inneren herab. Was würde er wohl fühlen, der Kranführer, wenn er seinen Arbeitsplatz jetzt so sehen würde?

Der Kran redet auch schweigend zu mir. Wir verstehen uns ohne Worte. Er erzählt mir, wie mit meinem Heimatland umgegangen wurde, damals, als die Herrenmenschen in den feinen Anzügen in ihren Limousinen kamen. Ich stelle mir ihre Arroganz vor und die Sprüche von der maroden Substanz, der mangelnden Effektivität, der nicht lohnenden Kosten. Hat denen wirklich nie jemand beigebracht, daß menschliches Wirken anders gemessen werden muß als nach dem Maßstab des Profits, wenn es sich wirklich segensreich für alle auswirken soll? Es müsse auch mal ein bißchen gestorben werden, tönte Waigels Finanz-Staatssekretär Horst Köhler einst. Wieviel menschliches Leben vernichtet solch ein Satz! Der Kranführer wurde eines Tages nach Hause geschickt. Abgewickelt. Einfach so.

Ein Denkmal der Einheit soll errichtet werden, heißt es. Ich arbeite in einem. Wenn ich meine Runden durch das längst verlassene, einst aber pulsierende Werk, den VEB Elektrokohle, ziehe, erlebe ich eine ganz persönliche Zeremonie zur sogenannten Einheit. Sie fällt anders aus als die verlogenen Phrasen, die Selbstbeweihräucherungen der Profiteure und die ihrer Steigbügelhalter. Hier klirren keine Champagnergläser, sondern höchstens Fensterscheiben. Meine Runden erzählen mir eine völlig andere Geschichte als jene, welche heute Waigels seinerzeitiger Adjutant erfindet, wenn er als Bundespräsident die Historie umlügt.

Der alte Kran ist ein verläßlicherer Zeuge der Wahrheit als diejenigen, welche ihre Raubzüge mit fader Propaganda vergessen machen wollen. Er ist stumm, aber er sagt mehr als alle Festtagsreden der Täter. Und er besitzt, rostig und zerschlagen wie er ist, tausendmal mehr Würde.

Ulrich Guhl

Raute

Als die DDR in Dresden das Mittelstreckenflugzeug B-152 zu bauen begann

Absturz des Neuen Ökonomischen Systems

Die Rede Rolf Bertholds zum 60. Gründungstag der DDR, die als Beilage zum November-"RotFuchs" erschien, habe ich aufmerksam gelesen. Ich stimme dieser ehrlichen Bilanz und Analyse voll zu.

Auch wir beschäftigen uns mit der Frage, warum die DDR so enden mußte und welche Perspektiven es für ein künftiges sozialistisches Gesellschaftsprojekt in Deutschland gibt. Unser Staat, der u. a. ein beispielhaftes Bildungssystem besaß, das jedem die Entwicklung nach seinen Fähigkeiten und unabhängig vom Geldbeutel der Eltern ermöglichte, ist mehr denn je in den Herzen vieler einstiger DDR-Bürger verwurzelt.

Um von mir selbst zu sprechen. Ich wurde vom VEB Stahl- und Walzwerk Riesa an die ABF der TH Dresden delegiert. 1962, als die TH schon Technische Universität war, verließ ich die Bildungseinrichtung als Diplomingenieur. Während meines Studiums wurde ich vom Delegierungsbetrieb materiell und ideell vorbildlich unterstützt. Wo gibt es so etwas heute noch?

Übrigens: Die ABF Dresden hatte ich 1956 mit dem Abitur abgeschlossen. An ihr herrschten damals knallharte Bedingungen. Nur 19 der 35 Prüflinge bestanden. Uns war ständig beigebracht worden, daß allein echte Leistungen an Hochschulen und Universitäten zählen. Die DDR brauchte dringend eine gut ausgebildete sozialistische Intelligenz.

Rolf Berthold erwähnte in seiner Rede auch das etwa ab 1958 eingeführte Neue Ökonomische System zur Planung und Leitung der Volkswirtschaft. Mit ihm befand sich die DDR nach meiner Meinung und Erfahrung auf dem richtigen Weg.

Hierzu eine Ergänzung: Ich erinnere mich noch genau an den Aufbau einer Flugzeugindustrie in der DDR. In kurzer Zeit wurden fünf große Betriebe buchstäblich aus dem Boden gestampft. An der TU Dresden schuf man eine Fakultät Luftfahrtwesen. Es ging darum, ein strahlgetriebenes Mittelstreckenflugzeug herauszubringen, was damals eine Marktlücke darstellte. Dieses Ziel wurde beharrlich und umfassend verfolgt. Deutsche Flugzeugbauer, die Jahre zuvor als Zwangsevakuierte in die UdSSR gebracht worden und inzwischen von dort zurückgekehrt waren, wurden nun in Dresden und anderswo konzentriert. Das Mittelstreckenflugzeug Baade-152 war über der Elbestadt zu sehen. 1959 stürzte es bei seinem zweiten Probeflug während der Leipziger Messe in Ottendorf-Okrilla ab.

Tatsache ist, daß die Führung der UdSSR, die das Flugzeugmonopol der sozialistischen Staaten innehatte, die diesbezüglichen Pläne Walter Ulbrichts und Erich Apels sowie das Neue Ökonomische System insgesamt sehr skeptisch beurteilte. Hier spielte wohl auch Konkurrenzdenken eine Rolle.

Das Flugzeugprogramm der DDR wurde 1961 eingestellt. Dennoch war es in meinen Augen eine mutige und großartige Leistung.

Die Industrieminister der DDR waren in meinen Augen hervorragende Fachleute. Unser zuständiger Minister Dr. Ing. Kurt Singhuber galt beispielsweise als ein hochqualifizierter Metallurge. Wir haben unseren Betrieb, den VEB Rohrkombinat, zu einem der führenden Schweißunternehmen der DDR entwickelt. Über diese Arbeit und deren Ergebnisse wurden von mir über 40 Beiträge in Fachzeitschriften der DDR, der BRD, Österreichs und Chinas veröffentlicht. Auch drei Fachbücher erschienen mit Genehmigung der zuständigen DDR-Behörden unter meinem Namen in der BRD.

Auf dem Gebiet der Schweiß- und Schneidtechnik waren wir dem Westen weit voraus. Dort kommt man heute noch mit "Neuheiten", die wir uns schon in den 80er Jahren an den Hacken abgelaufen hatten. Mit dem Zentralinstitut für Schweißtechnik der DDR in Halle/Saale - dem ZIS - besaßen wir eine Einrichtung, die in puncto Ideenreichtum und Effektivität nur vom berühmten Paton-Institut in Kiew übertroffen wurde. Am mangelnden Einsatzwillen und Fleiß der Werktätigen kann es also nicht gelegen haben, daß die DDR am Ende zusammengebrochen ist. Allerdings haperte es oft bei der praktischen Umsetzung neuer Forschungs- und Entwicklungsergebnisse sowie an der notwendigen Arbeitsproduktivität.

Wie jeder ehrliche andere Genosse auch hatte ich in der DDR so manche Probleme. Aber trotzdem bin ich stolz auf das Geleistete und darauf, einen Staat wie sie erlebt zu haben. Mein Fachdirektor ab 1986 hat mich selbständig arbeiten lassen und gut unterstützt, woran ich gern zurückdenke.

In Kuba überlebte der Sozialismus nach meiner Ansicht deshalb, weil die Verantwortlichen stets offen über Konfliktsituationen mit dem Volk geredet und dieses in die Behebung von Mängeln aktiv einbezogen haben. Das fehlte in der DDR! Dort wurde vieles vertuscht oder schöngeredet! In den Dienstbesprechungen bei unserem Fachdirektor diskutierte man offen über Schwächen in der Wirtschaft und notwendige konstruktive Lösungen, doch weiter oben galt wohl eher Erich Honeckers Devise: "Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf." Das führte dazu, daß man die Dinge nicht selten dem Selbstlauf überließ. Es genügt eben nicht, ein Kommunist sein zu wollen. Auch das notwendige Können gehört zur Leitung eines Staates.

Wie die meisten Leute, die vor 20 Jahren in Leipzig demonstrierten, wollte ich eine reformierte DDR, aber nicht diesen heutigen Kapitalistenstaat. Was wir für eine historische Chance vergeben haben, zeigt sich jetzt in aller Deutlichkeit. Mit dieser CDU/CSU-FDP-Regierung werden die kleinen Leute noch harte Zeiten erleben. Und was "Die Linke" betrifft, so will sie ja unbedingt auf Landesebene "mitregieren", ohne wirklich etwas bewegen zu können. Die PDL kann höchstens wie in Brandenburg, wo sie von Platzeck eingeseift wurde, zur Unglaubwürdigkeit absinken. Mit dem angekündigten Ausstieg aus dem Braunkohletagebau und der Absage an die Kohlendioxid-Abspeicherung hat die PDL die Stimmen vieler brandenburgischer Wähler gewonnen. Nun fühlen sie sich betrogen, weil diese Programmatik unter dem Druck der SPD preisgegeben worden ist.

1923 hat der Sozialdemokrat Prof. Zeigner zwei Kommunisten in die sächsische Regierung aufgenommen. In Thüringen verhielt es sich ähnlich. Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) schickte daraufhin die Reichswehr in die "Krisengebiete" um solchen "Eskapaden" einen Riegel vorzuschieben. Heute würde das vermutlich so nicht mehr ablaufen, da man vorerst andere Methoden bevorzugt, um die kapitalistische Ordnung zu erhalten.

Gerhard Frank, Riesa

Raute

Ging es 1989/90 tatsächlich um "Wiedervereinigung"?

Das wahre Motiv

Unsere Familie lebte damals in Thüringen, nicht allzuweit von der Grenze zum Freistaat Bayern.

Sofort nach der Bekanntgabe der Grenzöffnung begann für uns Bewohner des grenznahen Raums ein monatelanges Verkehrschaos:

Vom frühen Morgen bis in die Mittagsstunden wälzte sich eine schier endlose Schlange von Trabbis, Wartburgs, Moskwitschs und Ladas aus Richtung Jena kommend durch Rudolstadt und Saalfeld mit Kurs Bayern, um Begrüßungsgeld abzuholen. 100 Westmark pro Nase! Wer etwas anderes vorhatte - z. B. seiner Arbeit nachgehen wollte - und in gleicher Richtung unterwegs war, mußte sich in die Schlange einreihen oder irgendeinen verbotenen Schleich- und Feldweg benutzen. So ging das bis in die Mittagsstunden.

Ab dem frühen Nachmittag änderte sich die Situation aber schlagartig: Nun kamen alle mit dem Geld oder mit den bereits bei Aldi eingekauften Köstlichkeiten aus Richtung Bayern und wollten wieder nach Hause. So ging das wochenlang. Vormittags Stau in der einen Richtung, nachmittags in der anderen. Clevere und solche, die den Klassenfeind schädigen wollten, hatten herausgefunden, daß die Begrüßungsgeldauszahler nicht ganz durchsahen, was die gültigen Personalpapiere der DDR betraf: Diese Leute kamen nun ein zweites Mal, um sich das Begrüßungsgeld nochmals zu ergattern. Jetzt mit dem Reisepaß. Auch hier wurde der Stempel hineingedrückt, und es wurden wiederum 100 DM kassiert. Auch weiterhin waren die Straßen so wochenlang verstopft. Vormittags in Richtung Westen, nachmittags in Richtung Noch-DDR.

Das reiche Bayern ließ sich herab und zahlte an alle DDR-Bürger einen Begrüßungsgeldnachschlag in Höhe von 40 DM! Nun brach das totale Chaos aus! Hatten sich die Rostocker ihr Geld bisher in Lübeck, Hamburg oder im nördlichen Grenzgebiet geholt, mußten sie jetzt durch die ganze Republik bis ins ferne Bayern fahren! Genauso wie die Berliner und der Rest der Republik. Aber was macht man nicht alles für 160 DM! Die demente Oma und der gehbehinderte Opa wurden auf die Sitzbank des Trabbis bugsiert, und ab ging die Fahrt ins ferne Bayern und am gleichen Tag wieder zurück! 1000 km für 160 DM. Bei einem Umrechnungskurs von 1:7 hatte sich die Sache gelohnt! So durchquerte ein erheblicher Teil derer, die sich im Besitz gültiger Personaldokumente der DDR befanden, z. T. mehrmals in jenen Tagen auf den wenigen Straßen unseres schönen Thüringen.

An den Auszahlungsstellen in Coburg oder anderswo sah man sie mit freudig oder gierig leuchtenden Augen. Da standen sie geduldig und erwartungsfroh - wenn sie Glück oder Pech hatten - mit ihrem Parteisekretär in Reih und Glied. Nunmehr hatten sie das, wonach sie jahrelang gelechzt hatten: die D-Mark. Sie folgten dabei dem Slogan: "Kommt die Westmark nicht zu mir, komme ich zu ihr." Aus der Losung: "Wir sind das Volk" wurde "Wir sind ein Volk."

Was ich ausdrücken wollte: Nicht die Sehnsucht nach "Demokratie" und angeblicher Wiedervereinigung war die Haupttriebkraft für den Fall der DDR. Die Gier nach der D-Mark war es!

Alles andere ist nur Tünche, ein Mäntelchen, das man sich heute schamhaft anzieht, um das eigentliche Motiv zu verdecken.

Klaus-Peter Hoffmann, Velten

Raute

Die billige Zutat

Bei der "Wiedervereinigung" ging es am wenigsten um die Verbindung mit den Brüdern und Schwestern im Osten. Das Ziel war vor allem die Zerschlagung unseres Systems, die Vernichtung der Konkurrenz, die Erweiterung des imperialistischen Machtgebiets. Es ging um zusätzliche Konsumenten, die man unverzüglich mit sämtlichen Westwaren überschüttete, und um die Zurücknahme aller sozialen Errungenschaften der vergangenen 40 Jahre, die sich unser Land ohne Kapitalisten und Gutsbesitzer vom Schlage der zu Guttenbergs erarbeitet hatte. Auch unsere gut ausgebildeten jungen Fachleute waren für die Unternehmer in den "alten Ländern" eine billige Zutat.

Darum wurden wir mit "Begrüßungsgeld" angefüttert, wobei der damals gezahlte Betrag heute schon kaum noch den Biß in eine Bulette gestatten würde.

Die jetzt bei uns Herrschenden sind sich ihrer Rolle bewußt und werden die Arbeitenden weiter auseinandertreiben. Dazu gehört das "Ich-Gehabe", die pausenlose Erziehung zum Egoismus. Haß auf Ausländer, die den Deutschen angeblich die Arbeit wegnehmen, und Verachtung für Langzeitarbeitslose, die angeblich zu faul zum Malochen sind, dominieren allenthalben.

Ehe unsere Bürger 1990 zur Besinnung gekommen waren, hieß die meistgehörte und -gesehene Parole: "Nie wieder Sozialismus!" Weshalb wohl? Das einzige, wovor die Ausbeuterklasse wirklich Angst hat, ist eben der Sozialismus.

Wenn ich an all jene denke, welche der DDR 1989/90 als karrieristische Wendehälse den Rücken gekehrt haben und jetzt gar nicht genug beweisen können, was sie "schon vorher" gegen sie unternommen haben, dann wird mir klar, warum in unserem Staat nicht alles so rund gelaufen ist, wie Millionen Werktätige das erwartet hatten.

Elisabeth Monsig, Friedrichsthal

Raute

Wie ein ND-Redakteur Knabes Ammenmärchen aufwärmte

Verschüttetes

Am 7. Oktober veröffentlichte Hans-Dieter Schütt im ND einen Beitrag über die Vorstellung von "Staats-Sicherheiten" im Theater Potsdam. Mir scheint es notwendig, dazu einige Gedanken zu äußern.

Zutreffend ist, daß es im gesellschaftlichen Leben der DDR auch erhebliche Mängel und Ungerechtigkeiten gab, die zu kritisieren sind und aus denen Lehren gezogen werden müssen. Allerdings bedarf es dabei der Objektivität und des Willens zur Suche nach der Wahrheit. Das läßt Herr Schütt leider vermissen. Vielmehr macht er sich zum Sprachrohr des Leiters der "Gedenkstätte" in Berlin-Hohenschönhausen, dessen Haßtiraden über das Ministerium für Staatssicherheit der DDR alle anderen Verleumdungen in den Schatten stellen.

Sachlich ist zu Schütts Artikel zunächst zu bemerken, daß es "Stasi-Häftlinge" schlechthin nicht gab. Richtig ist, daß das MfS über Untersuchungshaftanstalten verfügte, in die Personen eingeliefert wurden, welche im Verdacht standen, staatsfeindliche Delikte begangen zu haben. Die Aufenthaltsdauer darin war, wie auch in anderen UHA der DDR, gesetzlich festgelegt. Erforderlichenfalls konnte sie verlängert werden, was der Genehmigung durch den Staatsanwalt bedurfte, der selbst kein Angehöriger des MfS war und dem von dieser Seite auch keine Vorschriften gemacht werden konnten.

Die Strafvollzugsanstalten der DDR unterstanden ausnahmslos dem Ministerium des Innern. Es legte die Vollzugsbedingungen einheitlich fest. Sie galten ohne Ausnahme für sämtliche Häftlinge, die in jedem Falle von ordentlichen Gerichten der DDR verurteilt worden waren.

Es ist schon kurios, daß Schütt unkritisch jeglichen Behauptungen der auf der Potsdamer Bühne agierenden Darsteller folgt. Er hält sie für glaubhaft. Zweifel sind jedoch angebracht, wenn solche "Zeugen" wie Vera Lengsfeld im Rahmen der Veranstaltung auftreten.

In Schütts Artikel wird vorgeführt, welchen Torturen die einzelnen "Regimegegner" während der Untersuchungshaft ausgesetzt gewesen sein sollen. Jedenfalls gab es nach 1990 trotz eifrigster Bemühungen der "Delegitimierer" keine Verurteilung ehemaliger Mitarbeiter des MfS und der Strafvollzugsorgane wegen Folter oder ähnlicher Straftaten im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit. Hätten Beweise vorgelegen, wäre man gewiß nicht zimperlich gewesen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die DDR weder von internationalen Gremien noch seitens der BRD vor solchen beschuldigt worden ist, gegen allgemeingültige Strafgesetz- und Strafprozeßnormen verstoßen zu haben.

Während der Strafverbüßung konnten die Inhaftierten einer ordentlichen Arbeit nachgehen - und zwar in Betrieben, die sich inner- und außerhalb der Strafvollzugsanstalten befanden. Dort hatten zivile Mitarbeiter des jeweiligen Betriebes das Sagen. Sie waren nicht Angehörige des Strafvollzugs.

Mitleidsvoll wird in Schütts Artikel auch berichtet, wie sich ein heute 81jähriger in den sieben Jahren seiner Haft "aufrechterhalten" habe. Die Schilderung klingt schon deshalb wie ein Märchen, weil für Bagatelldelikte in der DDR so hohe Strafen nicht verhängt wurden. In solchen Fällen lag immer eine Straftat von erheblicher Schwere vor.

Schließlich muß man auch darauf verweisen, daß jeder Staat das Recht hat, sich vor Angriffen aller Art zu schützen. Das geschieht auch in der BRD. Heute fragt niemand danach, ob die strafrechtliche Verfolgung einer sehr großen Zahl von Kommunisten und anderen Oppositionellen "rechtsstaatlich" gerechtfertigt war. Das betrifft auch die gerichtliche Verfolgung von Hoheitsträgern und Juristen der DDR.

Zu wünschen wäre, daß sich Herr Schütt in Zukunft besser informiert. Material dafür steht bestimmt zur Verfügung, insbesondere Akten des MfS, Unterlagen der Gerichte der DDR sowie Protokolle der Hauptverhandlungen und die ergangenen Urteile.

Rolf Richter, Leipzig

Unser Autor war stellvertretender Vorsitzender des 1. Strafsenats des Bezirksgerichts Leipzig und wurde von der BRD-Rachejustiz verurteilt.

Raute

Gaucks "Leichenhügel" und das schleichende Gift der Gewöhnung

Den "Aufarbeitern" in die Suppe gespuckt

Herbert Kierstein und Gotthold Schramm, die Autoren des im folgenden rezensierten Buches, das durch faktengestützte Polemik besticht, sind frühere Offiziere des MfS der DDR. Nach 1989/90 wurden sie Opfer der Konterrevolution. Für die amtlich bestallten "Stasi-Jäger" stehen Leute wie Hubertus Knabe, Marianne Birthler und Karl Wilhelm Fricke. Alle Menschen haben das Recht auf Meinungsfreiheit, aber manche sollten es besser nicht nutzen, lautet ihre Devise. Dabei hat Bundespräsident Horst Köhler im "Focus" dazu aufgerufen, am sachlichen Streit teilzunehmen: "Eine grundlegende Umwälzung wie jetzt kann doch nicht ohne Streit gelingen", erklärte er.

Gegenstand des "Streits" in diesem Buch ist die Auseinandersetzung mit Lügen und Verleumdungen über die DDR im allgemeinen und das MfS im besonderen. Der Stoff ist unerschöpflich. Gäbe es nicht diese schmutzige Flut, welche täglich über die Bürger hinwegrollt, würde es einer solchen Publikation nicht bedürfen. Die Autoren fragen nach der Funktion der "Erinnerungsindustrie". Wo sitzen deren Inspiratoren?"

Die Spinne im Netz ist die Gauck-/Birthler-Behörde (B St U), die beim Feldzug gegen die DDR und das MfS die Fäden zieht. Die Autoren sezieren den Auftrag, die Struktur und die "Arbeitsergebnisse" der Birthler-Behörde, deren Begründer, Pfarrer Joachim Gauck, das "Anliegen" so formulierte: Die DDR habe "zwar nicht wie das Dritte Reich Berge von Leichen hinterlassen, statt dessen aber nicht minder schreckliche Berge von Akten, die ganz schöne Hügel von Leichen und ein ganzes Gebirge von Entbürgerlichten enthalten."

Und so begannen die politischen Exekutionen gegen den Jenaer Rektor und PDS-Abgeordneten Professor Dr. Riege (der unter enormem Druck den "Freitod" wählte); gegen Hunderte Bekannte und Unbekannte, die ohne Anklage und Urteil mit Hilfe der Akten und skrupelloser Journalisten an den Pranger gestellt wurden.

Einer der Vorzüge dieses Buches ist, daß Ereignisse aus der Geschichte der DDR nicht isoliert oder instrumentalisiert werden, wie das bei den "Aufarbeitern" üblich ist, sondern daß die Wechselwirkung in der Politik beider deutscher Staaten nachgewiesen wird. Zu den Legenden und Lügen, die Kierstein und Schramm widerlegen, gehören:

Es habe keine gesetzlichen Grundlagen für die Tätigkeit des MfS gegeben,
das MfS habe die Bürger "flächendeckend" überwacht,
das MfS habe Nazi- und Kriegsverbrecher gedeckt, wie das Henry Leide, Mitarbeiter der Birthler-Behörde, unterstellt hatte,
das MfS habe in der BRD "Auftragsmorde" begangen. Obwohl sich ein "Stasi-Killer" gemeldet hatte, erwies sich die Story als Flop der Medien.
Auch die von ihnen kolportierten Opfer sogenannter Strahlenkanonen (Bahro) gab es nicht.
Der Mißbrauch von Psychologen (Pfarrer Eggert), Foltermethoden und Kindesentführungen ("Die Frau vom Checkpoint Charlie") waren zweckgerichtete Erfindungen.

Enthüllung, Skandalisierung in der Presse und bei Sendern, Reaktionen von Politikern und einschlägigen Institutionen, kleinlaute Richtigstellung, relative Ruhe bis zur nächsten "Entdeckung" - das ist die gängige Praxis. Ich würde die These der Autoren einschränken: Auf manche "Richtigstellung" durch Verantwortliche muß man noch heute warten. Das schleichende Gift der Gewöhnung wirkt trotzdem. Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehdokumentationen verpacken ihre "Botschaften" oftmals in amüsante und kurzweilige Unterhaltung. Doch auf Dauer ist die Wirkung tödlich.

Die Analyse der Funktion jener "Gedenkstätten", die eigens eingerichtet wurden, um das MfS zu kriminalisieren und der These vom "Unrechtsstaat DDR" einen "wissenschaftlichen" Anstrich zu geben, nimmt mit Recht einen wichtigen Platz in der vorliegenden Arbeit ein. Berlin-Hohenschönhausen und sein Direktor Hubertus Knabe finden dabei besondere Aufmerksamkeit. Wann immer eine Erklärung zur antikommunistischen Verteufelung der DDR gebraucht wird - Herr Knabe ist flugs zur Stelle. Welcher "Historiker" kann sich auf diesem Feld mit ihm messen?

Die Zahl und die Art der Fälschungen in Hohenschönhausen verbieten es, das ehemalige Untersuchungsgefängnis als ernstzunehmenden Ort der Erinnerung zu betrachten. Leider bleibt ausgespart, wie andere Haftanstalten (Bautzen, Münchner Platz in Dresden usw.) mißbraucht werden, um wahrheitswidrig den Mythos von den "zwei deutschen Diktaturen" an "authentischer Stelle" zu verstärken.

Im dritten Kapitel des Buches wechselt der Gegenstand. Nun geht es um die Strafverfolgung von Mitarbeitern des MfS durch die "Siegerjustiz". Inzwischen ist das Ausmaß juristischen Unrechts, das nach 1990 an DDR-Bürgern begangen wurde, bekannt, obwohl die Bundesregierung bis heute noch keinen abschließenden Bericht vorgelegt hat. Nach Feststellungen der Gesellschaft für Rechtliche und Humanitäre Unterstützung (GRH) vom Oktober 2009 wurden gegen 105.000 Bürger der DDR und 3000 Bürger der Alt-BRD Ermittlungsverfahren eingeleitet. Übrig blieben 821 Urteile gegen 165 DDR-Juristen, 8 Mitglieder der Partei- und Staatsführung, 119 Angehörige der Sicherheitsorgane, 51 Sportfunktionäre sowie 162 Angehörige der Staats- und Parteiorgane. Von den BRD-Bürgern, die als Kundschafter für die DDR tätig gewesen waren, wurden 245 bestraft. Im hier zu bewertenden Buch finden sich einige charakteristische Fälle von neuen Opfern des Kalten Krieges. Sie berichten über ihre Haft. Dr. Rolf Förster wurde mit etwa 20 Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zur Rechtsbeugung und zur Freiheitsberaubung überzogen. Ein Urteilsspruch erfolgte bis zu seinem Tode im Jahre 2007 nicht. 17 Jahre hatte man "ermittelt".

Dr. Karli Coburger wurde im März 1992 bezichtigt, "Mordkommandos" des MfS angeführt zu haben. Die Anklage erwies sich als Schall und Rauch. Sieben Jahre wurde "ermittelt". Das Ergebnis war eine Luftnummer.

"Die blindwütige Strafverfolgung kostete bisher Milliarden, für Diffamierung und Kriminalisierung werden weiterhin jährlich dreistellige Millionenbeträge verausgabt", heißt es bei den Autoren.

Ein weiteres Kapitel untersucht die staatlich organisierten Netzwerke zur Delegitimierung der DDR. Wie es im 40jährigen Kalten Krieg der BRD gegen die DDR Zentren für psychologische Kriegführung und Instrumente zur strategischen Durchsetzung der Bonner Politik gab, existieren auch jetzt Institutionen, die - auf zentrale Weisung und vernetzt - die Verteufelung der DDR betreiben, obwohl es sie bekanntlich nicht mehr gibt. Offensichtlich hat die Bourgeoisie Angst vor der Auferstehung eines politischen Leichnams.

Zu den Institutionen, die die "Erinnerungsschlacht" inszenieren, gehören der Geschichtsverbund zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in Deutschland, diverse Stiftungen, das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismus-Forschung in Dresden, die Eppelmann-Kommission und andere Einrichtungen.

Das Buch ist für Linke eine scharfe Waffe. Bei einer zweiten Auflage sollten jedoch etliche Fehler korrigiert und einige Passagen überprüft werden:

Prof. Dr. Horst Schneider

H. Kierstein, G. Schramm: Freischützen des Rechtsstaats. Wem nützen Stasi-Unterlagen und Gedenkstätten?,
edition ost, Berlin 2009, 284 Seiten, 14,90 Euro

Raute

"Kriminelles von der Küste" - ein bemerkenswerter Reportageband

Die DDR-Strafjustiz im Prisma

Die Wogen über den "Unrechtsstaat DDR" schlagen in diesen Zeiten so hoch, daß die Wahrheit darunter zu ertrinken droht. Wer auch nur den geringsten Zweifel am angeblichen Unrecht aufkommen läßt oder gar dagegen Einspruch erhebt, wird sofort niedergeschrien. Da kommt dieses Buch "Kriminelles von der Küste" gerade recht. Unterhaltsam und spannend, vor allem aber aufklärend, legt ein Gerichtsreporter in über 70 Berichten Zeugnis von Strafbarem und gesellschaftlicher Reaktion darauf ab. Das Besondere: Ort der Handlungen sind die DDR und die DDR-Justiz in den 60er Jahren. Terenke (Günter Eugen Jaffke), Gerichtsreporter der "Ostseezeitung" bis 1968, schildert in sieben Kapiteln, zwei Porträts und einem Anhang, wie Kriminalität in der DDR aussah und wie Justiz, Staat und Gesellschaft darauf antworteten.

Rein äußerlich gleicht das im Buch dargestellte Phänomen der Straftaten in vielen Fällen dem der BRD: Kaufhaus-, Kassen- und Hühnerdiebstahl, Trickbetrug, Schwarzfahren, Körperverletzung, Brandstiftung, Mord und Totschlag, Verkehrsdelikte und Arbeitsunfälle. Das Auffällige: Nicht die Straftaten stehen im Zentrum der Berichte, sondern die Frage nach Ursachen, Motiven und Vorbeugung.

Eindrucksvoll schildert Terenke anhand des Einzelfalles, wie Staatsanwälte, Verteidiger und Richter diesen Fragen nachgehen, wie sie um Wahrheit und Gerechtigkeit ringen, um nicht nur ein faires Urteil zu finden, sondern um zu Schlußfolgerungen zu gelangen. Und er zeigt, wie demokratisch, wie volksnah und massenverbunden die Justiz gearbeitet hat. Schöffen, gesellschaftliche Gerichte und Arbeitskollektive waren an der Rechtsprechung aktiv beteiligt. Gesellschaftliche Ankläger und Verteidiger, Kollektivvertreter, Bürgschaften, Verhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit, Prozeßauswertungen in Betrieben und Wohngebieten, Arbeitsplatzbindungen u. a. wurden mit dem Ziel einer hohen Verfahrenswirksamkeit als Instrumente genutzt und erfolgreich angewandt. Wiedergutmachung und Schadensersatz gehörten zu den Selbstverständlichkeiten bereits im Strafverfahren - im Unterschied zur heutigen Praxis. Hinweise, Proteste der Staatsanwaltschaft und Gerichtskritik boten gesetzliche Möglichkeiten, Bedingungen von Straftaten zu beseitigen. Kritik an Justizentscheidungen und an staatlicher Arbeit waren dabei durchaus üblich. Es ist ein großes Verdienst des Buches, daß dieser konzentrierte Überblick und Einblick in die Strafjustiz der DDR und ihre Resonanz in der Öffentlichkeit einen Ausschnitt unseres damaligen Lebens dokumentieren, der von Humanismus und von der Überzeugung getragen war, daß es immer konkrete Bedingungen sind, die Menschen zu Gesetzesbrechern werden lassen. Und daß der grundlegende Unterschied zu Umfang und Charakter der Kriminalität im Vergleich beider deutscher Staaten in den gesellschaftlichen Verhältnissen wurzelte.

In einem Vorwort bezeichnet mein ehemaliger Kollege Gerhard Nemitz den Autor Terenke als Chronisten und Zeitzeugen. Ja, das ist er. Er legt Zeugnis von einem Recht ab, das der Erinnerung wert ist, auch mit Blick auf die Zukunft.

In einem bemerkenswerten Nachwort äußert sich Terenke zur Strafverfolgung von Verantwortungsträgern der DDR nach 1990, darunter auch von Richtern und Staatsanwälten. Und er erwähnt die Erkenntnis eines Freundes weit im Westen, der einige seiner Gerichtsberichte gelesen hatte: "Es gab also auch in der DDR richtige Gerichtsverhandlungen." Da tut Aufklärung not.

Hans Bauer

Terenke: Kriminelles von der Küste,
Wieden Verlag Crivitz Schwerin, 2009,
293 Seiten, 15,00 €

Unser Autor war stellvertretender Generalstaatsanwalt der DDR und ist heute Vorsitzender der Gesellschaft für Rechtliche und Humanitäre Unterstützung (GRH). Er gehört dem Vorstand des RF-Fördervereins an.

Raute

Was ist ein Rechtsstaat?

Oft ist von einem Rechtsstaat und einem Unrechtsstaat die Rede.

Was meinen die bloß?

Ein Land, in dem Eltern nicht das Geld für eine warme Mahlzeit ihrer Kinder am Tag aufbringen können, in dem die Kinder zu abgestumpften und nicht denkenden Wesen erzogen werden, weil Geld für Lehrkräfte und Betreuung fehlt, in dem Begriffe wie Achtung, Solidarität und Freundschaft für Kinder leere Worthülsen sind, in dem Kinder leben, die keine Chance auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit haben, in dem die Zukunft der Kinder allein vom Geldbeutel ihrer Eltern abhängt.

Ja, das ist ein Rechtsstaat!

Ein Land, in dem Arzt und Apotheker profitorientierte Geschäftsleute sind, während der Kranke Kunde ist, in dem der Mediziner am Monatsende seine Praxis schließt, weil das Budget nicht mehr reicht, weil er dem schnöden Mammon verpflichtet ist und nicht allein seinen Patienten.

Ja, das ist ein Rechtsstaat!

Ein Staat, in dem Milliarden an Banken und Konzerne verschleudert werden, in dem Spekulanten unterstützt und Arbeitsuchende mit Sanktionen belegt werden.

Ja, das ist ein Rechtsstaat!

Ein Land, in dem Menschen durch Arbeit erniedrigt werden, indem man sie zu Tätigkeiten zwingt, die sie nicht gelernt haben und daher auch nicht ausüben können, in dem die Arbeitsstunde für viele nur einen Euro wert ist, in dem Frauen für gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden als Männer.

Ja, das ist ein Rechtsstaat!

Ein Staat, in dem die NPD erlaubt und die KPD verboten ist, in dem persönliche Freiräume immer weiter eingeschränkt und die Bürger zunehmend überwacht werden.

Ja, das ist ein Rechtsstaat!

Ein Staat, der unsere Söhne in den Tod schickt, obwohl von seinem Boden nie wieder Krieg ausgehen sollte, in dem mit Konzernen verhandelt wird, wenn es um unsere Umwelt geht, in dem der Profit einzelner wichtiger ist als Mensch und Natur - also wichtiger als unsere Zukunft, in dem das Recht käuflich ist.

Ja, das ist ein Rechtsstaat!

Das Gegenteil von all dem ist dann wohl ein Unrechtsstaat!

Aber egal, was man uns vorgaukelt - ein Recht können sie uns nicht nehmen: Das Recht auf Widerstand.


Andreas Heidrich, Dortmund

Eine Zuschrift von der Kommunistischen Plattform der PDL aus NRW

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Heiligendamm 2007: Der Rechtsstaat BRD in voller Aktion

Raute

Als in den Proletarierwohnungen keine Weihnachtskerzen angezündet wurden

1929: Hungermarsch zum KaDeWe

Dezember 1929. Das Jahr, das sich seinem Ende zuneigte, hatte für die Berliner Arbeiter nicht viel Gutes gebracht. Ihre wirtschaftliche Situation verschlechterte sich seit Januar von Monat zu Monat. Im Oktober begann die Weltwirtschaftskrise. Die Zahl der Arbeitslosen stieg bis November auf über 110.000. Dabei zahlte die Stadt den Hilfsbedürftigen eine Unterstützung für höchstens 26 Wochen und das auch nur in geringer Höhe. So erhielt eine fünfköpfige Arbeiterfamilie im besten Falle pro Woche 30,60 Reichsmark, obwohl das Existenzminimum bei 49,65 lag. Nicht genug damit. Der Magistrat erhöhte im Laufe des Jahres die Tarife für Gas, Wasser, Strom und öffentliche Verkehrsmittel. Auch stiegen die Preise für Brot, Fleisch, Milch und Gemüse, für Heizmaterial und Textilien. Armut, Not und Hunger grassierten in der Hauptstadt der Weimarer Republik, vor allem in den Arbeiterbezirken des Ostens, aber auch im Wedding und in Neukölln. Die Historikerin Annemarie Lange beschrieb die Situation so: "Nie gab es so viele 'fliegende' Streichholz-, Feuerstein-, Schnürsenkel-, Hosenträger- und Krawattenhändler unterm 'Magistratsschirm' in der Schönhauser Allee und anderswo, die wenigstens ein paar Pfennige verdienen wollten. Nie klingelte es so oft an der Korridortür wie im wohlhabenden Westen. Es waren Vertreter, die sich für irgendeine Firma die Hacken abliefen ... und Bettler, die keinen anderen Ausweg mehr wußten, um zu einem Stück Brot oder einer warmen Suppe zu kommen. Nie gab es so viele Ladenschilder 'Billiger Ausverkauf' oder 'Inventurausverkauf'. Die Gerichtsvollzieher hatten alle Hände voll zu tun, das staatliche Leihhaus in der Jägerstraße meldete Kundenrekorde."

Natürlich nahmen das die Arbeiter nicht ruhig hin. Die politisch bewußten und viele der gewerkschaftlich Organisierten setzten sich zur Wehr. Demonstrationen und Streiks fanden fast das ganze Jahr über statt. Höhepunkt war die große Maidemonstration. 200.000 Berliner gingen auf die Straße, um friedlich bessere Lebensbedingungen zu fordern. Doch die bürgerlich-sozialdemokratische Stadtregierung schlug erbarmungslos zu.

Polizeipräsident Zörgiebel (SPD) ließ 14.000 schwerbewaffnete Polizisten aufmarschieren, die Schießbefehl erhielten und 32 Arbeiter ermordeten, über 300 zum Teil schwer verletzten und mehr als 1200 verhafteten. Auch in den folgenden Monaten setzte die Polizei die staatliche Gewalt gegen die Arbeiterschaft fort, die am Jahresende 41 Tote beklagen mußte. Zugleich verstärkten die Faschisten ihren Terror vor allem gegen die KPD und deren Organisationen. Es wurde unsicher in den Berliner Arbeiterbezirken. Schlägertrupps der SA und des "Stahlhelm" veranstalteten regelrechte Treibjagden auf Kommunisten. Sieben Arbeiter fielen diesen Banden zum Opfer.

Als Fürsprecher der Arbeiterinteressen erwies sich zunehmend die KPD, deren Ansehen bei den einfachen Menschen rasch wuchs. Ihre Mitgliederzahl in der Hauptstadt stieg auf 15.200, und bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung am 17. November konnte die Partei ihren Stimmenanteil um 217.896 auf 565.277 erhöhen. Ihre Fraktion, von Wilhelm Pieck geführt, zählte 56 Abgeordnete. KPD und SPD besaßen nunmehr die absolute Mehrheit im Stadtparlament. Die SPD zog es jedoch vor, weiter im Bündnis mit den bürgerlichen Parteien zu regieren. Acht Tage nach dem Beginn der neuen Sitzungsperiode brachte die KPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus den Antrag ein, Hauptunterstützungsempfängern 70 Mark Winterbeihilfe zu zahlen, Ledigen 50 Mark und jedem Haushaltsmitglied 10 Mark, dazu Mietbeihilfen zu gewähren und die Gebühren für Gas und Strom zu erlassen. Wie nicht anders zu erwarten, wurde der Antrag abgeschmettert. Lediglich aus "Nächstenliebe" wollte man zum bevorstehenden Weihnachtsfest 9 Mark pro Kopf bewilligen. Aber auch das unterblieb, weil der preußische Staatskommissar zur Überwachung des Finanzgebarens der Stadt Berlin (ein führendes Mitglied der SPD) sein Einverständnis verweigerte.

Diese Entscheidung trug nicht zur Beruhigung der Situation bei. Arbeitslose und Geringverdiener gingen nun spontan in Massen auf die Straße. Schließlich rief die KPD zu einer Kundgebung am Heiligen Abend, nachmittags fünf Uhr, auf dem Wittenbergplatz, also vor dem Kaufhaus des Westens (KaDeWe) auf. Tausende kamen, trotz eisigen Windes und Schneetreibens. Viele der Frauen und Männer hatten keinen Mantel, trugen durchlöcherte Schuhe, froren erbärmlich. Polizeipräsident Zörgiebel war besorgt, das arme Volk könnte den Einkaufstempel der Reichen und Besserverdienenden stürmen. So postierte er ein großes Polizeiaufgebot um das Gebäude. Zwei Ketten berittener und zwei Ketten Polizisten zu Fuß waren aufmarschiert. Der KPD-Abgeordnete Paul Schwenk machte den Polizeikommandeur darauf aufmerksam, daß es wohl an diesem Tag unangebracht wäre, die Massenversammlung mit Gummiknüppeln und Gewehrschüssen auseinanderzutreiben. Es täte der Staatsmacht gut, den Weihnachtsfrieden zu wahren.

Die Gesetzeshüter fanden keinen Anlaß einzuschreiten, die Kundgebung verlief ruhig und diszipliniert. Edwin Hoernle, Mitglied des Zentralkomitees der KPD und Abgeordneter des Reichstags, sprach kurz zu den Versammelten und unterstützte deren Forderung nach Arbeit und Brot. Dann formierte sich ein Hungermarsch, der durch Wohnviertel der Reichen im Westen Berlins bis zum Olivaer Platz zog. Neben zahlreichen Transparenten wurde ein Weihnachtsbaum mit Symbolen des Elends und des Hungers getragen. So friedlich wie die Kundgebung vor dem KaDeWe verlief auch die Demonstration. Weder das Kaufhaus noch ein Geschäft an der Strecke wurden beschädigt, geschweige denn gestürmt. Nirgends lieferte man der Polizei einen Vorwand, Gewalt anzuwenden. Aber angesichts der unzähligen Elendsgestalten suchten gutbetuchte Bürger, manche noch mit Weihnachtseinkäufen beladen, hastig Schutz in Hausfluren. In Wohnungen der Reichen löschte man die Lichter und ließ die Jalousien herunter. Manch einer von ihnen hatte aus Angst vor dem Volk sogar Polizeischutz angefordert und auch erhalten.

An diesem Weihnachtsabend wurden in Zehntausenden Proletarierwohnungen keine Kerzen angezündet.

Günter Freyer

Raute

RF-Extra

Von einem, der vor 50 Jahren zum Unterleutnant der NVA ernannt wurde

Warum ich in der DDR Offizier werden wollte

Am 7. Oktober 2009 trafen sich eine Anzahl ehemaliger Offiziere der NVA, um den 50. Jahrestag ihrer Ernennung zum Unterleutnant am 7. Oktober 1959 zu begehen.

Was hatte uns bewegt, Offizier zu werden? Wir hätten doch alle Chancen gehabt, ein beliebiges Fach zu studieren. Weshalb hatten wir gerade das Militär gewählt? Die Gründe mögen verschieden gewesen sein. Eines dürfte vor allem anderen gestanden haben: Wir, die wir den Geburtsjahrgängen 1932 bis 1938 angehören, besaßen sämtlich "Kriegserfahrungen". Viele von uns hatten ihre Väter verloren, mußten ihre Heimat verlassen, waren ausgebombt, hatten das zerstörte Dresden gesehen. Alle hatten wir Hunger gelitten, mit den Müttern die jüngeren Geschwister unter Mühen durchgebracht, hatten früh wie Erwachsene arbeiten müssen, um nicht zu erfrieren und zu verhungern.

Doch wir hatten bewußt auch den Neuanfang erlebt. Die Nazilehrer waren davongejagt, die Neulehrer gekommen. Auf den Dörfern wurden Zentralschulen geschaffen. Aus Rechnen wurde Mathematik, aus Heimatkunde Geographie, aus Naturkunde Biologie, Chemie und Physik. Wohlgemerkt - in der Grundschule! Woher hat dieses bettelarme Land wohl die Mittel genommen, um sich das "leisten" zu können?

Wir sollten befähigt werden, militärische Macht auszuüben, an der Seite jener, die ihre Erfahrungen im antifaschistischen Widerstand gewonnen hatten, die in der Gefangenschaft angesichts der Verbrechen der Nazi-Wehrmacht zu neuen Einsichten gekommen waren und jener, die - wenig älter als wir - unsere Vorgesetzten geworden waren. Wir hatten ein gemeinsames Ziel.

Die SBZ und später die DDR hatten im Sinne des Potsdamer Abkommens entschieden die Wurzeln des Faschismus beseitigt. Deshalb wurde die DDR vom Beginn ihrer Existenz an unter das Kreuzfeuer der antikommunistischen Hetze und Verleumdung genommen. Denn sie hatte konsequent an das Heiligste ihrer politischen Gegner gerührt - an deren Eigentum an Produktionsmitteln.

Mein Motiv, Offizier zu werden, hatte absolut nichts mit Begeisterung für das Militär zu tun. Es waren einzig und allein politische Beweggründe: Nie wieder darf es Krieg geben. Die DDR hatte mir die Möglichkeit gegeben, der Unbildung, der Armut, der Rückständigkeit zu entrinnen. Dafür war ich ihr zu Dank verpflichtet. Und deshalb bin ich - ich sage es offen heraus - schweren Herzens Offizier geworden und habe bewußt auf eine Ausbildung zum Mathematiker, Physiker oder Arzt verzichtet. Mit gewissen persönlichen Färbungen sind das wohl die hauptsächlichen Beweggründe aller für die Berufswahl gewesen.

Heute nun, mehr als 50 Jahre nach dieser Lebensentscheidung, ziehen wir das Resümee. Schließlich haben wir der DDR mehr als ein halbes Leben gedient. War alles umsonst? Alles vergebens?

Keineswegs! Bei aller Bitternis über den Untergang der DDR haben wir eines der grundlegenden Vermächtnisse ihrer Gründer gelebt und vollständig erfüllt: Von deutschem Boden war von 1949 bis 1989 kein Krieg mehr ausgegangen. Die DDR war und bleibt der erste und einzige deutsche Friedenstaat.

Zu uns standen unsere Frauen und Familien, die die Bürde des Berufs mit trugen - oft unter Verzicht auf ihre eigene Entwicklung, durch häufige Versetzungen mehrfach aus ihrem sozialen Umfeld gerissen. Sie haben bei langer dienstlicher Abwesenheit der Väter die Familie versorgt. Nicht vergessen ist auch, daß sie nach 1990 die sozialen Brüche mit erlitten und bei uns ausharrten.

Wenige Jahre nach unserer Ernennung führten die Wege in unterschiedliche Richtungen. Wieder ging es um Qualifizierung: Besuch einer Militärakademie, Sporthochschule, Fernstudium der Ingenieurwissenschaften, der Ökonomie, der Psychologie. Manche wurden Bataillons- und Regimentskommandeure, andere Offiziere von Stäben, Hochschullehrer, Spezialisten in den verschiedensten Fachgebieten. So hat jeder sein Bestes gegeben, um die militärische Sicherheit der DDR zu gewährleisten. Ein Drittel derer, die damals 21- bis 24jährig den ersten Offiziersdienstgrad erhielten, weilt heute nicht mehr unter den Lebenden.

Die NVA war eine Koalitionsarmee des Warschauer Vertrages und dessen Militärdoktrin unterworfen. Sie beruhte auf den Vorzügen des realen Sozialismus und seinen Schwächen. In ihr wirkten gleichermaßen die Triebkräfte des Sozialismus wie seine Widersprüche. Die NVA wurde politisch und militärisch geführt durch die Partei, und zwar direkt und mehr oder weniger vermittelt durch die Politorgane. Sie verstand sich als Hüter der ideologischen Reinheit. Abweichungen wurden in keiner Form geduldet, nicht im Politunterricht, nicht in der gesellschaftswissenschaftlichen Lehre und Forschung an den militärischen Lehranstalten, schon gar nicht in Veröffentlichungen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse waren zwar offiziell gefordert, aber nur insoweit zugelassen, als sie der vorgegebenen Linie nicht widersprachen. Um es aber ganz deutlich zu sagen: Wir waren daran beteiligt, sahen uns als Mitglieder einer avantgardistischen Partei, trugen diese Linie mit, selbst dann noch, wenn wir wegen vermeintlicher Verstöße dagegen gemaßregelt wurden.

Jeder mag das anders erlebt und empfunden haben. Ich jedenfalls habe mich erst 1986, nach dem inhaltsleeren XI. Parteitag, der statt die drängenden Probleme des Landes zu erörtern, zur Huldigungsveranstaltung für Honecker und das Politbüro wurde, von diesen Fesseln freigemacht. Aber da war ich auch schon nicht mehr Hauptfachlehrer an der Militärakademie, sondern Dozent an der Hochschule für Ökonomie.

Die Widersprüche zwischen unserem Wollen und unserem Können in der Wirtschaft mußten starke Auswirkungen auf das Lebensniveau der Bevölkerung haben. Statt aber ernsthaft einige Grundfragen neu zu durchdenken und damit in die öffentliche Diskussion zu gehen, wurden die Konzeption der "Hauptaufgabe" mit nur noch größerer Vehemenz vorgetragen und die Mängel als Versagen der jeweiligen Leiter hingestellt, die den Arbeits- und Leistungswillen der Arbeiter und Bauern nicht zu nutzen verstünden. Was hätte getan werden müssen? Man hätte dem Volk wie in Kuba die Wahrheit sagen und eine breite Diskussion über die künftigen Wege zulassen müssen.

In den Parteiorganisationen ging es doch immer nur darum, wie die Beschlüsse von oben nach unten umgesetzt werden, nicht darum, worin sie bestehen sollten. Die zahlenmäßig kleine Parteiführung beanspruchte das Recht, die alleinige Deutungshoheit über sämtliche Fragen des gesellschaftlichen Lebens zu besitzen. Die Subventionierung aller Waren des Grundbedarfs, der Mieten, der Beförderungspreise - so gut sie gemeint war - entzog der Gesellschaft die finanziellen Mittel, die für die Altbausanierung, den Wegenetzbau usw. dringend benötigt wurden. Die Politik der niedrigen und stabilen Preise für den Grundbedarf bewirkte auf Dauer gerade das Gegenteil dessen, was beabsichtigt war: Sie nährte permanent die Unzufriedenheit darüber, daß andererseits die Preise für neue Industriewaren erheblich stiegen. Dem verschwenderischen Umgang mit Erzeugnissen für den Grundbedarf wurde Tür und Tor geöffnet. Man denke nur an Brot als Viehfutter.

Die Partei büßte Zug um Zug ihre Rolle als Avantgarde ein, deren Handeln vom Volk immer weniger als Handeln für das Volk wahrgenommen wurde.

Zuerst verloren wir die Jugend, dann die Arbeiter und Angestellten und schließlich einen großen Teil der Parteimitglieder. Die FDJ war schon lange vor dem Ende der DDR de facto tot. Sie hatte der Jugend kaum mehr zu bieten als langweilige Schulungen und zähe Mitgliederversammlungen, statt dessen aber große Huldigungsfeste für die Parteioberen, die tatsächlich zu glauben schienen, die organisierten Umzüge seien ein Abbild der politischen Verfaßtheit der Jugend.

Mich erfüllt es im "Jubiläumsjahr" nach wie vor mit großer Trauer, wenn ich die Bilder derer sehe, die zu Hunderten, ja Tausenden über Ungarn nach Österreich gingen oder in der Prager Botschaft der BRD ihre Ausreise erzwangen. Es waren diejenigen, um derentwillen wir die schwere Aufbauarbeit nach dem Kriege geleistet hatten. Den Kindern sollte es einmal besser gehen als uns. Wir hatten glatt vergessen, daß sie andere Erfahrungen haben mußten als wir.

Die Ideale, die wir mit dem Sozialismus verbanden, waren bei ihnen durch andere ersetzt worden. Nicht allein, weil sie ein geschöntes Bild vom Westen erlangten, sondern wohl auch durch uns.

Die Partei verstand sich selbst als Vorhut der Arbeiterklasse. Doch wurde der Abstand zwischen Vorhut und Masse nicht größer und größer? Im Herbst 1989 hatte die SED 2,3 Millionen Mitglieder und Kandidaten. Ein Jahr später waren es weit weniger als 200.000, die sich mit der PDS organisatorisch verbunden fühlten. Wo sind die anderen abgeblieben? Manche mögen aus Angst die Partei verlassen haben, manche aus nachvollziehbaren oder anderen Gründen. Die Mehrzahl aber - das ist meine feste Überzeugung - ist aus den gleichen Gründen gegangen, aus denen sie eingetreten war: um der Karriere willen. Diese "Genossen" fanden die SED schick, weil sie die Macht besaß, und sie fanden sie schick, solange sie diese ausübte.

Der Sozialismus ist keines natürlichen Todes gestorben, er hat Selbstmord begangen, sagte Fidel Castro. Natürlich befand sich die DDR stets in einer schwierigen Lage: Sie hat sich in dem industriell weniger entwickelten Gebiet Deutschlands herausgebildet. Sie trug im Unterschied zur BRD eine ungeheure Reparationslast. Sie bekam keine unentgeltliche Hilfe von den Siegermächten zum Wiederaufbau. Sie war vom ersten Tag ihres Bestehens der erbitterten Feindschaft des Westens ausgesetzt.

Aber wahr ist auch, daß sie die inneren Triebkräfte ihrer Entwicklung verschüttete. Wenn sich jegliche Entwicklung nur als Austragung von Widersprüchen vollziehen kann - wie konnte die Gesellschaft sich auf das erforderliche Niveau erheben, wenn die Äußerung widersprechender Sichten nicht geduldet, sondern mit allen Mitteln verhindert wurde - mit moderaten zunächst, aber auch mit durchaus brachialen. Der kritische Mitgestalter wurde schnell zum Gegner - und so behandelt. Natürlich mußte die DDR sich gegen ihre Feinde wehren, auch gegen die inneren. Die wirklichen Zerstörer waren aber nicht diejenigen, welche die Dinge ehrlich beim Namen nannten. Großen Schaden fügten dem Sozialismus jene zu, welche die geringste Kritik an ihrer Unfehlbarkeit als Verrat an der Sache ansahen.

Wir müssen uns wohl auch von der Illusion befreien, wir hätten in der Sowjetunion allzeit einen verläßlichen großen Bruder gehabt. Bereits Mitte der 80er Jahre hatte dort ein Umdenken begonnen, das von Gorbatschow als Konzeption für ein "gemeinsames Haus Europa" ausgegeben wurde.

Die USA hatten durch ihre eigene Hochrüstungspolitik die Sowjetunion stets vor Alternativen gestellt, immer vor ein Entweder-Oder, wohl wissend, daß ein Sowohl-Als-Auch deren Möglichkeiten übertraf. Also Mittelstreckenraketen oder Lebensmittelindustrie, Weltraumrüstung oder Infrastruktur. Es war ein wahrhaft teuflischer Plan - aber er ging auf! In der zweiten Hälfte der 80er Jahre knickte die Sowjetunion ökonomisch weitgehend ein. Ab Mitte des Jahrzehnts hatte sie in einem Prozeß des Sich-Arrangierens mit dem Westen auch die DDR Schritt für Schritt zur Disposition gestellt, schließlich ihrer Vereinnahmung durch die BRD zugestimmt, die Ausdehnung der NATO zunächst auf ganz Deutschland in Kauf genommen und den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg für 16 Mrd. DM verkauft. Gepaart mit dem vollständigen Versagen der DDR-Partei- und Staatsführung, begünstigt durch den Verlust ihrer Glaubwürdigkeit, fiel der sozialistische deutsche Staat dem Imperialismus wie eine reife Frucht in den Schoß.

Das Rollback des Sozialismus gelang - zwar im Ergebnis eines Kalten Krieges, aber ohne Waffengewalt. Ich bin der letzte, der Maschinenpistolen das Wort geredet hätte, aber wozu brauchten wir eigentlich Armee, Bereitschaftspolizei, Staatssicherheit, Kampfgruppen, wenn nicht zur Verteidigung der DDR? Weshalb haben wir nicht 1986, gestützt auf eine damals noch funktionierende Staatsmacht, eine neue Politik eingeleitet? Solche Fragen müssen natürlich hypothetisch bleiben. Es werden sich viele finden, die erklären, daß eine andere Politik als die verfolgte nicht möglich gewesen wäre. Das Schlimme ist doch nicht, daß man vielleicht deren Ziele verfehlt hätte, sondern daß wir es überhaupt nicht versucht haben!

1989 Waffen einzusetzen wäre ein Verbrechen gewesen. Mit dem Einrollen der Truppenfahnen am 2. Oktober 1990 hatte der wenigstens fünf Jahre zuvor begonnene Auflösungs- und Zersetzungsprozeß der DDR seinen Abschluß gefunden.

Dennoch: Welch riesige Anziehungskraft die Idee des Sozialismus bis heute bewahrt hat, zeigt sich gewissermaßen in der Umkehrung. Der vehemente Kampf der BRD-Meinungsmonopolisten gegen den seit fast 20 Jahren nicht mehr existierenden Staat DDR gleicht der Bekämpfung eines Phantomschmerzes. Sie versuchen so, den Nachgeborenen ein "richtiges" Bild von unserem Land zu liefern. Wann immer die Widersprüche dieser heutigen Gesellschaft aufbrechen, hat man stets die Stasi-Keule, die Unrechtsstaats-These, den angeblichen Schießbefehl zur Hand. Das wird gewiß so bleiben. Denn den real existierenden Sozialismus hatte das internationale Monopolkapital, solange er bestand, stets einkalkulieren müssen. Inzwischen ist diese Notwendigkeit für Europa entfallen. Und jetzt wird richtig zugelangt. Sicherheit des Arbeitsplatzes, Schutz vor Altersarmut, Bildung für alle - nichts davon gilt mehr.

Im 20. Jahr nach dem Ende der DDR erinnern wir uns - mit Wehmut vielleicht, mit Zorn sicher auch, mancher mit Scham darüber, was er selbst versäumt hat. Doch durchaus auch mit Stolz: Weil wir unseren wichtigsten Auftrag erfüllt hatten - den Frieden zu erhalten.

Unser Dienst war nicht vergebens. Eines Tages wird ein neuer Sozialismus entstehen, der gewiß aus den Fehlern des vergangenen seine Lehren ziehen wird.

Oberst a. D. Dr. sc. Horst Österreich

Der Text ist die Zusammenfassung einer Rede des Autors auf dem eingangs erwähnten Treffen ehemaliger Offiziere der NVA.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
An der Spitze der NVA standen erprobte Antifaschisten wie der Spanienkämpfer Armeegeneral Heinz Hoffmann (2. von links) und Admiral Waldemar Verner (rechts), der im dänischen Widerstand gegen die Nazi-Okkupanten kämpfte. Hier mit Generalleutnant Gowarow, Sowjetarmee, und Generalleutnant Walter Allenstein

Raute

Rückkehr nach Babelsberg und endgültiger Abschied

Der Meineid

Ich hatte geschworen, dieses Gelände nie mehr zu betreten. Niemals mehr! Ein heiliger Schwur. Es war Jahrzehnte mein Arbeitsplatz. Die einmal aus tiefem, ehrlichem Ernst entstandene Parole "Mein Arbeitsplatz - mein Kampfplatz für den Frieden" wurde immer mehr zur Farce und zum Gespött.

Mein Arbeitskampfplatz war schwer zu erreichen. Babelsberg. Nur mit dem "Sputnik", dem berühmten, beliebten und gehaßten Doppelstockzug, der südlich um Berlin herumfuhr, irgendwo in der Taiga landete, von wo man dann mit einem Umsteiger nach Drewitz zur DEFA kam. Abfahrt 5 Uhr in der Früh für die Schauspieler, die ja spätestens 6 Uhr 30 in der Maske sein mußten. Außer einem guten Dutzend Fernsehspielen Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre, die meist in Adlershof gefertigt wurden, drehte ich all meine Filme und Fernsehserien als sogenannte Auftragsfilme bei besagter DEFA, auf dem riesigen, traditionsreichen Gelände mit den ebenso riesigen Hallen, in denen Tag und Nacht eine ausgelastete rege Betriebsamkeit herrschte. Bei einem kurzen Überschlag und grober Schätzung kam ich auf ungefähr 4600 Hin- und ebenso viele Rückfahrten, wenn ich nicht in Babelsberg übernachtete oder mit dem Auto fuhr. Ich will damit nur sagen, daß mein Arbeitsplatz so etwas wie meine zweite - nein, eigentlich meine erste Heimat war. daß ich daran hing. Mit Leib und Seele. Die Abende und oft auch die Nächte verbrachte ich mit Lotti. Das war meine Geliebte bei der DEFA. Jahrzehntelang. Meine geliebte Schnittmeisterin Lotti Mehnert. Sie gehörte zu dem, was meine Babelsberger Heimat ausmachte - neben meinem treuen und fleißigen Drehstab vom Kameramann und Produktionsleiter bis zu den hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern, die sich alle in die gemeinsame Arbeit mit eingebunden fühlten.

Ich sage das, weil immer nur die beachtet werden, die auf dem Bildschirm zu sehen sind oder auf der Leinwand. Die Stars. Die hinten schieben, wirken, schuften, oft auch leiden, stehen nicht in der "Gala" oder der "Super-illu". Standen auch nie im "Filmspiegel" oder auf dem Treppchen im Konfettiregen. Und dann kam die große Ambivalenz. Einerseits wollte man Babelsberg zu einem europäischen Hollywood machen, kleiner hatte man es damals nicht, andererseits wird nie vergessen werden, daß man sich die Nase zuhielt, weil der Name DEFA, wie ein "Übernehmer" behauptete, stinken würde. Ich konnte die jahrelangen Querelen, Schiebereien und dubiosen Mauscheleien mit diesem so wertvollen Objekt nicht mehr ohne gesundheitliche Schäden verfolgen. Es wurde geschachert, gefeilscht, getrickst und geschoben. Niemand wehrte sich, keiner hatte den Mut, die Stirn oder das Geld, dagegenzuhalten. Jeder war sich selbst der Nächste. Einige flohen, andere liefen über, etliche verzweifelten. Der Rest begab sich in die neuen Niederungen der Vorabendprogramme - früher verächtlich und großmäulig auf Serienproduktionen von ihrem hohen Kunstroß herabgespuckt, heute atemlos der leicht verdienten Kohle hinterhergehechelt. Guten Gewissens kann ich behaupten, daß ich zwei sehr lukrative Serienangebote wegen künstlerischer und moralischer Unzumutbarkeit abgelehnt habe.

Damit war der Fall Babelsberg für mich erledigt. Bis - ja bis wir Besuch bekamen. Verwandte. Es waren Preußennarren. Potsdam stand natürlich auf dem Programm. Sanssouci zeigte ich ihnen mit einem Stolz, als ob ich es selbst aufgebaut hätte. Eigenhändig. Ich kannte es ja und konnte es vorführen. Ich hatte ja fast jeden Winkel daraus für meine Filme genutzt. Wie eine kalte Dusche wirkte auf meine begeisterten Ausführungen die kühle Feststellung, das alles habe doch aber nicht Honecker gebaut, das sei doch schon früher dagewesen. Ich stammelte verschnupft: aber rekonstruiert, erhalten, gepflegt, 40 Jahre. Immerhin. Wieder kam es kühl zurück, das sei doch das wenigste gewesen, was man von uns - "Von euch!", sagten sie - erwarten konnte. Zur Strafe aß ich mit ihnen nicht in dem feudalen Cecilienhof, wie ich es vorhatte, sondern in einer Stampe, in der unsere Komparsen früher ihr Statistengeld versoffen hatten. Beim Pudding mit Himbeersoße kam Onkel Eduard eine Idee. Ich hätte doch hier irgendwo gearbeitet, fragte er. Mißmutig nickte ich und murmelte vage, ja, hier irgendwo in der Nähe sei das wohl gewesen. "Film" sagte die Tante, sie spitzte dabei die Lippen, daß es wie Fülm herauskam, "Fülm ist doch interessant! Kann man da nicht mal vorbeigucken?"

"Ihr habt doch damals nur ein D vor die alte UFA gemacht, DUFA", mischte sich Eduard wieder ein. Ich wehrte mich verhalten. "Das hieß DEFA! Deutsche Film-Aktiengesellschaft." "Aktien!", spottete er. "Bei euch gab's doch keine Aktien! Es hat doch alles allen gehört, darum ist doch vieles so verschlampt", lachte er meckernd. "Mußt schon entschuldigen, war nicht so gemeint", wiegelte er gleich wieder ab. Dabei hatte er den Potsdamer Stadtplan neben seinem Bierglas ausgebreitet und sagte auch schon triumphierend: "Da steht's doch: DEFA-Filmgelände. Das muß doch hier gleich um die Ecke sein!" Mir blieb nichts übrig, nachdem ich meiner Frau einen hilfeflehenden Blick zugeworfen hatte und sie gottergeben Einverständnis nickte. Und ich brach meinen Schwur. Schweren Herzens. Wir fuhren los, und nach zwei Minuten waren wir am geöffneten Hintereingang. Ein Schlagbaum trennte uns noch von dem vertrauten Umfeld. Ich stieg aus und näherte mich dem Mann, der die rot-weiße Schranke bediente. Er war in mittleren Jahren, trug einen Bart und starrte mich an. Bevor ich ein Wort an ihn richten konnte, stieß er hervor: "Mein Gott, wie kommen Sie denn hierher?!" Auf meinen verständnislosen Blick meinte er, ich solle mir den Bart wegdenken und 12 Jahre Lebensfalten abziehen. Und schon lagen wir uns in den Armen. Unzählige Drehtage hatten wir miteinander verbracht. Er war über Jahrzehnte fast bei jeder meiner Serien mein unersetzlicher Oberbeleuchter Andreas, ein Meister seines Fachs, von allen geschätzt und vielfach umworben.

Ich wagte kaum zu fragen, wie er dazu käme, diese sicher sehr wichtige, aber ganz und gar nicht seiner Qualifikation entsprechende Tätigkeit des Schrankenwärters auszuüben. Traurig sah er mich an und sagte nur, alles sei abgewickelt. Dieser rot-weiße Balken sei seine letzte Chance. Er habe Familie und sei froh, daß ihm dies hier geblieben sei. Er würde mich gerne durchlassen, obwohl er das ohne höhere Erlaubnis nicht dürfe. Aber er warne mich vor einer großen Enttäuschung. Leise setzte er hinzu: "Tote Hose. Leichenschauhaus!"

Langsam fuhren wir durch das Gelände. Jedes Haus, jeder Stein, jeder Baum bekannt. Vorbei an leeren Ateliers, kaum besetzten Gewerberäumen, in denen früher rund um die Uhr gehämmert, gesägt, gebaut und gemalert wurde. Meine Frau gab unseren Gästen leise Erläuterungen. Auch sie war sichtlich beeindruckt von der Stille, die über der Weitläufigkeit des Ortes lag. Wir kamen zum Tonkreuz, einem riesigen Bau, in dem mehrere Ateliers vereint sind. Ich begrüßte einen Arbeiter, der vor dem Haupttor die Herbstblätter wegfegte. "Alles abgeschlossen, Herr Kurz", begrüßte mich der Hof-Feger. Der Mann gehörte zu den berühmten Stukas, wie wir unsere Stukkateure nannten, die jede beliebige verlangte Figur, jedes Relief oder jede Tempelsäule in großer Meisterschaft und in kürzester Zeit modellierten. Jetzt schwang er lustlos den Besen und sagte, mit dem Kopf die Richtung weisend: "Da drüben in Halle 7, da wird noch gearbeitet." Er sagte das anzüglich und mit einem bitteren Zug um den Mund. "Allerdings", fügte er hinzu, "mit Fremdkräften." Ich blickte zu der kleinen Halle, an deren Eingang ein großes buntbemaltes Schild mit riesigen, weithin sichtbaren Lettern hing. Freudig rief die Tante: "Die Sendung kenn' ich, die läuft jeden Nachmittag bei RTL. Laß uns mal gucken!"

Mein ehemaliger Kollege knurrte nur, daß da keiner reinkäme. "Auch Sie nicht", meinte er zu mir. Schweigend fuhren wir nach Hause, und ich schwor ein zweites und letztes Mal, und nun endgültig: Hier gehst du nie wieder hin! Ich war drei Tage nicht zu gebrauchen, so hatte mich dieser Besuch in die Vergangenheit mitgenommen.

Auf die Gefahr hin, daß ich mich wiederhole: Die meiste Zeit meines Arbeitslebens habe ich in den staubigen Ateliers von Babelsberg zugebracht. Und in den Schneideräumen. Tage und Nächte, Wochen und Monate, Sonn- und Feiertage, Jahr um Jahr. Mit viel Licht und viel Schatten. Im doppelten Sinne des Wortes.

Meine Beiträge, Widerstand gegen die Nazis, Kriegsserien, einige Biographien und etliche politische Abenteuerfilme, waren insgesamt gesehen bescheidenes Anliegen und ehrliches Bedürfnis.

Aber hier wurden gedreht - um nur einige Beispiele zu nennen: "Metropolis" und "Die Mörder sind unter uns", "Der Postmeister" und "Rotation", "Der Untertan" und "Schlösser und Katen", "Ehe im Schatten" und "Trotz alledem", "Nackt unter Wölfen" und "Ich war neunzehn". Hier wurden Erfolge gefeiert und Träume begraben. Hier haben Regisseure gearbeitet, die das Kinoleben der Welt beeinflußten. Schauspieler, die mehr erreicht haben als den Oskar oder ein goldenes Rehlein. Die Eingang gefunden haben in die Herzen und die Sinne vieler, vieler Menschen. Mit ihrer Kunst. Unvergessen!

Babelsberg hatte Weltgeltung. Der Name DEFA kann in Würde neben UFA und anderen großen Namen bestehen. Wenn in einer bestimmten Periode einige Filme eingezogen wurden, gar verboten, so war und bleibt das schmerzlich für alle und einschneidend in der Filmgeschichte.

Aber vergessen wir nicht, daß heute, und sicher auch noch morgen und übermorgen, mißliebige Drehbücher und Stoffe gar nicht erst die Ateliers erreichen, sondern gleich im Papierkorb landen. Und mit unbotmäßigen Regisseuren wird nicht monate- und jahrelang diskutiert und um sie geworben, sondern sie werden in Minutenschnelle, wenn nicht gar durchs Telefon, auf den freien Markt geworfen. Es gibt Beispiele zur Genüge.

Schmerzhaft bleiben in meiner Erinnerung die leeren Ateliers und das Schild über Studio 7, das ich mit Fassungslosigkeit gelesen hatte: "Vera am Mittag".

Tiefer konnte es nun nicht mehr gehen. Sollte man meinen. Doch es ging. Noch viel tiefer. Eines der wenigen DEFA-Rudimente auf dem Filmgelände war eine kleine Straße, die nach dem verdienstvollen Regisseur Heiner Carow benannt worden war, dessen Filme von "Sie nannten ihn Amigo", "Bis daß der Tod euch scheidet", "Paul und Paula" bis "Coming out" dem Namen DEFA weit über unsere Grenzen Geltung verschafften. Mit einem Federstrich wurde dessen Name bedenkenlos gestrichen und an seine Stelle der eines Hollywood-Regisseurs gesetzt, der lediglich ein paar Wochen lang einige Szenen für eine fragwürdige Anti-Nazi-Burleske gedreht hatte und damit etlichen arbeitslosen Kollegen ihre Alimentierung aufbessern konnte.

An eine Zurücknahme dieser perfiden Taktlosigkeit ist nicht zu denken. Wie tief reicht noch diese nach unten offene Skala der Verleumdungen, Verdrängungen und Delegitimierungen?!

Rudi Kurz

RF-Extra Ende

Raute

Wie ein junger Leipziger in US-Kriegsgefangenschaft gelyncht wurde

Der Fememord am Gefreiten Kunze

Im November 1943 wurde im Kriegsgefangenenlager Tonkawa, Oklahoma, ein Gefreiter von Mitgefangenen bestialisch ermordet.

Johannes Kunze wurde 1903 in Leipzig geboren. Hier verlebte er seine Kinderund Jugendjahre, arbeitete als Dreher und Schlosser, heiratete und wurde Vater zweier Kinder. Als er zum Militär eingezogen wurde, wohnte die Familie im Stadtteil Gohlis, in der Fabricestraße, der heutigen Rudi-Opitz-Straße. Uns ist zwar kaum etwas über sein Leben bis zum Dienst in der Wehrmacht überliefert, doch wissen wir, daß er über den Wandervogel zur organisierten Arbeiterbewegung gekommen ist. Ein Onkel wurde ins KZ verschleppt, er selbst nach Razzien zweimal kurzzeitig inhaftiert. Johannes Kunze war alles andere als ein Freund der Nazis.

Doch die Wehrmacht brauchte jeden. So wurde er einberufen und leistete Dienst im Afrikakorps. In Tunesien geriet er am 13. Mai 1943 in Kriegsgefangenschaft. Nun glaubte er, kein Hehl mehr aus seiner antifaschistischen Gesinnung machen zu müssen und stand so im Widerspruch zur Masse der Soldaten und insbesondere der Unteroffiziere. Das zeigte sich bereits bei der Überfahrt in die USA. Als einer der Feldwebel nach dem Absingen des "Deutschland-Liedes" den Arm zum Hitlergruß hochstreckte und ein "Heil Hitler!" auf die gefallenen Kameraden, ein weiteres auf Feldmarschall Rommel und ein drittes auf die Hermann-Göring-Division ausbrachte, sprangen alle Anwesenden auf und fielen in den Ruf ein. Nur Johannes Kunze blieb sitzen und distanzierte sich so vom Nazi-Kult.

Auf der LKW-Fahrt ins Lager verkündete ein Oberfeldwebel: "Viele Felder, reicher Boden, viele Autos - das alles wird eines Tages unsere Kolonie sein!" Auch dagegen verwahrte sich Johannes Kunze. Unter US-Bewachung wähnte er sich nicht in Gefahr. Daher ließ er wissen, daß er die Nase von Hitlerdeutschland voll habe. Nach dem Krieg werde er nicht zurückkehren, sondern seine Familie nach Amerika holen.

Doch Kunzes Sicherheit war trügerisch. Die allgemeine Situation in den US-Kriegsgefangenenlagern ließ das faschistische Unkraut üppig wuchern. Das wurde durch eine "Selbstverwaltungsfreiheit" der Insassen noch begünstigt. Der Nazi-Gruß gegenüber den amerikanischen Vorgesetzten galt als normal, ja selbst "Heil-Hitler!-Rufe" und Hakenkreuzfahnen waren an der Tagesordnung. Erst als die Öffentlichkeit davon Wind bekam, wurde diesem Spuk ein Ende bereitet.

Johannes Kunze erklärte sich bei Vernehmungen durch US-Offiziere bereit, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Er lieferte ihnen Informationen. Durch die wahrscheinlich gezielte Indiskretion eines amerikanischen Militärs gelangten die Aussagen Kunzes in die Hände des Führers der 4. Kompanie, Hauptfeldwebel Walter Beyer aus Hamburg. Dieser beraumte noch für den gleichen Abend eine geheime Versammlung seiner Einheit an und hielt vor den 200 teilnehmenden Kriegsgefangenen eine denunziatorische Rede über "Vaterlandsverrat", "unsoldatisches Benehmen" und "Schaden für die deutsche Sache". Damit trieb er besonders die jungen, nazitreuen Unteroffiziere in Haß und Ekstase. Sie stürzten sich auf Johannes Kunze, schlugen ihn zusammen, verfolgten ihn bei einem Fluchtversuch. Hauptfeldwebel Beyer verließ den Raum und unternahm, trotz Aufforderung durch einen katholischen Laienpriester, nichts gegen den Mob. Erst als Johannes Kunze erschlagen vor der Baracke lag, schickte er nach einem Sanitäter.

Die amerikanische Lagerleitung leitete sofort nach Bekanntwerden des Lynchmordes eine Untersuchung ein und vernahm alle Anwesenden. Doch diese schwiegen über jenen "Kameraden", der den entscheidenden Schlag geführt hatte - aus Überzeugung oder Angst vor den Nazis. Schließlich verhaftete man 57 Mann, von denen Hauptfeldwebel Beyer sowie vier mit Blut besudelte Unteroffiziere und Gefreite vor das Kriegsgericht gestellt wurden. Angeklagt des Aufruhrs und der Tötung, wurden alle fünf im Beisein des Schweizer Gesandten zum Tode verurteilt. Ankläger war Leon Jaworski. Er setzte seine Laufbahn mit einigen besonders spektakulären Aufgaben fort, so den Voruntersuchungen für die Kriegsverbrecherprozesse und schließlich der Funktion des Sonderstaatsanwalts beim Watergate-Skandal, über den US-Präsident Nixon zu Fall kam.

Die fünf zum Tode Verurteilten wurden in ein anderes Lager gebracht. Über die Schweiz machte man der Wehrmacht den Vorschlag, sie gegen amerikanische Gefangene auszutauschen. Da keine Antwort erfolgte, wurden sie am 10. Juli 1945 durch den Strang hingerichtet.

Drei Bücher wurden bisher über den Mord am Gefreiten Johannes Kunze geschrieben, zwei in den USA und eines in den 50er Jahren in der Bundesrepublik. Alle drei schildern ausführlich den Tathergang und kritisieren die Todesurteile gegen die Täter. Eine Würdigung des Verhaltens des Nazigegners Kunze aber erfolgt ebensowenig wie die Verurteilung der Handlung jenes amerikanischen Offiziers, der Johannes Kunze seinen Peinigern auslieferte.

In US-Lagern wurden nach bisherigen Erkenntnissen vier Morde an Kriegsgefangenen durch "Kameraden" verübt und auch ein Teil der 72 Selbsttötungen war in Wirklichkeit verdeckter Mord.

Bereits am 19. August 1943 erschien in "Collier's Magazin" ein Artikel, der sich mit den Zuständen in US-Kriegsgefangenenlagern befaßte. Darin wurde ein Lagerkommandant folgendermaßen zitiert: "Fünf Kompanien wirklicher Nazis machen nicht so viele Schwierigkeiten wie ein einziger Anti-Nazi!"

Der Leipziger Johannes Kunze ist heute Synonym für dieses düstere Kapitel. Da in der BRD über die Situation in den US-Camps nicht gesprochen oder geschrieben wird, ist Johannes Kunze in seiner Heimatstadt bisher fast völlig unbekannt geblieben. Selbst seine Tochter erhielt erst 2004 Kenntnis von den Vorgängen in Tonkawa.

Dr. Dieter Kürschner, Leipzig


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Kriegsgefangene im Lager Tonkawa, rechts außen Johannes Kunze

Raute

Washingtons Strohmann Uribe machte Kolumbien zur Folterkammer Lateinamerikas

Jagd auf Andersdenkende

Ende Oktober sprach der kolumbianische Kommunist Martin Sandoval in Berlin über das Schicksal der politischen Gefangenen seines Landes. Selbst aus Gesinnungsgründen lange in Haft gewesen, verwies er auf die Lage der in den 140 kolumbianischen Gefängnissen eingekerkerten Antiimperialisten, die hier weithin unbekannt sei. 80 % aller Meldungen über Lateinamerika, die Europa erreichen, kommen nämlich über die USA-Fernsehkette CNN und sind entsprechend gefiltert.

Die Doktrin der Regierung des kolumbianischen Präsidenten Uribe gründet sich auf ein autoritäres und militarisiertes Gesellschaftsmodell. Seit 2002 sind über vier Millionen Dorfbewohner vor dem Terror in die Städte geflohen. In den letzten sieben Jahren fanden 1700 Hinrichtungen statt. 1200 indianische Ureinwohner Kolumbiens wurden ermordet. Das Land ist heute der Kain des lateinamerikanischen Subkontinents.

Die internationalen Ölkonzerne BP, Texaco, Perenco und vor allem Occidental Petroleum (Oxy), aber auch Coca-Cola und Chiquita finanzieren die auf "Roten"-Jagd gehenden paramilitärischen Verbände, stellen ihnen Ländereien für Flugplätze, Truppen und Kriegsgerät zur Verfügung.

In Kolumbien registriert man heute die weltweit meisten ermordeten Gewerkschafter. Seit Uribes Amtsantritt 2002 wurden 470 von ihnen getötet.

Martin Sandoval, der als Gast der Berliner DKP auftrat, berichtete vom schweren und opferreichen Weg seiner Partei. Seit deren Gründung wurden mehr als 5000 Kommunisten umgebracht. Doch trotz des allgegenwärtigen Terrors ist der Widerstand der Bauern, Indigenas, Arbeiter und Studenten ungebrochen. Täglich finden Aktionen der sozialen Bewegungen und Protestdemonstrationen statt. 2006 wurde in Kolumbien der Polo Democratico Alternativo gegründet - ein Massenbündnis der linken und volksverbundenen Kräfte sowie von Nichtregierungsorganisationen. Bei der letzten Wahl wurde diese neue Bewegung mit einem Stimmenanteil von 25 % zur zweitstärksten politischen Fraktion im kolumbianischen Parlament. Unter den Abgeordneten befinden sich auch zwei Kommunisten. Zu den Präsidentschaftswahlen 2010 kandidiert für den Polo ebenfalls ein Mitglied der KP.

Die Lösung der sozialen Konflikte ist von der Frage des bewaffneten Widerstandes nicht zu trennen. Eine seiner Organisationen, die FARC, kämpft seit über 40 Jahren mit militärischen Mitteln für einen gesellschaftlichen Wandel. Der Polo setzt sich für Dialog ohne Vorbedingungen mit der Guerilla ein. In Kolumbien gibt es 60.000 Inhaftierte, davon sind 7200 politische Gefangene. Ihre Freilassung ist ein wichtiges Anliegen nicht nur der Kommunisten. Es fehlt den Eingekerkerten an allem: an Schuhen, Kleidung, Medikamenten und Lebensmitteln. Sie werden gefoltert. Linke Organisationen, darunter die DKP, wollen künftig dazu aufrufen, Patenschaften für einzelne Gefangene zu übernehmen und ausländische Delegationen in die kolumbianischen Knäste zu entsenden. Martin Sandoval schilderte den internationalen Druck, der seine eigene Freilassung bewirkt habe, und bedankte sich mit einer herzlichen Umarmung bei den Anwesenden.

Kolumbien erfüllt seine Funktion als Vorhut der USA, um auf demokratische und sozialistische Umwälzungen zielende Veränderungen in Lateinamerika aufzuhalten. Die Yankees unterhalten sieben Militärbasen in der Republik, die gegen Venezuela, Ekuador, Bolivien und alle, die nicht nach der Pfeife der USA tanzen, gerichtet sind. Das angrenzende Panama hat unlängst die Zustimmung zum Bau zweier USA-Militärbasen erteilt, eine vor der kolumbianischen Küste, eine andere vor der Küste Costa Ricas. Die künftige Entwicklung Lateinamerikas wird auch vom Verlauf des Kampfes gegen diese Stützpunkte abhängen. Die Kriegsgefahr, die von ihnen ausgeht, ist latent und zielt in erster Linie gegen ein weiteres Voranschreiten der bolivarianischen Revolution in Venezuela. - Auf die letzte Frage eines Teilnehmers, wie viele Kommunisten es in Kolumbien gäbe, antwortete Martin Sandoval lachend: "Mehr als einer." Und er fuhr fort: "Wir sind wie der liebe Gott, überall und nicht zu sehen."

Volker Braun, Oderaue

Raute

Wie uns 1951 die Reise aus dem Westen in den Osten gelang

Eine Schweizerin erinnert sich

Wir - 400 Jugendliche aus der Schweiz - wollten 1951 an den III. Weltfestspielen in Berlin teilnehmen. In zwei Eisenbahnwagen fuhren wir zur Grenze Österreichs, das noch von den vier Siegermächten des 2. Weltkrieges besetzt war. In Buchs, der letzten Bahnstation in der Schweiz, hängte man unsere Waggons einfach ab und schob sie auf ein totes Gleis. Man wollte unsere Weiterfahrt zum Festival verhindern.

Was nun? Wir versammelten uns auf freiem Feld und berieten. Einer hatte die Idee, wir sollten uns beim nächsten Zug unter die übrigen Reisenden mischen. Doch die Bahn fuhr nicht weiter. Auf der kleinen Station stand die schweizerische Bundespolizei und appellierte an uns, nicht am Festival teilzunehmen. Das sei zu gefährlich. Der Vorsitzende der Freien Jugend, Ueli Kägi, solle aussteigen. "Bleib sitzen", riet ich ihm, "sonst müssen wir alle raus!" Da unsere Pässe nicht von der DDR visiert worden waren, konnte man uns von den anderen Reisenden nicht unterscheiden.

Der Zug stand vier Stunden. Wir sprachen unterdessen mit den Passagieren über den Grund der Verzögerung. Sie solidarisierten sich mit uns. In dieser Zeit soll es heftige Telefonate vom österreichischen Reise- und Hoteldienst, ja sogar von der Regierung mit der Bundespolizei gegeben haben. Wien empfand die Behandlung der ersten ausländischen Feriengäste nach dem Krieg offenbar als schädlich. Bei Nacht und Nebel durchquerten wir die französische und die britische Zone Österreichs unkontrolliert. Und dann kam die amerikanische Zone. Alle anderen Reisenden waren inzwischen ausgestiegen. Wir 400 hatten uns über den ganzen Zug verstreut. Uns wurde bekannt, daß die Amis junge Franzosen und Briten, die ebenfalls zum Festival wollten, mit Gewehrkolben traktiert hatten.

US-Soldaten kamen mit Handfeuerwaffen in den Zug. Alle Türen wurden durch Posten abgeriegelt. Man kontrollierte die Pässe. Nichts Auffälliges. Es irritierte die Kontrolleure, daß der Zug nach Wien und nicht nach Prag fuhr. Wir saßen ruhig auf unseren Plätzen, doch das Herz klopfte heftig. Dann fuhr der Zug in die sowjetische Zone weiter. Für uns war es eine echte Befreiung, als wir die ersten Sowjetsoldaten sahen. Wir schenkten den "Russen" Äpfel, Schokolade und andere Naschereien. Sie waren erstaunt. In Linz wurden wir von österreichischen Friedensfreunden empfangen. Am zweiten Tag setzten wir die Reise nach Prag und Bad Schandau in der DDR fort. Dort stiegen wir nicht aus, aber auf dem Bahnsteig spielte ein Jugendblasorchester. Menschen tanzten, Pioniere sangen, Blumen und Eßbares wurden uns durch die Fenster gereicht. Immerhin waren wir die ersten Westler, welche die Ausreise aus dem Westen geschafft hatten!

Gegen Abend trafen wir in Berlin ein, schliefen in Klassenzimmern einer Schule auf Matratzen. Die Einwohner des Viertels umsorgten und verpflegten ihre jungen Gäste aufs beste.

Die III. Weltfestspiele in Berlin waren ein Fest der Kulturen, des Sports, der Freundschaft über alle Grenzen hinweg. Die Teilnehmer aus 104 Ländern - Menschen der verschiedensten Rassen, Glaubensbekenntnisse und Weltanschauungen - schworen gemeinsam, dem Krieg den Krieg anzusagen. Umjubelter Ehrengast war die Französin Raymonde Dien, die sich auf die Gleise gelegt hatte, um einen Waffentransport ihrer in Kolonialkriege verstrickten Regierung zu stoppen.

An einem der Tage formierten sich Hunderttausende deutsche Jugendliche aus Ost und West zu einem Marsch für den Frieden und die damals noch angestrebte Einheit des Landes.

Louise Stebler, Basel


Unsere Autorin gibt seit Jahrzehnten die Zeitschrift der Schweizerischen Friedensbewegung heraus.

Raute

Wie eine Teilnehmerin der X. Weltfestspiele das heutige Berlin erlebte

Beobachtungen einer Britin

Im September kam ich nach Berlin, um an der RF-Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Gründung der DDR teilzunehmen. Der Film über die Republik, zusammengestellt von Bruni Steiniger, die Rede Rolf Bertholds, die vom Singeclub Ernesto Che Guevara vorgetragenen Titel, in die viele einstimmten - all das ließ aus meinem ersten Besuch in Berlin seit 1990 ein bewegendes und zugleich ermutigendes Erlebnis werden.

Ich habe auch den Osten Berlins, die einstige Hauptstadt der DDR, besichtigt. Ich bin die Karl-Marx-Allee, die breite, begrünte und glänzende erste sozialistische Straße Berlins, entlanggelaufen. An der Seite des Blocks E-Süd erblickte ich eine Tafel mit der Inschrift "1950-1952 im Nationalen Aufbauwerk von Lehrlingen errichtet". Im Café Sybille konnte ich Fotos von den sich türmenden Trümmern und von den geordneten Stapeln der Ziegelsteine, die von vielen Menschen in mühevoller Arbeit geborgen wurden, betrachten. Ich hörte auch Tonbandaufnahmen mit Äußerungen der ersten Bezieher der neuen Wohnungen, die ganz überwiegend Arbeiter waren, welche mehrheitlich an der Enttrümmerung oder am Bau selbst teilgenommen hatten. Hinter den hohen und langgezogenen Häuserblöcken erblickte ich das dort inzwischen herangewachsene Grün. Auf der Karl-Marx-Allee fiel mir das 1964 entstandene Restaurant Moskau mit dem die Völker der UdSSR darstellenden schönen Mosaik besonders ins Auge.

Unter den Linden nahm ich jene historischen Gebäude in Augenschein, welche Arbeiter der DDR mit erheblicher Mühe aus den Ruinen des Krieges hatten wiedererstehen lassen. Im Nikolaiviertel und am Gendarmenmarkt erfuhr ich, daß der Aufbau dort bis in die 80er Jahre fortgeführt worden sei. In der Nähe befinden sich noch die Ruinen der Franziskanerkirche. Sie sind eine Mahnung an das in der Vergangenheit Geschehene.

Im "DDR-Museum" konnte ich als Lehrerin trotz des verzerrten Bildes, das dort vermittelt wird, anhand von Schulheften sehen, wie gut Kinder der dritten Klasse bereits die Rechtschreibung beherrschten und wieviel sie schon von ihrer Umwelt wußten. Und beim Betrachten eines Films über Wohnungsbau, der 1975 gedreht worden war, überzeugte ich mich davon, wie Arbeiter mit ihren Chefs gemeinsam am Tisch saßen, um die Projekte zu diskutieren.

An mehreren Stellen bemerkte ich DDR-Skulpturen - z. B. den Lesenden Arbeiter vor der Staatsbibliothek. Dort konnte ich sogar Verse von Bert Brecht erkennen, obwohl ein Müllcontainer davorstand. Die Entschlossenheit der Roten Matrosen von Marstall und Schloß, deren gefallene Kameraden im Volkspark Friedrichshain bestattet sind, hat mich besonders tief beeindruckt.

Obwohl die neuen Machthaber den Alexanderplatz völlig entstellt und in ein reines Konsumnest verwandelt haben, stehen noch das Haus des Lehrers mit seinem schönen humanistischen Wandbild, die Weltzeituhr und der Brunnen der Völkerfreundschaft, die mich an frühere Besuche, besonders zu den X. Weltfestspielen 1973, erinnerten. Und nach wie vor orientiert man sich allenthalben an der Silhouette des Fernsehturms.

Ja, auch ein Tourist kann, wenn er etwas darüber zuvor gelesen hat, noch einige der Errungenschaften aus DDR-Tagen in Augenschein nehmen. Im "Rough Guide to Berlin" - meinem Reiseführer - heißt es zur historischen Straße Unter den Linden: "Dieser Teil des zentralen Ostberlin schnitt im Vergleich mit dem buntscheckigen und seelenlosen Durcheinander Westberlins immer günstiger ab."

Pat Turnbull, London


Unsere Autorin ist Redakteurin der Londoner Zeitschrift "The Socialist Correspondent".

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Als IKP-Partisanen den "Duce" hinrichteten und Palmiro Togliatti Vizepremier wurde

Die Sternstunde der Kommunisten Italiens

Die italienische Arbeiterklasse war weltweit die erste, die sich dem Faschismus als neuer Bewegung und rabiater Form bürgerlicher Machtausübung stellen mußte. Die während des 1. Weltkrieges geschaffene faschistische Bewegung (PNF) wurde zur größten bürgerlichen Partei mit über einer halben Million Mitglieder. Im Parlament hingegen war sie 1921 mit nur 6,6% schwach vertreten. Die im selben Jahr mit 100.000 Mitgliedern gegründete IKP verfügte über 3%. Die Mehrheit hatten immer noch die großbürgerlichen Liberalen. Sie waren es auch, die den Faschisten die Regierungsbildung 1922 ermöglichten und ihnen zu einer parlamentarischen Mehrheit verhalfen.

In den Abwehrkämpfen bis 1922 waren die Linken nicht in der Lage, die Faschisten aufzuhalten, da hinter diesen die Staatsmacht stand. Zudem waren die Kräfte der Arbeiterparteien durch den weißen Terror enorm geschwächt worden. Die Sozialisten (SPI) zählten 1922 etwa 70.000, und die IKP verfügte 1924 nur noch über 22.000 Mitglieder. IKP und SPI hatten in den parlamentarischen Vertretungen (26,5%) nicht zulegen können, während die Rechten im "Nationalen Block" über 70% (darunter 51% für die Faschisten) verfügten. Die Linken waren im Norden stark, im größten Teil Italiens jedoch schwach. Die Faschisten besaßen ein enormes Kräftereservoir im bevölkerungsreichen Süden.

Die sogenannte Matteotti-Krise 1924 zeigte die Konzeptionslosigkeit der antifaschistischen Kräfte. Nach dem Mord an dem sozialistischen Abgeordneten Matteotti verließen die antifaschistischen Parlamentarier die Kammer und schufen nach antikem Vorbild den Aventinischen Block. Es waren im Prinzip die gleichen politischen Formationen, die 20 Jahre später eine erfolgreiche antifaschistische Front bilden sollten.

Jetzt jedoch überwogen Illusionen: Man wartete auf ein rettendes Eingreifen des Königs und wollte die Volksmassen nicht mobilisieren. Damit scheiterte ein mit rein parlamentarischen Methoden geführter erster gemeinsamer antifaschistischer Widerstandsversuch. 1926/27 errichteten die Faschisten dann ihre offene Diktatur. Parteien und Gewerkschaften wurden verboten, Tausende verfolgt, ermordet und inhaftiert, darunter der IKP-Führer Antonio Gramsci. Allein die Kommunisten wirkten kontinuierlich in tiefster Illegalität. Im Ausland bildete sich im August 1934 die Aktionseinheit zwischen ihnen und den Sozialisten heraus, die etwa 20 Jahre halten sollte. Im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939 zeigte sich unter den 3500 italienischen Interbrigadisten eine praktisch gelebte antifaschistische Einheit. Hier wurden wertvolle Erfahrungen für den Partisanenkampf der späteren Resistenza (Widerstand) gesammelt. Über die Hälfte von ihnen waren Kommunisten mit ihren Führern Palmiro Togliatti und Luigi Longo. Stark vertreten waren auch die Sozialisten unter ihrem Vorsitzenden Pietro Nenni, Angehörige der 1929 gegründeten kleinbürgerlich-demokratischen Bewegung Gerechtigkeit und Freiheit (GeL) sowie antifaschistische Republikaner. 1937 kämpften die Italiener in den Garibaldi-Einheiten erfolgreich gegen einen Teil der nach Spanien geworfenen 70.000 italienischen Faschisten.

Mit der Krise der Diktatur Mussolinis - des "Duce" - entstand 1941 im französischen Toulouse das erste gesamtitalienische Aktionskomitee, dem neben der IKP und der SPI auch die GeL angehörte, nachdem solche Komitees schon in einigen italienischen Städten geschaffen worden waren. Anfang 1943 kehrte die IKP-Führung wieder ins Land zurück. Es gelang den Kommunisten, die inzwischen auf 10.000 Mitglieder angewachsen waren, im März einen Streik zu initiieren, der über 300.000 Werktätige erfaßte. Im gleichen Monat riefen die Aktionskomitees zum Sturz des Faschismus auf.

Mit der Landung der Alliierten im Juli 1943 überschlugen sich die Ereignisse. Zur Rettung des politischen Systems wurde Mussolini in einer Palastrevolution entmachtet und eine Militärregierung unter Marschall Badoglio gebildet, die im September mit den Alliierten einen Waffenstillstand abschloß. Daraufhin besetzten deutsche Truppen ganz Nord- und Mittelitalien. Als Marionette diente ihnen der zuvor befreite Mussolini.

Mit dieser Okkupation begann die fast zweijährige Resistenza, der antifaschistische Befreiungskrieg des italienischen Volkes. Am 9. September 1943 wurde auf der Grundlage der bisherigen Aktionskomitees das Nationale Befreiungskomitee CLN aus Kommunisten, Sozialisten, GeL-Leuten (jetzt Aktivisten), Christdemokraten, Liberalen u. a. ins Leben gerufen. Unter dem Druck der Ereignisse erklärte die Badoglio-Regierung einen Tag später Hitlerdeutschland den Krieg. Am 28. September griffen die Neapolitaner zu den Waffen und lieferten den deutschen Okkupanten eine Schlacht, die am 1. Oktober mit Hilfe der einrückenden Alliierten gewonnen werden konnte. Die Befreiung des Landes kam indes nur schleppend voran. Die westlichen Alliierten ließen sich damit viel Zeit und benötigten fast zwei Jahre, um ganz Italien zu erobern. Dadurch erwiesen sie den gegen die Deutschen kämpfenden italienischen Militäreinheiten und Partisanen oft keine Unterstützung, so daß diese ins offene Messer liefen. Mit ihrem zögerlichen Vormarsch begünstigten sie auch die hitlerfaschistischen Verteidigungsanstrengungen.

Da die Badoglio-Regierung das Volk nicht zum bewaffneten Widerstand aufgerufen hatte, sprang dafür das CLN ein. Im September und Oktober 1943 entstanden in Mittel- und Oberitalien erste Partisanenabteilungen. Seit Oktober organisierten die Kommunisten Partisanenbrigaden, die nach dem Helden der demokratischen italienischen Einheitsbewegung, Giuseppe Garibaldi, benannt wurden. Sie stellten insgesamt 60% aller Widerstandskämpfer. Die Sozialisten schufen die Matteotti-Brigaden, die Aktivisten die Gruppen und die Stoßtrupps der Patriotischen Aktionen und die Christdemokraten die Volkseinheiten. Bis zur Befreiung konnten insgesamt 256.000 Partisanen mobilisiert und in den Kampf geführt werden. Sie standen seit Juni 1944 unter dem Oberbefehl der Kommunisten Togliatti und Longo sowie des Aktivisten Parri. Neben den militärischen Auseinandersetzungen wurde im Frühjahr 1944 in Norditalien ein Generalstreik mit einer Million Teilnehmern ausgerufen.

Die antifaschistische Massenstimmung und die Erfolge der Linken im Norden sowie die Anerkennung der Badoglio-Regierung als kriegführende antifaschistische Kraft durch die UdSSR machten den Weg für ein aus CLN-Mitgliedern bestehendes Kabinett - vorläufig unter dem Marschall - frei. Damit entstand im April die erste antifaschistische Regierung unter Einschluß von Kommunisten. Togliatti wurde Vizepremier. Nach dem Einmarsch der Alliierten in Rom (Juni 1944) wurde Badoglio zum Rücktritt gezwungen und eine CLN-Regierung unter dem Aktivisten Bouomi gebildet. In den befreiten Gebieten des Nordens (Partisanenrepubliken) übernahmen die CLN-Komitees die Macht. In ihnen spielten die Kommunisten - Ende 1944 mit 450.000 Mitgliedern - die führende Rolle.

Die Partisanen wurden zu einer ernstzunehmenden militärischen Kraft, die etwa 14 faschistische Divisionen band. Allein zwischen Juni 1944 und März 1945 führten sie 6449 Operationen durch, bei denen sie über 16.000 Faschisten töteten und über 10.000 verwundeten.

Mit der Frühjahrsoffensive der Angloamerikaner 1945 rief das CLN für die besetzten Gebiete den politischen Generalstreik und nationalen Aufstand aus. Dieser 25. April 1945 gilt als Tag der Befreiung. Durch die Volkserhebung konnten Städte wie Genua, Mailand, Turin und Venedig noch vor dem Eintreffen der Alliierten befreit werden. Der flüchtende Mussolini wurde von kommunistischen Partisanen entdeckt und am 29. April hingerichtet. Tags zuvor kapitulierten die deutschen Faschisten. In diesem Kampf waren über 70.000 Widerstandskämpfer gefallen, davon 60% Kommunisten.

1945 war der Einfluß der IKP enorm. Mit 1,7 Millionen Mitgliedern stellte sie nach der KPdSU die größte kommunistische Partei Europas dar. Dennoch konnte sie sich nicht zur entscheidenden Kraft in der Gesellschaft erheben. Nach 20jähriger rabiater antikommunistischer Indoktrination die Führung des Landes zu übernehmen, ist nur möglich, wenn in einem revolutionären Prozeß dem Faschismus die sozialökonomischen Grundlagen entzogen werden und die Besatzungsmacht - wie im Osten Deutschlands - voll dahinter steht. So konnten sich die Rechten in einer großen bürgerlichen Partei sammeln und den Gang der Dinge bestimmen. Dafür standen die Christdemokraten, die nach der Befreiung die Linken zurückdrängten, zur Verfügung. Sie besaßen die aktive Unterstützung der USA und Großbritanniens, welche sogleich über zwei Milliarden Dollar in das Nachkriegsitalien pumpten. Zudem war das Kräfteverhältnis für die Kommunisten trotz ihres Bündnisses mit den Sozialisten ungünstig. Anfangs erwiesen sich das progressive und das reaktionäre Lager als nahezu gleich stark. 1946 hatten die Linken jedoch ihren Einfluß-Höhepunkt erreicht, besaßen aber auch zusammengenommen keine Mehrheit. Bei den Kommunalwahlen erzielten IKP und SPI zusammen 40%. die Christdemokraten allein 50%. Bei den ersten Parlamentswahlen 1946 erreichten die Linken insgesamt 41,1% (IKP 18,9%, SPI 20,7%, Aktivisten 1,5%). Die Rechten waren mit 47% stärker, vor allem geschlossener und entschlossener. Die Christdemokraten wurden mit 35,2% stärkste Kraft. Sie besaßen Rückhalt beim Vatikan und in Washington. Die Kommunisten lagen nur in sieben der neunzehn Regionen über dem Landesdurchschnitt.

Unter diesen Bedingungen von einer "nicht genutzten klassischen revolutionären Situation im Spätherbst 1945" zu sprechen, scheint an der Realität vorbeizugehen. Hierzu waren die Kräfte der Linken auch angesichts des reaktionären Potentials im Süden einfach zu schwach. 1947 wurden die antifaschistische Einheit aufgekündigt und die kommunistischen Minister aus der Regierung ausgeschlossen. Eine seit den Tagen des Faschismus beispiellose antikommunistische Hysterie setzte ein. Da sich die SPI weigerte, mit den Kommunisten zu brechen und daher aus der Sozialistischen Internationale ausgeschlossen wurde, spalteten die Rechtssozialisten die SPI und gründeten eine sozialdemokratische Partei unter Saragat. Sie und die Christdemokraten zerstörten auch die einheitliche Gewerkschaftsbewegung und schufen eigene Verbände. Mit einem Attentat auf den IKP-Führer Palmiro Togliatti sollten die Kommunisten zu gewaltsamem Vorgehen provoziert werden.

Bei den Wahlen 1948 waren die Linken bereits deutlich zurückdrängt. Die mit der bundesdeutschen CDU vergleichbare DC wurde nun mit 48,5% für die nächsten Jahrzehnte zur stärksten Kraft. Die linke Volksfront kam nur auf 31%. Dadurch war der Rechtsruck parlamentarisch abgesichert. Ein grandioser Höhepunkt italienischer Geschichte fand sein Ende.

Dr. Bernhard Majorow

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Wie ich als Lektor in Aden ausspioniert werden sollte

Der freundliche Herr vom BND

Ich habe 1981/82 ein Jahr in der Volksdemokratischen Republik Jemen an der Hochschule für Wissenschaftlichen Sozialismus der Jemenitischen Sozialistischen Partei gearbeitet.

Es sollte für mich das schönste Jahr meines Lebens werden.

Als man mir sagte: "Du gehst als Lektor für Philosophie nach Aden", war ich mir gar nicht so sicher, wo das überhaupt liegt. Der Aufenthalt wurde dann zu einem unwiederbringlichen Erlebnis. Aus dem zehntreichsten Land der Erde kam ich in das zehntärmste. In meiner Tätigkeit trug ich dazu bei, das Leben der Menschen in den wenig entwickelten Regionen besser zu verstehen und gewissermaßen von außen in das eigene Land "hineinblicken" zu können.

Im Interesse unserer Sicherheit hatten wir klare Vorgaben, wie wir uns in der Öffentlichkeit und gegenüber Fremden verhalten sollten. Dazu zählte die Weisung: keine Gespräche über die Arbeit, unsere Genossen und die Lehrgangsteilnehmer, über die Unterrichtsprogramme und unser tägliches Leben. Außerhalb der Schule sollten wir uns aus Gründen des eigenen Schutzes möglichst nicht allein bewegen, so daß in bedrohlichen Situationen immer eine zweite Person in der Nähe wäre.

Praktisch spielt sich das Leben aber ein bißchen anders ab. Je länger du in einem anderen Land bist, desto mehr fühlst du dich zu Hause. Viele Dinge sind dir vertraut und werden bald zur Selbstverständlichkeit. Dazu gehört der Weg in die eigene Botschaft oder zu Beratungen, aber auch das alltägliche Einkaufen. Bald ist man stolz darauf, Besorgungen ohne Dolmetscher erledigen zu können und dabei sogar das zu bekommen, was man will.

Das Leben wird immer mehr von der scheinbaren eigenen Sicherheit bestimmt. Man glaubt, es drohten keine Gefahren. Doch gemach.

Eines Tages war ich wieder einmal unterwegs, da kam ein Herr auf mich zu, gab mir die Hand und sprach mich mit meinem Namen an. Er erkundigte sich fürsorglich, wie ich denn - ohne Ehefrau - so allein zurechtkäme. Und ob man mit den jemenitischen Studenten auch die ins Auge gefaßten Themen bewältigen könne, was die eigene Truppe so mache und wie der Leiter eigentlich sei.

Nun kennt man wirklich nicht alle Mitarbeiter der Botschaft oder jene, welche für sie tätig sind. Das ist völlig normal. Doch dieser Typ, der mir da auf den Fersen war, schien extrem gut über mich informiert zu sein. Mit den lapidaren Antworten, die ich ihm gab, konnte er indes nichts anfangen. Interessant war, daß er stets dann auftauchte, wenn ich allein etwas unternahm. Kurz vor meiner Heimreise, über die er ebenfalls Bescheid wußte, begrüßte er mich wiederum mit meinem Namen und fragte, was die Arbeit mache und wie es mir so kurz vor dem Abflug zumute sei. "Na, alles geschafft? Freuen Sie sich auf die Heimat?" Weitere allgemeine Floskeln schlossen sich an. Auch diesmal zog ich mich auf nichtssagende Allgemeinplätze zurück. Ob ich mit dem Auto unterwegs wäre, wollte der aufdringliche Fremde wissen. "Nein, ich laufe zur Schule", erwiderte ich. "Da begleite ich Sie ein Stückchen", sagte er. So gingen wir beide nebeneinander her. Zum Schluß gab es eine höfliche Verabschiedung mit besten Wünschen für die Zukunft. Freundlich wie immer.

Doch plötzlich schien der Mann wie vom Erdboden verschluckt. Wo war er nur geblieben? Rechts befanden sich eine Straße und ein staubiger Weg, links sah man kleine Gebäude hinter niedrigen Mauern und ein wenig Grün.

Ich wollte der Sache nachgehen. Als ich einige Meter in der Richtung, aus der wir gekommen waren, zurückgelegt hatte, stand ich vor einem Eingangstor. Ein Schild: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland.

Einige Jahre später wird der BND behaupten: Auslandsspionage und Anwerbungsversuche - so etwas betrieb nur die DDR.

Eberhardt Steinhäuser, Görlitz

Raute

Aufstieg und Fall der Stadt Askalon

Aus der Geschichte Palästinas

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Wie die kommerzielle Werbung der USA auf minderjährige Käufer abhebt

Kinder als Kunden

Unlängst strahlte die landesweit zu empfangende USA-Fernsehkette ABC ein vielbeachtetes Programm unter dem Titel "Konsumierende Kinder: die Kommerzialisierung der Kindheit" aus. Eine Menge aufschlußreicher Tatsachen und schockierender statistischer Angaben wurde dem Publikum vor den Bildschirmen vermittelt. Das Unvorstellbarste: Kinder geben in den Vereinigten Staaten jährlich 40 Milliarden Dollar aus. Für die Umsatzstrategen der einschlägigen Konzerne sind sie deshalb "ein Marktsegment, dessen Bearbeitung sich lohnt".

Hinzu kommt, daß Minderjährige ihre Eltern oder andere Erwachsene dahin gehend beeinflussen, ihrerseits 700 Milliarden Dollar im Jahr auszugeben. Diese Summe entspricht dem Leistungsvermögen der zusammengefaßten Volkswirtschaften der 115 ärmsten Länder der Erde. Manche werten solche Angaben als Ausdruck des Reichtums in den USA, andere jedoch als Zeichen der Armut in der Dritten Welt.

Ausgehend von der hier geschilderten Situation sind Kinder in den USA von Geburt an zur Zielscheibe äußerst geschickter, auf wissenschaftlichen Expertisen beruhender Werbespots geworden, die buchstäblich alle Bereiche ihres Interesses erfassen. Allein die "Kids" werden Tag für Tag mit etwa 3000 kommerziellen Botschaften gezielt bombardiert.

In den Vereinigten Staaten finden alljährlich etwa 15 großaufgezogene Konferenzen mit landesweiter Beteiligung statt, auf denen Unternehmern und Geschäftsleuten Kenntnisse darüber vermittelt werden, wie sie den "Kinder- und Jugendmarkt" mit ihren Produkten besser erreichen können. Ganze "Wissenschaftszweige" erforschen minutiös das Kaufverhalten von Kindern, ihre Neigungen und Abneigungen, ihre Körpersprache in Supermärkten, ihre Farbpräferenzen und weitere Details. "Es ist grotesk, wie die Vermarkter Kinder unter ihr Mikroskop nehmen", erklärte Prof. Juliet Schorr, Soziologin am Boston College.

Die US-Werbeindustrie bewertet diese Dinge natürlich aus einer völlig anderen Perspektive. Lucy Hughes von der Anzeigenagentur Initiative Media fragte rhetorisch: "Ist es ethisch vertretbar, daß man Kinder sozial manipuliert?" Die Dame kennt da übrigens keine Skrupel: "Unsere Rolle besteht darin", sagte sie, "Produkte zu bewegen ... und wenn du weißt, daß du Produkte auf schöpferische Weise in einem bestimmten Typ von Medien bewegen kannst, dann hast du deinen Job getan." Beim Kid-Power-Conference-Marketing-Seminar erklärte einer der Lektoren wörtlich: "Antisoziales Verhalten zugunsten eines Produkts ist eine gute Sache."

Prof. Velma LaPoint von der renommierten Harvard-Universität vertrat in der ABC-Sendung "Konsumierende Kinder" den Standpunkt, in der USA-Gesellschaft gebe es ein Mantra: "Du bist das, was du hast, du bist, was du kaufst, du bist, was dein Eigentum ist."

Die Vermarkter sind bemüht, vor allem in Schulen einzudringen. Ihre Aktivitäten reichen von kommerziellen CDs, die in Schulbussen gespielt werden, bis zu McDonalds "Generosität", den Schülern ein computergesteuertes Mathematikprogramm zur Verfügung zu stellen, das den Namen des Konzerns trägt.

Im erwähnten ABC-Programm wurde betont, Zweck der Schulen sei es, die Vernunft zu befördern, während der Zweck der Werbung für Kinder gerade darin bestehe, deren Vernunft auszuschalten. Sie verlören so zunehmend die Fähigkeit zu schöpferischem Spielen, was ein lebenswichtiges Element bei der Entwicklung des menschlichen Gehirns sei.

Schockierend ist übrigens die dort getroffene Feststellung, daß amerikanische Kinder heute eine geringere Lebenserwartung haben als ihre Eltern.

RF, gestützt auf einen Beitrag von Rob Gowland in "The Guardian", Sydney

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Lada-Werke: Job-Sterben an der Wolga

Die ursprünglich auf FIAT gestützte sowjetisch-russische Automarke Lada - einst ein Flaggschiff des Kraftfahrzeugbaus im größten Land der Welt - befindet sich heute im Sinken. Das inzwischen privatisierte und unterdessen zu 25 % im Eigentum des französischen Renault-Konzerns befindliche Unternehmen - bislang Arbeitsbeschaffer Nr. 1 in der 700.000 Einwohner zählenden Stadt Togliatti bei Saratow an der Wolga - ist von Torpedos der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise schwer getroffen und in seiner Manövrierfähigkeit stark eingeschränkt worden. Rußlands größter Autohersteller Avtovaz büßte in den ersten drei Quartalen des Jahres 2009 rund 40% seines Umsatzes ein. Bis zu 27.600 der insgesamt 102.000 Beschäftigten wurden auf die Entlassungslisten gesetzt. Die Zahl liegt noch unter den anfänglichen "Befürchtungen" der Konzernleitung, die von 36.000 Stellenkürzungen ausgegangen war. Auch 5000 Angestellte, Techniker und Ingenieure sind betroffen.

Die Russische Föderation galt bis zum Einsetzen der systembedingten Krise des kapitalistischen Wirtschaftsystems als Europas am schnellsten wachsender Automarkt. Von den nun ihre Jobs verlierenden Autoarbeitern sollen 13.000 Ältere "planmäßig" in Rente gehen, während 5500 zur vorzeitigen Beendigung ihres Arbeitslebens gezwungen werden. Die restlichen 9100 "Mitarbeiter" von Avtovaz erhalten die großzügige "Chance" einer Wiedereinstellung im Jahr 2012.

Die Manager des Lada-Herstellers hatten 2009 ein monatelanges "Einfrieren der Produktion" verfügt, um die Bestände unverkaufter Pkw abbauen zu können. Im August wurden überhaupt keine Fahrzeuge produziert, für die sechsmonatige Zeitspanne von September bis Februar verkündete die Konzernleitung eine Halbierung der Arbeitszeit und damit auch der Löhne. Ein halbes Jahr lang müssen die Beschäftigten mit dem monatlichen Rubel-Äquivalent zu 300 US-Dollar auskommen.

Im April 2009 stand das Unternehmen bereits am Rande der Insolvenz. Ministerpräsident Putin griff ein und veranlaßte die sofortige Überweisung von 20 Mrd. Rubel (600 Mio. Dollar) zur Bewahrung der Zahlungsfähigkeit des angeschlagenen Konzerns. Doch dieses "Rettungspaket" deckte nicht einmal die Hälfte der Avtovaz-Schulden in Höhe von 44 Mrd. Rubel. Neue "Hilfsmaßnahmen" sind inzwischen von Moskau angekündigt worden.

RF, gestützt auf "The New Worker", London

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Dr. Alfred Brehm und der Leipziger "Verbrechertisch"

In der Stadt an der Pleiße schrieb der bekannte Naturforscher Alfred Brehm einen Teil seiner die Zeiten überdauernden Werke. Politische Äußerungen von ihm finden wir allerdings nicht allzu häufig in seinem schriftlichen Nachlaß. Sie beziehen sich hauptsächlich auf sein soziales Gerechtigkeitsgefühl - z. B. wandte er sich mit Schärfe gegen die Sklavenjagd in Afrika. Brehm trat auch gegen Aberglauben und Volksverdummung auf. Er war für seine materialistische Naturbetrachtung bekannt.

1848 nahm Alfred Brehm in Leipzig an der Totenfeier für den von der Reaktion erschossenen Revolutionär Robert Blum teil. Hier vernahm er auch erstmals Wichtiges von Darwins Lehre und schloß sich der Naturforschenden Gesellschaft an. Er gehörte zu einem den wissenschaftlichen Fortschritt belebendem Kreis Gleichgesinnter.

In Leipzig gab es zu jener Zeit zwei markante Treffpunkte der Weltoffenheit zugewandter Männer: das "Hotel de Saxe" und das Kellerrestaurant "Gute Quelle" auf dem Brühl. Beide sind nicht mehr erhalten.

August Bebel, der 1860 nach Leipzig übergesiedelt war, erinnert sich: "In der einen Ecke jenes Lokals stand ein großer runder Tisch, der Verbrechertisch hieß. Das besagte, daß nur jene ehrwürdigen Häupter der Sozialdemokratie hier Platz nehmen durften, welche zu Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen verurteilt worden waren oder die man gemaßregelt hatte. Es waren u. a. die Verleger Roßmäßler, Dr. Peters und Dr. Fritz Hoffmann.

Roßmäßler führte Alfred Brehm in den Kreis des politischen Stammtisches ein, den er als geistige Abendkneipe bezeichnete. An ihm wurden nicht nur Erinnerungen ausgetauscht, sondern auch Vorstellungen über die künftige demokratische Gestaltung Deutschlands diskutiert.

Das bereits genannte "Hotel de Saxe" befand sich in der Klostergasse 8. Der Wirt Ludwig Würkert, ein ehemaliger Prediger, der wegen seiner Teilnahme am Dresdner Mai-Aufstand 1848 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, betrieb dort ab 1859 eine "Restauration für Volksbildung, Volksveredlung und Volksermutigung".

August Bebel schreibt hierzu in seinen Erinnerungen: "Dieser hatte seine eigene Methode, Aufklärung zu betreiben und dabei auch sein Geschäft zu machen. Er veranstaltete wöchentlich Vorträge über alle möglichen Themen, die er selbst hielt - über berühmte Männer und politische Tagesereignisse. An einem solchen Abend war sein Lokal voll. Der Wirt, der sich erst noch unter seinen Gästen bewegte und diesem oder jenem noch ein Bier verabreichte, nahm auf einem Treppenpodest Platz und hielt dort für alle sichtbar einen Vortrag. Hier sprach auch Alfred Brehm zu den Gästen über seine neuen naturwissenschaftlichen Erfahrungen."

Eingesandt von Klaus Pinkau, Leipzig

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Wie ich Grace Arnold in Accra begegnete

Seit mehreren Jahren beziehe ich den "RotFuchs" und lese ihn seitdem mit wachsender Begeisterung! Die jüngste Ausgabe brachte den Artikel von Manfred Wulf aus Glauchau "Erinnern an die Arnolds". Seine Worte sind mir aus dem Herzen geschrieben. Ich habe immer eine große Achtung vor jenen Kommunisten gehabt, welche schon in der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte, unter dem Faschismus, ihre Kraft und auch ihr Leben für eine gerechtere Gesellschaftsordnung, den Sozialismus, eingesetzt haben. Ich kenne das Glückgefühl dieser Genossen, als sie nach Gründung der DDR mit dem Aufbau des von ihnen erträumten Staates beginnen konnten. Dabei ist das Anliegen von Manfred Wulf, die alten Kommunisten mit ihrem unerschütterlichen Klassenbewußtsein, ihrem Kämpferherzen und ihrem nie versiegenden Optimismus nicht zu vergessen und die richtigen Lehren aus deren Leben zu ziehen, gerade in der heutigen Zeit, in der wir Rückschläge verkraften müssen, so außerordentlich wichtig. Besonders gilt das, wie Manfred Wulf schreibt, für die Genossen der Linkspartei.

Die Familie Arnold kenne ich seit meiner Oberschulzeit (ich machte 1959 Abitur), da ich mit der ältesten Tochter von Ludwig und Grace (Margarete, genannt Gretel) in dieselbe Schule gegangen bin. Die beste Freundin von Gretel (beide hatten sich in Moskau kennengelernt), wurde später meine Frau. Leider ist sie schon 2003 verstorben. Die Arnolds waren eine sehr gastfreundliche Familie. Auch wir zählten zu den vielen Gästen von Ludwig und Grace. Abgesehen von den guten Happen, die Gretel auf den Tisch zauberte, waren diese Gesprächsrunden mit den anwesenden kampferprobten Kommunisten wahre Lehrstunden für mich. Ich zehre noch heute von ihnen. Oft kam es auch vor, daß Grace mich aufforderte, mit in ihr Arbeitszimmer zu gehen, damit wir dort in Ruhe diskutieren konnten. Die freundschaftliche Bindung zur Familie Arnold ist nie abgerissen.

Wie eng und herzlich sie war, mag folgendes Beispiel illustrieren. Ich war Offizier bei der DDR-Handelsmarine. In jener Zeit, als Grace an der Schule der People's Progressive Party von Dr. Nkwame Nkrumah unterrichtete, fuhr unser Schiff im West-Afrika-Dienst. So liefen wir auch Häfen von Ghana an. Grace besuchte mich an Bord, nahm mich zu sich mit und erzählte mir viel über Land und Leute. Sie zeigte mir die Hauptstadt Accra, sprach über das koloniale Erbe sowie die Probleme und Erfolge des jungen westafrikanischen Staates. Auch über die drohende Konterrevolution, die ihrer Tätigkeit in Ghana dann ein Ende setzte. Diese gemeinsamen Stunden, wenn sie auch knapp bemessen waren, bleiben für mich von unschätzbarem Wert.

Noch eine Bemerkung zu den biographischen Angaben im Artikel: Ludwig Arnold ist erst 1930 in die Sowjetunion gegangen. Während der Zeit der Blockade Leningrads durch die Faschisten hat sich das Ehepaar in Moskau aufgehalten. Ich möchte diese Anmerkung als Ergänzung zu Manfred Wulfs wertvollem Artikel verstanden wissen.

Lutz Weiprecht, Berlin

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Eine der grandiosesten Schlachten gegen Rassismus und Reaktion

Paul Robeson in Peekskill

Vor gut 60 Jahren hat auf einem weitläufigen Gelände bei Peekskill im USA-Bundesstaat New York eine erbitterte Schlacht zwischen Beschirmern eines Konzerts des großen afroamerikanischen Sängers Paul Robeson und die Teilnehmer unter Polizeischutz attackierenden faschistischen Horden stattgefunden. Am 4. September 1949, als die Hexenjäger McCarthys und Antikommunisten in der Washingtoner Regierung bereits ihre landesweiten Hexenjagden gegen Andersdenkende vorbereiteten, strömten rund 20.000 Menschen - Weiße wie Schwarze - nach Peekskill. Bekannte Volkskünstler unter Leitung Pete Seegers hatten zu einem großen "Event" mit dem der KP der USA nahestehenden Freund der Arbeiterbewegung und der Sowjetunion eingeladen.

Zwei Wochen zuvor hatte eine solche Veranstaltung in den Lakeland Picnic Grounds wegen der Bedrohung durch Knüppel und Eisenstangen schwingende sowie Steine werfende Rassisten abgesagt werden müssen. Die am Ort des Geschehens zahlreich erschienene und die faschistischen Horden schützende Polizei verwies alle, die dem Konzert beiwohnen wollten, des Platzes.

Die Organisatoren wechselten daraufhin nicht nur das Lokal, sondern sorgten auch dafür, daß Postenketten aus Hunderten kämpferischer Gewerkschaftsaktivisten die Gegend um den Peekskill Ground hermetisch abriegelten, so daß kein Provokateur in das Gelände eindringen konnte. Paul Robeson, der von einer Bühne unter mächtigen Baumwipfeln sang, wurde vor möglichen Scharfschützen durch eine lebende Mauer aus Mitgliedern fortschrittlicher Verbände, die es damals noch in größerer Zahl in den USA gab, wirksam geschützt.

Als das grandiose Konzert beendet war, ereignete sich im Beisein von etwa 900 schwerbewaffneten Vizesheriffs und State Troopers ein wahres Blutbad. Die Teilnehmer konnten das Gelände nur zu Fuß oder in ihren Autos über eine schmale Straße verlassen. Zu beiden Seiten war der weiße Mob aufmarschiert. Steine zerschmetterten die Windschutzscheiben zahlreicher Fahrzeuge, von denen viele umgeworfen wurden. Vor allem farbige, aber auch andere Konzertbesucher wurden von den Schlägern brutal zu Boden geworfen. Es gab etwa 140 Verletzte. Einer der Gewerkschafter verlor ein Auge.

"Die Polizei stand dabei und schüttete sich vor Lachen aus", berichtete Pete Seeger, dessen eigener Wagen ebenfalls schwer beschädigt wurde. In der Nacht setzte sich die Orgie der Gewalt in New York City fort. Randalierende Banden junger Faschisten zogen bis zum Broadway, während sich die Büttel zur gleichen Stunde über die noch in Peekskill ausharrenden Gewerkschaftsposten hermachten. Die Wut und der Haß dieser angeblichen Ordnungshüter waren so groß, weil die Rechte an diesem Tag eine ernste Schlappe erlitten hatte. Sie war außerstande gewesen, die Stimme des anderen Amerika zu ersticken.

Paul Robeson gehört zu den außergewöhnlichsten Menschen des 20. Jahrhunderts. Schon als Student war der baumlange Mann ein landesweit bekannter Fußballer. 1932 erwarb er einen akademischen Grad als Jurist. Später wurde er ein berühmter Schauspieler. Robeson übernahm die Hauptrolle in dreizehn Spielfilmen. Zahlreiche Broadway-Inszenierungen - vor allem "Othello", dem am längsten in New York gespielten Shakespeare-Drama -, drückte er seinen Stempel auf. In erster Linie aber war er ein begnadeter, weltweit bekannter Baßbariton. Robeson sprach dreizehn Sprachen. In Afrika, Lateinamerika und Asien schätzte man seine Stimme ebenso wie in Europa. Ein leidenschaftlicher Freund des sowjetischen Volkes, feierte er in Moskauer Konzertsälen wahre Triumphe.

1951 übergab Paul Robeson gemeinsam mit seinem engen Freund William Patterson, einem afroamerikanischen Mitglied des Politbüros der KP der USA, den Vereinten Nationen eine Petition. Sie trug den Titel: "Wir erheben Anklage wegen Völkermords - das Regierungsverbrechen gegen das Negervolk." (Damals war dieser Begriff in den USA noch üblich.) Das Dokument stellte fest, daß in den 85 Jahren seit dem Ende der Sklaverei in den Vereinigten Staaten mehr als 10.000 Schwarze gelyncht worden waren.

Paul Robeson wurde zum prominentesten Opfer der Gesinnungsterroristen unter Senator Joe McCarthy. Das berüchtigte "Roten-Dezernat" des FBI - die Red Squad der Bundeskriminalpolizei - verfolgte ihn ebenso drakonisch wie das US-Außenministerium. In den 50er Jahren entzog ihm dieses für lange Zeit den Reisepaß, so daß er die Vereinigten Staaten nicht verlassen konnte.

Peekskill war Synonym für Robesons besonnene Furchtlosigkeit wie für seinen Kampf gegen Faschismus und Rechtsextremismus. Unmittelbar nach dem Konzert schrieb Pete Seeger einen berühmt gewordenen Song, der in die Worte mündet:

"Wie wir die Linie in Peekskill hielten,
werden wir sie überall halten.
Wir werden sie so lange halten,
bis es überall Freiheit gibt."

RF, gestützt auf "Workers World", New York

Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf das Buch "Peekskill USA. Ein persönliches Erlebnis" von Howard Fast, das 1952 im Dietz-Verlag Berlin erschienen ist.

Raute

Einst Chemiearbeiter, nunmehr Prolet im Wortsinn

Die Lebensphilosophie des Erhart Eller

Auf der Internetseite "textzeichen/Autorenporträt" heißt es: "Erhart Eller. Einst Chemiearbeiter und Handelskaufmann. Nunmehr Prolet im Wortsinn. (Hartz-IV-Geschädigter). Kurz nachdem er das Lesen und Schreiben erlernt hatte, wurde er Text-Schreiber und bleibt ein solcher zeitlebens."

Eller ist in seinem neuen Gedichtband "Trotz der Düsternis: Gesänge" seinem Bekenntnis treu geblieben, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, "stur auf dem schweren Weg" eines Literaten weiterzugehen und als unverdrossen Schreibender unverblümt die Wahrheit auszusprechen. Seine sehr konkrete Standortbestimmung ist die Schlußzeile des Gedichts "Zwei Außenseiter": "Ich sonne mich im Haß der ober'n Ränge." Bereits der Umschlag des schmalen Buches deutet in seiner Schwarz-Rot-Gestaltung an, woher in ihm der Wind weht und wohin der kritische Blick des Autors gerichtet ist. Ein Weiteres verkünden die sechs programmatischen Kapitelüberschriften, darunter "Worte, Widerworte", "Ein Kübel voll Zeitgeist", "Glücklose Kämpfer, Nichtkämpfer, Aufgebende, Ermüdete" und "Von Geschlagenen und künftig vielleicht Obsiegenden".

Zentraler Ausdruck von Ellers Lebensphilosophie ist sein Gedicht "Waghalsiger Wunschtraum für die Kinder". Es versammelt in seinen Wünschen, Hoffnungen und Visionen das Ur-Anliegen des Dichters: Eine friedliche, heitere, lebens- und liebenswerte Gesellschaft, frei von Not und mit reichlich Brot für alle, frei von dem "Wagnis ..., ein Kind zu haben" und frei auch vom "Rühr'n der Trommeln" und den "geblähten Fahnen", weltoffen, bereichert durch "Bildkunst und "gute Reime".

Der Schlußvers dieses Gedichtes steht seiner Bedeutung wegen allein: "Ein Menschenfeind ist, wer nicht Kinder mag."

Es ist müßig, das weitgefächerte Spektrum und die Fülle der Aussagen des uns begegnenden lyrischen Ichs in seiner Wandelbarkeit ausloten zu wollen. Auch das Zitieren einzelner Verse wird dem Leser nur relative Einsichten bringen, da sich Ellers Gedichte als kompakte Texte darstellen, die ganzheitlich und in ihrer dialektischen Einheit von Ideengehalt und Formgebung erschlossen sein wollen.

Gegeben wird uns also in dem Band ein leidenschaftlich gestalteter, hoch emotionaler und erregender, oft auch gallig-bitterer Querschnitt durch die Lebens- und Gesellschaftserfahrungen vieler Bürger in den "neuen Bundesländern" seit der sogenannten Wende. Er ist geprägt von tiefen Einsichten in die Abgründe der sich globalisierenden kapitalistischen Welt, von herber und scharfer Kritik an der bestehenden Gesellschaft, von der Zurückweisung des "modernen Zeitgeistes" sowie der Manipulation und Digitalisierung der Bevölkerung durch die Medien der herrschenden Klasse.

Aus Ellers Gedichten, geschrieben zwischen 1992 und 2009, sprechen ein selbstbewußtes und tief betroffenes Ich, das, so unmöglich es ihm auch derzeit erscheinen mag, die Welt im menschlichen Sinne verändern möchte, indem es unwiderlegbare Tatsachen polemisch zur Diskussion stellt und deren Verinnerlichung fördert. Nachzuvollziehen ist, daß der Dichter bei Betrachtung seiner augenblicklichen Lebensumstände hin und wieder in resignative Töne verfällt. Generell aber fühlt er sich als Wortführer der "Habenichte", der "Enterbten"; sein Angriff richtet sich auf das Böse, auf die "Satten", die "Habenden". Er weiß um die Rolle des Geldes, das in vielfältiger Weise nominal charakterisiert wird; und er kennt den Fluch der Armut. "Wer hat, der darf", heißt es, und "Nur bare Münze zählt". Verurteilt werden die Niedertracht, die Kasse macht, das "Roßgetäusch" und "das Backenseifen", der Hohn der Sieger und die Wahnsinns-Schreier, die "reuigen Mitmacher" und die "Arschkriecher", die eskalierenden kapitalistischen Greuel und die bedenkliche Gleichgültigkeit vieler Menschen, die anwachsende Kulturlosigkeit und der "tödliche Heilandsglaube".

"Laßt euch nicht leimen, biegen und verrenken", warnt Eller seine Mitbürger in dem Gedicht "Wofür die 'Erneuerer' zu Beginn des dritten Jahrtausends in Wahrheit trommeln". Folgerichtig erscheint die Einsicht, daß sich der Mensch nur selbst zu retten vermag. Das progressive literarische und philosophische Erbe der vergangenen drei Jahrhunderte leuchtet in den Versen immer wieder auf.

Erhart Eller schreibt, seinem Stoff verpflichtet, neben einer reimlosen freirhythmischen Lyrik vor allem metrisch locker geformte Verse. Aber auch die strenge Form des Sonetts wird beherrscht. Die vom Dichter gefundenen Reime bekräftigen das Gesagte. Die Sprache seiner Gedichte ist herb, holzschnittartig, eigenwillig in der Wortschöpfung, gelegentlich umgangssprachlich-salopp mit eingestreuten Vulgarismen und von provozierender Schärfe und Bestimmtheit. Sie ist unbestechlich bei allen vorgenommenen Wertungen und Urteilen. Allegorische Bilder, Symbole, Vergleiche und Metaphern leisten dabei das Ihre. Eller hat seinen individuellen Stil und den gemäßen Ton für seine Dichtungen gefunden. Sie erweisen sich, um mit Luther zu sprechen, im besten Sinne des Wortes als "dem Volk aufs Maul geschaut" und sind so, bei aller Hintergründigkeit, eindeutig und von überzeugender Bildhaftigkeit.

Erhart Eller, der sich als "von enterbten Millionen einer" fühlt, weiß, daß "geballter Wille Tat wird". Dem "Mißlingen folgt Gelingen. Vorerst: ein Denkmal dem verlor'nen Haufen." Und: "Die Tage fliegen dem letzten zu, der beweisen wird, daß die Sterne Sonnen sind."

Dr. Bernhard Igel

Erhart Eller: Trotz der Düsternis - Gesänge, Gedichte, Engelsdorfer Verlag, 2009, 98 S., 8,40 Euro

Erhart Eller (Lutz Reichel) wurde 1950 geboren. Er lebt in Weißenfels und publizierte bisher ein halbes Dutzend Bücher. Von der Förderung seines Schaffens kann hierzulande keine Rede sein.

Eine umfangreiche wissenschaftliche Arbeit über Ellers bisher vorliegende epische und lyrische Werke stammt von Prof. Dr. Rüdiger Bernhardt und erschien in Polen.

Raute

Wolfgang Schreyer - ein Meister spannender Abenteuerliteratur

Glaubwürdig und detailgetreu

Wolfgang Schreyer zählte zu den produktivsten und erfolgreichsten Autoren spannender Literatur in der DDR. Er schrieb drei Sachbücher und acht Szenarien für Film, Funk und TV. Nach Reisen durch die Karibik, Portugal und die USA entstanden zwei Dutzend Romane mit zeitgeschichtlichem Hintergrund, aber auch andere Bücher.

Die Gesamtauflage betrug vier Millionen Exemplare. Hinzu kommen weitere zwei Millionen, die in etliche Sprachen übersetzt wurden. Am 20. November 2007 beging der Bestseller-Autor Wolfgang Schreyer in Ahrenshoop seinen 80. Geburtstag.

Kaum 17jährig wurde er als Flakhelfer eingezogen und geriet in amerikanische Gefangenschaft. 1946 wurde er entlassen, drückte nochmals die Schulbank und schloß 1949 in Magdeburg seine Ausbildung als Drogist ab. Einige Jahre arbeitete er als Geschäftsführer eines pharmazeutischen Unternehmens.

Im amerikanischen Kriegsgefangenenlager hatte seine "literarische Karriere" begonnen, als er eine Story in ein Schulheft schrieb. Seine erste Kurzgeschichte "Drehbänke" veröffentlichte Schreyer 1951. Ab 1953 widmete er sich ganz seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Aus Schreyers frühem Schaffen ist der heitere Unterhaltungsroman "Mit Kräuterschnaps und Gottvertrauen" (1952) zu nennen. In diesem wußte er "echten, teils derben Humor mit Kriminalistik und einem Schuß handgreiflicher Abenteuerromantik" zu verbinden. Von Schreyer stammt der erste Krimi der DDR "Großgarage Südwest" (1952), mit dem der 25jährige debütierte und sofort sein Publikum fand. Aus Schreyers Feder folgten der Erzählband "Die Entführten" und der Tatsachenbericht "Die Piratenchronik". Besonders herausragend ist sein Roman über den Warschauer Aufstand "Unternehmen Thunderstorm" (1954), für den er den Heinrich-Mann-Preis erhielt. Schreyers Roman "Der Traum des Hauptmann Loy" (1956) wurde von Kurt Maetzig mit Ekkehard Schall verfilmt.

Der Schriftsteller erfreute sich bald eines großen Leserkreises, da er spannend zu unterhalten wußte. Vier Jahrzehnte verlagerte er sein Interessenfeld nach Lateinamerika, wo er den antiimperialistischen Kämpfen der Völker dieser Region nachspürte. Sein Roman "Tempel des Satans" (1960), der auch auf russisch, lettisch, tschechisch und französisch erschien, wurde 1963 von Georg Leopold verfilmt. Einen weiteren Höhepunkt im Schaffen Schreyers bildet die Trilogie "Dominikanische Tragödie", bestehend aus den Romanen "Der Adjutant" (1971), "Der Resident" (1973) und "Der Reporter" (1980). Schreyers Polit-Thriller "Alaskafüchse", "Der gelbe Hai", "Das grüne Ungeheuer" und "Preludio 11" wurden in viele Sprachen übersetzt und bis auf "Der gelbe Hai" ebenfalls verfilmt.

Nach Motiven seines erfolgreichen Tatsachenromans "Die fünf Leben des Dr. Gundlach" (1982) drehte Regisseur Jurij Kramer 1984 einen Fernsehfilm. Der Vielzahl seiner zeitgeschichtlich-abenteuerlichen Bücher steuerte Schreyer 1987 den ganz anderen Roman "Der sechste Sinn" bei, in dem er einen Gegenwartsstoff von hoher Aktualität gestaltete und mit einem Hauch Science fiction anreicherte. Drei Männer beschäftigen sich mit einer ganz ungewöhnlichen Form der Partnersuche.

Anläßlich seines 60. Geburtstages wurde hervorgehoben, Schreyers Themen seien zumeist die lateinamerikanischen Befreiungskriege gewesen, so in Guatemala, Kuba, der Dominikanischen Republik und El Salvador. Auch sein Grenada-Roman "Der Mann auf den Klippen" ist zu nennen. Der Autor ließ von einer Hamburger Starreporterin den Lügenschleier um einen angeblichen Luftwaffenstützpunkt auf der Insel lüften. Wolfgang Schreyers Geschichten waren zumeist von Weltläufigkeit bestimmt. Immer wieder wandte er sich Vorfällen von internationaler Tragweite zu. Wie es seine Leser gewohnt waren und sind, recherchierte er äußerst akribisch und verantwortungsbewußt. Er vermochte seinen jeweiligen Gegenstand höchst sensibel und detailgetreu zu beschreiben, schilderte Figuren und Milieu glaubwürdig. Neben entsprechender Ereignisdichte wies jedes seiner Bücher eine reichliche Portion Sachinformation auf, die letztlich in die abenteuerliche und spannende Handlung einfloß, sie bereicherte und voranbrachte. Geradezu Markenzeichen seiner Bücher waren sichere Fabelführung und eine an äußerer Spannung reiche Handlung, aber auch die lebendige und fesselnde Gestaltung von Einzelschicksalen.

Dieter Fechner

Raute

In Nordhorn hochgeachtet: Lisel Deymann

Als Kommunist unter Bedingungen der Kapitalherrschaft zu wirken, war früher und ist heute nicht leicht. Wer sich zu seinen Überzeugungen bekennt, weiß, wovon die Rede ist. In der alten BRD traf es Tausende, die insbesondere unter dem KPD-Verbot Gefängnishaft, Berufsverbot und persönliche Nachteile aller Art ertragen mußten. Unzählige von ihnen trotzten Ausgrenzung und Diffamierung, standen für andere ein, blieben sich selbst treu. Lisel Deymann (90) gehört zu ihnen. Sie ist in Nordhorn - der traditionsreichen Textilarbeiterstadt in Niedersachsen - eine hochgeachtete Kommunistin. Sogar das bürgerliche Blatt "Grafschafter Nachrichten" sah sich veranlaßt, zu ihrem runden Geburtstag einen sechsspaltigen Artikel zu veröffentlichen, der von Lisels lebenslangem Engagement für die "kleinen Leute" berichtet. Über Jahrzehnte war sie im Stadtrat und im Kreistag tätig - gewählt von Menschen, die wußten, daß diese Genossin hielt, was sie versprach. Sie war dafür bekannt, daß sie half, wo sie konnte, und für jeden Zeit hatte, der mit seinen Sorgen und Nöten zu ihr kam. Für ihre Partei, die DKP, ist sie bis heute aktiv. Lisels besondere Liebe gilt der "Roten Spindel", der DKP-Kreiszeitung Nordhorns, die von Arbeitern für Arbeiter gemacht wird, und zwar seit fast 40 Jahren. Auch wenn ihr das Laufen schon schwerfällt - Lisel ist dabei, wenn die neue Ausgabe verteilt werden muß. Sie weiß: Dieses Blatt wird gebraucht und von vielen, nicht nur Textilarbeitern, gelesen. Auch der "RotFuchs" hat bereits des öfteren auf die klugen und pfiffigen Argumente der "Roten Spindel" zurückgegriffen.

Lisel Deymann hatte kein leichtes Leben. Sorgen und Entbehrungen waren allgegenwärtig. In ihrer von Hans-Joachim Schulz verfaßten Biographie ist vieles darüber nachzulesen. Und das sollte man tun. Es erschließt sich, aus sehr persönlicher Sicht festgehalten, eine Welt des Kampfes von Kommunisten und fortschrittlichen Menschen gegen Unrecht, Diskriminierung und Kriegsgefahr. Ihr Mann Heinz stand dabei immer - wie beim großen Textilarbeiterstreik im Frühjahr 1953 - in vorderster Reihe, manchmal aber auch ganz allein, wenn selbst die eigenen Genossen zögerten. Doch Lisel und Heinz hielten zusammen. Das gab ihnen Kraft, die sie - wie es nur wenige vermögen - auf andere übertrugen.

Von all dem erzählt Lisel in ihren "Bildern einer politischen Biographie". Die Schrift erweist sich als große Hilfe, wenn es um den eigenen Zugang zu den vielschichtigen Problemen, Wegen und Entscheidungen von Kommunisten in der alten BRD geht, ihren Erfolgen und Niederlagen, ihrem Widerstand gegen ein System, das uns heute zwingt, diesen Kampf in Ost und West gemeinsam fortzusetzen.

Bruni Steiniger

Elisabet Deymann, Bilder einer politischen Biographie,
H.-J.-Schulz-Verlag 2009, Rütenbrocker Straße 1, 49733 Haren,
142 S., 10 Euro, ISBN 3-92809703-2

Raute

Archie und sein Stahlroß

Über zwei Jahre lief Archie öfter als ihm lieb war 12 Kilometer am Tag von seinem Lausitz-Dorf zur Kleinstadt in die Schule und zurück. Wenn ihn jemand mitnahm, waren es meist sowjetische Soldaten, die er ansprach. Sie antworteten oft: "Ech ty, molodjez, dawaj!" Interessiert radebrechte er mit ihnen auf russisch, griff die Phonetik auf sowie diese und jene Redewendung, was ihm dann in der Schule zugute kam. Die Flüche behielt er für sich. Im Winter fuhr er gelegentlich auf Skiern, aber nicht gern, weil die Bindung nicht paßte. In der 11. Klasse bekam er endlich ein Fahrrad, und die Welt sah für ihn plötzlich ganz anders aus. Das erste Mal nahm er die liebliche Landschaft der Lausitz so richtig wahr.

Gewiß, das Fahrrad war gebraucht, Lenker und Sattel verrutschten und mußten bisweilen neu verschraubt werden. Die Kette sprang auch gern mal runter, die Räder waren verschieden, das Schutzblech klapperte. Archie war ein schlechter Mechaniker. Aber er radelte ganz fröhlich in der Gegend umher, gewann Zeit, die er für die Hausaufgaben nutzte. Ein Fahrrad war der reinste Luxus damals, echt! Außerdem beschloß die Schulleitung, ihn für das letzte Jahr in das Internat des Gymnasiums aufzunehmen. Das war die Krönung! Es gab dort einen hilfreichen Lehrer, der bei den Aufgaben half, gute Küche mit drei Mahlzeiten. Archie fühlte sich wie im Hotel. Der große Schlafsaal machte ihm nichts aus.

In der Freizeit erschloß er sich die Umgebung der Kleinstadt, radelte auf den Butterberg, ein Ausflugsziel, das die Schüler Monte Margarino nannten, und nach Rammenau, vier Kilometer entfernt, wo das schöne Barockschloß stand. In dem Ort wurde 1762 der Philosoph Johann Gottlieb Fichte geboren, dem die Worte zugeschrieben werden: "Und handeln sollst du so, als hinge von dir und deinem Tun allein das Schicksal ab der deutschen Dinge, und die Verantwortung wär' dein ..." Dieser Satz beeindruckte Archie sehr. Auch fuhr er gelegentlich von Bischofswerda nach Bautzen, wo damals noch das alte Stadttheater existierte, auf dessen Brettern er tatsächlich später einmal stehen sollte. Der Dom St. Petri als Simultankirche, katholisch-evangelisch, wirkte gewaltig auf ihn ein. Warum nicht überall so, dachte der selbst nicht gläubige Archie. Er wäre eigentlich lieber auf die bekannte Sorbische Oberschule in Bautzen gegangen, der Sprache wegen, aber das war zu weit, und die Eltern wollten es nicht.

Übrigens hatte er damals keine Befürchtungen zu hegen, daß der Drahtesel abhanden kommen könnte. Er lehnte ihn überall an eine Mauer oder ein Geländer, wo er ihn stets wiederfand. Man stahl fast keine Fahrräder, obwohl sie rar waren, jedenfalls nicht in der DDR, das steht fest. Archie hatte zwar am Vorderrad eine fast minimale Sicherung, die er zwischen die Speichen drückte, meist vergaß er sie aber. Er selber hätte sich auch nie auf ein fremdes Fahrrad gesetzt, um damit abzuhauen. Das wäre ihm absurd vorgekommen, eine Frage der Moral. So etwas machte man einfach nicht. Später fuhr er in Berlin als Student ein selbstverdientes tschechisches Rennrad. Das ist auch nie verlorengegangen, obwohl es teuer war und elegant aussah. In der Jetztzeit sind zum Teil die Fahrradschlösser mit riesigen Bügeln, die Seitenschneidern trotzen, geradezu martialisch anzusehen.

Die Radfahrer mutierten in der Hauptstadt zu Kamikaze-Fliegern. Sie rasen jetzt ohne Einhaltung von Verkehrsregeln bei Rot über sämtliche Ampelkreuzungen, ziehen auf Gehwegen an Greisen und Kindern haarscharf und oft auch rücksichtslos vorbei, meist ohne Licht und ohne Klingel, neuerdings sogar ohne Bremse als besonderer Sport und Nervenkick, wie man aus der Zeitung erfährt.

Das alles ist am Treptower Park in Berlin und anderswo zu beobachten, weit und breit keine Polizei. Den Bikern gehört der Bürgersteig, sie fahren Slalom um die Fußgänger herum, sowohl an der Spree als auch an der Hauptstraße, die Richtung wird nie angezeigt. Biker sind gewissermaßen das Spiegelbild der Gesellschaft, jeder tut, was er will, jeder erzwingt die Rücksichtnahme der anderen. Wenn es kracht, sind diese daran schuld. "Paß doch auf, du alter Trottel", mußte Archie schon oft hören, wenn er seitwärts oder von hinten von einem Biker beinahe angefahren worden wäre.

Als Archie auf seinem zusammengebastelten Fahrrad in der DDR über Halle, Leipzig, Erfurt bis Mühlhausen unterwegs war, konnte er diese rücksichtslosen Verhaltensweisen von Radfahrern nicht beobachten. Auch er selbst beachtete genau die Verkehrsregeln und stieg lieber ab, um sich zu informieren, wenn er nicht genau Bescheid wußte. Archie hatte sich in der DDR sogar zeitweilig einer Gemeinschaft angeschlossen, um Radrennen zu trainieren.

Es ist ein Irrtum, daß gut veranlagten jungen Sportlern dort alle Wege automatisch geebnet wurden. Man mußte schon hart dafür arbeiten und trainieren, Leistung und Ausdauer zeigen, um jeden Platz und Sieg kämpfen. Das Material war damals auch noch nicht selbstverständlich erhältlich und wenn ja, ziemlich teuer. Die Trauben hingen im Radsport der DDR gewaltig hoch, wenn man an die Pedalritter von internationalem Format denkt, die zwischen Fichtelberg und Kap Arkona ihre Runden drehten. Es waren Sportler von Weltniveau wie Täve Schur.

Also fuhr Archie lieber entspannt um den Berliner Müggelsee. Sein Rennrad war inzwischen auch mit Beleuchtung und Klingel ausgerüstet. Gelegentlich kam er bis in die Lausitz, bis nach Rammenau, wo er wieder den weiter oben zitierten Spruch las, der von Fichte stammen soll. Ob er in der "globalisierten" Welt von heute noch anwendbar ist, mag allerdings dahingestellt sein. Vielleicht wäre er, käme er aus bestimmtem Munde, sogar fehlzudeuten. Mißbrauch durch Rechte ist entschieden zurückzuweisen!

Manfred Hocke

Raute

Leserbriefe an ROTFUCHS

Wir freuen uns immer, wenn eine neue RF-Ausgabe hier ankommt. Es gibt auch für uns, die wir ja häufig in der DDR waren, in der Zeitschrift dargestellte Seiten des Lebens, die wir nicht so beachtet hatten. Wir denken, der "RotFuchs" ist eine historische Leistung von Euch. Ihr nehmt in dem noch zu schreibenden Abschnitt der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung über die Niederlage und vor allem die Verteidigung von Positionen sowie die Vorbereitung zum nächsten Anlauf einen festen Platz ein. Wenn es dem RF hilft, würden wir, obwohl wir mit unserer Rente unter der Armutsgrenze liegen, dem Förderverein beitreten. Unser Arbeitsschwerpunkt ist die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte. Ich bin dort Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes des Kuratoriums und neuerdings 1. Vorsitzender des Fördervereins.

Wolfgang und Inge Runge, Hamburg


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Im "RotFuchs" las ich über den Freitod von Prof. Armin Ermisch. Er lehrte an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Nach der sogenannten Wende wurde er aus dem Hochschuldienst entlassen oder - wie man das zynisch nannte - "abgewickelt". Er wehrte sich zwar, überstand die Prozedur aber nicht. Auch ich mußte sie über mich ergehen lassen, mit mir viele andere Lehrer an der Technischen Universität Dresden. Ich geriet in den Dunstkreis der Professorenkiller um den sächsischen Wissenschaftsminister Hans-Joachim Meyer.

Meine Reaktion war anders als die von Prof. Ermisch. Spätestens nach der Zwangsvereinigung erkannte ich, daß man mich als Hochschullehrer ausmerzen wollte. In Dresden kursierte die Losung, die Universität müsse "SED-frei" gemacht werden! Die dritte Garnitur von West-Hochschullehrern stand bereits auf dem Sprung. So bereitete ich mich auf andere Aufgaben vor, die den veränderten Bedingungen entsprachen. Fast zwölf Jahre war ich noch als freiberuflicher Dozent an privaten Bildungseinrichtungen in Sachsen tätig. Dort nahm ich mir die Freiheit, den Hörern vieles über die Wissenschaft in der DDR zu vermitteln.

Prof. Dr. sc. Erich Dreyer, Dresden


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Angesichts der Hetzkampagne gegen die DDR und deren historische Leistungen im Friedenskampf ist der Artikel von Dr. Ernst Heinz über die Verfolgung oppositioneller Kräfte durch die politische Justiz der BRD verdienstvoll. Der Autor erinnert an den damals 21jährigen Philipp Müller.

Am 11. Mai 1952 (nicht, wie es in dem Artikel irrtümlicherweise heißt, am 9. Mai) brach der junge westdeutsche Friedenskämpfer bei einer Demonstration gegen die Remilitarisierung der BRD in Essen unter Polizeikugeln tot zusammen. Ich war damals auch 21 und arbeitete als Pressestenograf bei der DDR-Nachrichtenagentur ADN. An diesem Tag habe ich tief bewegt die Berichte unseres Korrespondenten über das schockierende Ereignis aufgenommen. Es zeigte sich, daß die Adenauer-Regierung bei der Durchsetzung ihrer reaktionären Politik im wahrsten Wortsinn über Leichen ging.

In der DDR wurde Philipp Müller fast überall geehrt. Brigaden volkseigener Betriebe gaben sich seinen Namen, Straßen und Ferienheime der Gewerkschaften wurden nach ihm benannt. Wenn man den Telefonbüchern trauen darf, dann gibt es im Osten noch 27 Straßen, die seinen Namen tragen.

Rudolf Krause, Berlin


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Bürgerliche Ideologen versuchen derzeit verstärkt, die Widersprüche zwischen Lohnarbeit und Kapital, arm und reich zu vertuschen. Auffallend sind dabei besonders Bestrebungen zur Entideologisierung und Entpolitisierung der Sprache. Von Ober- und Unterschicht ist die Rede, um nicht von Klassen und Klassenkampf zu sprechen. Der passive Begriff Prekariat (prekär: schwierig, heikel) wird für in Armut gestoßene "Verlierer" erfunden, um den aktiven Begriff Proletariat vergessen zu lassen. In diese Linie paßt Michael Thalheimers Inszenierung des Brecht-Stücks "Herr Puntila und sein Knecht Matti" im Deutschen Theater, Berlin. Dieses Lehrstück zu einem Herr-Knecht-Verhältnis, das bei Brecht zum Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital wird, entkleidet Thalheimer seines politischen Inhalts. Der Ausbeuter Puntila wird zum Triebmenschen, der sich im Suff nach Gutmenschentum - auch so eine entideologisierende Wortschöpfung! - sehnt. Da hat natürlich die aufrüttelnde Musik eines Paul Dessau nichts mehr im Theater zu suchen.

Hans-Dietrich Grundmann, Eberswalde


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Ungebremst hat der Anführer der avantgardistischen Partei des Großkapitals - der FDP - schamlos die frommsten Wünsche seiner Auftraggeber sofort aus dem Sack gelassen. Das Zauberwort heißt: Gleichheit aller Krankenkassen. Das bedeutet, daß der Chef Alfred X. soviel Beitrag bezahlt wie der Hofkehrer Max Y. Dieses Vorhaben wurde von den Ausbeuterverbänden freudig aufgegriffen. Insbesondere ihr Hundt bellte verzückt.

Dabei müßten die Vertreter der Kapitalinteressen in der Regierung doch aus der Geschichte wissen, wie das paritätische Versicherungssystem im Deutschen Reich einst entstanden ist. Daß sich Bismarck so etwas ausgedacht hat, weil es ihm Gott als gutem Christen nahegelegt hat, ist wohl auszuschließen. Aber er war im Unterschied zu etlichen seiner Nachfolger ein kluger Kopf, der in Zusammenhängen denken konnte. Er überlegte kühl und rational, wie er seinen Klassenauftrag am besten ausführen könnte. Dazu gehörte es, die divergierenden Interessen "unter einen Hut" zu bringen. So entschloß er sich blutenden Herzens, aber mit aller Konsequenz dazu, ein Versicherungssystem einzuführen, das beiden Seiten der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, Ausbeutern wie Ausgebeuteten, formal gleiche Rechte und Pflichten auferlegte. Bismarcks Motiv war also keineswegs die Liebe zum Proletariat, sondern nüchternes Kalkül und staatsmännische Klugheit, um die Ziele des sich herausbildenden Imperialismus ohne schwerwiegenden inneren Widerstand erreichen zu können.

Dr. Günther Freudenberg, Bernburg


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Beim Thema Treuhand, das im November-RF aufgeworfen wurde, werde ich immer hellhörig. Das ist ein rotes Tuch für mich. Es macht mich schlicht wütend, wie der real existierende Kapitalismus die Wirtschaft der DDR plattgemacht hat.

Ich wünsche mir, daß die Aufklärung über die schmutzige, gierige Abwicklung der DDR-Wirtschaft durch das "Weltkapital" genausoviel Öffentlichkeit erfährt wie all die "Stasi"-Geschichten, bei denen ich zwischen hanebüchenen und tragischen Fällen, die eigentlich nicht hätten geschehen sollen, unterscheiden kann. Allerdings erfährt man nichts - der ausgleichenden Gerechtigkeit wegen - vom umgekehrten Fall. Was steht in den Akten des Verfassungsschutzes der Bundesrepublik, wird man sie jemals anklagend veröffentlichen?

Von Frau Dr. Liebecke aus Dresden, der Autorin des RF-Beitrags über die Treuhand, wüßte ich gern, ob sie auf ihren Brief an das Bundesfinanzministerium jemals eine Antwort bekam. Und ob er irgend etwas bewirkt hat - z. B. eine Anklage gegen Frau Breuel und andere Verramscher der DDR-Wirtschaft.

Ingeborg Lay-Ruder, Moers


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Im Netz habe ich den "RotFuchs" gefunden und lese darin, wenn es die Zeit zuläßt. Er ist nach meiner Meinung eine wichtige Zeitung. - Was haltet Ihr davon, in einer der nächsten Ausgaben daran zu erinnern, daß es in diesem Jahr wohl exakt 2000 Jahre her ist, daß Spartakus sich erhob und mit ihm viele andere? Dieses Ereignis war von solcher Bedeutung, daß sich sogar die Amerikaner zu einem Film mit Starbesetzung entschlossen.

Hierzulande will man vieles in Vergessenheit geraten lassen, was in jüngster Vergangenheit ganze Generationen geprägt hat. Aber ich habe die Gewißheit, daß die Menschen nicht so vergeßlich sind, wie manche es sich wünschen würden. Deshalb denke ich, das Beispiel des Spartakus wäre einen RF-Artikel wert.

Uli Leps, E-Mail

Bemerkung der Redaktion:

Wer wirft seinen Hut in den Ring und bietet einen informativen Beitrag über den bedeutendsten Revolutionär der Antike an?


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Eine ganz wesentliche Nachricht habe ich am 9. November in den Medien vermißt. Sie hätte in etwa so lauten können: "Wie aus dem Kanzleramt berichtet wird, hat die CDU/CSU/FDP-Regierung ihren Koalitionsvertrag ergänzt. So ist anläßlich des 20. Jahrestages der Maueröffnung vorgesehen, die Gehälter, Löhne und Renten im Osten Deutschlands mit sofortiger Wirkung auf 100 Prozent des Westniveaus anzuheben."

Natürlich ist eine solche Meldung fiktiv. Der dieses Land im Auftrag der Konzerne, Spekulanten und Großgrundbesitzer verwaltenden Koalition geht es nur darum, daß sich ihre Auftraggeber wohl fühlen. Zu denen gehören wir Ossis in der Mehrheit nicht. Und leider reicht den Bundespressekonferenz-Fuzzis der Merkel keiner "zufällig" so einen Zettel rein, wie damals dem Schabowski. So werden wir 15 Millionen verbliebenen ehemaligen DDR-Bürger wohl auch noch in den nächsten 20 Jahren mit viel Freiheit und 80 bzw. 85% des Westsalärs auskommen dürfen. Und die Jugend und die Besserqualifizierten, die eine angemessen bezahlte Arbeit (oder überhaupt eine Arbeit) haben wollen, ziehen nach wie vor in Richtung Westen, wie in den vergangenen 20 Jahren.

Dr.-Ing. Frank Valentin, Bernau


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In letzter Zeit lese ich im RF immer öfter auch Beiträge von Genossen in meinem Alter (ich selbst bin 21). Das ist durchaus eine Seltenheit angesichts unseres Altersdurchschnitts. Leider habe ich derzeit keinen Kontakt zu jüngeren Genossen, mit denen ich mich aber sehr gern in Verbindung setzen würde, um gemeinsame Vorhaben zu beraten. Vielleicht ist es möglich, mir solche Verbindungen zu erschließen. Meine Email-Adresse lautet: glaesnerd@aol.com

Dominik Gläsner, Zittau


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Ich verstehe nicht, warum sich die Medien - vom Funk über das Fernsehen bis zur Presse - beim Volk so unbeliebt machen. Ein ganzes Jahr lang standen Genscher und die Prager Botschaft sowie der sogenannte Mauerfall im Mittelpunkt der Berichterstattung. Da wird gelogen, daß sich die Balken biegen. Nach einer Umfrage sollen angeblich 82% der Deutschen den "Mauerfall" begrüßt haben. Wo holt man solche Zahlen her? Aus Demmin jedenfalls nicht. Nach meinen Gesprächen käme ich auf 10% und das auch noch mit Abstrichen. In unserer Region sitzt der Frust besonders tief, sind wir doch Deutscher Meister in Sachen Arbeitslosigkeit. Sicher haben wir deshalb auch das Kfz-Kennzeichen "DM".

Frau Merkel forderte anläßlich des 20. Jahrestages der Konterrevolution die Gleichbehandlung der Menschen in Ost und West. An wen stellt sie diese Forderung. An mich? An sich selbst jedenfalls nicht. Dabei ist sie seit fast 20 Jahren in gehobenen Positionen und hätte sich schon mal um diese Aufgabe kümmern können. Sie wolle Deutschland dienen, sagt sie und meint Großbanken und Konzerne, deren Bosse ich gerne das kapitalistische "Politbüro" nenne.

Ich bin dem leider viel zu früh verstorbenen Günther Schmidt aus Neubrandenburg heute noch unendlich dankbar dafür, daß er mich mit dem "RotFuchs" vertraut gemacht hat. Dieses Blatt ist für mich nicht nur Orientierung, sondern sorgt auch für einen klaren Kopf. Darum will ich mich in Zukunft verstärkt dafür einsetzen, der Volksverdummung durch die Gewinnung neuer Leser entgegenzuwirken.

Heinz Behrendt, Demmin


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Der britische Feldmarschall Montgomery sagte einst, die Geschichtsschreibung sei "der zweite Triumph der Sieger über die Besiegten".

Was man uns früheren DDR-Bürgern in den letzten Monaten an Lügen und Schauermärchen über unsere einstige Republik zugemutet hat, übersteigt alles Dagewesene. Wir wurden einem beispiellosen antikommunistischen Trommelfeuer ausgesetzt. Das war kein maßvoller Umgang mit der Geschichte der DDR. Deshalb ist das Maß bei uns voll.

Die Mauern zwischen uns und den Kapitalisten werden niemals fallen, soviel auch von "Mauerfall" die Rede ist.

Generalmajor a. D. Dr. Dieter Lehmann, Dresden


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Eine Ergänzung zum Extra-Beitrag "14 weiße Staaten gegen Rußland" (RF 142):

Im Januar 1918 traf der Diplomat und Spezialagent des britischen Kriegsministeriums, Bruce Lockhart, in Petrograd ein. Sein Auftrag lautete, formell Beziehungen mit der Sowjetregierung anzuknüpfen und gleichzeitig die in ihren Reihen bestehende Opposition zu fördern. Der Rat der Volkskommissare befand sich Anfang 1918 in einer sehr schweren Lage. Die Deutschen hatten ihr Ziel, den jungen Sowjetstaat zu zerschlagen, noch nicht aufgegeben.

England und Frankreich unterstützten insgeheim die gegenrevolutionären Streitkräfte, die sich im Norden und Süden Rußlands zu sammeln begannen. Zu dieser Zeit tauchte in Petrograd eine Person auf, die Lockhart später so beschrieb: "Sidney Reilly, die geheimnisvollste Figur des britischen Geheimdienstes, Englands Meisterspion." Reilly wurde bald zum inspirierenden Kopf aller Verschwörungsaktivitäten gegen den Sowjetstaat.

Die stärkste antibolschewistische Kraft Rußlands war damals die von Boris Sawinkow geführte Partei der Sozialrevolutionäre. Reilly und Sawinkow verbündeten sich gegen Sowjetrußland. Ihr Plan: Die weißgardistischen Generale Denikin, Judenitsch und Koltschak sollten Moskau von allen Seiten angreifen. Dort wollte man mit Hilfe der Sozialrevolutionäre die Mitglieder der Sowjetregierung verhaften und Lenin ermorden. In ausgewählten Städten sollten Aufstände angezettelt werden, wobei westliche Interventionstruppen und Japan im Osten zur Invasion bereitstehen würden. So gingen die Verschwörer vor: Die lettischen Schützen oder die Kreml-Garde unter Jan Bersin sollten für das Komplott gewonnen werden. Die Ermordung des deutschen Botschafters, die Anzettelung eines Generalstreiks in Moskau, die Festsetzung Dzierzinskis in der Hochburg der Verschwörer, der Anschlag auf den Petrograder Tscheka-Chef Uritzki und das Attentat auf Lenin wurden beschlossen.

Genaueres kann man aus meinem neuen Buch "Gen Osten", das im Februar 2010 erscheint, erfahren.

Helmut Wagner, Berlin


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Ich bin Mitglied des RF-Fördervereins und nehme seit mehreren Jahren an den Treffen der GRH-Arbeitsgruppe Grenze teil. So auch am 24. Oktober in der "Giebelseehalle" von Petershagen. Dort kam es bekanntlich zu einem Eklat, über den in der Presse berichtet wurde. Diese Veranstaltung ist mir Anlaß, mich an bewährte Kampfgefährten zu erinnern und die Hoffnung zu hegen, daß wir uns wieder enger zusammenschließen. In der Überzeugung, daß der RF auch von solchen ehemaligen Grenzern gelesen wird, die ich aus den Augen verloren habe, wäre ich für die Veröffentlichung meiner Bitte dankbar: Ich suche Angehörige des 2. Zuges/Einheit Liebaug/OHS "Rosa Luxemburg"/Jahrgang 1967-1970. Bitte meldet Euch bei mir unter der Telefonnummer 037207/52366.

Berndt Großer, Hainichen


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Auf einer Zusammenkunft ehemaliger DDR-Grenzer in Petershagen hat Egon Krenz gesagt: "Hier sitzen jene, die dafür gesorgt haben, daß es am 9. November 1989 zu keiner Katastrophe kam. Das war eine weltpolitische Leistung."

Nach Schabowskis Pressekonferenz mit der bewußt irritierenden Erklärung, jeder könne ab sofort und zu jeder Zeit die Grenze zur BRD und zu Westberlin ohne besonderen Grund passieren, war ein Ansturm voraussehbar, gerade in Berlin. Die DDR-Grenzsoldaten standen wie immer auf ihren Posten und wurden von der Entwicklung überrascht. Hätte nur einer die Nerven verloren, wäre es zu einem Fiasko gekommen. Allein durch das umsichtige Handeln der Grenztruppen wurde das verhindert. Sie sind die Helden des 9. November 1989.

Wilfried Steinfath, Berlin


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Den Grenzern der DDR ist es zu verdanken, daß aus dem kalten nicht der heiße Krieg geworden ist. Auf der Westseite der "Mauer" hatten sich unzählige Reporter von Funk und Fernsehen plaziert, um die von ihnen erhofften Zwischenfälle live ausschlachten zu können. Ihre Enttäuschung war groß, als nichts dergleichen geschah. Dennoch ließ es sich Herr Knabe nicht nehmen, noch einmal auf die angeblich schießwütigen Grenzsoldaten hinzuweisen.

Dieter Kramp, Grevesmühlen


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Schaben sind schon ziemlich unangenehm. Aber seit Maibrit Illners Sendung vom 5. November kenne ich ein Exemplar in Menschengestalt, das dem Publikum vorgeführt wurde. "Maueröffner" Günter Schabowski erklärte dort, der Untergang der DDR sei "folgerichtig" gewesen. Der Renegat bezeichnete deren Ende als "einen Behördenfehler", wobei er dem Politbüro, zu dem er gehörte, "Behördenstatus" zusprach. Die DDR hätte den durch ihn verpaßten Sargnagel verdient gehabt. Schabowski meinte, in den 20 Jahren seit 1989 zu der Erkenntnis gelangt zu sein, daß Sozialismus unmöglich sei. Welch ein Scharlatan und Karrierist!

Hans Rolf Besser, Berlin


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Im "Nordmagazin" sah ich einen Beitrag zu den Ereignissen von 1989 in Neubrandenburg. Man zeigte den 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Johannes Chemnitzer bei seiner Rede auf dem Karl-Marx-Platz. Dann ließ der SED-Überläufer Gerhard Stoll seine Weisheiten ab. Stoll wurde als Aktivist des "Neuen Forums" zum Chefeinpeitscher wilder Forderungen. Später verschwand er von der politischen Bühne. Nach ihm stellte Hans-Jürgen Schulz seine Sicht der Dinge dar. Er behauptete, das "Neue Forum" habe Chemnitzer bei dieser Veranstaltung vor den Massen schützen müssen. Ich bin als damaliger 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Neubrandenburg nicht von seiner Seite gewichen. Natürlich gab es hitzige Diskussionen mit Genossen Chemnitzer, denen er nicht auswich. Doch zu keinem Zeitpunkt hätte er geschützt werden müssen. Mit Schulz ging also die Phantasie durch. Er schilderte eine Situation, wie sie das "Neue Forum" gerne gehabt hätte. Es war ein Verdienst beider Seiten, daß es bei der hier erwähnten Kundgebung nicht zu tätlichen Auseinandersetzungen kam.

Helmut Timm, Groß Nemerow


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Im Mai 2009 stellte Kanzlerin Merkel in ihrer BRD-Jubiläumsrede fest: "Ich möchte die Gelegenheit dazu nutzen, auch denen zu danken, die auf der Seite der Staatsmacht standen und im entscheidenden Augenblick nicht zur Waffe gegriffen haben." Welch Glück hatten doch die Unzufriedenen und Demonstranten von 1989 im Vergleich mit der kapitalistischen Gegenwart! Hier ist es üblich, daß bei gewaltlosen Protesten der Globalisierungsgegner mit Brutalität von der Polizei zugeschlagen wird, wobei in der Regel Tote und Blessierte auf den Straßen zurückbleiben. In Kühlungsborn wurden friedliche Demonstranten wie Tiere in Käfige gesperrt, und heute noch laufen Entschädigungsklagen der Wasserwerfer-Opfer. Wem da kein Licht aufgeht, wie unterschiedlich doch die Staatsmacht in der DDR 1989 und in der BRD heute mit der Unzufriedenheit umgehen kann, dem ist nicht mehr zu helfen!

Unterdessen hat die Überwachung das Orwellsche Modell des totalen Staates bereits überholt. Kameras schauen uns nicht nur auf Straßen und Plätzen zu, sondern auch schon in den Fahrstühlen, Toiletten und vielleicht sogar im Schlafzimmer.

Dr. med. Gerd Machalett, Siedenbollentin


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Beim NDR traten im Rahmen der verlogenen "Mauerfall"-Kampagne Menschenhändler mit Schlips und Kragen oder von adligem Geschlecht auf, um über ihre kriminellen Taten in höchsten Tönen zu berichten. Die Moderatorin konnte sich vor Begeisterung kaum noch halten und wollte immer mehr aus ihren Gesprächspartnern herauskitzeln. Ich frage mich besorgt, wohin die Verdummung der Menschen noch führen soll.

In Afghanistan bringen Soldaten der BRD wehrlose Menschen um, während sich hierzulande von der Polizei geschützte Neonazis die Straßen erobern.

Dagegen erhebe ich als Vorsitzender einer Ortsgruppe der Volkssolidarität und eines Seniorenclubs energischen Protest.

Klaus Hilmar Luckau, Aschersleben


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Eine Bemerkung zu dem Beitrag "Wahl-Farce in Kabul" (November-RF). Der Ruf nach mehr Truppen sowie die Suche nach einer neuen Strategie für Afghanistan bestätigen das Scheitern des bisherigen Einsatzes der NATO. In vielen Bezirken des Landes am Hindukusch herrscht weiterhin große Not. Die Zahl der Toten und Verletzten nahm nach den Truppenverstärkungen bei allen Konfliktparteien ständig zu.

Trotz zahlloser Wahlfälschungen und einer geplatzten Stichwahl der Präsidentenbewerber mißlang der Versuch, die korrupte Regierung in Kabul "demokratisch" zu legitimieren. Man fragt sich: Wofür setzen bundesdeutsche Soldaten immer noch ihre Gesundheit und ihr Leben in Afghanistan ein?

Oberst a. D. Joachim Wolf, Strausberg


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Da ich im Rollstuhl sitze, habe ich viel Zeit zum Denken und Schreiben. Nach dem Regierungswechsel bewegt mich sehr die Androhung einer privaten Pflichtversicherung.

Ich war bis zu Schröders Schweinereien seit 1956 Mitglied und Funktionär der SPD. Da ich als ehrlicher Mensch unter die Erde kommen möchte, habe ich diesen "Radfahrerverein" verlassen.

Karl-Heinz Volck, Berlin


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Politisch ereignisreiche Monate liegen hinter uns, vier Jahre Merkel als Kanzlerin vor uns. Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient. Und alle Parteien sind mit ihren Stimmenanteilen für "Leistungen im Wahlkampf" belohnt worden. Was allerdings die CDU angeht, so trifft das nicht zu. Hier hatten die Medien den Part der Hauptwahlkampfzentrale übernommen. Die Kanzlerin, die kein einziges brennendes Problem praktisch zu lösen vermochte, wurde von ihnen zum politischen Schwergewicht hochstilisiert. Genauso verhielt es sich 2002 bei Schröder.

Nach den gesellschaftlichen Zuständen im Osten hätte die Linkspartei eigentlich das Doppelte ihrer Stimmenzahl bekommen müssen. Übrigens habe ich versuchte Kontaktbemühungen zu deren Führungsleuten eingestellt. Ich hatte ihnen aufgrund meiner Recherchen als Mitarbeiter einer linken Leipziger Zeitung Analysen und Überlegungen für die politische Auseinandersetzung zugeleitet oder teils sogar persönlich übergeben. Doch es erfolgte keinerlei Reaktion, obwohl "Engagement" angeblich sehr erwünscht ist. Meine Vorstellung vom Mitwirken ist eine andere! Das muß ich mir nicht länger antun. Wer die Meinung vertritt, man sollte gegen Kapitalisten mit Glacéhandschuhen und Knallerbsen vorgehen, wird ewig "zweiter Sieger" bleiben.

Joachim Spitzner, Leipzig


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Als langjähriger und begeisterter Leser des RF möchte ich einen roten Bruder tief im Westen mit einem Heft überraschen. Da ich die Ausgaben aber sammle, bitte ich um ein zweites Exemplar.

Der "RotFuchs" ist nicht nur für geschundene "DDR-Seelen" Trost und Nahrung. Er ist in der Konzeption und deren konsequenter Ausführung einzigartig und hat rein gar nichts mit der bundesdeutschen Streit- und Diskussionsunkultur zu tun. Er hebt sich wohltuend von jedem anderen Presseerzeugnis in diesem Lande ab.

Rudi Otterstein, Berlin


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Im "RotFuchs" lag eine Karte von Spotless zum kostenlosen Erwerb des Buches "Wahrheiten über Gorbatschow". Da mich derartige Themen brennend interessieren, habe ich mir die Broschüre sofort bestellt und auch schon erhalten, wofür ich danke. Es wäre aber bittere Ironie, dem Verlag nun mitzuteilen, dieses Buch sei sein Geld wert gewesen.

Jürgen Förster, Dresden


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Ich beziehe den "RotFuchs" regelmäßig und möchte Euch ganz herzlich dafür danken. Die Zeitschrift erhellt mein sonst doch eher trübes Dasein am Rande der BRD-Gesellschaft. Ich wünsche Euch weiterhin viel Kraft und eine stetig wachsende Leserschaft.

Steffen Gnährich, Berlin


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Der Beitrag "Jugendgeweiht und konfirmiert" von Jürgen Förster (RF 141) hat mich stark berührt. Auch er belegt die Tragik des "Auseinanderdividierens" durch die benannten "verantwortlichen Genossen".

Der christliche Glaube ist in der Tat voll und ganz Privatsache. So, wie es in der DDR-Verfassung verankert war. Und das selbst vor dem Hintergrund einer verhängnisvollen Kirchenpolitik durch die Jahrhunderte als integrierender Bestandteil der Klassengesellschaft! Maßstab kann allein die Wahrhaftigkeit des Glaubens auch an die Werte und Ideale des Sozialismus sein. Bedarf es dazu noch einmal des Erinnerns an die großartigen Darlegungen Wolfgang Mäders im Februar-RF?

Peter Löw, Mittweida


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Dickbrettbohrer sind das beste Mittel gegen Leute mit einem dicken Brett vor dem Kopf. Deshalb suchen und brauchen wir dringend Dickbrettbohrer.

Ruth Beutelspacher, Taufkirchen


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In dem Beitrag "Kein Respekt vor Obrigkeiten" (November-RF) verwendet Herbert Meyer ein in diesem Zusammenhang durchaus zutreffendes Zitat, das jedoch den Anfang eines in der Nazizeit entstandenen und auch von der Bundeswehr übernommenen Wehrmachtsliedes darstellt (siehe Liederbuch der Fallschirmjäger aus dem Jahre 1983 sowie Volks- und Soldatenlieder, herausgegeben vom Bayerischen Soldatenbund, 2002).

Heinz-Joachim Reiß, Berlin


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All das, was wir in der schulischen und beruflichen Entwicklung zu DDR-Zeiten über den Kapitalismus gelernt haben, ist bittere Realität geworden. Ich bin stolz und froh, im ersten Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Boden gelebt und gearbeitet zu haben.

Als relative "Jungleserin" des RF danke ich der Redaktion und den vielen von Klassenpositionen ausgehenden Autoren für ihre aufklärende Arbeit.

Uschi Henkel, Bernau


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Es ist wieder eine Wohltat, Euren - unseren - "RotFuchs" zu lesen. Ich erfahre es zur Zeit hautnah, also am eigenen Leibe, was es bedeutet, in der vielgepriesenen "freiheitlich-demokratischen Grundordnung" zu leben. Als Kraftfahrer bin ich auf Arbeitssuche.

Wann gehen die Bürger dieses Staates endlich wieder auf die Straße, um gegen die ungerechten Verhältnisse aufzustehen? Gründe gäbe es genug!

Da tut es einfach gut, den "RotFuchs" zu bekommen. Danke, daß es Euch gibt!

Frank Sterzinger, Potsdam


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Klaus Baunack stellt im November-RF unter dem Titel "Keinen Bock aufs Wählen" Vergleiche zwischen der über uns gekommenen kapitalistischen Diktatur und dem Leben in der DDR an. Seine Aussagen zu mindestens 17 unbestreitbaren Tatsachen haben mir sehr gefallen. Sie sind klar, eindeutig und für jeden Denkenden verständlich. Nachdem die Medien uns in den letzten Monaten mit Geschichten über den "Mauerfall" zugemüllt haben und Jubelfeiern überall organisiert wurden, hilft diese sehr konkrete Gegenüberstellung mir bei Diskussionen, das Bild über die DDR zurechtzurücken. Als besonders wichtig erachte ich das Weitergeben unserer Erfahrungen an die Nachgeborenen. Als 83jähriger habe ich eine Chronik meines Lebens in der DDR geschrieben, für die sich die Enkel bereits interessieren.

Josef Grohmann, Klitten


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Meine Gedanken zum RF würde ich mit der Überschrift "Beispielhaft" versehen. Jeder Beitrag offenbart einen klaren Klassenstandpunkt, den ich leider selbst in meinem ND oft vermisse. (Ich weiß, daß das nicht mehr unsere Parteizeitung ist.) Ganz besonders gefällt mir die Rede von Rolf Berthold zum 60. Gründungstag der DDR. Es müßte möglich sein, dieses reichhaltige Material vielen jüngeren Menschen zukommen zu lassen. Die Rede ist die richtige Antwort an Frau Merkels Hetztiraden.

Sehr gefallen mir im "RotFuchs" auch Artikel zu Kuba, Vietnam, China und den lateinamerikanischen Ländern. Es bewegt mich seit Jahren sehr, daß meine führenden Genossen bei Auftritten jeglicher Art nicht alle Argumente einsetzen, die zur Verfügung stehen. Oder wagen sie es nicht?

Ihr bringt fast als einzige noch solche klaren Aussagen, hinter denen alle Menschen, die ich kenne, stehen.

Heinz Lier, Leipzig


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In Dresdens Altmarktgalerie feierte man am 3. Oktober "20 Jahre Deutsche Einheit". 20 Erdkugeln mit dem Mittelpunkt BRD empfingen die Besucher. Tausende kommen täglich dorthin, aber keinem fiel auf, daß erst 19 Jahre seit dem Anschluß vergangen sind. Oder vielleicht doch 20?

Ich erinnere mich an den Besuch Helmut Kohls 1989 an der Frauenkirche. Es herrschte eine eigenartige Stimmung. Plötzlich sah ich Fahnen, erst vereinzelt, dann immer mehr: Schwarz-Rot-Gold ohne Emblem, alle neu, einheitliche Größe, gleiche Fahnenstangen. Wo gab es bei uns einen Betrieb, der das in solcher Kürze herstellen konnte? Ist denn niemandem aufgefallen, daß die Geschichte organisiert war?

Am Dresdner Verkehrsmuseum hielt ein Transporter. Davor standen zwei Männer. Ein anderer kam vom Neumarkt mit einer Gruppe Jugendlicher. Die Hintertür des Wagens wurde geöffnet, und die Gruppe erhielt zwei Fahnen, mit denen sie zur Kundgebung zog. Dann kam eine weitere Gruppe. Einzelpersonen folgten. Alle wurden "ausgerüstet". Im Wagen waren noch Transparente gestapelt, die aber nicht ausgegeben wurden. Wahrscheinlich waren sie für einen anderen Termin bestimmt. Das Nummernschild begann mit "M - ...". War das die Einheit?

Karlfried Apostel, Dresden


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Eine der Grausamkeiten der bürgerlichen deutschen Regierungen ist die gezielte Schaffung von Kinderarmut. Durch die Kombination von Arbeitslosigkeit, Hartz IV und Sozialhilfe haben viele Familien und Alleinerziehende keine Chance, dauerhafter Armut zu entkommen. Unter solchen sozialen Bedingungen leiden die schulischen Leistungen der Kinder. Hinzu kommt, daß ein Teil der Eltern resigniert. Das Ergebnis ist eine Schicht mangelhaft aufs Leben vorbereiteter Jugendlicher ohne Ausbildung und Berufsperspektive. Darin besteht ja das Ziel dieser perversen Strategie. Ich nenne sie Klassenkampf von oben. Denn die in Armut gehaltenen Menschen greifen nach jedem Strohhalm. Sie bieten sich als Söldner der NATO-Strategen, als Billigarbeitskräfte und Lohndrücker für die Konzerne an, als Diener und Putzen der Reichen, als Prostituierte, als Dealer... Nicht selten entlädt sich ihre Verzweiflung, angespornt durch die tausendfachen Gewaltdarstellungen der Medien, in Aggression und brutaler Gewalt. Massenhaftes persönliches Leid, Schäden für das Gemeinwesen und das Zusammenleben der Menschen sind die Folgen. Hinzu kommt der volkswirtschaftliche Ausfall, weil Lehrstellen wegen ungenügender Schulbildung nicht besetzt werden können und begabte Kinder als wissenschaftliche Kader verlorengehen. Deshalb ist es höchste Zeit, dieser Entwicklung entgegenzutreten. Neben dem politischen und gesellschaftlichen Einsatz gegen Armut jeder Art muß besonders den betroffenen Kindern und deren Eltern geholfen werden, ihre Perspektivlosigkeit zu überwinden. Kinder brauchen Bildung und sinnvolle Freizeit, damit sie die künftige Gesellschaft als fähige und solidarische Bürger mitgestalten können.

Füreinander dasein, sich gegenseitig ermutigen und helfen, keinen zurücklassen - das ist der Klassenkampf von unten, um den sozialen Terror der Herrschenden zu zerbrechen und zu überwinden. Es ist die Lebensweise von morgen.

Johannes Dressler, Zechlinerhütte


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Die mir plausibelste Erklärung für die geradezu psychopathisch anmutende Kampagne zur Diskreditierung der DDR noch lange nach ihrem Untergang hat der Kommunist, Antifaschist, Mitkämpfer der KP Chinas, Verfolgter der Hexenjagden McCarthys in den USA Gerhart Eisler bereits 1961 geliefert. Bei einem Jugendforum in Berlin sagte der Vorsitzende des Staatlichen Komitees für Rundfunk und Fernsehen der DDR: "Die in Deutschland Herrschenden, nicht zuletzt die Bourgeoisie, haben im 20. Jahrhundert zwei schwere Niederlagen hinnehmen müssen. Sie verloren sowohl den ersten als auch den zweiten von Deutschland angezettelten Weltkrieg. Aber sie haben sich beide Male davon relativ schnell wieder erholen und ihre Herrschaft bewahren können.

Aber eine von ihnen als Höchststrafe angesehene Folge konnte die Bourgeoisie nicht abwenden. Sie verlor ein Drittel ihres ursprünglichen Machtbereiches an die deutschen Kommunisten und mußte zähneknirschend die Gründung eines sozialistischen deutschen Staates in Gestalt der DDR hinnehmen.

Dies haben sie nie verwunden, werden es auch nie vergessen. Vielmehr werden sie, von Revanchegeist getrieben, diesen sozialistischen deutschen Staat mit allen Mitteln bekämpfen, um sich das verlorene Herrschaftsgebiet wieder einzuverleiben ..."

Eberhard Fensch, Usedom

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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2010