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ROTFUCHS/118: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 164 - September 2011


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

14. Jahrgang, Nr. 164, September 2011



Inhalt
DDR-Geschichte: nicht "verbrannt und abgehakt"
Bravo, "junge Welt"!
Wird Europa germanisiert?
Der Adler über dem Kasernentor
Neue Sichten und alte Sichtblenden
Krupp und Krause werden kein Paar!
Marxismus für Einsteiger: Hegemonie der Arbeiterklasse
Karl Liebknecht aufs Podest!
Als es im Ruhrpott brodelte
Politischer Streik auf Zeche "Caroline"
Regisseur Rudi Kurz: Hans Beimler lebt!
Beim Geld ist Schluß mit lustig -
Zur Privatisierungspolitik des Berliner Senats
Rastloser Ratscho Ratschew
Kochs antikommunistisches Süppchen
Mißtöne im brandenburgischen Konzert
Täves bravouröser Antritt
Messerscharfer Erich Buchholz
Zur Falschauslegung von DDR-Recht
Laufpaß für "Staatsnähe"
Ein Salto mortale rückwärts
Der Mauerbau in den Köpfen -
Hysterisches aus der Historischen Kommision
RF-Extra - Fritz Teppich: Jude und Kommunist
RF-Extra - MdB Christine Buchholz: Nicht in unserem Namen!
Der NATO-Aggression gegen Tripolis Einhalt gebieten!
Wer stand Allende zur Seite?
Santiagoer Museum "vergißt" Solidarität der DDR
Obamas Pyrrhussieg
Wo sich Räuber als Gendarmen verkleiden
Der Internationale Strafgerichtshof
90 Jahre KP Südafrikas
Erster Linkssieg in der Wahlgeschichte Perus
Wladimir Majakowskis Verse waren "Kampftruppen der Revolution"
Tampere beherbergt Finnlands Lenin-Museum
Marx-Engels-Forscher in China: Eike Kopf
Im Banne der "Bärenbande" - Hessisches Plädoyer für DDR-Jugendliteratur
Ein links engagierter Literat: Erasmus Schöfer
"Alpenglühen mit Hirsch"
Ein Wiedersehen mit Klara Schabbels Sohn
Aus Kischs Reporter-Schule: Jan Koplowitz
Wie Archie "gleiche Augenhöhe" suchte
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Marx contra Rothschild

Karl Marx und Baron Rothschild waren Juden. Der eine entdeckte mit dem Mehrwert das Wesen des Kapitalverhältnisses und die Grundlage der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Der Clan des anderen, der bis 1901 in Deutschland operierte und dann von London und Paris aus die koloniale Expansion Englands und Frankreichs vorantrieb, war und ist das Kapital selbst. Schon daraus wird ersichtlich, daß es die Juden ebensowenig gibt wie die Deutschen, die Japaner, die Brasilianer oder die Sudanesen. Zwischen Marx und Rothschild klafft ein Abgrund. Sie stehen sich auf der sozialen Barrikade als Feinde gegenüber.

Für Kommunisten und Sozialisten gibt es keine nationale Frage ohne Klasseninhalt.

Unser Internationalismus beruht nicht auf "allgemein menschlichen Werten" oder dem spontanen Bedürfnis, "die ganze Welt zu umarmen". Er ist eindeutig klassenkonturiert.

Nicht ohne Grund spricht man seit den Tagen des Kommunistischen Manifests vom proletarischen Internationalismus. Im übertragenen Sinne "umarmen" wir die Arbeiter und andere Ausgebeutete aller Länder, streben wir deren Vereinigung über Sprachbarrieren und nationale Schranken, Hautfarben- und Rassenunterschiede hinweg an, wollen aber mit der Bourgeoisie und den übrigen Ausbeutern weder im eigenen Land noch anderswo etwas zu tun haben. Unser Kampf, der immer Klassenkampf ist, richtet sich weltweit gegen die Feinde des Proletariats. Dabei ist eines klar: Wir verabscheuen jede Form von Chauvinismus und Rassismus, von nationaler Ignoranz und Arroganz.

Deshalb stehen wir in der vordersten Reihe des Widerstandes gegen faschistoide Ideologien wie Antisemitismus und Antiislamismus, die sogar Kreise erfaßt haben, welche sich selbst als "rot" bezeichnen. Warum duldet die SPD den Protagonisten des Ausländer- und Rassenhasses Thilo Sarrazin in ihren Reihen, ganz abgesehen von den "Wertkonservativen", unter denen Leute dieses Schlages Legion sind? - Bei der Benennung von Schuldigen an Völkermordverbrechen kommt es stets auf Exaktheit an. Auschwitz war kein "deutscher Genozid", sondern eine Ausgeburt der faschistischen Herrschaftsform des Kapitalismus in Deutschland, das Massaker im südvietnamesischen My Lai keine isolierte Untat "der Amerikaner", sondern der Amoklauf vertierter Söldner im Dienste des Monopolkapitals der Vereinigten Staaten.

Andererseits retteten deutsche Kommunisten und andere Antifaschisten das jüdische Buchenwald-Kind, das sich "nackt unter Wölfen" befand, vor der physischen Vernichtung.

Niemand von uns bestreitet - nach all dem, was geschehen ist - das gleichberechtigte Existenzrecht des Staates Israel und eines Palästinenserstaates, dessen auch von "westlicher Seite" heuchlerisch befürwortetes Entstehen bisher durch diese verhindert worden ist. Eine Gesundung der politischen Lage in der Region erfordert die entschiedene Zurückweisung der rassistischen Ideologie des zeitgenössischen Zionismus.

Wer stellt eigentlich die gravierende Tatsache in Rechnung, daß Araber - also auch die durch Israel drangsalierten und in Gaza ghettoisierten Palästinenser - wie die Juden Semiten sind? Das, was in und um Gaza geschieht, ist daher ein antisemitisches Verbrechen, für das Israels Staatsführung die Verantwortung trägt. Anders ausgedrückt: Die fanatischsten Antisemiten findet man derzeit im Kabinett Netanjahu, das wir in keiner Weise mit dem jüdischen Teil der Bevölkerung Israels gleichsetzen. Dabei gilt unser solidarischer Gruß den Juden und Arabern in den Reihen der KP Israels sowie allen Antirassisten im Lande. - Angesichts dieses Sachverhalts muß gefragt werden, was es mit der sogenannten Antisemitismus-Entschließung der PDL-Bundestagsfraktion, die einer starken Minderheit oktroyiert wurde, auf sich hat. Offensichtlich erfolgte dieser Beschluß unter massivem Druck einer in der Linkspartei inzwischen einflußreichen und keineswegs auf BAK Shalom beschränkten prozionistischen Israel-Lobby. Deren Wortführer versuchen in zunehmendem Maße die PDL von ihrem bewährten Friedenskurs abzubringen. Die von der Parteibasis überwiegend zurückgewiesene und daher bereits taktisch veränderte "Antisemitismus-Resolution", zu der es wegen der klaren Haltung der PDL in dieser Frage keinerlei Veranlassung gab, war nichts anderes als ein Ausdruck prinzipienlosen Zurückweichens vor der aggressiven Unverfrorenheit mit ultradeutschen Leitkultur-Anhängern gespickter anderer Fraktionen des Hauses. Als besonders schmählich erwies sich dabei das Einknicken in Sachen "Gaza-Flottille", die 2010 unter Beteiligung beherzter Abgeordneter der Linksfraktion dringend benötigte Hilfsgüter nach Palästina gebracht hatte und das auch 2011 tun wollte. Manche fragen sich, ob der Berliner US-Botschafter hier seine Hand im Spiel gehabt haben könnte. Das Internetportal Wikileaks hatte vor geraumer Zeit eine durch ihn nach Washington gesandte Notiz über ein Gespräch des Diplomaten mit dem PDL-Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi ins Netz gestellt.

Kehren wir zum Ausgangspunkt zurück: Den Antisemitismus als eine auf dem Boden des Kapitalismus wuchernde Ideologie im Marxschen Sinne wirksam schlagen zu wollen, hat die entschlossene Attacke auf die Rothschilds zur Voraussetzung.

Klaus Steiniger

Raute

DDR-Geschichte: nicht "verbrannt und abgehakt"

Die DDR besteht seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr, viele ihrer einstigen Bürger aber sind noch am Leben. Etliche Zeitzeugen wehren sich gegen eine übermächtige Fronde der Geschichtsklitterer. Sie betreibt in Medien und Institutionen, mit Hilfe von Gruselkabinetten, Wanderausstellungen und Propagandakampagnen unablässig Gehirnwäsche, wobei sie an Klischees anknüpft, welche sich schon in Nazitagen "bewährt" hatten. Solcherlei antikommunistische Abrichtung verfolgt das Ziel, die vierzig Jahre DDR als Chronik eines "Unrechtsstaates" ohne Unterlaß "aufzuarbeiten". Zwei Enquete-Kommissionen des Bundestages haben sich bereits in diesem Sinne um die "Deutungshoheit deutscher Geschichte" bemüht.

Die PDL - obwohl ihre PDS-Komponente ursprünglich selbst aus Teilen der SED hervorging - scheint das Thema DDR-Geschichte für ihre strategielose Tagespolitik als drittrangig zu betrachten. In ihren Augen ist dieses Kapitel historisch "verbrannt und abgehakt". Die bekannte Hamburger Publizistin Susann Witt-Stahl warnte in der durch sie maßgeblich profilierten Zeitschrift "Hintergrund" (Nr. 1/2011): "Die LINKEN ... arbeiten an ihrer eigenen Abschaffung und ziehen in ihrer Denkfabrik, die sie mit dem Namen Rosa Luxemburgs versehen haben, normalisierte Intellektuelle heran." Damit dürften Leute wie Stephan Grigat, Udo Wolter oder Sebastian Voigt gemeint sein - subtilere Verfechter der durch F.A. von Hayek ersonnenen "Totalitarismus-Doktrin". Diese war schon einmal - und zwar um 1968 - in den Schulen der BRD massiv zum Einsatz gelangt, wobei man der These folgte: "Wem die Geschichte gehört, dem gehört die Zukunft."

Eine dringliche politische Aufgabe konsequent linker Kräfte müßte daher unter folgenden zwei Aspekten unverzüglich in Angriff genommen werden:

Erstens geht es darum, die Geschichte der DDR aus marxistischer Sicht wissenschaftlich exakt zu analysieren, um positive wie negative Erfahrungen ihres Verlaufs zu erfassen und jegliche Geschichtsfälschungen aufzudecken. Dabei muß das Selbstverständnis der damals Handelnden und der heute davon Kenntnis Erlangenden gefestigt werden. Ein in sich geschlossenes Bild der internationalen Arbeiterbewegung, zu der die deutsche gehört, setzt unentbehrliches Grundwissen bei sozialistischkommunistischen Kräften sowohl heute als auch in Zukunft voraus.

Zweitens muß eine Kritik der Historiographie zur DDR-Geschichte erarbeitet werden, die einerseits bürgerlich-gegnerische Interpretationen des abgelaufenen Prozesses bis hin zu ihren vulgärsten und unwissenschaftlichsten Ausformungen in der Manier des vordergründigen Antikommunismus erfaßt und untersucht, andererseits aber auch die bislang verstreuten und oftmals nur punktuell festgehaltenen Ergebnisse sozialistischer Geschichtsforschung systematisiert und ordnet. Dazu zählen aus meiner Sicht nicht zuletzt die Zeitzeugenbeiträge im "RotFuchs" und anderen linken Presseorganen sowie in Monographien.

Besonders aufschlußgebend ist in diesem Zusammenhang auch der Aspekt ideologischer und personeller Kontinuität im Wirken gewisser antikommunistischer Akteure und ihrer Denkmodelle. Sie beginnt oftmals im faschistischen 3. Reich und setzt sich über die westdeutsche Bundesrepublik in der Ära des Kalten Krieges bis zur sogenannten Nachwendezeit fort. Kundige Historiker hätten da ein weites Betätigungsfeld.

Eines scheint mir inzwischen geklärt zu sein: Ohne Preisgabe der UdSSR durch die Renegaten-Clique um Gorbatschow gäbe es die sozialistische Staatengemeinschaft Europas und damit auch die DDR vermutlich noch heute. Doch unter den in der zweiten Hälfte der 80er Jahre entstandenen Bedingungen hätten sich auch eine zum Positiven veränderte SED und eine lernfähigere DDR nicht halten können, nachdem der deutsche Arbeiter-und-Bauern-Staat vom einstigen "großen Bruder" de facto fallengelassen worden war. Um so wichtiger ist die Untersuchung der eigenen Defizite und Fehlentwicklungen aus marxistischer Sicht.

Von Interesse sind in diesem Zusammenhang auch Äußerungen bürgerlicher Wissenschaftler wie der Lüneburger Autorin Dr. Carola Rudnick: "... Der politische Einfluß auf das Ende der DDR und die Auflösung ihrer Apparate war größer als angenommen. ... Die 'friedliche Revolution von unten' fand so nicht statt." Rudnick bemängelt "vielfach einseitige Lesarten des Herbstes 1989 und ... das Dominieren antikommunistischer Stimmen".

Wird das jetzt vorherrschende reaktionäre Geschichtsbild weiterhin in den Medien unangefochten durchgesetzt, dann geht im Massenbewußtsein jeder Anflug einer Hoffnung auf menschenwürdige sozialistische Alternativen und Zukunftsmodelle vorerst verloren. Der Imperialismus hat sich aber bei seinen Bestrebungen zur Erringung der Weltherrschaft und - im BRD-Falle - der Vorherrschaft in Europa buchstäblich "überfressen", wodurch er in einen seine Existenz bedrohenden Krisenstrudel geraten ist. In einer solchen Situation muß es die Pflicht marxistisch denkender und politisch aktiver linker Kräfte sein, ein in sich geschlossenes Bild der Geschichte unserer Jahrhundertkämpfe für Frieden, Menschenwürde und eine bessere Gesellschaftsordnung auf der Grundlage des Historischen Materialismus zu erarbeiten.

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg

Raute

Bravo, "junge Welt"!

Wir beglückwünschen die "junge Welt" - seit dem 13. August das Flaggschiff der linken Tagespresse in der BRD - zu ihrem mit Standhaftigkeit und Witz gepaarten Bekennermut. Vor Eurer imponierenden Aufmachung an jenem Großkampftag der Hetzer und Heuchler ziehen wir den Hut!

Politische Klarheit und Würde, Klassenbewußtsein in Zeiten der Niederlage und revolutionäre Prinzipientreue werden sich auszahlen - auch im Zustrom neuer Abonnenten und neuer Mitglieder der Genossenschaft!

Die jW konstrastiert scharf mit dem Bild, das andere bieten. Wir meinen nicht allein jene, deren alle bisherigen Dimensionen sprengende Haßausbrüche gegen die angeblich mausetoten Kommunisten und Sozialisten Tag für Tag den Beweis liefern, daß sie uns nicht erschlagen haben. Nicht weniger schlimm als die offenen Klassengegner sind die Feinde in den eigenen Reihen, die uns das Messer in den Rücken stoßen. Wir meinen damit das wehleidige Gewinsel und das wütende Gekläff der Eingeknickten, Abschwörenden, sich selbst in Frage Stellenden, die Nachahmer der kleinen Schabowskis und die Anbeter jener Knäblein, die für die schmutzige Ausbeuterwelt den "Stürmer" abgeben.

Lest und stärkt die "junge Welt" - da steht nicht nur Sozialismus drauf, da ist auch welcher drin!

Das RF-Kollektiv

Raute

Wie die BRD den 2. Weltkrieg mit "zivilen" Waffen doch noch gewinnen will

Wird Europa germanisiert?

Der Euro-Raum wird von der Euro-Krise durchgeschüttelt. Mehrere Mitgliedsstaaten, besonders Griechenland, bewegen sich trotz aller "Hilfspakete" weiterhin am Rande des Staatsbankrotts - aber "Deutschlands Konzerne brillieren", stellte das "Handelsblatt" fest. Mit Lohndumping und befristeten Arbeitsverträgen, mit niedrigen Lohnstückkosten schufen sie sich gegenüber ihren EU-Partnern bedeutende Wettbewerbsvorteile. Die Ökonomie etlicher Partnerländer wurde regelrecht an die Wand gespielt, deren heimische Produktion nicht selten vom Markt verdrängt. Die deutschen Konzerne erzielten so im vergangenen Jahrzehnt Exportüberschüsse von über 10 Billionen Euro. Logischerweise bedeutete dies zugleich zunehmende Auslandsverschuldung bei den EU-Partnern.

Mit dem 17 Staaten umfassenden EU-Währungsraum hat sich das deutsche Kapital einen Binnenmarkt vor der eigenen Haustür geschaffen. Rund 40 Prozent seines Exports gehen in die Mitgliedsländer.

Supergeschäfte verzeichneten auch die Banken der BRD. Die Deutsche Bank strich in ihrem Kerngeschäft im ersten Quartal dieses Jahres wiederum 3,5 Milliarden Euro Gewinn vor Steuern ein. Bis zum Jahresende sollen es 10 Milliarden Euro werden. Das Schuldengeschäft zahlt sich für die Gewinner der Krise, für die Großbanken, aus. Das Krisenmanagement des IWF, der EU-Zentrale und der deutschen Bundesregierung gestaltete sich zu einer enormen Umverteilung von Steuergeldern an private Banken.

Die weltweiten Gesamtschulden sollen nach Schätzungen von Hedge Fonds auf 200 Billionen Dollar angewachsen sein. Sie "übertreffen damit die globale Wertschöpfung um fast 400 Prozent". Ein nicht geringer Teil dieser finanziellen Last entfällt auf Länder des Euro-Raums.

In hiesigen Massenmedien wird immer wieder der Eindruck erweckt, als erhielten "die Griechen" die Milliarden-Rettungspakete. Tatsächlich gehen diese Mittel an die Banken, damit sie ihre profitbringenden Geschäfte weiter abwickeln können. Der "Rettungsfonds" für Griechenland trägt dazu bei, daß sich die Verschuldung des Landes weiter vertieft. Vor allem aber: Die Gewährung der Kredite ist an härteste Sparauflagen gebunden.

Für weitere Länder des Euro-Raums wie Portugal, Spanien und Irland wurde ebenfalls ein Rettungsschirm aufgespannt. Italien könnte ihnen bald folgen.

Die deutsche Bundesregierung, Interessenvertreterin der Konzerne und Großbanken, betätigt sich als Zuchtmeister. "Ja, Deutschland hilft, aber Deutschland hilft nur dann, wenn sich die anderen wirklich anstrengen, und das muß nachgewiesen werden", verkündete Frau Merkel. In ungezügeltem Populismus, mit Unterstellungen und Unwahrheiten operierend, verlangt sie von den arbeitenden Menschen in den Partnerländern, daß sie sich künftig mit weniger Urlaub, weniger Lohn und einem späteren Renteneintrittsalter abfinden. Ihre Forderungen sind von nationalistischen Tiraden vor allem der deutschen Boulevardpresse begleitet. Griechen und Angehörige anderer Völker werden als arbeitsunwillig hingestellt. Sie seien privilegiert, weil sie mit deutschen Steuergeldern hochgepäppelt werden müßten. Die Wahrheit ist OECD-Angaben zu entnehmen So gehen beispielsweise Portugiesen und Spanier bedeutend später in Rente als Deutsche. Die Arbeitszeit ist in Portugal, Griechenland, Spanien und Frankreich zum Teil beträchtlich länger als in der BRD. Auch bei Urlaubsregelungen stößt man auf ein ähnliches Bild.

Inzwischen beginnen in Hellas die von Frau Merkel verlangten "deutschen Prinzipien" zu greifen.

Über 200.000 Griechen haben in den vergangenen Monaten ihre Arbeit verloren. Bei im öffentlichen Dienst Beschäftigten sind gravierende Gehaltskürzungen erfolgt. Eine sogenannte Solidaritätssteuer auf Nettoeinkommen und eine Kopfsteuer für Freiberufliche sollen erhoben werden. Weitere Abgabenerhöhungen sind geplant. Staatseigentum wird systematisch verscherbelt. Das betrifft u.a. die Telefongesellschaft OTE, den neuen Athener Großflughafen, eine Reihe kleinerer Airports, die Staatsbahn, die Häfen Piräus und Thessaloniki, Gaswerke, Grundstücke, Wohnungen ...

Deutsche Unternehmen gehören zu den Aufkäufern. Der Bundesverband der Deutschen Industrie drängt dabei auf Tempo. Ein "Treuhand-Regime" wird empfohlen. Deutsche "Berater" werden angeboten.

Die Sparmaßnahmen bewirken eine Verminderung der Reallöhne und damit der Kaufkraft der Bevölkerung, eine Reduzierung der Staatseinnahmen sowie höhere Sozialausgaben und nicht zuletzt ein erhöhtes Staatsdefizit. Das Land wird in den ökonomischen Abgrund getrieben. Betroffen sind dadurch aber auch die deutschen Exportmöglichkeiten. Die Euro-Krise wird verschärft, die Spaltung der EU weiter vertieft.

Mit dem von der machtbesessenen deutschen Bundeskanzlerin verfolgten Ziel, einen "Euro-Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" und perspektivisch eine "Wirtschaftsregierung" für den Euro-Raum zu installieren, sollen für alle EU-Mitglieder die genannten "Prinzipien", also auf deutsch die "Agenda 2010", Gesetz werden. Die "Frankfurter Allgemeine" schrieb über Frau Merkels Forderungen: "Zuerst will sie ihren Pakt für Wettbewerbsfähigkeit durchsetzen, der für die meisten EU-Partner nach deutschem Diktat schmeckt, weil er den Euro-Raum Deutschland ähnlicher machen soll." Der Generalsekretär der portugiesischen Gewerkschaftszentrale CGTPIntersindical, Carvalho da Silva, konstatierte, die deutschen Forderungen widerspiegelten die "Haltung eines puren Kolonialismus". In Medien verschiedener Staaten ist von einer "Germanisierung Europas" die Rede. Der deutsche Imperialismus baut seine Vorherrschaft im gesamten EU-Raum auf Teufel komm raus weiter aus. Politische Beobachter gelangen zu dem Schluß, daß er den 2. Weltkrieg offenbar doch noch gewinnen wolle, wenn auch diesmal im wesentlichen mit "zivilen" Waffen. Was den Charakter der Vereinigten Staaten von Europa - heute nennen sie sich EU - betrifft, so hat bereits Lenin darauf verwiesen, daß eine solche Konstruktion "unter kapitalistischen Verhältnissen entweder unmöglich oder reaktionär" ist.

Prof. Dr. Georg Grasnick

Raute

Bei Bad Reichenhalls Fallschirmjägern gelten die Nazi-Symbole weiter

Der Adler über dem Kasernentor

Heute tragen Kasernen der Bundeswehr noch immer Namen faschistischer Generäle. Nehmen wir als Beispiel dafür den Komplex der Gebirgsjäger in Bad Reichenhall, der am 13. Juni 1966 nach Hitlers General Rudolf Konrad benannt wurde. Wer war dieser Mann?

Konrad nahm bereits als Offizier am 1. Weltkrieg teil. Er setzte seine Karriere über die Bayerische Armee, die Reichswehr und die Wehrmacht ohne Unterbrechung fort. 1935 war er der erste Kommandeur des in Bad Reichenhall neu aufgestellten Gebirgsjäger-Regiments 100. Mit dieser Einheit nahm Konrad am faschistischen Vernichtungsfeldzug gegen die UdSSR teil und gelangte bis zur Krim. In seinem Befehlsbereich ging er rigoros gegen Partisanen vor. Da wurden gnadenlos ganze Ortschaften abgefackelt.

Der General war wegen seiner Härte und Rücksichtslosigkeit gefürchtet. Im Dezember 1941 wurde Konrad von Hitler zum Kommandierenden des XXXXIX. Gebirgskorps ernannt. Wenige Tage nach seinem Aufstieg erklärte er: "Dem Führer und seinem Werk gehören unsere ganze Hingabe. Wir wollen es hüten und siegreich durch das neue Jahr zum Heile Deutschlands tragen."

1943, als in Auschwitz und anderswo die Gaskammern der Krematorien zur "Endlösung der Judenfrage" auf Hochtouren liefen, stellte Konrad fest: "Die Juden sind unser Unglück."

Hitlers Generäle haben nicht nur Greueltaten an der Bevölkerung der okkupierten Länder zu verantworten, sondern auch - wie heute in Afghanistan - die eigenen Leute rücksichtslos geopfert. Und dennoch tragen Kasernen der Bundeswehr ihre Namen.

In einer Festschrift "25 Jahre Gebirgsjäger-Bataillon" vom 4. Juli 1982 heißt es über den Namenspatron der Kaserne in Bad Reichenhall: "Mit der Benennung wurde ein Mann geehrt, der hervorragend die Tugenden in seiner Person vereinigte, die den soldatischen Führer ausmachen - hoher Persönlichkeitswert, umfassender Geist, militärisches Können und tiefe Menschlichkeit."

Lob über Lob wird da auf einen faschistischen Mordbrenner gehäuft. Schließlich haben 600 einstige Kameraden des Generals aus Wehrmacht und Waffen-SS am 7. Oktober 1955 im Lager Friedland folgenden Eid öffentlich abgelegt: "Vor dem deutschen Volke und den Toten der deutschen und sowjetischen Wehrmacht schwören wir, daß wir nicht gemordet, nicht geschändet und nicht geplündert haben. Wenn wir Leid und Not über andere Menschen gebracht haben, so geschah das nach den Gesetzen des Krieges."

Die Beteiligung der Wehrmacht an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit muß nicht bewiesen werden. Der Militärhistoriker Wolfram Wette bezeichnet daher den Eid von Friedland als kollektiven Meineid.

Allein das äußere Bild der Konrad-Kaserne erinnert an finsterste Zeiten der deutschen Geschichte. Auf der Frontseite eines zweistöckigen Gebäudes neben der Wache sind vier Soldaten abgebildet. Zwei tragen Trommeln, die beiden anderen Karabiner. Die Kleidung dieser überlebensgroßen Gestalten ist keine Bundeswehruniform. Ihren Dreß "ziert" auf der rechten Brustseite ein sattsam bekannter Adler. Es handelt sich um Soldaten der faschistischen Wehrmacht. Die hier Diensttuenden marschieren überdies täglich unter einem etwa zwei Meter hohen, seine Schwingen ausbreitenden Adler hindurch. Das überkommene Symbol hält einen Kranz in den Krallen. Aus taktischen Gründen hat man dort das Hakenkreuz durch ein Gebirgsjäger-Edelweiß ersetzt. Doch der große Raubvogel kann seine Herkunft nicht verleugnen.

Ich frage mich, welcher Geist in einer Truppe herrschen muß, die jeden Tag zu Dienstbeginn mit solchen Symbolen begrüßt wird.

Wilfried Steinfath, Berlin

Geschrieben am 22. Juni 2011 - dem 70. Jahrestag des hitlerfaschistischen Überfalls auf die Sowjetunion.

Raute

Zur Ausstellung "Die Polizei im NS-Staat" im Deutschen Historischen Museum

Neue Sichten und alte Sichtblenden

Nach mehr als 65 Jahren wird von BRD-Historikern im Auftrag der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster eine längst überfällige Aufarbeitung der Rolle der Polizei im Dienste des faschistischen Herrschaftssystems vorgenommen. Die Schau ist eindrucksvoll.

Als mit der Materie vertrauter einstiger Untersuchungsführer bei Nazi- und Kriegsverbrechen beschloß ich, mir die Ausstellung mit wachen Augen anzusehen. Ich möchte im folgenden wesentliche Aussagen der Exposition wiedergeben. Nach mehr als 60 Jahren sei es an der Zeit, "sich mit der Polizeigeschichte des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen", wurde betont. Warum erst jetzt?

Die Vergangenheit der Polizei halte für deren Zukunft viele Lehren bereit, hieß es. In der Tat. Ich denke nur daran, welche Erfahrungen die bundesdeutsche Polizei bei der Ausbildung von Polizisten in Kosovo und Afghanistan, bei der Verfolgung von Antifaschisten, Atomkraft- und Globalisierungsgegnern, beim Einsatz gegen "Stuttgart 21"-Widersacher und bei der Anwendung von "Antiterrorgesetzen" im Innern benötigt.

Die meisten der "alten Kameraden", welche in die Polizei und andere Machtorgane der BRD trotz ihrer Vergangenheit als Nazipolizisten, SS- und Gestapoverbrecher übernommen wurden, sind inzwischen verstorben. Sie haben ihre "Erfahrungen" an zwei Generationen des Polizeinachwuchses weitergegeben. Heute muß auf sie nicht mehr Rücksicht genommen werden. Das gestattet den Ausstellungsmachern die Grundaussage: "Die Polizei war ein zentrales Herrschaftsinstrument des NS-Regimes. Von seinen Anfängen bis zu seinem Untergang konnte es sich auf die Polizei stützen. Die Ausstellung zeigt, daß nicht nur die Gestapo, sondern auch die Kriminalpolizei und die uniformierte Polizei die politischen und weltanschaulichen Gegner des NS-Staates verfolgten, zunächst im Inneren und ab 1939 auch in den eroberten Gebieten.

Alle Sparten der Polizei waren am Völkermord beteiligt, an der Unterdrückung des Widerstandes und der Verschleppung von Zivilisten zur Zwangsarbeit. Diese Verbrechen verübten Polizisten, die mehrheitlich in der Weimarer Republik, einem demokratischen Rechtsstaat, ausgebildet wurden. Nur wenige von ihnen mußten sich für ihre Taten nach 1945 vor Gericht verantworten. Viele konnten in der Bundesrepublik ihre Karrieren im Polizeidienst fortsetzen."

Eigentlich ist dem nicht viel hinzuzufügen, außer der Tatsache, die von den Kuratoren der Ausstellung "vergessen" wird, daß dies in der DDR längst bewiesen und publiziert worden ist, so im Braunbuch "Nazi- und Kriegsverbrecher in der BRD" und auf Pressekonferenzen Albert Nordens. Auch nach 1989 meldeten sich dazu Historiker, Juristen, Polizisten und ehemalige Angehörige des MfS mündlich und schriftlich zu Wort. Auf ihren Sachverstand griff man in der Ausstellung nicht zurück.

Die Gestalter faßten auch die Frage ins Auge, wie mit den Tätern aus der faschistischen Polizei in beiden deutschen Staaten nach 1945 verfahren wurde - allerdings mit verstelltem Blick auf die DDR. Man erfährt zu wenig über jene, welche als schwerbelastete Nazi- und Kriegsverbrecher in der BRD zahlreich weiterverwendet und vor Strafe geschützt wurden. Lapidar heißt es: "Nach 65 Jahren besteht die Möglichkeit, die letzten Täter zur Verantwortung zu ziehen, kaum mehr ­..." Aber diese Möglichkeit bestand ja in der BRD von Beginn an, wenn deren staatliche Führung nur gewollt hätte. Adenauer forderte schon 1951 im Bundestag, man solle "endlich mit der Nazischnüffelei aufhören". Um von eigenen Versäumnissen und bewußten Unterlassungen bei der Verfolgung belasteter Nazipolizisten in der BRD abzulenken, wird das Vorgehen der DDR gegen solche Täter, die verdeckt auf ihrem Territorium lebten, also nicht in den Westen geflüchtet waren, gezielt diskreditiert. Es wird behauptet, die Ahndung der Verbrechen sei in beiden deutschen Staaten durch Unterlassungen charakterisiert gewesen. Allerdings hätten westdeutsche Gerichte 6.700 Personen, ostdeutsche 12.000 Personen verurteilt.

In Vorbereitung auf meinen Ausstellungsbesuch hatte ich aus der Urteilssammlung von Prof. Rüter (Universität Amsterdam) über in BRD und DDR verurteilte Naziverbrecher eine Liste mit den Namen von 40 ehemaligen Angehörigen der SS-Polizei zusammengestellt, die allein zwischen 1960 und 1989 in der DDR zur Verantwortung gezogen wurden. Kurator Andreas Mix, dem ich das Dokument übergeben hatte, rollte es zusammen und erklärte mir, er bleibe in Kenntnis dieser Urteile bei seiner in der Ausstellung geäußerten Meinung über die "lasche DDR-Verfolgungspraxis". Ich bemängelte ihm gegenüber, daß DDR-Zeitzeugen aus der DVP wie der Buchautor und jahrzehntelanger Mitarbeiter des Innenministeriums General Karl-Heinz Schmalfuß in der Ausstellung nicht zu Wort gekommen seien. Vor 1965 wurden die meisten Ermittlungen gegen faschistische Verbrecher von der Deutschen Volkspolizei geführt. Das interessierte Mix überhaupt nicht. Für ihn war allein das MfS Herr über alle Verfahren dieser Art.

Und dieses habe keine systematische Verfolgung von NS-Verbrechen betrieben. Wenige ausgewählte Fälle hätten allein Propagandazwecken gedient, um zu beweisen, daß die DDR das bessere Deutschland gewesen sei, in dem NS-Verbrechen konsequent geahndet wurden.

Mix kehrt somit die Fakten gegen die DDR um. Demgegenüber bescheinigte ihr Prof. Rüter, daß sie besser, gründlicher und in mehr Fällen NS-Täter verfolgt habe als die BRD.

Übrigens erhielt die DDR von der BRD nur ausnahmsweise belastendes Material über Nazitäter, da es keinen Rechtshilfevertrag gab. Andererseits leistete sie der BRD in entsprechenden Verfahren Rechtshilfe. Skandalös ist, daß von der DDR-Justiz zu langjährigen Freiheitsstrafen oder zu lebenslänglicher Haft verurteilte NS-Verbrecher nach 1989 aus "Gesundheits- oder Altersgründen" auf freien Fuß gesetzt und mit Versorgungsrenten bedacht wurden.

"... Erst nach dem Abtreten früherer NS-Polizisten, institutionellen Demokratisierungsprozessen und einem gründlichen Wandel des gesellschaftlichen Umgangs mit der NS-Vergangenheit konnte sich eine andere Auffassung durchsetzen. Inzwischen sind die Verbrechen der anderen die eigenen geworden und der NS-Terror zu einem historischen Erbe der deutschen Kriminalpolizei, das die gefährlichen Entwicklungspotentiale moderner Sicherheitsapparate vor Augen führt", lautet das Eingeständnis der Ausstellungsmacher.

Major a. D. Reiner Stenzel, Berlin

Raute

Krupp und Krause werden kein Paar!

Der Dresdner Historiker Prof. Dr. Horst Schneider setzt mit seinem neuen Buch "Artikel 23 - kein Anschluß unter dieser Nummer" ein weiteres Stop-Schild gegen Hetze und antikommunistische Verteufelung der DDR. Wer eine sachliche und wissenschaftlich fundierte Analyse der deutschen Geschichte nach 1945 sucht, findet sie hier. Der Autor hat sich oftmals und vielerorts ganz persönlich in deren Abläufe eingemischt und sie auf seine Weise mitgestaltet. Er weiß also, wovon er spricht, und ergänzt eigene Erfahrungen mit exakten historischen Angaben, die unwiderlegbar sind.

Horst Schneider bleibt nicht nur ein verläßlicher Chronist, sondern vertritt auch einen Standpunkt, den Goethe einst so formuliert hat: "Aufrichtig zu sein, kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht." Für ihn steht eines fest: "Mit einem 'Zusammenwachsen' der Krupps und der Krauses wird es nichts." Zugleich fordert er seine Leserschaft im Sinne eines auf Johann Gottlieb Fichte zurückgehenden Wortes zur Tat auf: "Und handeln sollst du so, als hinge von dir und deinem Tun allein das Schicksal ab der deutschen Dinge, und die Verantwortung wär dein."

Bei einer Grundthese seines Buches zitiert Horst Schneider den SPD-Politiker Egon Bahr: "Geschichte kennt keine Stunde Null." Jedes historische Ereignis hat also eine Vorgeschichte, Vieles hängt mit vielem anderen zusammen. Diese Zusammenhänge beleuchtet zu haben, ist die besondere Stärke der verdienstvollen Arbeit des Autors. Wer hingegen Tatsachen aus dem Zusammenhang herausreißt oder nach Gutdünken wegläßt, hat von Geschichte nichts begriffen.

Für DDR-Bürger ruft Schneiders Buch so manches, was fast in Vergessenheit geraten war, wieder ins Gedächtnis zurück. Wollen wir nicht, daß die Menschheit in der Barbarei versinkt, dann müssen wir dafür sorgen, daß dieser reiche Erfahrungsschatz nicht untergeht. Daher sollte "Artikel 23 ..." Pflichtlektüre in deutschen Schulen werden. Das aber kann dauern. Bis es soweit ist, sollten wir mit Kindern und Enkeln zumindest darüber reden.

Prof. Dr. Wolfram Triller, Dresden

Horst Schneider. Artikel 23 - kein Anschluß unter dieser Nummer,
auruspress, Dresden, 2011, ISBN: 978-3-940183-07-1, 9,90 €

Raute

Marxismus für Einsteiger - Hegemonie der Arbeiterklasse

Hegemonie - zu deutsch: Führungsrolle - der Arbeiterklasse, das war zu Zeiten von Marx und Engels noch eine Frage der Zukunft: "Die arbeitenden Klassen sind notwendigerweise ein Instrument in der Hand des Bürgertums, solange das Bürgertum selber revolutionär oder progressiv ist. Die besondere Bewegung der arbeitenden Klassen ist deshalb in diesem Fall stets nur von sekundärer Bedeutung. Aber von dem gleichen Tage, ... an dem das Bürgertum aufhört, progressiv und revolutionär zu sein, und selber stationär wird, von dem gleichen Tage an übernimmt die Bewegung der Arbeiterklasse die Führung und wird zur nationalen Bewegung." (MEW, Bd. 2/S. 580) Engels schrieb, auf ein Heine-Gedicht anspielend: "Kämpft ... nur mutig fort, ihr gnädigen Herren vom Kapital! Wir haben euch vorderhand nötig, wir haben sogar hie und da eure Herrschaft nötig, ... ihr sollt bankettieren im königlichen Saal und die schöne Königstochter freien, aber vergeßt es nicht - 'Der Henker steht vor der Türe.'" (MEW, 4/502 f.)

Der Versuch des Pariser Proletariats im Jahre 1848, "sein Interesse neben dem bürgerlichen durchzusetzen", mußte damit enden, "daß es die rote Fahne vor der trikoloren fallen ließ". (MEW, 7/20 f.) Marx und Engels traten jedoch unbeirrt allen Bestrebungen entgegen, die Arbeiterbewegung in einer einzigen großen Oppositionspartei aufgehen zu lassen, "die alle Schattierungen in der demokratischen Partei umfaßt", um ... "die Arbeiter in eine Parteiorganisation zu verwickeln, in der die allgemein sozialdemokratischen Phrasen vorherrschend sind ... und in der die bestimmten Forderungen des Proletariats um des lieben Friedens willen nicht vorgebracht werden dürfen". (MEW, 7/248)

Der Imperialismus verändert die Lage radikal. Jetzt wird die Hegemonie unverzichtbar; die Arbeiterklasse kann und muß an die Spitze des Kampfes treten. Lenin schrieb: "Ein siegreicher Ausgang der bürgerlichen Revolution in Rußland ist nur als revolutionär-demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft möglich." (LW, 11/340) Diese Macht müsse zunächst Umgestaltungen durchführen, die noch keineswegs sozialistisch seien.

Das war die Konsequenz aus der bereits 1905 in "Was tun?" entwickelten Forderung, die Partei sei verpflichtet "vor dem ganzen Volke die allgemein demokratischen Aufgaben darzulegen und hervorzuheben, ohne auch nur einen Augenblick unsere sozialistischen Überzeugungen zu verheimlichen". (LW, 5/440) Hegemonie der Arbeiterklasse, "das ist ihre (und ihrer Vertreter) politische Einwirkung auf die anderen Elemente der Bevölkerung im Sinne der Reinigung ihres Demokratismus (falls Demokratismus vorhanden ist) von undemokratischen Beimischungen, im Sinne der Kritik an der Beschränktheit und Kurzsichtigkeit jedes bürgerlichen Demokratismus ..." (LW, 17/63) Lenin weiter: "Solange darum der Kapitalismus besteht, ist es eine ständige Aufgabe des 'Hegemons', den Ursprung (von) Privilegien und ­... Unterdrückung zu erklären, ihre Klassenwurzeln aufzuzeigen, ein Beispiel des Kampfes gegen sie zu liefern, die Verlogenheit der liberalen Kampfmethoden aufzudecken usw. usf." (LW, 17/65) Diese Hegemonie ist nicht einfach als "führende Rolle der Partei" zu übersetzen. Beide sind miteinander eng verflochten, deckungsgleich sind sie nicht. Die Hegemonie muß auch im Gesamtprozeß der sozialistischen Revolution immer wieder errungen werden. Lenin stellte fest: "Wer eine 'reine' soziale Revolution erwartet, der wird sie niemals erleben. Der ist nur in Worten ein Revolutionär, der versteht nicht die wirkliche Revolution. ... Die sozialistische Revolution in Europa kann nichts anderes sein als ein Ausbruch des Massenkampfes aller und jeglicher Unterdrückten und Unzufriedenen. Teile des Kleinbürgertums und der rückständigen Arbeiter werden unweigerlich an ihr teilnehmen - ohne eine solche Teilnahme ist ein Massenkampf nicht möglich, ist überhaupt keine Revolution möglich -, und ebenso unweigerlich werden sie in die Bewegung ihre Vorurteile, ihre reaktionären Phantastereien, ihre Fehler und Schwächen hineintragen." (LW, 22/364) Verlust der Hegemonie führt, auch wenn man zuvor siegreich war, in den Untergang.

Prof. Dr. Götz Dieckmann

Raute

Sebastian Haffner nannte ihn den "mutigsten Mann Deutschlands"

Karl Liebknecht aufs Podest!

Wird schon Rosa Luxemburg heute kaum noch erwähnt, weil ihre Aussage "Sozialismus oder Barbarei" nicht in das Propagandaschema paßt, so trifft das auf Karl Liebknecht in noch stärkerem Maße zu. Doch gerade jetzt gewinnt die Erinnerung an seinen Kampf gegen den Militarismus besondere Bedeutung. Am 2. Dezember 1914 stimmte er als einziger Sozialdemokrat im Reichstag gegen die Bewilligung der Kriegskredite. "Einer hat dennoch sein Antlitz über den Krieg erhoben, und es wird einst leuchten in der Schönheit und der Bedeutung seines Mutes", schrieb der französische Schriftsteller Henri Barbusse 1916 in seinem Roman "Das Feuer". Sebastian Haffner nannte ihn den mutigsten Mann Deutschlands.

Damals war die SPD noch in der Opposition und nicht wie fast 90 Jahre später in Regierungsverantwortung, als sie zusammen mit den Grünen die Teilnahme an der Aggression gegen Jugoslawien beschloß.

Karl Liebknecht wurde vor 140 Jahren, am 13. August 1871, in Leipzig geboren. Sein Vater Wilhelm Liebknecht hatte 1869 zusammen mit August Bebel wesentlichen Anteil an der Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP). Karl besuchte das Gymnasium in Leipzig und studierte dann von 1890 bis 1893 Rechtswissenschaften und Nationalökonomie an den Universitäten Leipzig und Berlin. 1897 promovierte er an der Universität Würzburg. Seit 1899 betrieb er mit seinem älteren Bruder Theodor in Berlin ein Anwaltsbüro.

Für Karl Liebknecht, Mitglied der SPD seit 1900, wurde der Kampf gegen den Militarismus sehr bald zu einem seiner Hauptbetätigungsfelder. Noch im gleichen Jahr geißelte er auf sozialdemokratischen Versammlungen die neuen deutschen Flottenrüstungen und die internationale "Strafexpedition" mit deutscher Beteiligung gegen China. In einer Rede am 11. Oktober 1900 im Lokal "Feldschlößchen" in Pankow wandte er sich gegen den "Hunnenfeldzug", wie der blutige Krieg in China nach der berüchtigten Rede Wilhelms II. genannt wurde. "Es ist eine gewaltsame Verdrehung der Tatsachen, wenn die Chinapolitik damit begründet wird, China der Kultur erschließen zu wollen. Die Chinesen besitzen eine jahrtausendealte Kultur", sagte er am 11. November in einer Rede im Leipziger Pantheon: "Für eine gewaltsame Invasion läßt sich kein Recht ableiten ... Die eigentliche Absicht der Kapitalisten ist es nicht, die Kultur auszubreiten, sondern auf alle mögliche Art Profit zu machen."

Karl Liebknecht wies darauf hin, daß "auch gegen die deutsche Reichsverfassung "rein hunnenmäßig" vorgegangen worden sei. Die Entsendung deutscher Truppen und Schlachtschiffe zur Niederwerfung des Aufstandes, die Erhöhung der Truppenstärke und schließlich die Finanzierung der Aggression erfolgten verfassungswidrig ohne vorherige Budgetbewilligung seitens des Reichstages. Das Beste wäre es, meinte Liebknecht, wenn bei Beginn seiner Sitzungen jedem Mitglied der Regierung auf Staatskosten ein Exemplar der Verfassung zugestellt würde. Das war zu viel. Der überwachende Beamte entzog ihm das Wort.

Seine Ansichten zu dieser Thematik legte Karl Liebknecht vor allem in der Schrift "Militarismus und Antimilitarismus unter besonderer Berücksichtigung der internationalen Jugendbewegung" dar, die im Februar 1907 erschien. Die Herrschenden erkannten schnell die Gefahr, die von dieser Broschüre ausging. Sofort nach ihrem Erscheinen verlangte der preußische Kriegsminister von Einem strafrechtliche Konsequenzen. Am 9. Oktober 1907 begann vor dem Reichsgericht in Leipzig der Prozeß gegen Liebknecht. Das Urteil lautete: ein Jahr und sechs Monate Festungshaft.

Am 29. Juli 1911 klagte Liebknecht in einer Volksversammlung in Karlsruhe die Kriegsprovokation der deutschen Militaristen in Marokko an. Es seien kapitalistische Gesellschaften (Mannesmann und Krupp), zu deren Nutzen man jetzt die deutsche Flotte mobilisiere, die gepanzerte Faust schüttele und im Begriff sei, die Brandfackel des Krieges in die Welt zu schleudern.

In seiner Reichstagsrede am 18. April 1913 wies er nach, daß die Krupps jahrelang Regierungsbeamte sowie Offiziere aus Heer und Marine bestochen hatten. Je patriotischer sich das Kapital gebärde, um so vaterlandsloser sei es. Die Rüstungsproduzenten gäben ihre Lieferungen, "überall hin, wo am besten bezahlt wird, gleichviel, ob späterhin die Waffen, die dorthin geliefert werden, gegen die deutsche Armee benutzt werden".

Ungeachtet aller Drangsalierungen setzte Karl Liebknecht auch während des Krieges seinen antimilitaristischen Kampf fort. Am 7. Februar 1915 wurde er zum Militärdienst einberufen und trat ihn am 15. März als Armierungssoldat in Lothringen an. Am 5. März 1915 hatte er noch an der illegalen Zusammenkunft in der Wohnung Wilhelm Piecks, die zur Bildung der Spartakusgruppe führte, teilgenommen. Im Zusammenhang mit dem Kriegseintritt Italiens verfaßte Karl Liebknecht im Mai 1915 das Flugblatt "Der Hauptfeind steht im eigenen Land!" Das deutsche Volk müsse den Imperialismus, die deutsche Kriegspartei und die deutsche Geheimdiplomatie bekämpfen.

Ein Höhepunkt des Kampfes von Karl Liebknecht war sein Auftritt am 1. Mai 1916 auf dem Potsdamer Platz in Berlin. Als er "Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!" rief, verhafteten ihn Polizisten. Am 18. Juni 1916 wurde er zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Seinen Mut konnte das indes nicht brechen. Am 23. Oktober 1918 erzwang die Novemberrevolution seine Freilassung. Am 9. November rief er vom Balkon des Berliner Schlosses die freie sozialistische Republik aus. Er kämpfte unermüdlich für die Weiterführung der Revolution.

Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wurden im Dezember zu Mitbegründern der Kommunistischen Partei Deutschlands. Beide fielen am 15. Januar 1919 dem Terror der konterrevolutionären Soldateska zum Opfer.

Am Tag seiner Ermordung erschien Liebknechts letzter Artikel in der "Roten Fahne": "Himmelhoch schlagen die Wogen der Ereignisse - wir sind es gewohnt, vom Gipfel in die Tiefe geschleudert zu werden. Aber unser Schiff zieht seinen geraden Kurs fest und stolz dahin bis zum Ziel. Ob wir dann noch leben werden, wenn es erreicht wird - leben wird unser Programm; es wird die Welt der erlösten Menschheit beherrschen. Trotz alledem!"

Dr. Kurt Laser, Berlin

Raute

1951 fand auf Zeche "Caroline" ein politischer Streik statt

Als es im Ruhrpott brodelte

Nach dem 1. Deutschlandtreffen 1950 in Berlin gründeten zwei FDJler - einer davon war ich - auf der Zeche "Caroline" in Bochum-Kornharpen die erste Betriebsgruppe des Jugendverbandes im Westen. Damals kam es immer wieder zu Diskussionen über die DDR und deren "offenbar ganz anderen" Bergbau. Wie leben die Kumpels dort?, wurde gefragt.

Im Herbst 1950 forderte dann Otto Grotewohl als DDR-Ministerpräsident: "Deutsche an einen Tisch!" Darüber debattierten auch die Kumpels unserer Schachtanlage, die zur Harpener Bergbau-AG gehörte. "Fahrt doch hin und schaut Euch an, wie 'arm' die Bergleute drüben sind", sagten wir den Zweifelnden und vom Klassengegner Beeinflußten. Eines Tages war es dann soweit. Man wählte eine zehnköpfige Delegation von Junghauern, die in die DDR reisen sollte, um sich an Ort und Stelle umzusehen. Als es aber konkret wurde, teilte die Verwaltung kurzerhand mit, der Urlaub sei gesperrt, da die Kohleförderung vorgehe. Angeblich seien 15 % der auf "Caroline" Beschäftigten ohnehin bereits krank, so daß man sich weitere Ausfälle nicht leisten könne.

Einer von uns antwortete darauf: "Wenn soviel Kumpels wegen Krankheit ausfallen, dann sind das die Folgen der Panzerschichten, der niedrigen Löhne und der hohen Preise. Diesen Raubbau hält doch der Gesündeste nicht aus. All das hängt mit der Aufrüstung und der Umstellung unserer Industrie auf Kriegswirtschaft zusammen." Darum sollten junge Westdeutsche in den Osten fahren, um die Wahrheit über das Leben ihrer Brüder und Schwestern dort in Erfahrung zu bringen.

Das Urlaubsverbot stellte sicher, daß nun auch alle anfangs Ausgewählten tatsächlich mitfahren wollten. Es gab niemanden, der einen Rückzieher machte. So traten die Kumpels trotz der Urlaubssperre ihre geplante DDR-Reise an. In Halle an der Saale, damals Hauptstadt des Landes Sachsen-Anhalt, nahmen sie zunächst an der ersten gesamtdeutschen Bergarbeiterkonferenz teil. Ein Mitglied der Bochumer Delegation wurde sogar ins Präsidium gewählt. Ein weiterer Höhepunkt war der Empfang durch die Landesregierung, bei dem sich Minister und Arbeiter am Tisch gegenübersaßen und lebhaft miteinander diskutierten. Unsere Jungen waren begeistert, obwohl inzwischen bekannt geworden war, daß man ihnen auf der Zeche fristlos gekündigt hatte.

Von Halle ging es direkt ins Braunkohlenrevier Senftenberg. In Lauchhammer und Welzow bekamen wir an Ort und Stelle vermittelt, wie die Bergleute in der DDR lebten, wer ihre Betriebsleiter waren und welche Rechte den Gewerkschaften in Fragen realer Mitbestimmung zustanden. Das war für uns etwas völlig Neues. Als die Gastgeber erfuhren, daß wir unsere Arbeitsplätze gerade verloren hatten, schickte man die Delegation noch für einige Tage in ein FDGB-Ferienheim bei Saalfeld, um den Kumpels angesichts der Repressalien seitens der Unternehmer den Rücken zu stärken.

Anfang März 1951 kehrte die von mir geleitete Delegation in den Ruhrpott zurück. Unser Bergarbeiterheim in Kornharpen glich nahezu einem Kriegsschauplatz. Zwei Überfallwagen mit 50 Polizisten tauchten auf, wobei man die Kumpels gewaltsam herausholte, obwohl das Amtsgericht Bochum eine einstweilige Verfügung zu ihrer Ausweisung aus dem Lager verweigert hatte.

Wo aber sollten sie jetzt bleiben? Das Wohnungsamt erklärte sich für machtlos, zumal auch die Bezirks- und Geschäftsstellenleitung der IG Bergbau die lästigen Störenfriede weghaben wollte. Doch die Solidarität der Arbeiter mit ihren gefeuerten Kollegen nahm von Tag zu Tag zu. So beschloß der zehnköpfige Solidaritätsausschuß einen ursprünglich nur für zwei Stunden angesetzten Warnstreik auf acht Stunden auszudehnen. Der Appell an die Kumpels wurde ein voller Erfolg: Die gesamte Morgenschicht fuhr nicht ein. In einer an die Verwaltung gerichteten Protesterklärung forderte sie die sofortige Wiedereinstellung aller Gemaßregelten. Zugleich protestierten die von den Repressalien Betroffenen gemeinsam mit dem KPD-Stadtrat Karl Kunold auf dem Wohnungsamt. Mit Entschiedenheit weigerten sie sich, ihre Einweisung in ein Quartier für sozial Entwurzelte zu akzeptieren.

Der Streik aber ging weiter. Die Polizei war nun mit drei Überfall- und einem Funkwagen bemüht, zusätzliche Einsatzkräfte heranzuholen. Im Arbeiterwohnheim verlangte sie, daß die Neubergleute ihre Zimmer verließen. Mehrere Beamte griffen mich brutal an, versetzten mir Schläge und warfen mich auf ein Polizeifahrzeug.

Doch die Betriebsleitung blieb hilflos. Tags darauf folgten noch mehr Kumpels dem Aufruf zur Fortsetzung des Streiks mit dem Ziel, die Wiedereinstellung aller Entlassenen zu erzwingen. Bald trafen Abgesandte der Schachtanlage "Engelsburg" bei uns ein und überreichten den Kämpfenden eine von 63 Jungbergleuten unterschriebene Solidaritätsbotschaft. Sie verlangten nicht nur unsere Rückkehr in den Schacht, sondern auch die Erstattung des Lohnausfalls. "Euer heutiges Schicksal kann schon morgen das unsere sein", hieß es in der Adresse.

Bis auf mich, den man als "Haupträdelsführer" aussonderte, wurden sämtliche Kumpels dann wieder eingestellt. Einige von ihnen traten nun der FDJ bei und stärkten deren Betriebsgruppe unter Peter Michael, der später Bochumer Kreissekretär des Jugendverbandes wurde.

Bei dem hier Geschilderten handelte es sich um den ersten politischen Streik in der Geschichte der BRD. Er besaß die Unterstützung von FDJ und KPD, die sich unter den antifaschistisch-demokratischen Kräften im Westen als die konsequentesten erwiesen. Sie forderten in dieser Phase unmittelbar nach der Gründung der BRD noch entschieden die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, was der damaligen Situation entsprach.

Bei der Verabschiedung des Grundgesetzes im Mai 1949 erklärte Max Reimann im Parlamentarischen Rat, die KPD sei nicht bereit, ein Dokument zu unterschreiben, das die Spaltung Deutschlands zementiere. Er betonte zugleich, daß seine Partei entschieden für die Verteidigung der im Grundgesetz verankerten Rechte eintrete. Es komme mit Gewißheit der Tag, an dem das Grundgesetz von seinen "Vätern" preisgegeben und durch die Kommunisten verteidigt werde.

Erich Schreier, Röthenbach an der Pegnitz

Raute

Der Regisseur eines unvergeßlichen Films ist sich dessen gewiß:

Hans Beimler lebt!

Es sollte eine Geburtstagsüberraschung für mich sein. Es wurde aber viel mehr als das: ein Blick in die fast ein Jahrhundert zurückliegende Vergangenheit. In die eigene, privateste Vergänglichkeit und die meiner engsten Familie.

Es war eine Zeitung, die unsere Freundin Elisabeth Ittershagen für mich ausgegraben hatte. "Die Rote Fahne", das Zentralorgan der noch jungen KPD, mit dem Datum 9. Mai 1921 - begründet von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die zu diesem Zeitpunkt bereits viehisch ermordet worden waren.

Es hat mich schon gerissen, als ich dieses traditionsreiche, fast ehrwürdige Blatt in Händen hielt, mit dem Datum meiner Geburt. Die ins Auge springende Schlagzeile hieß - als ob es heute wäre: WAS WOLLEN DIE KOMMUNISTEN?

Neugierig las ich weiter, alle andere Post zur Seite legend: "Wir wollen, daß die Arbeiterschaft in dieser ungeheuren Krise einen eigenen Willen hat, daß sie sich nicht mit geschlossenen Augen in den Abgrund reißen und nicht als blinde Herde in neue Kriegsabenteuer stürzen läßt. Wir rufen ihr zu: Zieht endlich den Schluß aus dem Bankrott der deutschen Bourgeoisie, sucht aus eigener Kraft den Ausweg!"

Wort für Wort von bestechender Aktualität! Sind diese Warnungen damals ergebnislos verhallt? Keineswegs!

Die Arbeiter wehrten sich. Aber sie zersplitterten ihre Kräfte. Auf den blutigen Krieg folgte die mißlungene Revolution. Ungewißheit und Zukunftsangst, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot prägten die Menschen.

Auch unsere Familie zerfiel in Zank und Streit. In diesem Jahr 1921 kehrte Onkel Emil als einer der letzten ehemaligen Kriegsgefangenen aus Rußland heim und war vom kommunistischen Bazillus infiziert, nachdem er auf seiten der Roten Armee an Kämpfen gegen die Weißen teilgenommen hatte.

Großvater blieb als SPD-Polizist der Ulan, der er immer war, und wollte mich in Treue zum Kaiser erziehen. Mein Vater kam von Verdun, wo er in den Schlachten seinen Gott verlor, als militanter Freidenker nach Hause.

Oma war selig, daß 1921, nach fast einem Dutzend Jahren, wieder der Deutsche Katholikentag stattfand, auf dem der päpstliche Nuntius Pacelli über "die Zersetzung durch den Sozialismus" wetterte. Dieser Würdenträger war der spätere Papst Pius XII., der Hitler durch seine Duldung und sein beredtes Schweigen Vorschub leistete und unerbittlich den Kommunismus bekämpfte. Oma legte damals die Hand auf mein Köpfchen und weihte mich im voraus schon zum Priester, der ich später werden sollte.

Adolf Hitler wurde im gleichen Monat zum alleinigen Führer der noch jungen NSDAP gewählt und in Italien Mussolini erneut zum Duce ernannt.

Im Fernen Osten wurde ein junger Mann mit Namen Mao Tse-tung Gründungsmitglied der KP Chinas.

Derweil warb Käthe Kollwitz mit ihren Plakaten für das hungernde Sowjetrußland, das aus allen Himmelsrichtungen bekämpft wurde.

Und noch etwas geschieht in diesen turbulenten und politisch stürmischen Tagen von 1921: Während die unheilvolle Mischung aus Patriotismus, Nationalstolz und wiedererwachendem Militarismus erneut an Attraktivität gewinnt, steht ein Mann vor Gericht, mit dessen Leben ich mich nach Jahrzehnten noch intensiv und mit großer Anteilnahme beschäftigen werde: Hans Beimler, angeklagt wegen Landes- und Hochverrats.

In seinem Schlußwort ruft er: "Das Blut von Millionen im Krieg gefallener Soldaten, das Blut von Arbeitern im November 1918, das Blut, das bei der Niederschlagung der Räterepublik - unserer Arbeiter-und-Bauern-Republik! - geflossen ist, haben Sie vergossen! Das Meer von Tränen, das Witwen und Waisen vergießen, ist so groß, daß man Euch, die Urheber, darin ertränken könnte. Und auch ertränken wird!"

Beimler erhält zwei Jahre Festungshaft und kehrt als entschlossener Kämpfer zurück. Er wird bald einer der mutigsten Führer der deutschen Kommunisten, kommt durch Verrat ins KZ Dachau, wird gequält und gefoltert, flieht und kämpft in der Illegalität weiter. Als einer der Führer der Internationalisten im Kampf gegen die spanischen Faschisten fällt er im Dezember 1936. Seine erste Verurteilung ist genau 90 Jahre her, sein Tod jährt sich zum 75. Mal.

1989 konnte es nicht schnell genug gehen, daß man die Straßenschilder mit seinem Namen herunterriß, die Schulen und Plätze, die an ihn erinnern sollten, umbenannte und die Brigaden den ehemals stolzen Namen ablegten. Nur wenige haben sich dagegen gewehrt. Zu wenige!

Beimler sollte vergessen werden.

Bei den vielen Briefen, die ich im Laufe der Jahrzehnte erhielt, war einer, den ich zitieren möchte, weil er so schlicht und ehrlich ist: "... ich habe in meiner ganzen Schulzeit nur einmal nachsitzen müssen ­... und das wegen Hans Beimler. Im Jahr 1977 (ich war 9. Klasse) bekam unsere Schule den Namen 'Hans Beimler'. Alle Schüler mußten zu diesem Fahnenappell das Hans-Beimler-Lied lernen. Das tat ich damals wohl nicht oder nicht richtig. Also NACHSITZEN. Leider sind unsere Helden von einst in der heutigen Generation vergessen. Kürzlich fragte mich mein Sohn (18), ob ich schon etwas von einem Werner Seelenbinder gehört hätte. Er habe einen Beitrag über ihn im RBB gesehen. Ich sagte zu ihm, bei uns in der DDR kannte jeder Werner Seelenbinder. Kannte jeder Ernst Schneller, Hans Beimler, Ernst Thälmann ..."

Er schrieb, daß er beim "Bund" arbeite, daß es ihm gut ginge, er aber die alte Zeit mit ihren Filmen und Helden nicht vergessen würde.

Es sei heute denen gedankt, die jetzt - nach langem Verschweigen - den Beimler-Film wieder auflegen und anbieten. Diese Erinnerung hat Hans Beimler verdient, und sie gebührt auch allen, die damals daran gearbeitet haben.

Beimler gehört für immer zu denen, die ihr Leben für eine Welt in Frieden und für das Glück aller Menschen in die Schanze schlugen.

Rudi Kurz

Raute

Berlins "rot-roter" Senat spielte Privatisierern traumhafte Renditen zu

Beim Geld ist Schluß mit lustig

Bei Geldfragen hört die Gemütlichkeit auf", sagte Hannsemann 1847 im Preußischen Landtag. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die "Frage" war damals, ob der Bau einer staatlichen Eisenbahnlinie mit noch unsicherer Rendite durch eine Anleihe bei den kapitalträchtigen Bürgern finanziert werden solle. Nach 150 Jahren Kapitalismus haben sich die Dinge nahezu ins Gegenteil verkehrt. Die Konzerne fegen wie Tornados über Kommunen und Großstädte hinweg und saugen alle "Geschäftsfelder" auf, die sichere Renditen versprechen. Dabei werden sie von Parlamentariern aller Parteien eifrig assistiert. Diese meinen, die Daseinsfürsorge gehöre nicht zum "Kerngeschäft" eines Staates.

Dem steht eigentlich das Grundgesetz entgegen. Artikel 14 (2) lautet nämlich: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Auch Artikel 22 (1) der Berliner Verfassung könnte herangezogen werden: "Das Land ist verpflichtet, im Rahmen seiner Kräfte die soziale Sicherung zu verwirklichen." Und Artikel 24 schreibt vor: "Jeder Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ist widerrechtlich. Insbesondere stellen alle auf Produktions- und Marktbeherrschung gerichteten privaten Monopolorganisationen einen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht dar und sind verboten."

Kommunalparlamentarier kümmert das kaum. Sie können ja "nicht ständig das Grundgesetz unter dem Arm tragen", wie der seinerzeitige Bundesinnenminister Höcherl 1963 meinte. Sie tönen "Pacta sunt servanda" - Verträge sind einzuhalten. Nein, wenn schon Latein, dann: "Quod contra legem fit, pro infecto habetur!" ("Was gegen das Gesetz geschieht, ist als ungeschehen zu behandeln!") So formulierte es Kaiser Justinian um 530 u. Z.

Eigenbetriebe des Landes zur Versorgung mit Wohnraum, Wasser und Energie sowie Verkehrsleistungen werden von "wirtschaftsliberalen" Parlamentariern erst zu Anstalten "öffentlichen Rechts" gemacht, die zwar "sozial-, umwelt- und strukturpolitische Grundsätze zu erfüllen" haben, aber laut § 2 BerlBG auch "Unternehmensverträge im Sinne des Aktiengesetzes" abschließen dürfen. So geht es sachte weiter, bis der Bürger seinen Daseinsvorsorgebetrieb als Holdingtochter international agierender Konzerne wie RWE, VEOLIA, VATTENFALL etc. wiederfindet.

1990 hieß es noch im § 11 (1) des Berliner Eigenbetriebsgesetzes: "Nimmt der Eigenbetrieb ... öffentliche Aufgaben wahr, so soll er aus den Erträgen ... die Aufwendungen decken." 2004 aber erdreisteten sich die Berliner Lokalpolitiker, ein Urteil des Landesverfassungsgerichts zu umgehen, indem sie mit den Stimmen von "Rot-Rot" (!) eine 5. Änderungsvereinbarung des Teilprivatisierungsgesetzes der Berliner Wasserbetriebe (BWB) beschlossen. Diese garantierte privaten Investoren eine jährliche Rendite zwischen 6 und 8 %. Der Berliner Haushalt bekommt lediglich einen Restbetrag, der mit durchschnittlich 35 % weit unter dem Wert seines Anteils an der Berliner Wasserholding von 50,1% liegt. Der Verkauf von 49,9 % der Anteile an Private entzieht damit dem hauptstädtischen Etat beträchtliche Mittel und schröpft überdies die Bürger jährlich um rund 200 Euro Mehrkosten für Wasser/Abwasser je Haushalt im Vergleich zu 2003. Mit den erpreßten Profiten kaufen sich diese Räuber in die kommunalen Unternehmen der Großstädte anderer Länder ein (z. B. Budapest, Zagreb, Rabat, Shanghai, Beijing, Djakarta, Buenos Aires) und verlangen dort bis zu 20 % garantierte Gewinne. Ein regelrechtes Schneeballsystem!

Die Bürger, deren Wohl und Gemeineigentum in erster Linie auf dem Spiel stehen, beginnen sich zur Wehr zu setzen. Der Berliner Wassertisch formulierte unmißverständlich: "Wir stellen die Frage nach der Profitorientierung der Berliner Wasserbetriebe. Wir fordern eine Senkung der Wasser-und Abwasserpreise durch Wegfall der Profite und durch zweckgebundenen Einsatz der Einnahmen für Ver- und Entsorgung von Wasser." Die Berliner stehen keineswegs allein. Nicht nur in anderen Städten Deutschlands regt sich Widerstand von unten. Ein Netzwerk italienischer Bürgerinitiativen erreichte, daß am 13. Juni 51,7 % aller Wahlberechtigten - nicht weniger als 26,13 Millionen Menschen - dafür stimmten, die Wassertarife nicht freizugeben und daß kommunale Wasserbetriebe im Jahre 2012 nicht bis zu 40 % ihres Wertes an private Investoren abgeben müssen. In Italien sind die linken und demokratischen Parteien allerdings hierbei mit im Boot.

In der BRD stünde es Politikern, die in Parlamente gewählt werden wollen, gut an, sich Oscar Lafontaines Bemerkung zu Herzen zu nehmen, daß wahre Demokratie eine Gesellschaftsordnung bedingt, in der sich die Interessen der Mehrheiten durchsetzen. Demokratie wird durch ihn also vom Ergebnis her, nicht aber aus formaler Sicht definiert.

Dr. Hermann Wollner

Raute

Warnaer RF-Initiator sponserte Gedenktafel für Widerstandshelden

Rastloser Ratscho Ratschew

Am 2. Juni gedenkt das bulgarische Volk alljährlich jener Helden, welche ihr Leben für die Freiheit des Vaterlandes geopfert haben. In diesem Jahr organisierten die regionalen Leitungen der Bulgarischen Antifaschistischen Vereinigung (BAS) und der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP) zusammen mit Freunden der Warnaer "RotFuchs"-Gruppe eine würdige Feier zur Enthüllung einer Gedenktafel für neun am 1. Juni 1944 erschossene Antifaschisten, deren Leichname mit gefesselten Händen ins Schwarze Meer geworfen worden waren.

Der Vorsitzende der BAS Warna, Januari Witschew, eröffnete die Gedenkveranstaltung und erteilte Christo Ganew von der BSP das Wort.

Die Teilnehmer gedachten in einer Schweigeminute der ermordeten Widerstandskämpfer. Die Genossen Witschew, Ganew und Oberst a. D. Dr. med. Ratscho Ratschew, Initiator der Warnaer RF-Gruppe, warfen gemeinsam einen Kranz in die Fluten des Schwarzen Meeres. Ratscho Ratschew (links im Bild), der Hauptsponsor der Gedenktafel, ist auch den Einwohnern des thüringischen Städtchens Schmölln, wo er als Arzt praktizierte, in guter Erinnerung.   RF

Raute

Warum Rote keinen Bock auf Lügenstories haben

Kochs antikommunistisches Süppchen

Dieter Dehm, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, hatte für den 3. Juli zu seinem traditionellen "Roten Bock" in Berlin eingeladen. Hauptperson war diesmal Peter-Ferdinand Koch, der mit seinem neuen Buch "Enttarnt" in gewissen Medien für Schlagzeilen gesorgt hatte. Hierzu war von Dehm bereits am 27. Juni in der Tageszeitung "junge Welt" eine wohlwollende Rezension erschienen. Auch beim "Roten Bock" empfahl er Kochs Erguß nachdrücklich als Lektüre.

Kommen wir zur Sache: Koch, Jahrgang 1943, begann seine journalistische Laufbahn bei Springers Hamburger Morgenpost und war dann etliche Jahre für den "Spiegel" tätig. Er hat bereits mehrere Bücher zu Geheimdienstaktivitäten in der Zeit der Ost-West-Konfrontation geschrieben. Koch rühmt sich nachdrücklich seiner exzellenten Kontakte zu BND und Verfassungsschutz, aber auch zu Israels Mossad. Er ist daher nicht wenigen ehemaligen Mitarbeitern des MfS der DDR durchaus ein Begriff. Generaloberst a. D. Werner Großmann, der letzte Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A), hat in seinem Buch "Bonn im Blick" die zwielichtigen Avancen und Aktionen dieses Mannes, den er als "Nachrichtenhändler" bezeichnet, ausführlich dargestellt.

Was Koch in seinem neuen "Werk" über das MfS und dessen leitende Mitarbeiter von sich gibt, ist nicht gerade neu. Die Mehrzahl seiner Behauptungen hatte er bereits 1994 in dem Elaborat "DDR kontra BRD - die feindlichen Brüder" verkündet. Dort bediente er sich der Methode, fragwürdige Aussagen generell mit der fiktiven Quellenangabe "Archiv des Autors" zu belegen. Jetzt verwendete er die Bezeichnungen "Recherchen des Autors", "vertrauliche Gespräche" oder - noch durchsichtiger - "vertraulich zur Verfügung gestelltes BND-Material". Freimütiger geht's nimmer!

Der Autor hat in einigen Passagen zweifellos interessante Vorgänge geschildert, die aufschlußreiche Ergänzungen zur Chronik der internationalen Geheimdiensttätigkeit liefern. Andere Aussagen, so über die faschistische Herkunft der Gründer der westdeutschen Dienste, fügen lediglich neue Details aus freigegebenen CIA-Dokumenten hinzu, was das Bild abrundet.

Wie bei ihm üblich, ignoriert Koch jedoch sämtliche östlichen Quellen zu dieser Thematik. Allein eine Auflistung der Publikationen des mit dem Metier vertrauten DDR-Autors Julius Mader ist ihm eine Fußnote wert. Ausführlich beschäftigt sich der Verfasser von "Enttarnt" mit nachrichtendienstlichen Verbindungen seiner einstigen "Spiegel"-Redaktion.

In allen Passagen, welche die Tätigkeit der Dienste sozialistischer Länder betreffen, kocht der Autor sein antikommunistisches Süppchen. Das betrifft sowohl die sowjetischen Nachrichtendienste, vor allem GRU, als auch das MfS bis zum Ende seines Bestehens. Für Koch spielt es keine Rolle, daß sich unter dessen Gründern etliche durchs Feuer gegangene Kämpfer des antifaschistischen Widerstandes befanden. Seine haßerfüllten Tiraden stellen nicht nur eine Beleidigung dieser ersten Generation des MfS dar, sondern sind auch eine Schmähung des profunden Antifaschismus der ihnen Nacheifernden. Ein leitender Mitarbeiter des MfS wird von Koch mit folgenden Attributen bedacht: "Blutgetränkte Vergangenheit", "mörderisches MfS-Vorleben", "Aufstieg zum Henker", "Spitzname Bluthund". Genug solchen verbalen Unrats!

Im Zuge der diffamierenden Gleichsetzung von Faschismus und Sozialismus richtet Koch seine Attacken besonders gegen die Abteilung Innere Sicherheit (Hauptabteilung II/1 des MfS), die er mit der SS auf eine Stufe zu stellen versucht, wobei er ihren Leiter als "Himmler der Staatssicherheit" in den Schmutz zieht.

Eine übrigens auch von Dieter Dehm ausdrücklich gepriesene Passage des Buches betrifft den angeblichen Schußwechsel zwischen Personenschützern Walter Ulbrichts und Erich Honeckers, der 1971 vor Ulbrichts Sommersitz in Dölln stattgefunden haben soll. Es wird behauptet, der unterstellte Vorgang habe mit dem Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker in Verbindung gestanden. Koch verdreht den Ablauf eines diesbezüglichen Gesprächs zwischen beiden DDR-Politikern und die Ermittlungen des MfS zum Tod der Ehefrau eines Personenschützers. Die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV) hat nach jahrelanger Überprüfung des Sachverhalts durch erfahrene Kriminalisten und Geheimdienstler keine solche Feststellung wie Koch treffen können - obwohl diese Behörde mit Gewißheit nach den kleinsten Beweisen gesucht haben dürfte.

Immerhin hat Herr Koch die von ihm beabsichtigte Wirkung erzielt: Ein so namhafter Politiker der Linkspartei wie Dieter Dehm ist ihm auf den Leim gekrochen und hat in seiner Rezension des Buches die Kochsche Darstellung ungeprüft als bare Münze genommen. Seine rüde Formulierung "Das dürfte selbst hartgesottenen MfS-Fans die Kotze hochtreiben" spricht für sich. Wie sich ehemalige Mitarbeiter des MfS, von denen nicht wenige Unterstützer und Wähler der Partei Die Linke sind, angesichts solcher "Wertungen" fühlen dürften, muß wohl nicht näher geschildert werden.

Herr Koch behauptet übrigens, bei der Besetzung der MfS-Zentrale am 15. Januar 1990 habe die CIA Regie geführt. Dieser Verdacht erhärte sich, tat er kund. Will er damit von den Diensten der BRD ablenken? Demgegenüber erklärte Milton Bearden, damals Abteilungsleiter Sowjetunion/Osteuropa im CIA-Hauptquartier Langley: "Die Fernsehberichterstattung über die Erstürmung der Stasi-Zentrale erregte auch die Aufmerksamkeit von Präsident Bush, und er fragte den CIA-Mitarbeiter, der ihn wie üblich über die aktuellen Geheimdiensterkenntnisse informierte, ob sich die CIA denn ihren Anteil an den Dokumenten sichere, die auf die Straßen Ostberlins herabregneten. CIA-Chef Webster erfuhr vom Interesse des Präsidenten, und bald führte das, was als beiläufige Bemerkung im Weißen Haus begonnen hatte, bei der Agency zu hektischer Betriebsamkeit. Webster erkundigte sich, ob seine Leute sich schon Stasi-Akten beschafft hätten. Die Antwort war Nein, und der CIA-Direktor fragte nach, ob wir vielleicht neue Leute in Berlin brauchten. Die Botschaft war unmißverständlich."

Auf den Lügensud aus Kochs Küche haben Rote keinen Bock. Und es fragt sich: Muß eigentlich ein Abgeordneter der Linkspartei unbedingt den Versuch unternehmen, einen solchen Journalisten aus dem Springer-Stall und der "Spiegel"-Schule in linken Kreisen hoffähig zu machen?

Oberst a. D. Klaus Eichner, Lenzke

Raute

Wie sich ein politischer Aufsteiger als ideologische Luftnummer erweist

Mißtöne im brandenburgischen Konzert

Unter der Schlagzeile "Versöhnen statt spalten - zur aktuellen Stasi-Debatte in Brandenburg" erschien in der Juni-Ausgabe des sich "Widerspruch" nennenden Kreisblattes der Partei Die Linke von Oder-Spree ein Artikel aus der Feder des 1980 geborenen Peer Jürgens. Der aufstiegsbewußte PDL-Nachwuchs hat bisher alle politischen Hürden außer dem Einzug in den Bundestag spielend genommen. Er ist Kreisvorsitzender, Landtagsabgeordneter, Mitbegründer des parteirechten Forums Demokratischer Sozialismus (fds) und nun auch Akteur bei der "Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg".

Allein die "äußerst knappe" Benennung dieses Gremiums spricht Bände. Die verbindliche Vorgabe signalisiert, wohin die Reise gehen soll. Über die vorweggenommenen Ergebnisse der zu leistenden "Arbeit" kann es keine Illusionen geben, schon gar nicht nach der Lektüre des Jürgens-Beitrags. Er beginnt ihn mit pauschaler Diffamierung aller, die sich für die Sicherheit ihres sozialistischen Staates eingesetzt haben. "Um es zu Beginn klar zu sagen: SED-Diktatur und die Tätigkeiten des MfS haben Menschen in der DDR erhebliches persönliches Leid zugefügt. Diese Schuld ehemaliger hauptamtlicher Stasi- und Inoffizieller Mitarbeiter ist nicht zu leugnen, mit nichts zu rechtfertigen", gibt Jürgens von sich.

Im Klartext heißt das: Die Sicherung der DDR war ebenso illegitim wie der ganze Staat. Die überwiegend aufopferungsvolle und bisweilen nicht ungefährliche, vor allem aber gesellschaftlich notwendige Arbeit zu beurteilen, soll Jürgens zufolge allein den in ordentlichen Gerichtsverfahren abgeurteilten Feinden der DDR und ihresgleichen überlassen werden. MfS-Tätigkeit sei "für jeden individuell eine hohe Bürde, die nur individuell von den Opfern vergeben werden kann". (Der RF trägt für das Deutsch des Herrn Jürgens keine Verantwortung ­...)

Die Parteinahme für konterrevolutionäre Kräfte ist von den programmatischen Dokumenten weder der PDS noch der PDL gedeckt. Man sollte nachfragen, wie der Autor des "Widerspruchs", der die DDR lediglich im Jungpionieralter erlebte, zu derartigen Behauptungen kommt. Er hat seinen Text im Wortlaut von den Feinden der eigenen Partei übernommen.

Aus dem Elaborat erfahren wir weiter: "Genauso problematisch war der Umgang des Landes Brandenburg mit den Opfern in den 90er Jahren: Die Nichterrichtung einer Stasi-Beauftragten oder die sehr strenge Entschädigungsregelung hat Menschen nach der Wende zum zweiten Mal zu Opfern gemacht." Gab es in Brandenburg auch ohne Gauck-Birthler-Filiale etwa keine Willkür und Ausgrenzung von Menschen, die für die Sicherheit der DDR einstanden?

Stolz spricht Jürgens von "Verbesserungen im Geschichtsunterricht an den Schulen". Diese seien "im großen Konsens aller im Landtag vertretenen Parteien" zunächst "angemahnt" und dann "völlig berechtigterweise" unterstützt worden. Hierbei handelt es sich, wie Lehrer für Geschichte und Politische Bildung bestätigen können, um eine großangelegte ideologische Offensive zur Bekämpfung der unter Schülern durchaus zu bemerkenden positiven Haltung gegenüber der DDR und einen bewußten Affront gegen Eltern mit einer entsprechenden Sozialisation. Viele von ihnen haben sich zumindest ein sachliches Verhältnis zu ihrem früheren Staat bewahrt.

Bei dieser Indoktrination wird alles aufgefahren, was Verrat und Lüge bereithalten: persönliche Darbietungen Gaucks, Birthlers und Schabowskis sowie "lehrreiche Exkursionen" in Knabes groteskes Gruselkabinett. Für ihre Teilnahme an solchen auch durch die Brandenburger PDL "im Konsens empfohlenen" Kurse sollen Lehrer sogar noch bezahlen. Bis zu 200 € kostet das Vergnügen.

Jürgens verlangt als Kompensation für das Einknicken der Parteirechten die politische Anerkennung, Gleichberechtigung und Integration der PDL durch die bürgerlichen Parteien und deren Herrschaftssystem: "Es muß eine Rolle spielen, wie ehemalige sogenannte Träger des DDR-Systems heute mit ihrer damaligen Rolle umgehen, wie sie sie reflektieren. Es muß eine Rolle spielen, wie sie in 20 Jahren Brandenburg agiert haben und wie ihre Leistung nach der Wende war", gibt der PDL-Multi-Mandatsträger von sich. Mit einem Wort: Wer die DDR, also seine eigene Biographie und vor allem die bewaffneten Organe verteufelt, die Reste der SED in eine linkssozialdemokratische Partei umzuwandeln half und sich ohne Skrupel dem neuen System andiente, soll dafür honoriert werden.

Doch die Brandenburger Opposition aus CDU und Grünen verlangte eine neuerliche Überprüfung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes auf MfS-Mitarbeit. Das wirft Sand ins Getriebe der auf Harmonie bedachten Anbiederer. Solcherlei Vorgehen, so Jürgens, verstoße gegen den "Konsens", gibt er verärgert von sich. Dabei ist der brandenburgischen PDL nur ihr eigenes Versagen auf die Füße gefallen. Die prinzipienlose und schmähliche Kapitulation vor den Forderungen nach Rücktritt gewählter Abgeordneter wegen Verbindungen zum MfS und die ebenso einmütige wie beschämende Zustimmung der Linksfraktion des Landtags zur Schaffung des von Beginn an diskreditierten Amtes einer "Beauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur", das der professionellen DDR-Hasserin Ulrike Poppe übertragen wurde, offenbaren, welches Stück des Weges zu einer ganz normalen bürgerlichen Partei gewisse PDL-Politiker inzwischen zurückgelegt haben.

Vielleicht wird Jürgens ja einmal Bundestagsabgeordneter oder sogar Minister, doch sicher nicht mit meiner Stimme.

Dr. Bernhard Majorow

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Täves bravouröser Antritt

Gustav-Adolf Schur - unser Täve - ist ein landesweit bekanntes Sportidol, verdankt aber seine enorme Popularität vor allem auch menschlicher Lauterkeit. Der Sieggewohnte wandte sich in der Stunde der Niederlage nicht von der DDR und der durch sie verkörperten sozialistischen Idee ab.

Am 15. Juni war Täve bei der Berliner RF-Regionalgruppe im Marzahner Sportmuseum zu Gast. Mehr als eine Stunde lang sprach der 80jährige klug und konzentriert, ernst und humorvoll, engagiert und sprühend vor Ideen. Seine freie Rede begeisterte die mehr als 150 Zuhörer, unter denen sich auch etliche Sportsenioren befanden. Wie einst bei der Friedensfahrt eroberte Täve die Herzen aller im Sturm.   RF

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Kompetentester Kenner der Materie zur Falschauslegung von DDR-Strafrecht durch BRD-Gerichte

Messerscharfer Erich Buchholz

Prof. Erich Buchholz ist nicht nur vielen RF-Lesern ein Begriff. In der DDR war er Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht an der Berliner Humboldt-Universität, nach 1990 dann etliche Jahre Rechtsanwalt. Besonders in dieser Eigenschaft sammelte er wichtige Erfahrungen, die seinem neuesten, über 1000 Seiten starken Buch, "DDR-Strafrecht unterm Bundesadler" zugrunde liegen. Dort dokumentiert der renommierte Wissenschaftler den Umgang der BRD mit dem durch sie "angewendeten" und ins Gegenteil verkehrten Strafrecht der DDR.

Buchholz analysiert sorgfältig die Rechtslage nach dem 3. Oktober 1990. Mit der ihn stets auszeichnenden Sorgfalt untersucht er die strafrechtliche "Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit" - eines der gängigen Manöver der BRD-Rachejustiz. Dabei geht es nicht nur um Verfahren gegen ehemalige Angehörige der Grenztruppen, sondern auch um Prozesse, bei denen Richter und Staatsanwälte der DDR, Mitarbeiter des Strafvollzugs und des MfS die Angeklagten waren.

Erich Buchholz führt den Nachweis, daß der gezielte Rückgriff auf DDR-Strafrecht durch die bundesdeutsche Justiz nach 1990 keineswegs im Einklang mit der tatsächlichen Rechtslage erfolgte, die in der DDR bestand. Besonders scharf geht er mit der Verletzung des Rückwirkungsverbots und der rechtswidrigen Aushebelung der Verjährungsregelungen ins Gericht. Dabei kann ihm niemand jene Sachkompetenz absprechen, über welche heute vermutlich nur noch wenige "Insider" verfügen.

Erich Buchholz hat die Entwicklung des DDR-Strafrechts aus dem Blickwinkel der fachspezifischen Wissenschaft nahezu von Beginn an miterlebt und auch zum Teil gestaltet. Das 1968 entstandene sozialistische Strafgesetzbuch, welches die bis dahin gültigen Regelungen des StGB von 1871 abschaffte, wurde entscheidend auch durch ihn geprägt. Er weiß, was gesetzgeberisch gewollt war und wie die Anwendung oder Auslegung der einzelnen Vorschriften zu erfolgen hatte. Sowohl das in der DDR mit mehreren Auflagen erschienene Lehrbuch zum Strafrecht als auch der einschlägige Kommentar dazu weisen ihn als maßgeblichen Mitautor dieser Werke aus.

Wie sehr muß es Erich Buchholz geschmerzt haben, als er nach 1990 in Verfahren gegen ehemalige DDR-Bürger eine mißbräuchliche Rechtsanwendung durch bundesdeutsche Gerichte erlebte, die oft genug einer Rechtsverdrehung gleichkam. Sie stimmte häufig nicht mit dem überein, was Gesetzgeber und Strafrechtswissenschaft der DDR mit der betreffenden Norm beabsichtigt hatten. Die Richter aus der BRD betrachteten das DDR-Strafrecht durch die bundesdeutsche Brille. So kam es zu Fehlinterpretationen. Diese Erfahrung machten alle, die mit der Verteidigung nach 1990 in das Räderwerk der BRD-Justiz aus politischen Gründen Geratener befaßt waren.

Wiederholt haben wir uns in Thüringen darum bemüht, daß kompetente Kenner der Materie wie Erich Buchholz als Sachverständige in solchen Verfahren gerichtlicherseits bestellt würden, um solide Gutachten zur Anwendung von DDR-Recht zu erstatten. Die zur Entscheidung berufenen Richter mußten sich letztlich mit ihnen völlig fremdem Recht auseinandersetzen. Die Einbeziehung von Experten erschien auch deshalb erforderlich, da seitens der Gerichte und der Staatsanwaltschaften nahezu ausnahmslos Personen tätig wurden, die ihre juristische Ausbildung vor 1990 im Westen erfahren hatten. Sie sollten sich nach der Methode "Learning by doing" (Lernen durch Tun) das DDR-Recht aneignen, ohne dabei auf sachkundige Berater zurückzugreifen. Leider kann man ihnen nicht die Lektüre des Buchholz-Werkes aufgeben, selbst wenn dies lange nach Abschluß der seinerzeitigen Verfahren immer noch geboten wäre.

Prof. Buchholz hat mit seinem Kompendium Wesentliches dazu beigetragen, daß die hier dargestellte und nach 1990 erfolgte Falschauslegung von DDR-Recht nicht allein die Zeiten überdauern wird. Was er als berufener Zeitzeuge zu Papier brachte, trägt sicher dazu bei, daß neben Verfälschungen, die als vermeintliche Wahrheiten ausgegeben werden, auch verläßliche Aussagen in die Geschichte eingehen.

Hervorzuheben ist die außergewöhnliche publizistische und wissenschaftliche Produktivität des bereits betagten Autors in den zurückliegenden fünf Jahren. Das hier besprochene Buch besitzt dabei ganz besonderes Gewicht. Dem Marxisten Erich Buchholz gebührt Respekt, zugleich aber auch der Dank aller in der BRD nach 1990 politisch verfolgten einstigen DDR-Bürger.

RA Ralph Dobrawa, Gotha

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Höhen und Tiefen im Leben des DDR-Diplomaten Franz Tallowitz

Laufpaß für "Staatsnähe"

Geschichte ist nicht rückgängig zu machen ... Aber Schlußfolgerungen kann man ziehen und sich bemühen, (sie) aus ihrer Zeit heraus zu begreifen." Diesem Anliegen widmet sich Franz Tallowitz, 1934 nahe dem heutigen Liberec geboren, mit seinen Erinnerungen an eine Epoche, "über die mir", wie er feststellt, "heute andere erzählen, wie sie gewesen sein soll, und die ich in diesen Erzählungen nicht wiedererkenne". Aus einem tiefen Empfinden für Würde und Gerechtigkeit heraus stellt der Autor seine Sicht als DDR-Diplomat gegen die heute gängige Praxis der Tatsachenverdrehung und der Lüge. Er behauptet nicht, damit die allein gültige Wahrheit zu verkünden, was jedoch fesselt, ist die Wahrhaftigkeit, mit der alles Erlebte geschildert wird. Sie wurzelt in der Genugtuung des Autors, als Mitgestalter der DDR und ihrer Außenpolitik auf ein sinnvolles und lohnenswertes Leben zurückblicken zu können.

Seine Aufzeichnungen sind in der "Blauen Reihe" des Verbandes für internationale Politik und Völkerrecht e.V. unter dem Titel "Dunkelstunde" erschienen. Diese etwas mystisch anmutende Bezeichnung für eine beeindruckende Lebensbilanz erschließt sich, wenn man sich in seine Schrift vertieft: Als Franz Tallowitz 1945 seine Heimat verlassen muß, begleiten ihn die Bilder der nordböhmischen Landschaft, der Geruch des Waldes, die Erinnerung an den melodischen Dialekt dieser Region in ein neues Leben. Es verschlägt ihn und seine Familie nach Sedlitz, einem Dorf in der Niederlausitz. Das "Umsiedlerkind" begreift nach und nach, anders als die "Heimatvertriebenen" im Westen, daß sein Weg auf Dauer fest mit dem 1949 gegründeten neuen deutschen Staat verbunden sein wird. Während der Tischlerlehre, in der die Schultern breiter, die Hände härter wurden, nutzt er buchstäblich jede freie Minute zum Lesen, verschlingt die Werke von Nexö, Zola, Heinrich Mann, Kisch, Gorki ... Vom Deutschlandtreffen 1950 in Berlin bringt er eine Dauerwurst und das Gefühl mit nach Hause, "daß es außer dem Leben hinter der Hobelbank noch etwas anderes gab". 1953 kehrt er seinem Dorf - "einem Ort voller Leben, bestimmt von Geräuschen und vom Tempo des Kohlereviers" - den Rücken und geht als ABF-Student nach Greifswald, um dort das Abitur zu machen.

Diese Jahre beschreibt Franz Tallowitz mit großer Wärme und innerer Verbundenheit als Zeit seiner "politischen Menschwerdung". Offenheit in Diskussionen, Dozenten, die kaum älter sind als er, Ernteeinsätze auf volkseigenen Gütern, Sport und Exkursionen beeinflussen sein Bild von der Welt. Nicht zuletzt auch das Theater: "Ernst Busch auf der Bühne, Brecht als Regisseur im Parkett ..." Und immer wieder der Disput und Auseinandersetzungen, wie sie die Atmosphäre jener Zeit prägten - eine Schule der Meinungsbildung.

1956 werden junge Leute gesucht, welche die DDR auf außenpolitischem Gebiet vertreten sollen - eine verlockende Perspektive: fremde Länder und Kulturen, andere Menschen. Aber nicht allein das motiviert den jungen Mann. Franz Tallowitz ist davon überzeugt, daß etwas getan werden muß, die Kräfte, die schuld am Krieg, seinen Verbrechen und am Heimatverlust hatten, nicht wieder zum Zuge kommen zu lassen.

Die Nähe zum Meer und zu seiner Weite tauscht er nun mit einem recht ausgefüllten Studium an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam-Babelsberg, an der auch Diplomatie gelehrt wurde. Während es in der BRD - gerade zehn Jahre nach dem Krieg - erneut um Militarisierung und das Hofieren der alten Eliten ging, waren an der Potsdamer Ausbildungsstätte Lehrer, die aus dem Widerstand kamen, von Antifa-Schulen, auf denen sie als Kriegsgefangene zu neuen Überzeugungen gelangten, tätig. Das gleiche Bild zeigt sich auch später, als Franz Tallowitz erste Berufserfahrungen in der Presseabteilung des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) sammelt. Dort arbeiten Zurückgekehrte aus der Emigration, den Konzentrationslagern und Gefängnissen; im Auswärtigen Amt der BRD aber haben sich mehr als 60 % der diplomatischen Mitarbeiter bereits unter Hitler angedient.

1963 beginnt der erste Auslandseinsatz in der Moskauer DDR-Botschaft. Das markiert den Beginn einer lebenslangen tiefempfundenen Freundschaft zur Sowjetunion und deren Menschen. Sie macht ihn indes nicht blind gegenüber Problemen, die sich in der UdSSR selbst oder auch zwischen unseren Ländern zeigen. Doch immer ist sich Franz Tallowitz dessen bewußt, daß er als Vertreter eines sozialistischen deutschen Staates hohes Verantwortungsgefühl für die Herstellung von Vertrauen und Verständnis in einem Land, das die Hauptlast bei der Zerschlagung des Faschismus trug und das die größten Opfer gebracht hat, entwickeln muß.

Überhaupt nimmt der Autor zu vielen kleinen und großen Fragen der Weltpolitik Stellung. Er bleibt ein kritischer Geist, dessen Ansichten mitunter zur Diskussion reizen, der aber zu sich und seiner Meinung steht und diese mit Feingefühl zu begründen weiß. Den "Wandel der Dinge" bekommt gerade er als Presseverantwortlicher hautnah zu spüren. Seine Schilderungen machen das Zusammenspiel von innen- und außenpolitischen Prozessen, von subjektiven und objektiven Bedingungen nachvollziehbar und zeigen, wie viel auf politischem Parkett oft vom persönlichen Verhalten des einzelnen abhängt.

Von großer Bedeutung sind für ihn dann die Jahre in Prag, wo er als Presseattaché bzw. Leiter des Pressebereichs arbeitet. Ab 1984 ist er Botschaftsrat. Sein Wissen und seine reichen Erfahrungen werden gut fünf Jahre später mit der Einverleibung der DDR durch die BRD indes nicht mehr gebraucht. Die Diplomaten gehören zu den ersten, die den Laufpaß erhalten. Auch Franz Tallowitz muß, als "staatsnah" eingestuft, nun das Ministerium, in dem er 30 Jahre lang tätig war, verlassen. Damit geht für ihn eine Ära zu Ende, deren Höhen und Tiefen er gemeinsam mit seiner Frau und der Familie durchlebte und von der er sagen kann, in einem hochsensiblen Bereich zwischenstaatlicher Beziehungen seinen Beitrag für 40 Jahre Frieden, Verständigung und Völkerfreundschaft in Europa geleistet zu haben.

Bruni Steiniger

Franz Tallowitz: Dunkelstunde. Ein Leben zwischen Sudeten- und Saterland.
Erinnerungen eines DDR-Diplomaten.
Blaue Reihe, Heft 33. Berlin 2011.
Zu beziehen beim Verband für Internationale Politik und Völkerrecht e.V.,
Wilhelmstraße 50, 10117 Berlin

Raute

Zur Rolle gewisser Talarträger in der deutschen Konterrevolution

Ein Salto mortale rückwärts

Der da droben soll es richten. Nur er allein kann Dir Mut einflößen, Dir Duldsamkeit und Weisheit verleihen. Denn Du bist der Bibel zufolge, obzwar "Ebenbild Gottes", "böse von Grund auf" und deshalb auf seine unermeßliche Gnade und Barmherzigkeit angewiesen. So wird es der Christenheit seit 2000 Jahren von ihren "Gottesdienern" gesagt, die doch in Wahrheit Gotteserfinder sind und Gehilfen der Obrigkeit bei der Aufrichtung und Aufrechterhaltung der Ungerechtigkeit in Ewigkeit. Denn nur durch die Erfindung einer angeblich unbegreiflichen und unendlichen Allmacht über die Mächtigen dieser Erde, nur durch die tröstliche Mär von der ausgleichenden Gerechtigkeit zur Milderung des schreienden Unrechts hienieden, von der paradiesischen Belohnung der Gerechten da droben und der höllischen Bestrafung der Ungerechten dereinst am Sankt-Nimmerleins-Tag konnte die Empörung der zur Ohnmacht Verdammten im Lauf der Geschichte immer wieder besänftigt werden.

Nur mit Hilfe der Kirche vermochten die Beherrscher dieser Welt jeden Versuch der Unterdrückten, die Gesellschaft gerechter zu ordnen, in Strömen von Blut ertränken, dem Blut der Empörten. Denn diese wurden von den Kirchenfürsten allzeit verteufelt und als kommunistische Aufrührer gegen die gottgewollte Weltordnung verketzert. Nur so gelang es den Herrschern immer aufs neue, die Beherrschten derart gegeneinander aufzuhetzen, daß sie einander in all den entsetzlichen Glaubenskriegen abschlachteten: Dominikaner gegen Albigenser, Kreuzritter gegen Muselmänner, protestantische Schweden gegen katholische Kaiserliche, christliche Kroaten gegen muslimische Bosniaken, rechtgläubiges Abendland gegen irrgläubig-islamistisches Morgenland, gottesfürchtige Bushisten der USA gegen gottlose Schurkenstaaten, christlich-soziale Union gegen atheistisch-linke Fraktion. Und weil Atheisten nicht an Gott glauben, den sie als "Weihnachtsmann für Erwachsene" betrachten, sich nicht "für Gott und Vaterland" in kapitalistische Raubkriege hetzen lassen, sich nicht mit dem verhängnisvollen, aber angeblich gottgewollten Lauf der Welt abfinden wollen, werden sie von der geballten Medienmacht der Regierenden verleumdet und verfemt.

Denn nur der Glaube an die Unverbesserlichkeit des "von Grund auf bösen" Menschen lähmt den Mut zur Verbesserung der Weltordnung, andererseits sichert Das-sich-Hineinschicken in diese unmenschlichen Verhältnisse die Macht der davon Profitierenden. Und genau deshalb wird der erste (leider noch mißglückte) Anlauf, das menschliche Zusammenleben im Osten Deutschlands nach dem II. Weltkrieg dauerhaft menschlicher zu gestalten, als Diktatur geschmäht und multimedial verdammt. Und genau deshalb lassen die Beherrscher des Abendlandes ihre Völker durch die Presse belügen und aufhetzen, durch Unterhaltungsprogramme ablenken, durch Werbesendungen zu Konsumidioten abrichten, um so der eigentlichen Menschwerdung des Menschen wirksam entgegenzuarbeiten. Vor allem ihre geistige Einschränkung der Menschen durch Geistliche bewirkte das Sich-Abfinden mit unmenschlichen Gesellschaftsordnungen, führte dann an der Wende zum dritten Jahrtausend sogar noch einmal zu einem ohnmächtigen Rückfall der DDR-Bevölkerung in die kapitalistische Ausbeuterordnung.

Nun, zwanzig Jahre später, kommen viele wieder zur Besinnung. Sie erkennen, daß die sogenannte Wende ein Salto mortale rückwärts, eine nicht zuletzt von gewissen Talarträgern angeführte Konterrevolution war. Sie begreifen, weshalb die Kirche sofort nach der Machteroberung durch die Bourgeoisie etliche Schlüsselpositionen in den neuen Ostkolonien der BRD, mit sicherem Blick aber zuallererst die Bildungsministerien in Beschlag nahm. Nun konnte sie ganz legal eine wichtige Errungenschaft der Revolution von 1848 - die Trennung von Staat und Kirche - rückgängig machen. Schulen und Universitäten wurden von linksgerichteten Lehrern und Professoren gesäubert und deren Stellen mit der Kirche verläßlich erscheinenden Personen besetzt. Das Fach LER (Lebensphilosophie / Ethik / Religionenkunde) wurde klammheimlich zum Religionsunterricht umfunktioniert, in dem man ungestraft Kommunisten verteufelt, die Geschichte verfälscht und Millionen Kindergehirne mit mittelalterlichen Denkmustern zuschüttet.

1845 schrieb Otto von Corvin: "Unsere Aufgabe ist es, das Wissen unter dem Volke zu verbreiten und vor allem danach zu streben, den Pfaffen mit und ohne Tonsur die Erziehung der Jugend aus den Händen zu winden."

Jürgen Kuhlmann, Dabel

Unser Autor ist der Verfasser des "Mammonpriester". ISBN 3-8334-2249-1
Sein im Selbstverlag erschienenes Werk "Glaubst Du noch oder denkst du schon?"
ist über Tel. 038 485/201 47 zu bestellen. (5 € + Porto)

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Über Historiker, denen die Geschichte ein Dorn im Auge ist

Der Mauerbau in den Köpfen

Beinahe geniere ich mich, dem erlauchten Kreis der Historikerkommission der Linkspartei in der Frage zu widersprechen, was man am 50. Jahrestag der Errichtung der Mauer von diesem Bauwerk halten solle. "Die Lehre des Mauerbaus ist eindeutig", verkündete die Kommission am 9./10. Juli im ND. "Sozialismus braucht Mehrheiten und kann nicht erzwungen werden." Doch da fängt es schon an: Was ist eigentlich unter Mehrheiten zu verstehen, und wie kommen diese zustande?

Die Autoren berufen sich auf Rosa Luxemburg, die 1918 polemisch gesagt hatte, man brauche keine Partei, "die über die Arbeitermasse oder durch die Arbeitermasse zur Herrschaft gelangen will". Vielmehr dürfe "Regierungsgewalt" nie anders übernommen werden "als durch den klaren, unzweideutigen Willen der großen Mehrheit der proletarischen Masse in Deutschland". Die Autoren sagen indes nicht, daß Rosas These damals einen konkreten Adressaten hatte: die SPD mit Ebert, Scheidemann, Noske, der sie zu dieser Zeit noch angehörte. Die rechtssozialdemokratischen Führer hatten die Arbeiter- und Soldatenräte, also "die große Mehrheit der proletarischen Masse", gerade an die stimmzettelbewehrte Bourgeoisie verkauft. Die Autoren zitieren also - gelinde gesagt - Rosa Luxemburg für ihre eigenen Zwecke.

So gewappnet können sie in ihrer Erklärung zum Berliner Mauerbau Punkt für Punkt die Sünden der "Mauerbauer" aufzählen. Allerdings ist hier Ironie nicht mehr am Platze. Denn tatsächlich war der Mauerbau ja durchaus kein Ruhmesblatt in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, sondern aus purer Not geboren und unter verteufelt schwierigen Umständen in die Wege geleitet. Liberale und Sozialdemokraten sehen das natürlich ganz anders.

Aus Jugendzeiten haftet mir noch im Gedächtnis, daß mein damaliger Geschichtsprofessor Rudolf Lindau den "Anfang der Historie" so datierte: Die Geschichte beginnt mit dem vergangenen Tag. Das fand ich damals recht originell. Bei der Geschichtsdeutung sollte man eben auch die einzelnen Tage in ihrem Entstehen und Vergehen sowie in ihren Zusammenhängen beachten.

Nehme ich nun die heutige Sicht der offiziellen Linksparteihistoriker, so haben sie offensichtlich nur die fertige Mauer von 1961 im Visier, lassen aber das Entstehen ihrer Fundamente in all den Jahren zuvor völlig außer Betracht. Mir hat sich in diesem Zusammenhang das Frühjahr 1953 fest eingeprägt. Damals fand in London das Außenministertreffen der vier Mächte statt. Dort unterbreitete die UdSSR den Vorschlag: Herstellung des Friedens durch Abzug aller Besatzungstruppen und freie Wahlen in ganz Deutschland. Das war ein überaus kühner und sensationeller, aber auch waghalsiger Vorschlag!

Als junger Genosse empfand ich ihn fast als abenteuerlich. Denn Wahlen wären durch die Linkskräfte damals in Deutschland keinesfalls gewinnbar gewesen, doch hätte die Gesamtlage dadurch möglicherweise eine schlagartige Entspannung erfahren. Dem Frieden wäre damit gedient gewesen und unser Kampf um eine politische Mehrheit in ganz Deutschland hätte einen neuen Impuls erhalten. Interessant ist, daß der Westen nicht auf freie Wahlen setzte.

Adenauer zitterte wohl mehr als so mancher bei uns. Nach seinen eigenen Worten war ihm das halbe Deutschland ganz lieber als das ganze Deutschland halb. Das bedeutete nicht, daß er damit seinen Verzicht auf die Eroberung des Ostens verkündet hätte. Der Kalte Krieg gegen die DDR ging ja zu diesem Zeitpunkt erst richtig los.

Wie er dann etwa 35 Jahre lang ausgetragen wurde, kann als bekannt vorausgesetzt werden. Dabei herrschte ein ständiges Auf und Ab, doch vor allem bestand das Resultat darin, daß es keinen heißen Krieg in Europa gab.

Die Historikerkommission müßte nun ihrer Klientel erklären, von wann ab SED und DDR "den Krempel" hätten hinschmeißen sollen, um nicht in die Verlegenheit zu geraten, eine Mauer bauen zu müssen. Nach deren Errichtung machte die DDR ja ganz erstaunliche Fortschritte in ihrer ökonomischen Entwicklung und politischen Stabilisierung. Die diplomatische Anerkennung erfolgte nun fast uneingeschränkt, und selbst die BRD sah sich gezwungen, ihr Verhältnis zur DDR formell zu normalisieren.

Immerhin räumen die Kommissionsmitglieder mit den Worten John F. Kennedys ein, die Mauer habe dazu beigetragen, einen Krieg zu verhindern. Ist das nicht so etwas wie eine Legitimation des Geschehens in jener Zeit?

Aber die Autoren drücken sich tapfer darum herum, die Umstände sorgfältig zu untersuchen, welche im August 1961 zum Mauerbau führten, vor allem den gnadenlos geführten Kalten Krieg, der sich besonders gegen die DDR richtete. So gaben die inneren Faktoren den Ausschlag, zumal die Vorstellungen vom Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft noch unvollkommen waren, nicht zuletzt durch ihre starke Fixierung auf das sowjetische Modell. Auch heute noch sind wir in mancher Hinsicht Suchende.

Die Historikerkommission scheint allerdings bereits ein Patentrezept zu besitzen. Sie verkündet: "Sozialismus braucht Mehrheiten und kann nicht erzwungen werden." Bravo! Hoffentlich gelangt diese Banalität nicht ins Programm.

Auf einem in der geschichtlichen Perspektive möglichen neuen Weg bleibt für mich selbst praktisch Erlebtes, was man auch bei noch unvollkommenen Verhältnissen "auf sozialistische Art" erreichen kann, eine wichtige Substanz.

Im Programmentwurf der Linkspartei wird darauf mit folgenden Worten verwiesen: "Zu den Erfahrungen der Menschen im Osten Deutschlands zählen die Beseitigung der Erwerbslosigkeit und die wirtschaftliche Eigenständigkeit der Frauen, die weitgehende Überwindung von Armut, ein umfassendes soziales Sicherungssystem, ein hohes Maß an sozialer Chancengleichheit im Bildungs-und Gesundheitswesen sowie in der Kultur und eine erfolgreiche genossenschaftliche Landwirtschaft als Ergebnis der Bodenreform: Das Prinzip 'Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen' war Staatsräson."

Peter Hacks, dessen dichterische Aussage über die Mauer wohl die eindrucksvollste literarische Interpretation dieses Themas ist, sagte es so: "Ein bißchen Sozialismus ist besser als kein Sozialismus."

All das übersehen die Autoren der Historiker-Erklärung geflissentlich. Sie finden für die gesamten Bemühungen der DDR um den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft nur die abwertenden und feindseligen Begriffe: "Mißbrauch" und "Diskreditierung" - sonst nichts! So schwört man ab, wenn man der Sozialdemokratie gefallen möchte. Es ist wie ein Mauerbau in den Köpfen, um die historische Wahrheit auszusperren.

Peter Pagel, Schwerin

Raute

RF-Extra

Der heute 92jährige Fritz Teppich stand 1995 Rede und Antwort

"Ich bin Jude und vor allem Kommunist"

Fritz Teppich, Jahrgang 1918, ist ein streitbarer Zeitgenosse. Der deutsche Jude hat seine Erfahrungen mit Nationalismen verschiedener Art gemacht, die schlimmsten mit dem deutschen. Geprägt von dem, was ihm widerfuhr, wurde er Kommunist - und ist es geblieben. 1979/80 war er Initiator der erfolgreichen, richtungsübergreifenden Westberliner Friedenskoordination, später Mitbegründer der progressiven Jüdischen Gruppe Berlin. Als Mitglied des Landesbezirksvorstandes Berlin der Gewerkschaft HBV nahm er 23 Tage am Hungerstreik der Kalikumpel in Bischofferode teil.

Sie sind Jude ...

­... Angehöriger des jüdischen Volkes. Und vor allem Kommunist. Ich bleibe Jude, solange es Antisemiten gibt.

Wie sehen Sie sich, die Juden überhaupt?

Juden sind normale Menschen, ebenso unterschiedlich, auch gegensätzlich orientiert wie andere. Es gibt Nichtgläubige wie mich, ebenso Gläubige verschiedenster Observeranz, Wohlhabende und Arme, Linke wie Rechte, Internationalisten und Nationalisten, Intelligente und Dumme. Wir sind eben normale Menschen, was manche, so oder so, allerdings leugnen.

Was heißt "so oder so"?

Juden werden von Antisemiten als eine Art "Untermenschen" verleumdet - von Philosemiten zu höheren Wesen umgedeutet. Beides läuft auf Ausgrenzung hinaus. Antisemitismus und Philosemitismus sind im Grunde zwei Seiten der gleichen Medaille.

Wenn hier einzelne Juden von hohem Podest aus sich bereit finden, vergangenheitverwobene Obrigkeiten wortliberal abzudecken (wie u.a. im Fall Neue Wache), so finde ich das verwerflich. Sie sollten bedenken, wohin einstiges Hofjudentum oder, zuletzt unter Hitler, Mitgliedschaft in Judenräten führte.

Sind Sie jüdischer Kommunist oder kommunistischer Jude?

Jüdischer Kommunist mit BRD-Staatsangehörigkeit. Oft werden Nationalität und Staatsbürgerschaft fälschlicherweise gleichgesetzt. Ich bin z.B. Jude, doch keineswegs Israeli. Staatsbürgerschaft und Volkszugehörigkeit müssen unbedingt unterschieden werden.

Sie entstammen einer großbürgerlichen Familie. Wie kam es, daß Sie Kommunist wurden?

Ich bin in Spanien Mitglied der dortigen KP geworden, dann in Frankreich der KPD.

Ich war in den ersten Tagen der Novemberrevolution 1918 in Berlin-Westend, Rüsternallee 33, zur Welt gekommen. Meine Eltern waren liberale Großbürger. Meine Urgroßeltern väterlicherseits hatten schon Anfang des vorigen Jahrhunderts in Anklam preußische Bürgerrechte erhalten.

Meine Mutter, eine in Berlin geborene Itzig, war in erster Ehe mit dem früh gestorbenen Dr. Sigismund Rahmer verheiratet, einem Arzt mit Armenpraxis in Kreuzberg, der zugleich Kleistforscher war. Dr. Rahmer war entschiedener Verfechter der Assimilation.

Er war der Meinung, das Beharren einer Minderheit auf Anderssein, zumal gestützt auf besondere Religion, müsse immer wieder zu ernsten bis tragischen Konflikten führen. Deshalb plädierte er für allmähliches, gewolltes Aufgehen in der Mehrheit.

Der Wunsch nach Assimilation erfüllte sich nicht ...

Als ich Mitte der 20er Jahre nahe dem heutigen Theodor-Heuß-Platz eingeschult wurde, sah ich mich im Gefolge der unter Ebert, Noske, Scheidemann abgewürgten Revolution von 1918/19 verbreitetem, virulentem Rassenhaß seitens bürgerlicher Mitschüler und kleinbürgerlicher Lehrer ausgesetzt. Eine fürchterliche Erfahrung für mich bislang wohlbehüteten Knaben. Dieser Konflikt hat mich früh geprägt.

Wie reagierten Sie darauf?

Ich trat dem jüdischen Pfadfinderbund "Kadimah" bei. Bald stellte sich heraus, der Bund war zionistisch ausgerichtet. Zionismus galt damals unter den meisten deutschen Juden als extremistische Randerscheinung. Man wollte deutsch sein, keineswegs "in die Wüste" auswandern. Das Gros der kleinbürgerlichen und bürgerlichen Juden fühlte sich mehr oder weniger vertreten durch den "Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" (C.V.). Der Name besagt alles.

Geprägt durch mein liberales Elternhaus stieß die aggressive Indoktrination im "Kadimah" mich ab, so mit Sprüchen wie "Araber sind keine Menschen!" - Keine Menschen? Jene, mit denen Juden jahrhundertelang oft gut nebeneinander gelebt hatten?

Haben Sie über Ihre Zweifel mit anderen gesprochen?

Einem unserer Führer fiel mein Unbehagen auf. Der nur wenige Jahre Ältere sah die Ausrichtung unseres Bundes, wie er mir später anvertraute, mit zunehmender Sorge. Nach und nach erfuhr ich von ihm, Zionismus sei im Grunde nichts anderes als jüdischer Nationalismus, also eine Perversion des durch die bürgerliche französische Revolution geadelten Nationalen. Nur wenn für Benachteiligte und Unterdrückte, wie auch immer, eine annähernd gerechte Ordnung erkämpft und stabilisiert wäre, würden Minderheiten, darunter Juden, in Sicherheit leben können, meinte er.

Sie haben den deutschen Nationalismus erlebt, der jeden anderen an Grausamkeit und Perversion in den Schatten stellte ...

Ja. Doch jeder sollte, das habe ich im jüdischen Religionsunterricht gelernt, erst vor der eigenen Tür kehren. Auch aus Respekt vor unseren von deutschen Faschisten Ermordeten kann ich die in und um Israel zur Tagesordnung gehörenden, oft blutigen Unterdrückungsmaßnahmen nicht schweigend hinnehmen. Ich befinde mich da im Einvernehmen mit vielen anderen Juden, so in dieser Beziehung auch mit dem kürzlich verstorbenen israelischen Gelehrten und Religionsphilosophen Y. Leibowitz.

Nationalismus, egal welcher Art, ist für Sie ein Urübel?

Im Laufe meines langen Lebens habe ich Nationalismus verschiedenster Schattierungen als eine der schlimmsten Verirrungen und Plagen der Menschheit kennengelernt. Ich habe die Deutschnationalen erlebt, die Stahlhelmer, Hitleristen; dann in Frankreich "Feuerkreuzler", in Belgien "Rexisten", in Spanien "Falangisten". Überall führte Nationalismus, so unterschiedlich er sich in einzelnen Facetten zeigen mochte, letztlich ins Abseits oder gar, wie in Deutschland, in tiefste Abgründe und größte Schande.

Aber jüdischer Nationalismus hat in seinem historischen Ursprung doch einen verständlichen Ansatz?

Er wurde von seinen bürgerlichen Schöpfern in einer Epoche entwickelt, die u.a. durch Pogrome im Zarenreich und in Frankreich durch die Dreyfus-Affäre geprägt war. Die neue Doktrin war nationalistisch. Auch auf der Suche nach Sicherheit und Heimat führt Nationalismus nahezu unweigerlich zu Aggressivität, zu Gier nach fremden Territorien, zur Verdrängung anderer Menschen.

Als deutscher Staatsbürger habe ich mich stets gegen deutschen Nationalismus eingesetzt. Durfte ich da das Verhängnisvolle des jüdischen Nationalismus übersehen? Nein, die Parole "Recht oder Unrecht - mein Vaterland", würde, auch wenn Israel das meinige wäre, nie die meine sein. Verurteilung des Zionismus ist ebensowenig antisemitisch wie, bei allem Unterschied, Antinazismus antideutsch war oder ist.

Sie haben sich dann vom "Kadimah" abgewandt ...

Von seinen aggressiven Leitsätzen und Kriegsspielen, die sich im wesentlichen lediglich durch Vorantragen blau-weißer Fahnen vom Gebaren deutsch-nationalistischer Pfadfinderbünde unterschieden.

Ich trat den "Roten Pfadfindern" bei. Unserer Gruppe stand Franz Krahl vor, ein Jude, der mit den späteren jüdischen Widerstandskämpfern Marianne und Herbert Baum befreundet war. Franz wurde früh eingekerkert, konnte Mitte der 30er Jahre nach England entkommen und war nach dem Krieg Redakteur im "ND".

Auch Sie konnten rechtzeitig Nazideutschland verlassen.

Dank der Weitsicht meiner Mutter, die schon am 1. April 1933, zum sogenannten Judenboykott, meinte: "Das ist schlimm und wird noch viel schlimmer werden!" Sie hat meinen etwas älteren Bruder Hans und mich, damals 14jährigen, nach Paris in eine Kochlehre geschickt. Ihr vor allem verdanken wir, mit dem Leben davongekommen zu sein.

Meine Mutter und mein jüngster Bruder Helmut vermochten nach der Reichspogromnacht zwar in die Niederlande zu emigrieren, wurden dort aber 1940 von der Wehrmacht eingeholt, deportiert und deutsch-staatlich ermordet.

Drei Jahre schlugen Sie sich in Frankreich, England, Belgien durch, dann gingen Sie nach Spanien, zur Verteidigung der Republik.

Ich hatte mich in Belgien in der sozialistischen Jugendbewegung engagiert. Damals wurde diese von dem noch als Linken gefeierten späteren NATO-Generalsekretär Paul-Henri Spaak gefördert. Anfang September 1936 folgte ich einer Gruppe der Spaak nahestehenden Schutzformation U.S.A.F. (Sozialistisch-Antifaschistische Union) ins Baskenland Euzkadi.

In aller Welt spürten Millionen, daß in Spanien zukunftsentscheidende Weichen gestellt würden. In Verteidigung der sich auf ein überragendes Volksfront-Wahlergebnis stützenden Republik hofften wir, die von Deutschland und Italien nach allen Seiten überschwappende braune Welle abblocken, einen zweiten Weltkrieg verhindern zu können.

Sie waren bis zum letzten Tag des Verteidigungkrieges, dem 31. März 1939, dabei?

Ja, zu Beginn in San Sebastian im liberalen Milizbataillon "Azaña", schließlich im XXII. Armeekorps als Adjutant des katholisch strenggläubigen baskischen Korpskommandeurs Ibarrola, dann in dessen Generalstab.

Worin sehen Sie die Gründe für die Niederlage der Spanischen Republik?

Es gibt drei Hauptgründe. Erstens: Die Generalsmeuterei vom 18. Juli 1936 - mit strafforganisierten Truppen, so Fremdenlegionären, maurischer Kolonialsoldateska und schon nach wenigen Tagen den ersten deutschen Interventen, vor allem Luftwaffenverbänden - traf Spaniens Völker unvorbereitet.

Zweitens: Intern gab es auf Seiten der von Liberalen bis zu Anarchisten breit gefächerten Republikverteidiger verschiedenste Auffassungen und entsprechende Schwierigkeiten. Es kam sogar im Mai 1937 in Baracelona zu Anschlägen im Rücken der Kampffront. Vom spanischen Heeresverband aus verfolgte ich den die republikanischen Fronttruppen empörenden Hinterland-Aufruhr. Ich weiß, wie viel Irreführendes darüber im Ausland verbreitet wurde und wird.

Drittens und letztlich entscheidend für die Niederlage war einerseits die rücksichtslose Intervention Deutschlands, Italiens und Portugals nebst Kolonialtruppen, über 200.000 Mann (dagegen zählten die Internationalen Brigaden über die Jahre höchstens 50.000 und waren bunt zusammengewürfelt) - andererseits die sogenannte Nicht-Einmischungspolitik vor allem Britanniens. Beide kapitalistischen Seiten, Interventen wie sogenannte Nicht-Interventen, vereinte die Furcht vor Umkehr des zunehmenden Rechtstrends in Mitteleuropa zu einer weltweit sich durchsetzenden Fortschrittsentwicklung, anknüpfend an Spanien.

Das führte nach München...

Als die Spanische Republik nach zwei Kampfjahren schwer angeschlagen war, setzten sich Chamberlain, Hitler, Daladier und Mussolini im September 1938 zusammen und vereinbarten eine auf Ausgleich zielende Zukunftsstrategie, das Münchener Abkommen. Es gab den deutschen Faschisten den Weg nach Osten frei.

Chamberlain hoffte, Deutschland und die UdSSR würden sich in einem Krieg gegenseitig zerfleischen. Moskau nahm schließlich Zuflucht zum Nichtangriffspakt mit Berlin. Hitler rechnete fest damit, London und Paris würden, angesichts der geplanten Aggression gegen die UdSSR, Gewehr bei Fuß stehen bleiben. In der Tat gab es erst einmal, trotz Überfalls auf Polen, seitens des Westens nur den "drôle de guerre", den "merkwürdigen Krieg" - also Stillhalten, solange Hitler gen Osten marschieren ließ.

Das Münchener Abkommen und die Niederwerfung der Spanischen Republik hatten weitreichende, ja epochale Bedeutung. Die in nicht unbeträchtlichem Maß linksbürgerlich getragene Spanische Republik war das letzte Bollwerk, von dem aus der Faschismus weithin gestoppt, der zweite Weltkrieg verhindert und langfristig Rückfall in ewiggestrige Entwicklungen hätte verhindert werden können.

Wie verlief Ihr weiterer Weg?

Unser XXII. Armeekorps stand bis zuletzt an der Front vor Valencia. Wir wurden dann nach Alicante beordert. Dort sollten uns britische Kiegsschiffe abholen. Tausende warteten im Hafen. Dann kam jedoch ein Kriegsschiff der Francisten. Auf der Landseite preschten motorisierte Italiener heran. Wir wurden von der Guardia Civil auf ein offenes Feld am Rande der Stadt eskortiert.

Mir gelang es zu fliehen. Ich durchquerte Spanien in wochenlangem Fußmarsch über Landwege, dann mit der Bahn. Als ich nahe San Sebastian die Grenze zu Frankreich überschreiten wollte, wurde ich gefaßt. Ich gab mich als Spanier aus, der, wie Tausende andere, seine Familie suche.

Als Preso gobernativo, wozu ungeklärte, leichte Fälle gehörten, kam ich ins Hilfsgefängnis "Zapatari" Bei Außenarbeiten vermochte ich mit einem Kameraden zu entkommen und mich nach Frankreich und von dort nach Belgien durchzuschlagen.

Wie erging es Ihnen dort?

Ich erhielt als Rückkehrer aus Spanien Aufenthaltserlaubnis. Als am 10. Mai 1940 die deutsche Wehrmacht Belgien überfiel, mußten sich Angehörige von Feindesstaaten stellen, auch Antifaschisten.

Wir, in der Mehrzahl jüdische Asylanten, weiter politische Exilanten, wurden zusammen mit Auslandsnazis in einem Gefangenen-Güterzug nach Frankreich abtransportiert. Schließlich landete ein Teil von uns - wer irgendwo Offizier gewesen war, wurde aussortiert - im Camp du Vernet, Département Ariège.

Wie lange waren Sie dort?

Bis Ende 1940. Während die Auslandsnazis, unmittelbar nach dem deutsch-französischen Waffenstillstand freigelassen wurden, hielten sie uns 120 Juden aus Deutschland sowie Österreich im Lager fest, ebenso einige bürgerliche Hitlergegner und sechs Spanienkämpfer, u.a. Heinrich Schürmann und Ludwig Wieland.

Schließlich wurde unsere Offiziersgruppe zwangsüberführt nach Agen, in die 306. Kompanie ausländischer Arbeiter (Compagnie de Travailleurs Etrangers, CTE). Wir arbeiteten bei Bauern oder in Forsten. Als wir Juden im Spätsommer 1942 zur Arbeit in den deutsch besetzten Osten geschickt werden sollten, floh ich. Ich bin der einzige unserer Gruppe, der Auschwitz entkommen ist.

Doch wohin nun?

Die nahe Schweiz kam nicht in Frage, von ihren Grenzwachen drohte sofortige Auslieferung an die Deutschen. In Spanien unterzutauchen, auch nicht; doch über Spanien nach Portugal - zwar auch ein faschistisch regiertes Land - und mit Hilfe dort etablierter Hilfskomitees unterzukommen, schien möglich. Es gelang mir.

Sie sind 1945 nach Deutschland zurückgekehrt. Nach allem, was Sie erlebt hatten?

Ungeachtet der Beschwörungen meines Bruders Hans, mich nicht ins Land der Massenmörder zu begeben, hielt ich Rückkehr auf Grund sozialistischer Überzeugung für meine Pflicht. Deutschland mit seiner wirtschaftlichen Potenz mitten in Europa gelegen, durfte nicht Ewiggestrigen überlassen werden.

Vielen deutschen Emigranten wurde die Rückkehr nicht leicht gemacht ­...

Lange hatten die britische und die US-amerikanische Vertretung in Lissabon Antifaschisten - Juden wie Nichtjuden - die Rückkehr verwehrt. Schließlich wurden wir im Herbst 1946 auf den USA-Truppentransporter "Marine Marlin" verfrachtet, der deutsche Diplomaten nebst ihren SS-Botschaftsbewachern aus Lateinamerika und Iberien nach Bremerhaven brachte.

Von dort ging es - wir inmitten von Nazis - in einem Gefangenentransport zum Internierungslager Hohenasperg. Durch Androhung eines Hungerstreiks gelang es uns schließlich, unsere Freilassung zu erzwingen.

Was waren Ihre ersten Eindrücke in Deutschland?

Ich hörte von der Rede des USA-Außenministers Byrnes in Stuttgart - Truman war Präsident geworden - mit der (neben Churchills Fulton-Ansprache) der Kalte Krieg eröffnet wurde. Bald wurden verurteilte deutsche Kriegsverbrecher im Westen freigelassen, viele jüdische und liberal gesinnte USA-Besatzungsoffiziere heimbeordert und bisherige Diener des Hitlerregimes nahezu hofiert. Als von den Nazis Ausgebürgerter mußte ich hingegen lange um Rückgabe der deutschen Staatsangehörigkeit kämpfen.

Im zerstörten Berlin - Sie waren in Ihrem Heimatbezirk Charlottenburg untergekommen - meldeten Sie sich beim damaligen Politbüromitglied der SED Paul Merker, den Sie von Vernet kannten.

In Vernet hatte ich einige Zeit in der Krankenbaracke zusammengelegen mit Merker und Hans Marum. Wir wurden hier von Heinz Renner, damals Pfleger in der Krankenbaracke, später Essener Oberbürgermeister und Adenauer-Kontrahent im Bundestag, bestens betreut. In Berlin nun also empfahl mir Merker, ich solle Journalist werden.

Sie folgten dem Ratschlag.

Ja, ich wurde im Ostteil des noch für Jahre ungeteilten Berlins angestellt, blieb aber in Westberlin wohnen. Bis Mitte der 60er Jahre, als ich wegen wesentlicher Meinungsverschiedenheiten ausschied, war ich ADN-Korrespondent in Berlin-West.

Meine Ausbildung hatte ich in erster Linie Dr. Georg Honigmann zu verdanken, der aus britischem Exil gekommen war. Juden waren und blieben in den östlichen Medien zahlreich, ebenso unter den sowjetischen Presseoffizieren.

Auch in anderen Institutionen, bis- hinauf in-Regierungi ZK und Politbüro der SED waren, bis zuletzt, Jüdinnen und Juden stark vertreten. Nirgends - trotz Stalins zunehmender Animosität gegenüber Juden - bin ich in der DDR auf Antisemitismus gestoßen.

Und im Westen machten Sie andere Erfahrungen?

Bezeichnend ist, daß von 1949 bis heute meines Wissens kein einziger Jude in eine Schlüsselstellung der Bundesregierung aufgenommen wurde. Adenauer war wohl kein Antisemit, jedoch zweifelsohne geprägt vom tiefverwurzelten christlichen Anti-Judaismus. Pragmatiker, der er war, wollte er die ihm äußerst hinderliche Judenfrage vom Tisch haben. Er befürchtete, Juden könnten nach allem Erlittenen konsequente Abrechnung mit Hochgestellten des "Dritten Reiches" einfordern.

Ihm gelang es, bar jeglicher politischer Wiedergutmachung, d.h. Verpflichtung zu durchgehender Amtsausgrenzung aller wichtigen Diener des Dritten Reiches, die nach vielen Martern Ermüdeten dazu auch Israels Regierung! lediglich mit Geld abzufinden. Dies übrigens ungerechterweise gestaffelt nach früheren Einkommen und Stellungen, nicht nach Erlittenem. Wer auf striktem Linkskurs beharrte, wurde sogar ausgeschlossen. Das nannte sich Wiedergutmachung...

Wie sehen Sie Deutschland heute?

Deutschland hat eine Rückwende erlitten. Ich bin beunruhigt. Vor allem wegen des großdeutschen, eurozentristischen Neo-Nationalismus, der heute wieder offizielle Politik bestimmt. Dementsprechend geht bisher die innere Hauptgefahr nicht von brandschatzenden Stiefel-Faschisten aus, vielmehr von gewissen Mächtigen in Wirtschaft, Politik und Medien, die im Hintergrund Fäden ziehen. Ich frage mich: Werden fünf Jahrzehnte nach Auschwitz die nicht unbedeutenden potentiellen Gegenkräfte erneut, wie vor 1933, die von rechten Machtpotenzen ausgehende Gefahr unterschätzen? Entschiedener Gegendruck aller Anständigen ist wieder überlebenswichtig geworden.

Interview: Karlen Vesper


Mit freundlicher Genehmigung des Neuen Deutschland veröffentlicht der Schattenblick das vollständige Interview, das im ND am 3./4.6.1995 erschienen ist.

Raute

Christine Buchholz zur Militarisierung der deutschen Politik

Nicht in unserem Namen!

Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik hat seit 1990/1991 einen deutlichen Paradigmenwechsel durchgemacht. Will "Die Linke" ihre Aufgabe als Anti-Kriegs-Partei erfüllen, muß sie sich mit dieser Entwicklung auseinandersetzen - auch im friedenspolitischen Teil des Parteiprogramms.

Seit über zehn Jahren treibt die Bundesregierung den Umbau der Bundeswehr zu einer effektiven international einsatzfähigen Interventionsarmee voran. Dazu gehören unter anderem die Aussetzung der Wehrpflicht, der Umbau zu einer Berufs- und Freiwilligenarmee und die Projektierung neuer Rüstungsvorhaben.

Die westdeutsche herrschende Klasse hat eit der Niederlage Nazi-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg immer versucht, ihren politischen Spielraum auszudehnen, um ihre ökonomischen Interessen effektiver vertreten zu können. Unter den damaligen Bedingungen bedeutete das vor allem Westintegration, Wiederbewaffnung und NATO-Beitritt. Dabei haben alle Bundesregierungen versucht, eine eigenständige Rolle - durchaus auch im Konflikt mit den Verbündeten - zu spielen, sei es bei der Unterstützung der Nuklearprogramme in Südafrika und Brasilien, bei der Rüstungsexport- oder bei der Währungspolitik.

Mit dem Ende der Blockkonfrontation und damit einhergehend der deutschen Vereinigung haben sich die globalen und regionalen Rahmenbedingungen geändert. Der Golfkrieg von 1991 bildete eine Zäsur. Er offenbarte, wie begrenzt die Wirkungsmöglichkeiten des deutschen Kapitals international sind, solange sich die BRD der direkten Kriegsbeteiligung verweigert. Die Bundesregierung zahlte, blieb aber ohne Einfluß auf die Nachkriegsordnung.

Seitdem sind die deutschen Regierungen bestrebt, systematisch die Fähigkeit zu erweitern, ihr wirtschaftliches Gewicht international auch durch den Einsatz von Waffengewalt zu flankieren. 1992 stand erstmals in den Verteidigungspolitischen Richtlinien das, was inzwischen gängige Geschäftsgrundlage für die Bundeswehrreform von Thomas de Maizière ist.

In dem Maße, wie die Zahl der Verlierer des globalen Kapitalismus, des Klimawandels und der Wirtschaftskrise einerseits und die Verteilungskonflikte zwischen den Industriestaaten um die verbleibenden Ressourcen andererseits zunehmen, wird auch die Bedeutung von Krieg und Militär wachsen. Um Handelswege abzusichern sowie rohstoffreiche Gebiete und strategisch bedeutende Regionen zu kontrollieren, werden die Herrschenden noch mehr als bisher auf die Bundeswehr zurückgreifen wollen. Neben Afghanistan können wir das bereits heute auch vor Somalia und im Sudan beobachten. Im Sudan geht es den führenden Industriemächten vor allem um die Kontrolle des Ölreichtums. In Somalia kämpfen sie, zumindest zum Teil, um die Absicherung der Route durch den Suezkanal. Und überall ist die Bundeswehr mit dabei.

Salamitaktik zur "Gewöhnung" der Bevölkerung

Wesentliches Hindernis für eine Militarisierung der Außenpolitik war die tief verwurzelte Ablehnung jeglicher militärischer Gewalt in der deutschen Bevölkerung nach den enormen Verwüstungen und Menschenverlusten des Zweiten Weltkrieges. Deswegen entwickelte die Bundesregierung Anfang der 90er Jahre eine "Salamitaktik" (Verteidigungsminister Volker Rühe), um Deutschland wieder kriegsfähig zu machen: Schrittweise Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer "Armee im Einsatz" und sukzessive Gewöhnung der Bevölkerung "an Krieg, Tod und Verwundung", wie es der Generalinspekteur der Bundeswehr Wellershof 1991 formulierte.

Auslandseinsätze begannen scheinbar harmlos mit einzelnen Sanitätern der Bundeswehr in Kambodscha und einem kleinen Kontingent in Somalia 1992 und 1993. Aber Schritt für Schritt wurden die Einsätze größer und gewalttätiger, bis zur ersten bundesdeutschen Beteiligung an einem Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999. Es ist symptomatisch, daß es einer Regierung aus SPD und Grünen bedurfte, dies auch innenpolitisch durchzusetzen. Die "moralische Legitimation", der Verweis auf Menschenrechte und Demokratie haben den Krieg wieder gesellschaftsfähig gemacht.

So bleibt bis heute der "Menschenrechtsimperialismus" wesentlich zur Legitimierung von Kriegen, auch wenn die Herrschenden inzwischen viel offener mit ihren wahren Motiven an die Öffentlichkeit gehen. Die bloße Erwähnung der Tatsache, daß Kriege aus geopolitischen und letztlich ökonomischen Interessen heraus geführt werden, kostete Bundespräsident Horst Köhler das Amt. Heute kann der Verteidigungsminister ohne Anfeindungen erklären, deutsche Sicherheitsinteressen ergäben sich "aus unserer Geschichte, der geographischen Lage in der Mitte Europas, den internationalen politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen des Landes sowie unserer Ressourcenabhängigkeit als Hochtechnologie-Standort und rohstoffarme Exportnation".

Da Krieg weiterhin äußerst unpopulär ist, entdecken die tonangebenden Medien und bestimmte Politiker überall dort, wo die "nationalen Interessen" den Militäreinsatz erfordern, eine humanitäre Krise, Menschenrechtsverletzungen, Diktaturen, Bedrohungen für die Nachbarn oder gar einen "neuen Hitler", um eine bewaffnete Intervention als legitim darstellen zu können. Vergleichbare Mißstände, welche die Interessen der im "Westen" herrschenden Klassen nicht tangieren, gelangen indes kaum ins öffentliche Bewußtsein. Es ist eine Tatsache, daß westliche Militäreinsätze stattfinden, wenn sich die sogenannten nationalen Interessen der beteiligten Staaten durch eine solche Intervention fördern lassen.

Anhaltend blutiger Krieg in Afghanistan

Die Menschen, in deren Interesse die Einsätze angeblich durchgeführt werden, zahlen einen hohen Preis. Kosovo ist Protektorat der EU, die serbische Bevölkerung wurde größtenteils von dort vertrieben, der verbliebene Teil befindet sich in einem Dauerkonflikt mit albanischen Nationalisten. Irak ist ein besetztes Land. Abgereichertes Uran von westlichen Waffen hat ganze Landstriche verseucht, das öffentliche Eigentum ist privatisiert. Hunderttausende Iraker sind gestorben, um ein imperialistisches Besatzungsregime durchzusetzen. In Afghanistan hält die NATO in einem anhaltenden und blutigen Krieg eine korrupte und beim Volk unbeliebte Regierung an der Macht, die sich in den Provinzen auf die alten Kriegsherren und Drogenbarone stützt.

Aber auch die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung profitiert nicht von den Kriegen. Wenn von "unseren" oder "nationalen" Interessen die Rede ist, sind damit immer jene der Konzerne und ihrer Eigentümer gemeint. Sie brauchen den Zugang zu Rohstoffen und Märkten, sie ernten die Profite, es ist in ihrem Sinne, wenn weltweit Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse aufrechterhalten werden. Die große Mehrheit - auch in Deutschland - bekommt lediglich die Rechnung präsentiert. Während die Bundesregierung bei arbeitslosen Eltern sparen will, veranschlagte ihr Haushalt für den Afghanistan-Einsatz 2010 insgesamt 1,2 Milliarden Euro. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wird dieser Krieg bis 2014, sollte die Bundeswehr bis dahin abgezogen sein, insgesamt 34 Milliarden Euro gekostet haben (inklusive vom DIW berechneter Nebenkosten). Das alles bezahlen wir mit unseren Steuergeldern!

Öffentliche Gelöbnisse sind nur die Spitze des Eisbergs

Neben den unmittelbaren Kosten der Einsätze und der Rüstung wird die Gesellschaft auch noch durch die zunehmende Militarisierung des öffentlichen Lebens belastet. Wir erleben in den letzten Jahren eine wahre Schwemme an publizitätswirksamen Veranstaltungen der Bundeswehr in Deutschland. Dabei sind öffentliche Gelöbnisse nur die Spitze des Eisbergs. Jugendoffiziere haben im vergangenen Jahr 115.000 Schülerinnen und Schüler erreicht. Wehrdienstberater konnten in den Schulen gar vor 281.000 Jugendlichen auftreten. Die Zahl der Lehramtsanwärter, die Ausbildungsangebote der Bundeswehr nutzen, ist seit dem Jahr 2003 von 50 auf nunmehr 1073 hochgeschnellt. Weitere 3266 Lehrkräfte haben im vergangenen Jahr Fortbildungen beim Militär besucht.

Auf Initiative der Bundeswehr haben in den letzten zwei Jahren neun Landesregierungen Kooperationsvereinbarungen im Bildungsbereich mit ihr abgeschlossen. Ziel der Abkommen ist es, die Nachfrage nach Jugendoffizieren an den Schulen zu erhöhen. Darüber hinaus wirkt die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr darauf hin, deren Verankerung in der Bevölkerung durch Präsenz und logistische Unterstützung auf Volksfesten und Messen, Kooperation und Partnerschaften mit Kommunen, Zusammenarbeit mit Vereinen zu verbessern. Im hessischen Stadtallendorf hat die Division Spezielle Operationen (DSO) beispielsweise eine Sporthalle und ein Schwimmbad gebaut, die örtliche Vereine gegen ein geringes Entgelt nutzen können.

All das dient heute der Legitimierung der Bundeswehr. Die Einsätze selbst finden wenig positive Resonanz, wie Umfragen zur deutschen Beteiligung in Afghanistan belegen. Laut ARD Deutschlandtrend schwankt die Ablehnung in den letzten drei Jahren zwischen 54 und 72 Prozent - bei weiter wachsender Distanzierung.

Die Bundeswehr hingegen ist, auch als Ergebnis der erwähnten Kampagnen, heute angesehener als noch vor 20 Jahren. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach vom Mai 2010 haben 51 Prozent der Deutschen "sehr viel" oder "ziemlich viel" Zutrauen zur Bundeswehr, während der Bundestag nur auf 34 Prozent und die Kirchen auf 39 Prozent kommen. Die Zustimmung ist bei jungen Menschen (15 bis 35 Jahre) überdurchschnittlich hoch, was sicher ein Ergebnis der dargestellten Öffentlichkeitsarbeit ist und dazu beiträgt, frische Rekruten für sie zu gewinnen.

Außerdem sehen wir, wie die Bundeswehr sich die immer trüberen Aussichten junger Menschen auf einen Arbeitsplatz zunutze macht, um eine "Armee im Einsatz" als vielversprechenden Jobanbieter zu profilieren. Ein überproportionaler Anteil der neuen Rekruten und Freiwilligen kommt aus strukturschwachen Regionen, insbesondere aus Ostdeutschland. Viele der Soldaten in Auslandseinsätzen geben offen zu, daß sie allein des Geldes wegen ihre Haut zu Markte tragen. So sieht die angebliche Freiwilligkeit im Kapitalismus aus.

Achillesferse des deutschen Imperialismus

Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan ist Referenzprojekt für die zukünftigen Aufgaben der BRD-Streitkräfte und zugleich die empfindlichste Schwachstelle der Herrschenden.

So sehr sich der globale Mitwirkungsanspruch der Bundesregierung(en) am Beispiel Afghanistan deutlich machen läßt, so sehr holt die Realität die Kriegsbefürworter immer wieder ein. Korruption, tote Zivilisten, gefallene Bundeswehrsoldaten, eine heillos überforderte Armee und eine zunehmende Gegnerschaft zur NATO - das ist die Bilanz nach zehn Jahren Krieg.

Den Widerspruch ständig aufs neue zu verdeutlichen und immer mehr Menschen gegen den Krieg zu mobilisieren, bleiben eine praktische Aufgabe für "Die Linke". Sie hat dabei den überwiegenden Teil der Bevölkerung auf ihrer Seite. So kann der Krieg in Afghanistan zur Achillesferse des deutschen Militarismus werden.

Friedenspolitische Forderungen der Linkspartei

Das neue Programm der "Linken" muß diese ständige Militarisierung der deutschen Politik in Betracht ziehen und die entsprechenden Forderungen konkret definieren.

Militäreinsätze lösen keine Probleme. Im Gegenteil, meist verschärfen sie diese nur noch und schaffen neuen Konfliktstoff. Daher sollte eine zentrale Forderung der "Linken" im Verlangen nach sofortiger Beendigung aller Auslandseinsätze bestehen.

Für die neue Interventionspolitik der Machthaber Deutschlands ist die Frage nach der Wehrpflicht übrigens völlig irrelevant. Die "Armee im Einsatz" stützt sich bisher ausschließlich auf Zeit- und Berufssoldaten. In dieser Hinsicht folgt sie dem Beispiel Großbritaniens und der USA. Die Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht ist dennoch richtig, weil es sich dabei um einen Zwangsdienst handelt, der zwar ausgesetzt, aber nicht abgeschafft wurde. Die Aufhebung der Wehrpflicht ist jedoch kein Mittel gegen die Militarisierung der Außenpolitik und der Gesellschaft. Unser Ziel muß daher die Auflösung der Bundeswehr sein. Dies sollte als programmatisches Ziel festgehalten werden. Schritte dahin sind die Reduzierung und der Umbau der Streitkräfte in Richtung einer strukturellen Nichtangriffsfähigkeit.

Eine eigenständige deutsche Rüstungsproduktion ist für die von potentiellen Rivalen unabhängige Interventionsfähigkeit der Bundeswehr von ausschlaggebender Bedeutung. Deshalb, und auch, um Friedenspolitik nicht gegen Gewerkschaftspolitik ausspielen zu lassen, ist es dringend erforderlich, die Debatten über Rüstungskonversion, welche innerhalb der IG Metall in den 70er und 80er Jahren stattfanden, wieder aufzunehmen.

Ein erster Schritt dazu wäre ein komplettes Verbot von Waffen- und Munitionsexporten.

Christine Buchholz


Unsere Autorin ist Friedenspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag und gehört dem geschäftsführenden Vorstand der Partei Die Linke an.

Ende RF-Extra

Raute

Offener Brief in Libyen tätiger Ärzte an die Führung der Russischen Föderation

Der NATO-Aggression Einhalt gebieten!

Sehr geehrte Herren Medwedjew und Putin!

Heute findet eine himmelschreiende Aggression der USA und der NATO gegen ein souveränes Land, Libyen, statt. In der Überzeugung, daß Rußland, das über das Vetorecht verfügt, die Aggression der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten nicht zulassen würde, beschlossen wir, in Libyen zu bleiben, hatten uns jedoch getäuscht: Rußland glaubte unglücklicherweise den falschen Versicherungen der Amerikaner und stellte sich nicht gegen die kriminelle Entscheidung Frankreichs und der USA.

Wir sind Ukrainer, Russen und Weißrussen, Menschen unterschiedlicher Berufe (hauptsächlich Ärzte), die seit mehr als einem Jahr in Libyen arbeiten (zwei bis 20 Jahre). In dieser Zeit sind wir mit dem Leben der Menschen in Libyen und des libyschen Staates wohlvertraut geworden. Nur wenige Bürger anderer Staaten leben in solchem sozialem Wohlstand wie die Libyer. Sie haben das Recht auf kostenfreie Behandlung, und ihre Krankenhäuser sind nach weltbestem Stand ausgerüstet. Die Bildung in Libyen ist gebührenlos, fähige junge Menschen haben die Gelegenheit, auf Staatskosten im Ausland zu studieren. Wenn sie heiraten, erhalten junge Paare eine finanzielle Unterstützung von 60.000 libyschen Dinar (etwa 50.000 US-Dollar). Es gibt zinsfreie staatliche Darlehen ohne Rückzahlungsfrist. Aufgrund von Regierungssubventionen sind die Preise für Autos niedriger als in Europa, jede Familie kann sich eins leisten. Benzin und Brot kosten eine Kleinigkeit; Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, zahlen keine Steuern. Die Libyer sind sehr ruhig und friedlich, neigen nicht zur Trunksucht und sind sehr religiös.

Heute müssen die Menschen leiden. Im Februar wurde das friedliche Leben durch Banden von Kriminellen und verwirrten Jugendlichen unter Drogen zerstört, die der Westen aus bestimmten Gründen als "friedliche Demonstranten" bezeichnete. Sie benutzten Waffen und griffen Polizeistationen, Regierungsbüros und Militäreinheiten an - Blutvergießen war die Folge. Die Drahtzieher verfolgen ein eindeutiges Ziel: Chaos zu verbreiten und die Kontrolle über Libyens Öl zu erlangen.

Sie lieferten der internationalen Gemeinschaft falsche Informationen und behaupteten, die Libyer kämpften gegen das Regime. Erklären Sie uns, wer denn ein solches Regime nicht schätzt? Gäbe es dieses in der Ukraine oder in Rußland, wären wir nicht zum Arbeiten hier, sondern würden den sozialen Komfort zu Hause genießen; und ein solches Regime würde man auf jede Weise zu erhalten suchen.

Wenn die USA und die EU heute nichts Besseres zu tun haben, sollten sie ihre Aufmerksamkeit der Not in Japan zuwenden oder dem israelischen Bombardement Palästinas. Wir sehen, daß sie aus Libyen einen weiteren Irak machen wollen. Sie verüben Genozid am libyschen Volk und an denen, die sie bei ihm vorfinden. Wir erfüllen unsere ärztliche Pflicht und Schuldigkeit und können die Libyer nicht in Schwierigkeiten alleinlassen und gestatten, daß sie von den Streitkräften der Koalition vernichtet werden.

Darüber hinaus gehen wir davon aus, daß die Amerikaner hier ein Blutbad anrichten werden, wenn alle Ausländer das Land verlassen und niemand mehr die Wahrheit berichtet. Die kleine Belegschaft der diplomatischen Missionen wurde schon vor längerer Zeit zum Verstummen gebracht. Unsere einzige Überlebenschance ist eine feste, zivil ausgerichtete Haltung Rußlands im UN-Sicherheitsrat.

Wir hoffen, daß Sie, Herr Präsident, und Sie, Herr Ministerpräsident, es als Bürger Rußlands und als ehrenwerte Menschen den amerikanischen und europäischen Faschisten des 21. Jahrhunderts nicht erlauben werden, das freiheitsliebende Volk Libyens und jene, die heute mit ihm sind, zu vernichten.

Wir fordern daher dringend, daß Rußland sein Vetorecht einsetzt - das Recht, das im Zweiten Weltkrieg durch den Verlust von Millionen Menschenleben der Sowjetunion erworben wurde -, um die Aggression gegen einen souveränen Staat aufzuhalten und der Bombardierung durch die USA und die NATO unverzüglich ein Ende zu setzen.

Hände weg von Libyen!

Bürger der Ukraine, Weißrußlands und Rußlands vor Ort in Libyen

Es folgen die Namen von 37 Erstunterzeichnern.
Übersetzung: Schattenblick

Raute

Eine Ausstellung in Santiago "vergißt" die Solidarität der DDR mit Chile

Wer stand Allende zur Seite?

Groß war unsere Freude, als wir in Santiago von der Existenz eines Museums des Gedenkens und der Menschenrechte erfuhren. Es ist ein Haus, das dem dunkelsten Kapitel der chilenischen Geschichte und dem Kampf gegen die Diktatur Pinochets gewidmet ist. Wir sind sehr beeindruckt von den dort ausgestellten Zeugnissen und der Verwendung moderner Technik, insbesondere der interaktiven Bildschirme. Mit Genugtuung beobachteten wir die zahlreichen Einzelbesucher und Gruppen. Da wir einige der Opfer persönlich gekannt hatten und Überlebende kennen, stimmt es uns froh, daß ihrer in so würdiger Art gedacht wird.

In der Ausstellung lasen wir auch den Namen von Carlos Altamirano, dem damaligen Generalsekretär der Sozialistischen Partei. Er gehörte zu den durch die Junta meistgesuchten Politikern der Unidad Popular. Wir erinnerten uns daran, wie es ihm gelang, den Häschern und Henkern der Militärdiktatur zu entrinnen. Wir sind stolz darauf, daß es unser damaliges Heimatland war, welches diese Flucht vorbereitete und organisierte. Die DDR rettete Altamirano das Leben und gewährte dem Flüchtling Asyl.

Indes rufen gewisse Aussagen der Exposition unser Erstaunen hervor. Sie untergraben die guten Absichten des Museums. Uns fiel auf, daß sowohl in der Ausstellung als auch bei den diversen Führungen durch die Räume des dreistöckigen Hauses stets nur von "Deutschland" die Rede ist. Dabei gab es in den 70er Jahren bekanntlich zwei deutsche Staaten mit sehr unterschiedlicher Haltung zu den Ereignissen in Chile: die DDR, die fest an der Seite des gewählten Präsidenten Allende stand, Solidarität mit den fortschrittlichen Kräften Chiles übte und den Pinochet Entkommenen eine neue Heimat bot, ihnen Arbeit, Unterkunft und soziale Absicherung garantierte, und die BRD, die sich am Wirtschaftskrieg gegen die Allende-Regierung aktiv beteiligte. Sie nahm dann zwar auch chilenische Emigranten auf, arrangierte sich aber sehr schnell mit Pinochet.

Im Museum gibt es einige Ausstellungsstücke, die von der solidarischen Haltung der DDR zeugen. An verschiedenen interaktiven Bildschirmen werden Ausschnitte aus DDR-Filmen von Heynowski & Scheumann gezeigt - ebenfalls ohne Erwähnung des Staates, den diese Dokumentaristen vertraten. Die Rettung Altamiranos wurde vom Ministerium für Staatssicherheit organisiert. Dessen Mitarbeiter schleusten den Parteiführer, der sich in die DDR-Botschaft geflüchtet hatte, im Versteck eines Autos nach Argentinien aus. Die Personen, die Carlos Altamirano in die Freiheit führten, riskierten dabei ihr Leben. Wie aber wird ihnen diese mutige Tat heute vergolten? Im Museum bezeichnet man die Befreier Altamiranos als Unterdrücker.

Zu den im Vestibül des Hauses aufgestellten Stelen mit den Namen der Länder, in denen nach dem Ende blutrünstiger Diktaturen sogenannte Versöhnungs-, Wahrheitsfindungs- oder ähnlich bezeichnete Kommissionen in Aktion traten, gehört auch eine "Deutschland" gewidmete. Auf ihr liest man: "Kommission von 1992 bis 1994; Gegenstand der Untersuchung: Deutsche Demokratische Republik von 1949 bis 1989; Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) als Unterdrückungsorgan".

Das ist das einzige Mal, daß die DDR überhaupt Erwähnung findet. Warum liest man kein Wort über die Solidarität des sozialistischen deutschen Staates mit der Allende-Regierung?

Jetzt leben wir in der BRD, von der jene verfolgt und bestraft werden, die einst Carlos Altamirano vor dem sicheren Tod gerettet haben. Man ermittelte entweder gegen sie, stellte sie vor Gericht oder kürzte ihre Altersbezüge wegen "Systemnähe", so daß sie lediglich eine Strafrente erhalten. Die "Kommission" aber, von der auf der Stele die Rede ist, war die unrühmliche Enquete-Kommission, in der professionelle DDR-Hasser den Ton angaben. Ihr Bericht vermochte keinen einzigen Fall eines verschwundenen oder exekutierten Verhafteten, kein einziges Konzentrationslager oder Massengrab anzuführen.

Dank seiner guten Beziehungen zur CIA wurde der Auslandsgeheimdienst der BRD - der BND - in der zweiten Augusthälfte 1973 von Langley und auch durch Quellen in Chile selbst über einen dort unmittelbar bevorstehenden Putsch informiert. Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, ob der BND, in dessen Reihen damals noch zahlreiche Personen tätig waren, die bereits Hitler gedient hatten, Willy Brandts SPD-Regierung bewußt nicht davon in Kenntnis setzte oder ob es der Kanzler seinerseits unterließ, Salvador Allende, dessen Partei der Sozialistischen Internationale angehörte, zu informieren.

Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR hatte in der BND-Zentrale Alfred Spuhler plaziert, der von dem anrollenden Putsch Wind bekam. Über seine Kanäle informierte er Verantwortliche der DDR, die ihrerseits Allende und KP-Generalsekretär Luis Corvalán warnten. Beide waren indes zu sehr von der Loyalität des chilenischen Militärs überzeugt, um den Hinweisen Glauben zu schenken.

Nach der Annexion der DDR durch die BRD wurde Alfred Spuhler von einem bundesdeutschen Gericht zu zehn Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Sein "Verbrechen" bestand darin, daß er versucht hatte, die Allende-Regierung zu retten.

Wir fragen uns, warum das Museum in Santiago die Angehörigen des MfS als Unterdrücker bezeichnet, ohne auch nur zu erwähnen, was gerade sie zum Schutz von Anhängern der Unidad Popular getan haben. Man möge Carlos Altamirano fragen, wer ihn damals in Sicherheit gebracht hat - noch ist es möglich. Oder auch Chiles frühere Präsidentin Michelle Bachelet, die als Mitglied der Sozialistischen Partei Allendes ebenfalls im DDR-Exil lebte und dort ihr Medizinstudium aufnehmen konnte. War sie nach "Deutschland" emigriert? Geht die Unterordnung Santiagos unter die BRD inzwischen so weit, daß man deren Kriterien einfach übernimmt? Legt Chile keine eigenen Maßstäbe mehr an?

Man sollte auf Propagandafloskeln verzichten und sich der Wirklichkeit stellen: Als Gladys Marín, die Generalsekretärin der KP Chiles und ehemalige Senatorin, verstarb, wurde in dem Andenland eine zweitägige Staatstrauer verkündet. So wie ihre Partei unter der Militärdiktatur verboten war, steht die KPD in der BRD seit 1956 außerhalb von Recht und Gesetz. Sie bleibt verbannt, während die neofaschistische NPD nach bundesdeutschen Gesetzen sogar vom Staat finanzielle Unterstützung erhält.

Als wir das Museum in Santiago besuchten, zeigte man dort gerade eine Sonderschau zur Solidarität nordischer Länder mit dem Chile Allendes. Wäre es nicht an der Zeit, auch eine Ausstellung über die von der DDR gewährte Hilfe vorzubereiten, um die Lücken im Konzept des Museums zu schließen?

Gudrun und Gerhard Mertschenk, Berlin

Raute

Astronomische Verschuldung trieb die USA-Administration an den Rand des Staatsbankrotts

Obamas Pyrrhussieg

Im Vorfeld der nächsten Präsidentschafts- und Kongreßwahlen, die am 6. November 2012 stattfinden werden, brechen die USA unter der Last ihrer Staatsverschuldung beinahe zusammen. Bis Ende August mußte das laufende Budget 2010/2011 abgerechnet werden. Die Erarbeitung des Staatshaushalts 2011/2012 stößt auf enorme Schwierigkeiten. Während ständig von "Griechenland in der Schuldenfalle" die Rede ist, sprengen die finanziellen und ökonomischen Belastungen, denen sich das Hauptland des Imperialismus gegenübersieht, alle Dimensionen. Die seit Jahren angehäuften Staatsschulden der USA haben horrende Ausmaße angenommen.

Im Frühjahr wurde die erst im Februar 2010 auf gesetzgeberischem Wege vom Kongreß festgelegte Schuldenobergrenze von 14,29 Billionen Dollar überschritten, so daß der durch Präsident Obama zu Jahresbeginn in seiner "Rede an die Nation" vorausgesagte Zustand Realität geworden ist. Nur durch gemeinsam von Demokraten und Republikanern ausgearbeitete härteste Sparmaßnahmen kann verhindert werden, daß die Vereinigten Staaten von diesem Schuldenberg erdrückt werden.

Nach drei Jahren angeblicher Konjunkturbelebung weisen die USA eine offizielle Arbeitslosenrate von über 9 % aus. Fast die Hälfte die Jobsuchenden ist bereits länger als sechs Monate ohne festes Einkommen. Auf jedem US-Bürger lastet inzwischen eine Schuldensumme von 45.000 Dollar.

Bis Ende Juli konnten sich Obama und die Mehrheit der als Grand Old Party (GOP) bezeichneten Republikaner im Kongreß nicht auf eine gemeinsame Strategie zum Schuldenabbau einigen. Die Administration des Präsidenten benötigte noch für das Haushaltsjahr 2010/2011 nicht weniger als 1,6 Billionen Dollar, die auf den internationalen Geldmärkten beschafft werden sollten und für Washington mit enormen Zinsleistungen verbunden sind. Diese belaufen sich mittlerweile auf über 10 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Im Januar 2011 sah sich die Obama-Regierung gezwungen, den aus Senat und Repräsentantenhaus bestehenden Kongreß über die fatale Gesamtschuldensituation zu informieren. Bei der Konstituierung des 112. Kongresses der Vereinigten Staaten am 5. Dezember 2010 hatte sich Finanzminister Timothy Geithner mit drastischen Worten an die Fraktionsführer in beiden Häusern gewandt. Die beschlossene Schuldenobergrenze werde bald überschritten, was die Zahlungsfähigkeit aufs äußerste bedrohe und den Konkurs des Staates zu einer realen Gefahr werden lasse, deutete er an. Selbst wenn die Zahlungsunfähigkeit nur kurzfristig oder zeitlich begrenzt sein sollte, hätte sie nicht nur für die USA allein katastrophale Folgen. Im Streit zwischen Demokraten und Republikanern - den beiden einander an der Staatsspitze ablösenden großen Parteien des Kapitals - rückte die Haltung zur Schuldenobergrenze in den Mittelpunkt. Die Befürworter ihrer Erhöhung setzten sich für die Neuaufnahme internationaler Kredite in dem oben erwähnten Ausmaß ein. Deren Gegner kommen überwiegend aus den Reihen der Republikaner, wobei die Obama-Administration am heftigsten von der scharf rechtsgerichteten Tea-Party-Bewegung angegriffen wird. Diese mit der GOP verbundenen Kräfte streben eine Torpedierung der gesamten Wirtschaftspolitik des Präsidenten an.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die gefürchteten Rating-Agenturen drängten die USA dazu, ihren internen Schuldenkonflikt zügig beizulegen, da sie sonst eine Herabsetzung der Kreditwürdigkeit des Landes vornehmen müßten.

Am 4. April verkündete Obama auf einer Pressekonferenz zweckoptimistisch seine "Operation Wiederwahl 2012". Dabei hat er zwei Ziele im Auge: sich eine zweite Amtszeit zu sichern und den hochdefizitären US-Staatshaushalt zu sanieren, um für die bevorstehenden Präsidentschafts- und Kongreßwahlen gewappnet zu sein.

Die Führung der GOP hat auf die damit eingeleitete Kampagne des Präsidenten unverzüglich reagiert und acht republikanische Politiker zur Bewerbung um den Einzug in das Weiße Haus zugelassen. Sie alle sind unter der Losung "Keine zweite Amtszeit für Barack Obama" angetreten.

Die GOP macht den Präsidenten darauf aufmerksam, daß die Zwischenwahlen vom 2. November 2010 zu weitreichenden Gewichtsverschiebungen im Zweiparteiensystem der USA geführt haben. Die Republikaner sind erstarkt, haben die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobert, ihr John Boehner ist als Vorsitzender dieser Kammer nach dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten nun der dritte Mann im Staate. Auch im Senat hat die dort noch minoritäre GOP ihren Einfluß erhöhen können, wobei Aktivisten der berüchtigten Tea-Party-Bewegung in den Fraktionen beider Häuser und an der Spitze wichtiger Ausschüsse das große Wort führen.

Der 8. April wird in die Geschichte der USA eingehen. An jenem Tag wurde nämlich ein folgenschwerer Kompromiß zwischen beiden Parteien geschlossen: das Notbudget 2011. Die Einigung kam nach heftigen gegenseitigen Schuldzuweisungen zustande. Der Budgetkompromiß führte zu Ausgabenkürzungen in Höhe von 38 Milliarden Dollar. Nur so kann die Regierung die Staatsbediensteten bis Jahresende weiterbeschäftigen.

Ende Mai weigerten sich 337 von den 435 Mitgliedern des Hauses (256 Republikaner und 82 Demokraten), ihre Zustimmung zum "Gesetz über die dringend notwendige Erhöhung der Schuldenobergrenze" zu geben. Lediglich 97 Kongreßmitglieder stimmten dafür. Das war eine offene Kampfansage an Obama.

Der Sprecher des Weißen Hauses Jay Carney berichtete über Gespräche des Präsidenten mit Harry Reid, dem Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, und dem republikanischen Mehrheitsführer im Haus Mitch McConnell. Seit diesem Treffen habe Obama an die Möglichkeit einer Vereinbarung zwischen beiden Kongreßparteien geglaubt. Von Reid sei an die GOP appelliert worden, "die Wirtschaft vor die Politik zu stellen". Die Republikaner sollten gemeinsam mit den Demokraten für neue Arbeitsplätze kämpfen und nicht nur versuchen, der Tea-Party-Bewegung zu gefallen. Obama müsse jetzt "Führungsstärke" zeigen.

Für den 29. Juni setzte der US-Präsident dann kurzfristig eine internationale Pressekonferenz an. Dort ging es ihm darum, beide Parteien zu einer schnellstmöglichen Einigung in der kritischen Frage einer Erhöhung der Schuldenobergrenze und über den künftig verbindlichen Kreditrahmen zu drängen. Nach seriösen Berechnungen hatten die Vereinigten Staaten ab Anfang August kein Geld mehr, um laufende Ausgaben zu bezahlen, Schulden abzubauen und Zinsen zu tilgen. Obama warnte: Falls die USA erstmals in seiner Amtszeit die Zahlungsunfähigkeit erklären müßten, werde das erhebliche Folgen für die Wirtschaft und den Anstieg der Arbeitslosigkeit haben. Das könne nur durch eine rasche Erhöhung der Schuldenobergrenze verhindert werden.

Ausländische Zeitungen nannten die Dinge beim richtigen Namen: "Obama warnt vor Konkurs der USA", überschrieb der Chefkorrespondent des "Tagesspiegel", Christoph von Marschall, seinen Bericht.

Während die internationale Finanzwelt den Atem anhielt, kam zwei Tage (!) vor dem Staatsbankrott eine Einigung mit den Führern der GOP zustande. Ihr Inhalt: drastische Budgeteinsparungen in Höhe von 2,4 Billionen Dollar und Heraufsetzung der Schuldenobergrenze um 2,1 Billionen Dollar. Der Kongreß stimmte zu. Für Obama ist der erzielte Kompromiß ein Pyrrhussieg.

P.S. Am 6. August stufte Standard & Poors als erste Rating-Agentur die Kreditwürdigkeit der USA herunter.

Prof. Dr. Rolf Sieber, Berlin

Unser Autor war DDR-Botschafter in den USA.

Raute

Nach wessen Pfeife tanzt der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag?

Wo sich Räuber als Gendarmen verkleiden

Offiziell bemüht man sich, den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in der niederländischen Hauptstadt Den Haag als eine Art Nachfolge-Institution des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals erscheinen zu lassen. Doch während in Nürnberg einst die geistigen Urheber und Vollstrecker schwerster Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit sowie die Hauptschuldigen der von Hitlers Mordbanden begangenen Kriegsverbrechen vor Gericht standen, hat man in Den Haag den Auftraggebern der Amokläufer in Ex-Jugoslawien, Irak, Afghanistan und Libyen kein Haar gekrümmt.

Am 16. Mai beschaffte sich Luis Moreno Ocampo, Chefankläger beim ICC, einen Haftbefehl für den libyschen Führer Muammar al-Gaddafi - den obersten Repräsentanten eines souveränen Mitgliedsstaates der Vereinten Nationen - wegen angeblicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es besteht kein Zweifel, daß die Order zur Jagd auf Gaddafi und andere Persönlichkeiten des nordafrikanischen Landes direkt aus dem NATO-Hauptquartier kam. Am Tag vor Erlaß des Festnahmebefehls hatte der libysche Staatsmann den in Benghazi etablierten und als "Rebellen" firmierenden libyschen Gefolgsleuten des Brüsseler Kriegspaktes, die sich trotz des täglich zu ihrer Unterstützung in Szene gesetzten Blutbads der NATO-Luftwaffe inzwischen der Anerkennung nicht nur durch die dubiose Libyen-Kontaktgruppe erfreuen, abermals einen Waffenstillstand angeboten.

Während die NATO-Bombenwerfer straffrei ausgehen, wird der Führer des überfallenen Landes wie ein gemeiner Verbrecher behandelt. Eine verdrehte Welt: Die Räuber spielen Gendarm. So ändert man unverfroren die Geschäftsgrundlage: Die blutige NATO-Aggression, der man im UN-Sicherheitsrat nicht per Veto vorzubeugen wußte, wird über Nacht als simple "Polizeiaktion" ausgegeben, um eines nun unter Anklage stehenden "Kriegsverbrechers" habhaft zu werden. Die Unschuldsvermutung bis zum Nachweis der Schuld - Grundregel aller Strafjustiz, die diesen Namen verdient - wird durch den ICC skrupellos ausgehebelt.

Doch Fälle dieser Art stellen in der Praxis Den Haags keineswegs die Ausnahme dar. Nehmen wir nur das Beispiel Jugoslawiens, dessen Bombardierung durch die NATO am 24. März 1999 begann. In diesem Falle wurden in der von Serbien abgespaltenen Provinz Kosovo inzwischen für hoffähig erklärte "Rebellen" unterstützt: die Mordbanden der ultrachauvinistischen albanischen UCK. Zwei Monate führte die NATO unter direkter Mitwirkung der die Tradition von Mölders und seiner Legion Condor fortsetzenden Bundesluftwaffe massive Schläge gegen Serbiens Infrastruktur. Louise Arbour, Chefanklägerin beim Internationalen Straftribunal für Jugoslawien (ICTY), das ebenfalls in Den Haag angesiedelt ist, "übersah" die grauenhaften Untaten der Aggressoren und brachte stattdessen den rechtmäßigen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic wegen angeblicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht. Die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright rechtfertigte das Vorgehen der westlichen Pakt-Staaten mit den Worten: "Wir verhandeln nicht mit Milosevic. Die Anklage gegen ihn klärt die Situation und zeigt, daß wir das Richtige tun, indem wir auf die von ihm begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit reagieren." Zuvor hatte bereits Albrights Stellvertreter David Scheffer die Chefanklägerin Arbour aufgesucht, um sie mit dem "notwendigen Beweismaterial" auszustaffieren.

Wie im "Fall Jugoslawien" verfuhr man auch im "Fall Libyen", dessen als Luftraumüberwachung deklarierte Bombardierung am 31. März 2011 begann. Man erklärte den politischen Führer des Landes bei bereits laufender Aggression wie zuvor Milosevic als "gewöhnlichen Verbrecher" zum Freiwild. Haltet den Dieb! hieß in beiden Fällen die Parole. Der ICC ist nichts anderes als das ICTY, welches seinerzeit im Zuge der Liquidierung eines unabhängigen Jugoslawiens geschaffen wurde. Beide Institutionen sind demnach keine Instrumentarien internationaler Rechtspflege und unparteiischer Urteilsfindung, sondern lediglich der juristische Arm beim Zugriff auf von der NATO überfallene schwächere Staaten.

Der Friedensforscher Prof. Johan Galtung äußerte dazu gegenüber der "jungen Welt": "Ankläger und Richter des ICC stammen vorwiegend aus dem Westen. Die meisten Angeklagten sind Afrikaner. ... Es gibt aber ganz andere Kandidaten, die für ein Strafverfahren eher in Frage kämen. Wenn man die Kriegsverbrechen in Rechnung stellt, die von den Invasoren in Irak und Afghanistan begangen wurden, müßten Expräsident George W. Bush und sein Nachfolger Barack Obama als erste auf der Anklagebank sitzen. Der Irak-Krieg hat schließlich über eine Million Menschenleben gekostet. ... Das Völkerstrafrecht aber wird im Interesse des Westens angewandt."

Die Groteske besteht darin, daß Washington zwar den ICC nach Strich und Faden manipuliert, zugleich jedoch erklärt hat, daß es gegen USBürger gefällte Entscheidungen dieses Tribunals niemals anerkennen werde. Andere NATO-Staaten haben demgegenüber ihre formelle Bereitschaft zur Akzeptanz von ICC-Entscheidungen erklärt, wobei kaum anzunehmen ist, daß Den Haag auf dieser Strecke aktiv werden dürfte. Und das, obwohl doch Kundus-Oberst Klein und weitere hohe Chargen der BRD oder anderer NATO-Staaten durchaus in die engere Wahl gezogen werden könnten.

RF, gestützt auf "The Guardian", Sydney

Raute

Südafrikas Kommunisten verteidigen Dreierallianz mit ANC und COSATU

Vor 90 Jahren wurde die SACP gegründet

Ende Juli beging die Südafrikanische Kommunistische Partei - die SACP - den 90. Jahrestag ihres Bestehens. Tief in der Arbeiterklasse des Landes verwurzelt, bildet sie seit den Tagen der Überwindung des faschistoiden Apartheidregimes einen unverzichtbaren Bestandteil der die Republik Südafrika auf allen Ebenen regierenden Dreierkoalition aus Afrikanischem Nationalkongreß (ANC), Gewerkschaftszentrale COSATU und KP.

Bei den Kommunalwahlen, die am 18. Mai stattfanden, haben sich Zehntausende Mitglieder der SACP an der Mobilisierung der Abstimmungsberechtigten für die Liste des ANC beteiligt. Zahlreiche Kommunisten, die dem breitgefächerten ANC angehören, wurden in Kommunalparlamente und Stadträte gewählt. Die SACP läßt sich von der strategischen Vorstellung leiten, den Einfluß der Fortschrittskräfte und die führende Rolle der Arbeiterklasse mittelfristig so auszuweiten, daß tiefgreifendere Umgestaltungen der südafrikanischen Gesellschaft möglich werden. Ihr erklärtes Ziel ist und bleibt der Sozialismus.

Bei den Mai-Wahlen entfielen 63 % des Votums auf den ANC, was angesichts der auch in Südafrika - einem relativ hochentwickelten kapitalistischen Land - allenthalben spürbaren Wirtschafts- und Finanzkrise ein beachtliches Ergebnis ist. Dennoch gingen diesmal auch prononciert rechts stehende Kräfte gestärkt aus dem Urnengang hervor.

Innerhalb des ANC treten sehr unterschiedliche politisch-ideologische Tendenzen und Klassenpositionen zutage. Es fehlt nicht an jenen, welche gezielt auf eine Zerschlagung der Dreierkoalition hinarbeiten. Sie untergraben die schwer erkämpften demokratischen Errungenschaften. Gegner einer progressiven Entwicklung Südafrikas bedienen sich einer rabiaten antikommunistischen, arbeiterfeindlichen und pseudomilitanten Demagogie, um den Zusammenhalt des historisch gewachsenen Bündnisses und die gegenseitige Achtung unter den Beteiligten zu schwächen. Die SACP wendet sich deshalb an ihre Partner mit dem Appell, die Reihen zu schließen und der drohenden Gefahr eines Auseinanderbrechens der Dreierallianz entgegenzuwirken. Am Vorabend ihres 90. Jahrestages rief die Partei die südafrikanischen Linken dazu auf, der durch die Mehrzahl der Medien betriebenen Diversion zu begegnen. Vor allem gehe es darum, positive Ergebnisse, die bei der Transformation Südafrikas seit dem Fall des Apartheidregimes erreicht worden seien, nicht aus dem Auge zu verlieren. Während man auf einigen Gebieten deutliche Fortschritte erzielt habe, stehe Südafrika zugleich vor gravierenden Problemen. Dazu gehörten die verheerende Massenarbeitslosigkeit, besonders unter Jugendlichen, die schleppende Verwirklichung einer Bodenreform und ausbleibende Erfolge bei dem Bemühen um eine Hebung des Lebensniveaus der ländlichen Bevölkerung.

Die SACP hebt in einer Erklärung zum Jubiläum ihre herausragende Rolle in der Geschichte Südafrikas hervor. Die KP sei die erste und lange Zeit auch die einzige politische Kraft des Landes gewesen, in deren Reihen Schwarze und Weiße Schulter an Schulter gekämpft hätten. Bei der Formierung der südafrikanischen Gewerkschaftsbewegung, die heute über großen Einfluß verfügt, habe die SACP maßgeblich mitgewirkt.

"Wie viele Generationen herausragender ANC-Führer, unter ihnen Genosse Nelson Mandela, immer wieder betont haben, leistete die Partei auch einen außerordentlichen Beitrag zur Konsolidierung und Verteidigung des in den Massen verankerten und zu gewaltigen Kampagnen fähigen ANC", heißt es in dem Dokument.

RF, gestützt auf "The Guardian", Sydney

Raute

Erster Linkssieg in der Wahlgeschichte Perus

Bei den Präsidentschaftswahlen in Peru hat Ollanta Humala einen knappen Sieg errungen. Inzwischen wurden ihm die Amtsgeschäfte übertragen. Eine erste Reise durch den Kontinent führte ihn auch nach Venezuela. Der durch die peruanischen Linkskräfte - darunter die KP - während seiner Kampagne unterstützte Kandidat hatte sich mit einem Anteil von 52 % gegen die von der einheimischen Reaktion und dem Imperialismus favorisierte Tochter des früheren Präsidenten Alberto Fujimori in der zweiten Runde durchsetzen können. Dieser war von 1990 bis 2000 Perus Staatschef gewesen und wurde später wegen Korruption zu einer Freiheitsstrafe von 25 Jahren verurteilt.

Obwohl nicht mit fundamentalen Wandlungen in dem über reiche Bodenschätze (Gold, Silber, Zink, Kupfer, Zinn und Blei) verfügenden Andenland zu rechnen ist, rief der Wahlausgang bei den "Eliten" im In- und Ausland Besorgnis hervor. Sie fürchten, Humala könne das Lager progressiv orientierter lateinamerikanischer Staaten verstärken.

Übrigens wurde der linke Wahlsieg in einer Phase errungen, in der Perus Wirtschaft mit einer Wachstumsrate von 6,9 % den größten ökonomischen Aufschwung in der Region erfährt. Allerdings führte der bisher in Lima verfolgte Kurs dazu, daß die bitterarmen Massen Perus am Aufschwung des Landes in keiner Weise beteiligt wurden. Mit den Nachbarstaaten verglichen, sind die sozialen Kontraste in Peru am schärfsten. Der aktiven Bevölkerung kommen nicht mehr als 22 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zugute. In Chile und Brasilien beträgt dieser Anteil 45 bzw. 40 %.

Humalas Amtsvorgänger Alan Garcia - ein rechter Sozialdemokrat - wurde vom Washingtoner Council on Foreign Relations für die niedrige Besteuerung der Minengewinne gelobt, welche Peru in den Augen ausländischer Investoren äußerst attraktiv erscheinen ließen. Die KP Perus bezeichnete den Wahlausgang als "Triumph über Furcht, Unbeweglichkeit, Mafia und verdächtiges Agieren von Verschwörern an der Macht". In ihrer Presseerklärung hieß es: "Mit Humalas Sieg eröffnet sich eine neue Ära in der Geschichte des Landes. Zum ersten Mal ist es möglich, eine Regierung zu bilden, von der die Interessen der Nation und der Mehrheit der Bevölkerung wirklich verteidigt werden. Wir wissen, daß es diese Administration nicht leicht haben wird, da sie in hohem Grade davon abhängt, wie die ökonomische Macht reagiert. Wir hegen keine Illusionen, denn wir kennen die reaktionäre Natur der peruanischen Bourgeoisie."

Deshalb müßten die Kommunisten zusammen mit anderen fortschrittlichen Kräften Humalas Recht aufs Regieren sicherstellen.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

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Wladimir Majakowskis Verse waren "Kampftruppen der Revolution"

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Tampere beherbergt Finnlands Lenin-Museum

Das Lenin-Museum in Tampere gilt inzwischen als ein bekannter "Wallfahrtsort" Finnlands. Zwischen 2000 und 2010 wurde es von 136.000 Menschen aus dem In- und Ausland aufgesucht. Das geräumige Haus öffnete 1946 seine Pforten. Heute ist es wohl das älteste weltweit noch bestehende Museum, das dem Begründer des Sowjetstaates gewidmet ist. Eine ähnlich lange Geschichte weist nur noch die Lenin-Gedenkstätte im russischen Wyborg auf.

Das Museum befindet sich in den Räumen der einstigen Arbeiter-Halle der Stadt. Dort hielten die russischen Bolschewiki in den Jahren 1905 und 1906 unter Lenins Leitung ihre Parteikonferenzen ab. Das Gebäude ist Eigentum der Freundschaftsgesellschaft Finnland-Rußland. Obwohl die meisten Besucher natürlich Finnen sind, ist das Museum unterdessen auch zu einer Attraktion für nicht wenige Menschen aus aller Welt geworden, die sich mit Leben und Wirken des großen proletarischen Strategen vertraut machen wollen.

2010 fanden sich dort 10.868 weitgereiste Interessenten aus 78 Ländern ein. Unterdessen bietet das Museum auch erläuternde Broschüren und eine mehrsprachige Internet-Website - sogar in Chinesisch - an. Ein Mitglied des die Exposition betreuenden Gremiums bemüht sich derzeit um Sprachkenntnisse, damit chinesische Gäste in Zukunft besser informiert werden können. In der Lobby des Tampere-Hauses werden Erinnerungsartikel aller Art, in erster Linie aber Bücher - darunter Lenins Werke - angeboten. Im Museum kann man zwei ständige Ausstellungen in Augenschein nehmen: "Biographisches von Lenin" und "Lenin in Finnland". Überdies gehören Sonderveranstaltungen zum Programm des Hauses. 2010 zeigte man dort die Schau "In Lenins Fußstapfen", eine Ausstellung "Sozialistischer Realismus des 21. Jahrhunderts in Finnland" und "Fotos aus dem revolutionären Kuba".

Falls RF-Leser sich im Internet genauer mit dem Museum von Tampere vertraut machen wollen, müssen sie lediglich www.lenin.fi aufrufen.

RF, gestützt auf "The New Worker", London

Raute

Ein Marx-Engels-Forscher in China: der Thüringer Gelehrte Eike Kopf

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Raute

Hessisches Plädoyer für die Neuverlegung von DDR-Jugendliteratur

Im Banne der "Bärenbande"

Als 1941 in einer privilegierten Familie in Westdeutschland Geborener aufzuwachsen, war in mehrfacher Hinsicht verwirrend. So erklärte mein Vater mir um 1947 anhand der Abbildung einer sowjetischen Fahne, Hammer und Sichel sollten zeigen, womit "der Russe" über uns herfallen werde, wenn "er" käme. Der Mauerbau 1961 "bewies" dann, wie böse nicht nur "die Russen", sondern auch die "Herrscher der Zone" waren: Jetzt mauerten sie sogar ihr eigenes Volk ein, um es weiter genüßlich unterdrücken zu können! Ulbrichts sächsischer Akzent wurde von der älteren Generation als Pawlowscher Auslöser für eine Abscheureaktion gegen seine Politik funktionalisiert. Von deren Grundlagen, Zielen, Problemen und Erfolgen erfuhren wir indes nichts. Es hätte mir damals schon auffallen dürfen, daß mir (als einem Hessen) Adenauers Kölner Dialekt nicht weniger fremd war als Ulbrichts sächsischer ...

Bald darauf lichtete sich der Nebel etwas: Die Versuche der Eltern, mich zu einem "nützlichen" Mitglied des Bürgertums zu machen, schlugen bei mir wegen überdrehter Quantität in eine neue Qualität um. Spätestens die "Spiegel"-Krise 1962 zeigte mir, daß wir manipuliert und nicht selten sogar von Gaunern regiert wurden, denen die Nicht-Gauner unter unseren westdeutschen Politikern kaum widerstanden.

Die überzogene Polizeigewalt in Westberlin und Westdeutschland seit dem Mord an Benno Ohnesorg im Juni 1967 anläßlich der Visite von Irans Reza Schah Pahlevi verwischte schließlich die andressierte Wahrnehmungsgrenze zwischen der BRD als einem "freien" Land und der "sogenannten DDR" als Hort der Unterdrückung. Ich las Marx, Engels, Lenin (als Physiker, ich geb's zu, zuerst "Marxismus und Empiriokritizismus") und wußte: DAHIN muß sich die Gesellschaft entwickeln. Aber ich wollte "dort" nicht leben, z. B. in der DDR. Ich wußte und fühlte, daß ich noch lange brauchen würde, um mich nach der Erziehung, die ich hatte "genießen" müssen, selbst zu finden. Ich schrieb über "emotionale Emanzipation", was heißen sollte: über die Gewinnung psychischer Unabhängigkeit, um formal errungene Freiheiten mit Leben zu füllen, und fand sie weder in der BRD noch in der DDR möglich oder erwünscht.

Das sehe ich auch heute noch so, aber mir entging bei dieser Betrachtung des "realen Sozialismus" von außen die grundlegende humanistische Orientierung der mit "Versuch und Irrtum" um ihren Aufbau (oder, damals eher schon: um ihr Überleben) kämpfenden sozialistischen Gesellschaften - kein Wunder nicht nur angesichts der antikommunistischen Propaganda: Uns fehlten auch Informationen über das Ausmaß und die jahrzehntelange Geschichte von politischer Intrige, Desinformation, Boykott, Unterwanderung, Sabotage, Kriegsplanung und -rüstung des Westens, und entsprechend konnten wir nicht nachfühlen, wie in einer solchen Situation die Tendenz zum Überwachungsstaat im Osten eskalieren konnte, die uns "68er" so abstieß.

Inzwischen war ich Lehrer geworden. Klassenfahrten nach Berlin bestätigten einerseits mein Bild von "drüben": "... auch nur eine autoritäre Gesellschaft". Als ich z. B. 1971 mit meinen langhaarigen Schülern in ihren Parkas ein großes Ostberliner Restaurant mit vielen freien Tischen aufsuchte, wo wir essen wollten, schickte man uns mit der Bemerkung weg: "Alles besetzt!" Andererseits entstanden Zweifel an diesem Bild. Am Grenzübergang Friedrichstraße zog ich 1971 bei der Ausreise aus Ostberlin das entsprechende Dokument aus der Hosentasche. Die Grenzerin rügte mich: Was mir einfalle, den Schein so zerknüllt aufzubewahren! Ich erwiderte grinsend: "Wollen Sie mir empfehlen, mich in den Konsumkapitalismus einzureihen und eine knüllsichere Brieftasche zu kaufen?" Während ich über meine Keckheit erschrak, lächelte die Grimmige breit und winkte uns durch.

In einem Ostberliner U-Bahnhof entdeckten meine Schüler 1975, daß der "Fahrkartenautomat" - anders als bei uns in Frankfurt - nur aus einem Plastikbehälter mit Schlitz bestand, aus dem man den Fahrschein herauszog, und einem weiteren Schlitz für die 20 Pfennig Fahrgeld. Einer sagte freudig: "Da kann man ja einfach die ganze Rolle mitnehmen!" Ich kämpfte mit dem Impuls, ihm mindestens verbal eine runterzuhauen, als andere Schüler angstvoll angehoppelt kamen: "Eben hat uns jemand einen Ausweis gezeigt! Was will der von uns?" (Erhob da etwa die Stasi ihr grausiges Haupt?). Der Mann, um den es ging, stand auf dem Bahnsteig. Ich erkundigte mich bei ihm. "Das ist meine Dauerkarte! Ich hab' sie Euch vorgezeigt, damit Ihr wißt, daß ich nicht mogle!", sagte er. Der Kontrast zwischen der Idee meines Schülers, man könne alle Karten entwenden, und der Haltung dieses Mannes, der seine gesellschaftliche Verantwortung lebte, war zu groß für Worte.

Aber die humanistische Grundhaltung des sozialistischen "Systems" wurde mir erst anhand von Büchern klar: Ich kaufte "drüben" DDR-Jugendliteratur (z. B. "Aufstand in den wilden Bergen" von G. R. Richter und "Das Palmenreich" von L. und W. Klein). Mir als einst mißhandeltem Kind war sofort klar, daß sich hier eine detailliert empfundene Solidarität mit den Gedemütigten, Verleumdeten und Ausgebeuteten äußerte. Welch ein Unterschied zur üblichen westlichen Jugendliteratur!

Ein Staat, der sich solche Bücher für junge Leute leisten konnte, bewies eine Sicht von Mensch und Gesellschaft, die trotz westlicher Haßpropaganda und des oft panischen Überregulierens der Funktionsträger einer durch ihre Gegner strangulierten DDR glaubhaft war. Besonders überzeugend: Die wachsende Sensibilität der Leserschaft für Unterdrückung oder zunehmendes Bewußtsein für die Berechtigung der Abschaffung solcher Zustände wuchs ohne politische Belehrung. Kein Einschub marxistischer Analyse, nicht 'mal "sozialistischer Parolen".

All diese Erinnerungen erwachten, als ich 2010 dann die Wiederveröffentlichung von Welskopf-Henrichs sechsbändiger Reihe über die "Söhne der Großen Bärin" bemerkte. Ganz abgesehen davon, wie hier die Solidarität mit den Überrannten, den Verhöhnten, den ins Unwirtliche vertriebenen Dakota von der "Bärenbande" aufglänzt: Was für ein literarisches Niveau! Welch glaubhaftes Schicksal wird zum Beispiel dem Häuptling "Sieben Bären" zugemessen, der unter den Intrigen goldgieriger Weißer vom Superhelden zum Alkoholiker wird - ganz anders als Karl Mays Winnetou, einer ethnologisch und geschichtlich absurden Kunstfigur von niemals wankender Moralhaftigkeit! Weder Winnetou noch J.F. Coopers Häuptling Chinganchgook - nur Welskopf-Henrichs Häuptlingssohn kann die Reste seiner "Bärenbande" überzeugend in eine hoffnungsvolle Zukunft führen.

Der langen Rede kurzer Sinn: Die DDR-Jugendliteratur verdient umfangreiche Wiederveröffentlichung - gerade heute, weil sie die humanistische Grundlage des Sozialismus fühlbar macht, ohne daß man die wechselvolle Geschichte des realen Sozialismus ihrer westlichen Propaganda-Verzerrung entkleiden oder die Marxsche Analyse heranziehen muß. Dies ist Lektüre für die Jugend kommender Generationen, die unsere Welt menschlicher gestalten muß.

Engelbert Wengel, Frankfurt/Main

Raute

Erasmus Schöfer war einer der Schöpfer des Werkkreises Literatur der Arbeitswelt

Ein links engagierter deutscher Literat

Parteilich-progressive Literatur bringt die gesellschaftliche Vorwärtsentwicklung auf Trab - und zur Feder greifende Kumpel verwirklichen ein Stück Befreiung des Proletariats, indem sie die Geschichten und die Geschichte ihrer selbst schreiben. Erasmus Schöfer ist seit vier Jahrzehnten von diesen Visionen begeistert. Die zwischen 1964 und 2009 in verschiedenen Druckpublikationen erschienenen Feuilleton-Beiträge des Romanciers und Funkdramatikers widerspiegeln einen bewegten historischen Abschnitt linksbürgerlicher und sozialistischer Literatur und Kulturpolitik in beiden Deutschlands. Werner Jung, Carolin Schmitz und Volker Zaib haben eine Auswahl davon unter dem Titel "Diesseits von Gut und Böse" herausgegeben und kommentiert.

Zeitungsmacher bringen kulturelle und künstlerische Themen meist im Ressort der Kleinigkeiten (feuilleton - frz. Blättchen) unter. Für den in Köln lebenden Schriftsteller Erasmus Schöfer sind dies hingegen stets Hauptsachen. In An- und Ablehnung des Nietzsche-Werkes "Jenseits von Gut und Böse" - der aufklärungskritische Denker des 19. Jahrhunderts betont die Zweifelhaftigkeit aller Moral - sind Schöfers Beiträge von der Absicht geleitet, sozialen Fortschritt voranzutreiben. Dem Schriftsteller und promovierten Philosophen ging es um ein eigenständiges, von der bürgerlichen Literatur emanzipiertes Schrifttum der Arbeiterklasse. 1974 erschien sein Vorwort zur Anthologie "Der rote Großvater erzählt". Der von Schöfer mitgegründete Werkkreis Literatur der Arbeitswelt war eben fünf Jahre alt. Proletarische Zeit- und Kampfgenossen gab es, die nach der kapitalistischen Restauration in der wirtschaftswundersam befriedeten Nachkriegs-BRD noch die Klassengefechte zwischen 1914 und 1945 bezeugen und an die Traditionen des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS) anknüpfen konnten. Im Werkkreis schrieben Arbeiter und Arbeiterinnen unter Anleitung Erasmus Schöfers, Günter Wallraffs und anderer engagierter Berufsliteraten die Erzählung vom Klassenschicksal in den bundesrepublikanischen Siebzigern fort. Dieser Einsatz über insgesamt 15 seiner Schaffensjahre hat dem Dichter Einschränkungen der eigenen literarischen Produktivität abverlangt. Seine 79er Zwischenbilanz über die den Zirkeln schreibender Arbeiter in der DDR ähnlichen westdeutschen Schreibwerkstätten zieht er gleichermaßen stolz wie kritisch: Über 30 Taschenbücher in einer Gesamtauflage von 750.000 Exemplaren erschienen beim Fischer-Verlag Frankfurt/Main, doch gab es "nach dem optimistischen Aufbruch keine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung". So steht es in "Literatur an der Basis: Kollegen schreiben für Kollegen". Grenzen setzen den Schreibenden deren harter Produktionsalltag und andere äußere, kapitalismusgemachte Hemmnisse, gezeigt zum Beispiel in "Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber kollidiert mit Meinungsfreiheit" (1972).

Chronologisch haben die Herausgeber Schöfers Feuilleton-Beiträge geordnet. Die Reihe beginnt mit "Realismus und Sozialismus (1964) - eine aus zeitlichem Abstand spannend zu lesende Erörterung zum Beispiel anhand früher Peter-Hacks-Dramen wie "Die Sorgen und die Macht" oder "Moritz Tassow".

Und wenn Schöfer in journalistischer Mission 1969 in Karl-Marx-Stadt bei den 11. Arbeiterfestspielen unterwegs ist, titelt er "Mit Zuversicht und Schaffenskraft".

Die westdeutschen Feuilletonleser und -leserinnen informiert er über das bunte vielfältige Leben und Treiben auf Straßen, Bühnen, Diskussionsforen sowie über einen bemerkenswerten Umstand in dem "ziemlich entfernte(n) Land": "Viele der Ensembles werden von den Industriebetrieben aus deren eigenen Kultur- und Sozialfonds unterhalten."

Werke deutschsprachiger Literaten wie Bert Brecht, Arno Schmid, Peter Weiss, Nelly Sachs, Johannes Bobrowski, Max von der Grün, Stefan Heym werden besprochen, des weiteren die von Poeten anderer Sprachen wie Truman Capote, Julio Cortázar oder Jannis Ritsos. So entsteht eine kleine Literaturgeschichte der Bundesrepublik jener Jahre.

Ob Notizen über die Essener Song-Tage (1968), Gedanken zur demokratischen Nutzbarkeit der Kulturinstitution öffentlicher Bibliotheken (1975) oder zur kulturpolitischen Konferenz des DGB in Recklinghausen (1979) - Schöfer ermutigt und berät, fordert und mischt sich ein. Als wolle er angehen gegen resignative Anfechtungen, die im Auf und Ab der Teilerfolge und Hoffnungsverluste wiederkehren. Im Jahr 1989 sagt Schöfer über Hans Magnus Enzensbergers "Mittelmaß und Wahn": "Ohne Scheuklappen sieht er den nie dagewesenen Wohlstand der politisch relevanten Bevölkerungsmehrheit in der BRD, der ihre unerschütterliche Zufriedenheit, ihre Immunität gegen alle Änderungsvorschläge bewirkt." Und 1990 notiert Erasmus Schöfer - wieder Ostreporter - "Stichworte eines Mitbetroffenen zum (letzten) Schriftstellerkongreß der DDR". Erneut sieht er die DDR-Kollegen auf einem Bitterfelder Weg, der jetzt "ein bitterer Weg" ist, denn er führt "aus der sozialen Nestwärme eines staatlich hoch subventionierten Verbandes in die kalte Freiheit des kapitalistischen Medienmarktes". Sein Bericht über das "quälende Schauspiel" im untergehenden DDR-Schriftstellerverband nennt die Mitwirkenden, die Statisten und die Dramaturgen, und er entfaltet ein authentisches Szenario über Aufbruchshoffnung und Elan, Illusionen und Zorn, Streit ums Große und Zank ums Kleinliche.

Der abschließende Beitrag aus dem bei "Klartext" erschienenen Taschenbuch datiert von 2009. Es gibt die Rede des Dichters anläßlich der Verleihung des Gustav-Regler-Preises wieder. Die Auszeichnung wurde Erasmus Schöfer für sein Hauptwerk, die Roman-Tetralogie "Die Kinder des Sisyfos" zuteil. Er habe, so der Geehrte über sein Selbstverständnis als Schriftsteller, Literatur der "Anteilnahme am Schicksal der Benachteiligten dieser Gesellschaft und zugleich Mittel der Veränderung ungerechter und gewaltgeprägter Zustände" schreiben wollen.

Am 4. Juni wurde Erasmus Schöfer 80 Jahre alt.

Marianne Walz M. A., Gernsheim

Raute

"Alpenglühen mit Hirsch" in den Armenhütten der Dritten Welt

Abgründe des Kulturimperialismus

Chinois-Serien in Meißner Porzellan, Teehäuser und Gartenmoscheen inmitten von Schloßparks zeugen davon, daß sich Europa auch von anderen Kulturkreisen befruchten ließ. Nach der industriellen Revolution, die mit der Errichtung der Herrschaft der Bourgeoisie einherging, bildete sich eine Überlegenheit der Produktivkräfte heraus, die zur kolonialen Eroberung der Weltmärkte drängte. Dazu bedurfte es einer Rechtfertigungsideologie, auch im kulturellen Überbau. So ging der politische Rassismus mit einem Kulturimperialismus einher, wie wir ihn aus der Geschichte des Römischen Reiches kennen. Das brachte einerseits geistigen Fortschritt, andererseits kulturellen Genozid mit sich. Die eigenständige Weiterentwicklung der Kulturen aus den Wurzeln der jeweiligen ethnischen Vergangenheit wurde dadurch blockiert.

Steyrer Missionare erklärten nun Buddha-Statuen zu "Klumpen aus Dreck", afrikanische Figuren wurden als "barbarische Puppen" verhöhnt. Allein Völkerkundler befaßten sich noch mit ihnen und betrachteten sie als Rudimente einer zukunftslosen Epoche fern der Zivilisation.

Heute wimmelt es überall in Armenhütten der Dritten Welt von Kennedy-Bildern, deutschem Alpenglühen mit Hirsch, Eiffeltürmen und geschmacklosen T-Shirts aus Übersee. All das ist dem Kommerz ebenso geschuldet wie kitschige Plastik-Buddhas, Sushi-Schälchen und Reisstroh-Latschen in europäischen Klimbim-Läden.

Und die moderne Kunst? Solcherlei "Ware" wird weltweit wie Modeartikel vermarktet. Heißbegehrter Luxus für reiche Bourgeois, durch Sponsoren- und Marketing-Kampagnen aufgepeppt sowie bei hochgepuschten Preisen an die Käufer gebracht. Nur wer sich da einordnet, kann als Künstler zu Geld kommen.

Aufgrund soziokultureller Unterschiede und eines differenzierten Entwicklungsstandes der betreffenden Gesellschaftssysteme bleiben solche kapitalistischen "Schulen" und Kunstrichtungen den meisten außereuropäischen Regionen nach wie vor fremd. Werke von Format erscheinen nur der schmalen Schicht der Kompradoren-Bourgeoisie begehrenswert. Diese einheimischen Ausbeuter profitieren als deren Kollaborateure von der imperialistischen Wirtschaftspolitik und gefallen sich von jeher als Imitatoren "westlicher Lebensweise". Das britische Satiremagazin "Punch" verhöhnte sie dafür mit seiner berühmt-berüchtigten Karikatur "Chimpanzee's Teatime", die Affen viktorianisch ausstaffiert am typisch englischen Teetisch zeigt.

Heute gelangt manch einer wie der vom Westen aufgeblasene Ai Wei Wei, der Techniken und Stilarten seiner amerikanischen Vorbilder mit Mao-Gesichtern versieht, erst auf Grund "politischer Nützlichkeit" zu Geld und Auslandsruhm. Selbst der Kurator der "Documenta 12", Roger M. Buergel, Wortführer von Ai-Wei-Wei-Kampagnen in den USA und Europa, gab vor der Presse zu: "Den meisten Chinesen ist er völlig unbekannt." Zum "Master-Hero" sei er erst von ausländischen Medien ernannt worden. So bieten ihm seine dankbaren Abnehmer und Mäzene unterdessen in Berlin einen Lehrstuhl und ein Studio an. Dollars und Euros füllen sein Säckel. Ist es da etwa verwunderlich, wenn man ihm daheim Devisenvergehen und Steuerhinterziehung anzulasten vermag?

Trotz der sonst so eurozentristischen Kulturauffassung scheut man sich gegebenenfalls nicht, nationale Attribute anderer Länder für Zwecke der imperialistischen Politik einzusetzen: Der von New York nach Kabul ausgelagerte Quisling Karsai stolziert im Seidenkaftan als "afghanischem Nationalsymbol" daher, während man Gaddafi wegen seiner Beduinenkleidung zum "Wilden" erklärt. Lamaistisches Mittelalter wird als Zukunftsperspektive der Tibeter verherrlicht und unter esoterischen Jüngern im Westen zum Geldsammeln verbreitet. So kann man mit "Multikulti" durchaus Kasse machen und überdies auch noch den ideologischen Pfad des Imperialismus schmücken.

Ei-weiwei!

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg

Raute

Aus Hellges Anekdotenkiste

Ein Wiedersehen mit Klara Schabbels Sohn

Als ich im Frühjahr 1974 zu einer Feier ins Berliner Filmtheater Colosseum kam, las ich auf dem Programmzettel: Referent Leo Schabbel.

Hieß so nicht ein Junge, mit dem ich Ende der 20er Jahre in die 8. Klasse der 104. Volksschule in der Paul-Heyse-Straße eingerückt war? Da der Name nicht allzu häufig war, vermutete ich keinen Doppelgänger.

Als dann der Schabbel ans Rednerpult trat, erkannte ich ihn sofort wieder. Gewiß: Die Jahrzehnte, die zwischen der gemeinsamen Schulzeit und dem Tag der Wiederbegegnung lagen, hatten uns beide arg verändert. Daß die äußeren Einflüsse, die das bewirkten, bei Leo besonderer Art waren, ergab sich aus seiner jüdischen Herkunft.

Sofort fiel mir eine Begebenheit ein, die sich mir nachhaltig eingeprägt hatte. An unserer Schule herrschte der von allen gefürchtete Rektor. Er blickte grimmig drein und schmückte sich stets mit dem Parteiabzeichen der Nazis. Ausgerechnet dieser arische Übermensch wurde eines Tages von einer Frau nach Strich und Faden heruntergeputzt. Natürlich hatten wir erlebt, wie Leo ständig Zielscheibe boshafter Bemerkungen war, wenn der Rektor bei uns unterrichtete. Davon hatte er seiner Mutter erzählt. Diese war daraufhin in die Schule gekommen und hatte dem Rektor in dessen Amtszimmer die Leviten lesen wollen. Er komplimentierte die ungebetene Besucherin hinaus, doch Frau Schabbel gab auch auf dem Schulflur nicht klein bei.

Aber zurück zu jenem Frühlingstag 1974. Nach seiner Rede sprach ich den von Eltern und Jugendweiheteilnehmern umringten Leo an. Artig stellte ich mich vor, doch seine Reaktion warf mich um: "Mensch Helmuth, von Dir habe ich doch noch ein Kinderbuch, das Du mir 1936 geliehen hast." Ich erinnerte mich an die Episode. Damals bekam ich, um meinen Lesehunger zu stillen, viele Bücher geschenkt. So besaß ich schon als Schüler eine recht beachtliche Bibliothek. Sie reichte von Auerbachs Kinderkalendern über Mark Twains Huckleberry Finn bis zu Karl May. Etliche Bücher lieh ich Schulfreunden aus. Leo gehörte dazu. Daß er sich noch an die Leihgabe erinnerte, verblüffte mich. Er versprach, mir das Buch zu schicken, als sich Eltern zwischen uns drängten, die mit ihm sprechen wollten. So unterblieb der Adressenaustausch.

Seit jenem Tag sind 37 Jahre vergangen. Sollte Leo noch unter den Lebenden und überdies "RotFuchs"-Leser sein, grüße ich ihn mit diesen Zeilen.

Übrigens trägt eine Straße in Biesdorf-Süd den Namen seiner beherzten Mutter Klara Schabbel. Sie bot nicht nur dem Rektor die Stirn, sondern bewies auch im antifaschistischen Widerstand denselben Mut.

Helmuth Hellge, Berlin

Raute

Jan Koplowitz kam aus der Reporter-Schule von Egon Erwin Kisch

Zur rechten Zeit am rechten Ort

Jan Koplowitz wurde am 1. Dezember 1909 in Kudowa (Schlesien) als Sohn eines jüdischen Hotelbesitzers geboren. Er erhielt im damaligen Breslau eine solide bürgerliche Bildung, schloß sich aber einem Hausdiener des elterlichen Hotels an, welcher zum Spartakusbund gehörte. Gemeinsam organisierten beide eine Streikbewegung. Jan wurde daraufhin durch die Familie geächtet, zumal er bereits aus der Kirche ausgetreten war.

Seine nächsten Lebensstationen: ein Volksschullehrerkursus, Volontär bei der Breslauer Arbeiterzeitung, später deren Redakteur. 1928 trat er dem Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller bei und wurde Mitglied einer Agitprop-Gruppe.

1933 emigrierte Jan Koplowitz zunächst in die Tschechoslowakei, wo ihn Egon Erwin Kisch in das Genre der literarischen Reportage einführte. Über Polen und Schweden floh er nach England. Dort arbeitete er als Fräser, Dreher und Gütekontrolleur. Das Schreiben gab er indes nicht auf, was seine Beteiligung an literarischen Wettbewerben bewies.

1947 kehrte Koplowitz nach Berlin zurück, wo er beim Berliner Rundfunk und in Volkskunstensembles sein Betätigungsfeld sah. Er erblickte in der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung, die sich im Osten Deutschlands vollzog, nicht zuletzt auch eine literarische Herausforderung. Er verfaßte Lied-, Chanson-, Song- und Schlagertexte sowie Hörspiele.

Koplowitz schaffte es, immer zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Mit Sachkunde recherchierte er unentwegt, so daß sich seine Freunde fragten, wann er eigentlich seine Texte verfasse. 1948 erhielt Jan Koplowitz den Auftrag, eine Reportage über die "Maxhütte" zu schreiben. Er fuhr für "drei Tage" nach Unterwellenborn und leistete dort sechs Jahre Kulturarbeit. 1954 gewährte er in seinem Buch "Unser Kumpel - Max der Riese" Einblick in sein literarisches Schaffen der Jahre 1948 bis 1953. In der Erzählung "Es geht nicht ohne die Liebe" (1956) beschäftigte er sich mit der Großbaustelle Nova Huta in Polen. Sein erlebnisstarkes Jugendbuch "Glück auf, Piddl" (1960) versetzte den Leser unter Bergarbeiterkinder in den ersten Jahren der Weimarer Republik. Seine unstillbare Entdeckerlust führte Koplowitz später "für mehrere Wochen" nach Halle-Neustadt, wo er ebenfalls einige Jahre blieb. Das literarische Ergebnis war die Reportagensammlung "Die Taktstraße" (1969). In seiner Autobiographie "Geschichten aus dem Ölpapier" (1972) berichtete er über ein ereignisreiches Leben. Er reihte Erzählungen aneinander, fügte Porträts ein, ließ Anekdoten und kurze Reportagen folgen. In seinem Roman "Die Sumpfhühner" (1977) schrieb Koplowitz über Produktionsbrigaden. Recherchen zu einem Arbeiterporträt führten ihn in einen Großbetrieb für Maschinenbau nach Karl-Marx-Stadt. In dem Roman "Der unglückselige Blaukünstler" (1986) erzählte er von einem Neuerer und Tüftler mit beinahe künstlerischer Begabung.

Wie seinen Lehrmeister Kisch zog es Koplowitz immer an die Brennpunkte der gesellschaftlichen Entwicklung. Seiner Auffassung nach sollte Literatur für viele nützlich und brauchbar sein.

Aus seinem umfangreichen Schaffen muß unbedingt noch der ebenfalls autobiographisch eingefärbte Roman ",Bohemia' - mein Schicksal" (1979) hervorgehoben werden. Er gilt als die bedeutendste Arbeit des Schriftstellers. Koplowitz gestaltete hier das Schicksal dreier Generationen einer jüdischen Hoteliersfamilie im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und unter dem Faschismus. Regisseur Horst Seemann stellte die Familienchronik 1981 in dem dreiteiligen Fernsehfilm "Hotel Polan und seine Gäste" vor. - Spannende Geschichten aus dem antifaschistischen Widerstand präsentierte Koplowitz in dem Erzählband "Karfunkel der Taschendieb". 1987 ließ der Autor wissen, er habe illegal in sieben Staaten gearbeitet. In "Das Brot der fremden Länder" beleuchtete er Schicksale seiner Emigrantengefährten aus der Sicht der Gegenwart und dachte darüber nach, "was von gestern und heute für das Morgen wichtig und bleibend ist".

Der dem Puls des Lebens nachspürende Autor, der in der DDR zur alten Garde der Antifaschisten zählte, starb 91jährig im September 2001.

Dieter Fechner

Raute

Wie Archie "gleiche Augenhöhe" suchte

Der einzige West-Besuch, den Archie zu DDR-Zeiten hatte, war die Schwiegermama mit spätem Muttersöhnchen. Sie hatten bis 1961 in Dresden gewohnt. Für die alte Dame war Archie ein rotes Tuch: ein linker Habenichts, der zwar studiert hatte, aber beim Theater arbeitete, was in den Augen von Elbflorenzer Beamtenfamilien das Allerschlimmste zu sein schien. Archie stellte später fest, daß es Leuten aus diesen Kreisen nicht selten an Herzenstakt und Bildung fehlte. Doch sie wußten stets, "was sich gehört". Viele von ihnen hatten im Frühjahr 1945 ihre "Führer"-Bilder rechtzeitig in die Besenkammer gestellt, um wenigstens die Goldrahmen zu retten.

Archie erwartete von West-Besuchen dieser Art aus den genannten Gründen also nichts Gutes. Leute solcher Provenienz hatten immer starke Vorbehalte gegenüber "dem Osten", die sich oft als heißer Dampf erwiesen. Jedenfalls gab es keinen Gedankenaustausch "auf gleicher Augenhöhe" - um einen heutigen Modebegriff zu bemühen.

Gegen Ende der 70er Jahre arbeitete Archie als Dramaturg beim DEFA-Spielfilm mit jungen Nachwuchsregisseuren. Zwei von denen gingen plötzlich in den Westen - und zwar legal. Für Archie war ihr Verschwinden ärgerlich, weil dadurch Filmprojekte platzten, in die er unnötigerweise Zeit und Kraft investiert hatte. Auch die Drehbuchautoren waren sauer. Zu Panne und Pleite kam Archies Pech, nun selbst dem Verdacht ausgesetzt zu sein: "Auch du, Brutus?"

Bald klopfte die Sicherheit in Gestalt eines flotten jungen Mannes bei ihm zu Hause an, um sich nach vermutlichen Gründen der Abwanderung seiner Kollegen zu erkundigen. Archie erregte das, zumal er gerade krankgeschrieben war und man ihm kurz zuvor einmal mehr die Delegierung zu einem Film-Festival mit der stereotypen Begründung abgelehnt hatte, er sei schließlich "kein Reisekader". In den 18 Jahren seiner Arbeit bei der DEFA war er deshalb kaum ins Ausland entsandt worden. Archie war also sauer und ging den Besucher in der schicken Lederjacke mit den Worten an: "Fragen Sie doch jene, welche denen die Ausreise gestattet und ihre Argumente akzeptiert haben! Oder fahren Sie selber hin, und erkundigen Sie sich persönlich", polterte er los. "Ich bin ja kein Reisekader, nur der Gelackmeierte." Der junge Mann hob beide Hände und trat schnell den Rückzug an, um Archie nicht noch mehr auf die Palme zu bringen.

Ein Vierteljahr später stand ein älteres Ehepaar vor seiner Tür. Er war pensionierter Kunsterzieher und Maler, sie eine damals erfolgreiche TV-Autorin. Die Besucher stammten aus Westberlin. Sie wollten "Herrn Archibald Einfalt" sprechen und kämen auf Anraten seines ehemaligen DEFA-Kollegen, der jetzt in der französischen Provence eine eigene Fernsehserie drehe. Ute, sozial engagiertes linkes SPD-Mitglied, Werner, Studienrat a. D. und zu den Grünen neigend, als diese noch richtig grün waren, hatten reges Interesse an DDR-Literatur, auch an sowjetischrussischer Kunst und Kultur. Sie waren entzückt, als Archie sie wissen ließ, daß er studierter Slawist sei. Das erste Mal hatte er West-Besuch "auf Augenhöhe", wie es schien.

Das Paar kam öfter, brachte Kaffee und Klamotten, Spezereien und Spirituosen mit. Archie revanchierte sich durch Bücher, Schallplatten und Spezialitäten aus dem polnischen Hortex-Laden, auch mit DDR-Produkten, die sie beim gemeinsamen Abendessen vorzüglich gefunden hatten. Vor allem polnisches Brot und Wurstwaren aus der HO erhielten ihren Beifall. Da war nichts eingeschweißt, mit unnötigen Farbzusätzen oder abträglichen Geschmacksverstärkern zugeschüttet. Alles kam frisch vom Erzeuger auf den Tisch - echte Bio-Ware.

Sie fanden übrigens auch eine gemeinsame Antifa-Linie. Werner hatte Holzschnitte nach Gedichten von Bert Brecht gefertigt. So wurde aus dem "West-Besuch" eine Art "Ost-West-Kontakt" und eine Beinahe-Freundschaft, wenn auch nicht ohne eine gewisse innere Distanz. Archie wollte keineswegs Verhältnisse wie in der BRD, blieb jedoch in seinen Äußerungen zurückhaltend. In der Diskussion kam es von ihrer Seite aus dann immer öfter zu Formulierungen wie dieser: "Die bürgerliche Demokratie ist vielleicht die schlechteste, die es gibt, aber wir haben keine bessere ... Sozialismus ist eigentlich das bessere Prinzip, aber in der Praxis ..."

Die beiden halfen Archie, als er Mitte der 80er Jahre seinen Onkel in Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico besuchen durfte. Er benötigte ein Nachtquartier in New York. Sie fanden es in einem kleinen, aber feinen Hotel in Manhattan, wo früher Literaten gewohnt hatten.

Als Archie aus den USA zurückkam und meinte, er sei wohl eher in der alten als in der neuen Welt gewesen, kühlte sich ihre Beziehung leicht ab. Und als er dann später den "Mauerfall" nicht euphorisch begrüßen wollte, blieb der West-Besuch einfach weg. Die schüchterne Ost-West-Freundschaft verwandelte sich in Feindschaft, was Archie bedauerte. Werner hatte damals in einem Brief erklärt, man solle im Hinblick auf die Kommunisten nicht den gleichen Fehler begehen wie einst bei den Nazis. Sie dürften nicht so billig davonkommen.

Da war bei Archie der Riemen runter, wie die Berliner etwas salopp zu sagen pflegen. Werner starb unversöhnt mit Archie, was diesem dann doch zu schaffen machte. Indes hatte er begriffen, daß sie leider - ideologisch betrachtet - nie "auf gleicher Augenhöhe" gewesen waren.

Manfred Hocke

Raute

Leserbriefe an RotFuchs

Ich habe die DDR in guter Erinnerung. Dabei denke ich an all die Tagungen der Friedens- und Frauenbewegung, an denen ich teilnehmen konnte. In der DDR befand sich ja das Büro der Internationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF)

Unsere schweizerische Friedensbewegung unterhielt besonders engen Kontakt zum Friedensrat der DDR. Dessen Sekretär Kurt Hälker hatte in der französischen Résistance gekämpft und wurde von uns als Vertrauensperson betrachtet. Damals forcierte man im Westen den Kalten Krieg. Das führte zur Überwachung all unserer Aktivitäten. Es hagelte Verbote. Ich erinnere mich an eine Frauenberatung im süddeutschen Raum unter Teilnahme zahlreicher Schweizerinnen. Eine halbe Stunde nach Veranstaltungsbeginn besetzten Beamte den Saal. Es folgten stundenlange Verhandlungen. An der Grenze erwartete uns dann die schweizerische Bundespolizei.

In der DDR besichtigte ich Wohnheime sowie medizinische Einrichtungen, Hausgemeinschaften luden mich wiederholt ein. Die Broschüre "Wo lebt man besser?", 1970 in dritter Auflage erschienen, ist noch in meinem Besitz.

Louise Stebler, Basel


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Die EKD-Losung "Frieden schaffen ohne Waffen!" ist längst passé. Später hieß es: "Frieden schaffen mit weniger Waffen!" Heute werden Waffen immer wichtiger, während der Frieden zur Disposition steht.

Unlängst erschien ein Buch Wolfgang Gehrckes, seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Christel Buchinger und Jutta von Freyberg sowie der Publizistin Sabine Kebir unter dem Titel "Afghanistan - So werden die 'neuen Kriege' gemacht". Anhand von Dokumenten, Parlamentsprotokollen, Gesetzesvorlagen und Abstimmungsergebnissen wird dargelegt, wie sich die Regierung der BRD immer tiefer in das Kriegsgeschehen verstrickt. War zuerst nur vom "Kampf gegen den Terrorismus" die Rede, so hat man sich unterdessen an das Wort "Krieg" gewöhnt. Anfangs sprach man von einem Sechs-Wochen-Einsatz der Bundeswehr, mittlerweile sind Jahre daraus geworden, wobei sich die "Aufgabenbereiche" und "Einsatzgebiete" sowie die Truppenstärke des BRD-"Kontingents" ständig ausgeweitet haben. Dabei spielte die "Öffentlichkeitsarbeit" eine große Rolle. Brechts Worte "Ein guter Propagandist macht aus einem Misthaufen einen Ausflugsort" sind absolut zutreffend.

Gerda Humberty, Neundorf


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"Schwerter zu Pflugscharen" war in der DDR eine bevorzugte Losung der besonders durch die evangelische Kirche gesteuerten Opposition. In den Gotteshäusern sprach man Friedensgebete und zündete symbolische Friedenskerzen an. Dabei führte die DDR nirgendwo Krieg. Ihre Hauptstadt Berlin wurde vom Weltfriedensrat nicht ohne Grund zur "Stadt des Friedens" erklärt.

Das alles änderte sich mit dem Anschluß der DDR an die BRD. Nun konnte der deutsche Imperialismus die Maske geheuchelter Friedfertigkeit fallenlassen. Zuerst wurde Jugoslawien angegriffen. Seit Jahren "verteidigen" Bundeswehrangehörige "unsere Freiheit" am Hindukusch. Wie viele Menschenleben - Moslems wie Christen - hat dieser mörderische Krieg schon gekostet!

Ich frage mich nur, wo bleibt denn heute das moralische Aufbegehren der evangelischen Kirche? Was ist aus ihren Friedensgebeten geworden? Müßten die Proteste der kirchlichen Würdenträger nicht lauter und eindringlicher denn je erklingen? Heute hätten sie ihre Berechtigung.

Horst Franzkowiak, Hoyerswerda


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1942 steckten Hitlers deutsche Panzer in Nordafrikas Wüstensand. Jetzt will die BRD-Rüstungsindustrie 200 Leopard-Panzer nach Saudi Arabien liefern. In deutschen Waffenschmieden konstruiert, gebaut und erprobt, sollen sie den Saudis mit Gewißheit keine Wassergräben ziehen oder ihnen bei der Landbestellung helfen. Ihre Bestückung ist zum Töten, ihre Ketten sind zum Zermalmen da.

Jürgen Ludwig, Zerbst


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Vor einigen Jahren fiel mir bei meinem Bruder, dem leider kürzlich verstorbenen Fregattenkapitän a. D. Fritz Schoth, eine Ausgabe des "RotFuchs" in die Hände. Sofort stellte ich einen Aufnahmeantrag und bin seitdem Mitglied des Fördervereins. Besonders gefallen mir, wie vielen von uns, die messerscharfen Leitartikel unseres Chefredakteurs. Vielen Dank, lieber Klaus!

Helmar Schoth, Boock/M-V


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Wenige Wochen vor Erscheinen des RF-Leitartikels "Ist Merkel an der Macht?" sah ich im Fernsehen ein Porträt Joseph Ackermanns. Genau auf diese Frage antwortete er ohne Zögern: "Frau Merkel ist an der Regierung, aber nicht an der Macht."

Hört, hört, könnte man da rufen. Doch aufgeklärte RotFüchse wissen das natürlich längst.

Hans Becker, Rüdnitz


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In der Programmdebatte der "Linken" spielt die Charakterisierung der Partei eine bedeutende Rolle. Dazu gehört neben Wegen und Zielen, die im Programm verankert werden sollen, auch das Selbstverständnis als pluralistische Partei.

Was versteht man unter Pluralismus? Der Begriff kommt vom lateinischen Wort Plural - zu Deutsch: Mehrzahl. ...

Im Fremdwörterbuch der DDR wird Pluralismus als eine "idealistische Auffassung, nach der die Welt keine Einheit ist, sondern sich aus einer Vielzahl selbständiger und zusammenhangloser Weltprinzipien bildet", bezeichnet.

H. Niemann charakterisiert Pluralismus damit übereinstimmend auch so: "Pluralismus ist nach marxistischer Auffassung eine unwissenschaftliche Ideologie, die eine gleichberechtigte Existenz mehrerer Theorien als notwendig betrachtet, weil wegen der Vielgestaltigkeit der Gesellschaft die Erkenntnis des Wesens dieser vielfältigen Erscheinungen nur durch eine Theorie und Methode unmöglich sei."

Bereits im 2003 beschlossenen Programm der PDS heißt es: "In der PDS wirken unterschiedliche linke demokratische Kräfte zusammen. In ihr haben sowohl Menschen einen Platz, die der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand entgegensetzen und die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen, als auch jene, die ihren Widerstand damit verbinden, die gegebenen Verhältnisse positiv zu verändern und schrittweise zu überwinden. Unser Eintreten für den demokratischen Sozialismus ist an keine bestimmte Weltanschauung, Ideologie oder Religion gebunden."... Eine organisatorische Konsequenz des Pluralismus in der Partei ist die Existenz von Strömungen, Plattformen oder Zusammenschlüssen, wie sie nach der Satzung der "Linken" möglich sind und auch praktiziert werden.

Prof. Dr. Hans-Georg Trost, Zittau


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Ernesto Kroch aus Uruguay sagte in einem ND-Gespräch: "Bei uns ist Streit zweitrangig. Das Hauptaugenmerk liegt auf sachlichen Problemen."

Wir Linken in Deutschland haben um ein Vielfaches leichtere Bedingungen, doch wir streiten uns, statt Erreichtes zu schätzen. Im Juli-RF las ich den Beitrag von Carsten Hanke und Peter Möller. Ich ärgerte mich sehr darüber.

Ich habe die Bemühungen der Genossen in der seinerzeitigen Landesregierung verfolgt, ihre Berichte über Gelungenes und nicht Erreichtes gehört. Ich war von 1994 bis 2004 in der Gemeindevertretung und auch Bürgermeisterin mit PDS-Mandat. Die Genossen in unserer Landesvertretung sind oft beschimpft worden und werden noch auf viele Kompromisse eingehen müssen. Anders geht es gegenwärtig nicht, wenn wir den Auswirkungen des globalen Kapitalismus etwas unseren Möglichkeiten Entsprechendes entgegensetzen wollen.

Karin Dvorák, Kuchelmiß


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Zum Leserbrief von Werner Köppe aus Bautzen (Juni-RF): Sicher muß man die Menschen dort abholen, wo sie sind bzw. wohin die antikommunistische Gehirnwäsche sie gebracht hat. Aber das kann doch kein Grund sein, immerzu völlig defensiv zu reagieren.

Ich erinnere mich an einen PDS-Stammtisch Anfang der 90er Jahre, wo ein anwesender Pastor den Genossen und Sympathisanten ans Herz legte: "Lassen Sie sich die Begriffe Sozialismus und Kommunismus nicht nehmen! Sie beinhalten uralte Menschheitsträume. Sicher sind sie derzeit in Mißkredit geraten, aber das wird nicht so bleiben."

Es wäre wunderbar und hilfreich, wenn alle Funktionäre der Partei Die Linke 20 Jahre später diese Ansicht teilen würden und auch in der Praxis etwas dafür täten. An einem anderen Stammtisch jener Jahre wurde die Frage aufgeworfen, warum sich Die Linke dauernd streite und aufsplittere, während sich die CDU im Wesentlichen einig sei. Unter dem Gelächter der Anwesenden antwortete jemand: "Bei der CDU geht es um Pfründe. Da kann man sich immer irgendwie einigen. Doch bei der Linken geht es ums Prinzip. Da ist es schwerer, auf einen Nenner zu kommen."

Nach den Erfahrungen der letzten 20 Jahre steht zu befürchten, daß das "Ankommen in der BRD" bei etlichen Linken dazu geführt hat, daß es ihnen nicht mehr ums Prinzip geht.

Brigitte Butzke, Neubrandenburg


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Wir sind 1995 in den "Westen" umgezogen, um Kindern und Enkeln näher zu sein. Wir haben den "RotFuchs" immer gern und mit viel Interesse gelesen. Am 17. Juli ist mein Mann Wolfgang Eichler gestorben. Er gehörte bis 1990 als Oberstleutnant im Militärbezirk Neubrandenburg der NVA an. Ich würde mich freuen, den RF weiter zu erhalten.

Eva Eichler, Buxtehude


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Danke für den Beitrag über Willy Brandts zwei Gesichter. Aber warum bleiben darin ausgerechnet die Berufsverbote unerwähnt, für die er hauptverantwortlich war?

Eckart Spoo, Berlin


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Oberst a. D. Hein Friedriszik schreibt im Juni-RF, er entsinne sich noch sehr gut der Apelle Egon Bahrs an die DDR-Bevölkerung, die am 17. Juni 1953 vom RIAS ausgestrahlt wurden. Doch das reicht nicht aus, um die Rolle Bahrs voll zu erfassen. In letzter Zeit ist er des öfteren bei Gesprächen im Fernsehen aufgetreten, wobei er besonders von jüngeren Menschen fast ehrfürchtig behandelt wurde.

Tatsächlich aber steht Egon Bahr voll in der verräterischen Tradition von Führern der deutschen Sozialdemokratie. Er hatte großen Anteil an der Zerstörung der DDR.

Manfred Wulf, Glauchau


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Dank an Brigitte Wackernagel für ihren Artikel über die III. Weltfestspiele 1951 in Berlin. Auch ich gehörte zu denen, die mit dem von ihr zitierten Lied auf den Lippen nach Berlin fuhren. Jugendliche aus aller Herren Länder kamen damals in die erst knapp zwei Jahre alte DDR, wo noch überall die Verwüstungen des Krieges sichtbar waren. Wir FDJler empfanden es als einen großen Vertrauensbeweis, daß uns der WBDJ die Ausrichtung des Festivals übertragen hatte. Das spornte uns zu besonderen Leistungen in Industrie, Landwirtschaft und Hörsälen an.

Eva Kolowrat, Berlin


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Sehr gefreut habe ich mich über den Artikel "Im August, im August blüh'n die Rosen ..." Im Mai 1951 wurde ich von einem britischen Militärgericht zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil ich in Bochum eine Erklärung der KPD-Bundestagsfraktion verteilt hatte. Dadurch seien die Besatzungsmächte "beleidigt" worden, warf man mir vor. Nach der Haftverbüßung schickte mich die FDJ, deren Kreisvorstand ich angehörte, sofort in die DDR, wo ich bei der Vorbereitung des Festivals half. Ich wurde als Leiter eines Tausender-Marschblocks eingeteilt. Wir hatten kaum Probleme, da alles durch die FDJler der DDR und den Weltjugendbund bestens vorbereitet worden war.

Übrigens denke ich auch gerne an die späteren Weltjugendtreffen in Moskau (1957) und Wien (1959) zurück, an denen ich ebenfalls teilnehmen durfte.

Erich Schreier, Röthenbach an der Pegnitz


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Während der III. Weltfestspiele gehörte ich dem Jugendwachbataillon an, das vom Zentralrat der FDJ den Auftrag erhalten hatte, unter Anleitung von Volkspolizisten für den Schutz der Veranstaltungen des Festivals und die Unversehrtheit der Teilnehmer aus aller Welt zu sorgen. In uns setzte man großes Vertrauen. Mich würde interessieren, was aus den Angehörigen dieser Einheit geworden ist. Vielleicht meldet sich ja noch jemand beim "RotFuchs", der damals dabei war.

Dr.-Ing. Helmut Kinne, Zepernick


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Liebe Jugendfreundin Brigitte Wackernagel! Wahrscheinlich wurdest Du seit 40 oder 50 Jahren nicht mehr so angeredet. Wir damals Beteiligten sind inzwischen leider alle "etwas älter" geworden. Doch Dein Artikel hat uns in die schöne Zeit unserer Jugend zurückversetzt.

Als bester Spendensammler wurde ich 1955 nach Warschau und 1957 nach Moskau delegiert. Berlin (1951 und 1973) mitgerechnet, habe ich also an vier Weltfestspielen teilgenommen.

Vielleicht sollten noch andere "Ehemalige" zur Feder greifen und ihre Erlebnisse aufschreiben, um auch nachfolgenden Generationen einen Eindruck von dem zu vermitteln, was uns damals beseelte: Völkerverständigung, Friedensliebe und internationale Solidarität.

Wolfgang Nicolas, Stralsund


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In einem Mini-Buch des Militärverlags der DDR zu "Krieg und Frieden" fand ich folgende Tagebucheintragung vom Oktober 1920: "Ich bin entsetzt und erschüttert von all dem Haß, der in der Welt ist. Ich sehne mich nach dem Sozialismus, der die Menschen leben läßt, und ich finde: Von Morden, Lügen, Verderben, Entstellen, kurzum allem Teuflischen, hat die Erde jetzt genug gesehen."

Diese Worte von Käthe Kollwitz sind aktueller denn je.

Klaus Feldhacke, Berlin


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Nach unbestätigten Meldungen soll Frau Merkel aus Anlaß des 50. Jahrestages der DDR-Grenzsicherung am 13. August 1961 ihr Verständnis für die damals ergriffenen Maßnahmen zum Ausdruck gebracht haben. Vor den Kameras der ARD-Tagesschau erklärte sie am 13. Juli nämlich während ihres Angola-Besuches: "... Daß jedes Land seine Grenzen sichern muß, das ist doch das Normale" ... Woraus resultierte dieser Gesinnungswandel? Frau Merkel war nach Luanda gereist, um Angola zum Schutz seiner Seegrenze deutsche Patrouillen-Boote zu verkaufen.

Siegfried Wunderlich, Plauen


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Beim jüngsten Deutschlandbesuch einer hochrangigen chinesischen Delegation konzentrierten sich Sender wie ARD und ZDF auf Äußerungen der Bundeskanzlerin zu angeblichen Menschenrechtsverletzungen in dem fernöstlichen Land. Spontan dachte ich da als ehemaliger Mitarbeiter des MfS an die grundgesetzwidrige Lage der Bevölkerungsgruppe, zu der auch ich gehöre. Ihr wird menschenrechtswidrig im Sinne der Artikel 1, 3 und 14 des Grundgesetzes der BRD die Zahlung damit konformer Renten vorenthalten. Meines Erachtens sollte man erst einmal die Situation der Strafrentner im eigenen Land überdenken, bevor Staatsgäste der BRD belehrend ermahnt werden.

Wolfgang Willms, Weida


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Im Leserbrief Gerhard Lehmanns (RF 162) ist im letzten Satz eine Frage offengeblieben. Die Worte von Prof. Thiessen "Wir müssen auch überholen, ohne einzuholen", gesprochen in einer Beratung mit führenden Köpfen aus der Wissenschaft und der Kammer der Technik (KDT), griff Walter Ulbricht sofort begeistert auf. Der Satz wurde danach bei den verschiedensten Gelegenheiten als eine Forderung an Forschung und Entwicklung wiederholt, "doch nicht mit heraushängender Zunge einem ebenso gepriesenen wie ominösen Westniveau hinterherzuhecheln, sondern mit eigenen wissenschaftlich-technischen Leistungen die Weltspitze zu erreichen". Überall in der DDR wurde nun durch "KDT-Erfinderschulen" eine eigenschöpferische Tätigkeit gefordert. So dürfte diese Formulierung - wenn auch viel verspottet - nicht zuletzt durch die KDT zu einer allgemeinen politischen Losung geworden sein.

Hans Rolf Besser (KDT), Berlin


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Mit großem Interesse las ich den Artikel "No pasaran!" von Gerhard Scholz. Eine kleine Ergänzung: Der Staffelkapitän der "Legion Condor", welche die Stadt Guernica in Schutt und Asche legte und dabei 1654 Menschen umbrachte, war der spätere Generalleutnant Heinz Trettner. Dessen Blutspur führte von der Zerstörung Rotterdams über verbrecherische Einsätze ihm unterstellter Fallschirmjäger in mehreren Ländern bis in die Gegend von Florenz, wo "seine Männer" eine Zone der Verwüstung hinterließen. Von Hitler mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz ausgezeichnet, besaß dieser gestandene Faschist die besten Voraussetzungen, um in den 60er Jahren die höchste Kommandoposition in der Bundeswehr einzunehmen: den Posten des Generalinspekteurs.

Dieter Barth, Wickersdorf


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Zum Beitrag "Faschismus als Bewegung und an der Macht" im Juli-RF: Es ist gut, daß Götz Dieckmann die Faschismus-Definition, die das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale gewählt und die Dimitroff auf dem VII. Weltkongreß der KI vorgetragen hat, gegen die "Sturmangriffe" von verschiedensten Seiten verteidigt. Es war natürlich die Diktatur der reaktionärsten Kräfte des Finanzkapitals. Aber man muß ergänzen, daß auch Hitler und andere Naziführer über eine bis dahin nicht gekannte Machtfülle verfügten. Es gelang ihnen durch eine hemmungslose nationalistische und soziale Demagogie, die große Mehrheit des deutschen Volkes auf ihre Seite zu ziehen.

Schwierigkeiten hatte ich übrigens schon immer mit dem Begriff "offene" Diktatur. Wäre sie "offen" gewesen, hätten es doch alle merken müssen.

Dr. Kurt Laser, Berlin


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Im hiesigen "Vogtland-Anzeiger" vom 18. Juli war zu lesen, an der Staatsgrenze der DDR habe es eine "Sperrzone mit Genickschußanlagen"(!) gegeben. Dem Autor solcher Schmierereien dürfte indes bekannt sein, daß über derartige Anlagen Hitlers SS- und Gestapo-Henker in den faschistischen Konzentrationslagern verfügten. Den Grenztruppen der DDR Gleiches zu unterstellen, ist nach der geplatzten Lüge vom angeblichen Schießbefehl ein neuer infamer Versuch ihrer Stigmatisierung.

Oberstleutnant a. D. Heinz Behrendt, Plauen


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Jürgen Leichsenring berichtet in seinem Leserbrief (RF 162) von Gerhard Vontra. Auch ich kannte und schätzte diesen Künstler und Zeichner. Ja, Vontra war ein Meister seines Metiers, ein gütiger Mensch, der sich niemals gleichgültig gegenüber den Freuden, Sorgen und Problemen der "kleinen Leute" verhielt.

Gerhard Vontra war ein Vorbild an bescheidener Lebensführung. Wie Jürgen bereits erwähnte, fuhren wir ins damalige Mansfeld-Kombinat, um über eine vorbildliche Jugendbrigade zu berichten. Dabei mußten wir untertage auf dem Boden liegend arbeiten. Auch Gerhard tat das. In einer Werksbaracke - ein Hotel gab es nicht - kühlte Gerhard am Abend in einer Wasserschüssel seine Blessuren. Unser Mitgefühl wehrte er mit der Bemerkung ab, die Jungens im Schacht, die den Kupferschiefer brechen müßten, hätten es doch viel schwerer. Wir bemühten nur Stift und Block. "Was uns nicht umbringt, macht uns härter", sagte er. Unser Abendessen war spartanisch. Wer würde es heute wagen, einem namhaften Künstler solche Bedingungen anzubieten. Gerhard störte das nicht. Er war ein Kommunist ohne Parteibuch, ein großartiger Menschen, den man nicht vergißt.

Übrigens haben die neuen Machthaber Gerhard Vontra sofort aus einem Seitenflügel des Altenburger Schlosses, in dem er viele Jahre wohnte und sein Atelier hatte, vertrieben.

Klaus Hoppe, Apolda


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Der Artikel "Geschichte im Zeugenstand" von Dr. Klaus Möbius hat bei uns zu einem lebhaften Streitgespräch geführt. Ich habe behauptet, die Angehörigen der verschiedenen Religionen hätten ein idealistisches Weltbild, während Marxisten eine materialistische Weltanschauung besäßen. Meine Gesprächspartner vertraten demgegenüber den Standpunkt, mit Idealisten verbinde man "Gutmenschen", die für ein höheres Ziel einträten, während Materialisten - vulgär ausgedrückt - Anhänger von Saufen und Fressen seien.

Ich habe natürlich widersprochen. Vielleicht kann uns ein "Philosoph" weiterhelfen.

Günter Vehoff, Hagenow


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Seit fast 10 Jahren bin ich Mitglied des RF-Fördervereins, ebenso lange intensiver Leser der Zeitschrift. Es ist für mich und meine Mit-Leser immer wieder eine Freude, wenn die nächste Ausgabe auf dem Tisch liegt. Die Lektüre ist stets informativ und interessant. Sehr erfreulich finde ich die klaren Einschätzungen zur DDR, zum Charakter der Ereignisse in den Jahren 1989/90 sowie die wissenschaftliche Analyse des gegenwärtigen Kapitalismus.

10 Jahre "RotFuchs" bedeuten aber auch rund 120 Hefte und einen erheblichen Platzbedarf. Was tun, um das wertvolle Material ständig griffbereit zu halten und zugleich Platz für Neues zu gewinnen?

Als Lösung bot sich an, alle RF-Ausgaben und Inhaltsverzeichnisse auf CD zu digitalisieren und/oder auf die Festplatte des Computers zu übernehmen. Hierbei hat mir Sylvia Feldbinder, verantwortlich für die Internet-Präsentation des RF, wertvolle Hilfe und Unterstützung gegeben. Herzlichen Dank dafür!

Jürgen Brühmann, Berlin


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Ich habe Fragen an meinen "RotFuchs": Was ist heute im politischen Sinne links? Warum ist jemand links? Was ist Sozialismus, was Kommunismus? Was unterscheidet beide voneinander? Gibt es noch Klassen? Wenn ja, welche? Was ist Klassenbewußtsein oder ein Klassenstandpunkt? Geht der Klassenkampf weiter?

Und: Muß man solche Fragen beantworten können? Ich meine, mehr denn je. Denn welche Auskunft, Genosse, willst Du Deinen Enkeln und Urenkeln geben, die Dir solche Fragen stellen? Weißt Du eigentlich selbst noch alles, was Du vor 30 oder 40 Jahren gelernt hast? Reicht Dein Wissen noch aus, um den Dschungel von Lügen und Halbwahrheiten zu durchdringen?

Du mußt den klaren Blick behalten! Der Rotarmist im Smolny hatte kaum Zeit zum Lernen, besaß aber einen unbeugsamen Klassenstandpunkt. Also fürchte Dich nicht vor dem "Parteilehrjahr", auch wenn es mal in der Lesergruppe der "RotFüchse" stattfindet.

Hans-Peter Findeisen, Sollstedt


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Unlängst zeigte mir eine RF-Genossin das Rosa-Luxemburg-Denkmal am Westberliner Landwehrkanal. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß der Klassenfeind den Schriftzug auf dem Monument gestaltet haben sollte. Und siehe da: Bei genauerer Prüfung fand ich an einer Seite den aus dem Metall herausragenden Hersteller-Hinweis: "Kunstguß VEB LAUCHHAMMERWERK 1987".

Walter Drexler, Berlin


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Danke, Fritz Dittmar, für den Artikel (RF 162) "Nicht im Giftschrank, sondern bei Aldi"! Auch ich las mit großem Interesse Stéphane Hessels Büchlein. Der Autor verdient in der Tat Respekt. Warum die FAZ und andere Medien diese Schrift aber nicht unterdrücken, sondern sogar noch propagieren, mag u. a. daran liegen, daß der Inhalt keinem weh tut. Schauen wir uns um: Empörung über die Entgleisungen des Großkapitals und seiner Politiker gibt es unter Sehenden genug. Doch selbst wenn Groß-Demos wie gegen das Projekt Stuttgart 21 den Herrschenden Schwierigkeiten bereiten, rüttelt das nicht an den Grundfesten des Systems. So dient Hessels Büchlein als Feigenblatt für eine - wenigstens nach außen hin - "funktionierende" Demokratie. Ich glaube, daß darin der Hauptgrund für die Tolerierung dieses Bestsellers liegt.

"Empört Euch!" bietet eine interessante Plattform für aufklärerische Diskussionen. Es ist gut, wenn es die nicht vom Westwind Verwehten immer wieder schaffen, der als "Zeitgeist" verharmlosten Ideologie der Bourgeoisie entgegenzuwirken und auf der Suche nach Wahrheit Breschen in die Mauern politischer Verdummung zu schlagen. "Empört Euch!" - wie Stéphane Hessel schreibt - reicht da allerdings nicht aus.

Oberstleutnant a. D. Harry Popow, Schöneiche


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Als Zeitungsausträger verdienen meine Frau und ich nur etwa 600 bis 700 Euro im Monat. Davon müssen wir leben. Für unsere 1½-Zimmerwohnung (37 m²) zahlen wir rund 350 Euro Warmmiete. So können wir, krankenversichert, ein bescheidenes Leben führen. Ich bin 1962 geboren und wurde in jungen Jahren durch eine DKP-Wohngemeinschaft in Regensburg politisch geprägt. Mein Vater war Organisator kommunaler Streiks. Der "RotFuchs" erinnert mich oft an frühere Zeiten, und ich freue mich, daß seine Verbreitung zunimmt.

Ich habe eine Bitte: Wer könnte mir Material oder Bücher über den Marxismus zukommen lassen? Von unserem bißchen Geld bleibt leider nichts für Bildungszwecke übrig. Für Freunde und Genossen, die etwas weggeben könnten, bin ich telefonisch unter der Nummer 0851/8516762 zu erreichen.

Konrad Harth, Passau


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Seit zwei Jahren bin ich "RotFuchs"-Leser und finde mich in einem Kreis von Menschen wieder, welche die 40jährige Geschichte der DDR nicht vergessen haben. Sie ist fest in unser Leben eingebrannt, weil dieses unter kapitalistischen Bedingungen so nicht hätte verlaufen können. Schulbesuch und kostenloses Studium wären für mich als Umsiedlerkind unter anderen Bedingungen unmöglich gewesen. Anschließend: gesicherter Arbeitsplatz mit Vorvertrag für die Zeit nach dem Studienende, erfolgreiche Entwicklung im Beruf. Vor 1989/90 war ich Produktionsdirektor eines Folienbetriebes.

Eine Prognose für eine ähnliche Zukunft fällt schwer. Sie wird nur mit menschlichen Opfern zu erstreiten sein. Denn ohne Gegenwehr der Besitzenden lassen sich kapitalistische Eigentumsverhältnisse nicht überwinden.

Dipl.-Ing. Hans-Joachim Schubert, Neuendettelsau


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Als ich bei Phoenix einen Bericht über Adenauers Rolle bei der Weiterverwendung von Nazi-Diplomaten durch das Bonner Auswärtige Amt sah, empörte es mich noch mehr, daß es bei uns in Leipzig eine der Stadt übergestülpte Konrad-Adenauer-Allee gibt.

Ich weiß natürlich, wo da der Hase im Pfeffer liegt und daß Leipzigs Führungsriege mit dem SPD-Oberbürgermeister an der Spitze wenig Neigung zeigt, das zu ändern.

Ich gehöre übrigens seit 1998 der Partei Die Linke an. Sehr froh bin ich damit allerdings nicht mehr.

Margot Wölk, Leipzig


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Manchmal glaubt man, sich verhört zu haben. Maybritt Illner befragte in ihrer ZDF-Sendung einen Gast im Publikum zu den Möglichkeiten der Finanzierung des Energie-Umstiegs. Dieser empfahl frei heraus, man solle es doch so ähnlich machen wie einst mit dem Soli-Beitrag für die "Osterweiterung". Diesen sollte man einfach in einen Öko-Soli umwandeln.

Der Mann, der den Begriff "Osterweiterung" verwandte, war Matthias Filbinger, ein Sohn des einst braun-schwarzen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Er sei bereits "in schwarzen Windeln zur Welt gekommen", gab der einstige CDU-Mann von sich, der nun bei den Grünen gelandet ist. Dahin konnte er offensichtlich seine schwarze Gesinnung mitnehmen. Weder die Moderatorin noch Minister Rösler oder Renate Künast, die in der Runde saßen, nahmen an der kolonialistischen Vokabel "Osterweiterung" Anstoß.

Helmut Holfert, Berlin


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Im Juli-RF fragte Rigo Dötsch die Linken in Deutschland: "Warum handelt Ihr nicht gemeinsam? Sonst erreichen wir gar nichts."

Alfred Kerr, beileibe kein Kommunist, schrieb bereits 1925: "Ihr werdet die Macht nur haben, wenn Ihr die große einige Linke schafft. Wer diese Umgruppierung heut zuwege bringt, das ist der Messias, den die Zeit und Deutschland brauchen. Morgen ist es zu spät. Also los!"

Solches Zuspätkommen führte dann zum Machtantritt des Hitlerfaschismus. Möge der RF-Förderverein als Sammlungsbewegung Erfolg haben! Hüten wir uns vor Engstirnigkeit und Rechthaberei! Alle Linken an einen Tisch zu bekommen, sollte unser Ziel sein.

Gert Thiede, Suhl


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Ein paar Worte zu Prof. Horst Schneiders Beitrag in Nr. 161. Der Autor bilanziert dort Geschehnisse, welche in der Endphase des europäischen Sozialismus eine Saat in den Boden brachten, die noch fünf weitere Jahrzehnte negativ austreiben wird. Was unter großen Mühen als sinnvolle Alternative zur heute allgegenwärtigen Ausbeuterpiraterie erdacht und erstritten wurde, verschwand fast über Nacht im Orkus der Geschichte. Die westliche Bourgeoisie leistete sich hierbei genügend "Hilfskräfte". Gorbatschow, der Sargträger der UdSSR, wurde zum Totengräber des Sozialismus.

Nach all dem soll dieser Mann in den Augen von Schütt ein Held gewesen sein?!

Prof. Schneider spricht auch von dem Schutt, auf dem Gorbatschows Denkmal steht.

Nun - kurzlebig ist die Zeit. Der bröckelnde Schutt wird für den Fall des Monuments sorgen.

Peter Hünerbein, Hellenthal


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Seit einigen Jahren bin ich ein interessierter, meist auch zustimmender Bezieher des RF. Es ist indes nicht mein Anliegen, mich in die Vielzahl lobender Leser einzureihen. Ich habe die Bitte zu prüfen, inwieweit Ihr Autorenkreis stärker für eine gezielte Verbindung der Vergangenheit mit konkreten, auf die Zukunft gerichteten Themen wie der Umweltverschmutzung eingesetzt werden könnte. Diese Bedrohung der Menschheit existiert nämlich unabhängig von Gesellschafts- oder Wirtschaftssystemen. Unterschiede gibt es nur in den gesellschaftsspezifischen Möglichkeiten und Interessen einer Vermeidung.

Die Bedrohungen entstehen durch Gier nach Profit und den hemmungslosen Drang nach Steigerung der Produktion um jeden Preis. Dieses ungezügelte ökonomische Wachstum führt zur beschleunigten Begrenzung und letztlich zur Vernichtung der Lebensgrundlagen der Menschheit.

Bitte betrachten Sie mein Schreiben als anregende Unterstützung für eine zukunftsorientiertere Ausrichtung Ihrer Zeitschrift.

Horst Klingenberg, Berlin


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"Arbeite mit, plane mit, regiere mit" war in der DDR ein Verfassungsgrundsatz. Im Artikel 21 wurde das Recht auf Mitbestimmung und Mitgestaltung der Werktätigen formuliert. Ich möchte behaupten, daß der Leiter eines VEB glatt rausgeflogen wäre, hätte er Kritik an seiner Arbeitsweise oder die Aufdeckung von Schlampereien im Betrieb durch Arbeiter oder Angestellte ignoriert. Eine Entlassung Kritikübender war völlig ausgeschlossen.

Traurig, wenn im vielgerühmten Rechtsstaat BRD eine Altenpflegerin höchste europäische Gerichte anrufen muß, weil sie betriebliche Unzulänglichkeiten öffentlich gemacht hat. Tatsächlich ist "Verrat von Betriebsgeheimnissen" in der BRD ein triftiger Kündigungsgrund. Deshalb wird den Beschäftigten ja auch eine Verpflichtung zu deren Wahrung abverlangt.

Im konkreten Fall ging es nicht einmal um Panzergeschäfte mit Saudi-Arabien, sondern um die Tätigkeit einer Altenpflegerin. Kapitalismus in Reinkultur!

RA Dr. Klaus Emmerich, Kassel


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In dem System, das uns übergestülpt wurde, ist ständig von Freiheit die Rede. Sie sei angeblich aus den alten Bundesländern in den Osten gebracht worden. Doch die Zahl jener, welche mit dieser Freiheit nicht zurechtkommen, wird ständig größer. Sie erleben die Freiheit, nicht arbeiten zu dürfen, obdachlos zu sein oder bei Suppenküchen vorstellig zu werden. Diese bereiten nur allzuoft das zu, was in Supermärkten oder anderswo sonst in den Abfall gewandert wäre.

Doch die neue "Freiheit" hat auch für die Bürger unserer Kleinstadt einiges zu bieten, gibt es doch Gesetze, von denen wir früher keinen blassen Schimmer hatten. So herrscht in Geithain z. B. Anschlußzwang, wenn eine neue Kläranlage gebaut wird.

Der Hauseigentümer muß auch dann blechen, wenn er bereits über eine eigene verfügt. Wird die Straße vor seinem Haus grundhaft ausgebaut, bittet man ihn wiederum zur Kasse. Schließlich wurde in der BRD ein Gesetz erlassen, das Hausbesitzer dazu zwingt, sogenannte Ausgleichsbeiträge zu entrichten. Diese werden jetzt in Sachsen erhoben, weil die Städte finanziell immer mehr ausbluten.

Ist das die Freiheit, die sie meinen?

Werner Juhlemann, Geithain


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Gesine Lötzsch hat zu Jahresbeginn eine Debatte darüber in Gang gebracht, daß es nach dem Kapitalismus "noch etwas" geben müsse. Die von bestimmten Kräften mit dem Ziel der Verteufelung jeglichen kommunistischen Gedankenguts entfachte Diskussion zwingt zur ideologischen Offensive.

Unsere Klassiker haben bekanntlich davon gesprochen, daß nach der Überwindung des Kapitalismus eine kommunistische Gesellschaftsformation in zwei Phasen errichtet werden solle. Im Sozialismus gelte das Prinzip "Jeder nach seinen Fähigkeiten - jedem nach seiner Leistung". Erst wenn der Kapitalismus weltweit überwunden ist und alle Quellen des gesellschaftlichen Reichtums erschlossen sind, werde das Prinzip des Kommunismus "Jeder nach seinen Fähigkeiten - jedem nach seinen Bedürfnissen" Geltung erlangen.

Das Hauptaugenmerk muß auf die erste Phase gelegt werden. Hier geht es um "die immer bessere Befriedigung der ständig wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Menschen". Der Weg dorthin führt über die bedarfsgerechte Steigerung der Produktion und der Arbeitsproduktivität. Letzteres, so Lenin, ist das über Sieg oder Niederlage in der Klassenauseinandersetzung Entscheidende.

Wenn wir diese Forderungen offensiv erläutern, die Theorie und die bisherige Praxis miteinander vergleichen, halten wir die wahren Ziele des Kommunismus hoch - trotz der Verteufelung durch den Klassengegner und so mancher Irrwege Verantwortlicher in den einstmals sozialistischen Staaten Europas.

Siegfried Mikut, Georgsmarienhütte

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Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift für Politik und Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.

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RotFuchs Nr. 164, 14. Jahrgang, September 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2011