Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


ROTFUCHS/170: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 216 - Januar 2016


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

17. Jahrgang, Nr. 216, Januar 2016



Inhalt
  • Respekt vor 145 Bundestagsabgeordneten
  • Tränen für Paris
  • Zensur in der Alt-BRD
  • H. Bidstrup: Informationsgewinn geht über alles
  • Zur Gegenoffensive in der Erinnerungsschlacht
  • Ein neuer Anlauf beginnt nicht bei Null
  • Das schaurige Spiel um Formosus
  • Walter Ruges vergebliche Suche nach Demokratie
  • Indirekte Schüsse auf Franziskus
  • Ein katholischer Mitgestalter von vier Jahrzehnten DDR
  • Fritz Heckert und Chemnitz gehören zusammen
  • DDR-Pflanzenschutz ohne "chemische Keule"
  • Die Katze beißt sich in den Schwanz
  • Über echte und faule Kompromisse
  • Medien als Erfüllungsgehilfen der Politik
  • Von den Anfängen des demokratischen Rundfunks
  • RF-Extra - Vor 140 Jahren wurde Wilhelm Pieck geboren
  • RF-Extra - Zerronnene Hoffnungen
  • Die UNO im Wandel der Zeiten
  • Ist der Balkan ein "sicheres Herkunftsgebiet"?
  • Erzwungener Szenenwechsel in Lissabon
  • Wir stehen zu Marwan Barghouti
  • Myanmar: Ist Aung San Suu Kyi eine Heilsbringerin?
  • Burkina Fasos Volksmassen zerschlugen Putsch
  • Schreckensbotschaften aus Mexiko
  • Saudi-Arabien: Wo Enthaupten zur Routine gehört
  • Wo Not als Normalität betrachtet wird
  • Arm und Reich: Alle im selben Boot?
  • Wolfgang Bittner: Worte wider den Wahnsinn
  • Der Sächsische Bergsteigerchor "Kurt Schlosser"
  • Eine Fernsehturm-Wette von 1966
  • Martin Andersen-Nexö ehrte die Mütterlichen
  • Gisela Steineckert: Hand aufs Herz
  • Leserbriefe

*

Es kracht im Gebälk der EU

Zwischen Mai 1974 und August 1979 war ich ND-Korrespondent in Lissabon, also Chronist und Weggefährte des bisher weitreichendsten antikapitalistischen Befreiungsversuchs im Westen Europas: der portugiesischen Aprilrevolution. Während ihrer Vormarschetappe gab es durchaus Zeiten, in denen wir einen Sieg der sie tragenden Kräfte für möglich hielten. Doch die besonders aus der BRD und den USA finanzierte und gesteuerte Gegenrevolution schob dieser Entwicklung bald einen Riegel vor. Als sich herausstellte, daß das innere wie das internationale Kräfteverhältnis einen landesweiten Erfolg der bereits in ihre sozialistische Etappe hinüberwachsenden bürgerlich-demokratischen Revolution nicht begünstigte, beherrschte der damals Portugals kommunistische Massenpartei führende Stratege und Taktiker Álvaro Cunhal die Kunst des geordneten und die eigenen Kader schützenden Rückzugs.

Auf der anderen Seite der Barrikade stand damals Frank Carlucci. Er avancierte direkten Weges vom US-Botschafter im NATO-Mitbegründerstaat Portugal zur Nr. 2 der CIA-Geheimdienstzentrale in Langley.

Die erst nach Jahren erbitterten Ringens erreichte weitgehende Wiederherstellung der alten Macht- und Eigentumsverhältnisse in dem iberischen Staat war - neben der Niederwerfung der demokratischen Kräfte Griechenlands im Volksbefreiungskrieg gegen das Athener monarcho-faschistische Regime - einer der frühen Siege des Imperialismus nach dem 2. Weltkrieg. Da das Pilotprojekt einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) gescheitert war und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) noch nicht hinreichend gegriffen hatte, zogen die beteiligten westeuropäischen Mächte nach Jahren des Ausprobierens aus ihrer Sicht entscheidende Lehren, um einer möglichen Wiederholung fundamentaler Umwälzungsversuche einen Riegel vorzuschieben. Die Konsequenz ihrer Überlegungen bestand in der später erfolgten Formierung der EU und der Aufstellung einer Schnellen Eingreiftruppe zur Bewältigung von "Krisensituationen" auf dem Kontinent.

Nach dem Untergang der UdSSR und der übrigen sozialistischen Staaten Europas - nicht zuletzt der DDR, was die territorial um ein Drittel erweiterte BRD zu einer europäischen Großmacht mit imperialen Ansprüchen werden ließ - kam es zu fundamentalen Verschiebungen des Kräfteverhältnisses in der Welt.

Zum neuen kontinentalen Machtzentrum Europas wurde die zwar in Brüssel angesiedelte, doch allein schon durch ihren weithin deutschsprachigen Mitarbeiterstab immer mehr von Berlin aus gesteuerte EU. In sie bezog man die vom Kapital zurückeroberten ost- und südosteuropäischen Staaten ein.

Im Ergebnis dieser Entwicklungen war der deutsche Imperialismus dazu in der Lage, einen Teil der von ihm unter Hitler erfolglos angestrebten Kriegsziele mit nichtmilitärischen Mitteln doch noch zu erreichen. In Ungarn, Litauen, Lettland und Estland sowie 2015 auch in Polen gelangten faschistoide Kräfte ans Ruder. In Frankreich - der zweiten Schlüsselmacht des EU-Systems - vermag die vom Vater auf die Tochter übergegangene Faschistenpartei der Le Pens inzwischen sogar den Elysee-Palast anzuvisieren.

Doch das noch bis vor kurzem äußerlich so kraftstrotzende EU-Europa, das mit dem Ans-Kreuz-Schlagen der Griechen einmal mehr seine Muskeln spielen ließ, steht jetzt vor einem Fiasko besonderer Art. Dieses hat zum erneuten Aufbrechen nur scheinbar taktisch gedeckelter Konflikte geführt: Die als "Flüchtlingskrise" ausgegebene faktische Völkerwanderung machte kaum überbrückbare Interessengegensätze deutlich, wobei auch immer neue Krisengipfel und zur Schau gestellte Scheinlösungen keine Abhilfe geschaffen haben. Während in der BRD die heftige innenpolitische Fehde zwischen verschiedenen Flügeln der Regierungskoalition Angela Merkels weiterglimmt, bei der das Spitzenpersonal der rechtskonservativen CSU und der zu ihr tendierende Flügel der CDU die Bundeskanzlerin gerne loswerden würden, rieb man sich anderswo genüßlich die Hände. Vor allem in den USA, deren vermeintliche Eliten mit dem erpresserischen Freihandelsabkommen TTIP verlorenes Terrain zurückerobern wollen, nutzt man die derzeitige Bedrängnis der BRD-Konkurrenz nach Kräften aus.

Aus marxistischer Sicht ist die Flüchtlingskrise sowohl unter humanitären Aspekten als auch unter Gesichtspunkten ihrer Klassennatur zu analysieren. Nehmen wir Syrien, von wo das Gros der nach Europa Aufgebrochenen kommt, als Beispiel: Während der ärmere Teil der Kriegsflüchtlinge in Elendslagern auf jordanischem, libanesischem und türkischem Territorium zusammengepfercht vegetieren muß, gelingt vor allem Besserbetuchten aus der Bourgeoisie, den Mittelschichten und der Intelligenz der Exodus nach Europa.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der potenzierte Abzug hochqualifizierter Kader, aber auch sich dem Militärdienst in der syrischen Armee entziehender junger Männer nicht ohne Regisseure im Hintergrund erfolgt. Ohne Zweifel zielen die USA und mit ihnen verbündete Mächte in erster Linie auf eine maximale Schwächung und den Sturz des ihnen verhaßten, zumal auch noch pro-russischen "Assad-Regimes". Die offensichtlich gut organisierte, schlagartig einsetzende und weiter anhaltende Massenflucht jüngerer Menschen mit hoher Bildung und möglichst prowestlicher Einstellung dürfte nicht vom Himmel gefallen sein. Die ihr Land Verlassenden strömen vor allem in die BRD, wo inzwischen Hunderttausende einheimische Fachkräfte fehlen. Ist es abwegig, sich an parallele Vorgänge ohne Kriegshintergrund zu erinnern? Ehemalige DDR-Bürger haben noch nicht vergessen, wie sich seinerzeit die systematische Abwerbung entsprechender Berufsgruppen aus volkseigenen Schlüsselbereichen ihres Landes vollzogen hat.

Doch die hier genannten Hintergründe der vermutlich gesteuerten Massenflucht bringen uns keinen Deut von einer internationalistischen und solidarischen Haltung gegenüber den Millionen Opfern der systematischen Zerstörung Libyens, Syriens, Iraks, Afghanistans und anderer zu Kriegsschauplätzen gewordener Länder sowie den Armutsflüchtlingen aus Afrika, Asien und Teilen Europas ab.

Als sich Lenin vor etwa 100 Jahren mit der schon damals aufgekommenen Idee "Vereinigter Staaten von Europa" konfrontiert sah, vertrat er den Standpunkt, daß dieses Konstrukt entweder nicht zustande käme oder reaktionär sein würde. Der zweite Aspekt dieser Prognose hat sich inzwischen bewahrheitet. Wann und in welcher Weise die EU als derzeit gerade noch haltende Klammer für das Europa der Monopole auseinanderbrechen wird, bleibt abzuwarten.

Klaus Steiniger

*

Respekt vor 145 Bundestagsabgeordneten

Nur der Abgeordnete Karl Liebknecht aus der Reichtagsfraktion der SPD stimmte 1914 gegen die vom Kaiser geforderten Kriegskredite. Im Dezember 2015 besaßen 145 Bundestagsabgeordnete die Courage, sich dem völkerrechtswidrigen Anschlag der BRD-Regierung auf die syrische Souveränität zu widersetzen. Gegen die Entsendung regulärer Bundeswehrtruppen votierte die gesamte Fraktion der Partei Die Linke, die überwiegende Mehrheit der Grünen-Fraktion, 28 Abgeordnete der SPD und 2 Mandatsträger der CDU/CSU.

Wir bekunden allen, die den Mut besaßen, sich dem offiziellen Kriegskurs der Merkel-Regierung entgegenzustellen, unseren Respekt.

*

Tränen für Paris

Sender Gleiwitz, Oktoberfest in München, Disko La Belle in Westberlin, U-Bahn von Tokio, ein Vorstadtzug Madrids, Stadtzentren von Belfast, Beirut, Kapstadt, Grosny, Tel Aviv und Jerusalem ...

Marktplatz von Srebrenica, Schule von Beslan, auf der Ferieninsel Utøya nahe Oslos ...

Flugzeugabstürze auf Kamtschatka, bei Lockerbie, vor Libanon und in der Ostukraine ...

Fast wöchentliche, manchmal tägliche Meldungen von Sprengstoffattentaten in Irak, Syrien, Afghanistan, Pakistan ... Menschen, Tote, Zahlen, Statistik.

Tagtägliche Meldungen über Terror von Menschen - gegen Menschen. Oradour, Son My, Babi Jar, Auschwitz!

Welche andere Spezies auf diesem Erdball schlachtet sich dermaßen radikal ab - wie die Menschheit?

Mal schwarze Witwen, mal sprengstoffbeladene Selbstmordattentäter, mal Autobomben und mal sogenannte Sondereinheiten, mal religiöse Fanatiker und mal Geheimdienstagenten, mal Drohnen (als seien hier unausweichliche Insektenattacken gemeint ...) und mal Kommandounternehmen, mal Terrorzellen und mal rechtsradikale Mörderbanden - bisweilen sogar im Sold des Verfassungs"schutzes" ... Teil eines heißen Krieges - inmitten des fortwährend Kalten?

Überraschende Attentate - putschendes Militär ... und unheimliche Mörderbanden ...

Warum sind es eigentlich immer die Liebknechts, die Olof Palmes und Kennedys, die Lumumbas und Allendes, die solchen zum Opfer fallen? Warum sind es eigentlich nie die Noskes, Stoltenbergs, Reagans, Globkes und Pinochets? Warum immer Krause, warum nie Krupp?

40 Jahre lang hat eine Mauer mich von solchen Ereignissen physisch getrennt - wie unmenschlich! Mein Leben war durch solche Zeitungsmeldungen nicht bedroht. Es gab garantierte Staatssicherheit. Nun endlich, mit der Demokratie und der freiheitlichen Ordnung, rückt der Wahnsinn mir auf die "Pelle", der Überraschungstod lauert überall ganz konkret. "Wir sind potentielles Ziel", sagen mir deutsche "Dienste" - Dienst kommt von "dienen" - wem dienen die eigentlich? Der Anlässe, Motive und Variationen gibt es viele - arrangiert? Synchronisiert? Inszeniert? Kultiviert? Observiert? - Ungeniert! ... und immer wird "zurückgeschossen ..."

Über allem thront für mich mein weiser alter Professor. Ich höre ihn: "Wie immer und regelmäßig: 10 bis 15 Jahre nachdem sie die USA erreicht hat, kommt die Welle in Europa an."

Nun also ein zweites Mal nach "Charlie hebdo" im Sündenpfuhl des Eiffelturms und der Wiege aller bürgerlichen Werte ... Die Welt bäumt sich auf ... So zeigt sie mir die Television. Wo war diese Betroffenheitswelt, als die Hutus die Tutsis abschlachteten - ein ganzes Volk! Oder war es etwa andersherum?

Wo waren die Tränen der Betroffenheit, als afghanische Mütter ihre kleinen Benzindiebe beweinten, die Oberst Klein, bevor er zum General Klein wurde, in den Tod bomben ließ? Wer beleuchtete das Brandenburger Tor in den Farben Libyens, als französische Bomber, jenseits vom Völkerrecht, die Töchter der Wüste und deren Kinder töteten?

Wo ist die "Stockstarre der westlichen Welt" - wenn in Syrien Muslime andere Muslime mit deutschen Waffen töten?

Wo lagen die Kondolenzbücher für doppelt so viele tote russische Urlauber auf dem Sinai wie tote Pariser?

Welche Sonderkorrespondenten zeigten uns die Bombenschäden deutscher Piloten in Belgrad, und welches Interview wurde mit dem KSK-Kommandeur geführt, der in Afghanistan bereits töten ließ, als Deutschland sich angeblich noch gar nicht am Krieg beteiligte? Wofür bekamen sie amerikanische Orden?

Attentäter, Terroristen - Enttäuschte, Entrechtete, Betrogene, Gedemütigte, Verzweifelte, Hoffnungslose und Fanatiker ... Sind sie alle "nützliche Idioten" für Vorwände jedweder Art?

Wer Wind sät, so heißt es, wird Sturm ernten. Wer glaubt, in der islamischen Welt ohne Legitimation töten zu dürfen, mit Drohnen und Bomben und deutschen "Milan" - muß sich nicht wundern, wenn man auch ihm mit Waffengewalt wahllos antwortet.

Wie viele "Euronen" hat uns deutsche Steuerzahler jedes getötete afghanische Kind vor den Füßen von Herrn Klein gekostet? Man spricht von 5000 Dollar.

Ach bitte, saudische Majestäten, verrechnet doch auch Ihr Eure Baukosten für neue deutsche Moscheen mit den Toten von Paris, dies scheint legitim, ganz rechtstaatlich, orientalisch, basargemäß ...

Jetzt endlich hat Europa "seinen" 11. September ... Es wird nicht der Letzte sein!

Und niemand wird mehr wagen zu fragen, wo all die Polizei plötzlich herkommt, die sonst im Alltag fehlte ... wen sie mit ihren Waffen schocken wollen. Militarisierte Polizei und Polizeiaufgaben fürs Militär. "Äußerer" und "innerer Feind" - beliebig. Ausnahmezustand ohne Richtervorbehalt!

Und keine Opposition wird mehr infrage stellen, daß Daten grenzenlos kontrolliert werden.

Big Brother ist nicht mehr "watching you", er geht dazu über, die Unterschriften der Lämmer einzusammeln - für das Erfordernis ihrer eigenen Schlachtung, für die Notwendigkeit von "Wolfsrudeln" und Heerscharen von "Hütehunden".

Und "phoenix" bläst uns seit Jahren den Marsch dazu ... Und stimmt uns ein, mit Bildern vom Führer und seinen Getreuen, seinen Hunden, seinen Mädels, seiner Jugend, seinen Köchen, seinen Ärzten, seinen Sorgen und seinen Guido Knopps ...

Die Betroffenheit, so scheint es, bekommt Schlagseite ... für eine vom besoffenen Liebhaber im Autotunnel ums Leben gebrachte britische Prinzessin werden mehr Tränen vergossen als im nachhinein für die Abertausenden toten englischen Kinder, die in den Fabriken und Kohleschächten des 19. Jahrhunderts den Reichtum der Eigner zusammenkratzten. Wie schnell verschwinden die tausend totgeprügelten Kinder - hierzulande und anderswo - hinter dem Bild vom einen ertrunkenen kleinen Flüchtling. Heute sind es als also unsere Tränen für Paris ... Und morgen?

Alex Volkmann, Güstrow

*

Zensur in der Alt-BRD

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

*

Informationsgewinn geht über alles

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Die Bildserie von Herluf Bidstrup Schattenblick übernommen.]

*

Zur Gegenoffensive in der Erinnerungsschlacht

Seit 25 Jahren tobt die Erinnerungsschlacht. Die Behauptungen, wie das Leben in der DDR angeblich gewesen sein soll, werden immer grotesker, die Lügen dreister und die Verdrehungen dümmer. Besonders anhaltend sind sie, wenn es um das Thema "Stasi" geht. Deshalb ist Widerspruch notwendiger denn je. Das ist auch die Botschaft des nunmehr vorliegenden zweiten Bandes der Erinnerungen von Menschen, die für die DDR auf besondere Weise einstanden. Nachdem 2014 die Erinnerungen von MfS-Angehörigen (Unbequeme Zeitzeugen, verlag am park) für Wirbel sorgten, haben Wolfgang Schwanitz und Reinhard Grimmer unlängst den zweiten Band "Wir geben keine Ruhe ..." herausgegeben. Darin kommen Frauen und Männer - Wirtschaftskapitäne und Werftarbeiter, Theologen und Pädagogen, aber natürlich auch hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter des MfS - zu Wort, deren Beitrag zum Schutz der DDR zugleich Friedensdienst war. Obwohl noch immer an den Rand gedrängt, ausgegrenzt und geschmäht, verstummen sie nicht. Ihre Unruhe ist lobenswert und wird zur rechten Zeit an den Tag gelegt.

Die BRD-Oberen feierten im Oktober 2015 den 25. Jahrestag der Einverleibung der DDR, bereits mit etwas gedämpftem Trommelschlag. Ein großer Teil der einstigen DDR-Bürger erinnert sich mit überwiegend positiven Gefühlen, aber auch mit Wehmut an sein Leben und Wirken im untergegangenen Staat. Das steht ihnen zu. Schon im "Sachsenspiegel", dem ältesten deutschen Rechtsbuch, las man: "Eenes Mannes Rede ist keenes Mannes Rede, man muß hören alle beede."

31 Zeitzeugen kommen mit ihren Sichten zum Thema MfS zu Wort. Die Herausgeber haben die Beiträge in sieben unterschiedliche Blöcke gegliedert. Im Block "Vom Beginn und vom Ende" erinnert sich Ingeborg Dummer an den Aufbau der MfS-Dienststelle Greifswald im Jahre 1950. Dr. Karl Döring, Generaldirektor des Eisenhüttenkombinats Ost, schildert seine Verbindungen zu einem General des MfS. Detlef Mauch berichtet von der Tätigkeit seines Vaters, eines Werftarbeiters. Hartmut Gruner war im Oktober 1989 dabei, als in Leipzig unbewaffnete Mitarbeiter des MfS eingesetzt wurden. Sein Fazit lautet: "Um das Land zu erobern, mußten dessen Schutz- und Sicherheitsorgane weg. So einfach war die Logik."

Der zweite Block enthält Beiträge zur Traditionspflege und Erinnerungspolitik "hüben" wie "drüben". Konstantin Brandt und Hansjoachim Tesch schildern antifaschistische Vorbilder und verweisen darauf, daß der Antifaschismus in der DDR nach heutiger Darstellung nicht mehr nur als angeblich verordnet, sondern sogar als falsch attackiert wird. Dieter Skiba, letzter Leiter jener Abteilung im MfS, die sich besonders mit dem Aufspüren von Nazi- und Kriegsverbrechern befaßte, verweist u. a. darauf, daß zwischen 1945 und 1989 insgesamt 12.890 Nazitäter in SBZ und DDR abgeurteilt worden sind. Skiba setzt sich überzeugend mit "Aufarbeitern" auseinander, die dem MfS andichten wollen, es habe Naziverbrecher geschont.

Meine Empfehlung: Man sollte gleich nach Skibas Beitrag den Report Reiner Stenzels lesen. Er beschreibt darin seine Tätigkeit als Vernehmer des Gestapo-Massenmörders Josef Blösche. Im dritten Teil des Bandes werden "Geheime Paten" und "Öffentliche Geheimnisse" vorgestellt. Besonders aktuell ist der Beitrag von Gerda Lück, die in einer Internatsoberschule das Abitur machte, Lehrerin wurde und in DDR-Kinderheimen arbeitete. Sie ist Kronzeugin in der Auseinandersetzung mit jenen, welche die Heimerziehung der DDR verteufeln. Im umfangreichsten vierten Block des Buches ("Im Dienst") geben neun Mitarbeiter des MfS Einblick in ihren Arbeitsalltag, u. a. als Personenschützer, Paßkontrolleur, Analytiker und Untersuchungsführer. Für alle gilt, was der Spionagefunkfahnder Volker Liebscher bekennt: "Mit vielen Gleichgesinnten war ich daran beteiligt, geheimdienstliche Angriffe auf mein Land aufzuklären und abzuwehren. Eine legitime Tätigkeit, auf die man stolz sein darf." Im fünften Block ("Inoffizielle Mitarbeiter, Quellen und Bekehrte") berichten vier Autoren über ihre staats- und friedenssichernden Aktivitäten und Erfahrungen. Die Lebenserinnerungen von Wolfgang Clausner, zuletzt stellvertretender Chefredakteur der außenpolitischen DDR-Wochenzeitung "horizont", sind historisch-politisch besonders wertvoll.

Er berichtet, wie er dazu beitrug, die "Fluchthelferorganisation" Kay Mierendorffs zu entlarven, die am Beginn der 80er Jahre die DDR massiv schädigte. Damals galten Schleuser in den Augen sogenannter Menschenrechtler als Freiheitshelden. Theologieprofessor Hanfried Müller, von 1982 bis 2006 Herausgeber der "Weißenseer Blätter", hat das MfS viele Jahre über kirchliche Vorgänge informiert, die durchaus weltlichen Charakter trugen. Im Kalten Krieg gegen die DDR waren Kirchen bisweilen eine getarnte Variante von Geheimdiensten zur Unterstützung staatsfeindlicher Kräfte. Der intime Sachkenner Karl Rehbaum nimmt den Leser zur Brüsseler NATO-Zentrale mit. Und Bernd Trögel beschreibt eine der spektakulärsten Aktionen von MfS-Aufklärern unter dem Titel "Der Verfassungsschutz als Dienstleister der HV A".

Im sechsten Komplex ("Auf außenpolitischem Parkett") haben drei Autoren Wichtiges auszusagen. Wilfried Schubert erinnert sich an Details des Treffens von Erich Honecker mit Helmut Schmidt, das Mitte Dezember 1981 in Güstrow stattfand. Reinhard Kluge beschreibt, welche Hürden er bewältigen mußte, um als Kapitän auf Großer Fahrt den Rostocker VEB Deutsche Seereederei in Indien, Indonesien, Malaysia und Singapur zu vertreten. Und spannender als mancher Krimi liest sich die Schilderung von Rudolf Herz, damals Offizier der HV A des MfS. Er berichtet, wie die DDR-Regierung nach dem faschistischen Putsch in Chile 1973 dabei half, Spitzenpolitiker der Unidad Popular in Sicherheit zu bringen. Unter den so Geretteten befand sich auch Carlos Altamirano, Generalsekretär der Sozialistischen Partei Salvador Allendes.

Der letzte Block des Buches trägt die Überschrift "Inquisition und Akten". Renate Schönfeld erlebte als Pfarrerin kirchliche "Überprüfungen", die an mittelalterliche Verhöre erinnerten. Dr. Klaus Emmerich war 1989/90 als Staatsrechtler mit dabei, als es um eine neue Verfassung für die DDR ging. Dr. Fritz Hausmann reagiert mit seinem "Zwischenruf" auf "Spitzelvorwürfe", während Herbert Kierstein, als Autor und Herausgeber einschlägiger Editionen bekannt, sich des Themas "Stasi-Akten" annimmt. Da diese Unterlagen bei der Verteufelung des MfS und der Diffamierung der DDR als "Unrechtsstaat" noch immer ganze Heerscharen selbsternannter Kommunismusforscher, zeitgeistverpflichteter Journalisten und skrupelloser "Aufarbeiter" beschäftigt, ist dieser Beitrag wie das Nachwort der Herausgeber zum Erfassen des Kampffeldes "Interpretation der DDR-Geschichte" von besonderem Wert.

Alles in allem: Mit dem zweiten Band der "Erinnerungen unbequemer Zeitzeugen" ist der bereits voluminösen Bibliothek von Memoiren und Sachbüchern zum MfS ein weiteres beachtliches Werk hinzugefügt worden.

Prof. Dr. Horst Schneider


Wolfgang Schwanitz/Reinhard Grimmer (Hrsg.): Wir geben keine Ruhe. Unbequeme Zeitzeugen II. verlag am park in der Edition Ost, Berlin 2015, 424 S., 19,99 €. ISBN 978-3-945187-39-5

*

Ein neuer Anlauf beginnt nicht bei Null

Als gestern Besiegte müssen wir heute an das Morgen denken

Wir leben in einer ungerecht organisierten Welt: Die einen hungern fast täglich, dürfen nicht arbeiten, sind ohne eigenes Verschulden ungebildet und wissen nicht, wie sie das Existenzminimum ihrer Familien sichern sollen, von der eigenen Zukunft ganz zu schweigen. Die anderen - nur wenige an der Erdbevölkerung gemessen - leben auf der Sonnenseite. Sie schwelgen in Reichtum, den sie nicht erarbeitet haben und auch niemals verbrauchen können. Die Masse der Menschen in den entwickelten Industriestaaten hat ihr Auskommen, kann sich manches leisten, muß dafür aber auch sehr hart schuften. Die Ausbeutung am Arbeitsplatz ist schärfer denn je, wird aber von den meisten kaum zur Kenntnis genommen. Selbst bestimmte Parteien und Organisationen, die sich zur Linken rechnen, erblicken in der Offenlegung kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse kein Thema mehr.

Der Kapitalismus ist technologisch so stark wie nie, was sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern dürfte, während sich die gesellschaftlichen Konflikte verschärfen. Am derzeitigen Wirtschaftssystem kann unser Planet zugrunde gehen und wir mit ihm.

Seit dem Verlassen der Urgesellschaft kämpfen Klassen, wie man sich durch ihre Stellung zu den Produktionsmitteln voneinander unterscheidende Menschengruppen bezeichnet, gegeneinander, verbünden sich gegen Dritte, trennen sich wieder und gehen neue Koalitionen ein. Viele merken nicht einmal, was sich in ihrem Umfeld verändert.

In einem Teil der Welt gab es zwischen 1917 und 1990 große Anstrengungen, das Leben aller grundlegend zu verbessern. Manches gelang so gut, daß es noch lange - wahrscheinlich für immer - im Gedächtnis der Menschheit eingegraben sein wird. Anderes war nicht richtig durchdacht oder entsprang historisch erklärbarer Unerfahrenheit, während wieder anderes gänzlich falsch, manches sogar schändlich war. Aber obwohl das Fortschrittliche in der Summe eindeutig überwog, war es nicht möglich, unserer neuen Gesellschaft Bestand zu verleihen. Es siegte wieder das Alte. Doch linke gesellschaftliche Bewegungen müssen fortan nicht mehr bei Null anfangen. Die Analyse unserer Niederlage ist noch lange nicht abgeschlossen. Je mehr sie zeitlich zurückliegt, um so deutlicher kann man, wenn man will, ihre eigentlichen Ursachen erkennen. So, wie wir sie analysieren, haben wir auch die Pflicht, in die Zukunft zu denken.

Welche Voraussetzungen müßten aus meiner Sicht in einer gerechten Gesellschaft erfüllt sein?

1. Grund und Boden sowie Bodenschätze gehören allen. Privateigentum an ihnen gibt es nicht, wohl aber zeitlich begrenzte Pachtmöglichkeiten. Das gilt auch für landwirtschaftliche Nutzflächen.

2. Alle lebensnotwendigen und für den Bestand der Gesellschaft unentbehrlichen Bereiche sind von jeglicher Privatisierung ausgeschlossen. Sie werden über den Staat genutzt und durch ihn verwaltet, dürfen keinen Profit abwerfen, müssen aber die erweiterte Reproduktion garantieren. Das betrifft die gesamte Infrastruktur, aber auch Banken, Post und Fernmeldewesen, Grundsicherung der Existenz (Rente, Haftpflicht, Unfall) und Internet.

3. Es gibt eine staatliche Gesundheits- und Pflegeversicherung, in die alle einzahlen müssen und die eine ausreichende Versorgung garantiert. Zuzahlungen jeglicher Art werden nicht erhoben. Private Zusatzleistungen gegen Bezahlung sind möglich.

4. In die Staatliche Rentenversicherung zahlt jeder Bürger ein. Die Grundversorgung ab Eintritt in das Rentenalter wird garantiert. Sie kann durch freiwillige Zusatzbeiträge aufgestockt werden.

5. Bildung ist gebührenfrei. Es wird ein geringes, aber auskömmliches Stipendium für Studenten und Schüler ab dem 17. Lebensjahr gewährt. Die Stipendien sind abhängig von Regelzeiten und Leistungskriterien. Die fachliche Ausbildung ist am gesellschaftlichen Bedarf zu orientieren.

6. Für die Sicherung der Löhne und Gehälter sowie die Arbeitsbedingungen sind die Gewerkschaften zuständig. Deren Tarifabschlüsse gelten für die Branche als verbindlich.

7. Die Arbeiter und Angestellten der Betriebe und Einrichtungen wählen beratende Gremien. Diese müssen zu grundsätzlichen Fragen der Führung des Betriebes wie Investitionen, Produktstrategie und ähnlichem gehört werden. Mit ihren Empfehlungen zielen sie zugleich auch auf die Stärkung des Eigentümerbewußtseins jedes einzelnen Betriebsangehörigen.

8. Berufsbeamtentum gibt es nicht. Hoheitliche Rechte werden mittels Verpflichtung bestätigt.

9. Privateigentum an Produktionsmitteln gehört zu den gesellschaftlichen Grundlagen des Staates. Ausgenommen sind alle unter Punkt 2 genannten Bereiche. Der Betriebsgewinn wird in einer Höhe limitiert, daß der Anreiz für unternehmerische Aktivitäten erhalten bleibt.

10. Der Zusammenschluß einzelner Produzenten zu Genossenschaften entspricht dem Charakter der Gesellschaft. Die Überführung von privatem Produktionsvermögen in genossenschaftliches Eigentum ist erwünscht und wird gefördert.

11. Die Gewinne aus staatlichem Eigentum sowie die Abschöpfung der über das Limit hinausgehenden privaten Erlöse werden genutzt, um einer Vollbeschäftigung der Bevölkerung nahe zu kommen und die Jahresarbeitszeit zu verringern.

12. Wer keine Arbeit hat, erhält einen Betrag, der unter dem Mindestlohn liegt. Er kann zu gemeinnützigen Leistungen für die ihn finanzierende Gesellschaft herangezogen werden.

Eine Gesellschaft, die auf diesen Grundsätzen beruht, ist noch nicht sozialistisch. Doch die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen wird zumindest eingeschränkt. Es gilt das Prinzip: Gemeinwohl geht vor Eigenwohl! Leider sehe ich derzeit hierzulande keine hinreichend einflußreiche politische Kraft, die den Prozeß der gesellschaftlichen Umwälzung organisieren und führen könnte. Darin besteht das Dilemma. Mit einer "Transformation" oder einem "Hineinwachsen" in eine gerechte Gesellschaft geht es erwiesenermaßen nicht. Die Erfahrungen aus den Klassenkämpfen der vergangenen Jahrhunderte beweisen, daß es ohne revolutionäre Umwälzung der Macht- und Eigentumsverhältnisse nicht funktionieren kann.

Andreas Bendel, Dresden

*

Notwendiger Nachtrag

Auf der 8. Mitgliederversammlung des RF-Fördervereins wurde der langjährig verdiente Finanzverantwortliche Jürgen Thiele erneut als Kassierer bestätigt. Das große persönliche Engagement seiner Frau, der Genossin Roswitha Thiele, erfuhr gleichermaßen hohe Anerkennung.

*

Das schaurige Spiel um Formosus

An einem Januartag des Jahres 897 bot sich den in der römischen Lateransbasilika Versammelten ein schaurig-makabres Bild: Auf dem Papstthron saß - in prächtige Gewänder gehüllt und mit der Tiara gekrönt - der schon halbverweste Leichnam des neun Monate zuvor verstorbenen Papstes Formosus, dem sein Nachfolger Stephan VI. den Prozeß machte. Das ihm post mortem angelastete Verbrechen bestand darin, den Gegenkaiser Arnulf von Kärnten in dessen Konflikt mit Kaiser Guido von Spoleto unterstützt zu haben, als dieser ihm zu mächtig wurde. Ein Diakon hatte die undankbare Aufgabe, für den toten Papst auf die Anklagevorwürfe antworten zu müssen. Das Urteil stand ohnehin schon fest. Formosus wurde nach seinem Tode für abgesetzt erklärt und sein Schwurfinger abgehackt, während man seine Leiche in den Tiber warf. Die Leichensynode von Rom gilt als ein Tiefpunkt in der an Negativereignissen gewiß nicht armen Kirchengeschichte.

An dieses gespenstige Schauspiel vor mehr als 1100 Jahren mußte ich unwillkürlich denken, als ich mir die Leichenschänder aus der DDR-Delegitimierungsindustrie der BRD vor Augen führte. Seit 25 Jahren wird auch hier ein im staatsrechtlichen Sinne Verstorbener aus dem Grab gezerrt, ohne Unterlaß geprügelt und immer aufs neue verdammt. Sicher wären die Regisseure dieses Spektakels froh, wenn es ihnen gelänge, jegliche positive Erinnerung an die DDR mitsamt der historischen Wahrheit über ihr Entstehen, ihre Stärken und Schwächen einfach in einem Fluß des Nimmerwiedersehens zu versenken.

Doch diese DDR will anders als Formosus einfach nicht verwesen. Wie das abstoßende Spiegelbild des Dorian Gray führt sie der BRD die häßliche Wahrheit über ihr wirkliches Gesicht vor Augen. Sie läßt sich nicht abschütteln oder verscharren. Und man kann den in der DDR verwirklichten Schwur von Buchenwald auch nicht einfach aus der Geschichte amputieren wie den Finger des toten Papstes. Wohl kein anderer Staat leistet sich deshalb ein so lächerlich-makabres Kabarett staatlich verordneter Nichterinnerung an ein bestimmtes Kapitel der eigenen Geschichte. Was sich da als "Aufarbeitung der SED-Diktatur" ausgibt, ist in Wahrheit eine Wiederholung der anfangs geschilderten römischen Leichensynode, bei der das Urteil bereits feststand. Mit einem gigantischen Aufwand an Menschen und Mitteln wird der krampfhafte Versuch unternommen, einem ganzen Volk ein Falschbild einzuhämmern, das die Beurteilung der 40jährigen DDR-Geschichte fortan prägen soll. Mit Kopfschütteln betrachten ernstzunehmende Historiker im In- und Ausland das nun schon seit mehr als einem Vierteljahrhundert andauernde Spektakel, das einzig und allein darauf abzielt, das Urteilsvermögen der Bevölkerung zu paralysieren und das geistige Klima landesweit auf unerträgliche Weise zu vergiften. Jeder Widerspruch wird niedergebrüllt, jede Mahnung zu geschichtlicher Objektivität als Ketzerei verunglimpft. Mit einer aus den jahrzehntelang akkumulierten Parteibeiträgen der SED-Mitglieder zusammengeraubten Summe von 77 Millionen Euro bemüht sich allein die sogenannte Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die Vergangenheit eines Drittels von Deutschland aus der Historie zu löschen. Während allein die notorische "Gauck-Behörde" in ihren Spitzenzeiten 3200 Mitarbeiter entlohnte und die inzwischen umbenannte Institution heute noch etwa 1500 Angestellte beschäftigt, brachte es die "Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen" Anfang der 70er Jahre auf gerade einmal 120 Bedienstete. Heute sind dort nur noch 19 Mitarbeiter beschäftigt, die 1,7 Millionen Karteikarten und 600.000 Fotokopien aus der Zeit des Faschismus verwalten.

Seltsamerweise fragt niemand, warum man in anderen Ländern die Beurteilung der Geschichte ohne Zögern Historikern überträgt, während man es in der BRD "Aufarbeitern" überläßt, das Staatsbild der DDR in eine Karikatur zu verwandeln. Und warum gibt es eigentlich keine Aufarbeiter für die Geschichte der Nazi-Diktatur oder der Kaiserzeit? Wieso versuchen Diffamierungsspezialisten wie Hubertus Knabe und Rainer Eppelmann immer wieder, sich als seriöse Geschichtsforscher auszugeben, obwohl sie im Unterschied zu jenen an einer wirklichen Erkundung der DDR gar nicht interessiert sind?

Der Historiker will Einblicke in das wirkliche Geschehen vergangener Jahrzehnte, Jahrhunderte und Jahrtausende gewinnen, der "Aufarbeiter" braucht allein die Bestätigung seines politisch-ideologischen Zerrbildes. Während jeder seriöse Wissenschaftler seinen jeweiligen Forschungsgegenstand allseitig untersucht, um daraus belegbare Erkenntnisse zu gewinnen, will der Schnüffler nur das wahrnehmen, was er ohnehin schon zu wissen glaubt.

Jene, welche die "Leichensynode" zur DDR mit großem Aufwand in Szene setzen, tun dies wie einst Papst Stephan VI., wobei sie die Antwort auf gestellte Fragen ebenfalls einem "armen Diakon" überlassen. Während Historiker am Widerspruch und einer ungegängelten Debatte interessiert sein müssen, um ihre Erkenntnisse überprüfen, abwägen und hinterfragen zu können, vermag ein Hubertus Knabe nicht einmal den Anblick der staatlichen Symbole seines "Forschungsgegenstands" DDR zu ertragen.

Ins Auge springt, daß die meisten "Aufarbeiter" von ihrem Job recht einträglich leben können, während viele echte Historiker ein recht brotloses Dasein führen, vor allem dann, wenn sie das Thema DDR seriös behandeln. Die Tatsache, daß eine von blindem Haß gespeiste Propaganda aus der untersten Schublade als ideologische Krücke für das Geschichtsbild eines ganzen Staates herhalten muß, ist Ausdruck seltener Armseligkeit.

Noch nie fühlte ich mich über die DDR aufgeklärter als heute, obwohl Fragen unterdrückt und Wahrheiten unter Lügenbergen begraben werden.

Doch zurück zu Formosus. Nur kurze Zeit nach dem gespenstischen Schauspiel in der römischen Lateransbasilika wurde Stephan VI. selbst angeklagt und ermordet, während man den Leichnam seines Vorgängers Formosus aus dem Tiber barg, den Gemeuchelten nachträglich rehabilitierte und in die Gruft der römischen Peterskirche überführte.

Ulrich Guhl

*

Walter Ruges vergebliche Suche nach Demokratie

Der am 10. November 2011 im hohen Alter von 96 Jahren verstorbene Walter Ruge war eine intellektuelle und ideologische Säule des RF. Der folgende Beitrag entstand im Oktober 2007. Damals schrieb der standhafte Genosse, den selbst in Sibirien unschuldig erlittene langjährige Lagerhaft nicht von seiner marxistisch-leninistischen Weltanschauung abzubringen vermochte, den nachfolgenden Text.


Hier soll nicht der steinige Pfad einer akademischen Abhandlung, sondern die breite Landstraße des täglichen Kampfes beschritten werden. Ein kurzer Blick zurück sei mir dennoch gewährt: Die sogenannten Großen Demokratien Frankreich, England und - allen voran - die Vereinigten Staaten von Amerika haben eine schmachvolle, ja blutige Spur des Kampfes gegen Demokratie hinterlassen. Der Schock der Oktoberrevolution saß so tief, daß deren "Eliten" jeder Bluthund willkommen war - wenn er das Volk nur genügend niederhielt und die Kommunisten massakrierte. Da liegen Wurzeln für den Faschismus. Bürgerliche Demokratien wurden buchstäblich erwürgt und den Mächten der Achse Berlin-Rom-Tokio zum Fraß vorgeworfen. Denken wir nur an das Schicksal Österreichs, der Tschechoslowakei, Spaniens und auch vieler nichteuropäischer Länder.

Hinterhältig erdrosselten diese "Großen Demokratien" die Republiken Guatemala, Kongo und Chile, um nur einige Beispiele zu nennen. Diesen "Grünspan" an den Monumenten muß die demokratische Öffentlichkeit stets im Auge behalten, wenn gewisse Gralshüter der Demokratie über deren Verletzung anderswo schwadronieren.

Wir dürfen nicht vergessen, wie die "Großen Demokratien" über Jahrzehnte mit dem internationalen Faschismus umgegangen sind. Die Regimes von Pilsudski, Horthy, Franco, Salazar/Caetano, Stroessner, Trujillo, Mobuto, Suharto, Papa Doc, Batista und natürlich auch Pinochet sind zu keinem Zeitpunkt durch Blockaden, Boykotte, Embargos, Sanktionen oder militärisches Eingreifen in Schwierigkeiten gebracht worden. Selbst die Hitlerdiktatur kannte - bis die Superdeutschen einen neuen Weltkrieg anzettelten - nicht die geringsten Schwierigkeiten mit den vermeintlich demokratischen Großmächten. Warum? Weil diese im Auge hatten, das Ungeheuer gen Osten dirigieren zu können.

Diese Entwicklungen haben eine aktuelle Brisanz. Die Demontage der Demokratie in Deutschland ist nicht von Hitler, sondern von demokratisch gewählten gutbürgerlichen Koalitionen vor 1933 - den Brüning, Schleicher und Papen - in die Wege geleitet worden. Auch die Wiederaufrüstung Deutschlands war - den Nazis in dieser Frage vorauseilend und verdeckt - schon in den ersten Jahren der Weimarer Republik forciert worden. Es bleibt eine der vornehmsten Aufgaben humanistischer Historiographie, diese scheinbar simplen Tatsachen beharrlich an den Anfang jeglicher "Forschung" oder "neuer Sichten" zum Thema Demokratie zu stellen.

Frau Merkel fliegt um den Erdball, nach Afrika, nach China und wer weiß wohin sonst noch, um den bundesdeutschen Export voranzutreiben und ... "Demokratie anzumahnen". Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß der eigentliche Adressat für solche Ermahnungen das deutsche Wahlvolk ist: Ihm soll aus fernen Ländern suggeriert werden, daß "wir", also die Deutschen, bei uns schon Demokratie hätten.

Als Negation der Rechenschaftspflicht ersannen Neuhegelianer den zutiefst verlogenen Begriff der "Informationspflicht" mit herzzerreißenden und mitunter nachgestellten Bildern. Eine Taschenlampe in Saddam Husseins Mundhöhle erhellt nichts, hat nicht den geringsten Informationswert - wir verbergen ja keine Giftampullen im Rachen. Auch wie Saddam der Strick um den Hals gelegt wird, verkauft sich gut, vermittelt dennoch nichts Neues, sondern ist lediglich entwürdigend und hat mit Demokratie nichts gemein. Eine Kammer in Texas, in der Todesspritzen gereicht werden - dito. Für Rußland wurde heftig die Abschaffung der Todesstrafe verlangt - hier wird die Hinrichtung zur Kulthandlung. So erhält der Begriff "Pressefreiheit" unter der Fuchtel der "Bewußtseinsindustrie" einen üblen Beigeschmack.

Eine andere Kategorie dieser Art ist der "Enthüllungsjournalismus". Seine Vertreter halten sich gegen Scheinchen ihre Informanten; das BKA sucht vergeblich nach den "lecken Stellen". Was ist daran "demokratisch"? Menschenschicksale und Menschenwürde müssen auch hier dem Mammon weichen. Sollte das etwa Demokratie sein?!

Ein Minister wird "gestürzt", weil er mit seiner Sekretärin geschlafen hat - ein völlig normaler Vorgang. Aus diesem Nebenschauplatz läßt sich von Widersachern, die als vermeintliche Moralapostel auftreten, politisches Kapital schlagen, wobei anrüchige Amtshandlungen des Ministers unerwähnt bleiben. Es könnte ja seine Kumpane "tangieren".

Die Einschaltquote ist eine bewußte Irreführung, geht es doch nicht um irgendwelche Quoten, sondern um blanken Profit. Hohe Einschaltquoten bringen hohe Minutengebühren für die Werbung.

Es wäre allerdings ein Kardinalfehler, solche Erscheinungen als Mißbildung oder Fehlentwicklung in einer an sich "demokratischen" Gesellschaft zu betrachten. Elemente von Demokratie bleiben weiterhin Raritäten. Die genannten Erscheinungen aber sind Markenzeichen, ja das Wesen der Dinge. Menschenverachtende "Pressefreiheit" bleibt eine tragende Säule dieser korrupten Gesellschaft.

Nicht ganz unerwartet macht der Blätterwald uns das Wort von der "wehrhaften Demokratie" schmackhaft. Langsam merken wir, was eigentlich dahintersteckt. Nach diesem - nicht gerade erfolgreichen - Rezept können die Militärs auch in die "innere Sicherheit" eingebunden werden. So machen sie ihre "Sandkastenspiele", erarbeiten "Operationspläne", begeistern sich für "verfeinerte Mordwerkzeuge", üben den "Ernstfall", der immer Krieg, "Kollateralschäden", Verwüstung und Flüchtlingsströme bedeutet. Auch das hat wahrscheinlich seine "Ordnung" - dazu sind sie doch da: Bei allen geheimzuhaltenden "Aktivitäten" muß die gelobte Demokratie auf der Strecke bleiben.

Da erscheint es doch etwas wirklichkeitsfremd, wenn Die Linke angesichts dieser von ihr selbst festgehaltenen Tatsachen eine "Demokrat isierung der Demokratie" anstrebt. Davon abgesehen, daß hier "runde Räder" zur Debatte stehen, wird der BRD damit das Vorhandensein einer - zwar demokratisierungsbedürftigen - Demokratie bescheinigt, die es in Wirklichkeit ja gar nicht gibt.

Summa summarum: Das Wunschdenken von Frau Merkel wird lediglich an uns weitergereicht. Und siehe da. Die drei tragenden Säulen dieser Demokratie sind die Medien (der Öffentlichkeit nicht rechenschaftspflichtig), die Dienste (dito) und die Wirtschaft (ebenfalls dito).

Unterm Strich: Es ist unzulässig, dieses Gebilde als Demokratie zu bezeichnen.

Walter Ruge

*

Indirekte Schüsse auf Franziskus

Warum deutsche Jesuiten die Befreiungstheologie attackieren

Der 1921 geborene Daniel Berrigan - er trat 1939 dem Jesuitenorden bei und war später ein zu Haft verurteilter Anführer des katholischen Widerstandes gegen den Vietnamkrieg in den USA - veröffentlichte zu Beginn der 80er Jahre eine Art Tagebuch "Die Jesuiten und ich". Darin stellte er u. a. fest: "Für jeden faschistischen Schah oder Nixon und Marcos gibt es einen Jesuitenpater, um die blutige Handlung zu segnen. Man kennt das. Die offizielle Linie indes ist etwas, das die Ohren eines Engels erröten läßt: Selbstbeglückwünschungen, harte Ermahnungen, Grenzlinien, die gezogen werden, Kettengerassel. ... Es in der Welt zu etwas bringen, ein religiöses Unternehmen aufbauen! Und was findest du daran problematisch? ... Vielleicht ist unsere gegenwärtige schlimme Lage auch eine Art von Heil. Endlich sind die beiden 'Welten' - die der Privilegien und ihrer Duldung sowie des Sich-Anbiederns bei den Reichen und die der Helden ohne Vaterland und ohne Muttersprache - ans Tageslicht geraten. Wir kennen unseren entarteten und selbsterniedrigten Zustand, wir wissen ..., daß wir Klassenunterschiede in der Gesellschaft nicht nur tolerieren, sondern kultivieren."

Die katholische Kirchenführung hat im Umgang mit herausragenden Priestergestalten, welche deren Machtteilhabe in Frage stellen, eine jahrhundertelange Erfahrung. Sie reduzierte den Kampf so mutiger Jesuiten wie Daniel Berrigan gegen den Völkermord der USA in Vietnam, gegen Krieg und Unterdrückung auf antiautoritäres Engagement für anonyme Menschenrechte und konnte sein Wirken mehr oder weniger isolieren.

Ähnliches scheint der europäischen Kirche mit den Vertretern der in Lateinamerika fest verankerten Theologie der Befreiung zu gelingen. Deren politische Dimension wird von der Existenz der Klassengesellschaft und durch den Kausalzusammenhang zwischen Reichtum und Armut bestimmt.

Wie der Marxismus orientiert die Befreiungstheologie auf die revolutionäre Veränderung der kapitalistischen Wirklichkeit hin zu einem menschlichen Miteinander. Aber welchen "Preis der Gerechtigkeit" die Befreiungstheologen selbst zahlen mußten und müssen, zeigt die im Auftrag der USA am 16. November 1989 erfolgte Ermordung von sechs Jesuiten in El Salvador.

Jon Sobrino, der dieser Jesuitenkommunität angehört, entging dem Massaker nur dadurch, daß er am Tatort gerade nicht zugegen war. Er ist Mitherausgeber des Hauptwerkes dieser theologischen Richtung. Der Versuch, sie in Deutschland zu verankern, blieb aber ohne erkennbaren Erfolg. Die befreiungstheologische Konzeption wird vom Hauptstrom der deutschen Theologie als eine Art Modeerscheinung gerade noch zur Kenntnis genommen. Klaus Mertens, einer der Medienstars der Jesuiten, schreibt recht arrogant, in den 70er und 80er Jahren habe es einen Streit um die Befreiungstheologie gegeben. Er, der immerhin eine zeitlang in der Sowjetunion studierte, habe mit den Texten eines Ernesto Cardenal nichts anfangen können. Das Wirken von Papst Franziskus sei eine Art "Befreiungstheologie minus Marxismus plus Volksfrömmigkeit".

Insgesamt gilt die Theologie der Befreiung im deutschsprachigen Raum inzwischen als erledigt. Das trifft jedenfalls auf die renommierte Theologische Fakultät der Innsbrucker Universität zu. Aus materialistischer Sicht sind aber gerade solche Jesuiten wie Ellacuria, übrigens ein Innsbrucker Absolvent, oder Sobrino Nachfolger des historischen Jesus.

In der BRD haben Jesuiten ihr offizielles Organ "Stimmen zur Zeit" in eine Tribüne des deutschen Imperialismus verwandelt, indem sie dessen politischem Repräsentanten Bundestagspräsident Norbert Lammert die Möglichkeit gaben, mit seinem Artikel "25 Jahre Einheit in Freiheit" dessen barbarische Realität in Vergangenheit und Gegenwart zu kaschieren. Die Zeitschrift existiert bereits seit 140 Jahren und wird in den Jesuitenkirchen des deutschen Sprachraums, also auch in Österreich, für deren Besucher ausgelegt.

Papst Franziskus hat - noch als Erzbischof von Buenos Aires - eine Schrift über "Korruption und Sünde" verfaßt, in der er analysiert, wie der Korrupte im "Ambiente der Siegesgewißheit" Bestätigung findet und gut vorankommt. Aus diesem Atmen des Erfolgs entstehe "die Erfahrung von Rückenwind ..., die Situationen durch Fehleinschätzungen umdeutet und verschärft".

Die "Stimmen zur Zeit" vom Oktober 2015 müssen als Ausdruck von Verkommenheit eingeschätzt werden, weil sie den Triumphalismus der deutschen Imperialisten und deren Verlogenheit unreflektiert wiedergeben. Norbert Lammert aus Angela Merkels CDU reiht Gemeinplatz an Gemeinplatz und stellt für die von ihm vertretenen sogenannten Eliten fest, daß "das demokratische Deutschland so wohlhabend, so sicher und so frei wie nie zuvor" sei, während "fehlregulierte nationale Ökonomien" die Stabilität des ganzen Währungsraumes gefährdeten. Lammert unterschreibt damit die Propagandaphrase des BRD-Präsidenten Gauck, der 2014 auf der Münchner Sicherheitskonferenz behauptet hatte, weltweite Bundeswehreinsätze würden "zu Garanten internationaler Ordnung und Sicherheit". Lammert beruft sich überdies auf den früheren polnischen Außenminister Sikorski, der an der Seite deutscher Truppen gen Rußland marschieren will. Totgeschwiegen wird dabei die Tatsache, daß die BRD längst zu einem militärische wie wirtschaftliche Kriege führenden Land geworden ist, was man von der vielgeschmähten und am Ende implodierten DDR jedenfalls nicht behaupten konnte.

Der österreichische Jesuit Herwig Büchele hat die fortgesetzten Bombenteppiche auf Jugoslawien im Jahr 1999, an denen die Bundesluftwaffe beteiligt war, öffentlich befürwortet. Er stellt sich damit voll in die Tradition der deutschen antikommunistischen Sturmjesuiten vom Schlage eines Johannes Leppich. Der wiederum hat mit seiner erzreaktionären Position das Papsttum eines Joseph Ratzinger stark beeinflußt. Nirgends wird ein zu konkretem Handeln aufforderndes Mitleiden angesichts der zerfetzten Menschen erkennbar, nirgends ein Erbarmen für die damals und heute Vertriebenen. Alle Opfer werden dem Erfolg eines Wirtschaftssystem untergeordnet, das erwiesenermaßen tötet. Dabei geht es jetzt, wie Herr Lammert in seinem Artikel deutlich unterstreicht, gegen Rußland und den sich Kiew nicht unterwerfenden Teil der Ukraine.

Nichts, aber auch gar nichts hat sich am deutschen Imperialismus geändert.

Prof. Dr. Gerhard Oberkofler, Innsbruck

*

Eine stets präsente Vergangenheit

Erfahrungen eines katholischen Mitgestalters von vier Jahrzehnten DDR

Zur Zeit schreibe ich an der Lebensgeschichte meines Onkels Herbert Gold. Seine Wegstationen als Antifaschist im Zuchthaus und im KZ, später als in den Krieg Gezwungener und danach sind wieder im Blickfeld meiner Erinnerungen. Er hat mich zu Aufrichtigkeit und Toleranz sowie zum Eintreten für Frieden, Menschenwürde und sozialen Fortschritt liebevoll miterzogen und geprägt.

Als ich 1949 aus der Lungenheilstätte Waldwiese bei München in den Osten Deutschlands kam, hoffte ich auf ein Leben in Frieden und Sicherheit. Auch in der amerikanischen Zone hatten sich gute Freunde um mich gekümmert. Mit ihrer Hilfe wäre mir der Zugang zu Bildung und Beruf dort ebenfalls ermöglicht worden. Doch ich sah meinen Platz bei den Eltern und meiner Großmutter im Osten.

Es herrschte damals noch allenthalben Mangel, auch Lebensmittelknappheit. Mein täglicher Weg zum Werkzeugbau Fichtel & Sachs war genauso beschwerlich wie die völlig ungewohnte Arbeit. Doch jeden Tag gab es ein schmackhaftes und kostenloses Mittagessen aus der Betriebskantine.

Damals trat ich der Volkssolidarität, dem FDGB und der FDJ bei. Ich engagierte mich mit Herz und Verstand. Die Ziele dieser Massenorganisationen entsprachen ganz meinen Vorstellungen. Zu einer SED-Mitgliedschaft kam es indes nicht. Der Parteisekretär im Betrieb war ehrlich und sagte mir ohne Umschweife, meine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche stehe einem Eintritt entgegen. Bei diesem Gespräch gab es keine gegenseitigen Vorwürfe, auch erwuchsen mir keine Nachteile.

Ende 1949 trat ich der NDPD bei. In dieser Partei oder in deren Auftrag wurden mir 40 Jahre lang verantwortliche Funktionen übertragen. Sie waren für mich das bestimmende Bindeglied zur DDR. Wie es im Leben nicht anders sein kann, blieben Höhen und Tiefen, Freuden und Enttäuschungen nicht aus. Politisch oftmals recht eigenwillig, überdies mit christlicher Glaubensbindung und einem "linken Herzschlag" blieben mir in meinem Arbeitsleben Stolpersteine nicht erspart. Bei Wahrnehmung von Aufgaben, die mir entweder die NDPD übertragen oder in die man mich delegiert hatte, erfuhr ich auf meine Weise die Wahrheit über das Leben in der DDR. Dieses bestand nicht allein aus bequemen "Spaziergängen". Immer galt es, sich im Wettstreit mit den Genossen zu beweisen. Bisweilen prallten die Meinungen über mich auch hart aufeinander. Ich "ließ Federn" und lernte manches hinzu. Die Würdigungen durch den Deutschen Friedensrat und den Nationalrat der Nationalen Front bedeuten mir auch heute noch viel.

Wer sich engagiert, muß immer damit rechnen, irgendwo anzuecken oder auch selbst nicht im Recht zu sein. Die Sorge um den Staat DDR, seine Gestaltung und seinen Bestand unter den harten Bedingungen der Klassenauseinandersetzung verbanden mich mit ehrlichen Freunden und Genossen der SED und der anderen Blockparteien. Als die NDPD - meine politische Heimat, die mir gleichsam Familie war - zerbrach, empfand ich das als schmerzhaft und bedrückend.

Ich habe starrsinnige Funktionäre der SED erlebt, aber auch solche in den eigenen Reihen. Einem ganz und gar "betonköpfigen" Verfechter seiner Alleinherrschaft bin ich zwar nicht begegnet, wohl aber Dogmatikern und Sektierern der verschiedensten Art. Mit zunehmendem Abstand vom "Bild der DDR" werden - wie bei der wiederholten Betrachtung jedes großen Gemäldes - auch dessen Feinheiten immer deutlicher. Manche Vorstellungen, Wege und Handlungen entsprachen nicht den Maßstäben sozialistischer Moral und Ethik. Der Sozialismus war eben so gut oder so schlecht wie seine jeweiligen Gestalter.

Auf deutschem Boden prallten zwei konträre Systeme aufeinander - das eine auf ausgetretenen Wegen, aber mit gewaltigen Potentialen, das andere auf völlig neuen Pfaden, aber mit einer zunächst schwachen ökonomischen Basis und nicht wenigen Menschen, die sich noch im Trauma der Niederlage oder in Trauer um verflossene Zeiten befanden. Unter diesem Knäuel von Widersprüchen, Ängsten und Vorbehalten litt auch mein Verhältnis zur Kirche. Ich habe nur wenige ihrer Amtsträger erlebt - darunter einen Bischof der Methodisten -, die unbefangen und ehrlich mit mir über Sorgen und Veränderungen gesprochen hätten.

Wenn ich heute mit anderen über die vergangene, doch in meiner Erinnerung immer noch sehr gegenwärtige DDR diskutiere, höre ich oft: "Ja, Sie waren ein Glückspilz, ein Ausnahmefall. Die meisten anderen haben das ganz anders erlebt ..."

Dabei drängt sich mir eine Frage auf: Wie konnte die DDR bei all den Schwierigkeiten 40 Jahre bestehen, noch dazu erfolgreich und international anerkannt und das angesichts zunehmender Führungsschwäche im Kreml wie in "obersten Etagen" des eigenen Landes? So viel "Aufpasser" gab es ja wohl nicht, um bei den Bürgern der DDR das selbständige Denken und Handeln zu verdrängen oder gar auszuschalten, wie es so oft in den Mainstream-Medien behauptet wird.

Dr. Wilfried Meißner, Chemnitz
Träger der Fritz-Heckert-Medaille

*

Fritz Heckert und Chemnitz gehören zusammen

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

*

DDR-Pflanzenschutz ohne "chemische Keule"

Bis weit in den Herbst hinein arbeiteten die Beschäftigten in der Landwirtschaft auf Hochtouren. Erste Getreidesorten (Wintergerste) verlangten nach dem Arbeitsgang Drusch, der mittlerweile zur Monokultur mutierte Raps, der im Frühjahr "die Landschaft so schön gelb färbt" (O-Ton Stadtkinder), ebenso. Die ganzen Futtersorten waren dabei: Klee, Lupinen und andere Leckereien wie Mais für die Nutztiere. Am Ende der Erntezeit durften dann die Gemüsebauern ran. Alle Kohlarten - rot wie weiß, Wirsing und Blumenkohl, aber auch Sellerie, Möhren und Gurken - kamen auf Anhänger, um gleich zur verarbeitenden Industrie gebracht oder eingelagert zu werden.

Doch bevor der Landwirt die Ernte einfahren kann, muß er viel dafür tun. Da wird im Vorfeld geackert, gegrubbert und gesät und auf alle Fälle Pflanzenschutz betrieben. Sobald der Mensch auf riesigen Feldern eine bestimmte Pflanzensorte intensiv anbaut, "darf" er diese auch intensiv pflegen und gegen ungebetene Gäste schützen. Neben kleinen Tierchen (Läuse, Tripse, Milben) machen vor allem Unkräuter und Ungräser dem Landwirt zu schaffen. Die unerwünschten Pflanzen sind schneller im Wachstum, verbreiten sich durch Samen oder vegetativ und weisen eine Lebenskraft auf, die oft jene der Kulturpflanzen übersteigt. Eine Ertragsdepression der betreffenden Kulturpflanze ist die Folge. Dem muß nun mit vorbeugenden und mechanischen Maßnahmen entgegengewirkt werden.

Und was macht man, wenn die Landwirtschaft immer mehr Arbeitskräfte verliert und trotzdem intensiv und vorbildlich angebaut werden soll? Die Verantwortlichen setzen von "Blümchenliebhabern" gerne als "chemische Keule" verteufelte Spritzmittel ein, die natürlich immer streng nach Rezepten und Vorschriften gehandhabt werden. Schließlich heißt es in der chemischen Unkrautbekämpfung nach wie vor: Viel hilft nicht viel.

Immer kommt zu dieser Zeit die einschlägige Presse nicht sehr fachlich auf die Anwendung von chemischen Mitteln in der DDR zu sprechen und beschimpft die damaligen Anwender als "Giftmischer".

Schon früh erkannte man in dem kleinen Land, daß die chemischen Unkraut- und Insektenbekämpfungsmittel (Herbizide, Insektizide) einen festen Platz innerhalb der ackerbaulichen Maßnahmen einnehmen müssen. Klarheit bestand von Anfang an darüber, daß all diese Mittel keine Ertragssteigerung bewirken, wohl aber durch Ausschalten der Schädlingskonkurrenz Ertragsdepressionen in den Kulturen verhindern. Damit zum Beispiel die Verunkrautung ökonomisch vertretbar eingeschränkt werden konnte, wurden die Herbizide kostengünstig bereitgestellt. Man kombinierte auf Anraten die von den Chemiekombinaten entwickelten Mittel und beherrschte damit die Schädlingsproblematik an einer bestimmten Stelle. Dafür war in besonderem Maße die chemische Industrie in enger Zusammenarbeit mit den Pflanzenschutzagronomen verantwortlich.

Erlernt wurde der Beruf "Pflanzenschützer" übrigens an der Fachschule "Edwin Hoernle" in Halle und Wettin. Der Absolvent durfte sich als Ingenieur für Agrochemie und Pflanzenschutz bezeichnen. Diese Leute wurden nach dem Studium in den landwirtschaftlichen Betrieben mit Kußhand und eigenem Büro eingestellt oder arbeiteten an der Schnittstelle zwischen der volkseigenen Industrie und den Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) in einem Agrochemischen Zentrum (ACZ). Hier lagen die verschiedenen Mittel als Pulver, Granulat oder Flüssigkeit in riesigen Hallen zur Abholung bereit.

Vom Insektengift Bi 58 bis zu den Herbiziden Trizilin, Simazin und SYS 67 KOMADAM, das im Frühjahr ab dem 5-Blatt-Stadium des Getreides eingesetzt werden sollte. Ein wunderbares Zeug, doch nicht zum Schnupfen geeignet. Die ACZ führten die Spritzarbeiten im Auftrag der LPG selbst durch. So waren nur Fachleute am Werk, die sich mit den Pf lanzenschutzmitteln auskannten, die Rezeptur selbst zusammenstellten und auch über die Auswirkungen informiert waren. Diese "Pflanzenärzte" kümmerten sich weiter um das Erkennen der tierischen und pf lanzlichen Schädlinge und sorgten dafür, daß die Erntekollektive die Karenzzeit einhielten. Zum Einsatz kamen dabei die Feldspritze S 033 und die Sprüh- und Stäubemaschine S 041.

So hätte es noch bis zum Ende aller Tage weitergehen können, wäre nicht die "Wende" gekommen. Noch bis 1992 dokterten viele der etwa 200 ACZ herum und kämpften ums Überleben. Dazu zählte auch, daß man heimlich begann, unheimlich viele Fässer der begehrten Fungizide (gegen Pilzkrankheiten), Herbizide und Insektizide an zahlungskräftige Großbauern aus Bayern, Hessen oder Niedersachsen unter der Hand zu verkaufen. Sportak-45 gegen Halmbruch war begehrt, das schnell gegen Bodenläuse wirkende Wofatox-60 EC ebenso und besonders Trizilin-25, ein stark giftiges Herbizid, das - sachgemäß angewendet - keine Schädigung hervorrief. Doch solches Tun wurde verfolgt, da die in Bitterfeld, Magdeburg, Schwarzheide, Chemnitz und Berlin hergestellten Pflanzenschutzmittel keine Zulassung der Biologischen Bundesanstalt besaßen und auch nie bekommen hätten.

Wenn die Ackerwildkräuter aus dem Boden schossen und es sich die Insekten auf den Kulturpflanzen bequem machten, wurde die ganze Chemie von den "Westbauern" dennoch auf den Feldern versprüht. Der Bauernverband mahnte nach 1992 halbherzig an, doch der Profit steht ja im Kapitalismus bekanntlich immer an erster Stelle.

Nun kommt es noch viel schlimmer und wird trotzdem ignoriert. Viele Nahrungsmittel, ob Milchprodukte, Fisch, Fleisch, Teiglinge für Brötchen, Obst und Gemüse, die wir besonders billig im Supermarkt kaufen wollen, stammen mittlerweile aus China. Und in diesem großen, schwer zu überblickenden Land gilt das Pflanzenschutzmittelgesetz der EU natürlich nicht. Wie sollte es auch, es ist ja Asien! Was in Deutschland, früher auch in der DDR, als hoch toxisch eingestuft wurde, ist derzeit im Reich der Mitte erlaubt. Dort sind mehr als 27.000 Pestizide zugelassen (in der BRD etwa 1000), von denen 1,5 Millionen Tonnen im Jahr versprüht werden. Egal, sagen sich die Konzerne, auch wenn viele der Mittel Krebs und Gehirnerkrankungen zur Folge haben, und holen die Produkte preisgünstig nach Deutschland.

Wenn wieder jemand à la Gauck auf die angeblich so vergiftete DDR schimpft, sollte man ihn mit der Wahrheit konfrontieren.

Thomas Behlert, Gotha

*

Die Katze beißt sich in den Schwanz

Warum das Überangebot im Kapitalismus niemandem nützt

Darin, daß der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte sein kann, sind sich nicht nur die marxistisch geprägten Linken einig. Stets wird dabei auf die Grundübel der heutigen Gesellschaft wie hohe Arbeitslosigkeit und die sich ständig vertiefende Kluft zwischen Arm und Reich verwiesen. Seit etlichen Jahren ist von grassierenden Krisen die Rede, die nur noch temporär oder lokal unterbrochen werden. Hinzu kommen Aggressionen ohne Ende, welche die Gefahr eines 3. Weltkrieges verschärfen.

Auch bei engstens mit der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung", also der kapitalistischen Gesellschaft, verbundenen Ökonomen rufen diese Grundübel Furcht und Mißbehagen hervor. Ganze Heerscharen von Wirtschaftsgurus, darunter nicht wenige Nobelpreisträger, bemühen sich seit Jahrzehnten um Lösungen, ohne Alternativen in Aussicht stellen zu können. Werden entsprechende Angebote unterbreitet, so beschränken sie sich mehr oder weniger auf allgemeine Appelle, mehr Gerechtigkeit walten zu lassen, den Reichtum umzuverteilen und eine straffere staatliche Kontrolle auszuüben. Stets gehen sie von kapitalistischen Eigentumsverhältnissen aus.

Ich betrachte demgegenüber gerade diese gesellschaftlichen Strukturen als die tiefere Ursache für die erwähnten Grundübel, die unter solchen Verhältnissen unvermeidbar sind.

Die Marxsche Lehre von der Politischen Ökonomie des Kapitalismus beruht auf der Erkenntnis, daß Anarchie und Planlosigkeit der Produktion gesetzmäßige Erscheinungen kapitalistischen Wirtschaftens sind. Es muß schon sehr verwundern, daß selbst Ökonomen, die heute noch in der PDL wortführend sind und diese Lehre nicht nur studiert, sondern sogar auf Kathedern vertreten haben, das offenbar völlig aus dem Blickfeld verloren zu haben scheinen.

Der Sachverhalt besteht darin, daß die einzelnen Unternehmen jeweils isoliert produzieren und erst über den Markt in Beziehung zueinander treten. Diese Art der Kontaktaufnahme erweist sich als sehr stabil sowie produktivitäts- und kreativitätsfördernd, was ohne straffe, planvolle innerbetriebliche Organisation nicht denkbar wäre. Das ist die mikroökonomische Ebene - das wirtschaftliche Fundament des kapitalistischen Systems. Über diesem erhebt sich jedoch ein entsprechender Überbau - die makroökonomische Ebene. Sie besteht aus einem Geflecht von Folgewirkungen, die volkswirtschaftliche Dimension erreichen und die verschiedensten gesellschaftlichen Bereiche tangieren. Konkreter: Die Einzelunternehmen können für sich durchaus vernünftige Entscheidungen treffen, vermögen aber deren Resultate nicht bis in die letzte Konsequenz zu überblicken. Das führt zu ungewollten, unkontrollierbaren, also praktisch kaum beherrschbaren volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen "Fernwirkungen", aus denen sich die oben genannten Grundübel herleiten.

Die Ursache für dieses Auseinanderklaffen von bewußten Entscheidungen und ungewollten Ergebnissen liegt darin, daß die einzelunternehmerischen Weichenstellungen in doppelter Hinsicht eng begrenzt sind. Erstens werden Beschlüsse ausschließlich nach rein ökonomischen Maßstäben und aus unternehmerischer Sicht, also profitorientiert, getroffen. Soziale, ökologische, humanitäre und andere Erfordernisse stehen in der Regel der Profitmaximierung entgegen und werden höchstens unter massivem äußerem Druck berücksichtigt. Zweitens sind die einzelnen Kapitalisten auch gar nicht dazu in der Lage, die ganze Komplexität volkswirtschaftlicher Verflechtungen zu überblicken, selbst wenn man ihnen hohe Sachkunde und entwickelte Organisationsfähigkeiten unterstellt. Ihnen fehlen dafür die notwendigen Informationen. Und selbst wenn sie diese hätten, würden sie wohl kaum ihren Profitinteressen entsprechen und sie zu weitsichtigerem Handeln veranlassen.

Jeder Unternehmer versucht zum Zweck der eigenen Profitmaximierung, die Kosten - darunter auch die Lohnkosten - so niedrig wie möglich zu halten oder gar abzusenken. Zu deren Reduzierung werden verschiedene legale und illegale Möglichkeiten ausgenutzt. Zu ihnen gehört, daß sich mit jeder Maßnahme zur Steigerung der Arbeitsproduktivität zwar der Produktionsausstoß erhöht, dies aber nicht in gleichem Maße auf die gezahlten Löhne und Gehälter zutrifft. Was sinkt, sind in jedem Falle die Lohnstückkosten. Da Löhne aber nicht nur ein Kostenfaktor für den Produzenten, sondern zugleich auch ein Nachfragefaktor in der Sphäre der Konsumtion sind, entsteht ein unvermeidbarer Widerspruch: Eine steigende Angebotsmenge, die zur Verfügung gestellt werden könnte, erweist sich als nicht absetzbar, weil sich die Binnennachfrage im Ergebnis der "Lohndrückerei" nicht in gleichem Maße entwickelt. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Aus dem Geschilderten ergibt sich mit einer gewissen Zwangsläufigkeit das "Phänomen" ständiger Arbeitslosigkeit im Kapitalismus. Dieser bremst sich sozusagen selbst aus. Gleichzeitig erscheint (zumindest optisch) ein frappierendes Überangebot an Waren und Leistungen. Dieses nützt indes einem wachsenden Anteil der Bevölkerung überhaupt nichts, weil dessen finanzielle Lage die Möglichkeit eines entsprechenden Zugriffs ausschließt.

Im Kapitalismus befindet sich praktisch jeder einzelne Kapitalist in einer ständigen Konkurrenzsituation zu anderen Kapitalisten. Er versucht natürlich, seine Marktkontrahenten zu verdrängen und muß andererseits ständig befürchten, selbst aus dem Feld geschlagen zu werden. Bei dem dabei entstehenden Gerangel um die besten Marktpositionen - denken wir nur an den Immobiliensektor - versucht jeder Konkurrent, so schnell und so viel wie möglich Kapital in die als profitabel erkannte Anlagemöglichkeit zu stecken. Das Ergebnis besteht - wie bereits geschildert -in einer raschen Übersättigung. Und wenn von den einzelnen Kapitalisten irgendwann erkannt wird, daß sich die angestrebte Profitabilität nicht erreichen läßt, beginnt eine geradezu panische Flucht aus diesem Markt, um so viel wie möglich zu retten.

Dies ist - auf eine Kurzformel gebracht - der unvermeidliche Entstehungsmechanismus von Krisen im Kapitalismus. Aus diesem Grunde haben wir zu DDR-Zeiten in der Vermittlung der Lehre von der Politischen Ökonomie des Kapitalismus stets auf den Zusammenhang von Anarchie und Konkurrenz verwiesen. Erinnern sich da ältere Leser nicht an früher bereits Vernommenes?

Dr. Peter Elz, Königs Wusterhausen

*

Über echte und faule Kompromisse

Die Einwände Herbert Meißners gegen Ingo Wagners Bewertung der Partei Die Linke im Oktober-RF sind ohne Zweifel zur Unterstützung einer tatsächlich linken Politik entsprechender Kräfte in der PDL von nicht geringer Bedeutung.

Einige Bemerkungen zum Disput der beiden marxistischen Professoren. Der Vorwurf Herbert Meißners, daß Ingo Wagner pauschal von PDS und PDL ohne Berücksichtigung marxistischer Plattformen und Gruppen in der Partei spreche, ist angesichts der Tatsache zu relativieren, daß die linke und die rechte Grundlinie im Programm durchaus benannt sind. Die Argumente gegen Wagners These, das Erfurter Programm sei ein Kompromißpapier "mit Zügen einer gabelartigen Verzweigung", bedürfen aus meiner Sicht einer Ergänzung: Die Tatsache, daß das Programm antikapitalistische, sozialpolitische und vor allem friedenspolitische Positionen enthält, ist ohne Zweifel der Wirksamkeit marxistischer Kräfte in den Reihen der PDL zu verdanken. Nur muß zugleich auch gesagt werden, daß die reformistischen Positionen gegenüber dem Programm von 1993 quantitativ und qualitativ an Gewicht zugenommen haben. Der Einfluß der Reformer gegenüber den Vertretern marxistischer Auffassungen ist in der Partei weiter gewachsen, was dazu geführt hat, daß die Anhänger des rechten Flügels die Erfurter Fassung des Programms nicht ernst nehmen. Bei ihren Bemühungen um Regierungsfähigkeit geben sie unverhohlen selbst elementarste Grundsätze preis. Ihre politischen Bekenntnisse und Anschlußbekundungen gelten einer SPD, die spätestens seit Bad Godesberg und Hamburg keine sozialdemokratische Partei mehr ist.

Die Bezugnahme des Genossen Meißner auf die Bemerkung des Genossen Wagner, beim Programm der PDL handele es sich um einen Kompromiß zwischen zwei konzeptionellen Grundlinien, den Lenin als unerläßliches Element jeglicher Politik bezeichnet habe, sollte ebenfalls eine Ergänzung erfahren. Der Hinweis auf Lenin erfordert aus meiner Sicht einige prinzipielle Bemerkungen. Jeder Kompromiß ist eine Vereinbarung auf der Basis von Zugeständnissen beider Seiten, wobei die Absicht unterstellt werden muß, daß diese gleichermaßen Nutzen aus dem Vereinbarten ziehen.

Allerdings wird der Kompromiß-Begriff auch bei Lenin bisweilen im Sinne stärker ausgeprägter einseitiger Zugeständnisse gebraucht. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß die entscheidenden innerparteilichen Kompromisse der PDL dadurch charakterisiert waren, daß der Rückgang bei der Bundestagswahl 2002 wohl recht bewußt in Kauf genommen worden ist. Es ging um die Ernsthaftigkeit des gegenüber der SPD abgegebenen Bekenntnisses zu deren Innen- und Außenpolitik. Die Parteispitze wollte sich andererseits einer Bundestagsfraktion entledigen, die wegen ihres hohen Anteils an marxistisch gebildeten Genossen nicht genügend reformerkonform war. Aufgrund des massiven Stimmenrückgangs heftig kritisierte Funktionäre kehrten schon bald auf ihre Führungsposten zurück, während die kritischsten Geister ausschieden.

Nachdem der das PDL-Establishment schockierende Wiederaufstieg der Partei unter Oskar Lafontaine zu einem spektakulären Wahlerfolg geführt hatte, wurde der "linkssozialistischen Euphorie" der Kampf angesagt. Ohne Skrupel mobbte man den Parteivorsitzenden, weil er "die Annäherung an die SPD" behindere - ein Vorgang, der bei der Bundestagswahl 2013 mit dem Verlust von 30 % der Stimmen bestraft wurde. Mit dem Parteiprogramm 2011 war tatsächlich ein gegenüber der bis dahin gültigen Linie verändertes Papier mit zwei entgegengesetzten Zielstellungen - einer reformistischen und einer sozialistischen - verabschiedet worden.

Ich bin der Meinung, daß die bisher geschlossenen "Kompromisse" eher auf eine Stärkung der Reformerseite hinausliefen, also aus marxistischer Sicht "faule Kompromisse" waren.

2015 hat der Bielefelder Parteitag diese Linie pauschal bestätigt. Der Leitantrag und die Parteitagsregie waren ebenso vorgegeben wie Versuche, eine sozialistische Europapolitik zu verhindern. Daß Gregor Gysi seine "Ein-Mann-Show" zur Verkündung des Rücktritts als Fraktionsvorsitzender darbot, erfolgte - neben persönlichen Motiven - wohl vor allem auch in der Absicht, ein paar Pflöcke für ein künftiges Zusammengehen der PDL mit der SPD und den Grünen zu setzen. Der bisherige Fraktionsvorsitzende wollte das mögliche Scheitern seines Lebenstraumes vom Mitregieren offensichtlich nicht mehr in einer Führungsposition miterleben.

Das markanteste Beispiel für die Funktionsweise der bisher praktizierten innerparteilichen "Kompromißpolitik" ist aus meiner Sicht der Fall Wolfgang Nescovic. Der PDL-Bundestagsabgeordnete aus der Lausitz mit sicherer Chance, 2013 erneut ein Direktmandat zu erringen, mußte offenbar wegen seiner Kritik an der Demontage des Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine weichen. Allerdings war er auch gegen die prinzipienlose Koalitionspolitik des Brandenburger Landesvorstandes aufgetreten. Mit ihm verlor die Partei ein Mandat und die Fraktion einen klugen und integren Abgeordneten.

Erfreulicherweise gibt es in der PDL neben jenen, welche die bisherige Kompromißpolitik fortsetzen wollen, inzwischen auch den durch die Leipziger Genossen um Volker Külow gegründeten Karl-Liebknecht-Kreis. Von ihm erging der dringende Appell an die PDL-Mitglieder, den "Reformern" mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten und sie an ihren parteizerstörerischen Absichten zu hindern. Deshalb muß unser Handeln - aus meiner Sicht - vor allem darauf gerichtet sein, diesem Gremium im Kampf gegen die Liquidatoren einer konsequent linken Partei jede mögliche Hilfe zu erweisen.

Rücksichtnahme und diplomatisches Feingefühl gegenüber Leuten, die mit der Erfindung angeblich egalitärer, libertärer, postmoderner und sonstiger Sozialismen samt ihrer "Transformationstheorie" den PDL-Mitgliedern und -Anhängern die ideologische Orientierung zu nehmen suchen, sind fehl am Platze.

Reiner Hofmann, Panketal

*

Medien als Erfüllungsgehilfen der Politik

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

*

Von den Anfängen des demokratischen Rundfunks

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

*

RF-Extra
Vom aufrechten Sozialdemokraten und KPD-Mitbegründer zum Präsidenten der DDR
Vor 140 Jahren wurde Wilhelm Pieck geboren

Am 3. Januar 1876 wurde Wilhelm Pieck als Sohn des Kutschers Friedrich Pieck und seiner Frau Auguste in Guben geboren. Bereits zwei Jahre später starb seine Mutter. Der Vater heiratete bald darauf die Wäscherin Wilhelmine Bahro. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte der junge Wilhelm eine vierjährige Tischlerlehre. Als Geselle schloß er sich 1894 dem Deutschen Holzarbeiterverband an. In die SPD trat er am 1. Juli 1895 ein. Von 1896 bis 1906 arbeitete Wilhelm Pieck in seinem Beruf in Bremen, wo er 1898 die Schneiderin Christine Häfker heiratete. Aus der Ehe gingen die Kinder Elly, Arthur und Eleonore hervor.

Auf dem Parteitag der SPD, der 1904 in Bremen zusammentrat, lernte der junge Genosse Clara Zetkin und August Bebel kennen. Von 1905 bis 1910 gehörte Wilhelm Pieck der Bremer Bürgerschaft an. Bis zu diesem Jahr war er seit 1906 hauptamtlicher Sekretär der SPD in Bremen und Vorsitzender ihres Bildungsausschusses. Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Karl Liebknecht folgten seiner Einladung zu Vorträgen in der Hansestadt.

Während eines Halbjahreslehrganges an der Zentralen Parteischule der SPD in Berlin (1907/08) hörte er Vorlesungen von Rosa Luxemburg und Franz Mehring. 1908 verteidigte er als Delegierter des Nürnberger SPD-Parteitags den 1. Mai als Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse gegen Revisionisten, die ihn abschaffen wollten. Im März 1910 wurde Wilhelm Pieck vom Parteivorstand der SPD zum 2. Sekretär ihres Zentralen Bildungsausschusses und Sekretär der Zentralen Parteischule berufen. Dort arbeitete er eng mit Franz Mehring und Hermann Duncker zusammen.

Die Zustimmung der SPD-Reichstagsfraktion zu den Kriegskrediten am 4. August 1914 sowie das analoge Verhalten sozialdemokratischer Führungen anderer Länder bedeutete das Ende der II. Internationale. Wilhelm Pieck unterstützte den Zusammenschluß der SPDLinken gegen die "Vaterlandsverteidiger" in der Parteiführung. Karl Liebknechts Flugblatt "Der Hauptfeind steht im eigenen Land" wurde zu einer der Losungen der Gruppe "Internationale". Gemeinsam mit anderen Genossen organisierte er im Mai 1915 eine Friedenskundgebung vor dem Reichstag. Wilhelm Pieck wurde festgenommen und blieb für einige Monate in "Schutzhaft". Noch am Entlassungstag erhielt er den Einberufungsbefehl zur kaiserlichen Armee. 1917 stellte man ihn wegen Antikriegspropaganda vor ein Militärgericht.

Auf dem Transport zur Front konnte er entweichen. Seitdem setzte Wilhelm Pieck den Widerstand gegen den Krieg illegal fort. Im Februar 1918 ging er auf Beschluß der Spartakusgruppe mit seinem Sohn Arthur nach Amsterdam, um die Herausgabe der Wochenzeitung "Der Kampf" zu unterstützen. Unüberwindbare Differenzen zwischen dem Spartakusbund und der USPD-Führung endeten in der Trennung beider Organisationen.

Für den 30. Dezember 1918 und den 1. Januar 1919 berief der Spartakusbund den Gründungsparteitag der KPD nach Berlin ein. Zu den Leitern dieser historischen Tagung gehörte Wilhelm Pieck. Der Beginn des Wirkens der KPD wurde von der Ermordung Rosa Luxemburgs, Karl Liebknechts und vieler weiterer Revolutionäre durch eine dem Volksbeauftragten Gustav Noske (SPD) gehorchende weiße Soldateska überschattet.

Die Formierung der KPD war die erste große Lehre der klassenbewußten Arbeiterschaft aus der gescheiterten deutschen Novemberrevolution. "Wir sind wieder bei Marx!", stellte Rosa Luxemburg damals fest.

Zu einem Höhepunkt in der revolutionären Nachkriegskrise wurde die Vereinigung der KPD mit der USPD (Linke) im Dezember 1920. Seitens der KPD bereitete sie Wilhelm Pieck mit vor. Zu den neuen Parteimitgliedern gehörte auch Ernst Thälmann. Die KPD entwickelte sich im Verlauf der nächsten Jahre nach Veränderungen in ihrer Führung zur revolutionären Massenpartei.

Während der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahre nahmen die Klassenkämpfe auch in Deutschland an Schärfe zu. Das Finanzkapital suchte einen Ausweg im Faschismus und lieferte der NSDAP Hitlers am 30. Januar 1933 die politische Macht aus. Die in KPD, SPD und unterschiedliche Gewerkschaften gespaltene deutsche Arbeiterklasse war außerstande, die eigene Niederlage zu verhindern. Die Kommunistische Internationale (Komintern) führte vom 5. Juli bis zum 20. August 1935 in Moskau ihren VII. Weltkongreß durch. Dort zitierte Georgi Dimitroff den finnischen Kommunisten Otto Kuusinen: "Der Faschismus an der Macht ­... ist die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals."

Im Rechenschaftsbericht des Exekutivkomitees (EKKI), den Wilhelm Pieck vortrug, hieß es: "In Deutschland errichten die am meisten reaktionären, chauvinistischen und nationalistischen Elemente des Finanzkapitals die faschistische Diktatur. Sie propagieren den 'Mythos des Blutes und der Ehre', die 'Rassentheorie' des kriegslüsternen deutschen Imperialismus. Sie predigen den Kreuzzug gegen die Sowjetunion und zur Ausrottung des Marxismus in der ganzen Welt."

Wilhelm Pieck setzte sich auch mit dem Sektierertum in der KPD auseinander, das sie im Streben nach antifaschistischer Einheits- und Volksfront behindere. Er wies darauf hin, daß der Kampf für den Sturz des Faschismus nicht unter den Losungen der Diktatur des Proletariats und der sozialistischen Revolution geführt werden könne und hob hervor: "Da die Volksmassen weder für die Diktatur des Proletariats noch für den Sozialismus zu kämpfen bereit sind, ist eine antifaschistisch-demokratische Regierung der Einheits- beziehungsweise der Volksfront anzustreben."

Am 1. Dezember 1936 starb Wilhelm Piecks Lebensgefährtin Christine in Moskau an einer Lungenentzündung. Ihr Tod berührte dem Verwitweten tief, und er suchte seinen Schmerz durch unermüdliche Arbeit für die Partei zu beherrschen. Der bewährte proletarische Revolutionär beschäftigte sich in jener Zeit nicht wenig mit Fragen der Theorie. Aufschlußreich war für ihn neben der Lektüre des "Kommunistischen Manifests" von Marx und Engels vor allem auch die Analyse der beiden russischen Revolutionen des Jahres 1917 durch Lenin. Intensiv beschäftigte er sich mit dessen Arbeit "Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution". Er verglich die historischen Prozesse jener Zeit mit den Kämpfen und politischen Zielstellungen der antifaschistischen Einheitsfront und der Volksfront.

Im Oktober 1944 beriet das ZK der KPD das Kampfprogramm der Partei für die Beendigung des Krieges, den Frieden und die Schaffung eines neuen freien Deutschlands. Mit dem Sieg der Antihitlerkoalition ergaben sich 1945 Möglichkeiten einer antifaschistisch-demokratischen Entwicklung. Mit Befehl Nr. 2 gestattete die SMAD die Zulassung entsprechender Parteien. Am 11. Juni wandte sich die KPD als erste Partei mit einem Aufruf an das schaffende deutsche Volk. Sie konkretisierte darin ihre von den Parteikonferenzen der Jahre 1935 und 1939 Der historische Händedruck von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl beim Vereinigungsparteitag im April 1946 sowie von der Gründungskonferenz des Nationalkomitees Freies Deutschland im Juli 1943 beschlossenen Grundsätze.

Der KPD-Aufruf vom 11. Juni 1945 gab eine politische Orientierung für Sofortmaßnahmen und die weitere Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone. Er wies den Weg des Herankommens der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten an die politische Macht und die sozialistische Revolution. Gefordert wurde die Enteignung des gesamten Vermögens der aktiven Faschisten und Nazi-Kriegsverbrecher. Die demokratische Bodenreform war die erste sozialökonomische Umwälzung, welche die Arbeiterklasse und der Block der antifaschistisch-demokratischen Parteien Deutschlands gemeinsam vollbrachten. Sie bildete den Auftakt zu fundamentalen gesellschaftlichen Umgestaltungen im Osten des Landes.

Bereits am 9. November 1945 hatte Wilhelm Pieck im Berliner Friedrichstadtpalast dazu aufgerufen, die von der internationalen Arbeiterbewegung gesammelten geschichtlichen Erfahrungen und vor allem jene der Oktoberrevolution zu beherzigen. Angesichts der Lage fordere die KPD: "... jetzt mit allem Nachdruck, daß sich Kommunisten und Sozialdemokraten ernsthaft mit der Frage beschäftigen ..., wann sie sich zu einer einheitlichen deutschen Arbeiterpartei zusammenschließen. Wir wollen, wenn Wahlen stattfinden werden, in diese als einheitliche Kraft gehen, nicht gegeneinander, sondern miteinander."

Schon am 20. und 21. Dezember fand eine erste gemeinsame "60er-Konferenz" mit jeweils 30 Vertretern beider Parteien statt. Otto Grotewohl sprach dort zur Notwendigkeit der Vereinigung von KPD und SPD. Wilhelm Pieck hob die große nationale Verantwortung der Arbeiterklasse gegenüber dem ganzen deutschen Volk hervor. Die Tagung empfahl, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands zu schaffen. Zu deren Wesenszügen sollten gehören: ihr Klassencharakter als Partei der Arbeiter und der Werktätigen, der sozialistische Internationalismus und die strikte Ablehnung antisowjetischer Hetze. Am 26. Februar 1946 trat die zweite "60er-Konferenz" zusammen. Sie bestätigte den Entwurf der "Grundsätze und Ziele" und stellte ihn der Mitgliedschaft beider Parteien vor. Nach dem 15. Parteitag der KPD und dem 40. Parteitag der SPD vereinigten sich am 21./22. April 1946 die beiden Arbeiterparteien in der Sowjetischen Besatzungszone zur SED. Der konstituierende Vereinigungsparteitag beschloß die "Grundsätze und Ziele", ein "Manifest an das deutsche Volk" und das Statut. In den Parteivorstand wurden 80 Mitglieder, darunter 20 aus den Westzonen, gewählt. Zu gleichberechtigten Parteivorsitzenden wurden Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl bestimmt.

Ein weiterer Höhepunkt jener Zeit war der Volksentscheid über die Enteignung der Nazi- und Kriegsverbrecher, der am 30. Juni 1946 in Sachsen stattfand. Er wurde durch die SED im Einvernehmen mit den antifaschistisch-demokratischen Parteien vorbereitet und durchgeführt. Die Entscheidung in Sachsen, der 77,6 % der Bevölkerung zustimmten, wurde für die anderen Länder der SBZ richtungweisend. Die evangelische und die katholische Kirche bejahten das Ergebnis. Sie gaben auch ihre Zustimmung zum Gesetz über die Übergabe von Betrieben der Nazi- und Kriegsverbrecher in das Eigentum des Volkes. Nach Beginn der Außenministerkonferenz der Siegermächte in London (25.11.-15.12.1947) trat am 26. November 1947 der SED-Parteivorstand zusammen. Er beschloß den "Aufruf zu einem deutschen Volkskongreß für Einheit und gerechten Frieden". Die Bevölkerung der SBZ unterstützte mit deutlicher Mehrheit das Vorhaben, sich an die Siegermächte mit dem Anliegen zu wenden, dem deutschen Volk ein Leben in Einheit und Frieden zu ermöglichen.

Die westlichen Besatzungsmächte und die bürgerlichen Parteien in ihrem Kontrollbereich ignorierten das Projekt. Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl versuchten daraufhin, in Gesprächen und auf Kundgebungen in den Westzonen eine dem Einheits- und Friedensstreben großer Teile der Bevölkerung gegenüber aufgeschlossene Haltung zu erreichen. Die Westmächte und deren deutsche Verwaltungsorgane beschleunigten indes die Spaltungspolitik durch Zusammenlegung ihrer Zonen, die Durchführung einer separaten Währungsreform sowie die Vorbereitung eines "Grundgesetzes" für ihren Bereich. Es wurde am 8. Mai 1949 vom Parlamentarischen Rat beschlossen.

Angesichts der akuten Gefahr einer dauerhaften Spaltung Deutschlands durch die imperialistischen Mächte wurde 1948 auf Initiative des II. Deutschen Volkskongresses zu einem Volksbegehren für Einheit und gerechten Frieden aufgerufen. Dieses gestaltete sich zu einer machtvollen Willensbekundung gegen die imperialistische Spaltungspolitik und für eine einheitliche deutsche demokratische Republik.

Die Errichtung des westdeutschen Separatstaates im September 1949 erfolgte unter Mißachtung der nationalen Interessen des deutschen Volkes und Bruch der Festlegungen der Antihitlerkoalition. Angesichts dieser Entwicklung wurde es notwendig, auf dem Territorium der Sowjetischen Besatzungszone einen eigenen deutschen Staat zu bilden. Zum Präsidenten der Provisorischen Volkskammer der DDR wurde Johannes Dieckmann (LDP), zum Ministerpräsidenten Otto Grotewohl gewählt. Die Verfassung der DDR trat in Kraft. Die Provisorische Volks- und die Provisorische Länderkammer wählten am 11. Oktober 1949 in gemeinsamer Sitzung Wilhelm Pieck einstimmig zum Präsidenten der DDR.

Zur Konstituierung der DDR und der Berufung Wilhelm Piecks trafen Glückwünsche aus vielen Ländern ein. Zu den Gratulanten gehörten so herausragende Persönlichkeiten wie Heinrich Mann und Lion Feuchtwanger. Hervorzuheben ist die Grußbotschaft J.W. Stalins, der die Gründung der DDR als einen "Wendepunkt in der Geschichte Europas" bezeichnete. Wilhelm Pieck war bis zu seinem Tode am 7. September 1960 Präsident der DDR. Er vereinte in sich den klassenbewußten deutschen Arbeiter und Kommunisten mit dem Patrioten und Internationalisten. Die ihn charakterisierende Bescheidenheit, menschliche Wärme und Weisheit begeisterten Millionen Menschen. Mit seinem unermüdlichen Wirken und seiner großen Ausstrahlung trug er ganz wesentlich zum Aufstieg des deutschen Friedensstaates bei.

Dr. Ehrenfried Pößneck, Dresden

*

Kein Grund zu verzweifeln

Ende November hatten wir im Rüdersdorfer Kulturhaus ein schönes Erlebnis. Die Ballettschule "Balance" lud zum getanzten Märchen "Die Schneekönigin" mit Ballettstunde ein. Dieser Kulturpalast wurde einst auf Anregung Wilhelm Piecks gebaut. Dort traten die verschiedensten Kulturgruppen der DDR auf.

Doch auch dieser Abend war großartig - sowohl für die Kinder und jugendlichen Akteure als auch für deren Eltern und Verwandte, die auf ihren talentierten Nachwuchs stolz waren.

In der Pause verließ ich den etwas heruntergekommenen, aber noch immer schönen Saal durch eine Seitentür. Hinter einem sorgfältig geschmückten Christbaum hatte man die Bronzebüste Wilhelm Piecks nahezu verborgen. Die Kinder wissen heute nicht mehr, wer dieser große Politiker und Staatsmann gewesen ist. Ich aber ging noch einmal hin und berührte leicht die Skulptur des verehrten Genossen. Der schien zu lächeln, väterlich und verständnisvoll. Ich meinte ihn sagen zu hören: "Kein Grund zu verzweifeln, Grund zu kämpfen"!

Erhard Otte, Ehrenfriedersdorf

*

Was aus zerronnenen Hoffnungen wurde
"Wir waren so bescheuert zu glauben, Einheit sei Westdeutschland plus DDR"

Liebe besorgte Bürgerinnen und Bürger! Wie viele von Euch bin ich männlich, mittleren Alters, Ostdeutscher, habe eine Familie und einen Kleingarten. Einen Hund haben wir auch.

Früher, in der DDR, fand ich vieles schlecht genug, um mich der Friedens- und Ökologiebewegung der evangelischen Kirche anzuschließen. So ganz schlecht erschien mir die DDR dann aber doch nicht, außerdem war ihr Ende lange nicht abzusehen. So habe ich andererseits auch mitgemacht, beispielsweise in der FDJ.

Der Untergang der DDR hat mich dann auch sehr traurig gemacht - und zwar gerade wegen der neu gewonnenen Freiheit. Ich fand, Freiheit und Sozialismus seien eine schöne Kombination. Die meisten von uns sahen das aber deutlich anders.

Ich kann mich noch ziemlich gut an die Nacht zur Währungsunion erinnern - an die Autokorsos und die Schlange vor der Filiale der Deutschen Bank am Alexanderplatz in der großen Stadt Berlin, in die ich inzwischen gezogen war; an Menschen, die Geldscheine küßten, an Jubel und Alkohol. Ich habe mich damals ein bißchen, ja eigentlich ziemlich doll für uns geschämt, und dafür, daß wir uns unsere Revolte so billig haben abkaufen lassen. "Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh'n wir zu ihr." Das waren so Sprechchöre auf den Demonstrationen, als das Demonstrieren nichts mehr kostete. Habt Ihr auch noch die Fernsehbilder aus der Prager Botschaft und vom Treck der zu Fuß über die ungarische Grenze Flüchtenden vor Augen? Ein bißchen gleichen die Bilder denen von der Balkanroute, findet Ihr nicht auch?

Dann kamen nach der schnellen Vereinigung die 90er Jahre - und da war vielen von uns nicht mehr nach Jubeln zumute. Massenhaft schlossen Betriebe; Versicherungsfuzzis, Otto-Kataloge und Lockangebote zu Butterfahrten überschwemmten die ostdeutschen Provinzen. Die zweite, dritte und vierte "Garde" der westdeutschen Gesellschaft, also all jene, die drüben nichts geworden waren und die Buschzulage reizvoll fanden, kamen herüber und erklärten uns ihre Welt, die nun auch die unsere werden sollte. So hatten wir das ja durch Wahlen zum Ausdruck gebracht.

Damals sind dann Sprüche entstanden wie "Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm, beim Wessi ist es andersrum". Auch der Begriff des "Besserwessis" tauchte auf. Das war dann so unsere Art, dem verletzten Stolz Ausdruck zu geben, unsere Faust in der Tasche zu ballen. Es war schon eine blöde Situation. Erst haben "wir" dem Kohl zugejubelt und die Einheit geradezu herbeigenötigt, um dann festzustellen, wie bescheuert wir waren zu glauben, Einheit, das sei Westdeutschland plus DDR. Aber da kamen wir nun nicht mehr raus. Und da wir die Schuld für unsere Lage nicht uns selbst geben wollten, begannen wir, uns betrogen zu fühlen, empfanden uns als Menschen zweiter Klasse und irgendwie als Verlierer der Geschichte. Dabei hatten wir doch gerade erst das angeblich Größte - die Freiheit - gewonnen. Aber wenn Freiheit darin bestand, neidvoll und arbeitslos die Autos der anderen zu bestaunen und zu Hause Furchen in den Teppich zu ziehen, dann machte uns das irgendwann doch ziemlich wütend. Schließlich wollten wir in unserer Würde und unseren Leistungen auch anerkannt werden. Daraus wurde aber nichts.

Einige von uns meinten dann, Asylbewerberheime anzuzünden würde uns weiterbringen, uns zu mehr Aufmerksamkeit oder mehr Wohlstand verhelfen. Sie hatten die ziemlich dumme Idee, wenn die "Fitschis" und "Neger" weg wären, würde alles gut. Das Geld, das jene erhielten, bekämen dann wir. Das Ergebnis aber war ein anderes. Wir wurden - mal abgesehen von toten und traumatisierten Zuwanderern - ein weiteres Mal stigmatisiert. Die Ostdeutschen nahm man nun als hinterwäldlerische Dumpfbacken wahr, als Psychowracks des Kommunismus, die man im Kindergarten zu früh getopft hatte. Es machte sich die These breit, wir würden nun mit denen fremdeln, weil wir in unserem Sozialgehege DDR zu wenig Kontakt mit Ausländern gehabt hätten. Im Westen gab es ja auch brennende Unterkünfte. Aber dafür wurde nicht die Westsozialisation verantwortlich gemacht. Dort galt das schlicht als Delikt, bei uns als "diktaturbedingte Deformation".

Warum schreibe ich Euch das alles?

Ich kann den Frust verstehen, als "Ossi" nicht anerkannt worden zu sein, sich in seinen Hoffnungen betrogen zu fühlen und zu merken, daß das Leben zu kurz ist, um noch alle Erwartungen wahr werden zu lassen. Ich kann verstehen, wenn manche spüren, daß sie nicht noch eine grundstürzende Änderung in ihrem Leben wollen, daß sie genug Wandel ertragen haben.

Und wahrscheinlich haben alle recht, die annehmen, daß die Kosten, welche die Integration der Geflüchteten zunächst einmal auf jeden Fall verursacht, sicher nicht von den oberen Zehntausend, sondern von den unteren 90 % getragen werden dürften. Daß der berühmte kleine Mann zur Kasse gebeten oder jedenfalls der Kuchen nicht größer wird, aber die Zahl der Esser zunimmt. Und wenn man eh schon denkt, man käme irgendwie zu kurz, dann wird man eben wütend und will das auch artikulieren dürfen.

Es gibt aber auch ein paar Sachen, die ich nicht verstehe. Zum Beispiel wird der Kuchen seit Jahrzehnten in Wirklichkeit jedes Jahr größer, und Ihr bekommt auch ohne Flüchtlinge nichts davon ab. Ist Euch das noch nie aufgefallen?

Als sie die Rente mit 67 einführten, die ja in Wahrheit eine riesige Rentenkürzung ist und Millionen von Armutsrentnern produziert, hat es keine Massenproteste gegeben. Habt Ihr schon mal mitbekommen, daß die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, ganz ohne Flüchtlinge?

Die meisten von uns sind Atheisten, und trotzdem quatschen Pegida und AfD immer von den christlichen Werten des Abendlandes. Was meinen die, und was meint Ihr damit? Etwa den Satz von Jesus: "Was ihr den geringsten meiner Brüder tut, das tut ihr mir?" Doch wohl eher nicht.

Ich will nämlich nicht glauben, daß Ihr einfach nur Rassisten seid, daß Ihr tatsächlich der Meinung seid, die deutsche Kultur stehe irgendwie über der syrischen oder arabischen oder muslimischen, wie immer Ihr das auch nennt. Ich kann nicht glauben, daß Ihr ernsthaft Angst vor "vergewaltigenden Arabern" habt.

Glaubt Ihr wirklich, wir Deutschen wären irgendwie wertvollere Menschen, wir hätten uns unseren Wohlstand durch harte Arbeit verdient?

Glaubt Ihr wirklich, mit dem glücklichen Zufall der mitteleuropäischen Niederkunft und der Hautfarbe unserer Mütter verbinde sich ein dauerhaftes Besitzstandsrecht auf Boden und Ressourcenverbrauch, einschließlich Ressourcenkriegen und Putschen in rohstoffreichen Ländern zur Ausschlachtung der Südhalbkugel?

Glaubt Ihr wirklich, Deutschland würde von Barbaren überrannt, die Tausende von Kilometern zu Fuß zurücklegen, weil sie falsch (oder richtig) informiert sind über Hartz IV? Glaubt Ihr wirklich, die geben alles auf, was sie hatten, um hier als Sozialtouristen in einer fremden Kultur, abgeschnitten von der Heimat, in Bruchbuden ihr Dasein zu fristen?

Würdet Ihr Euch, mal angenommen, Syrien hätte unser Sozialsystem, so mir nichts dir nichts zu Fuß nach Syrien aufmachen, weil man dort eine Mindestsicherung bekommt, die hier vielleicht nicht zu haben ist? Würde man dafür Tausende von Kilometern unter Lebensgefahr zurücklegen? Nein, natürlich nicht. Also kann ich nicht glauben, daß Ihr annehmt, sie kämen vielleicht ja doch ohne Not.

Glaubt Ihr wirklich, Frau Petry, Herrn Gauland oder Björn Höcke, dem Seehofer oder dem de Maizière ginge es um Euer Wohl oder um Deutschland? Glaubt Ihr wirklich, wenn Ihr die stark macht, daß es dann für Euch und Eure Kinder besser läuft?

Wenn Ihr glaubt, daß es dann im Land gerechter zugeht, nur weil wir uns die Flüchtlinge vom Hals halten, daß die Armen, Alten und Geringverdiener es dann leichter haben, dann benutzt doch bitte einfach Euren Kopf und überf liegt mal rasch die Geschichte Eures eigenen Lebens. Prüft, was die Politik Euch zu unterschiedlichen Zeiten geboten hat!

Oder wißt Ihr das schon alles, glaubt aber, daß die Flüchtlinge die ganze Scheiße noch schlimmer machen, und wollt deshalb, daß sie wegbleiben? Weil Ihr zwar wißt, daß die Welt ungerecht ist, Euch aber nicht traut, gegen die bekannten Ungerechtigkeiten vorzugehen und daher lieber als bessergestellte Beschissene leben wollt, als Euch mal richtig gegen jene zu wenden, welche Euch bescheißen? Ist es also nur Feigheit und ein kaltes Herz, aber gar nicht Vaterlandsliebe, Christentum und Verantwortung für Eure Kinder? Das kann ich nicht glauben.

Falls doch, dann sagt das einfach so und bemäntelt nicht Eure Verbitterung, Euren Opportunismus, Eure Feigheit und Eure Engherzigkeit mit großen Worten. Denn Ihr wißt genausogut wie ich: Die Frage, ob wir das schaffen, ist keine Frage der Zahl und der Herkunft der Geflüchteten, sondern einzig und allein eine Frage des Willens und der Bereitschaft. Natürlich ist das zu schaffen. Wer Exportweltmeister wird, bewältigt auch die Flüchtlingsintegration. Wer 12 Millionen deutsche Flüchtlinge aus dem Osten nach 1945 in ein zerstörtes Land integrieren konnte, der vermag natürlich auch mindestens eine Million Flüchtende in das reichste Land Europas einzugliedern.

Sind Wille und Bereitschaft vorhanden, dann besteht der Rest aus Geld und Organisationstalent. Für beides sind die Deutschen in der Welt ziemlich bekannt. Das hat uns bisher nicht gestört.

Natürlich macht es Arbeit, und es gibt für einige wenige unter uns auch Einschränkungen. Regierungspolitiker müssen jetzt zum Beispiel etwas mehr rödeln als sonst. Auch die Verwaltungen arbeiten am Limit. weil der Staat ihnen nicht die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellt. Und zwischenzeitlich trifft es auch die eine oder andere Turnhalle. Aber sonst? Ein bißchen mehr Selbstbewußtsein sollte wohl schon drin sein. Ihr könntet ja mal den arg gescholtenen "Gutmenschen" über die Schulter gucken. Viele von denen betätigen sich nun schon seit Monaten in Flüchtlingsunterkünften, ehrenamtlich nach der Arbeit, in ihrem Urlaub, als Rentner oder Selbständige.

Das "deutsche Wesen" und die "deutschen Werte" halten angeblich ausgerechnet jene hoch, welche seit Monaten nichts anderes zu tun haben als zu jammern und die Herausforderungen nicht anzunehmen, sondern sie abzuwehren: Leute, die aus Angst vorm Muselmann oder wegen ihrer nächsten mickrigen Rentenerhöhung Leuten zujubeln, die aus einer mehr schlecht als recht funktionierenden Demokratie eine gut funktionierende Diktatur machen werden, wenn Ihr sie gewähren laßt. Wer Orbán in Ungarn und Petry in Deutschland hinterherläuft, der macht dieses recht friedliche Scheißbürokraten-Europa so kaputt, daß Ihr Euch nach ihm noch zurücksehnen werdet.

Ich wäre ja dafür, es einfach besser zu machen und das zu beherzigen, was wir im Grunde wissen: Solidarität läßt alle reicher werden, während Abgrenzung und Konkurrenz sowohl Gewinner als auch Verlierer hervorbringt, Neid, Haß und Krieg gebiert. So einfach ist das.

Aber Ihr sollt ja keinen simplen Parolen hinterherrennen. Laßt Euch nicht noch einmal blühende Landschaften versprechen! Von wem auch immer.

Soeren Benn, Berlin

Ende RF-Extra

*

Die UNO im Wandel der Zeiten

Vor 70 Jahren trat die erste Vollversammlung der Vereinten Nationen zusammen

Am 10. Januar 1946 begann in London die erste Vollversammlung der Vereinten Nationen. Auf ihr wurde Trygve Lie als UNO-Generalsekretär gewählt. In der Londoner Exilregierung Norwegens war er Außenminister gewesen. Während seiner Amtszeit vom 1. Februar 1946 bis zum 10. April 1953 vertrat er rückhaltlos die Interessen der USA und der sich formierenden NATO.

Die Grundsätze des Nürnberger Militärtribunals wurden von den Teilnehmern der ersten Sitzung beschlossen. Kriegsverbrecher waren auszuliefern und zu bestrafen. Diese Prinzipien gelten bis heute. Mit der Londoner Konferenz - die folgenden Vollversammlungen tagten dann bereits in New York - begann das Ringen um die Durchsetzung der Völkerrechtsnormen, die im Rahmen der UN-Charta von 51 Gründerstaaten beschlossen worden waren.

Unter Berücksichtigung der Lehren aus dem Scheitern des Völkerbundes und aufgrund der im Zweiten Weltkrieg gesammelten bitteren Erfahrungen waren die Alliierten der Antihitlerkoalition übereingekommen, nach dem Sieg über den Faschismus eine internationale Organisation ins Leben zu rufen, die "künftige Generationen vor der Geißel des Krieges bewahren" sollte. So hieß es in der Präambel der UN-Charta. In dieser - sie wurde bereits am 26. Juni 1945 in San Francisco von den Unterzeichnerstaaten beschlossen - waren Prinzipien festgelegt worden, deren Einhaltung durch alle Staaten fortan kriegerische Konflikte ausschließen sollte.

Peter Alfons Steiniger, Professor an der Berliner Humboldt-Universität und Senior der DDR-Völkerrechtler, nannte sie das "Siebengestirn des Völkerrechts": Verzicht auf Androhung von Gewalt in den internationalen Beziehungen; die Pflicht, Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen; das Gebot der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten; die Pflicht zur friedlichen Zusammenarbeit; die Achtung vor dem Selbstbestimmungsrecht der Völker; das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten; die Pflicht, diese Prinzipien nach Treu und Glauben einzuhalten.

Die Charta war bindend für alle Staaten. Nicht diese Prinzipien sind es, welche die Welt unsicher machen, sondern der Bruch des Völkerrechts durch die USA und deren Komplizen als Konstante in den 70 Jahren UN-Geschichte.

Hier ist nicht der Platz, um die 70 Vollversammlungen, die unterdessen stattgefunden haben, zu analysieren. Sie spiegeln die historischen Entwicklungsetappen seit 1945 wider. Bis etwa 1955/56 vermochten es die USA und deren Verbündete mit einer soliden Mehrheit, die UNO in ein Instrument imperialistischer Politik zu verwandeln. Sie ließen sich von ihr am 25. Juni 1950 sogar die Aggression in Korea mit der Resolution 82 absegnen. Damals boykottierte die UdSSR den UN-Sicherheitsrat wegen der Besetzung des Mandats der Volksrepublik China durch Taiwan. Deshalb gab es kein sowjetisches Veto in diesem Gremium, sondern ein Votum von 9:0 bei alleiniger Stimmenthaltung Jugoslawiens. Ab Mitte der 50er Jahre änderte sich das Kräfteverhältnis in der Welt und damit auch in der UNO. Bis 1960 war die Zahl der Mitgliedsstaaten auf 99 angewachsen, vor allem durch die Aufnahme zahlreicher von der Kolonialherrschaft befreiter junger Nationalstaaten aus Afrika. Frieden und Abrüstung, aber auch Pretorias Politik der Apartheid und die Verbrechen Israels nahmen nunmehr in den Debatten und Beschlüssen einen breiten Raum ein. Die Vereinten Nationen begannen, in Ringen um Entspannung und friedliche Koexistenz ihren Part zu übernehmen.

Unter den veränderten weltpolitischen Bedingungen wurden 1973 die DDR und die BRD gleichzeitig in die Vereinten Nationen aufgenommen. Deren Wirken in der UNO war ein Bestandteil der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten - ein Ausdruck und Faktor der einsetzenden Entspannungspolitik.

Deutsch-deutsche "Querelen" wurden in der UNO nicht ausgetragen. Niemals ist die Politik der DDR in den Vereinten Nationen und deren Spezialorganisationen kritisiert worden.

Wilhelm Bruns von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung bilanzierte Jahr für Jahr Auftreten und Abstimmungsverhalten der UN-Diplomaten beider deutscher Staaten. Die DDR war dabei stets in der Vorhand. Ihre Vorschläge fanden Mehrheiten.

Der Untergang der sozialistischen Staaten Europas und in Teilen von Asien führte auch bei der UNO zu gravierenden Veränderungen. Die USA, die sich seitdem als "einzige Weltmacht" aufspielen, fanden lange Zeit keinen Widerpart mehr, der ihnen hätte Paroli bieten können. Immer offener verletzten die NATO-Mächte das Völkerrecht, führten sie ihre "humanitären" Kriege, organisierten sie Umstürze und "Revolutionen" in allerlei Farben und mit fürchterlichen Folgen, mißachteten oder untergruben sie selbst Entscheidungen des Sicherheitsrats. Man bedenke: Allein in den letzten 15 Jahren führten die USA 14 Kriege.

Wladimir Putin räumte kürzlich ein, auch Rußland habe Fehler begangen. Beim ersten Irakkrieg hatte es wie im Falle Libyens auf sein Vetorecht verzichtet. So konnten die imperialistischen Mächte des Westens ihre Intervention nutzen, um Gaddafi zu stürzen. Später wurde auch Saddam Hussein durch die USA zu Fall gebracht. Entweder mißbrauchen diese Organe der UNO oder sie handeln ohne völkerrechtliche Legitimation. Die BRD ist dabei ihr willfähriger Vasall. Nun sieht sich die Merkel-Regierung mit den Folgen konfrontiert, auch den Ergebnissen ihrer feindseligen Politik gegenüber Moskau, die immer mehr zum Bumerang wird. Denn wie sich gezeigt hat, kann der russische Bär weitaus mehr als brummen.

Die UNO steht am Scheideweg. Kriege, Rüstung, Umweltverschmutzung, Klimawandel, Ressourcenverknappung und andere gravierende Probleme zwingen zu vernünftigem Handeln auf der Grundlage des Völkerrechts. Die Vereinten Nationen müssen zu ihren ursprünglichen Zielen und Prinzipien zurückfinden - bei Strafe des sonst drohenden Untergangs der Menschheit.

Prof. Dr. Horst Schneider

*

Ist der Balkan ein "sicheres Herkunftsgebiet"?

Ohne Zweifel gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen imperialistischen Kriegen und den enormen Flüchtlingsströmen der Gegenwart. Ich möchte ihn am Beispiel Jugoslawiens erläutern.

Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (SFRJ) war ein Vielvölkerstaat mit fünf Nationalitäten: etwa 42 % Serben, 23 % Kroaten, 9 % Slowenen, 5 % Mazedonier und 6 % Jugoslawen. Außerdem lebten in dieser Republik nationale Minderheiten: Albaner, besonders in Kosovo (ca. 4 %), Ungarn (ca. 3 %), Türken( ca. 2%) sowie Slowaken, Sinti und Roma, Deutsche, Rumänen, Bulgaren u.a., zusammen etwa 3 %).

Sie alle gehörten über Jahrhunderte äußerst verschiedenen Kulturkreisen an, wobei die trennenden Grenzen zwischen römisch-katholischem und orthodoxem Glauben, Christentum und Islam prägend waren.

In einem solchen Staat gab es naturgemäß Widersprüche, Probleme und politische Auseinandersetzungen mit nationalistischem Hintergrund. Sie wurden vor allem durch die Aggressionspolitik Deutschlands, Rußlands, der Türkei und der USA bewußt geschürt. Nicht zuletzt daran zerbrach der junge Staat.

Dreimal in diesem Jahrhundert war Deutschland an militärischen Überfällen auf Balkanvölker beteiligt.

In der Zeit von 1914 bis 1918 sollte Serbien als Machtfaktor auf dem Balkan ausgeschaltet werden. Das Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger in Sarajewo war der Anlaß für den völkermörderischen 1. Weltkrieg. Berlin stachelte Wien zum militärischen Vorgehen gegen Serbien an, wohlwissend, daß die Balkan-Halbinsel als Pulverfaß Europas galt. Mit seiner Empfehlung, in Serbien loszuschlagen, setzte Wilhelm II. die Lunte in Brand und machte die Region wie ganz Europa zum Schlachtfeld.

Am 9. Oktober 1915 nahm die Heeresgruppe Mackensen Belgrad ein, das erst am 1. November 1918 durch serbische Truppen befreit wurde. Den beiden Toten von Sarajewo waren 10 Millionen Menschen ins Grab gefolgt. Es vergingen 23 Jahre, bis Jugoslawien ein zweites Mal von Deutschen überfallen wurde. Am 6. April 1941 bombardierte Hitlers und Görings Luftwaffe die Hauptstadt Belgrad. Ihrem Terror fielen 2270 Menschen zum Opfer. Ohne Ultimatum oder Kriegserklärung hatte das faschistische Deutschland Jugoslawien angegriffen und es wie 1914 dann zum Todfeind erklärt.

Kroatien und Montenegro wurden als Marionettenstaaten etabliert, das Land von deutschen Truppen besetzt. In den Reihen der SS kämpften auch kroatische und bosnisch-herzegowinische Faschisten. Vier schwere Jahre des Befreiungskrieges stand die jugoslawische Volksbefreiungsarmee unter Tito gegen die Aggressoren. Am 29.11.1945 wurde die Gründung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) vollzogen.

Zum zweiten Mal in der Geschichte war die Niederlage des imperialistischen Deutschlands mit dem Entstehen eines einheitlichen jugoslawischen Staates verbunden. Die Hitlerfaschisten fügten ihm schwerste Verluste zu: Im Krieg fielen rund 305.000 Angehörige der jungen Armee. 1,4 Millionen Jugoslawen verloren durch den Okkupantenterror ihr Leben, 90.000 wurden in Konzentrationslager geworfen. Von ihnen kehrte nur ein Drittel zurück. Mit mehr als 1,7 Millionen Gefallenen, Erschossenen und Erschlagenen - 11 % der Gesamtbevölkerung - gehörte Jugoslawien neben der UdSSR und Polen zu den Ländern Europas mit den höchsten Verlusten an Menschenleben.

Angesichts dieser Schuld wäre die BRD wie kein anderer Staat zu respektvollstem Verhalten gegenüber Belgrad verpflichtet gewesen. Doch der 1990 durch die Annexion der DDR um ein Drittel erweiterte Staat des deutschen Imperialismus demonstrierte das direkte Gegenteil: Als der SFRJ 1990/1991 ein Bürgerkrieg drohte, setzte Berlin die Traditionslinie Kaiser Wilhelms und Hitlers fort. Sie fachte den innerjugoslawischen Konflikt bewußt an.

Als Teil der NATO und mit einer Regierung aus SPD und Grünen war Deutschland ein drittes Mal am Überfall auf die Balkanvölker beteiligt. Da die Bundeswehr ja angeblich reinen Verteidigungszwecken dient, muß man fragen: Welche deutschen Grenzen sollten denn 1991/92 auf dem Balkan geschützt werden?

Am 24. März 1999 erklärte Bundeskanzler Gerhard Schröder im BRD-Fernsehen: "... Heute Abend hat die NATO mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen." Wen verteidigten deutsche, amerikanische, britische oder französische Soldaten im Kosovo? Die Luftschläge der NATO waren ein typischer Ausdruck von Machtpolitik unter modernen Bedingungen und eine neue Form von "Kanonenbootpolitik". Sie suchten sich dazu Jugoslawien bewußt aus - einen Vielvölkerstaat, der mit etlichen ethnischen Konflikten konfrontiert war.

Jugoslawien war in den Augen der imperialistischen Hauptmächte noch immer zu groß. Ihnen ging es darum, einen von ihnen geführten Balkan zu installieren. Diesem standen damals nur noch die widerspenstigen Serben im Wege. So wurden sie intensiver bombardiert als im 2. Weltkrieg durch Görings Luftwaffe.

Wäre es der NATO - wie vorgegaukelt - um Frieden gegangen, hätte sie die einseitige Parteinahme für Muslime und Kroaten einstellen müssen. Spätestens im Herbst 1992, als die territoriale Scheidung Jugoslawiens in Sezessionsgebiete und Nicht-Sezessionsgebiete auch in Bosnien-Herzegowina vollzogen war, hätten die Bürgerkriegskonflikte ohne westliche Einmischung ihr Ende gefunden. Das von einer tiefen inneren Krise erschütterte Jugoslawien wurde 1991 zum Testfeld der Außen- und Militärpolitik einer zur Großmacht gewordenen BRD auserkoren.

Statt die Lehren aus der Geschichte zu beherzigen, setzten Kohl und Genscher die übelsten Traditionslinien großdeutscher Balkanpolitik fort. Jugoslawien brach völlig auseinander. Seine Zerschlagung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts erfolgte vor allem mit Hilfe der BRD. Es war ein Meisterstück der Einmischung des damaligen Bonner Außenministers Genscher.

Die Abtrennung Sloweniens und Kroatiens führte zur Auflösung der SFRJ. Wer Widerstand dagegen leistete, war ein "Aggressor". Ein höchst kriminelles Bild erneuten deutschen Wütens auf dem Balkan.

Die Militärs brauchten ein Testfeld für ihre neuen Waffensysteme, die Rüstungsmonopole gierten nach höheren Profiten.

Kriege und deren Folgen sind bekanntlich die Hauptursache für die Flüchtlingsströme, auch vom Balkan. Die Hälfte der insgesamt 139.000 europäischen Flüchtlinge bis Anfang September 2015, deren gnadenlose Abschiebung in "sichere Herkunftsländer" man jetzt vollzieht, waren Serben, Kosovaren oder Montenegriner.

Die den Balkan betreffende Flüchtlingspolitik der BRD-Regierung besteht nicht nur aus Zynismus, sondern auch in einer grenzenlosen Verhöhnung der Opfer.

Dr. Wolfgang Reuter, Schönebeck-Salzelmen

*

Erzwungener Szenenwechsel in Lissabon

Vor den Präsidentschaftswahlen erhielt Portugals Staatschef die Rote Karte

Bei den portugiesischen Parlamentswahlen am 4. Oktober wurden die Karten neu gemischt. Das verleitete Staatschef Cavaco Silva, einen Vertreter der prononcierten Rechten, zu dem mißglückten Versuch, noch kurz vor den am 26. Januar stattfindenden Präsidentschaftswahlen einmal mehr sein trickreiches Spiel zu versuchen. Dabei bekam er von links die Rote Karte.

Doch der Reihe nach: Seit vier Jahren stand die von den beiden Rechtsparteien - der noch zu Revolutionszeiten aus Tarnungsgründen mit dem Namen Sozialdemokratische Partei (PSD) versehenen früheren Demokratischen Volkspartei (PPD) und dem faschistoiden Demokratisch-Sozialen Zentrum (CDS) - getragene Regierungskoal it ion von Premier Passos Coelho in Lissabon am Ruder. Sie zwang dem Land eine vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU - bekanntlich auch Griechenlands gnadenlose Würger - geforderten "Sparkurs" auf. In dessen Ergebnis vegetiert heute einer von vier Portugiesen unterhalb der offiziell festgelegten Armutsgrenze. Während die durchschnittliche Arbeitszeit der in Lohn und Brot Stehenden inzwischen bei 50 Wochenstunden liegt, flohen Hunderttausende Landesbürger vor der Massenarbeitslosigkeit und den "Sparmaßnahmen" der Regierung ins Ausland.

Am 4. Oktober 2015 erhielten Portugals bisherige Regierungsparteien von den Wählern die Quittung. Der gemeinsame Stimmenanteil beider Formationen sank von 51 auf 38 %, so daß den Rechten im Parlament statt ihrer bisher 121 Mandate nur noch 107 Sitze blieben. Die absolute Mehrheit erfordert 115 Abgeordnete.

Hauptgewinner war die Sozialistische Partei (PS), deren seinerzeitige Regierung den ursprünglich von Brüssel aufgezwungenen Sparkurs nicht minder rabiat durchgesetzt hat te. Am Ende war sie schmählich auf der Strecke geblieben. Diesmal spielte sie die oppositionelle Karte, wobei sich ihr Spitzenkandidat, der ehemalige Lissabonner Oberbürgermeister António Costa von dem militanten Antikommunismus seiner Vorgänger löste. Die PS errang 32,3 % der Stimmen und 86 Sitze in der Versammlung der Republik. Sie hatte nun zwei Optionen: ein Mitte-Rechts-Bündnis mit den bisherigen Regierungsparteien oder eine Öffnung nach links, wo zwei starke Partner zur Debatte standen. Dabei handelt es sich um den in der Kampagne gegen Brüssel und dessen Austeritätskurs geschickt agierenden, zugleich aber alle Register des Populismus bedienenden Linksblock (BE) mit einem Wähleranteil von 10 statt der bisher 5 % und die Coligaç’o Democrática Unitária (CDU). Diese ist ein Bündnis der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) und der Ökologistischen Partei Die Grünen (PEV). Auf die CDU entfielen statt bisher 7,9 nun 8,4 %, was ihr 17 Parlamentssitze (plus 1) einbrachte.

Als der aus dem PSD hervorgegangene Staatschef Cavaco Silva, dem eine Einbindung der Sozialisten in das Lager der Rechtsparteien mißlungen war, unter Bruch aller Spielregeln der bürgerlichen Demokratie seinen gerade gescheiterten Parteifreund Passos Coelho abermals mit der Regierungsbildung beauftragte, wurde dessen Minderheitskabinett durch die parlamentarische Mehrheit aus PS, BE und CDU unverzüglich zu Fall gebracht.

Doch was geschah danach? Inzwischen hat ten Kommunisten und Sozialisten früher nicht vorstellbare Verhandlungen aufgenommen, wobei sie vom Linksblock unterstützt wurden. Da nach wie vor tiefgreifende Differenzen zwischen PS und CDU nicht ausgeräumt werden können und auch der BE die Positionen der Sozialisten überwiegend nicht teilt, schloß man einen von nüchternem Realitätssinn geprägten Kompromiß: Eine Alleinregierung der PS unter António Costa soll - so die Vereinbarung - bei Berücksichtigung gewisser Positionen der nicht im Kabinett vertretenen beiden großen Linksparteien das jahrelange Regime der Rechtskräfte ablösen. Ziel ist es, dem Brüsseler Sparkurs deutliche Grenzen zu setzen.

Zunächst verlegte sich der noch am Ruder befindliche Präsident Cavaco Silva auf ein weiteres taktisches Manöver mit dem Ziel des Zeitgewinns, ohne Passos Coelho noch einmal die Zügel übergeben zu können.

Das ZK der PCP billigte die vereinbarte Tolerierung eines von links gestützten und daher auch von dort beeinflußbaren PS-Kabinetts. PCP-Generalsekretär Jerónimo de Sousa unterstrich in diesem Zusammenhang die von der Übereinkunft nicht berührte politisch-ideologische Unabhängigkeit der Kommunisten. Am 24. November berief Cavaco Silva den durch alle im Parlament vertretenen Linkskräfte unterstützten PSGeneralsekretär António Costa zum Premierminister. Zum ersten Mal seit der Niederwerfung der Nelkenrevolution, die in den Jahren 1974 bis 1976 mehrere Koalitionsregierungen unter Einschluß der Kommunisten hervorgebracht hatte, ist in Portugal wieder ein Mitte-Links-Kabinett am Ruder. Ein Vorgang, der hoffen läßt.

RF, gestützt auf "Avante!", Lissabon, "Solidaire", Brüssel, und "People's World", New York

*

Wir stehen zu Marwan Barghouti

Die rassistische Peinigung der Palästinenser muß ein Ende finden!

Es wird keinen Frieden geben, solange die israelische Okkupation nicht ihr Ende findet." Diese von der belgischen PTB-Monatszeitschrift "Solidaire" im November 2015 wiedergegebenen Worte stammen von Marwan Barghouti. Der seit vielen Jahren in israelischen Kerkern gefangengehaltene Freiheitsheld gehört seit den Tagen von Yasser Arafat dem Zentralkomitee der Fatah an, ist gewählter Abgeordneter und wird in der fortschrittlichen arabischen Presse bereits als der Nelson Mandela Palästinas bezeichnet. Zu den jüngsten Eskapaden und terroristischen Ungeheuerlichkeiten der in Tel Aviv regierenden Radikalzionisten um Netanjahu bemerkte Barghouti: "Die Ausweitung der Gewalt hat keineswegs erst mit dem Tod zweier israelischer Siedler, sondern schon vor sehr langer Zeit begonnen und dauert bis heute an. Jeden Tag werden Palästinenser getötet, verwundet oder eingekerkert. Und jeden Tag schreitet die Kolonisierung, harmlos Besiedlung genannt, weiter voran, dauert der Belagerungszustand in Gaza an, herrschen Gewalt und Unterdrückung."

Die Spirale des Terrors führe zu immer neuen Exzessen. Dabei bestehe der Kern des Problems darin, daß Israel den Weg andauernder Okkupation anstelle von ernsthaften Friedensgesprächen gewählt habe und diese Vokabel nur als Rauchvorhang benutze, um sein Projekt der Landnahme auf palästinensische Kosten weiter voranzutreiben. Indes seien jegliche Verhandlungen, die nicht zum vollständigen Abzug Israels aus allen seit 1967 okkupierten palästinensischen Territorien einschließlich Ost-Jerusalems führten, von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Zum obligatorischen Themenkatalog gehörten das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung und die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen. "Wir können nicht mit der israelischen Besetzung unseres Landes koexistieren und werden niemals vor ihr kapitulieren", erklärte Marwan Barghouti in dem international verbreiteten Interview. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Tatsache, daß die Unterdrückung der Palästinenser fast seit den Gründungstagen der UNO auf der Tagesordnung nahezu jeder Vollversammlung ein ständiges Beratungsthema gewesen sei.

"Ich selbst habe mich dem palästinensischen Kampf für Unabhängigkeit vor 40 Jahren angeschlossen und wurde mit 15 das erste Mal ins Gefängnis geworfen. Das hat mich nicht daran gehindert, nach meiner Freilassung weiterhin für eine dem Völkerrecht und der Charta der Vereinten Nationen entsprechende Lösung der Palästinafrage einzutreten. Ich habe 20 Jahre meines Lebens, darunter die letzten 13, hinter israelischen Gittern verbringen müssen. Dadurch hat sich meine Meinung in keiner Weise geändert", beendete der Held des Widerstandes gegen die Machthaber in Tel Aviv sein Plädoyer für ein freies Palästina.

Das kanadische Informations- und Analysezentrum Global Research zitierte unlängst Teile des Berichts einer Unabhängigen Untersuchungskommission der UNO. Im Juli und August 2014 seien auf der Westbank einschließlich Ost-Jerusalems (gemeint ist das durch Israel okkupierte Westjordanland - RF) 27 Palästinenser getötet und 3020 verletzt worden, heißt es dort.

An gleicher Stelle wird auf die völlige Straffreiheit für israelische Gewaltanwendung verwiesen. Bei all dem hätten sich die USA unter sämtlichen Administrationen schützend vor Tel Aviv gestellt. Der israelische Journalist Gideon Levy hob in diesem Zusammenhang besonders hervor, daß Hillary Clinton - derzeit die wohl aussichtsreichste US-Präsidentschaftsbewerberin der Demokraten - der Netanjahu-Regierung "ihre niemals wankende Solidarität" erwiesen habe, was auch auf die Spitzenanwärter der Republikanischen Partei der USA zutreffe.

Nach Angaben von Christopher Gunness, des Sprechers der die Kriegsopfer im Gaza-Streifen betreuenden UNO-Behörde (UNRWA), müssen auch in diesem Jahr etwa 100.000 von den dort zusammengedrängt lebenden fünf Millionen Palästinensern in unbeheizten Zelten, Schuppen und Viehställen den Winter verbringen. 2014 waren in Gaza drei Kinder erfroren.

Während des israelischen Luftüberfalls auf die ghettoisierte Bevölkerung des Gaza-Streifens im Sommer 2014 wurden 2100 Menschen - überwiegend Zivilisten - ermordet, 13.000 Familien standen vor den Trümmern ihrer nicht mehr bewohnbaren Häuser. In Gaza sind 41,3 % der arbeitsfähigen Einwohner erwerbslos - bei den 20- bis 24jährigen sogar 68 %. Von der erwähnten Hilfsorganisation UNRWA erhalten derzeit 860.000 Bewohner Gazas eine ständige Nahrungsmittelhilfe. Im Jahr 2000 seien es "nur" 80.000 gewesen, heißt es in einer Information.

Doch es gibt auch in Palästina nach wie vor starke Kräfte, welche den gepeinigten Menschen durch ihren unbeugsamen Widerstandswillen das Vermögen zum Durchhalten und den Mut zur Auflehnung vermitteln. Durch nichts zu brechende Menschenrechtsaktivisten und Antiterrorkämpfer wie Marwan Barghouti gelten hier als Fackelträger der Hoffnung. Hunderte Millionen Antiimperialisten in aller Welt stehen solidarisch an ihrer Seite. Sie fordern nicht nur die Freilassung des palästinensischen Nelson Mandela, sondern zugleich auch ein Ende des israelischen Terrors gegen das gepeinigte Volk!

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel, und "Global Research", Kanada

*

Ist Aung San Suu Kyi eine Heilsbringerin?

Zum gezielt verbreiteten Glauben an ein Demokratiewunder in Myanmar

Folgt man den Berichten und Kommentaren der westlichen Meinungsmacherindustrie, dann hat sich in Myanmar, das früher als Burma bezeichnet wurde, buchstäblich über Nacht ein Wunder ereignet: Während das der VR China benachbarte südostasiatische Land, in dessen Grenzen nationale und religiöse Minderheiten wie die zu Zehntausenden ins Meer gejagten Rohingyas nach wie vor schärfster Diskriminierung unterliegen, bisher nur schlechteste Noten erhielt, ist dort mit dem nicht vom Himmel gefallenen Wahltriumph der Friedensnobelpreisträgerin auf britisch-amerikanische Empfehlung Aung San Suu Kyi offenbar über Nacht ein Hort aufblühender Demokratie entstanden. Tatsächlich bedeutet die neue Situation einen tiefen Einschnitt vor allem nach dem Geschmack jener, die gleich der Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP seit Jahrzehnten an der Untergrabung eines unabhängigen Myanmar gearbeitet haben. Deren Hauptanliegen besteht in der systematischen Beeinträchtigung guter Beziehungen Ranguns zu China.

Die Abwesenheit demokratischer Verhältnisse westlichen Stils wurde dabei als das geringste Hindernis betrachtet. Statt dessen verstand man unter der vermeintlich angestrebten Demokratisierung Myanmars in erster Linie die Durchsetzung imperialistischer Pläne, zu denen besonders die Schaffung günstiger Bedingungen für das Operieren multinationaler Konzerne und Banken gehört. Die "Demokratisierung" Myanmars hatte dabei wegen der natürlichen Reichtümer des Landes, vor allem aber wegen seiner strategischen Lage im Zentrum nicht nur südostasiatischer Verbindungswege, von jeher einen besonderen Stellenwert.

Wenn die gelenkte und gleichgeschaltete Presse im Dienste des Westens geradezu emphatisch die "ersten freien Wahlen" und den plötzlichen Übergang zur Demokratie in Burma feiert, dann muß man tiefer loten, um den Gründen solcher Sympathiebekundungen auf die Spur zu kommen.

Wie stellt sich die Lage nüchtern urteilenden politischen Beobachtern tatsächlich dar? Handelt es sich hier wirklich um einen Übergang zur Demokratie?

Aung San Suu Kyi läßt sich als Galionsfigur feiern, obwohl sie zu den geschilderten Genozidverbrechen an Minderheiten und der systematischen Diskriminierung bedeutender Bevölkerungsteile nach wie vor schweigt. Das war übrigens nicht immer der Fall, fand man sie doch nach ihrer Freilassung aus dem Hausarrest oft genug in der Gesellschaft von Personen, die für diese Situation Mitverantwortung trugen.

Der Burma-Kenner Guy Horton - er verfaßte 2005 den Report "Lebendig sterben", der internationale Aufmerksamkeit hervorrief und sogar dem UN-Sicherheitsrat zugänglich gemacht wurde - schrieb unlängst, San Suu Kyis "Zurückhaltung" mache sie zur Komplizin.

Angeblich befindet sich Myanmar bereits seit 2010 in einer "Übergangsphase zur Demokratie", was auch als Symptom für ein Anwachsen des westlichen Einflusses gewertet werden könnte. Gerade in diese Periode aber fällt die systematische Vertreibung von mehr als 300.000 Angehörigen ethnischer Volksgruppen wie der Kachin, der Shan und der Rohingya. Anderthalb Millionen Menschen unterliegen allein im nördlich gelegenen Territorium Rhakine schärfster Diskriminierung. während in Kachin 120.000 Zivilisten aus ihren Häusern vertrieben wurden.

Frieden und demokratischer Übergang sähen anders aus, liest man im kanadischen Online-Dienst "Global Research". Demgegenüber begrüßte UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon, Südkoreas einstiger Außenminister, den angeblich vereinbarten Waffenstillstand.

Heuchelei ist die Devise. Das US-Nachrichtenmagazin "Time" pries unlängst auf seiner Titelseite den "demokratischen Übergang" in Myanmar unter der Schlagzeile: "Ungebundenes Burma".

Der bereits erwähnte Guy Horton hat übrigens zur "demokratischen Übergangsperiode", die jetzt mit dem Wahltriumph von Aung San Suu Kyi ihren Zenit erreicht haben soll, folgendes geäußert: "Wir sollten sehr skeptisch in bezug auf diese Wahl sein und nicht die absurde Euphorie wiederholen, die Aung San Suu Kyis seinerzeitige Freilassung und ihren Erfolg bei den wenig später stattfindenden Wahlen begleiteten."

Die persönlichen Aktionen und Ambitionen der Tochter eines gemeuchelten burmesischen Nationalhelden, die in Großbritannien unter elitären Bedingungen aufwuchs und dort auch politisch geprägt wurde, werfen seit etlichen Jahren die Frage auf, an was sie in Wirklichkeit glaubt. Sie stand auf seiten der Militärs bei der Konfrontation um das Bergwerk Lepadaung, teilte das Podium mit Generälen unmittelbar nach der Militärattacke auf Tausende unschuldige Zivilisten in Kachin und wies Vorwürfe zurück, ihre Partner in Uniform hätten Genozidverbrechen an ethnischen Minderheiten begangen. "Wenn sie die Wahlen gewinnt, dann nicht, um die Armee unter zivile Herrschaft zu stellen, sondern aus rein realpolitischen Erwägungen. Als Präsident Obama in Washington ans Ruder kam, bot er Burmas Militär sofort seine ausgestreckte Hand an. Warum wohl?" schrieb Guy Horton, der 2014 als Sonderberichterstatter der UNO für Menschenrechte in Myanmar auserkoren war und derzeit an der Londoner Schule für Orientalische und Afrikanische Studien lehrt.

Man sollte die Entwicklung in Myanmar und das Handeln der Wahlsiegerin weiter aufmerksam beobachten und weder an Zufälle noch an Demokratiewunder glauben.

RF, gestützt auf "Global Research", Kanada

*

Burkina Fasos Volksmassen zerschlugen Putsch

Im westafrikanischen Staat Burkina Faso (Obervolta) - einer früheren französischen Kolonie - haben die wachsamen Volksmassen einen vermutlich von Paris lancierten reaktionären Machtwechsel durchkreuzt.

Am 31. Oktober 2014 hatte eine im Sinne des 1987 durch die Reaktion ermordeten Nationalhelden Thomas Sankara handelnde revolutionäre Volksbewegung die als Staatschef installierte proimperialistische Marionette Blaise Campaoré gestürzt und aus dem Lande gejagt. Eine demokratische Übergangsregierung war an seine Stelle getreten.

Doch am 16. September 2015 suchte das damals nicht aufgelöste Sicherheitsregiment des Ex-Präsidenten die Macht an sich zu reißen und die amtierende Regierung zu Fall zu bringen. Aber die Massen setzten den vom Ausland gelenkten Putschisten ihr entschlossenes Nein entgegen.

Auf Veranlassung der französischsprachigen Länder der Region versuchte die Wirtschaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten dem Volk von Burkina Faso eine Amnestierung der Putschisten und die Teilnahme des zuvor vertriebenen Klüngels an den zunächst abgesagten, dann aber wieder angesetzten Wahlen aufzuzwingen. Auch dieses Manöver schlug fehl. Unter maßgeblicher Mitwirkung seiner äußerst kämpferischen Gewerkschaftsbewegung durchkreuzte das Volk Burkina Fasos mit einem Generalstreik auch das jüngste Komplott. Gemeinsam mit den an ihre Seite zurückgekehrten nationalen Streitkräften umzingelten die Massen das Quartier der Präsidentengarde, zwangen diese zur Kapitualation und sorgten für ihre anschließende Auflösung.

Der Geist von Thomas Sankara lebt!

RF, gestützt auf "Initiative Communiste", Paris

*

Schreckensbotschaften aus Mexiko

Während von 43 Leherstudenten aus Ayotzinapa, die am 26. September 2014 in Iguala Busse für ihre Fahrt zu einer Demonstration in Mexiko-Stadt chartern wollten, weiterhin jede Spur fehlt, erreichen uns aus dem großen lateinamerikanischen Land neue Hiobsbotschaften. Einige der schlimmsten kommen aus Veracruz. Was hat sich dort zugetragen?

In der malerischen Region, die zum Schauplatz grausiger Gewalttaten wurde, widmen sich indigene Totonaca-Bauern seit etlichen Generationen dem Vanilleanbau. Jetzt sollen sie mit Rückhalt der einstmals progressiven, seit langem aber rechtsgerichteten Revolutionären Institutionellen Partei (PRI), die Mexiko regiert, auf Landraub ausgehenden Ranchern weichen. Die ihr in Gemeinbesitz befindliches und individuell kultiviertes Land verteidigenden Vanille-Farmer haben eine Selbstschutzbewegung ins Leben gerufen, um der geplanten Vertreibung Widerstand entgegensetzen zu können. Dabei werden sie in ihrem Konflikt mit dem PRI-Gouverneur des Staates Veracruz, Javier Duarte de Ochoa, auch von fortschrittlichen Journalisten unterstützt. Der verhaßte Statthalter der Mexiko Regierenden ist inzwischen zur Zentralfigur eines politischen Skandals geworden, der in brutalen Verbrechen gipfelte. Eine Reihe linksgerichteter Zeitungsleute ist vermutlich mit seinem Wissen auf grausame Weise umgebracht worden. Mexikos ebenfalls der PRI angehörender Präsident Enrique Peña Nieto zögerte nicht, seinem in Bedrängnis geratenen Parteifreund zu Hilfe zu kommen, war er doch seinerzeit selbst als Gouverneur eines anderen mexikanischen Staates in Skandale verstrickt.

Bei dem Mord, der sich am 31. Juli dieses Jahres im hauptstädtischen Unterbezirk Navarte zutrug, waren ein Reporter und vier zuvor vergewaltigte Frauen einer Wohngemeinschaft gefoltert und anschließend zu Tode gebracht worden. Unter den Opfern befanden sich der Fotojournalist Ruben Espinosa vom linken Magazin "Proceso" und die Anthropologin Nadia Vera Perez, die 2012 in der Provinz Veracruz der Studentenbewegung gegen einen besonders reaktionären Amtsbewerber starke Impulse verliehen hatte.

Nadia Vera Perez und Ruben Espinosa waren mit Gouverneur Duarte u. a. wegen dessen Drangsalierung indigener Vanille-Erzeuger wiederholt heftig zusammengestoßen. Nadia Vera hatte eine Videobotschaft hinterlassen, mit der sie wissen ließ: Falls mir etwas geschieht, dann führt die Spur zu Duarte.

Wie sich herausstellte, befand sich der Name Ruben Expinosa auf einer Sonderliste des Gouverneurs, seitdem der engagierte Pressefotograf maßgeblich zur Aufklärung des vorangegangenen Mordes an der Journalistin Regina Martinez beigetragen hatte.

Doch noch einmal zurück zu den bereits anfangs erwähnten Geschehnissen in Ayotzinapa. Die 43 jungen Leute von der Bildungseinrichtung "Raúl Isidro Burgos" sind bis heute unauffindbar geblieben. Bei der Suche nach sterblichen Überresten der Verschollenen entdeckte man bislang unbekannte Massengräber mit insgesamt 100 Opfern in der Gegend von Iguala. Immerhin wird die Gesamtzahl der in Mexiko Vermißten von den Behörden offiziell mit 20.000 angegeben. Und seit der 2006 verkündeten heuchlerischen "Kriegserklärung" des rechtsgerichteten früheren Präsidenten Felipe Calderon an "Drogenhändler" büßten in Mexiko etwa 100.000 Menschen so oder so auf gewaltsamem Wege ihr Leben ein.

Allein in Veracruz wurden seit dem Amtsantritt Duartes 15 Journalisten ermordet. Sie hatten es gewagt, den Gouverneur der Korruption und des Zusammenspiels mit der Drogenmafia zu bezichtigen.

Die Kommentatorin Laura Carlsen vom "Programm der Amerikas" verwies zum wiederholten Male auf die Tatsache, daß Mexikos Sicherheitsdiensten seit 2008 über die sogenannte Merida-Initiative und andere Kanäle ähnlicher Art etwa 3 Mrd. Dollar zugeflossen sind. Offiziell sollten diese Gelder den Behörden des Nachbarstaates der USA bei der Bekämpfung des Drogenanbaus und -handels helfen. Da der mexikanische Staatsapparat aber eng mit den Drogenkartellen verzahnt sei, handele es sich um reine Geldverschwendung.

RF, gestützt auf "People's World", New York, und "Global Research", Kanada

*

Saudi-Arabien rekrutierte die ersten Killerkommandos des IS
Wo Enthaupten zur Routine gehört

Die Führung des geistig und gesellschaftlich noch im tiefsten Mittelalter verharrenden Königreichs Saudi-Arabien gilt - zumal von Beratern aus den USA und anderen Staaten des höchstentwickelten Kapitalismus flankiert - in vieler Hinsicht als äußerst erfinderisch. Dort formierte und trainierte man im Bunde mit so finsteren Golfstaaten wie Katar auf "überseeischen" Rat die ersten Terrorkommandos des Islamischen Staates (IS). Inzwischen scheint dieser - Goethes Zauberlehrling gleichend - der Kontrolle seiner Erfinder entglitten zu sein.

Die Führung des quant itativ und qualitativ ölreichsten Staates der Welt erfand auch ein raffiniertes und radikales Mittel, um ebenfalls von Petroleinnahmen abhängige Länder wie Rußland, Venezuela, Iran oder Nigeria in Schwierigkeiten zu bringen: Durch seine Dominanz in der Organisation Erdölfördernder Länder (OPEC) sorgte Riad für den bisher empfindlichsten und am längsten anhaltenden Preissturz in der Geschichte der Gewinnung des Schwarzen Goldes. Dabei sollte man in Rechnung stellen, daß der dort tonangebende Aristokratenklüngel zu den treuesten, weil zahlungskräftigsten Abnehmern der BRD-Rüstungsindustrie gehört.

Überdies ist Saudi-Arabien unschlagbarer Spitzenreiter bei öffentlichen Enthauptungen. Nirgends dürften die Köpfe Schuldiger wie Unschuldiger so locker wie dort auf ihren Körpern sitzen. Hinrichtungen mit gewaltigen Schwertern gelten im Saudi-Reich als Hobby der Herrschenden und sichere Einnahmequelle ihnen dienstbarer Scharfrichter.

Ironie des Schicksals: Am 17. September 2015 wurde ausgerechnet Saudi-Arabiens Botschafter bei den Vereinten Nationen Faisal Bin Hassan Trad zum Vorsitzenden des Unabhängigen Expertengremiums beim Genfer UNO-Menschenrechtsrat berufen. An der Spitze einer fünfköpfigen "Expertengruppe" hat er darüber zu befinden, wem ein Mandat der Vereinten Nationen zur Ahndung gemeldeter Menschenrechtsverstöße zufallen soll.

Nur Monate zuvor hatte das Königlich-Saudische Ministerium für den Zivildienst per Annonce acht Bewerber auf zusätzliche Scharfrichterposten suchen lassen, da sich die bereits in der Branche Tätigen durch die große Zahl von Exekutionen überfordert sahen. Schon am 15. Juni 2015 hatte die Zahl in jenem Jahr erfolgter öffentlicher Enthauptungen die 100er Grenze überschritten.

In Saudi-Arabien gelten Regeln, für die das Königreich ohne Zweifel Patente anmelden könnte. Das betrifft insbesondere die Lage der Frauen. Ohne Genehmigung des Mannes dürfen sie weder Pässe besitzen noch verreisen oder in den eigenen Landesgrenzen höhere Bildung erwerben. Besonders grotesk ist auch das den Frauen auferlegte Verbot, am Steuer eines Autos zu sitzen. Doch dagegen bäumt sich schon seit Jahren Widerstand auf. Am 6. November 1990 wagten es 47 beherzte Frauen, mit einem aus 14 Fahrzeugen bestehenden Konvoi in Riad dagegen aufzubegehren. Sie wurden öffentlich als Huren beschimpft und mitsamt ihren männlichen Unterstützern zunächst einmal inhaftiert. Tags darauf veröffentlichte die Presse ihre Namen, Adressen und Telefonnummern. Nun hagelte es Morddrohungen.

Am 8. März 2008 - dem Internationalen Frauentag - wandten sich Waheja al-Huwaider und andere mutige Frauen an König Abdullah und forderten die Aufhebung des Verbots. 2011 bekam die Kampagne unter dem Einfluß des Arabischen Frühlings in anderen Ländern starken Auftrieb. Doch der Feudalstaat schlug zurück und verurteilte eine der Aktivistinnen zu 20 Stockhieben. 2012 registrierte man immerhin bereits mehr als 100 Saudi-Araberinnen, die ohne eigene Reklame regelmäßig am Steuer saßen. Das veranlaßte einen der geistigen Führer im Königreich zu der Warnung, daß Autos lenkende Frauen mit schweren Eierstockschädigungen rechnen müßten. Tags darauf stellten saudische Feministinnen auf einen Schlag zwölf Filme in das You-Tube-Programm, die couragierte weibliche Chauffeure im Lande zeigten.

In letzter Zeit sorgte besonders der Fall des saudischen Bloggers Raif Badaba, der wegen seines unabhängigen Denkens zu tausend Stockschlägen und zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde, für weltweite Empörung. Im November 2015 wurde der palästinensische Lyriker Aschraf Fajal wegen "Abfallens vom islamischen Glauben" zum Tode verurteilt.

Vor allem aber richtet sich der weltweite Widerstand gegen die infame Rolle, die das vom Westen gehätschelte und mit immer neuen Mordinstrumenten belieferte mittelalterliche Königreich beim Export islamistisch getarnter Killer des IS nach Irak und Syrien sowie bei den brutalen Luftüberfällen auf Jemen spielt. Während 117 Staaten der Konvention gegen Streubomben beigetreten sind, gehört das saudische Königreich nicht zu den Unterzeichnern. Übrigens nimmt es in der 180 Länder erfassenden Pressefreiheitsskala der Organisation "Reporter ohne Grenzen" derzeit den 164. Rang ein.

Noch ein Wort zur Rolle Riads bei George W. Bushs berüchtigtem "Krieg gegen den Terror" - der größten globalterroristischen Aktion aller Zeiten. Er wurde nach dem Überfall auf die New Yorker Twin Towers offiziell ausgelöst. Unter den selbstmörderischen Hijackern, die das erste in die Wolkenkratzer hineinrasende Flugzeug zuvor unter ihre Kontrolle gebracht hatten, befanden sich nicht weniger als 19 Staatsbürger Saudi-Arabiens. Über Syrien und Irak führte Riads Blutspur dann in das durch saudische Bomber heimgesuchte Nachbarland Jemen, dessen Territorium bereits weitgehend durch Satellitentruppen Saudi-Arabiens und des Pentagons "zurückerobert" worden ist.

RF, gestützt auf "Global Research", Kanada, "The Socialist Correspondent", London, und "People's World", New York

*

Wenn die Not von Millionen Normalität ist

Ein vor Jahresfrist veröffentlichter Report der zur Columbia University gehörenden Mailman-School for Public Health traf die Feststellung, daß 44 % aller in den USA Lebenden unter 18 Jahren eigentlich als arm eingestuft werden müßten. Die US-Bundesregierung verharmlose in ihrem jährlichen Armutsbericht oftmals den wirklichen Sachverhalt. 2015 sei man z. B. davon ausgegangen, daß eine vierköpfige Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern in den USA dann als arm gelte, wenn ihr Jahreseinkommen weniger als 24.000 Dollar betrage. Tatsächlich müsse sie aber bei den derzeitigen Lebenshaltungskosten die doppelte Summe verdienen oder beziehen, um oberhalb dieses Levels eingeordnet werden zu können.

Irreführend sei auch die von den Statistikbehörden vorgenommene Unterscheidung zwischen "Armen" und "Menschen mit niedrigem Einkommen". Derzeit vegetierten in den Vereinigten Staaten etwa 30 Millionen Kinder unter ausgesprochenen Armutsbedingungen. Bei einer unlängst im Fernsehen übertragenen Debatte aller republikanischen Anwärter auf eine Kandidatur zu den im Herbst 2016 stattfindenden US-Präsidentschaftswahlen wurde das leidige Thema "Poverty" von keinem Bewerber auch nur andeutungsweise erwähnt.

"Nationale und ethnische Minderheiten sind in den USA von Verelendung noch weitaus stärker betroffen", konstatierte der "Science Daily". "Nach Angaben des Blattes leben derzeit etwa 60 % der Kinder von Latinos, Afroamerikanern und Angehörigen indigener Völker in Armut.

RF, gestützt auf "People's World, New York

*

Alle im selben Boot?

- 700.000 beträgt die Zahl jener Menschen, welche jedes Jahr in Europa aus Armut und aufgrund ungleichen Zugangs zur Gesundheitsfürsorge sterben müssen.

- 220 ist die Zahl der Jahre, welche der Mexikaner Carlos Slim als reichster Mann der Welt benötigen würde, um täglich 1 Million Dollar seines Vermögens auszugeben.

- 1,5 % müßte der Vermögenssteuersatz für Milliardäre betragen, um in den 49 ärmsten Ländern der Welt alle Kinder unterrichten und die Gesamtkosten des Gesundheitswesens decken zu können.

Aus: "Solidaire", Brüssel

*

Wolfgang Bittner: Worte wider den Wahnsinn

Das eindrucksvolle Sachbuch des in Göttingen lebenden Erfolgsautors Wolfgang Bittner "Die Eroberung Europas durch die USA", dessen erste im Oktober 2014 herausgekommene Fassung einigen Lesern noch in guter Erinnerung sein dürfte, ist im November 2015 als wesentlich erweiterte Neuausgabe in einem anderen Verlag erschienen. Die analytisch-polemische Schrift ist durch den Autor um 45 Seiten bereichert worden. Es handelt sich um eine durchschlagende Nachladung in der Wortschlacht gegen die Kriegsgelüste der USA und der NATO, vor allem im Zusammenhang mit der von ihnen geschaffenen brisanten Krisensituation in der Ukraine.

Wolfgang Bittner stellte in der Erstausgabe fest, es werde mit Gewißheit weiter an der Eskalationsschraube gedreht. Jetzt bemerkt er, die Kritik am Aggressionskurs der westlichen Allianz gegen Rußland, der NSA-Spionagetätigkeit, den skrupellosen Lügen von Politikern und ihnen hörigen Medien habe "kaum Auswirkungen", was immer auch geschrieben werde.

Der Kurs der Verschleierung, der Hetze, der Provokationen, der Kriegsgefahr sowie regionaler Krisen und Aggressionen werde weiterverfolgt. "Das Vorrücken der von den USA dominierten NATO bis unmittelbar an die Grenzen Rußlands hat zu einer Rüstungsspirale und permanenter Kriegsgefahr für Europa geführt", resümiert Wolfgang Bittner. Das seien Gründe genug, um die entlarvende Polemik mit neuer verbaler Munition fortzusetzen.

Eingangs des zusätzlich erarbeiteten und der Leserschaft im Rahmen der Neuausgabe präsentierten Teils führt der Autor demaskierende Aussagen Brzezinskis, Kissingers und George Friedmans ins Feld, die eindeutig beweisen: Die Ukrainekrise wurde durch die USA, die NATO und die EU inszeniert, "um weiterhin gegen Rußland vorgehen zu können". Das Hauptaugenmerk Washingtons aber sei darauf gerichtet, eine Koalition zwischen Deutschland und Rußland um jeden Preis zu verhindern. Die westliche Allianz wolle die Russen als Machtfaktor der Weltpolitik ausschalten und ökonomisch ruinieren, um ihr Land wie bereits ganz Osteuropa den westlichen Kapitalinteressen zu erschließen und den imperialen Zielen der USA unterzuordnen.

In diesem Zusammenhang wendet sich Bittner gegen die Täuschungsvokabel "Antiamerikanismus". Sie sei ein "von der CIA geprägter Kampfbegriff".

Aufschlußreich seien auch die inhaltlich konträren Reden Putins vom 24.10.2014 und Obamas vom 24.9.2014. Der Autor vergleicht beide miteinander. Während Putin zur humanitären Zusammenarbeit vom Atlantik bis zum Stillen Ozean aufrufe, behaupte Obama, Rußland stelle die Ordnung der Nachkriegszeit infrage, während den USA Recht vor Macht gehe. Deshalb werde man Rußland die Kosten für sein aggressives Handeln aufbürden. In einer Rede vor der US-Militärakademie behauptete Obama mit Weltherrschaftsanspruch: "Von Europa bis Asien sind wir der Dreh- und Angelpunkt aller Allianzen ..."

Die in der Berichterstattung dominierenden Falschmeldungen der bürgerlichen "Qualitätsmedien" zum Ukraine-Konflikt ins Visier nehmend, stellt Wolfgang Bittner die Frage, was mit dieser extensiven Feindbild-Propagierung bezweckt werden solle. Gehe es darum, die deutsche Bevölkerung wirklich auf einen großen Krieg in Europa vorzubereiten?

Auf die Krim-Problematik eingehend, verdeutlicht er den gravierenden Unterschied zwischen Annexion und Sezession - der Loslösung einzelner Landesteile aus einem bestehenden Staat mit dem Ziel, einen neuen souveränen Staat zu bilden oder sie mit einem anderen Staat zu vereinen. Gewissen Medien macht Bittner den Vorwurf, eine wirkliche Aufklärung über die tatsächlichen Verhältnisse in der Westukraine bewußt zu unterlassen und in bezug auf Rechtsextremismus, Korruption und Gewalttaten zu schweigen.

Unter dem Zwischentitel "Kriegsvorbereitungen" wird nicht nur auf den berüchtigten Satz Poroschenkos vom 20. Mai 2015 verwiesen. man befinde sich in einem Krieg mit Rußland, sondern auch auf die Äußerung des seinerzeitigen polnischen Verteidigungsministers, die Periode des Friedens in Europa sei Vergangenheit. Im Juli 2015 habe General Joseph Dunford bei einer Anhörung im US-Kongreß behauptet, Putin stelle die größte Bedrohung für die Vereinigten Staaten dar. NATO-Strategen - so Wolfgang Bittner - schlössen inzwischen "begrenzte taktische Atomschläge" gegen Rußland nicht mehr aus. Frau von der Leyen sei froh darüber, am Aufbau eines multinationalen Landstreitkräftekontingents aus 5000 Bundeswehrangehörigen bei deutscher Führung der Truppe beteiligt zu sein.

Und wie steht es mit Rußlands Verteidigungsfähigkeit? Der Autor verschweigt nicht, daß Moskau seit Beginn des Ukrainekonflikts ebenfalls aufrüste, allerdings defensiv. Er vermerkt, daß Präsident Putin im Juni 2015 bekanntgegeben habe, Rußland verstärke angesichts der Bedrohung durch die NATO sein Arsenal an Interkontinentalraketen, die mit Atomsprengköpfen versehen werden können. Fest installierte und mobile Interkontinentalraketen mit einer Reichweite von 11.000 km gehörten zum russischen Verteidigungsarsenal. Die sogenannten Topol-M-Raketen seien als Gegenstück zum US-Raketenabwehrschild zu betrachten.

Man muß deshalb die Meinung Wolfgang Bittners unbedingt unterstreichen, daß Westeuropa ohne einen Politikwechsel zum uneingeschränkten Einflußgebiet der USA werde. Nicht zuletzt auch dann, wenn es nicht gelinge, TTIP auszubremsen. Die Spaltung Europas von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer - einer Region, die sich erneut in einem Kalten Krieg mit Rußland befinde - sei "eine Jahrhunderttragödie". Zur Zurückdrängung solchen Wahnsinns reichten Wortgefechte allein nicht aus. Entschlossene Gegenwehr sei das Gebot der Stunde.

Harry Popow, Schöneiche


Wolfgang Bittner: Die Eroberung Europas durch die USA. Zur Krise in der Ukraine. Taschenbuch. 192 Seiten, Westend-Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2015, 14,99 €, ISBN-978-3-86489-120-5 (Überarbeitete und erweiterte Neuausgabe)

*

Traditionstreue mit neuen Akzenten

Der Sächsische Bergsteigerchor "Kurt Schlosser" begeisterte Hunderttausende

Nur wer seine Geschichte kennt, wird seine Lieder verstehen. Kraftvoll-voluminös, auch filigran-feinfühlig erklingen seine Weisen seit fast 90 Jahren. Der Sächsische Bergsteigerchor "Kurt Schlosser" Dresden ist ein Unikat, dessen Tradition in der Sächsischen Schweiz wurzelt. Wenn die maximal 120 Stimmen zu hören sind, begeistern sie die Besucher aus nah und fern.

Alljährlich ist der Bergsteigerchor in nahezu 25 Konzerten zu hören - im In- und Ausland. Das war vor 1933 so, besonders auch vor 1989 - und das ist bis heute so geblieben, wenn auch unter gesellschaftlich anderen Bedingungen als eingetragener Verein.

Eine glatte Straße war sein Weg nie - oft steinig und beschwerlich. In den vielen Jahren seines Bestehens hat der Chor alles erlebt: herrliche Stunden in den Bergen, Konzertsälen und auf Freilichtbühnen, aber auch menschliche Tragödien, Anfeindungen, Verfolgung und Verbot durch die Faschisten, solidarische Hilfe und Befreiung, Lob und Kritik, anstrengende Proben, Dankbarkeit und Förderung, Beifall, Jubel wie Freudentränen.

Der Bergsteigerchor erinnert mit seinem Namen an Kurt Schlosser, der am 16. August 1944 im Hof des Landesgerichts Dresden hingerichtet wurde. Der Tischler, Naturfreund und Kommunist hat bis 1933 und in der Illegalität die Geschicke seines Chores nachhaltig geprägt. Über 50 Sänger nahmen bis 1945 am antifaschistischen Widerstandskampf teil, 47 litten in Konzentrationslagern, Zuchthäusern, Gefängnissen und Strafbataillonen. Elf zahlten mit ihrem Leben.

Vor der Bergsteigerchor-Geschäftsstelle in Dresden-Johannstadt erinnert ein Gedenkstein an Kurt Schlosser. In Kleinhennersdorf erblickt man zwei Denkmale vor der Chorhütte: eine 2,40 m hohe Keramikstele und ein Bronzedurchbruch-Relief auf einem Elbsandsteinquader - beide von Professor Walter Howard. Die Kunstwerke erinnern an die "Roten Bergsteiger" um Kurt Schlosser und die 1. Deutsche Arbeiter-Kaukasus-Expedition, die 1932 für Aufsehen sorgte. 2015 wurde auf Initiative des Chores vor der Leipziger Straße 72 in Dresden-Pieschen - dort stand Schlossers Tischlerwerkstatt - ein Stolperstein verlegt. In ihrer Satzung bezeichnet sich die Sängergemeinschaft als "parteienunabhängigen Männerchor, der sich den antifaschistisch-demokratischen und humanistischen Traditionen heutiger und vergangener Generationen verbunden fühlt".

Zum Chor gehören derzeit etwa 120 aktive Sänger im Alter zwischen 25 und 80 Jahren. Seit dem Gründungsjahr 1927 konnte der Klangkörper seine musikalische Visitenkarte in mehr als 650 Städten und Gemeinden in 13 Ländern Europas, Asiens und Amerikas hinterlegen. Zahlreiche Rundfunk- und Fernsehproduktionen, CDs und Videos haben ihre Liebhaber gefunden. Sein Repertoire - geprägt von den Dirigenten Richard Eißler, Werner Matschke, Karl Heinz Hanicke, Axel Langmann und seit 2013 von Kapellmeister Christian Garbosnik - ermöglicht vielseitige Liedfolgen, unterstützt von professionellen Künstlern, die für hohe Publikumsgunst sorgen.

Ehrendirigent Werner Matschke, der den Chor über 40 Jahre formte, steuerte etwa 100 eigene Kompositionen und Arrangements bei. 22 Jahre war er Direktor des renommierten Kulturpalastes Dresden. Unter seinem Direktorat erlebte dieses Haus des Volkes seit 1969 über 83.000 Veranstaltungen mit 25 Millionen Besuchern. Seither konnte der Bergsteigerchor "Kurt Schlosser" stets zur Herbstzeit im ausverkauften Festsaal zu seinen traditionellen Jahreskonzerten bis 2011 - dem Zeitpunkt der Schließung des Hauses - insgesamt 200.000 Freunde des Chorgesangs begrüßen. Eine Bilanz, die unter Laienchören weltweit wohl ihresgleichen sucht.

Doch trotz hoher Publikumsgunst und vieler Ehrungen zu DDR-Zeiten, als die Reichsbahndirektion Dresden der Trägerbetrieb des Chores war und das Ensemble vorbildlich unterstützte, bleiben die Sänger bis in unsere Tage selbstkritisch. Axel Langmann - Werner Matschkes Nachfolger als Künstlerischer Leiter ab 2003 - betont: "Disziplinierte und engagierte Proben sind für uns unerläßlich." Das sei die Grundlage aller Erfolge und zugleich auch die Arbeit der Stimmbildnerin Marlen Herzog.

Die "Sächsische Zeitung" veröffentlichte 1978 einen Brief von Peter und Petra Krawitz aus Freital über das traditionelle Bergsingen in den Schrammsteinen. Darin liest man: "Ein Urlaubserlebnis werden wir nie vergessen - das Singen des Bergsteigerchores. Schon Tage zuvor erkundigten wir uns bei einem Elbfährmann nach der besten Wandertour dorthin. Aber wir konnten den Weg gar nicht verfehlen, denn wie wir hatten viele Menschen das gleiche Ziel. Der Anblick war herrlich - vor dem Wald der machtvolle Chor. Die Bäume rauschten wie zur Begleitung. Es war ein friedliches Bild. Möge es von niemandem zerstört werden!"

250 Berg-, Wander-, Arbeiter- und Weihnachtslieder, deutsche und internationale Volksweisen, seit 1990 auch zeitkritische Songs, dazu Werke großer Meister - von Beethoven über Wagner, Mozart, Schubert und Weber bis zu Schostakowitsch - geben den Konzerten ein besonderes Flair.

Peter Salzmann, Dresden

*

Eine Fernsehturm-Wette von 1966

Vor 50 Jahren hatte der damalige DDR-Minister für Post- und Fernmeldewesen Rudolph Schulze mit den Bauleuten des Fernsehturmes am Berliner Alexanderplatz eine Wette abgeschlossen:

Sollten sie es schaffen, bis Weihnachten 1966 die Turmhöhe von 160 Metern zu erreichen, dann würde er ihnen 20 Flaschen Sekt spendieren. Als Bauherr des Objekts war er mit Leib und Seele dem Vorhaben verbunden. Die Bauleute schlugen dem Minister ein "Schnippchen" und schafften 181 Meter!

Natürlich waren alle Wett-Beteiligten froh und stolz, daß die Bauarbeiter die Wette gewonnen hatten. Der Minister erkannte seine "Niederlage" an und spendierte 41 Flaschen Sekt! Wem kommt da nicht das Desaster mit dem BER in den Sinn? Nicht die Flaschen "Minister-Sekt" waren der entscheidende Anreiz, sondern der gemeinsame Spaß am Wettbewerb und an einer Arbeit, die damals eben nicht bloß als "Job" verstanden wurde.

Diese kleine Geschichte konnte ich dem "Frankfurter Tele-Express" vom 11. April 1967 entnehmen. Hier wird geschildert, wie der Minister im Hauptpostamt Bad Freienwalde "seinen" Mitstreitern im Postzeitungsvertrieb humorig von der Wette erzählte. Einmal mehr könnte man fragen, ob solche damals alltäglichen Begebenheiten heute noch denkbar sind ...

Hans-Ulrich Tittler, Berlin

*

Martin Andersen-Nexö ehrte die Mütterlichen
Das Werk des großen Dänen war unbeugsamen Menschenkindern gewidmet

Ein literarisches Werk kann Heranwachsenden zum Meilenstein werden - ähnlich wie einschneidende Erlebnisse reifer machen, wenn einfühlsame Begleiter dem Jugendlichen zur Seite stehen. Für mich rangiert unter diesen Büchern "Ditte Menschenkind" von Martin Andersen-Nexö an vorderer Stelle. Der dänische Dichter (1869-1954) hat darin von einer proletarischen Frau um den vorvorigen Jahrhundertbeginn berichtet, "von ihrer endlosen Plackerei, ihrer unermüdlichen Fürsorge, ihrer nie versagenden Opferbereitschaft". Doch mit trivialen Frauenromanen und bigotten Leidensglorifizierungen hat Dittes Geschichte nichts gemein.

Die Heldin, das Menschenkind, eine von den Herrschenden ausgeplünderte und verachtete Angehörige der Unterklasse, bewahrt ihre Würde tapfer in endlosen Alltagskämpfen. "Ihr - (...) der unbeugsamen Mutter der Hoffnung - wollte ich mit meinem Buch ein Denkmal setzen", wird der Autor auf dem Klappentext der 1957 im Berliner Dietz-Verlag erschienenen Ausgabe zitiert.

Als 14jährige habe ich einst in der Bibliothek nach dem Andersen-Band gegriffen und vermutete darin die geliebte Zauberwelt der Kinderjahre. Die Erzählung sollte mich fesseln von der ersten bis zur letzten Seite - und mich am Ende ein Stück weiter in das wirkliche, von Kämpfen bestimmte Leben hineingeführt haben. Suche nach Lebenssinn und Gerechtigkeit, nach dem Mann- und dem Frau-Sein, nach Antworten zu den großen Fragen über woher und wohin - sie treiben junge Menschen um, welche die Traumzauberwelt zu verlassen sich anschicken. Der Martin Andersen, der "Ditte Menschenkind" schrieb, heißt nur zufällig wie der in Odense geborene Märchendichter. Der Namenszusatz Nexö auf Bornholm bezeichnet den Geburtsort des realistischen Literaten.

Bücherliebhaber wie ich nehmen die Phantasiegeschichten der Kindheit gern mit ins Leben. Doch als Erwachsene haben sie sich der Realität zu stellen und wissen, daß sich am Ende nicht alles selbstverständlich zum Guten wenden wird wie zum Beispiel in der Geschichte des Andersen-Odense über die kleine Meerjungfrau. Auch Ditte, die Heldin von Andersen-Nexö, wächst heran, aber nicht als Königskind, sondern als ein rechtloses, herumgestoßenes Landarbeitermädchen. Sie schuftet, leidet, hofft und liebt, und sie stirbt mit 25 Jahren. Ich habe sie beweint und wieder und wieder das Buch über sie zur Hand genommen.

Zunächst waren mir die Erfahrungen meiner literarisch-fiktiven Altersgenossin Ditte fremd. Denn ich selbst, zu Hause in einem fortschrittlichen, lesefreudigen Elternhaus und begleitet von Lehrern mit marxistisch-humanistischem Berufsethos, kannte weder Hunger noch Bildungsnotstand, weder körperliche Züchtigung noch seelische oder gar sexuelle Gewalt, weder soziale Ausgrenzung noch Perspektivlosigkeit. Ditte Mann aber muß sich von früher Kindheit an gegen all diese Widerwärtigkeiten behaupten. Martin Andersen-Nexö hat seine Heldin so lebendig gestaltet, daß sie mir zur Freundin wurde. Als unerwünschtes, unehelich geborenes Kind wohnt sie zuerst bei den Großeltern. Das Mädchen ist kräftig und lebensfroh. Ihren Alltag bestimmt die harte Arbeitsfron des Landproletariats. In ihrer Umgebung erlebt sie gewöhnliche Gaunereien, Korruption und ein übles Verbrechen. Stets muß sie aufpassen, wem sie vertraut, und sie selbst sieht sich isoliert und verspottet als die Tochter einer inhaftierten Mutter und eines Vaters, der das verachtete Schinder-Gewerbe ausübt. Später ist sie den Übergriffen dienstherrschaftlicher Söhne ausgesetzt und hat die Folgen allein zu tragen. Ditte verliebt sich, ihr Liebster verläßt sie, sie wird Mutter, und immer kümmert sie sich um Mitmenschen, fremde wie nahestehende. Ihren Freund und Gefährten Karl, einen Arbeiter, begleitet sie auf Versammlungen. Da denkt und redet sie mit, wenn Frauen und Männer über das Los der doppelt freien Lohnarbeiter diskutieren: "Glaubst du daß es für Sklaven eine andere Freiheit gibt als die, durchzubrennen? ... Die andern haben die Freiheit - uns krepieren zu lassen, wenn sie keine Verwendung mehr für uns haben. ­... Demokratie heißt das wohl. ..., man verjagt uns und fängt uns nach Belieben wieder ein. ... Das ist unsere Freiheit." Und diese Stelle 2015 wieder lesend, kommen mir spontan die gängigen neoliberalen Begriffe "Humanressourcen" und "Flexibilisierung des Arbeitsmarktes" in den Sinn.

Am Ende ihres kurzen Lebens liegt sie zu Tode erschöpft darnieder. "Ditte findet, daß sie nichts ausgerichtet hat; und doch war's, als ob sie eine furchtbare Bürde einen Berg hinangeschleppt hatte - bei diesen Sorgen um das bißchen Essen, Kleider, Wärme. Und jeden Morgen war im Laufe der Nacht die Last hinabgerollt und mußte wieder mühselig auf den Gipfel gebracht werden! Entsetzlich!"

Dittes Fieberphantasie ist die antike Legende vom Sisyphos. Ich hatte davon in Sagenbüchern gelesen; sie zeichnet das Menschenbild vom ewig Unterworfenen. Doch ein großer deutscher Denker setzte im 19. Jahrhundert seinen Entwurf dagegen. Den berühmtesten Satz aus Karl Marx' Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie kannte ich inzwischen aus dem Schulunterricht "mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist". Martin Andersen-Nexö, der diese Verhältnisse aus eigenem Erleben kannte und ein streitbarer Marxist war, hat sie geschildert.

Sie sind zum Teil wiederhergestellt. Alleinerziehende Mütter in der Armutsfalle, soziale Ausgrenzung, Armut trotz Arbeit oder Benachteiligung von Arbeiterkindern bei den Bildungschancen sind in der reichen Bundesrepublik Deutschland traurige Realität.

Marianne Walz

*

Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

In einem der schönen Tagebuch-Kalender von Klages habe ich diesmal einen Spruch von Sartre gefunden, der mich begleiten wird: "Vielleicht gab es schönere Zeiten, aber diese ist die unsere."

Er hat recht. Es ist unsere Zeit, und nur diese eine ist unsere Chance, etwas zu verändern. Auf die nachfolgenden Zeiten haben wir als durchschnittliche Menschenkinder keinen Einfluß. Die Seele fragt, ob nicht vielleicht doch ein Lied, eine Angewohnheit, ein Spruch, ein Fischrezept wenigstens, bleiben könnte. Ja, vielleicht, aber vom Grund her? Es hat bei Größeren nicht gereicht, mach dir nichts vor!

Unsere Zeiten, was bringen sie uns gerade? Den äußersten Rand zwischen Gelassenheit und Beunruhigung. Unsere ehemaligen europäischen Bruderländer gleiten, rutschen und ackern sich nach rechts. Über der Wüste wird - sehr wahrscheinlich aus Rache - ein russisches Flugzeug abgeschossen, das gerade Leute aus dem Urlaub nach Hause transportieren wollte. Ich kann mich ja irren, aber mir scheint die Weltpresse darüber ziemlich unaufgeregt. Weil es sich "nur" um Russen handelt? Weil Weltverbrechen an westlichen Ländern, wie ein abgeschossenes holländisches Flugzeug, gar ein Überfall auf das Bierzelt in München oder auf das World Trade Center, anders abgerechnet werden? "Dort sind zehnmal mehr Unschuldige ermordet worden." Kommt es darauf an?

Mein Leben lang habe ich über die Sehnsucht nach Frieden geschrieben, die uns, die den Unfrieden erfuhren, wohl eint. Sie füllt mir die Seele, sie führt mir den Stift, diese unbefriedigte Sehnsucht.

Indes stehlen die Angehörigen von Boko Haram, ziemlich unaufgehalten, aus den Dörfern kindliche Mädchen, um sie zu versklaven. Das heißt, sie zu einem Glauben zu zwingen, der ihnen verbietet, ihr eigenes Leben zu führen, ihren Körper zu schützen, ihren Kopf zu benutzen.

Ein lauterer Mann von "drüben", der auch immer eine Meinung hatte und nichts bewirken konnte, fordert mich mit einer kostbar gestalteten Postwurfsendung auf, durch eine Patenschaft zu erreichen, daß ein Mädchen irgendwo auf der Welt, in einem nicht näher genannten Land, nicht mit elf Jahren verheiratet und also gerettet wird. Die rührende Aufforderung ist ganz diskret gestaltet, vor allem völlig unpolitisch. Damit auch kein Bösewicht böse werden kann, wenn sie ihm zufällig in die Hände fällt. Bei den bedauerten Verbrechen an weiblichen Kindern scheint es sich um Naturkatastrophen zu handeln.

Spätestens seit den Machtkämpfen um Griechenland ist unübersehbar, daß die so erhoffte, so dringend benötigte Gemeinschaft, nicht nur für das kriegsversehrte Europa, sondern für die ganze Menschenwelt, an Interessen und Eigennutz scheitert. Daß der Traum vom persönlichen Reichtum über die Sorge für alle unausrottbar triumphiert.

Ich will das nicht denken, aber anders ist die jetzige Lage nicht zu erklären. Das Schreckliche, das an die Wand gemalte Entsetzen, ist möglich.

Das glauben wir nicht? Wir versuchen zu hoffen, daß unsere überbezahlten, vor Selbstbewußtsein strotzenden Politiker schon irgendwie recht haben, wenn sie uns erzählen, wie sie für uns vorsorgen.

Und dann schlagen zwei Hände voll Idioten auf eine der schönsten, gastfreundlichsten Städte der Welt ein. Sie zeigen uns, wie leicht das geht. Ich werde ein Leben lang nicht vergessen, was eine Mutter gesagt hat: "Ich wollte meinem Sohn eine Konzertkarte schenken und habe ihm den Tod geschenkt."

Wen ruft man an solchem Abend an, wie findet man Erleichterung? Der unwiderstehliche, weil an Erfahrung geschulte Gedanke lautet: "Es geht, sie können es, und es gibt eigentlich kein Mittel dagegen." Das wissen wir doch seit dem 11. September, und warum begriffen wir es erst da?

Die Verbrechen haben stattgefunden, ob in Hiroshima, in den vietnamesischen Wäldern, in Afrika oder auf den europäischen Schlachtfeldern. Wir wissen, daß bittere Armut der sichere Gang zum Irrweg ist, daß die Ausbeutung der Erde das Leben auf ihr gefährdet.

Wir wissen, daß die Macht der Wenigen nicht ohne Einhalt bleiben darf, und wie gefährdet der Boden ist, auf dem sie immer wieder zum Zuge kommen.

In Kiew, so wollte uns ein Teil der Presse glauben machen, wurde um Demokratie gestritten. Von wem? Von jenen Oligarchen, die den Zerfall der Sowjetunion zu eigenem märchenhaften Reichtum genutzt haben? Solchen Männern, die in den USA ausgebildet wurden, jene Unordnung herzustellen, in der sich eine neue Ordnung, die angestrebte Veränderung der Machtverhältnisse, einrichten ließ.

Ich hatte nicht vor, noch einmal nach Paris zu reisen. Aber ich sehe im Fernsehen eine Straße, durch die ich einmal, allein, gegangen bin. Der Boden ist jetzt unter Blumen unsichtbar geworden. Damals war es ein heiteres Hin und Her, und ich wollte nach Hause, in mein sommerliches, aufgeregtes, nicht gar so charmantes Berlin. Aber erst einmal mit vielen Zeitungen unterm Arm in mein Hotelzimmer, nach Paris. Und habe sie doch geatmet, diese Stadt, habe alles eingeatmet, auch dieses Fluidum der Leichtigkeit, dieses Offene. Ich dachte damals: Diese Menschen sind ganz bei sich selber, deswegen können sie so offen sein für andere.

Es ist nicht leicht, das zu teilen, wenn man ganz anders aufgewachsen ist und anders gelebt hat.

Die Niederlagen mehren sich. Sie übertreffen die kleinen Siege. Vor Jahren wollte meine Enkeltochter einmal Paris zu Silvester erleben, ohne das vorher zu organisieren. Wie in Berlin zum Brandenburger Tor, wollte sie dort in der Menge untertauchen, mit anderen das neue Jahr begrüßen. Was sie erlebte, war der Frust der arbeitslosen Vorstädter, der Jugendlichen, die abends die Innenstadt überfluteten, um auf ihre Arbeitslosigkeit und ihre ungelösten Bleiberechte aufmerksam zu machen. Wer sich dort auskannte, ging im Dunkeln nicht auf die Straße, sondern blieb zu Hause oder verschwand in Restaurants jeder Preisklasse. Meine Kinder waren dort unaufgeklärte Fremde, die fanden nirgendwo Platz, blieben zu Fuß und im Lärm der Proteste.

Nicht nur die Kriegsgefangenen in meiner Kindheit sind mir immer in wärmender Erinnerung geblieben, ich habe französische Freunde wie Fania Fenelon geliebt und bin in Berlin Menschen aus Paris begegnet, die ich nie vergessen habe. Mit Sophie und ihrem Mann Jean war ich im Konzentrationslager Sachsenhausen. Dort ist ihr Onkel erschossen worden.

Wir haben beide geweint. Durch sie weiß ich, wozu diese Teststrecke für Frontschuhe genutzt wurde, von Häftlingen "ausprobiert." Sie haben das meist nicht überlebt.

Als wir uns kennenlernten, auf einem Bahnsteig, mußten wir beide lachen. Wir waren am selben Tag geboren worden und sahen uns lächerlich ähnlich. Nun erinnere ich mich, und es tut weh, daß ich keine Adresse habe.

Paris, schmerzhaftestes Lehrgeld, aus dem nicht einmal eine Lehre herausschaut. Wer sich am schnellsten dazu bekannt hat, war es vielleicht nicht, sondern benutzt den Schrecken zur eigenen Bestärkung.

Ich wollte, es wäre eine Arbeit zugange, die sich Frieden nennt. Die immer noch geltende Verteilung von Macht und Reichtum bereitet der Erde und damit ihren Bewohnern gerade neue Verteilungskämpfe.

Schrecklich, das zu sagen, aber vielleicht ist der Schock nötig gewesen, um die trägen Politiker aufzurütteln, daß sie ihrer Verantwortung gerecht werden müßten. Was tagen sie ewig ohne Ergebnis? Und immer schaut heraus, daß sie etwas anderes anstreben als Frieden, endlich und einmal für lange Zeit Frieden.

*

Leserbriefe an RotFuchs

Der britische Ex-Premierminister Tony Blair hat am 25. Oktober 2015 in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN zugegeben, daß der Westen - die USA unter George W. Bush und Großbritannien unter seiner Führung - für den Aufstieg des Islamischen Staates (IS) die Verantwortung trägt. Es gäbe "Elemente der Wahrheit", daß der von den USA mit Unterstützung Großbritanniens geführte Krieg dem IS Vorschub geleistet habe, bestätigte der Londoner US-Pudel. "Natürlich kann man nicht behaupten, daß jene von uns, die 2003 Saddam Hussein stürzten, keine Verantwortung für die Situation im Jahr 2015 tragen." Damit gesteht Blair seine Mitschuld ein. Es wurde damals von einem irakischen Massenvernichtungsprogramm mit Chemiewaffen gefaselt, das gar nicht existierte. Um das britische Unterhaus und die eigenen Regierungsmitglieder für eine Kriegsteilnahme zu gewinnen, behauptete Blair seinerzeit, die Iraker könnten innerhalb weniger Stunden Großbritannien bombardieren. Tatsächlich wurde Irak in diesem Krieg verwüstet und verlor über 100.000 Menschen, während etwa 140 Briten bei den Kämpfen den Tod fanden.
Nach dem Völkerrecht muß Blair zur Rechenschaft gezogen werden. Dies fordern auch die britischen Hinterbliebenen 70 Jahre nach Beginn des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses. "Ich will, daß Tony Blair in Handschellen abgeführt wird", sagte der Vater eines gefallenen britischen Soldaten dem Reporter vom WDR 5.

Dr. Matin Baraki, Marburg


Es freut mich schon, wenn der sozialdemokratische Ortsvereinsvorsitzende von Bremen-Nord, Prof. Dr. Jochen Windheuser, mir eine Mail schickt und darum bittet, zu Informationen über unseren gemeinsamen Genossen Karl Wastl auch gemeinsam beizutragen. Hier ist das Ergebnis, das uns sehr freut. Eine Straße wird nach Karl Wastl benannt, der 1964 in einem kleinen Vorort von Bremen-Nord verstarb. Leider gehörte er in den 50er Jahren nicht mehr unserer KPD an, die 1956 in die Illegalität gezwungen wurde. Doch Kommunisten wie das Betriebsratsmitglied der Bremer Vulkan-Werft Seppel Sosna unterhielten freundschaftliche Beziehungen zu ihm.
Der sozialdemokratische Freund Jochen Windheuser hat übrigens bereits auf einer Friedenskundgebung der Initiative Nordbremer Bürger gegen den Krieg gesprochen. Wir arbeiten auch gemeinsam in den Willkommensinitiativen von Bremen-Nord für Kriegsflüchtlinge und andere bei uns Zuflucht Suchende. Natürlich werden wir Kommunisten auch an der Straßenbenennung im neuen Wohngebiet teilnehmen.

Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen-Nord


Als deutscher wie als türkischer Kommunist muß ich der These mancher widersprechen, in der Demokratischen Partei der Völker (HDP) träten "soziale Fragen gegenüber der Nationalitätenfrage in den Hintergrund". Bei beiden Wahlkämpfen im Jahr 2015 spielten die Rechte und Probleme der Arbeiterklasse in der Agitation und Propaganda der HDP durchaus eine wichtige Rolle. Auch in ihrem Parteiprogramm sind die soziale Frage und der antiimperialistische Kampf fest verankert. Dabei ist klar, daß die HDP als gemeinsame Front unterschiedlicher marxistischer, linker und progressiver Kräfte in allererster Linie eine antifaschistischdemokratische und antiimperialistische Politik verfolgt. Der massive Terrorkrieg des türkischen Staates gegen sie und das kurdische Volk belegen, daß elementare demokratische Forderungen in der Türkei noch immer hochaktuell sind.
Dortige Kommunisten müssen den großtürkischen Chauvinismus in jeder Form entschlossen bekämpfen, da er eine der Hauptmethoden zur Ablenkung der Arbeiter vom Klassenkampf ist. Die HDP ist die antifaschistisch-demokratische Kampffront aller fortschrittlichen Kräfte in der Türkei und in Kurdistan.

Dennis Simon, Berlin


Die Türkei wird von einer unberechenbaren, dummen und skrupellosen Bande regiert. Ihre südlichen Grenzen sind löchrig wie Schweizer Käse. Hier schlüpfen die brutalen Islamisten des IS und die zur Finanzierung der Erdogan-Familie dienenden Erdöl-Konvois sowie der in unseren Städten rekrutierte Dschihadisten-Nachschub durch. Der Ministerpräsident aber leiert die gleichen Tiraden "wer unsere Landesgrenzen und den Luftraum verletzt ..." herunter.
Die gesamten Ressourcen des Staates bis zur kommunalen Ebene sind dafür eingesetzt, den Krieg und die Massaker in Syrien anzuheizen. Und Erdogan redet unverfroren davon, daß "die Türkei die Souveränität aller ihrer Nachbarn respektiert".
Unser Land ist wirklich einer großen Bedrohung ausgesetzt.Diese wird von einer reaktionären Koalition verursacht, welche die Unterstützung von islamistischen Terrorbanden mit Außenpolitik verwechselt und das Land von einem zum nächsten Abenteuer lenkt. Es handelt sich um die Koalition aus AKP, IS, arabischen Scheichs, El Kaida und zig Geheimdiensten.
Da ist es eher zweitrangig, ob eine russische Maschine unseren Luftraum tatsächlich verletzt hat oder nicht. Es ist genauso zweitrangig, ob die NATO dem Abschuß zugestimmt hat oder nicht. Was zählt, ist allein das Recht des syrischen Volkes und dessen legaler Regierung, sich gegen den islamistischen Terror zu wehren und ihn zu bekämpfen. Wichtig ist das Recht unseres Volkes, sich von der kriegstreiberischen und skrupellosen Herrschaftsclique zu befreien und den Kampf gegen den Imperialismus fortzusetzen.

Kommunistische Partei (Türkei)


Die langjährige Moderatorin der Berliner Friedenskoordination Laura von Wimmersperg ist wegen einer Antidrohnenaktion im Deutschen Bundestag angeklagt. Sie hatte mit drei anderen Friedensaktivisten im April 2013 eine Bundestagsdebatte genutzt, um mit rot angemalten Händen auf den Zuschauerplätzen gegen die Anschaffung von Kampfdrohnen lautstark zu protestieren. Die Hauptverhandlung gegen Laura soll im Februar in Berlin stattfinden. Es gilt, ihr auch während des Prozesses unsere unerschütterliche Solidarität zu bekunden.
Für den regionalen Sprecherrat der IG Frieden-Gerechtigkeit-Solidarität der Partei Die Linke

Dieter Siegert/Raimon Brete, Chemnitz


Mit großem Interesse habe ich den im November-RF veröffentlichten Beitrag "Adenauers Jagd auf die unter Hitler Gejagten" gelesen. Das Verbot der KPD im August 1956 war nur der Höhepunkt der Aktivitäten der Bundesregierung gegen alle Kräfte, die dem Nazismus konsequent und bis zu dessen letzter Stunde Widerstand entgegengesetzt und auch die meisten Opfer gebracht hatten. Bereits am 26. Juni 1951 wurde die Freie Deutsche Jugend in Westdeutschland verboten, eine Maßnahme, die das Bundesverwaltungsgericht am 26. Juli 1954 bestätigte. Am 21. Juli 1951 verbot man die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN. In diese Zeit fällt das berüchtigte Strafrechtsänderungsgesetz vom 31. August 1951, das als "Blitzgesetz" in die BRD-Geschichte einging und die Staatsschutzbestimmungen in unerträglicher Weise aushöhlte, um jegliche kommunistische Aktivitäten unterbinden zu können. Auch Jupp Angenfort fiel dieser Gesinnungsjustiz zum Opfer.

Rechtsanwalt Ralph Dobrawa, Gotha


Als Leiter des Projekts "Lenin is still around" (Lenin ist noch zugegen - www.leninisstillaround.com) wende ich mich an Sie, um unser Projekt vorzustellen. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie Ihre Leser von folgendem in Kenntnis setzen könnten: Wir haben die letzten Lenin-Denkmäler auf deutschem Boden gesucht und uns einerseits für den Umgang mit den sozialistischen Symbolen im heutigen Deutschland interessiert, uns andererseits mit der Figur des sowjetischen Staatsmannes als ästhetischer Ikone auseinandergesetzt. Die verschiedenen Statuen, Büsten und Reliefbilder stellen den roten Faden für einen fotographischen Rundgang durch die verlassenen und verfallenen, aber auch wohlbekannten und gepflegten Orte dar, an denen Lenin heute noch vorzufinden ist.

Carlos Gomes: info@leninisstillaround.com


Wenn es nach mir ginge, dann würde ich die Gauck-Birthler-Jahn-Behörde sofort auflösen. Ein Hauptgrund: die Verschwendung von Steuergeldern. Den Nutzen haben nur bestimmte politische Parteien. Bei der Betrachtung dieser enormen Mittelvergeudung komme ich als Niederbayer zwangsläufig auf den Gedanken: Wie lief denn das eigentlich bei der Aufklärung der Naziverbrechen in der BRD?
In den 13 Jahren, in denen ich die Schule besuchte, kam mir kein einziger Zeitzeuge zu Gesicht, der uns irgend etwas über die Greueltaten zu Zeiten des 3. Reiches erzählt hätte. Die Geschichtslehrer waren stumm wie die Fische. Im Gegenteil: Mit den Altnazi-Paukern wurden in unserem Klassenzimmer so manche Schlachten des Zweiten Weltkriegs nachträglich noch einmal geschlagen.

Johann Weber, Ruhstorf (Niederbayern)


Das Novemberheft hat mir wieder sehr gut gefallen. Großartig sind mindestens zwei ganz gegensätzliche Veröffentlichungen. Arno Funke hat sich mit seiner Karikatur über den "Sicheren Osten" wieder einmal selbst übertroffen! Grandios, diese satirische Lachnummer!
Das ganze Gegenteil beinhaltet der Artikel über Ernst Puchmüller. Kein Wort vermag auszudrücken, wie bewundernswert dieser Mensch ist. Er selbst hob sich empor aus tragischstem Leben, was anderen Mut und Kraft geben kann, jeder Misere, jedem Unglück zu widerstehen und sie zu überstehen. Sein Gedicht "Mein Schwur" gibt Zeugnis von seiner Standhaftigkeit, kommunistischem Denken und seinen großen Idealen. Nicht zu vergessen seine schon an ein Wunder grenzende Tapferkeit, wenn man bedenkt, an welchem Ort und in welcher Zeit er es schrieb.

Barbara Ludwig, Berlin


Mit Freude habe ich den November-"RotFuchs" - die immer anspruchsvolle Tribüne - erhalten. Gisela Steineckerts Beitrag "Hand aufs Herz" hat mich dazu angeregt, meine Gedanken aufzuschreiben. Mir steigt die Zornesröte ins Gesicht, wenn man die zunehmend neonazistischen und ausländerfeindlichen Hetzparolen bei gewissen Demonstrationen am Bildschirm zur Kenntnis nehmen muß. Oft artet es in Gewalt aus, was mich aber nicht wundert. Solche Haltungen werden doch durch die Medien, z. B. durch "Dokumentationen" über Hitler und dessen Schergen, ganz bewußt ausgelöst. Ich meine hier den Schwindel bei Phoenix wie "Hitlers Reich" und "Hitlers Generäle" sowie die geplante Neuausgabe des Machwerkes "Mein Kampf". Als jüngstes Beispiel steht mir der neue Film "Er ist wieder da" vor Augen. Ich halte das für unerträglich!

Siegfried Tietz, Altenberg/Sa.


Im Oktober-"RotFuchs" benutzt Klaus Steiniger in seinem Leitartikel "Kein Anschluß unter dieser Nummer" das Wortbild "einer sich im Verlauf von Jahrzehnten sukzessiv zersetzenden Sowjetunion". Das zähle - neben inneren Gründen - zu den "äußeren Faktoren", welche zum Untergang der DDR geführt hätten. Ich hege keinen Zweifel, daß die Ereignisse in der UdSSR sogar die primären oder maßgebenden Gründe dafür waren, daß es mit der DDR zu Ende ging, war doch deren Preisgabe der wichtigste Faktor am Beginn der total veränderten Deutschlandpolitik der neuen sowjetischen Führung. Das gilt bis heute. Handelte es sich aber um das "logische Ende einer innersowjetischen Zersetzung"? Hier beginnt meines Erachtens die Kritik zu früh.
Ich würde eher von einem Staat mit wachsenden Schwierigkeiten bei der Bewältigung bestimmter Probleme sprechen. Bei Konterrevolutionen in der Geschichte, was auch auf die Sowjetunion zutrifft, müssen wir uns auch deren Logik erschließen, nicht nur jene von Revolutionen. Das würde uns vielleicht etwas erhabener gegenüber den Fragen von "Untergang" und "Ende" machen.

Hermann Jacobs, Berlin


Am 8. November haben wir in Magdeburg schöne Stunden mit Gisela Steineckert und Jürgen Walter erlebt. Ich wünsche beiden auf diesem Weg alles Gute und uns vor allem noch viele bemerkenswerte Beiträge von Gisela im "RotFuchs". Mögen auch immer mehr RF-Leser einen gemeinsamen Auftritt der beiden Künstler genießen. Er frischt Geist und Zuversicht auf und vermittelt zugleich die Hoffnung auf eine bessere Welt.
P. S.: Die von mir gelesenen "RotFüchse" kommen fast alle als Lektüre in den Saunabereich der Schönebecker Salztherme. Ich konnte bereits feststellen, daß sich auch hier Interessenten fanden.

Harald Grünbeck, Magdeburg


Das Interview mit Margot Honecker, das in der jW veröffentlicht wurde, habe ich geradezu verschlungen. Dort ist noch nicht einmal im ausreichenden Maße von Margots eigener und der Leistung ihrer Mitarbeiter die Rede, die fortschrittlichste Schulpolitik der deutschen Geschichte verwirklicht zu haben. Ziehen wir doch einmal die Zeit nach 1945 in Betracht, als Neulehrer den Anfang gestalten mußten und Blume bisweilen mit "h" geschrieben wurde. Daraus entwickelte sich das wohl modernste Schulwesen Europas. Finnland profitiert bis heute davon. Auch in diesem Zusammenhang will ich erwähnen, daß ich der DDR immer noch etwas schulde, finanzierte sie doch nicht nur meinen Schulbesuch an der POS und der EOS, sondern auch mein Studium. Leider konnte ich es ihr nicht mehr zurückgeben, denn es nahte bereits der Herbst 1989!

Andreas Lässig, Waldheim


Unlängst veröffentlichte die "junge Welt" das doppelseitige Interview Margot Honeckers mit einem griechischen Journalisten. Ich gehe davon aus, daß es auch viele RF-Bezieher gelesen haben. Die Antworten der DDR-Volksbildungsministerin stellen eine Analyse vom Standpunkt der Arbeiterklasse dar und dokumentieren die geschichtliche Wahrheit. Dieses Interview gehört zur humanistischen Bildung und müßte in die Aufarbeitung der DDR-Geschichte und der europäischen Nachkriegschronik Eingang finden.

E. Rasmus, Berlin


Den Menschen unterscheidet von anderen Lebewesen, daß er denkt, spricht und arbeitet. Sein Wirken zur Veränderung der Natur ist für ihn eine Lebensnotwendigkeit und seine Existenzgrundlage. Die Arbeit in der Rüstungsindustrie dient nicht dieser Bedürfnisbefriedigung. Hier werden Dinge hergestellt, die der Vernichtung dessen dienen, was der Mensch geschaffen hat. Sie führen letztlich zu seiner eigenen Vernichtung.
Im Kapitalismus gibt es antagonistische (unüberbrückbare) Widersprüche zwischen den Klassen. Sie sind durch das Streben der Produktionsmittel- und Kapitaleigner nach Maximalprofit bedingt. Auch für das derzeitige Flüchtlingsproblem ist der Kapitalismus die Grundursache. Es gilt den Zusammenhang zwischen der Massenflucht von Menschen und der kapitalistischen Produktionsweise aufzudecken. Zugleich ist es selbstverständlich unsere Pflicht, Menschen in Not zu helfen.

Gerda Huberty, Neundorf


Überall in der BRD gibt es Bürger, die angesichts der hohen Zahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern aus unterschiedlichen Motivationen nicht gerade sachlich und fair diskutieren. Mein Zorn richtet sich keineswegs gegen Menschen, die aus nachvollziehbaren Gründen ihre Heimat verlassen haben.
Er gilt vielmehr den Ursachen und Verursachern dieser Massenflucht. Kriege und blutige Konflikte fallen nicht vom Himmel, sondern sind beweisbar organisiert. Jeder weiß, daß heute die USA und die NATO überall dahinterstecken. Die dort Regierenden und deren Vasallen haben die Kriege vom Zaun gebrochen und sind bemüht, anderen deren angebliche Legitimität einzureden. Die BRD sitzt mit in diesem Boot.
Ich habe die Länder nicht gezählt, in denen - nach dem als "deutsche Einheit" ausgegebenen Anschluß der DDR an die BRD - Angehörige der Bundeswehr im Einsatz sind. Und ich vermag auch die Spannungs- und Krisengebiete nicht alle zu benennen, in die modernste BRD-Rüstungsgüter geliefert werden. Für deren Export aber zeichnet im Kabinett Merkel Vizekanzler Gabriel (SPD) verantwortlich. Unterstützenswerte deutsche Politik müßte in erster Linie friedensstiftend und stabilisierend sein. Aus diesem Grunde sollte die Bundesregierung auch ihre derzeitige Haltung gegenüber Rußland schnellstens korrigieren.

Horst Franzkowiak, Hoyerswerda


Die neue Internetseite des RF wirkt modern und macht einen sehr aktuellen Eindruck!
Noch ein Tip: Bitte ein Pulldown zur Weltchronik einfügen! Tatsächlich ist es nötig, daß wir die Menschheitsgeschichte in groben Zügen und aus unserer Sicht auf dieser Website darstellen. Warum? Weil heute kompetente linke Historiker und Zeitzeugen noch daran mitarbeiten könnten.

Torsten Scharmann, Berlin


Alle Flüchtlinge, die bei uns ankommen, haben unabhängig von Herkunft und kultureller Identität ein gleiches Recht auf Asyl in diesem Land. Sie sollten aber - aus meiner Sicht - auch die Pflicht haben, nach Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen ihr zerstörtes Heimatland wieder mit aufzubauen.

Gerd Kmoch, Aachen


Ich möchte mich dafür bedanken, daß mir mit dem Beitrag Prof. Dr. Horst Schneiders im November-RF überzeugende Argumente zur Flüchtlingsfrage vermittelt wurden.

Hans Wolf, Cottbus


Aus der "jungen Welt" erfuhr ich, daß es endlich einen Jürgen-Kuczynski-Park in Berlin gibt. Beim Studium des 1955 erschienenen Werkes aus der Feder von J. K. "Die Geschichte der Lage der Arbeiter in Deutschland/Westdeutschland seit 1945" stellte sich mir der Bezug zum "RotFuchs" her: "Auch nach dem 8. Mai 1945 wurde Niedersachsen von Nazis regiert / Kopf einer braunen Schlange" stand im RF vom März 2014. Meine Grüße gehen an Jobst-Heinrich Müller aus Lüneburg, den Verfasser des aufschlußreichen Artikels.
Jetzt las ich im RF den Beitrag "Wie der Mythos von der 'freiheitlich-demokratischen Grundordnung' zerstört wurde / Adenauers Jagd auf die unter Hitler Gejagten" aus der Feder von Joachim Augustin aus Bockhorn in Friesland.
Zu den unter Hitler und später Gejagten gehörte auch meine Familie. Der "rote Faden" ihrer Geschichte ist mit dem "RotFuchs" und der jW verknüpft. Es stellt für mich eine große Erleichterung dar, fundiertes Hintergrundwissen durch unsere Publikationen zu erhalten.
Noch eine rhetorische Frage: Was wäre mit uns geschehen, wenn wir nicht vom Faschismus befreit worden wären? Massenmorde noch kurz vor Kriegsende sollten ja den Aufbau eines antifaschistischen Deutschland erschweren.

Edwin Wesemann, Hannover


Unlängst las ich ein Interview mit einem Reisejournalisten. Dabei ging es um die Frage, welche Ziele 2016 am meisten ins Auge gefaßt würden. Klassiker seien nach wie vor die Kanarischen Inseln und Mallorca, sagte der Kenner dieser Materie. Er fügte hinzu: "Doch schon gleich danach kommt Kuba ... Viele wollen dorthin, bevor sich durch die politische Annäherung an die USA das Gesicht der Karibik-Inseln ändert."
Das erinnert mich an den zwielichtigen Egon Bahr, der in seinen jüngeren Jahren zu den aggressivsten Kalten Kriegern gehörte - besonders als RIAS-Chefredakteur am 17. Juni 1953. Seine Strategie zielte auf die Unterwanderung der sozialistischen Staaten und vor allem der DDR ab. Mit "Wandel durch Annäherung" oder "In der Umarmung erwürgen" beschrieb er damals das Ziel allen Handelns. Sehe ich da im Hinblick auf Kuba vielleicht zu schwarz? Schön wäre es, wenn es für meine Befürchtungen keinen Grund gäbe.

Dieter Bartsch, Berlin


Im Rahmen der vielen "Neu-Deutschland-Jubiläen" erfuhren/erfahren wir in den Medien unendlich viel und durchweg Schlimmes über die DDR. Da wäre es doch zur Abwechslung mal recht interessant, wenn sich Leser in der April-Ausgabe des RF an ein ganz besonderes Jubiläum erinnern würden: Ab 9. April 1966 gab es bei uns im 14tägigen Rhythmus den arbeitsfreien Sonnabend als Start zur darauf folgenden Fünf-Tage-Arbeitswoche. Ich war da noch ein "junger Spund", aber ich kann mir gut vorstellen, welche Erleichterung das mit sich brachte. Dabei wäre auch erwähnenswert, daß sich viele Werktätige zuvor überlegt hatten, wie gesichert werden könne, daß die DDR-Volkswirtschaft dennoch gestärkt werde. Ich bin gespannt, ob den "RotFuchs" Zuschriften zu dieser Thematik erreichen.

Hans-Ulrich Tittler, Berlin

P. S. Bei der Bearbeitung der Zuschrift Hans-Ulrich Tittlers, die im November-RF erschien, unterliefen der Redaktion zwei Fehler: Die DDR-Fahne mit Hammer, Sichel und Ährenkranz existierte erst ab 1959 und nicht bereits 1949, als für beide deutsche Staaten noch die Farben schwarz-rot-gold galten. Durch Kürzungen ist der wichtige Hinweis des Autors zur Bezugsmöglichkeit der politisch aufschlußgebenden Schrift von Hasso Hettrich, die seiner eigenen Meinungsäußerung zugrunde lag, entfallen. Sie kann beim Verein für Sport und Gesellschaft e. V. (hasso.hettrich@ewetel.net) oder unter der Telefonnummer 033/4 37 94 73 für 5 Euro inkl. Porto bestellt werden.


Der Mannschaft des RF herzliche Grüße und ein großes Dankeschön, daß sie sich so für unsere gute Sache engagiert. Ihr habt für ein Bündnis der linken Kräfte in unserem Land und auch anderswo in der Welt viel getan.
Zum Jahresausklang sprach bei uns der Historiker Prof. Götz Dieckmann über einige Aspekte des bedeutsamen Lenin-Werkes "Der 'linke' Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus".
Einen besonderen Platz nahm die Verantwortung der Linkskräfte im Widerstand gegen die faschistische Gefahr in Deutschland und in Europa ein. Sie ist zu groß, um ständig das Trennende in den Vordergrund zu stellen. Deshalb bedaure ich, daß im Beschluß der 8. Mitgliederversammlung des RF-Fördervereins am 24. Oktober die Partei Die Linke in ihrer Gesamtheit nicht einbezogen wird. Nur Filetstücke wie die AKL oder die KPF wurden im Bündnis akzeptiert.
Ich bin mir dessen gewiß, daß auch die "Rot-Füchse" ein offenes Herz für Menschen besitzen, die in bezug auf die wichtigsten Anliegen unserer Zeit übereinstimmen.

Oberst a.D. Hans Linke, Suhl


Was ich eigentlich nicht für möglich gehalten hätte, ist doch eingetreten. Obwohl mein Beitrag zum Sonderparteitag im Oktober-RF nur mit Name und Wohnort gezeichnet war, habe ich viel Post bekommen. "So deutlich und vernünftig hat auch im RF noch niemand zu diesem Ereignis Fragen gestellt", schrieb einer. Und ein anderer meinte: "Die heutigen Führer der Partei Die Linke überzeugen leider auch nicht." Und auf einem Briefumschlag stand statt des Absenders nur: "Herr Steiniger ist ein Kämpfertyp. Sie wohl auch. Bleiben Sie beide weiter so fit!"
P.S.: Bisher habe ich 100 Euro im Jahr überwiesen. Da ich jetzt Mitglied des Fördervereins bin, werde ich Euch fortan 150 Euro zukommen lassen.

Klaus Glaser, Schwarzenberg


Besten Dank für den November-RF, der wie immer sehnsüchtig erwartet wurde und wieder sehr interessant ist. Wenn ich Manfred Loweys Zuschrift richtig verstanden habe, hält er den ehemaligen VW-Chef Winterkorn an dem ganzen Chaos für unschuldig. Wer glaubt denn so etwas? Der Wolf im Schafspelz mit 14 oder gar 16 Millionen Euro Jahreseinkommen plus diversen Vergünstigungen sägt sich selbst den Ast ab? Im Ergebnis hat er das natürlich getan. Die Gier und die Gewißheit, daß es alle so machen, läßt locker solche für einen Normaldenkenden unmöglichen Manipulationen gedeihen. Politiker und das von Lobbyisten durchsetzte zuständige Bundesamt haben dabei Rückendeckung gegeben.
Wie im November-RF richtig bemerkt wird, hatte die überseeische Konkurrenz ihre schmutzigen Hände im Spiel und ließ die Bombe explodieren. Wer zu stark wird, den muß man eben bremsen. Im Kapitalismus ist das gang und gäbe, nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik. Und es hat doch famos geklappt. Wen interessieren da die Menschen in der Produktion?
Ich möchte keine Eulen nach Athen tragen, wenn ich daran erinnere, daß schon unsere Klassiker festgestellt haben, das Kapital gehe in der Jagd nach Profit über Leichen.

Fritz Dost, Leipzig


Ich bin 80 und alleinstehend. Mein größtes Hobby war zeitlebens das Reisen. Ich hielt dabei vieles mit der Kamera fest.
Heute bin ich froh, als DDR-Bürger die sozialistischen Länder kennengelernt zu haben, denn ich kann mit Maxim Gorki sagen: Reisen ist die Hochschule des Lebens. Dadurch bin ich zwar kein Akademiker geworden, habe aber zur Auffrischung von Erinnerungen immer wieder meine Berichte zur Hand nehmen können.
Im Alter lassen die Kräfte zwangsläufig nach, ist man doch ein Teil der Natur. Dennoch tut es mir nach wie vor gut, im dialektischen Materialismus die richtige Weltanschauung gefunden zu haben.

Karlheinz Oehme, Döbeln


Der Artikel Klaus Glasers "Niemandsland Schwarzenberg" im November-RF inspiriert mich zu diesen Zeilen. Ich wurde 1931 in Erla-Crandorf - heute ist es ein Ortsteil von Schwarzenberg - geboren. Da Vater neun Jahre arbeitslos war, mußte Mutter für unseren bescheidenen Unterhalt sorgen. Fürs Schuften bei mehreren Bauern, das mit Kartoffellegen und Rübenpflanzen begann und erst mit der Rübenernte endete, fand man sie mit Einkellerungskartoffeln und hin und wieder einem Vierpfundbrot ab. Soweit ich zurückdenken kann, herrschte bei uns Hunger. Nach Hitlers "Machtergreifung" kam mein kommunistischer Vater erst einmal ins KZ. 1945 war er dann Mitinitiator eines Antifa-Aktionsausschusses, dem vier KPD-Mitglieder und vier SPD-Genossen angehörten. Mich wählte man 1948 zum Sekretär der FDJ-Wohngruppe - eine Funktion, die ich ausübte, bis ich 1950 in die Volkspolizei eintrat.

Manfred Schwallmann, Schwarzenberg


Mit Interesse habe ich Klaus Glasers Beitrag über Schwarzenberg gelesen. In der Erzgebirgsstadt Aue - nur wenige Kilometer von Schwarzenberg entfernt, endete erst im November ein "Politstreit" zum 8. Mai. Dabei ging es um die Frage: Befreiung oder Besetzung? Unser Stadtoberhaupt ist der Meinung, das Ziel der Alliierten sei nicht die Befreiung, sondern der Sieg über Deutschland gewesen. Der Terminus "Befreiung" sei ein Produkt der DDR-Propaganda. Den Tag, der das Ende eines verbrecherischen Eroberungskrieges der deutschen Faschisten markiert, die halb Europa verwüsteten und drauf und dran waren, die ganze Welt in Schutt und Asche zu legen, historisch herabzuwürdigen und als Bestandteil einer neuen großmachtdeutschen Sprachregelung verkaufen zu wollen - dazu fehlen mir einfach die Worte. Auf solches "Deutschtum" einmal mehr stolz zu sein, wie sich das derzeit allenthalben manifestiert und artikuliert, muß mehr als erschrecken! Die das tun, nehmen Hitler nur eines krumm: daß er den Krieg verloren hat. Alles andere - einschließlich Völkermord und Judenverfolgung - war ja in Ordnung!
Der Streit um den 8. Mai zeigt unverhüllt, wie nicht nur in rechtesten Kreisen das Kriegsende als schmähliche Folge des Sieges von Besatzern, vornehmlich Russen, nachträglich entstellt wird.

Roland Winkler, Aue


Es ist das Verdienst Klaus Glasers, mit seinem RF-Artikel "Niemandsland Schwarzenberg" erneut das Geschehen um die 1945 unbesetzte Amtshauptmannschaft, wo Antifaschisten verschiedener Herkunft die entmachteten und geschlagenen Nazianhänger aus ihren Ämtern jagten, in das Bewußtsein der Leser gerückt zu haben. Die damaligen Akteure handelten aus dem Bewußtsein ihrer Verantwortung für die Bevölkerung, ohne jede Weisung oder Verbindung von und zu den Besatzungsmächten oder Parteioberen. Sie taten das im Sinne des notwendigen antifaschistischen Neubeginns, wie später die DDR-Geschichtsschreibung nachwies.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Examensarbeit von Werner Groß hinweisen, mit dem ich bis 1957 an der Leipziger Karl-Marx-Universität studiert habe. Er stützte sich ebenfalls auf Aussagen damals noch lebender Zeitzeugen - sehr im Unterschied zu dem Autor Stefan Heym.
Die als Broschüre erschienene Arbeit von Werner Groß, der später an der Parteihochschule "Karl Marx" wirkte, setzte den damaligen Akteuren ein Denkmal.
Nebenbei bemerkt: Zu den Maßnahmen der Schwarzenberger Antifaschisten gehörte auch, den selbstherrlichen Nazigauleiter von Sachsen, Martin Mutzschmann, in seinem Versteck aufgespürt und der öffentlichen Verachtung der Schwarzenberger ausgeliefert zu haben.

Dr. Werner Knoll, Berlin


Die Berliner SPD braucht für die bevorstehende Wahl zum Abgeordnetenhaus dringend eine positive Nachricht. Die Riesenschlappe, weder einen Flughafen bauen noch eine tausendfache Zuwanderung von "Außereuropäischen" zivilisiert gestalten zu können, soll mit der Ankündigung: "Nun wird aber alles besser!" vergessen gemacht werden. Diese Ankündigung betrifft die "Berliner Energiepartnerschaft" des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) und ist natürlich ein "Kompromiß" mit dem Koalitionspartner CDU. Müller kündigte am 10. November vor der Presse an, das Land Berlin wolle künftig 51 % einer gar nicht bestehenden "Netzgesellschaft Berlin" der Berliner Gaswerke Aktiengesellschaft GASAG (im Besitz von E.ON, Düsseldorf, VATTENFALL AB, Stockholm und der ENGIE S.A. Courbevoie, Paris) sowie 25,1 % der bestehenden Gesellschaft Gasnetze Berlin-Brandenburg (NBB) erwerben. Hinsichtlich des Stromnetzes, das derzeit VATTENFALL zu 100 % betreibt, ist ein 50%iger Einstieg vorgesehen. Bei der Wärmeversorgung Berlins, die ebenfalls von VATTENFALL als Konzessionär betrieben wird und deren Sachanlagen etwa das Dreifache an "Ertragswert" der Strom- und Gasversorgung ausmachen, soll sich an den Eigentumsverhältnissen jedoch nichts ändern.
Das "Netzkleid" von Landeskaiser Müller weist grobe Webfehler und rißverdächtige Stellen auf. Man könnte auch sagen: "Der Kaiser hat ja gar nichts an!" Aber das traut man sich ja nur im Märchen.

Dr. Hermann Wollner, Berlin


Solange Die Linke den Friedenskampf als Kriegsgegner nicht aufgegeben hat, sollte es trotz der Kritik am prokapitalistischen Regierungsbeteiligungsstreben einiger ihrer Spitzenfunktionäre klar sein, daß sie unbedingt zur Friedensfront gehört. Aus meiner Sicht zeigt sich eine alte Schwäche der Linkskräfte darin, daß Intoleranz, Rechthaberei, Engstirnigkeit, das Kochen des eigenen Süppchens sowie ultralinke Eskapaden, die nur Schaden anrichten, leider immer wieder zu bemerken sind.
Prof. Dr. Herbert Meißner fragte rhetorisch: "Sollte die Orientierung nicht dahin gehen, daß alle konsequent linken Kräfte, ungeachtet ihrer jeweiligen organisatorischen Verfaßtheit in Grundfragen unserer Zeit, vor allem bei der Friedenssicherung und im antifaschistischen Kampf, ein Höchstmaß gemeinsamer Aktionen entwickeln?"

Gert Thiede, Suhl


In dem Artikel von Marianne Walz im November-RF wird Erich Weinert das "Lied vom kleinen Trompeter" zugeschrieben. Das aber stimmt so nicht, obwohl diese Meinung bis heute immer wieder kolportiert wird. Die Urfassung des Liedes stammt von Viktor Gorski (Text) und Thomas Hagedorn (Melodie). Es entstand 1915 und besingt den Tod ihres im Ersten Weltkrieg gefallenen Kameraden, des Signal-Trompeters Gustav Ulbach. Damals hieß es im Text: "... unser kleiner Trompeter, ein jung' Husarenblut".
Zehn Jahre später wurde das Lied von Kommunisten umgedichtet und ihrem Kampfgefährten Fritz Weineck gewidmet, einem Hornisten im Spielmannszug, der im März 1925 durch den Schuß eines Polizisten starb: "... ein lustiges Rotgardistenblut", hieß es nun.
In den 30er Jahren mißbrauchten dann die Nazis das Lied, um den Tod ihres Protagonisten Horst Wessel zu besingen.
Ein Wort zu mir selbst: Ich gehöre dem hiesigen Kreisvorstand der Partei Die Linke an.

Dr. Uta Sändig, Brandenburg an der Havel


In der DDR gelebt zu haben, war ein großes Glück! Ihr verdanke ich meine Entwicklung vom Elektriker über den Ingenieur für Polygraphie bis zum an der Berliner Humboldt-Universität ausgebildeten Diplomkriminalisten. 38 Jahre war ich Leiter der operativen Technik der Verwaltung Aufklärung der Nationalen Volksarmee, ohne auch nur einen einzigen Kundschafter wegen schlechter Technik in Schwierigkeiten gebracht zu haben.
Danke für Euer tolles Blatt, mit dem ich meine Heimat wiedergefunden habe.

Oberst a.D. Werner Gericke, Berlin


Seit Jahren lese ich den "RotFuchs", und immer schon hat es mich in den Fingern gejuckt, mich selbst einmal zu äußern. Vieles im RF, vor allem aber der feste Klassenstandpunkt, der einzige verläßliche Kompaß in Zeiten überfließender Informationen und Desorientierungsmaschinerien, beeindruckt, bestärkt, tröstet mich und läßt mich immer wieder kritisch vieles selbst hinterfragen. Mit manchem, was dort an Undifferenziertem steht, ganz überwiegend meist als persönliche Meinung, vermag ich nur kritisch umzugehen, doch das meiste ist wichtig, informativ, lehrreich und ... eben von uns!

Alex Volkmann, Güstrow


Bei der Auswertung der Dezemberausgabe des RF ist mir der Artikel von Horst Nörenberger besonders aufgefallen. In wenigen Sätzen, aber klar und verständlich, hat er die Ursachen des Scheiterns des Sozialismus dargelegt. Der Artikel ist so verfaßt, daß er vielseitig als Argumentationshilfe eingesetzt werden kann.
Jedoch bin ich der Ansicht, daß wir dieses Thema inzwischen ausreichend behandelt haben. Wir sollten jetzt mehr nach vorne blicken. Wie wir früher sagten: "Sachlich, kritisch, optimistisch."

Gerhard Kabelitz, Magdeburg

*

RF-Bezugsbedingungen

Kurze Nachricht per Telefon oder E-Mail oder Briefpost an den Vertriebsleiter Armin Neumann genügt.

Er ist folgendermaßen erreichbar.
Tel.: 030/654 56 34
E-Mail: arminneumann@ewt-net.de
Adresse: Salvador-Allende-Straße 35, 12559 Berlin

Der RotFuchs wird ausschließlich aus Spenden und nach eigenem Ermessen jedes einzelnen finanziert.
Einen festen Preis gibt es nicht. Die Zeitschrift kommt jeweils am letzten Werktag eines Monats zum Versand.


IMPRESSUM

Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift.

HERAUSGEBER: "RotFuchs"-Förderverein e. V.

CHEFREDAKTEUR: Dr. Klaus Steiniger, (V.i.S.d.P.)
Rheinsteinstraße 10, 10318 Berlin,
Telefon 030/561 34 04
E-Mail: rotfuchskessel@t-online.de
(Redaktionsadresse)

SEKRÄTERIN: Karin Großmann

LAYOUT: Rüdiger Serinek

HERSTELLUNG: Druckerei Bunter Hund

INTERNET: www.rotfuchs.net

INTERNET-PRÄSENTATION: Michael Geipel

Redaktionsschluß für die übernächste Ausgabe ist der 20. eines Monats.

AUTORENKREIS:
Joachim Augustin
Dr. Matin Baraki
Konstantin Brandt
Dr. Vera Butler (Melbourne)
Prof. Dr. Götz Dieckmann
Ralph Dobrawa
Dr. Peter Elz
Bernd Fischer
Peter Franz
Günter Freyer
Prof. Dr. Georg Grasnick
Ulrich Guhl
Bernd Gutte
Helmuth Hellge
Eberhard Herr
Erik Höhne
Rico Jalowietzki
Ralf Jungmann
Christa Kozik
Marcel Kunzmann
Rudi Kurz
Dr. Dieter Laser
Bruno Mahlow
Dr. Bernhard Majorow
Prof. Dr. Herbert Meißner
Wolfgang Metzger
Jobst-Heinrich Müller
Horst Neumann
Cornelia Noack
Prof. Dr. Gerhard Oberkofler (Innsbruck)
Erhard Richter
Prof. Dr. Horst Schneider
Prof. Dr. Rolf Sieber
Gisela Steineckert
Bruni Steiniger
Marianne Walz
Johann Weber
Prof. Dr. Zbigniew Wiktor (Wroclaw)
Edda Winkel

KÜNSTLERISCHE MITARBEIT:
Dieter Eckhardt, Heinz Herresbach,
Klaus Parche, Heinrich Ruynat,
Renatus Schulz, Gertrud Zucker

VERSAND UND VERTRIEB:
Konstantin Brandt
Glanzstraße 6, 12437 Berlin
Telefon 030/53 02 76 64
vertrieb@rotfuchs.net
oder Sonja Brendel, Tel. 030/512 93 18
Heiner Brendel, Gerald Umlauf,
Hans Ludwig u.v.a.m.

MITGLIEDERFRAGEN:
Wolfgang Dockhorn, Postfach 02 12 19,
10123 Berlin, Tel. 030/241 26 73
WDockhorn@t-online.de

FINANZEN:
Jürgen Thiele, Prerower Platz 6,
13051 Berlin, Tel.: 030/981 56 74

UNSER KONTO:
"RotFuchs"-Förderverein
IBAN: DE18 1005 0000 2143 0314 00
BIC: BELADEBEXXX

Die Mitarbeit weiterer Autoren ist erwünscht. Die in namentlich gezeichneten Beiträgen zum Ausdruck gebrachten Auffassungen müssen nicht immer mit denen der Redaktion übereinstimmen.

*

Quelle:
RotFuchs Nr. 216, 17. Jahrgang, Januar 2016
Redaktion: Rheinsteinstraße 10, 10318 Berlin
Telefon: 030/561 34 04, Fax: 030/56 49 39 65
E-Mail: rotfuchskessel@t-online.de
Internet: www.rotfuchs.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang