ROTFUCHS
Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland
19. Jahrgang, Nr. 223, August 2016
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Fast 71 Jahre dauerte es, bis ein US-Präsident nach Hiroshima, aber nicht nach Nagasaki kam. Barack Obama hatte ankündigen lassen, er werde sich nicht für die Kriegsverbrechen seines Amtsvorgängers Harry S. Truman entschuldigen. Dafür erklärte er: "Die wissenschaftliche Revolution, die zur Atomspaltung geführt hat, erfordert auch eine moralische Revolution."
Dem kann jeder vernunftbegabte Mensch nur zustimmen, so ähnlich wird das Problem in Brechts "Galilei" erörtert. Obama sagte noch weitere Wahrheiten, z. B.: "Vor 71 Jahren fiel der Tod vom Himmel, und die Welt war für immer verändert." Damals habe die Menschheit gezeigt, daß sie die Mittel zu ihrer eigenen Zerstörung besitze. Dann schweifte der Präsident ab und sprach über Krieg im allgemeinen. Gewaltsame Konflikte hätte es schon bei den allerersten Menschen gegeben, und der Krieg, der in Hiroshima und Nagasaki zu seinem "brutalen Ende" gekommen sei, habe seinen Ursprung in demselben "Grundinstinkt für Herrschaft oder Eroberung, der Konflikte zwischen den einfachsten Stämmen verursacht" habe. Der Krieg - eine Naturgewalt, ein nicht zu bändigender menschlicher Trieb. Das Abwerfen von Atombomben hat demnach dieselbe Ursache wie eine Prügelei zwischen Halbwüchsigen. Aber, so Obama, es gebe Hoffnung, die Menschheit sei nicht an ihre genetische Ausstattung gebunden, sondern lernfähig.
So weit, so oberflächlich, so verlogen. Derselbe Obama hatte im April 2009 in Prag vor Zehntausenden Menschen angekündigt: "Wir werden damit anfangen, unser Atomwaffenarsenal zu reduzieren." Das Ziel sei eine atomwaffenfreie Welt, auch wenn sie nicht zu seinen Lebzeiten erreicht werde. Im Dezember 2009 nahm er dafür den Friedensnobelpreis entgegen, dann war von atomarer Abrüstung nichts mehr zu hören. Kurz vor dem Besuch des Präsidenten in Hiroshima am 27. Mai resümierte der dänische, in den USA lehrende Friedensforscher Hans Kristensen, die Obama-Administration habe die US-Vorräte an atomaren Sprengköpfen "weniger als jede andere Administration nach dem kalten Krieg" reduziert. 2015 sei die geringste Ziffer an Sprengköpfen abgebaut worden, seitdem Obama das Präsidentenamt übernommen habe.
Kristensen und andere Fachleute weisen schon seit einigen Jahren darauf hin, daß Obama vor allem aber ein Programm zur Entwicklung neuer nuklearer Waffensysteme aufgelegt habe. Es geht den USA nicht, wie oft behauptet, um eine Verlängerung der Lebensdauer veralteter Atombomben, sondern um neue, die sowohl strategisch wie taktisch eingesetzt werden können. Das betrifft etwa eine Bombe mit der Bezeichnung B61-12, die 2019 in Europa eingeführt werden soll, auch in der Bundesrepublik. Sie könne, so Kristensen im Jahr 2013 gegenüber "Spiegel online", "Ziele bedrohen, die die bisherigen Atomwaffen in Europa nicht bedrohen konnten". Im Herbst 2013 legte die "Union besorgter Wissenschaftler" (Union of Concerned Scientists) der USA einen Report vor, in dem sie davor warnte, mit dem Programm für eine angebliche Modernisierung gültige Rüstungskontrollverträge mit Rußland zu unterlaufen.
Von Repräsentanten imperialistischer Länder ist nichts anderes zu erwarten als imperialistische Politik. Gegenüber der eigenen Bevölkerung und der anderer Länder bedeutet das, mit Hilfe der Medien tagtäglich eine gigantische Leistung an Lüge, Verstellung, Betrug zu vollbringen, einschließlich hochmoralischer Anwandlungen wie in Hiroshima und einschließlich Tränen, wenn bei passender Gelegenheit eine Fernsehkamera in der Nähe ist. Das alles ist nicht neu, es wird mit den neusten technischen Möglichkeiten aber zu einer totalitären Gehirnwäsche. Wenn Obama seine Amtszeit beendet, geht mit ihm ein Präsident, der dies in bisher einmaliger Weise praktiziert hat. Er wurde der erste US-Präsident mit Hilfe der Smartphones. Wenn er geht, hinterläßt er eine besonders breite Lücke zwischen schönem Bild, sanfter Rede und tatsächlichem Tun: atomare Aufrüstung, Aufmarsch gegen China und Rußland, Wiedereinführung der NATO-Abschreckungsdoktrin, antisozialistisches Rollback in Lateinamerika.
Allerdings bleibt die Frage, die Obama aufwarf: Ist das Undenkbare denkbar? Können sich Hiroshima und Nagasaki wiederholen? Die Antwort kann nur lauten, daß dies nicht davon abhängt, ob "der" Mensch, sondern ob der Imperialismus lernfähig ist. Er ist es nicht. Das demonstriert gerade Obamas Präsidentschaft. Das zu sagen, heißt nicht, Resignation zu verbreiten. Es heißt: Der Imperialismus muß gezwungen werden. Der Schriftsteller Christian Geissler erkannte das schon vor 50 Jahren: "Und so kommt es, daß, wer den Krieg bekämpfen will, dieses Wirtschaftssystem bekämpfen muß."
Arnold Schölzel
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8.10.2016 - bundesweite Friedensdemonstration in Berlin
Die Friedensbewegung geht gegen Krieg und Konfrontation wieder auf die Straße. Die Aktionskonferenz der Friedensbewegung am 2. Juli in Dortmund beschloß den Aufruf zu der Friedensdemonstration unter dem Motto: Die Waffen nieder! Kooperation statt NATO-Konfrontation! Abrüstung statt Sozialabbau!
Die Konferenz überarbeitete und verabschiedete den vom "Bundesausschuß Friedensratschlag" und der "Kooperation für den Frieden" verfaßten Aufruf als Plattform für die Vorbereitung und als Grundlage vielfältiger weiterer öffentlicher Aufrufe, Appelle und Materialien.
Wann, wenn nicht jetzt, ist diese Demonstration notwendig?
"Die Kriegsgefahr ist heute größer denn je", so der bestimmt nicht als Pazifist zu bezeichnende Vorsitzende der Münchner "Sicherheitskonferenz" Wolfgang Ischinger. Außenminister Steinmeier spricht von Säbelrasseln und Kriegsgeschrei der NATO. Der OSZE-Chef Erler und der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses General Kujat warnen vor der Kriegsgefahr. Der ehemalige Grüne Staatsminister Vollmer unterstreicht in einem Brief an seine Partei die Gefährlichkeit der Situation. Unschuldig an der jetzigen Situation ist keiner dieser Herren, sie haben an verantwortlicher Stelle die Ausdehnung der NATO nach Osten, die Konfrontationspolitik gegen Rußland, die völkerrechtswidrigen Interventionskriege z. B. gegen Jugoslawien mit betrieben. Trotzdem: Auch sie sehen - wie übrigens auch der ehemalige Bundeskanzler Schröder - die Dynamik der Kriegseskalation, vorangetrieben durch die NATO, die auch in einen großen Krieg münden kann. Dieser würde auch in Europa ein Atomkrieg sein.
Die Friedensbewegung darf dazu nicht schweigen, sie ist gefordert.
Bundeskanzlerin Merkel will große Teile der Bevölkerung in größere Armut treiben, will Bildung und Gesundheit runterfahren, Soziales weiter kürzen, Umwelt und Klima vergessen. Anders ist die provokative Äußerung (vor dem CDU-Wirtschaftsausschuß) nicht zu verstehen, die Militärausgaben in Richtung 3,4 % Anteil am Bruttosozialprodukt (die Ausgabenhöhe der USA), zu entwickeln. 90 Milliarden für Rüstung und Krieg heißt diese Aussage in nackten Zahlen! Auf diesen groben Klotz gehört eine deutliche und laute Antwort der Friedensbewegung.
Der NATO-Gipfel ist, wenn diese Zeitschrift erscheint, vorbei, und klar ist, deutsche Soldaten stehen wieder an der Grenze Rußlands - 75 Jahre nach dem Überfall auf die Sowjetunion. Ich habe mir das nicht vorstellen können. Die Stationierung von Truppen in Polen und im Baltikum, die permanenten Manöver, der Raketenabwehrschirm, das ist Konfrontation pur - gefährlich und teuer. Von einer Partnerschaft mit Rußland bleiben selten mehr als sonntägliche verbale Bekenntnisse, die Realität ist eine andere. Die NATO muß überwunden werden. Deshalb ist die Friedensbewegung gefordert: Laßt uns Rußland nicht zum Feind machen! Wir wollen eine Politik der gemeinsamen Sicherheit und der Abrüstung. Deshalb müssen wir aufklären, warnen und demonstrieren - und dieses gerade 75 Jahre nach dem Überfall des deutschen Faschismus auf die Sowjetunion.
Brexit ist in aller Munde; in noch zu wenigen Mündern und der Öffentlichkeit ist die gerade nach Brexit noch einmal massiv vorangetriebene europäische Militarisierung. Das Papier des EU-Gipfeltreffens zur Sicherheitspolitik und auch die gemeinsame Stellungnahme des deutschen und französischen Außenministers sind militaristische Großmachtambitionen, mehr Interventionen, höhere Rüstung, weitere Kriege und Interventionen für "unsere Ressourcen" überall auf der Welt und die Interessen der politischen und ökonomischen Eliten.
Wer ein Europa des Friedens will, muß gegen die militaristische Politik der EU auf die Straße gehen!
Die Zusammenfassung und Pointierung dieser gefährlichen Rüstungspolitik der Bundesregierung befindet sich im "verteidigungspolitischen Weißbuch 2016", das im Juli veröffentlicht wird. Erinnert sei nur an Ramstein und Drohnen, aber auch an die neue Großmachtrolle, die Steinmeier so klar und ausführlich in dem Magazin des US-Außenministeriums "Foreign Affairs" beschrieben hat. Unsere Demonstration ist auch eine Antwort auf dieses "Rüstungsbuch".
Wir wissen, es gehört Mut und Courage dazu, diese bundesweite Demonstration angesichts der nach wie vor beschränkten Mobilisierungskraft der Friedensbewegung vorzubereiten. Die großen Aktionen in Ramstein haben aber gezeigt, daß vieles geht - auch viel mehr, als viele vermutet haben.
Ohne in Voluntarismus zu verfallen: Laßt uns die Sorgen der Menschen in unserem Lande um den Frieden aufnehmen, laßt uns das gewachsene Interesse an der Friedensfrage nutzen und gemeinsam, einheitlich und ohne Ausgrenzung, hoffentlich mit vielen Neuen, mit Engagement auf die vielen Friedensinteressierten zugehen! Zuschauen, sympathisieren oder Internetbetrachtung reichen angesichts der Gefahren nicht mehr aus, Resignation und Individualisierung nutzt nur denen, die keinen Frieden wollen. Laßt uns werben für ein Mitmachen und Mitgestalten durch viele - kreativ, pluralistisch und partizipativ. Antifaschismus ist unsere Grundlage.
Es ist unsere Verantwortung, wir trauen uns - Frieden braucht Bewegung. 8.10.2016 - Berlin, Demonstration für den Frieden. Es sollte eine große Demonstration von alt und jung, von neuen und "alten" Mitstreiterinnen und Mitstreitern der Friedensbewegung werden, die viele einbezieht, ungeachtet ihrer sonstigen politischen und ideologischen Positionen, im Ringen um die Menschheitsherausforderung: Frieden im Atomzeitalter.
Reiner Braun
Geschäftsführer der IALANA, gehört dem Vorbereitungskreis der bundesweiten Demonstration an, aktiv u. a. in der Kampagne "Stopp Ramstein"
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Vor 75 Jahren, am 22. Juni 1941, überfiel das faschistische Deutschland die Sowjetunion. 153 Divisionen der Wehrmacht mit 3 Millionen Soldaten fielen über das Land her. Hinzu kamen Soldaten der mit Hitler-Deutschland verbundenen Staaten Rumänien, Ungarn, Finnland, Slowakei und Italien. Knapp vier Jahre kämpfte die Rote Armee gemeinsam mit den anderen Alliierten und dem antifaschistischen Widerstand in ganz Europa gegen diese Barbarei. Die Sowjetunion trug die Hauptlast bei der Zerschlagung des Faschismus. 27 Millionen Sowjetbürger wurden Opfer des Vernichtungskrieges. 14 Millionen Zivilisten, darunter 2 Millionen sowjetische Juden, überlebten die faschistische Barbarei ebensowenig wie 2 Millionen sowjetische Kriegsgefangene.
8 von 10 in Sowjetrußland am Ende des 1. Weltkrieges geborene Männer wurden Opfer des Krieges. Allein die Blockade von Leningrad kostete über 1 Million Menschen das Leben. In Belarus wurden 628 Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und die Einwohner bestialisch ermordet. Die Wehrmacht hinterließ 2 Millionen Quadratkilometer verbrannte Erde.
So monströs diese Zahlen sind, bleiben sie doch fast hilflos gegenüber dem unfaßbaren Leid, das der rassistische Vernichtungskrieg verursacht hat. Unterstützt und mit geplant war er von den Größen der deutschen Industrie und der Banken, die die Machtübernahme der Faschisten gefördert und von ihr profitiert haben. Sie haben Hitler finanziert und seine Propaganda verbreitet, die Kriegsgefangenen haben sie als Sklaven gehalten und ausgebeutet, sie haben die Waffen an die Ostfront geliefert und die Särge gleich mit. Sie wußten, was sie taten, und sie kannten die Methoden der Kriegsführung. (...)
Aus dieser finstersten Zeit deutscher Verbrechen in Europa gibt es nur eine Lehre: Nie wieder Faschismus - Nie wieder Krieg!
Die Beziehungen zu Rußland müssen dringend wieder verbessert
werden
Über geschichtliche Verantwortung und die Notwendigkeit, die
deutsch-russischen Beziehungen zu verbessern, muß heute geredet und
nachgedacht werden. Konsequenzen aus der rapiden Verschlechterung der
Beziehungen sind vonnöten. Nach Jahrzehnten des Schweigens ist endlich
durchgesetzt worden, die Shoa als einzigartiges, monströses Verbrechen
an den europäischen Jüdinnen und Juden anzuprangern. Das war und ist
absolut notwendig und richtig. Ebenso anzuprangern ist die Vernichtung
von 27 Millionen Bürgerinnen und Bürgern der Sowjetunion, von denen
die meisten Russen waren. Den Respekt vor den Ermordeten, ihren
Familienmitgliedern und den Überlebenden fordern wir dringend ein. Wir
erwarten, daß das Trauma von Russinnen und Russen, von Bürgerinnen und
Bürgern anderer ehemaliger Sowjetrepubliken angesichts der von ihnen
erbrachten gewaltigen Opfer ernst genommen wird.
Schon allein der Respekt vor den Opfern erfordert gerade von Deutschland eine Politik der zivilen Kooperation mit Rußland. Gute Beziehungen zu Rußland sind im Interesse aller europäischen Staaten. Gemeinsame Sicherheit in Europa muß das Interesse aller Staaten auch im Osten Europas sein. Dafür sind gute Beziehungen und eine kluge Nachbarschaftspolitik gegenüber Rußland notwendig. Kollektive Sicherheit in ganz Europa kann auch dazu beitragen, den Konflikt um die Ukraine zu entspannen.
Statt dessen hat das Verhältnis zwischen Deutschland und Rußland einen Tiefpunkt erreicht. Ein Cordon sanitaire seitens der NATO um Rußland sollte nicht Politik der Bundesregierung sein. Die Ausweitung der NATO durch weitere Mitgliedsländer auf dem Balkan und im Osten Europas kann vorhandene Konflikte weiter anheizen. (...)
Deshalb: Sechs Vorschläge für eine zivile europäische Entspannungspolitik
Aus dem Beschluß des 5. Parteitages der Partei Die Linke (Magdeburg, 28. Mai 2016)
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Aktionen wie die 20-Wochen-Kampagne gegen die Atomwaffen hier in Büchel sind wichtig. Es war gut, daß wir unseren Teil dazu beigetragen haben, denn: Es ist Krieg.
Es ist Krieg in Syrien. Vorhandene Konflikte wurden von den USA, der EU und allen voran von der NATO, dem Bündnis der Kriegstreiber und Imperialisten, instrumentalisiert, um eine unliebsame, weil nicht nach der Pfeife des Westens tanzende Regierung zu stürzen. Zehntausende Tote, Hundertausende auf der Flucht - das ist den Imperialisten egal. Dabei Tornados und Soldaten aus Deutschland, genauer aus Büchel.
Es ist Krieg in der Ukraine. NATO und EU wollten im Südosten an die Grenze Rußlands vorrücken, denn einen aufstrebenden Konkurrenten im Osten können sie nicht dulden. Also: umzingeln, Montenegro in die NATO, Raketen nach Polen und Deutsche als Speerspitze nach vorne. Die reißen sich drum, zu zeigen, was man kann, und daß man wieder wer ist - auch mit Militär und Krieg.
Es ist Krieg in Idomeni. Zehntausende im Schlamm, geflohen vor den Kriegen, die die NATO, die Imperialisten angezettelt haben. Flüchtende werden an den Grenzen der EU, an der Grenze der Türkei gestoppt, in Lager gepfercht, ersaufen im Mittelmeer. In Idomeni - eine Regierung, die für viele Hoffnungsträger war, läßt sie räumen, weg von der Grenze, ins Hinterland, weg von jeglicher Chance, denn auch in Griechenland ist Krieg. Ein Krieg, dessen Siegeserklärung ist, wenn die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank, der Internationale Währungsfonds erklären: "Die griechische Regierung hat hart gearbeitet." Ein Krieg, der Menschen die Perspektive, das Gesundheitswesen, die Altersvorsorge nimmt. Die "Tagesschau" meldet euphorisch, die griechische Regierung habe "profitable Staatsbetriebe privatisiert" - eine neue Form der Kriegsberichterstattung.
Es ist Krieg in Libyen. Gaddafi war auch mal Freund, als er widersprüchlich war in der Auseinandersetzung zwischen dem Warschauer Vertrag und der NATO. Verlaß Dich nicht auf Deine Freunde in der herrschenden Klasse der führenden Imperialisten - das sage ich auch immer wieder zu Sozialdemokraten, alten und neuen. Auch in Libyen wurde ein Bürgerkrieg inszeniert. Das Ergebnis: der Staat zerstört, das Erdöl in der Hand des Westens.
Es ist Krieg in Mali - und nichts hat das Engagement der Bundeswehr mit Frieden zu tun.
Es ist Krieg in Brasilien, ein Krieg der herrschenden Klasse gegen einen inkonsequenten Versuch des Ausbruchs.
Es ist Krieg in Venezuela - der kapitalistische Weltmarkt und die Kapitalistenfreunde der OPEC legen die Schlinge des Ölpreises um den Hals des Volkes.
Unser Land - es sollte unser Land sein, ist es aber nicht - führt Krieg in mindestens 16 Ländern. Begonnen hat alles mit einer Lüge als Begründung des völkerrechtswidrigen Überfalls auf Jugoslawien - vergeßt es nicht: beschlossen von CDU, FDP, SPD und Grünen.
Und auch in unserem Land herrscht Krieg. Die Ergebnisse sind Armut, Umverteilung zugunsten der Reichen, der Konzerne und Banken. Die Waffen sind Arbeitslosigkeit, das Hartz-System, Leiharbeit, Werkverträge, Wohnungsknappheit, Verschuldung der Kommunen, Privatisierung.
In unserem Land herrscht Krieg. Menschen, die vor Kriegen fliehen, an denen auch in unserem Land Konzerne verdienen, werden empfangen von Faschisten, die Heime anzünden, Reaktionären und Konzernen, die spalten und Menschen gegeneinander ausspielen wollen.
Sie wollen, daß wir uns prügeln um die Arbeit, daß wir sagen: "Ich mach's auch unter dem Mindestlohn." Sie wollen, daß wir sagen: "Gib mir die Klausel zur Tariföffnung, ich will doch den Standort sichern." Sie wollen, daß wir uns um Wohnungen schlagen und daß die Mieten steigen. Sie spekulieren auf die Abwälzung der Lasten auf die Kommunen und darauf, daß wir dann sagen: "Ja, meine Stadt hat ja kein Geld."
Und alle diese Kriege kosten Geld, aber wenn etwas Geld kostet, dann geht das Geld dorthin, wo daran verdient wird.
Und genau daher kommt es auch, daß wir in unserm Land eine riesige Armut haben, daß bereits vor der neuen Massenflucht in den armen Stadtvierteln meiner Heimatstadt Essen 50 % der Kinder arm und 35 % bei der Schuleingangsuntersuchung nicht gesund waren.
Und die andere Seite der Medaille: Wir haben über eine Million Millionäre, sie besitzen knapp 2,4 Billionen Euro. Das ist eine 2 und dann eine 4 und dann noch 11 Nullen. Zur Vorstellung: Wenn ihr 76 Jahre lang nichts anderes tut, als jede Sekunde einen 100-Euro-Schein zu zählen, dann kommt ihr in diese Größenordnung. Mit Euro-Stücken schafft ihr es wohl nicht, ihr brauchtet über 76.000 Jahre dafür.
Wir haben einen offiziellen Rüstungsetat von weit über 30 Milliarden. Und wir haben eine Kriegsministerin, die für die nächsten 14 Jahre noch 130 Milliarden zusätzlich will, für Panzer (eine Offensivwaffe), für mehr Personal und für mehr Verlockungen ...
Und warum stehen wir nun hier in Büchel? Weil auch hinter uns, hier in diesem Fliegerhorst, der Krieg lauert, Krieg ist. Mindestens 20 Atomwaffen lagern hier, die in der Lage sind, die 520fache Zerstörung von Hiroshima über uns zu bringen. Was für ein technokratischer Unsinn! 520 Mal Hiroshima. Zehntausende sofort tot, anderen brannte die Haut vom Leib, Tausende verstrahlt, die Großstadt zerstört und verstrahlt. Niemand kann sich den Tod und das Leid vorstellen.
Warum stehen wir hier?
In gewissem Sinne kann man sagen, die Kriege kulminieren hier, sie bündeln sich hier.
Büchel steht für den Kriegskurs der USA und der NATO in Richtung Rußland, Büchel steht für dramatische Kriegsgefahr.
Büchel steht für die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Syrien, an den Auslandseinsätzen, die Ursachen der Flucht sind, die Völkerrecht brechen und die die Interessen deutscher Konzerne tödlich den Menschen überstülpen.
Büchel ist klein, Büchel liegt auf dem Land, und trotzdem steht der Name für Tod und Verderben.
Dieser Tod soll sogar noch modernisiert werden. Modernisierung ist dabei ein Schönreden, denn es geht um eine neue Generation von Atombomben, skalierbar von der Zerstörungskraft, steuerbar im abschließenden Zielanflug und mit der Fähigkeit, ober- oder unterirdisch gezündet zu werden. Kurz, mit wesentlich mehr Optionen für den Einsatz, und das heißt mit einer größeren Wahrscheinlichkeit des Einsatzes. All das, obwohl der Bundestag im März 2010 beschloß, daß alle Parteien für den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland sind. Doch sie verfahren nach dem Motto: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern - hoffentlich erinnert sich keiner dran.
Wir werden sie immer wieder daran erinnern, und deshalb verspreche ich: Wir werden nicht nachlassen, bis Büchel, bis unser Land, bis die Welt frei ist von Atomwaffen.
Wir erinnern daran, wieviel Schulen, Krankenhäuser, Jugendzentren, öffentliche, preiswerte Wohnungen gebaut werden könnten, wenn man den Kriegsetat kürzen, auf die von der Leyensche Hochrüstung verzichten würde. Das machen wir mit unserem Sofortprogramm deutlich. Und wir werden in den nächsten Monaten auch deutlich machen die Profiteure von Kriegen, Armut und Flucht, die Verursacher von Kriegen, Armut und Flucht, sie haben Namen und Adressen. Die werden wir ebenso laut und deutlich nennen.
Und darum auf zur großen Aktion der Friedensbewegung am 8. Oktober!
Aus der Abschlußrede des DKP-Vorsitzenden Patrik Köbele auf
der Kundgebung vor dem Atomwaffenlager Büchel am 28. Mai 2016
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Wir Teilnehmer der Weltfestspiele, die die Gefahr erkennen, welche die
Menschheit bedroht, und uns unserer Verantwortung im gemeinsamen Kampf
der Völker für den Frieden bewußt sind, leisten im Namen von Dutzenden
Millionen friedliebender Jugendlicher aller Länder den feierlichen
Schwur
- alle unsere Kräfte im Kampf einzusetzen, um einen neuen Krieg zu
verhindern,
- die Pläne der Feinde des Friedens und der Menschheit zu entlarven
und zum Scheitern zu bringen,
- gegen das Wettrüsten anzukämpfen und für die Verbesserung der
Lebensbedingungen der Jugend einzutreten;
- die Freundschaft und die friedliche Zusammenarbeit der Völker und
der Jugend aller Länder zu verstärken,
- unsere Einheit im Friedenskampf zu erhalten, zu festigen und zu
erweitern, diese Einheit, die ihren großartigsten Ausdruck in unseren
Weltfestspielen gefunden hat,
- weitere Millionen Jungen und Mädel in diesen aktiven Kampf
einzubeziehen.
Wir schwören, alle unsere Kräfte für die Kampagne zum Abschluß eines Friedenspaktes der fünf Großmächte einzusetzen, der die Grundlage für das friedliche Nebeneinanderleben der Völker schaffen wird.
In dieser feierlichen Stunde leisten wir den Schwur, der Sache des Friedens treu zu bleiben.
Wir schwören es!
Berlin, den 19. August 1951
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Der Aachener Friedenspreis geht in diesem Jahr an das "Komitee der Wissenschaftler für den Frieden" in der Türkei und an die sachsen-anhaltinische "Bürgerinitiative Offene Heide". Wir dokumentieren hier auszugsweise die Begründungen für die jährlich vergebenen Auszeichnungen.
Im Januar 2016 veröffentlichten 1128 Wissenschaftler
verschiedener Universitäten einen gemeinsamen, an die Regierung
gerichteten Friedensappell: Die Unterzeichner fordern ein Ende des
Militäreinsatzes in den kurdisch geprägten Gebieten und rufen zu einer
Wiederaufnahme der Verhandlungen für den Friedensprozeß auf.
Dieser Aufruf hat für die türkischen Hochschulen und die Unterzeichner erhebliche Folgen: Leib und Leben werden bedroht, berufliche Existenzen vernichtet, (regierungs-)kritisches Denken wird aus den Hochschulen verbannt. Aufrufe, Petitionen und Veröffentlichungen gehören schon lange seit den massiven Einschränkungen der Meinungsfreiheit und der politischen Rechte zum Alltag kritischer Intellektueller und Wissenschaftler in der Türkei. Doch dieser Aufruf hatte aufgrund seiner Klarheit der Forderungen und der massiven Reaktion von Erdogan selbst, Regierungsstellen und der Hochschulverwaltungen bereits einen Tag nach Veröffentlichung eine Sonderstellung.
Am 12. Januar hielt Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Rede aufgrund der Anschläge in Istanbul - doch Hauptthema war der Aufruf der "Wissenschaftler für den Frieden": Erdogan beschimpfte die Unterzeichnenden in seiner Rede als eine "Bande ignoranter, dunkler Gestalten", bezeichnete sie als "Landesverräter" und rief die Justiz dazu auf, das Nötige gegen diesen "Verrat" von "Pseudo-Wissenschaftlern" zu unternehmen.
Seit 2015 geht die türkische Armee mit einer massiven Offensive gegen die verbotene kurdische Organisation PKK vor und verhängte über 50 Ausgangssperren in Diyarbakir und benachbarten Städten, von denen manche ohne Unterbrechung wochenlang andauern. Durch die Kämpfe wurden Häuser, Infrastruktur wie Straßen, Strom- und Wasserleitungen zerstört, so daß sich in den eingekesselten Gebieten neben der akuten Lebensgefahr durch den Beschuß auch eine humanitäre Katastrophe abzeichnet.
Bisher kamen nach Angaben des türkischen Vereins für Menschenrechte mindestens 162 Menschen aus der Zivilbevölkerung ums Leben, darunter 32 Kinder und 24 Menschen im Alter von über 60 Jahren (Stand Februar 2016). Aufgrund der Ausgangssperre konnten und können viele Leichen nicht geborgen werden, Verletzte sterben, weil Krankenwagen und Notärzten kein Zugang gewährt wird.
Nach dem Aufruf der "Wissenschaftler für den Frieden" kam es zu massiver Hetze in den Medien, persönlichen Angriffen mit Rufmord in Zeitungen, Verhaftungen, Disziplinarverfahren (109 bis 22.1.) und Anklagen wegen "Beleidigung des Türkentums, der Republik Türkei und ihrer Institutionen". Ihnen wird außerdem vorgeworfen, "Propaganda für terroristische Organisationen" zu betreiben.
Erdogan und seine AKP-Regierung haben mit diesem Krieg den Graben zwischen der Türkei und der kurdischen Bevölkerung enorm vertieft. Der vor drei Jahren noch mit Hoffnung begonnene Friedensprozeß ist vollständig zum Erliegen gekommen. Die kurdischen Forderungen nach kommunaler Selbstverwaltung und einer Autonomie für die kurdischen Gebiete innerhalb der Türkei werden von Erdogan und seiner AKP als Vaterlandsverrat angesehen. Die türkische Regierung mobilisiert eine enorme nationalistisch-islamistische Hetze gegen "Separatismus und Terrorismus". Inzwischen fordern Passanten von der Straße im türkischen Fernsehen "einen Genozid", wenn die Armee den kurdischen Widerstand nicht "ausrotten" könne. Der Krieg in den kurdischen Gebieten und die massive Hetze vertiefen die ethnische Spaltung des Landes enorm, auch indem sie massive kollektive Traumatisierungen schaffen, die in das kollektive Gedächtnis eingehen werden. Erdogans Strategie der Gleichschaltung der Medien und der Beeinflussung des öffentlichen Bewußtseins scheint aufzugehen.
In dieser Situation hört man von seiten der EU und der deutschen Regierung keinerlei Kritik, da die Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung in der Flüchtlingsfrage nicht gefährdet werden soll. "Ein NATO-Land bekämpft seine eigene Bevölkerung mit NATO-Panzern und europäischen Waffen, und Europa schweigt", so ein Unterzeichner.
Der Aufruf der Wissenschaftler für den Frieden hat eine Sonderstellung durch die Klarheit des Textes und der massiven Gegenreaktion des türkischen Staates, seiner Organe und der diffamierenden öffentlichen Reaktion.
Ausgezeichnet wird das "Komitee der Wissenschaftler für den Frieden", um seine verfolgten Unterzeichner zu unterstützen und zu helfen, eine Stärkung der Öffentlichkeit gegen die Kriegspolitik und Politik der Spaltung der türkischen Gesellschaft zu erreichen.
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Der Krieg beginnt hier! Hier, das ist die Colbitz-Letzlinger Heide, nördlich von Magdeburg, mit dem 232 Quadratkilometer großen Truppenübungsplatz, dem Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark, den die Bundeswehr selbst als den modernsten Europas bezeichnet. Hier wird Krieg geübt, ausprobiert, vorbereitet - von der Bundeswehr und der NATO.
Zur Vorgeschichte: Nachdem das Gebiet der Colbitz-Letzlinger Heide ab 1935 zunächst von der Wehrmacht, dann ab 1945 von der Sowjetunion für militärische Zwecke genutzt wurde, bestand nach der Wende die Hoffnung, daß die Colbitz-Letzlinger Heide als Naturpark genutzt würde, nachdem der Landtag Sachsen-Anhalts 1991 dessen ausschließlich zivile Nutzung beschlossen hatte. 1993 entschied sich dann jedoch der Bundestag für die Weiterführung des Truppenübungsplatzes, und im August 1994 besetzte die Bundeswehr das 23.000 ha große Kerngebiet.
Als Reaktion darauf formierte sich 1993 die Bürgerinitiative Offene Heide, die seit dem 1. August 1993 jeden ersten Sonntag im Monat zum Friedensweg in die Colbitz-Letzlinger Heide aufruft, um für eine zivile Nutzung des Naturschutzgebietes, für Frieden und gegen Krieg zu protestieren und symbolisch ein Stück Heide in Besitz zu nehmen. "Frieden schaffen ohne Waffen" ist ihre Losung.
Auf der Homepage der BI Offene Heide heißt es: "Die verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 und das neue Weißbuch der Bundeswehr rechtfertigen nahezu unbegrenzte militärische Einsätze, um den Zugang zu lebenswichtigen und knapp werdenden Ressourcen der Erde für die modernen Industrienationen zu rauben. Diese Neuorientierung der Bundeswehr dient der Vorbereitung von Angriffskriegen und stellt einen Straftatbestand nach dem Grundgesetz, dem Strafgesetzbuch und dem Völkerrecht dar."
"Ziviler Ungehorsam wird zur Pflicht, wo der Staat den Boden des Rechts verläßt." (Gandhi) "Verantwortung für unser Land heißt: Nein zu Krieg und Konfrontation! Unsere Verantwortung heißt: Ja zu Frieden, Abrüstung, ziviler Konfliktlösung und humanitärer Hilfe."
Die Colbitz-Letzlinger Heide mit GÜZ und Schnöggersburg ist der Inbegriff für den Wandel der Bundeswehr von einer Verteidigungs- hin zu einer Interventionsarmee. GÜZ und Schnöggersburg sollen auch von der Schnellen Eingreiftruppe bzw. der "Speerspitze" der NATO genutzt werden.
Die Beharrlichkeit und der Mut der BI Offene Heide zu immer wiederkehrendem zivilem Ungehorsam in ihrem unermüdlichen langjährigen Protest gegen Krieg, Militarisierung und Rüstung verdienen Respekt und unsere Solidarität! Diese Kriegsvorbereitungen gehen uns alle an. Was die BI jedes Jahr, Monat für Monat, vor Ort - in unmittelbarer Nachbarschaft der Vorstufe zum nächsten Kriegseinsatz - an Protest leistet, leistet sie stellvertretend für uns alle! Die Verleihung des Aachener Friedenspreises ist in diesem Sinne ein wichtiges Signal. Und auch, um diese unmittelbaren Kriegsvorbereitungen einer breiteren Öffentlichkeit überhaupt zur Kenntnis zu bringen.
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Die Aggressionspolitik Deutschlands wurde und wird von publizistischen Leitwölfen begleitet und unterstützt. Ihre Salven gegen das Völkerrecht sind zugleich Schläge gegen die Mehrheit der Deutschen, die Militäreinsätze ablehnt.
Es ist erfreulich, daß es aber auch couragierte verfassungstreue Publizisten gibt. Einer von ihnen ist Uwe Krüger, der seine Dissertation unter dem Titel "Meinungsmacht. Der Einfluß von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten - eine kritische Netzwerkanalyse" als Buch veröffentlichte. Von ihm ist zu erfahren: "Am auffälligsten war der Befund, daß vier leitende Journalisten der 'Süddeutschen Zeitung' (Stefan Kornelius), der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' (Klaus-Dieter Frankenberger), der 'Welt' (Michael Stürmer) und der 'Zeit' (Josef Joffe) stark in US- und NATO-affine Strukturen eingebunden sind."
Im Buch "Meinungsmacht" wird deren verhängnisvolle Rolle als Propagandisten des Krieges analysiert. Krüger enthüllt, daß die Meinungsmacher, die angetreten sind, der "Nation" den "Mainstream" aggressiver Gefühle zu verordnen, keineswegs "unabhängig" sind, wie ihre Redaktionen behaupten. Die Beziehungen der genannten Publizisten reichen von der berüchtigten Münchner Sicherheitskonferenz über diverse Einrichtungen der Bundeswehr bis zur US-amerikanischen "Trilateralen Kommission", einer Rockefeller-Gründung. Die Vorgaben des Netzwerkes der Bellizisten dürften bestimmend auch für kleinere Zeitungen sein, für das staatliche Fernsehen sowieso. Es reizt, Beispiele aus Regionalzeitungen zu zitieren, z. B. die in Dresden erscheinende "Sächsische Zeitung", der es wegen des Schicksals Dresdens Ehrenpflicht sein müßte, gegen Kriegstreiberei aufzutreten. Das würde allerdings kein Lob der Obrigkeit einbringen. Bellizisten unter den Publizisten können dagegen mit Preisen und Ruhm rechnen, je kriegerischer, desto mehr.
Ein Beispiel dafür ist Bernd Ulrich, der am 26. April 2013 den Henri-Nannen-Preis erhalten hat. Ulrich ist stellvertretender Chefredakteur der "Zeit". Früher als Friedensaktivist unterwegs, preist er heute völkerrechtswidrige Aggressionskriege. Seine "Streitschrift" mit dem Titel "Wofür Deutschland Krieg führen darf. Und muß", 2011 bei Rowohlt erschienen, ist ein Generalangriff auf das geltende Völkerrecht. Ein Unterschied zu den schon genannten Bellizisten ist, daß das Buch generell für neue Kriege plädiert und die militärische Gewalt ohne völkerrechtliche oder moralische Einschränkungen zur obersten Norm deutscher Außenpolitik machen will. Ulrich unterscheidet zwischen "richtigen und falschen Kriegen", läßt aber offen, wer die Entscheidung zu fällen hat. Der Logik der atomaren Abschreckung folgend hat Helmut Schmidt "im atomaren Poker den Einsatz erhöht, damit Deutschland nicht zum Verlierer wird". Ulrich folgert: "Und der nukleare Rüstungswettlauf hat nicht zum Atomkrieg geführt, sondern dazu beigetragen, daß die Sowjetunion wenige Jahre später unter dem Druck des ruinösen Wettrüstens zusammengebrochen ist."
Das Balancieren am atomaren Abgrund als erfolgreiche, sogar siegreiche Politik? Die atomare Erpressung als internationales Prinzip? Wer trug und trägt die Kosten und Folgen? Ulrich stellte Prinzipien auf, nach denen Politiker heute bei Kriegen handeln sollten:
So weit sind "wir": bei der "Berechtigung zu töten" und der Pflicht, den Heldentod zu sterben. Genug der Ulrich-Zitate!
Nach Ulrichs Kriegsverherrlichung soll an einen edlen Streiter für die Sache des Friedens, Kurt Tucholsky, erinnert werden, der am 24.12.1925 schrieb: "Der moderne Krieg hat wirtschaftliche Ursachen." Und, so einer der scharfzüngigsten Friedensjournalisten Deutschlands weiter: "Die Möglichkeit, ihn vorzubereiten und auf ein Signal Ackergräben mit Schlachtopfern zu füllen, ist nur gegeben, wenn diese Tätigkeit des Mordens vorher durch beharrliche Bearbeitung der Massen als etwas Sittliches hingestellt wird."
Leute wie Ulrich propagieren öffentlich den Bruch des Völkerrechts, des (provisorischen) Grundgesetzes, des Zwei-plus-vier-Vertrages. Kein namhafter Politiker, kein Staatsanwalt hat anscheinend etwas dagegen. Nürnberg scheint vergessen. Fragen wir also: In wessen Auftrag und Interesse handeln die Stürmer und Ulrich? Wer verantwortet die Morde, die Bundeswehrsoldaten in anderen Ländern begingen und begehen? Welche Perspektiven ergeben sich aus einer deutschen "Politik der Stärke"? Welche Folgen haben Aggressionen weltweit und gegen beliebige souveräne Staaten? Was kann Deutschland bei der Expansionspolitik der NATO gegenüber Rußland gewinnen?
Ausnahmsweise müssen wir Michail Gorbatschow zustimmen, der im "Spiegel" (Nr. 3/2015) mahnte: "Wenn angesichts der angeheizten Stimmung einer die Nerven verliert, werden wir die nächsten Jahre nicht überleben."
Prof. Dr. Horst Schneider
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In den einleitenden Worten zum Dossier "Feindbilder und Konflikteskalation" der Vierteljahreszeitschrift für Friedensforschung, Friedensbewegung und Friedenspolitik W&F (Wissenschaft und Frieden), Nr. 4/2015, heißt es:
Eskalierende Feindbilder sind wichtige Indikatoren für die Verschärfung von Konflikten bis hin zur Kriegsvorbereitung; in Kriegen sind sie ein wesentlicher Bereich psychologischer Kriegsführung. Gert Sommer erläutert in diesem Dossier wesentliche Merkmale von Feindbildern, Bedingungen für ihr Entstehen, zudem ihre wesentlichen Funktionen - von Selbstwerterhöhung über das Stabilisieren von Gesellschaften bis zur politischen Manipulation hin zum Krieg. (Mit zahlreichen weiterführenden Literaturangaben.)
Claudia Haydt zeigt auf, wie Politiker und Medien Bedrohungen inszenieren, Kriegsgegner diskreditieren und bei der Vorbereitung von Kriegen schnelle Siege suggerieren. Kriegsfolgen, insbesondere das Ausmaß menschlichen Leids und dessen Urheber, werden hingegen allzu selten thematisiert. In ihrem Beitrag nennt sie Beispiele für unseriöse Berichterstattung über den Ukrainekonflikt, beschreibt die allzu enge Verbindung von Journalisten und politischen Eliten und gibt abschließend Hinweise für Friedensjournalismus.
Die Nahost-Korrespondentin Karin Leukefeld zeigt am Beispiel des Syrienkrieges, wie aus innerstaatlicher Unzufriedenheit ein Krieg entwickelt werden kann, an dem inzwischen viele ausländische Mächte beteiligt sind. Zentral ist dabei die Konstruktion des Feindbildes Bashar al-Assad und - damit zusammenhängend - die Forderung, dieser müsse die Macht abgeben. Ergänzt wird dies durch das Torpedieren jeglicher gewaltfreien Konfliktlösungsversuche, eingeschlossen der der Vereinten Nationen.
Karin Kulow sieht eine wesentliche Funktion des westlichen Feindbildes "Islam" darin, das Dominanzverhalten gegenüber der islamischen Welt zu rechtfertigen. Sie belegt die doppelbödige Politik des Westens bezüglich Terrororganisationen: Am Beispiel von al Kaida und IS zeigt sie, daß diese als Kooperationspartner galten, solange sie im Interesse des Westens agierten. Entsprechend intransparent erscheint die derzeitige US-Politik. Kulow plädiert für eine Neuausrichtung der westlichen Politik gegenüber der islamischen Welt.
Die Beiträge in diesem Dossier belegen, daß Feindbilder nicht die alleinige Ursache für Konflikte sind. Feindbilder - und damit korrespondierend Selbst- und Freundbilder - können aber bedeutsame psychologische Waffen sein, um Konflikte zu eskalieren und Kriege vorzubereiten.
In seinem Beitrag "Zur Psychologie von Feindbildern" schreibt Gert Sommer:
Eine große Bedeutung bei Entstehung und Festigung von Feindbildern kommt dabei Medien zu, die neben Fakten - häufig kaum bemerkt - Bewertungen mitliefern. Bildern kommt eine besondere Relevanz zu, da sie intensive Emotionen hervorrufen können, indem sie u. a. menschliches Leiden hervorheben. Überdies werden Kriege häufig mit Lügen begründet. Beispiele:
• Ukraine-Konflikt 2014/2015. Die verschärften Sanktionen von USA und EU gegen Rußland wurden wesentlich damit begründet, Präsident Putin bzw. Rußland sei verantwortlich für den Abschuß des Flugzeuges von Linienflug MH17 der Malaysia Airlines. Dafür liegen auch nach Veröffentlichung des abschließenden Ermittlungsberichts des niederländischen Sicherheitsrats keine belastbaren Belege vor.
• Jugoslawien-Kosovo-Krieg 1999. Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen zeigte vor Beginn des Jugoslawien-Kosovo-Krieges immer wieder kosovo-albanische Flüchtlingsgruppen, und mit dem Argument der "systematischen Vertreibung" begründete die NATO wesentlich den Krieg gegen Jugoslawien als "humanitäre Intervention" bzw. als Verhindern einer "humanitären Katastrophe" (z. B. Sommer 2001). Mit Kriegsbeginn, d. h. als Folge des Krieges, ergriffen erheblich mehr Menschen die Flucht - darüber wurde kaum berichtet. Nach Kriegsende wurden etwa 200.000 Serben und 100.000 Roma von den Kosovo-Albanern vertrieben - darüber wurde nahezu gar nicht mehr berichtet.
• Zweiter Golfkrieg 1990/91. Der irakische Diktator Saddam Hussein hatte u. a. Oppositionelle und Minderheiten unterdrückt und ermordet sowie im Krieg gegen den Iran (Erster Golfkrieg 1980-1988) völkerrechtlich geächtetes Giftgas eingesetzt. Vom Westen wurde dies ignoriert oder sogar unterstützt, z. B. mit Waffen, da Hussein als Schutzschild gegen den Iran bzw. Islam galt (er war der Feind "unseres" Feindes). Erst als er im August 1990 das Nachbarland Kuwait überfiel und damit westliche Interessen (am Erdöl) gefährdete, wurde er vom Westen, insbesondere den USA, zum bedrohlichsten Feind erklärt (Sommer 1991) und in deutschen Medien u. a. als "Irrer von Bagdad" bezeichnet; er avancierte "gleichsam über Nacht vom hofierten Partner zum neuen Hitler". Die zunächst zögerliche Kriegsbereitschaft in den USA bekam eine entscheidende Wende durch Berichte über Greueltaten und die dadurch provozierte Empörung: Irakische Soldaten hätten in Kuwait Brutkästen aus Frühgeborenenstationen entfernt und damit 312 Babies ermordet. Diese Berichte wurden u. a. im US-Menschenrechtsausschuß und im UN-Weltsicherheitsrat vorgetragen und von Medien weltweit verbreitet. Erst nach Ende des Zweiten Golfkrieges wurde der "Brutkastenmord" als Propagandalüge entlarvt, die von der großen US-Werbeagentur Hill and Knowlton im Auftrag der kuwaitischen Regierung produziert worden war.
• Dritter Golfkrieg (2003). Der völkerrechtswidrige Krieg wurde von den USA damit begründet, daß Irak Massenvernichtungswaffen besitze und Terrorgruppen unterstütze - beide Behauptungen konnten nicht belegt werden. Es gibt aber Belege dafür, daß die USA nach dem 11.9.2001 sieben Kriege planten (gegen Irak, Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und schließlich Iran), um den Nahen und Mittleren Osten "umzukrempeln" und US-freundliche Regierungen zu installieren.
Die Artikel des Dossiers sind zu finden unter:
Claudia Haydt
http://wissenschaft-und-frieden.de/index.php?mid=1&pid=12&avar=0605#n0605
& Karin Kulow
http://wissenschaft-und-frieden.de/index.php?mid=1&pid=12&avar=1464#n1464
& Karin Leukefeld
http://wissenschaft-und-frieden.de/index.php?mid=1&pid=12&avar=1465#n1465
& Gert Sommer.
http://wissenschaft-und-frieden.de/index.php?mid=1&pid=12&avar=0321#n0321
Feindbilder und Konflikteskalation: W&F Dossier 80 (November 2015)
http://wissenschaft-und-frieden.de/seite.php?dossierID=084
Im Editorial der Zweimonatszeitschrift "Friedensjournal" (Nr.
6/2015) schreibt die Redaktion:
Vor kurzem bekannte der frühere britische Premierminster Tony Blair in aller Offenheit, dass der Irak-Krieg 2003 ein Fehler gewesen sei und zur derzeitigen Situation im Nahen Osten beigetragen habe. Die Konsequenzen dieses "Fehlers" sind: mindestens eine Million Tote, viele Millionen Menschen auf der Flucht und mit dem Irak, Syrien und Libyen, mehrere "failed states" (gescheiterte Staaten). Leider wird dieses nicht dazu führen, dass Tony Blair sich dafür gerichtlich als Kriegsverbrecher verantworten muss. Als Entschuldigung führte er an, dass man falschen Geheimdienstinformationen geglaubt habe.
Zu den Hauptaufgaben von Geheimdiensten gehört aber keineswegs, Falschinformationen in die Welt zu setzen, auch wenn dieses in den letzte Jahrzehnten stark zugenommen hat. Die früheren CIA-Analysten Elizabeth Murray und Ray McGovern bekannten vor kurzem, dass Sie es in früheren Jahrzehnten als ehrenwerte Aufgabe angesehen hätten, die Weltlage richtig zu analysieren und das falsche "Briefing" von Politikern und Medien erst vor dem Irak-Krieg 2003 dominant geworden sei - weshalb sie sich von ihrem früheren Arbeitgeber abgewendet haben und dessen Methode jetzt in Interviews anprangern.
Das vollständige Editorial kann nachgelesen werden unter:
http://www.frieden-und-zukunft.de/pdf/fj/FJ_2015-6.pdf
Wissenschaft & Frieden,
Beringstraße 14, 53115 Bonn
buero-bonn@wissenschaft-und-frieden.de
http://wissenschaft-und-frieden.de
Friedensjournal c/o Friedens- und Zukunftswerkstatt
e.V., Wilhelm-Leuschner-Str. 69-77,
60329 Frankfurt a. M.
http://www.frieden-und-zukunft.de/?Friedensjournal
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Sonnabend, 13. August, 14 bis 17 Uhr, Pariser Platz, Berlin
Am 13. August 1961 wurde "die Mauer" um Westberlin gebaut. Antifaschistisch - so nannte die DDR ihre Grenze. Heute sagen sie, daß dieser Antifaschismus keiner war. Aber er war so viel mehr als jetzt: Mit ihm wären keine AfD und Pegida, keine brennenden Unterkünfte für Geflüchtete und keine über 200 von Faschisten getöteten Menschen seit 1990 möglich gewesen.
Daß es hinter dieser Grenze im Osten keine Reichen gäbe, aber ein Auskommen für alle, sagte die DDR. Heute sagen sie, daß die Leute in dieser DDR arm waren und unglücklich. Aber Glück gab es dort so wie Unglück, und gereicht hat es dort für alle, und nicht nur zum Überleben wie heute. Es hat auch gereicht für die fast 25 % der Kinder, die hier und heute in Armut leben müssen. Wenigstens könne nun jeder überall hin, sagen sie uns täglich und trauern medienwirksam um 1000 Tote in 40 Jahren "deutsch-deutscher Grenze".
Doch Tränen gibt's nur für Deutsche. Für die 1000 monatlich an den "europäischen Außengrenzen" Ertrinkenden rollt keine. Das Mittelmeer, ein Massengrab, ausgehoben vor allem von Deutschland. Dort wird leise gestorben, anonym, ohne Mauershow. Daß die Grenze den Frieden in der Welt bewahre, war der DDR besonders wichtig zu betonen. Heute sagen sie, daß dieser Frieden keiner war.
Aber er war so viel mehr als jetzt, gab einem Jugoslawien, gab einer Ukraine Raum für alle, die dort leben mochten. Er gab Staaten wie Afghanistan, Irak, Syrien und anderen ein Existenzrecht, all jenen Orten, die man seit 1990 mit Krieg überzieht, Millionen tötet und dadurch auch reaktionärsten Bewegungen wie dem IS den Boden bereitet. Deutschland führt wieder Krieg, seit dem Fall dieser Grenze, die einst gebaut wurde, um zu verhindern, daß er jemals wieder von deutschem Boden ausgeht.
So war sie ein zu Stein gewordenes Widerwort. Nach dem Abriß dieses Widerwortes brauchte es keine 10 Jahre, da bombardierten deutsche Bomber Belgrad, ein drittes Mal in der deutschen Geschichte. Die DDR sollte recht behalten. Die jetzt herrschende Meinung ist die der jetzt herrschenden Kriegstreiber und Verelender - so wie es auch ihre Meinung zu dieser Grenze ist, die gebaut wurde, um ihre Freiheit zu beschneiden.
Wir meinen: Es ist höchste Zeit für Widerworte!
Unentdecktes Land e.V. / www.unentdecktesland.org
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Nelson Mandela:
Das kubanische Volk nimmt einen besonderen Platz im Herzen der Völker
Afrikas ein. Die kubanischen Internationalisten leisteten einen
Beitrag zur Unabhängigkeit, Freiheit und Gerechtigkeit in Afrika, der
ohnegleichen ist wegen der Prinzipien und der Uneigennützigkeit, die
ihn charakterisieren.
• Seit ihrem Anbeginn ist die kubanische Revolution für alle freiheitliebenden Völker eine Quelle der Inspiration gewesen.
• Ich war im Gefängnis, als ich zum ersten Mal von der massiven Hilfe erfuhr, die die kubanischen internationalistischen Streitkräfte dem Volk Angolas zuteil werden ließen - in einem solchen Maße, daß es uns schwerfiel, es zu glauben -, als die Angolaner sich 1975 auf abgestimmte Weise von den südafrikanischen Truppen, der von der CIA finanzierten FNLA, den Söldnern und Truppen der UNITA und Zaires angegriffen sahen (...) Wir in Afrika sind es gewohnt, Opfer anderer Länder zu sein, die unser Territorium auseinanderreißen oder unsere Souveränität untergraben wollen. In der Geschichte Afrikas gibt es keinen anderen Fall eines Volkes, das sich in Verteidigung eines unserer Völker erhoben hätte.
• Die erdrückende Niederlage der rassistischen Armee in Cuito Cuanavale stellte für ganz Afrika einen Sieg dar! Cuito Cuanavale markierte einen Meilenstein in der Geschichte des Kampfes um die Befreiung des südlichen Afrikas! Cuito Cuanavale markiert den Wendepunkt im Kampf um die Befreiung des Kontinents und unseres Landes von der Geißel der Apartheid!
Fidel Castro:
Wenn man ein Beispiel eines absolut rechtschaffenen Mannes haben will,
so ist dieser Mann, dieses Beispiel Mandela. Wenn man ein Beispiel
eines unerschütterlich standhaften, mutigen, heldenhaften, gefaßten,
intelligenten, fähigen Mannes haben will, so ist dieser Mann Mandela.
• Es wäre schlecht von uns, den bescheidenen Beitrag Kubas für die Sache der Völker hervorzuheben, aber beim Hören der Rede Mandelas denke ich, Compañeras und Compañeros, daß das der größte und tiefste Tribut gewesen ist, der jemals unseren internationalistischen Kämpfern geleistet wurde.
(Aus Reden anläßlich des Besuchs Mandelas in Kuba, 26. Juli 1991, "Granma internacional")
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Warum bin ich Sozialist geworden, noch klarer, warum habe ich mich in einen Kommunisten verwandelt? Dieses Wort steht für ein Konzept, das in der Geschichte am meisten verfälscht und verleumdet wurde, und zwar von seiten derer, die das Privileg hatten, die Armen auszubeuten, welche ausgeplündert sind, seit sie aller materiellen Güter beraubt wurden, die durch die Arbeit, das Talent und die menschliche Energie hervorgebracht werden. Seit wann lebt der Mensch in diesem Dilemma im Laufe der unendlich langen Zeit! Ich weiß, daß ihr diese Erklärung nicht benötigt, aber vielleicht einige der Zuhörer.
Ich spreche nur, damit man versteht, daß ich weder unwissend, extremistisch oder blind bin, noch mir meine Ideologie allein angeeignet habe, indem ich Ökonomie studierte. Ich hatte keinen Lehrer, als ich Jura und Politikwissenschaften studierte, in denen diese ein großes Gewicht hat. Natürlich war ich damals ungefähr 20 Jahre und begeisterter Sportler und Bergsteiger. Ohne Lehrer, der mir beim Studium des Marxismus-Leninismus geholfen hätte. Ich war nichts weiter als ein Theoriker, und natürlich hatte ich damals volles Vertrauen in die Sowjetunion und in das Werk Lenins, das nach 70 Jahren Revolution geschändet wurde. Welch historische Lektion!
Man kann sagen, daß nicht weitere 70 Jahre vergehen sollten, bis ein anderes Ereignis wie die russische Revolution geschieht, bis die Menschheit ein weiteres Beispiel einer grandiosen sozialen Revolution erlebt, die ein gewaltiger Schritt im Kampf gegen den Kolonialismus und seinen untrennbaren Begleiter, den Imperialismus, bedeutete.
Vielleicht geht jedoch heute die größte Gefahr für die Erde von der zerstörerischen Macht der modernen Waffen aus, die den Frieden auf dem Planeten untergraben und das menschliche Leben auf der Erde unmöglich machen könnte.
Vielleicht ist es das letzte Mal, daß ich in diesem Saal spreche. Ich habe für alle Kandidaten gestimmt, die vom Parteitag zur Wahl aufgestellt wurden, ich bedanke mich für die Einladung und die Ehre, daß Ihr mir zugehört habt. Ich beglückwünsche alle, an erster Stelle den Compañero Raúl Castro für seine großartigen Anstrengungen.
Nehmen wir den Marsch auf, und verbessern wir, was wir verbessern müssen, mit größter Loyalität und mit vereinten Kräften, wie Martí, Maceo und Gómez, im unaufhaltsamen Schritt.
Havanna, 19. April 2016
¡Hasta la victoria siempre!
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Als mein Vater im Jahre 2012 starb, erbte ich zwei alte Schränke, die in der Abstellkammer verstaubten. In einer Schublade entdeckte ich mehrere Schulhefte, in die mein Vater ab 1940 geschrieben hatte. Sie enthalten neben Arbeiten auf dem Gebiet der Naturkunde und Mathematik auch Niederschriften zur Rassenlehre und zur Verherrlichung des Krieges. Ein Diktat trug den Titel: "Die Tat eines mutigen Soldaten":
"Es ist kurz vor Beginn des Westfeldzuges. Alle Soldaten liegen in ihren Bunkern. Plötzlich schrillt die Pfeife des Offiziers. Alle Mann springen von ihren Plätzen. Die Skatkarten bleiben liegen, und alles jagt hinaus. In wenigen Sekunden sind sie draußen angetreten. Der Hauptmann macht ihnen in kurzen Sätzen klar, um was es sich handelt. Heute noch in der Nacht soll ein Stoßtruppunternehmen ausgeführt werden. Es gilt, einen feindlichen Bunker zu vernichten, der uns gegenüber auf einem Berg liegt. Nun wird fieberhaft gearbeitet, denn der Stoßtrupp muß ausgerüstet sein. Handgranaten und Maschinenpistolen müssen mitgenommen werden. Jetzt ist es genau 24 Uhr. Der Stoßtruppführer, ein junger Leutnant, gibt den Abmarschbefehl. Wir marschieren los. Jetzt können wir noch ohne größere Vorsicht gehen, wir befinden uns ja innerhalb der deutschen Linien. Da ist der kleine Bach. Hier beginnt also das Niemandsland. Und drüben am Waldrand, der noch als dunkler Streifen sichtbar ist, liegt der Bunker, dem unser Auftrag gilt. Jetzt müssen wir auch in Deckung vorgehen, denn der Feind ist nahe. Bald haben wir uns so weit an den Bunker herangearbeitet, daß wir ihn vor uns liegen sehen.
Unser Maschinengewehr lassen wir zur Flankendeckung zurück. Da plötzlich klingt zu uns ein fremder Laut herüber. Der französische Posten hat uns also schon bemerkt. Jetzt gilt es, schnell zuzupacken, sonst stoßen wir auf Abwehr, und auf unserer Seite würde es dann auch Verluste geben. Diese aber wollen wir vermeiden. Jetzt schnell vor. Aber der Feind ist bereits wach. Ein Hagel von Geschossen peitscht uns entgegen. Es gibt einige Verwundete auf unserer Seite. Wir ziehen uns in unsere Deckung zurück. Da ist unser Stoßtruppführer plötzlich weg. Jetzt sehen wir ihn uns gegenüber zum Bunker laufen. Schon ist er heran und schwingt sich auf den Bunker. Schnell wirft er die geballte Ladung in die Schießscharten und springt schnell wieder herunter. Jetzt eine große Explosion im Innern, und schon schweigen die feindlichen Waffen. Wir stürmen in den Bunker. Dicker Qualm schlägt uns entgegen. Hier hauste der Tod. Niemand vom Gegner lebt mehr. Hiermit ist der Bunker unser."
Ich war erschrocken. Das soll mein Vater geschrieben haben? Ich begriff aber bald, daß solche Arbeiten sicher millionenfach in den Schulen des faschistischen Deutschlands diktiert wurden, und daß mein Vater damals ein Kind war, dessen unschuldiges Gemüt mißbraucht wurde. Unwillkürlich mußte ich an die Bundeswehr denken, die heute wieder an Schulen für neues Kanonenfutter wirbt.
Die Methoden, die dabei angewendet werden, mögen psychologisch geschickter sein als die der Faschisten. Aber die Grundrichtung der Kriegshetze und Gewaltverherrlichung hat sich im Grunde nicht geändert. Wieder sind Lügen über eine angebliche Bedrohung aus dem Osten das Salz in der blutigen Suppe der Kriegstreiber. Wieder geht es in Wahrheit um den Profit derselben Profiteure wie einst. Und wie damals wird das Recht zum Morden mit einer angeblichen Überlegenheit westlicher Kultur und westlicher Werte gegenüber anderen Völkern begründet. Man benutzt nur nicht mehr das Wort Rasse, sondern spricht von einer "Wertegemeinschaft", deren höchstes Gut, nämlich Frieden und Demokratie, ganz nebenbei herbeigebombt werden muß. Dabei setzt man sie ganz unbescheiden mit der Meinung der "Weltöffentlichkeit" gleich, wenn ein neuer Krieg moralisch gerechtfertigt werden soll, obwohl die G7-Staaten gerade einmal 10,5 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren. Jeder, der sein Kind dem Einfluß der Bundeswehrpropaganda in den Schulen, auf Rüstungsmessen wie der ILA oder anderen Veranstaltungen der deutschen Kriegsarmee aussetzt, sollte sich Aufsätze wie den hier wiedergegebenen anschauen.
Es wird hohe Zeit für eine Friedensbewegung, die aufrüttelt und die Kriegstreiber beim Namen nennt! Gerade Linke sollten das offen aussprechen. Wer aber von Regierungsbeteiligungen in den Kabinetten der Kriegsparteien träumt, wie es Führungskräfte in der Partei Die Linke tun, hat sich mit neuen Kriegsopfern schon längst abgefunden.
Ulrich Guhl
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Interview an einer Imbißbude irgendwo in Sachsen-Anhalt nach der Landtagswahl: "Wen haben Sie denn gewählt?", fragt der Reporter. "Na, hier die ARD", antwortet der Angesprochene. "AfD", korrigiert der Imbißbuden-Besitzer. "Und warum haben Sie die AfD gewählt?", will der Journalist wissen. "Was erwarten Sie von dieser Partei?" "Nüscht", kommt als knappe Antwort. "Und wieso haben Sie dann bei dieser Partei ihr Kreuz gemacht?", hakt der Fragende nach. Achselzucken. "Na, die anderen machen doch ooch nüscht, also hier die CDU, die SPD und die SED."
Wer nun denken mag, daß es sich hierbei um einen aktuellen politischen Witz handelt, irrt. Einen Bericht mit ungefähr diesem Dialog hörte ich in einem der Morgenmagazine des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch um sich derart gesammelten Stuß anhören zu dürfen, müssen jedes Quartal 52,50 Euro bezahlt werden. Und daß die SED seit 26 Jahren gar nicht mehr ins politische Geschehen eingreifen kann, scheint in Sachsen-Anhalt noch nicht überall angekommen zu sein.
Aber was kann man denn nun von dieser AfD, die manchen als neues politisches Lieblingskind der deutschen Bourgeoisie gilt, erwarten?
Ursprünglich hatte die AfD für Arbeiter und Angestellte ein ganz besonderes Bonbon auf Lager. Die staatliche Arbeitslosenversicherung sollte abgeschafft und durch eine private Vorsorge ersetzt werden. Wer sich diese nicht hätte leisten können, wäre künftig dann gleich bei Eintritt in die Erwerbslosigkeit unter die entwürdigenden Mahlsteine der Hartz-IV-Mühle geraten. Als jedoch nach den Landtagswahlen im Frühjahr deutlich wurde, daß insbesondere Arbeiter und Arbeitslose die AfD gewählten hatten, wurde dieses Ansinnen schnell wieder unter den Teppich gekehrt. Dort kann man es notfalls auch wieder hervorkramen, sollte man jemals an die Schalthebel der Macht in der BRD gelangen. Das wäre dann bei weitem nicht der erste Wahlbetrug, dem sich die Bevölkerung dieses Landes ausgesetzt sähe.
Derweil hat sich Frauke Petry nun die Rentner als neue Opfergruppe für ihre gnadenlose Sozialpolitik erwählt und spricht von "brutalen" Rentenreformen, die in der BRD notwendig seien. Allein diese Wortwahl zeugt davon, wes Geistes Kind diese Frau ist. Verlängerung der Lebensarbeitszeit, drastische Rentenkürzungen und noch höhere Strafbeiträge für Kinderlose empfindet die AfD-Chefin als notwendige Schritte, um den Kapitalismus hierzulande zu sanieren. Dabei möchte man sich den 70jährigen Dachdecker bei der Arbeit in luftiger Höhe oder den 75jährigen Chirurgen während einer sechsstündigen Operation lieber erst gar nicht vorstellen. Frauke Petry würde sich in diesem Alter natürlich immer noch an einem Stuhl im Bundestag oder im sächsischen Landtag irgendwie festhalten können.
Die Vorsitzende der AfD-Fraktion in Sachsen hat übrigens in Thüringen einen Amtskollegen, der als Leitfigur des rechten AfD-Flügels angesehen werden kann: Björn Höcke. Der beurlaubte Lehrer für Sport und Geschichte träumt von einer Drei-Kind-Familie als Pflicht in der BRD. Seinen vier Kindern wird dieser Mann sicherlich ein annehmbares Leben bieten können. Doch angesichts der Tatsache, daß gegenwärtig in der BRD etwa 1,5 Millionen Mädchen und Jungen in Armut aufwachsen müssen, drängt sich eine Frage auf: Wie viele Kinder sollen es denn noch werden? Ein kinderfreundliches Land sieht anders aus. Die BRD in ihrer derzeitigen Verfaßtheit ist es nicht.
Durch kalkulierte verbale "Ausrutscher" glänzen AfD-Politiker fast fortwährend. Besondere Brisanz hat dabei ein Zitat von Frauke Petry. Dabei war in bezug auf BRD-Grenzen und die "Flüchtlingswelle" aus dem Nahen Osten von der Notwendigkeit des Waffengebrauchs die Rede. In der medialen Welt vernahm man nur einen kurzen Aufschrei, dann war wieder Ruhe im Saal.
Beatrix von Storch (Beatrix Amelie Ehrengard Eilika von Storch, geborene Herzogin von Oldenburg) bedient allein durch ihre Anwesenheit in der deutschen Politik die Sehnsucht der "Yellow Press"-Leser nach ein wenig Adel in staatstragenden Positionen. Ihrer Familientradition verpflichtet, dürfte die Rechtsanwältin aber wohl eher für ein Deutschland stehen, wie es vor 1848/49 existierte.
Das Verhältnis zwischen Medien und AfD ist ein besonderes. Die bürgerliche Presse tut sich schwer im Umgang mit dieser Partei, da es durchaus Schnittmengen zwischen der AfD und der Pegida-Bewegung gibt. Einerseits haben sie am Pegida-Vorwurf der "Lügenpresse" schwer zu beißen, andererseits steht manchem Moderator ein kleines Lächeln auf den Lippen, wenn er verkünden darf, daß nach Meinungsumfragen die AfD bei Wahlen bundesweit bis zu 15 Prozent einfahren würde. Da schwingt mitunter ein unhörbares "endlich" mit. Sollten die Träume der AfD einmal wahr werden, könnte es sein, daß bürgerliche Journalisten versuchen, ihren Job durch vorauseilende Anpassung zu retten.
Rico Jalowietzki, Berlin
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Seit Mitte April liegt der Bericht einer vom Bundestag eingesetzten "Expertenkommission zur Zukunft der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU)" vor. Der Report ist das Ergebnis der Kommissionstätigkeit von ihrer Einsetzung am 4. Juli 2014 bis zum abschließenden Bericht am 5. April 2016. Herausgekommen sind "Handlungsempfehlungen". Die Reaktionen auf diese Empfehlungen waren vorauszusehen. Dort, wo der normale Menschenverstand aufhört, beginnt die "Bild"ung ... Ralf Schuler, Leiter der "Bild"-Parlamentsredaktion, Jahrgang 1965, gibt schon mal die Hauptlinie vor: "Die Behörde muß bleiben!" Er behauptet, daß deren Aufgabe noch nicht erledigt sei. Seine Begründung: "Für Generationen ist die Stasi eine schlimme, schmerzhafte, oft persönliche Wunde. Eine Wunde, die nicht durch Zeit allein geheilt wird, sondern auch durch Wahrheit."
Lyrik und Volksverdummung haben ihm dann wohl die Feder geführt: "Die Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit hat dem inneren Frieden der Deutschen nicht geschadet, sondern ihn befördert. Die Stasi-Unterlagen sind ein Mahnmal gegen Unterdrückung und Erniedrigung - und ein Archiv des Widerstandes all derer, die sich nicht einschüchtern ließen." Abschließend gibt er dem Parlament den Rat, die Angelegenheit in zehn Jahren noch einmal zu prüfen.
Dabei werden durch die "Experten" der Kommission das System der "Aufarbeitung" und der prinzipielle Umgang mit den "Stasi"-Akten nicht infrage gestellt. Die Grundsatzempfehlung besagt, daß die "Stasi"-Unterlagen bis zum Ende der nächsten Wahlperiode in das Bundesarchiv integriert werden sollten. Das heißt aber auch, daß sie grundsätzlich in der Normannenstraße in Lichtenberg bzw. in den Ländern verbleiben. Man muß sich also nur die Mühe machen, die Schilder an den Zimmertüren auszuwechseln. Widerspruch kommt aus allen ostdeutschen Ländern zu der Empfehlung, eine administrative Zusammenlegung der BStU-Außenstellen in diesen Ländern vorzunehmen, womit von den bestehenden zwölf Außenstellen nur noch fünf blieben. Welch ein Verlust an Zuwendungen und Arbeitsplätzen! Der größte Schock für die eifrigen "Stasi"-Aufarbeiter ist aber wohl die Empfehlung im Punkt II.3, die Gedenkstätten Normannenstraße/Magdalenenstraße und Hohenschönhausen unter dem Dach der neu zu gründenden Stiftung zusammenzuführen. Der Leiter des Hohenschönhausener Gruselkabinetts, Hubertus Knabe, sprach sofort von einer "feindlichen Übernahme". Wer ist hier der Feind?
Bei einigen "Experten" und Wissenschaftlern wurde Widerspruch laut zu dem reglementierten Forschungsauftrag, wo schon zu Beginn das Ergebnis festgelegt wurde und sich jegliche wissenschaftliche Arbeit diesem Ziel unterordnen mußte. Nun schlägt die Kommission die Gründung einer selbständigen "Forschungsstelle DDR-Staatssicherheit in vergleichender Perspektive" vor. Man träumt in diesen Kreisen tatsächlich von voller wissenschaftlicher Unabhängigkeit und davon, daß man über das Forschungsprogramm selbst entscheiden kann. Vielleicht kommt bei solcherart Forschung anhand der Akten am Ende heraus, wie das MfS wirklich gearbeitet hat und wie sehr es der Friedenssicherung verpflichtet war. Falls ein derartiges Forschungsergebnis zustande käme und veröffentlicht würde, sollten wir uns freuen!
Der fast einzige Gewinner ist der jetzige alleinige Herrscher über die Akten des MfS, Roland Jahn. Eigentlich könnte er nur noch für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren vom Bundestag gewählt werden. Nun soll das Amt eines Bundesbeauftragten bleiben, dies aber mit erweiterter Kompetenz und der Wiederwahlmöglichkeit. Die neue Dienstbezeichnung soll dann "Bundesbeauftragte/r für die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur und ihren Folgen" sein.
Für die Partei, die Mitte der 90er Jahre noch die Gauck-Behörde abschaffen wollte - die damalige PDS und heutige PDL - gehört der Expertenkommission Prof. Dr. Silke Satjukow an. Sie hat sich besonders durch ihr antisowjetisch geprägtes Habilitationsprojekt "Besatzer. 'Die Russen' in Deutschland 1945 bis 1990" empfohlen.
Anfang Juni ist vom Bundestag entschieden worden, daß bis auf weiteres alles beim alten bleibt, natürlich auch das "Gruselkabinett" des Hubertus Knabe in Selbständigkeit. Also - außer üppigen Spesen - nichts gewesen!
Konstantin Brandt
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Im Editorial des neuen "Rundbriefs" (1/2016) der BAG Antifaschismus der Linkspartei schreibt Julia Wiedemann u. a.: Die Wahlergebnisse der AfD bei den jüngsten Landtagswahlen haben viele schockiert. Doch für diejenigen, die sich schon lange mit der extremen Rechten, mit Rassismus in unserer Gesellschaft und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit befassen, ist der Erfolg der AfD keine Überraschung. Die Höhe der Stimmengewinne in Sachsen-Anhalt, aber auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind natürlich erschreckend. Doch Studien über Einstellungen in der Gesellschaft zeigen schon seit Jahren, daß es fremdenfeindliche Einstellungen in allen Teilen der Gesellschaft gibt. Zwar ist der Anteil derjenigen, die ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben, in den vergangenen Jahren gesunken, doch für Chauvinismus und ausländerfeindliche Positionen gibt es hohe Zustimmungswerte, die auf ein breites Potential schließen lassen. Das Phänomen der AfD ist keine Eintagsfliege, und wir werden uns für längere Zeit mit ihr befassen müssen.
Dabei dürfen wir nicht übersehen, daß es nach wie vor weitere Parteien im rechten Spektrum gibt, die immer aktiver werden. Roland Bach geht in diesem Rundbrief in seinem Beitrag unter anderem auf die Entwicklungen bei den Parteien "Der III. Weg" und "Die Rechte" ein. Gerd Wiegel beschreibt grundlegende rechte Entwicklungen der jüngsten Zeit, den Anstieg rechten Terrors gegen Flüchtlinge, rassistische Bürgerbewegungen wie Pegida und die Rechtsverschiebung in öffentlichen Diskursen.
Natürlich muß sich Die Linke fragen, wie sie damit umgehen will und was sie diesen Entwicklungen entgegenzusetzen hat. Einen Anfang dazu macht das Positionspapier der Elgersburger Runde aus Bundesvorstand, Fraktions- und Landesvorsitzenden, das sich vor allem mit Antworten auf die Flüchtlingsfrage befaßt und unter anderem ein humanes Asylrecht und eine demokratische Gegenkultur fordert. Seit den drei Landtagswahlen am 13. März gibt es eine Vielzahl von Papieren zum Thema, grundsätzlicher Art und mit theoretischem Anspruch oder rasch verfaßte tagespolitische Meinungsäußerungen. Die Bundes-AG Antifaschismus druckt in diesem Heft Auszüge aus drei grundsätzlichen Beiträgen ab und lädt alle Interessierten ein, auch die Spalten des Rundbriefes zur Diskussion zu nutzen. Außerdem planen wir, in der nächsten Ausgabe auch jene zu Wort kommen zu lassen, deren praktisches Wirken der letzten Monate in der Aufgeregtheit der aktuellen Diskussionen zu kurz gekommen ist, die aber als Beispiele humanen politischen Engagements in der "Flüchtlingsfrage" größere Würdigung verdienen. Die Bezeichnung "politische Kleinarbeit" für dieses Engagement erhält einen aktuellen Bezug, dieses Handeln verdient allen Respekt - und dies hat in der "linken" Bewegung eine lange Tradition. In diesem Zusammenhang: Auch Historisches hat einen Stammplatz in unserem Blatt. In dieser Ausgabe wird mit Arthur Ewert ein Funktionär von KPD und Kommunistischer Internationale vorgestellt.
Außerdem geht es in einem Beitrag von Günther Wehner um das illegale Wirken der SAP 1933 bis 1934/35. Und Friedrich Burschel hat ferngesehen: die dreiteilige Dokumentation über das Täter-Trio vom NSU, über das in München zu Gericht gesessen wird.
"Rundbrief", z. Hd. Julia Wiedemann,
Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin
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An düsteren Prophezeiungen hat es nicht gefehlt. Von einer Unregierbarkeit des Landes war die Rede, von Investorenflucht und finsteren Zukunftsaussichten, sollten "antieuropäische Kräfte" und Parteien, die in Gegnerschaft zum Militärpakt NATO stehen, an entscheidenden Stellen mitzureden haben. Mit Haken und Ösen versuchte Portugals konservativer Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva im Herbst des vergangenen Jahres zu verhindern, daß der Sozialist António Costa eine Minderheitsregierung bildet, die von Parteien links seiner Partido Socialista (PS) gestützt wird. Auch der US-Botschafter in Lissabon, Robert Sherman, hatte sich in die innenpolitische Debatte eingemischt und vor einer Linksentwicklung gewarnt. Eine Abkehr von der strikten Sparpolitik, mahnten politische Kommentatoren, werde Portugal in einen ähnlich dramatischen Konflikt stürzen wie Griechenland. Nach einem deutlichen Nein der Bevölkerung im Referendum zum Spardiktat der EU war die dortige Syriza-Regierung mit Alexis Tsipras an der Spitze von Berlin und Brüssel gerade kräftig durch die Mangel gedreht worden.
Aller Angstmache zum Trotz ließ das portugiesische Parlament, die Assembleia da República, das Regierungsprogramm von Premier Pedro Passos Coelho mit deutlicher Mehrheit durchfallen. Cavaco hatte diesen trotz einer Wahlniederlage seiner Mitte-rechts-Koalition aus der Sozialdemokratischen Partei (PSD) und der rechtskonservativen Portugiesischen Volkspartei (CDS-PP) am 4. Oktober 2015 erneut mit der Führung des Landes beauftragt. Damit war der Weg frei für Costa, der am 26. November 2015 schließlich ins Amt gelangte. Gestützt wird seine Regierung vom Linksblock (BE) sowie der Kommunistischen Partei (PCP) und den mit dieser seit Jahrzehnten verbündeten Grünen (PEV). Vorausgegangen war eine sensationelle Annäherung zwischen den Parteien der Linken, insbesondere zwischen der sozialdemokratisch orientierten PS und der PCP.
Das Verhältnis beider Parteien war seit der Nelkenrevolution 1974 historisch belastet. Die Kommunisten machen die Sozialisten dafür mitverantwortlich, daß Errungenschaften dieser antifaschistisch-demokratischen Umwälzung demontiert wurden. In dem etablierten Wechselspiel, in dem sich die PS und die Konservativen stets die Macht geteilt oder sich gegenseitig gestützt hatten, wirkten die Sozialisten nur als eine Seite derselben Medaille.
Der vormalige Bürgermeister der portugiesischen Hauptstadt António Costa hat die Karten neu gemischt. Die Regeln, nach denen nun gespielt werden soll, wurden in Abkommen der PS mit den kleineren Linksparteien fixiert. Soziale und wirtschaftliche Fragen - Mindestlöhne, Renten, eine Abkehr von Privatisierungen, die Stärkung des produktiven Sektors - sind darin bestimmend. Das Bündnis wurde aus der Not heraus geboren: Portugal hatte schwer unter der Brüssel hörigen Austeritätspolitik der Rechten gelitten. Statt eines Lichts am Ende des Tunnels stellten sich nur noch mehr Armut und Arbeitslosigkeit ein. Hunderttausende verließen das Land auf der Suche nach Perspektiven. Es war die größte Auswanderungswelle in Portugals Geschichte. Mit Streiks und Protesten bekam die Regierung die wachsende Unzufriedenheit der Menschen zu spüren. Bei einer Fortsetzung dieses Kurses hätte auch die PS eher früher als später die Quittung bekommen.
Costa versprach eine klare Abkehr davon und zugleich, daß Portugal den Regeln der Euro-Zone folgen und seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen werde. Die großen Gewerkschaften begrüßten den Wechsel an der Spitze des Landes, ohne der neuen Regierung einen Blankoscheck für ihre Politik ausstellen zu wollen.
Nach den ersten Monaten dieser neuen politischen Ära läßt sich festhalten, daß der Kurswechsel relativ geräuschlos vollzogen wurde. Die Konstruktion aus PS und Linksparteien wirkt weiter stabil. Bereits Ende Februar hatte sie die Probe aufs Exempel bestanden, als die vier Parteien gemeinsam den Haushaltsentwurf des neuen Kabinetts im Parlament durchbrachten. Um dessen Details war mit der EU-Kommission zäh gerungen worden, die auch nach dem Verlassen des Troika-Rettungsschirms 2014 ein Wörtchen mitreden möchte. 2011 hatten Bürgerliche und PS mit EU, Europäischer Zentralbank und IWF ein Abkommen getroffen, das "Memorandum".
Zur Abwendung eines Staatsbankrotts erhielt Portugal, das unter dem Druck der Finanzmärkte stand, 78 Milliarden Euro. Als Brüsseler Musterschüler machte die Regierung Passos ihre Hausaufgaben: sanieren, reformieren, deregulieren. Steuern und Tarife stiegen, Renten und Gehälter wurden beschnitten, bei Bildung und Gesundheit wurde gekürzt. Dennoch verfehlte Portugal auch im Wahljahr 2015 ein weiteres Mal seine Defizit-Ziele. Und auch die neue Regierung hat mit diesen zu kämpfen.
Nicht zuletzt verschlingen Maßnahmen im Zusammenhang mit den gescheiterten Banken Espírito Santo und Banif an anderer Stelle dringend benötigte Milliarden. Zwar profitiert die Wirtschaft von Niedrigzinsen, dem Ölpreisverfall und einem schwachen Euro, der den Export stimuliert. Doch das Land kommt ökonomisch nur langsam aus der Talsohle. Und Strafandrohungen nach den EU-Regularien stehen im Raum. Solange das britische Brexit-Votum und die politische Hängepartie in Spanien, ebenfalls ein Defizitsünder, die öffentliche Debatte bestimmen, kommt Costa mit seiner Argumentation, daß allein die gute Absicht zähle, vielleicht noch durch. Zumal auch der neue Staatspräsident, der moderate und intelligente Konservative Marcelo Rebelo de Sousa, der am 9. März sein Amt antrat, in Brüssel und Berlin um Verständnis wirbt und sich bislang um ein kooperatives Verhältnis zur Costa-Regierung bemüht.
Doch an dieser Lunte ließe sich zündeln. Catarina Martins, Sprecherin des Linksblocks, warnt: Etwaige Sanktionen Brüssels gegen Portugal wären eine "Kriegserklärung". Ihr Land müsse solche entschieden zurückweisen, gegebenenfalls per Referendum. Die Politikerin fordert, die Prioritäten klar bei den Ausgaben für soziale Aufgaben zu setzen. Der Richtungswechsel in Lissabon macht sich im Land bemerkbar: Mindestlöhne und Renten steigen wieder, zum 1. Juli kehrte im öffentlichen Dienst die 35-Stunden-Woche zurück. Diese andere Politik ist nicht zuletzt ein Ergebnis der Kämpfe, an deren Spitze die PCP-nahe größte Gewerkschaftszentrale CGTP-Intersindical steht.
Die Kommunisten rücken auch als Stützpartei der PS um kein Haarbreit von ihren Positionen ab. Die EU stellen sie als einen "Prozeß der kapitalistischen Integration" von Grund auf infrage. Um seine Souveränität zu behaupten, die Rechte der Arbeitenden zu verteidigen und die Wirtschaft zu entwickeln, sei es notwendig, daß sich Portugal auf eine Befreiung von der "Unterwerfung durch den Euro" vorbereite.
Für scharfe innenpolitische Auseinandersetzungen sorgt die veränderte Bildungspolitik. Unter der Ägide von PSD und CDS-PP waren viele staatliche Schulen geschlossen und eine Privatisierung des Bildungssystems vorangetrieben worden. Öffentliche Schulen sollen nun an Stelle der privaten mehr Geld erhalten. Dies führt zum Aufschrei einer elitären Lobby, Expremier Passos Coelho wirft dem Sozialisten vor, Handlanger der Linksparteien zu sein. Costa weist solche Vorwürfe zurück und stellt sich vor seinen Minister.
Eine veränderte Lage und neue Herausforderungen werden auch die Debatten auf der 40. "Festa do Avante!" am ersten Septemberwochenende bestimmen. Das PCP-Volksfest ist mit Abstand das größte politisch-kulturelle Event des Landes.
Peter Steiniger
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Die EU ist ein staatsmonopolistischer Funktionsmechanismus mit einem imperialistischen Programm. Wahlen auf nationaler oder Unionsebene sind in der Regel nicht von besonderer Bedeutung für sie. Die Entscheidung der britischen Wähler am 23. Juni für den Austritt aus der EU bildet eine Ausnahme. Die Erwartungen der deutschen Regierung schwanken zwischen Warnungen vor einer Auflösung der EU wie bei Wolfgang Schäuble, der einen "Dominoeffekt" befürchtet, und der Hoffnung, alles könne nach einer längeren Phase des Nachdenkens in London neu gestartet werden, wie es Angela Merkel und Kanzleramtschef Peter Altmaier offenbar bevorzugen.
Schäubles Warnungen sind berechtigt, aber die Bundesregierung will offensichtlich alles tun, um sie nicht Realität werden zu lassen. Bei der britischen Finanzwelt und der Industrie dürfte sie für ihr Anliegen offene Türen finden, die grundlegende Krise, in der sich die EU befindet, wird sich allerdings nicht beseitigen lassen. Ihre Ursachen liegen in der Fehlkonstruktion des Staatenverbundes und in internationalen Machtverschiebungen.
Die EU war seit Gründung ihrer Vorgängerorganisationen ein antisozialistisches Instrument des kalten Krieges. Seit Auflösung der Sowjetunion spielt sie zusammen mit den USA eine zunehmend aggressive Rolle in der Welt. Der deutsche Imperialismus hat in ihr die Rolle einer Ordnungs- und Führungsmacht übernommen. Wirtschaftlich fungieren die osteuropäischen Länder als sein "Hinterhof", die südlichen Mitgliedstaaten unterliegen seinem Diktat. Frankreich und Großbritannien versuchten stets, die (west)deutsche Vormachtstellung zurückzudrängen. Insofern dienten EWG, EG und EU immer auch zur Regulierung innerimperialistischer Widersprüche, waren und sind sie ein permanenter Krisenmechanismus. Ein Ausscheiden der Atommacht Großbritanniens aus der EU bedeutet einen weiteren Machtzuwachs für die BRD.
Deutschland hat die Krise von 2008 und den Folgejahren genutzt, um seine ökonomische und politische Vormachtstellung gegenüber Frankreich und Großbritannien auszubauen. Insofern ist jedes Votum gegen die EU auch ein Votum gegen Berlin.
Vor allem aber: In den internationalen Kräfteverhältnissen vollzieht sich ein Wandel, der mit dem Begriff Multipolarität richtig beschrieben wird. Die Schwerpunkte des globalen Kapitalismus verlagern sich nach Asien. Es bilden sich global neue Blöcke heraus. Daraus ergibt sich ein neuer Kampf um Einflußsphären und Rohstoffe, der - wie Lenin formulierte - im Kapitalismus unvermeidlich nach Macht und Kapital entschieden wird. Er trägt die Kriegsgefahr in sich. Sollte die EU zerfallen, dann liegen die Gründe dafür in diesem Kampf und nicht, wie oft behauptet, in nationalistischen Ressentiments.
Die bestimmten allerdings die Kampagne für das Referendum in Großbritannien. Die britischen Konservativen, die das Referendum einberiefen, schürten jahrzehntelang Nationalismus und Rassismus. In der Referendumskampagne übertrafen sie an Hetze radikalere Kräfte wie die United Kingdom Party (UKIP) Nigel Farages, faschistische Gruppierungen und vor allem die bürgerlichen Medien. Die Atmosphäre war so aufgeheizt, daß es zum Mord an einer Abgeordneten und fremdenfeindlichen Übergriffen gegen viele der 3,3 Millionen EU-Bürger kam, die im Vereinigten Königreich leben, darunter fast eine Million Polen. Die richtigen Argumente von Sozialisten und Kommunisten für einen "linken" Ausstieg aus der EU wurden, wie es die kommunistische Tageszeitung "Morning Star" formulierte, von den großen Medien "ertränkt", sie drangen kaum in die Öffentlichkeit. Insofern lehrt das britische Referendum, daß Volksabstimmungen, die in einer Atmosphäre rechter, nationalistischer und fremdenfeindlicher Stimmungen einberufen werden (der Chauvinist Viktor Orbán inszeniert das nach britischem Vorbild in Ungarn mit der Abstimmung über Zuwanderung), kein Feld sind, auf dem linke Kräfte gewinnen können. Die britischen Kommunisten bewerten dennoch zu Recht das Ergebnis als "gewaltigen und teilweise desorientierenden Schlag gegen die herrschende kapitalistische Klasse in Großbritannien, gegen ihre angeheuerten Politiker und gegen ihre imperialistischen Verbündeten in der EU, den USA, im Internationalen Währungsfonds und in der NATO". Aufgabe der Sozialisten und Kommunisten sei es, das Resultat im Interesse der Bevölkerung zu nutzen.
Daran denken die in London Regierenden nicht eine Sekunde: Der zuständige britische Minister erklärte dem Gewerkschaftsdachverband TUC, er sei bei Gesprächen über die Vorbereitung der Verhandlungen mit der EU "unerwünscht". Diese fänden allein mit dem britischen Industrieverband statt. Das besagt: Die eventuellen Kosten eines EU-Austritts sollen auf die britische Arbeiterklasse abgewälzt werden.
Darauf deutet die Aussortierung unsicherer Kandidaten für den Parteivorsitz und für den Posten des Premiers bei den regierenden Konservativen hin, es werden Scharfmacher für Repression und Armutspolitik nach innen benötigt. Gleiches gilt für die Attacken auf Labourchef Jeremy Corbyn. Unberührt von der politischen Realsatire, die sich in London auch abspielte, bleibt das Finanz- und Industriekapital. Es hatte sich, wie sich nach dem 23. Juni zeigte, nicht zuletzt mit Hilfe der britischen Notenbank gegen eine Phase der Unsicherheit abgesichert. Konzepte für den Sieg der Ausstiegsbefürworter lagen vor.
In der EU schlummern ganz andere Bomben. So berichtete die "Neue Zürcher Zeitung" am 5. Juli unter der Überschrift "Nicht nur Brexit macht Sorge" von "globalen Gefahrenherden". Die seien, so zitierte sie den Vertreter einer japanischen Bank, "weitaus wichtiger" als jener. Der Vertreter einer japanischen Bank sagte der Zeitung, "der Preis der Globalisierung" seien "stagnierende oder fallende reale Lebensstandards in der entwickelten Welt, verdeckt durch eine immer höhere Verschuldung". Die hohen Ausgaben zur Rettung des Finanzsystems hätten wenig erreicht, sinnvoller wäre es seiner Ansicht nach gewesen, "die Mitglieder des Finanzsektors stärker zur Kasse zu bitten, statt die Bevölkerung mit Austerität und finanzieller Repression zu belasten". Ohne eine Änderung der Politik, sagte ein Experte eines anderen asiatischen Geldinstituts der Zeitung, fürchte er "in Europa eine Desintegrationsdynamik" und verwies auf Italien, das wahrscheinlich "der nächste Brennpunkt sein werde".
Der Artikel war kaum erschienen, da kündigte die Regierung in Rom an, sie wolle trotz Verbot durch die EU erneut Steuergelder zur Rettung von Banken mobilisieren. Die haben laut Medienberichten faule Kredite in Höhe von 360 Milliarden Euro angehäuft, das wären rund viermal soviel wie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise von 2008.
Das nächste wichtige Referendum in einem EU-Land, abgesehen von dem in Ungarn, findet im Herbst in Italien über die von Regierungschef Matteo Renzi vorangetriebene Verfassungsreform statt. Sollte Renzi nach einer Niederlage seinen Hut nehmen, könnte das die Desintegrationstendenz ganz anders beschleunigen als die britische Abstimmung vom Juni.
Vor diesem Hintergrund wirkt der am 2. Juli veröffentlichte Vorstandsbeschluß der Partei Die Linke "Sechs Punkte für den Exit aus der Krise: Weg von der Austerität und Europa neu starten - sozial und demokratisch!" wie von einem anderen Stern. Über die ökonomischen Grundlagen der EU oder ihre Kriege (gegenwärtig 17 militärische und Polizei-Missionen) findet sich in dem Papier kein Wort.
Eine realistische Betrachtungsweise bringt die Formulierung "Mißgeburt des Imperialismus" zum Ausdruck. Der stellvertretende DKP-Vorsitzende Hans-Peter Brenner benutzte sie auf dem 21. Parteitag und erklärte: "Wir müssen Schluß machen mit den Illusionen; man kann nicht an eine Reformierbarkeit der EU glauben."
Arnold Schölzel
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Sechzig Jahre ist es her, daß das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Verbot der KPD fällte. Diese Aktion der Klassenjustiz stellte Weichen, die zu einer folgenschweren Entwicklung führten. Schon der Zeitpunkt des Verbots ließ das erwarten. Nahezu zeitgleich wurde die Bundeswehr gegründet.
Offiziell wollte man mit dem Gerichtsbeschluß der Gefahr, die angeblich von der KPD für die Sicherheit der Bundesrepublik ausgehe, begegnen, doch in Wahrheit ging es einzig und allein darum, ein Hindernis auf dem Weg zur Remilitarisierung zu beseitigen.
Schon im November 1991 hatte die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht den Antrag gestellt, die KPD zu verbieten.
Parallel zum Antrag wurden 1951 per Regierungsverordnung Mitglieder der KPD und anderer fortschrittlicher Organisationen aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Das Verbotsurteil traf ebenso die FDJ, den Demokratischen Frauenbund, die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, den Demokratischen Kulturbund u. a. All diese Maßnahmen waren darauf gerichtet, den Widerstand gegen die Politik der Spaltung und Remilitarisierung zu brechen.
Die KPD stand an der Spitze des Kampfes gegen die Spaltung Deutschlands und die Wiederaufrüstung. Ihre Fraktion unter Max Reimann nutzte die Tribüne des Bundestags, um die Ziele der "Westbindung" Adenauers und der Wiederaufrüstung zu entlarven. Sie organisierte den außerparlamentarischen Kampf, so die "Ohne uns"-Bewegung, die unter der Jugend populär war. Am 11. Mai 1952 demonstrierten in Essen 30.000 westdeutsche FDJ-Mitglieder gegen die Remilitarisierung. Die eingesetzte Polizei erschoß den Jungarbeiter Philipp Müller, der zum Märtyrer dieser Bewegung wurde. Die Brutalität der Polizei beim Einsatz gegen friedliche Demonstranten warf ein Schlaglicht auf das Wesen der Bonner Demokratie.
Während der Verbotsprozeß lief, intensivierte die KPD ihren Kampf gegen den verhängnisvollen Kurs der Adenauer-Regierung.
Auf ihrem Parteitag in den letzten Dezembertagen 1954 in Hamburg bekannte sie sich zum Frieden und zur nationalen Einheit, lehnte die Pariser Verträge ab, forderte einen Friedensvertrag und begrüßte den Appell der DDR "Deutsche an einen Tisch!" Der Kampf der Kommunisten in der BRD Anfang der 50er Jahre wird stets ein Ruhmesblatt in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bleiben, während das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für immer ein Schandfleck sein wird.
Mit dem Urteil ist für jedermann erkennbar: Die Bundesrepublik pfiff auf das Potsdamer Abkommen und die Menschenrechtserklärung. Sie hob den Antikommunismus in den Rang einer Staatsdoktrin - wie zuvor die Nazis. Sie demonstrierte auch auf diesem Gebiet, daß sie "Rechtsnachfolger" des Dritten Reiches ist. Sie stellte sich in eine Reihe mit Franco-Spanien und wurde zum Vorreiter und Tummelplatz reaktionärer Kräfte in ganz Europa. Wir wissen heute, wohin das führte.
Mit der Urteilsverkündung setzte schlagartig eine brutale Polizeiaktion gegen KPD-Büros, Redaktionen, Verlage und Wohnungen von KPD-Mitgliedern ein, die an den März 1933 erinnerte. Selbst Mitglieder, die als Abgeordnete Immunität besaßen wie Jupp Angenfort, wurden eingekerkert.
Prof. Dr. Horst Schneider
Heinrich Hannover: Politische Diffamierung der Opposition im
freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat
Pläne-Verlag, Dortmund-Barop 1962
Lutz Lehmann: Legal & opportun. Politische Justiz in der
Bundesrepublik
Voltaire-Verlag, Westberlin 1966
Urteil: KPD-Verbot aufheben! Politisches und Rechtliches zum Verbot
der KPD
Mit ausführlichen Literaturhinweisen Pahl-Rugenstein-Verlag, Köln 1971
Antikommunismus - Vom Kölner Kommunistenprozeß 1852 zu den
Berufsverboten heute
Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt/M. 1972
20 Jahre KPD-Verbot - Eine Anti-Festschrift. Probleme des Kampfes
um Freiheit und Demokratie
Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt/M. 1976
Wolfgang Bartels: Philipp Müller - Der Polizeimord in Essen
Weltkreis-Verlag, Dortmund 1977
Alexander von Brünneck: Politische Justiz gegen Kommunisten in der
BRD 1949-1968
Suhrkamp-Verlag, Frankfurt/M. 1978
Heinrich Hannover / Günter Wallraff: Die unheimliche Republik.
Politische Verfolgung in der Bundesrepublik
Rowohlt-Verlag, Reinbek 1984
Heinrich Hannover: Politische Justiz 1918-1933
Lamuv-Verlag, Göttingen 1987
Diether Posser: Anwalt im kalten Krieg - Deutsche Geschichte in
politischen Prozessen 1951-1968
Bertelsmann-Verlag, Gütersloh 1991
Karl Heinz Jahnke: Das Verbot der Freien Deutschen Jugend
Neue-Impulse-Verlag, Essen 1996
Die verdrängte Schuld der Bundesrepublik - Eine Nach-Denkschrift
Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des kalten Krieges,
Essen 1997
Rolf Gössner: Die vergessenen Justizopfer des kalten Krieges
Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 1998
Friedrich Balzer / Heinrich Hannover (Hg.): Justizunrecht im Kalten
Krieg - Die Kriminalisierung der westdeutschen Friedensbewegung im
Düsseldorfer Prozeß 1959/60
PapyRossa-Verlag, Köln 2005
Heinrich Hannover: Die Republik vor Gericht 1954-1995: Erinnerungen
eines unbequemen Rechtsanwalts
Aufbau-Verlag, Berlin 2005
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[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]
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[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]
Ende RF-Extra
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WISSENSCHAFTLICHE WELTANSCHAUUNG
Marx' Lebensweg bis zur Ausarbeitung des Kommunistischen Manifests
2. Teil
Seit Mitte der 60er-Jahre hat der damalige "Deutschlandsender" (später umbenannt in "Stimme der DDR") eine auch in Westdeutschland gehörte und beachtete Sendereihe mit Vorträgen zu Fragen unserer wissenschaftlichen Weltanschauung ausgestrahlt, deren Manuskripte sich erhalten haben und die wir den Lesern des "RotFuchs" in einer Auswahl zur Verfügung stellen - inhaltlich wurde nichts verändert, von unumgänglichen Kürzungen abgesehen. Man kann diese Vorträge lesen als Kapitel eines Geschichtsbuchs (dazu auch immer die Angabe des seinerzeitigen Sendetermins) und zugleich als Einführung in die Grundlagen marxistisch-leninistischen Denkens. Viele auch in den Vorträgen zum Ausdruck kommende Hoffnungen haben sich mit und nach der Konterrevolution von 1989/90 zerschlagen, manche Prognosen haben den Praxistest nicht bestanden. Wesentliche Erkenntnisse von Marx, Engels, Lenin und anderen unserer Theoretiker aber haben nach wie vor Bestand, an ihnen halten wir (gelegentlich deswegen als Ewiggestrige beschimpft) fest, sie wollen wir - auch mit dieser Serie - vermitteln. RF
Sendetermin: 30. April 1968
Der Wunsch, mit der Waffe der Philosophie in den Tageskampf einzugreifen, wurde in Karl Marx immer stärker. Dieses Streben ließ ihn im Sommer 1842 zum Mitarbeiter der oppositionellen "Rheinischen Zeitung" werden, deren Herausgeber ihn im Oktober 1842 zum leitenden Redakteur des Blattes beriefen. Erst 24 Jahre alt, stand er nunmehr an der Spitze der führenden Zeitung der fortschrittlichen deutschen Bourgeoisie. Damit begann ein neuer Lebensabschnitt für Marx.
Marx übersiedelte, als ihm im Oktober 1842 die Chefredaktion der "Rheinischen Zeitung" übertragen wurde, sofort nach Köln und stürzte sich mit Elan in die neue Arbeit.
Die politische Publizistik war in der heranreifenden Auseinandersetzung zwischen der erstarkenden antifeudalen Bewegung und dem reaktionären preußischen Staat mehr und mehr zum wichtigsten Kampfplatz zwischen Fortschritt und Reaktion geworden. Auf diesem Kampfplatz erwarb sich Marx nun die ersten Erfahrungen in der praktischen politischen Auseinandersetzung, reifte er zum entschieden revolutionären Demokraten heran.
In mehreren Artikelserien untersuchte Marx in der "Rheinischen Zeitung" Probleme des politischen und sozialen Lebens im Rheinland. Noch war er in der Auffassung Hegels befangen, daß die Lösung der sozialen Frage von der Umwandlung des Staates abhänge, dessen Pflicht es sei, die Gesellschaft vernünftig zu organisieren. Aber je tiefer er in die gesellschaftliche Praxis eindrang, je intensiver er sich mit der Lage der arbeitenden Massen beschäftigte, um so stärker begann er zu erkennen, daß das Handeln der Menschen von bestimmten Klasseninteressen beeinflußt wird, die in Hegels Philosophie noch nicht berücksichtigt worden waren.
Diese journalistischen Arbeiten machten Marx mit vielen Problemen des täglichen Lebens bekannt und erweiterten seinen politischen Erfahrungsschatz. Die erstmalig so eingehende Beschäftigung mit wirtschaftlichen Fragen half ihm, die Rolle der ökonomischen und sozialen Verhältnisse im Leben der Gesellschaft und besonders im Organismus des Staates zu verstehen. Er erkannte zunehmend, daß die Auffassungen Hegels und des Philosophen Ludwig Feuerbachs, die sein Denken bisher vorwiegend beeinflußt hatten, für die Erklärung der gesellschaftlichen Praxis nicht ausreichten oder aber mit dieser Praxis nicht übereinstimmten. Er begann, die Bedeutung des Proletariats in der bürgerlichen Gesellschaft zu erkennen.
Noch etwas war für Marx neu: Er lernte in der täglichen Auseinandersetzung, also anhand eigener Erfahrungen, den junkerlich-preußischen Staat, seine Bürokratie und deren gegen jeden Fortschritt gerichtete Machenschaften kennen und hassen. Die für das Junkertum charakteristische widerliche Mischung von Arroganz und Brutalität trat Marx vor allem in Gestalt der Pressezensur entgegen.
Die feste demokratische Haltung und der zunehmende Einfluß der "Rheinischen Zeitung" - unter Marx' Chefredaktion hatte sich die Abonnentenzahl binnen zwölf Wochen von 885 auf 3400 erhöht - alarmierten die Reaktion. Sie unterwarf die Zeitung einer überaus scharfen Zensur.
Das Leben verlangte täglich von Marx Parteinahme. Und er nahm Partei, als konsequenter revolutionärer Demokrat für den gesellschaftlichen Fortschritt, für die berechtigten antifeudalen Forderungen der Bourgeoisie, aber nicht minder für das notleidende werktätige Volk.
Die preußische Regierung sah sich trotz aller Schikanen und Nadelstiche außerstande, die immer deutlicher werdende revolutionär-demokratische Tendenz der "Rheinischen Zeitung" zu unterdrücken. Da griff sie zum offenen Terror: Ab 31. März 1843 verbot sie die Zeitung. Marx war bereit zum Widerstand, doch die großbürgerlichen Aktionäre der Zeitung ließen ihn im Stich.
So kurz Marx' Tätigkeit an der Spitze der "Rheinischen Zeitung" auch gewesen war, sie hatte ihn um wesentliche Erfahrungen bereichert. Er hatte zu erkennen begonnen, welch große Rolle in der menschlichen Gesellschaft die ökonomischen Interessen spielen, und er hatte die Erfahrung gemacht, daß im Kampf für die Interessen der besitzlosen Volksmassen die Waffen des Idealismus und des bürgerlichen Demokratismus als philosophisches und politisches Rüstzeug nicht ausreichen.
"Es ist schlimm", schrieb er seinem Gesinnungsgenossen Ruge, "... mit Nadeln, statt mit Kolben zu fechten ... In Deutschland kann ich nichts mehr beginnen. Man verfälscht sich hier selbst."(1) In Paris hoffte er den Ort zu finden, wo er frei und offen seine politischen und philosophischen Auffassungen vertreten konnte. Dort wollte er zusammen mit Ruge eine Zeitschrift herausgeben.
Zuvor aber, am 19. Juni 1843, heirateten Karl Marx und Jenny von Westphalen. Die ersten Monate seiner Ehe verbrachte das junge Paar im Hause von Jennys Mutter in Kreuznach. Marx nutzte die Zeit bis zur Übersiedlung nach Paris, um seine politischen Erfahrungen und Erkenntnisse anhand der Hegelschen Staats- und Rechtsphilosophie kritisch zu überprüfen. Dabei wurde ihm immer deutlicher, daß die Geschichte nicht von Ideen, nicht vom Hegelschen "Weltgeist" bestimmt wird, sondern daß die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse eine entscheidende Rolle im Leben der Gesellschaft spielen. Wenige Monate später, schon in Paris, veröffentlichte er seine neuen Erkenntnisse, die ihn zum Materialismus und zum Kommunismus führten.
Im Oktober 1843 trafen Karl und Jenny Marx in Paris ein. Nun begann für beide das entbehrungsreiche Leben politischer Emigranten. Getrieben von dem Wunsch, ihrem Volk und der Menschheit eine friedliche, demokratische und glückliche Zukunft zu erkämpfen, nahmen sie lieber Not und Verfolgung auf sich, als sich den Unterdrückern und Ausbeutern zu beugen.
Marx brannte darauf, die mit Ruge geplante Zeitschrift schnell herauszugeben. "Deutsch-Französische Jahrbücher" sollte sie heißen, "Krieg den deutschen Zuständen!"(2) sollte ihre Losung sein. Im März 1844 erschien das erste Heft. Es enthielt aus Marx' Feder zwei Aufsätze: "Zur Judenfrage" und "Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung". In diesen Aufsätzen vollendete Marx seine Kritik der Hegelschen Philosophie. Seine Untersuchungen endeten, wie er selbst später schrieb, "in dem Ergebnis, daß Rechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus sich selbst zu begreifen sind noch aus der sogenannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit Hegel ... unter dem Namen 'bürgerliche Gesellschaft' zusammenfaßt, daß aber die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischen Ökonomie zu suchen sei".(3)
Mit dieser Erkenntnis hatte Marx Hegels Idealismus überwunden. Er bekannte sich offen zum Materialismus, ging dabei aber über Feuerbach hinaus, indem er in seinen Aufsätzen zeigte, daß es die "materiellen Lebensverhältnisse" und die Kämpfe gegensätzlicher Klassen sind, die die geschichtliche Entwicklung vorantreiben. Diese Vorwärtsentwicklung der menschlichen Gesellschaft müsse durch die fortschrittliche Philosophie gefördert werden. Doch wirksam könne die philosophische Kritik nur werden, wenn sie an die Bedürfnisse der Massen anknüpfe, ihre Interessen widerspiegele. Die Theorie, schrieb Marx mit revolutionärer Leidenschaft, "wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift. Die Theorie ist fähig, die Massen zu ergreifen, sobald sie ad hominem [am Menschen] demonstriert, und sie demonstriert ad hominem, sobald sie radikal wird. Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst ... Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist."(4)
Wo aber war die Kraft, "alle Verhältnisse umzuwerfen"? Diese Kraft, so schrieb Marx, konnte nur eine Klasse sein, die "durch ihre unmittelbare Lage, durch die materielle Notwendigkeit, durch ihre Ketten selbst dazu gezwungen wird".(5) Diese Klasse sei allein das Proletariat. Wenn die Arbeiterklasse die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln fordere, so verlange sie damit nichts anderes als Wiedergutmachung begangenen Unrechts, als historische Gerechtigkeit.
Marx' Aufsätze in den "Deutsch-Französischen Jahrbüchern" bezeichnen in philosophischer Hinsicht das Ende seiner revolutionär-demokratischen Periode. Sie zeugen vom Beginn einer neuen Periode, in der Marx - nunmehr in wesentlichen Fragen bereits Materialist und Kommunist - Schritt für Schritt die Weltanschauung des Proletariats, den wissenschaftlichen Sozialismus, entwickelte.
Die revolutionäre Kampfansage der "Deutsch-Französischen Jahrbücher" mobilisierte nicht nur die Reaktion in Deutschland; sie ließ auch Ruge, den Mitherausgeber, sich zurückzuziehen. Der bürgerliche Demokrat vermochte dem proletarischen Revolutionär nicht mehr zu folgen. Ruge gab die Zeitschrift auf. Marx stand völlig mittellos da, aber Freunde aus dem Rheinland halfen, so daß er in Paris weiterarbeiten konnte. Frankreich galt damals als das Mutterland der Revolution. Auf Frankreich richteten deshalb die Revolutionäre aller Länder ihre Hoffnungen. In Frankreich trat auch bereits der Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat unverhüllt in Erscheinung. Das Proletariat begann sich zu organisieren und bäumte sich in ersten Streikkämpfen und Aufständen gegen seine Unterdrückung auf.
Marx ging zu den Arbeitern und knüpfte Beziehungen zu ihren meist geheimen, weil verbotenen Organisationen an. Besonders suchte er Kontakt zu den in Paris lebenden deutschen Arbeitern, die sich im "Bund der Gerechten", der ersten politischen Organisation der deutschen Arbeiter, zusammengeschlossen hatten. Bei den Arbeitern ist, so schrieb er damals, im Gegensatz zur Bourgeoisie, "die Brüderlichkeit der Menschen ... keine Phrase, sondern Wahrheit".(6)
Kaum hatten die "Deutsch-Französischen Jahrbücher" ihr Erscheinen einstellen müssen, stürzte sich Marx in neue wissenschaftliche Studien. Hatte er in den "Jahrbüchern" die These von der historischen Rolle des Proletariats aufgestellt, so kam es ihm jetzt darauf an, diese These durch gründliche wissenschaftliche Untersuchungen im einzelnen zu beweisen und zu diesem Zweck "die Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft"(7), also das kapitalistische Wirtschaftssystem und seine Entwicklung, zu erforschen.
Er vertiefte sich in die Ökonomie, studierte vor allem die Werke von Adam Smith und David Ricardo, den beiden bedeutendsten englischen bürgerlichen Ökonomen, und daneben zahlreiche Werke bürgerlicher französischer Philosophen und Historiker. Im Ergebnis seiner Studien entstand ein umfangreiches, unvollendetes Manuskript, das erst fast ein Jahrhundert später, 1932, in der Sowjetunion unter dem Titel "Ökonomisch-philosophische Manuskripte" erstmalig veröffentlicht wurde.
Zahlreiche Gegner des Marxismus versuchen seit Jahrzehnten, diese Fragment gebliebene Arbeit von Marx für ihre Zwecke zu mißbrauchen. Sie verfälschen den von Marx in den "Ökonomisch-philosophischen Manuskripten" häufig gebrauchten Begriff der "Entfremdung", verabsolutieren ihn, indem sie ihn von seiner materiellen, sozialökonomischen Grundlage lösen, und stellen die Entfremdung als von der jeweiligen Gesellschaftsordnung unabhängige "Natur des Menschen" hin. Auf diese Weise wollen sie erreichen, daß sich die arbeitenden Massen in der kapitalistischen Gesellschaft fatalistisch in ihr "Schicksal" ergeben, die befreiten Werktätigen in den sozialistischen Ländern aber in ihrer Initiative beim Aufbau einer vorbildlichen neuen Welt gelähmt werden. Sie wollen damit die absurde, bereits von Marx im Kern widerlegte Auffassung von einer angeblich möglichen Annäherung, einer Konvergenz von Kapitalismus und Sozialismus propagieren, um die weitere Existenz des menschenfeindlichen Systems des Imperialismus zu rechtfertigen.
Was verstand Marx unter Entfremdung? Marx hat nie die Entfremdung aus der menschlichen "Natur" abgeleitet. Er bezeichnete in den "Ökonomisch-philosophischen Manuskripten" die Arbeit als das Wesen des Menschen, als das, wodurch der Mensch Mensch wird: ein gesellschaftliches Wesen, befähigt zu vielfältiger schöpferischer Tätigkeit und zu unbegrenztem Fortschritt. Unter den ökonomischen Verhältnissen des Kapitalismus aber, da das Produkt der Arbeit nicht dem arbeitenden Menschen gehört, sondern dem Privateigentümer an den Produktionsmitteln, da dieses vom Arbeiter geschaffene Produkt in den Händen der Besitzer der Produktionsmittel zu einer Macht wird, die den arbeitenden Menschen beherrscht, da der Arbeiter bei Strafe seines Untergangs seine Arbeitskraft verkaufen muß, da sein Platz im gesellschaftlichen Arbeitsprozeß niemals gesichert ist - unter diesen Bedingungen tritt die Arbeit dem Menschen als etwas Feindliches, als etwas Fremdes entgegen. Die Arbeit hat für den arbeitenden Menschen ihren eigentlichen Sinn verloren, sie wird Zwang, ein notwendiges Übel.
Diese Entfremdung der Arbeit, hervorgerufen durch das kapitalistische Privateigentum, verzerrte die natürlichen Verhältnisse des Menschen zum Menschen. Sie führt zur Entfremdung des Menschen vom Menschen, zur Herrschaft der einen über die anderen. Sie führt aber auch zur Entfremdung der arbeitenden Menschen untereinander, zur Gleichgültigkeit gegenüber dem Mitmenschen, zur Vereinsamung.
Ganz im Gegensatz zu den Mißdeutungen der Marx-Fälscher wies Karl Marx in den "ökonomisch-philosophischen Manuskripten" nach, daß die Entfremdung der Arbeit und die durch sie bewirkte Entfremdung aller menschlichen Beziehungen weder ewig noch "natürlich" ist, sondern konkret historisch und charakteristisch für jede Ausbeutergesellschaft. Das "materielle, unmittelbar sinnliche Privateigentum ist der materielle sinnliche Ausdruck des entfremdeten menschlichen Lebens"(8), schrieb er. Die Menschwerdung des Menschen zu vollenden - darin sah Marx die zugleich historische und zutiefst humanistische Aufgabe der proletarischen Revolution. Dieses leidenschaftliche Interesse am Menschen und seiner Befreiung, diese tiefe moralische Prägung war und blieb ein für Marx' Denken und Handeln charakteristischer Wesenszug.
Ihm ging es um eine Menschenordnung, "worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist"(9), eine Menschenordnung, die, wie Marx theoretisch nachwies, nur im Sozialismus möglich ist.
Im August 1844 lernte Karl Marx Friedrich Engels kennen, der ihn auf der Rückreise von einem mehrjährigen Aufenthalt in England in Paris aufsuchte. Beide hatten schon anhand ihrer Veröffentlichungen bemerkt, wie sehr sich ihre Meinungen glichen. Jetzt stellten sie in tagelangen Diskussionen zu ihrer großen Freude fest, daß sie in allen theoretischen und politischen Fragen völlig übereinstimmten. Von diesen Pariser Tagen ab datiert die jahrzehntelange schöpferische Zusammenarbeit und die innige Freundschaft zwischen Marx und Engels, die erst der Tod beendete.
(1) Marx an Ruge, 25. Januar 1843. In: MEW, Bd. 27, S. 415
(2) Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. In: MEW, Bd. 1, S. 380
(3) Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Ökonomie. In: MEW, Bd. 13, S. 8
(4) Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. In: MEW, Bd. 1, S. 385
(5) Ebenda, S. 390
(6) Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844. In: MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 554
(7) Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Ökonomie. In: MEW, Bd. 13, S. 8
(8) Karl Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844. In: MEW, Ergänzungsband, Erster Teil, S. 537
(9) Karl Marx/Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei. In: MEW, Bd. 4, S. 482
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Links, wo das Herz schlägt
Sommer 1953. Ich bin Unterprimaner und Schüler des Humanistischen Jacobi-Gymnasiums in Düsseldorf. Ein junger, offenbar progressiv denkender Studienassessor übernimmt den Geschichtsunterricht in der Unterprima, holt nach, was sein Vorgänger versäumt hat, und bespricht mit uns das "Kommunistische Manifest" von Marx und Engels aus dem Jahr 1848. Wir lesen den Text, und ich bin wie viele meiner Klassenkameraden tief beeindruckt. In gewissem Sinn, meine ich, ist das Manifest mit seinem humanitären Ethos und von tiefer Menschenliebe zeugenden Inhalt auch die Vorwegnahme von Forderungen der erst 50 Jahre später (1898) gegründeten Liga für Menschenrechte.
Wie dem auch sei - das Manifest ist ein Text von hoher Überzeugungskraft. Hinzu kommt, daß ich in einem Alter bin, in dem man sich gern für hehre Ideale begeistert, und soziale Gerechtigkeit ist wahrlich ein Ziel, für das zu leben und zu kämpfen sich lohnt. Kurz: von Stund an weiß ich: Welchen Beruf auch immer ich einmal ausüben werde - ob Lehrer, Arzt, Jurist, Maler, Schriftsteller oder Journalist -, immer werde ich auf der Seite der Ausgebeuteten und Unterdrückten stehen und deren Rechte verteidigen. Eine Alternative hierzu ist nicht in Sicht und wäre aus ethisch-moralischen Gründen auch niemals zu rechtfertigen. Eine Sternstunde! Ich spüre: Hier wird für mein weiteres Leben eine Weiche gestellt. Ich habe eine Grundsatzentscheidung getroffen, die auf Jahre und Jahrzehnte hinaus meine berufliche Tätigkeit bestimmen wird, bis zum heutigen Tag, bis zu dieser Stunde, in der ich diese Zeilen niederschreibe.
Ich wechsle das Tempus und "beschwöre" ab jetzt - nicht raunend, sondern klar und deutlich sprechend - das Imperfekt, indem ich hinzufüge, daß ich in meiner Schulzeit (in voller Übereinstimmung mit meiner Begeisterung für den Marxismus) noch ein gläubiger, praktizierender Katholik war. Aber während meiner dann folgenden Studien der Philosophie, Germanistik und Romanistik sowie der medizinischen Psychologie wurde mir nach und nach klar, daß sich eine Sozialisierung der Gesellschaft in den christlichen Ländern wenn überhaupt, so nur gegen den erbitterten Widerstand der katholischen Kirche würde durchsetzen lassen. Die Kirche hatte mit den Faschisten paktiert: mit Mussolini, Franco, Hitler und anderen, zu denen auch der faschistische Regent der Slowakei (ein katholischer Priester!) zählte sowie Ante Pavelic, der Anführer der kroatischen Ustascha-Bewegung, den Pius XII. mehrmals zu seiner politischen Arbeit beglückwünschte. Zu dieser politischen Arbeit gehörte u. a. die Ermordung von 300.000 orthodoxen Serben, weil diese sich weigerten, zum Katholizismus zu konvertieren. Pavelic ließ sie in eine Schlucht treiben und dort mit Maschinengewehren niedermähen. Dabei waren ihm der Erzbischof von Sarajevo (der spätere Kardinal Stepinac) und 14 Dominikaner-Patres behilflich, die alle namentlich bekannt sind. 1945 verhalf Pius XII. Pavelic und anderen Faschisten zur Flucht nach Südamerika.
Ich wußte natürlich, daß hinter all diesen Schandtaten die Angst der Kirche vor den ach so gottlosen Kommunisten stand; daher auch von seiten des Vatikans die Unterdrückung der Befreiungstheologie in den lateinamerikanischen Ländern. (Diese Theologie hat inzwischen einen prominenten Märtyrer: Erzbischof Romero, der in der Kirche, am Altar stehend, von Reaktionären erschossen wurde.)
Zwar hatte Thomas Mann den Antikommunismus als die größte Torheit des 20. Jahrhunderts bezeichnet; doch daß Christen und Kommunisten zusammenarbeiten könnten, weil sie dasselbe Ziel, nämlich soziale Gerechtigkeit, anstreben, kam den Päpsten nicht in den Sinn. Denn: Die Kirche lernt nicht - sie lehrt. Sie hört nicht zu - sie verkündet. Sie ist kein Parlament - sie ist bereits im Vollbesitz der Wahrheit. Einer ihrer Päpste hatte sogar wörtlich gesagt: "Die Demokratie ist eine moderne Geisteskrankheit."
Noch heute integriert die Kirche lieber Kräfte aus der rechten als aus der linken Hälfte des politischen Spektrums. Und der Vatikan, die letzte noch existierende absolutistische Monarchie, ist der einzige Staat in der Welt, der die Charta der Menschenrechte nicht ratifiziert hat!
Nein, mit einer solchen Organisation wollte ich nichts zu tun haben. Diese eminent reaktionäre Vereinigung konnte ich unmöglich durch meine Mitgliedschaft unterstützen. Was mich selbst betraf, so hatte die Kirche - diese Organisation, die dem Menschen grundsätzlich das Recht auf Selbstbestimmung abspricht - nie etwas Gescheites für mich getan, hatte mir vielmehr während meiner ganzen Schulzeit hirnrissige Dogmen eingetrichtert, die die Vernunft eines jeden halbwegs klar denkenden Menschen beleidigten, und mir im übrigen mit Schuldgefühlen und Sündenangst das Leben vergällt.
Dies alles mußte ich jetzt abschütteln. Ich tat es und verfuhr dabei gründlich. Ich las Bertrand Russell ("Warum ich kein Christ bin"), Sigmund Freud ("Die Zukunft einer Illusion"), Erich Fromm ("Psychoanalyse und Religion"), wurde Mitglied der Humanistischen Union und bereitete mich auf eine schon lange fällige Entscheidung vor. Im Sommer 1964 war es dann soweit: Ich trat aus der Kirche aus.
Wer der Kirche treu bleibt und am Glauben festhält, weil er Halt sucht, mag das tun. Ich tue es nicht. Ich komme aus erzkatholischer Enge, denke frei und strebe ins Weite.
Theodor Weißenborn, Gerolstein-Gees
1933 in Düsseldorf geboren, freier Autor, Mitglied des P.E.N.-Zentrums Deutschland. Studium der Kunstpädagogik, Philosophie, Germanistik und Romanistik sowie der medizinischen Psychologie in Düsseldorf, Köln, Bonn, Würzburg und Lausanne. 1956 Examen du Degre Superieur de Francais Moderne. Publikation von Romanen, Erzählungen, Hörspielen, Essays und Lyrik im In- und Ausland. Übersetzungen in 26 Sprachen.
Einzelpublikationen in der "Neuen Zürcher Zeitung", der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", der "Welt", der "Zeit", im "Merkur", in "Sinn und Form", "Konkret", "Literatur und Kritik", "Sprache im technischen Zeitalter", in den "Neuen Deutschen Heften", der "Neuen Deutschen Literatur", den "Frankfurter Heften", der "Deutschen Rundschau" sowie der Zeitschrift "Augenblick" und andernorts. Hörspielproduktionen u.a. in Prag, Wien, Zürich, Warschau, Budapest, Paris, Rom, London, Sydney, Toronto, Johannesburg, Helsinki, Ljubljana und Reykjavik. Auszeichnungen: 1967 Förderpreis für Literatur der Stadt Köln, 1971 Georg-Mackensen-Preis für die beste deutsche Kurzgeschichte, 1990 Hörspielpreis "Der Lautsprecher", Publikumspreis der Akademie der Künste, Berlin, und (zusammen mit Ingmar Bergman) Nominierung für den Prix Italia.
Die wichtigsten Schriften Weißenborns, darunter die von Günter Helmes herausgegebene sechsbändige Werksausgabe, sind im Carl-Böschen-Verlag, Siegen, erschienen.
"RotFuchs"-Leser besonders interessieren dürfte Weißenborns in der "edition treves" publizierte bitterernste Sammlung von Briefsatiren: "Die Paten der Raketen".
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Seit Jahren geht es der Abteilung "DDR-Doping-Opfer" der DDR-Aufarbeitungsindustrie darum, einen "Entschädigungs-Fonds" - natürlich aus Steuergeldern - einzurichten. Jetzt ist es soweit. Aus einem mit zehn Millionen Euro gefüllten "DDR-Doping-Opfer-Fonds" erhält jedes anerkannte "Opfer" genau 10.000 Euro. Ermuntert durch diesen Beschluß erging auch gleich an den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) die Forderung, ebenfalls zehn Millionen in diesen Fonds einzubringen. Man brauche dieses Geld, damit 2000 Betroffenen "Gerechtigkeit" widerfahren könne.
Flankiert wird dieser Vorgang mit dem Gebrauch neuer Begriffe zum Thema Doping in der DDR. Man spricht neuerdings von "staatlich verordneten Aufputschmitteln", "physischem Mißbrauch", "Drangsalierungen der Trainer", die den Sport "unmenschlich" machten. Eine weitere Hetzwelle gegen den DDR-Sport steht ins Haus.
Als Sportfan aus Niederbayern habe ich nicht nur den BRD-Sport verfolgt. Mein Interesse galt auch der Sportpolitik der DDR. Um mir ein eigenes Bild über Doping hier und dort zu verschaffen, habe ich in den Archiven des "Neuen Deutschland", der "Berliner Zeitung" und der "Neuen Zeit" nachgeforscht. Meine Recherchen umfaßten den Zeitraum von 1949 bis 1989.
Die zusammengetragenen Meldungen könnten die Seiten einer ganzen "RotFuchs"-Ausgabe füllen. Ein kleiner, repräsentativer Auszug soll genügen, um zu zeigen, wie umfassend DDR-Bürger durch ihre Presseorgane über Doping-Skandale in der BRD informiert worden sind.
Das ND berichtete am 3.11.1954 - sich stützend auf französische Stimmen -, Spieler der DFB-Weltmeistermannschaft seien gedopt worden. Tatsächlich lagen die Spieler Kubsch, Rahn, Fritz Walter, Morlock und Ottmar Walter wegen einer Gelbsucht im Krankenhaus. Anfang Januar 1955 wurde der Weltmeister-Torwart Herkenrath ebenfalls wegen Gelbsucht ins Krankenhaus eingeliefert. Der DFB dementierte jeden Verdacht des Dopings. Die "Berliner Zeitung" zitierte am 20.1.1956 jedoch die Fachzeitschrift "Der Kicker", in der Sepp Herberger zugegeben hatte, beim Länderspiel gegen Italien in Rom Fritz Walter schmerzstillende Spritzen verabreicht zu haben.
Von einem ungewöhnlichen Fall informierte das ND am 18.7.1964. Der Vorfall ereignete sich in Gießen. Als die Straßenfahrer die erste Runde absolvierten, lagen auf dem blanken Asphalt zehn weiße Tabletten. Wer hatte sie verloren? Niemand vermochte es zu sagen. Aber einer der westdeutschen Schiedsrichter stürzte auf die weißen Kügelchen, sammelte sie ein und krähte so laut, daß es alle hören konnten: "Die hat Schur verloren, ich habe es gesehen." Als Schur - auf den westdeutschen Bergmeister Wilde achtend - weit abgeschlagen fuhr, schleuderte der Schiedsrichter die Tabletten in die Büsche. Er brauchte sie nicht mehr. Der westdeutsche Bergmeister der Radamateure Herbert Wilde wurde nach der sechsten Etappe der Österreich-Rundfahrt von der Rennleitung wegen nachgewiesenen Dopings disqualifiziert. Der westdeutsche Verband nahm daraufhin seine gesamte Mannschaft aus dem Rennen und ließ später erklären; daß Wilde angeblich nur ein "Nervenberuhigungsmittel" zu sich genommen hatte. Nachzulesen im ND vom 6.6.1964.
In den Springer-Blättern fand man kaum einen Hinweis darauf, daß der westdeutsche Hindernisläufer Letzerich hinter dem Ziel zusammengebrochen war und wegen dringenden Verdachts auf Doping in ein Krankenhaus gebracht werden mußte. Die Leser des ND wurden am 19.9.1967 jedoch von diesem Dopingverdachtsfall informiert.
Der westdeutsche Radsport-Profi Wolfshohl, WM-Zweiter im Querfeldeinfahren, ist von der UCI für einen Monat gesperrt worden, weil er sich bei der Weltmeisterschaft in Luxemburg des Dopings schuldig gemacht hat, berichtete die "Berliner Zeitung" am 18.3.1968.
Die "Neue Zeit" vom 23.6.1968 schrieb, daß der Berufs-Boxsport wieder ein Opfer gefordert hatte. Der westdeutsche Mittelgewichtsmeister Jupp Elze verstarb, ohne nach seinem Europameisterschaftskampf über 15 Runden gegen den Italiener Duran das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Unmittelbar nachdem Elze am 12. Juni im Ring zusammengebrochen war, ist eine Dopinguntersuchung vorgenommen worden. Nach Mitteilung des Leiters des Gerichtsmedizinischen Instituts der Universität Köln war Elze mit unzulässigen, aufputschenden Stimulantien gedopt, die schließlich zu seinem Tode führten.
Über den ersten Dopingfall in der Geschichte einer Winterolympiade informierte die "Berliner Zeitung" am 2. März 1972. Der Kapitän der BRD-Eishockeymannschaft Alois Schloder ist von der Internationalen Eishockey-Föderation (LIHG) mit einer Sperre von sechs Monaten bestraft worden. Der BRD-Sportarzt Dr. Schlickenrieder sah sich jetzt unter dem Druck der Beweise zu dem späten Eingeständnis veranlaßt, dem Eishockeyspieler Alois Schloder während des olympischen Turniers in Sapporo ein Dopingmittel verabreicht zu haben.
Zum wiederholten Male berichte das ND vom Doping im westdeutschen Radsport. Am 5.8.1974 war es wieder einmal soweit. Wegen Einnahme verbotener Dopingmittel wurden die BRD-Bahnradfahrer Rainer Erdmann und Friedhelm Kienner aus dem BRD-Aufgebot für die diesjährigen Weltmeisterschaften in Montreal ausgeschlossen. Erst einige Tage zuvor war der 25jährige BRD-Straßenfahrer Hans-Joachim Kuhn während der Rheinland-Pfalz-Rundfahrt des Dopings überführt worden.
Die Dopingskandal-Welle westdeutscher Sportler wollte im Jahr 1977 keine Ende nehmen. Drei Skandale führte die "Neue Zeit" in ihrer Ausgabe vom 4.7.1977 auf.
Der erste Skandal: Hammerwurf-Weltrekordler Walter Schmidt wurde kürzlich vom Rechtsausschuß des Hessischen Leichtathletik-Verbandes wegen verbotenen Anabolika-Dopings für ein Jahr gesperrt. Schmidt drohte laut Westberliner "Tagesspiegel" an: "Wenn die erste Rechnung kommt, packe ich aus. Ich habe noch einige Sachen in der Hinterhand."
Der zweite Skandal: Skuller Peter-Michael Kolbe, Weltmeister 1975, Olympiazweiter 1976 und BRD-Sportler des Jahres, hat seinen Rücktritt angekündigt. Der Grund ist weder mangelnde Leistung noch irgendeine Verletzung. Kolbe erklärte dazu: "Ich habe die Lust am Leistungssport verloren. Ich sehe keinen Sinn mehr darin, weiterzurudern, wenn Funktionäre und Verbandsärzte ihre Sportler mit Spritzen schneller machen wollen."
Der dritte Skandal: Beim Internationalen Leichtathletik-Sportfest in Mainz am vergangenen Dienstag wurde das Kugelstoßen der Damen mit der 21,43-m-Kugelstoßerin Wilms abgebrochen. Kampfrichter und Doping-Experte Klehr beanstandete sowohl den Kugelstoßring, die verwendeten Geräte als auch die Anwesenheit von Trainer Gehrmann. In Zeitungsberichten wird allerdings kein Hehl daraus gemacht, daß alle diese Beanstandungen nur Vorwände gewesen seien: Klehr hatte zuvor in verschiedenen Äußerungen die Fünfkampf-Weltrekordlerin Wilms der ungerechtfertigten Einnahme von Anabolika bezichtigt.
Das ND vom 29.8.1986 gab eine Meldung des Internationalen Verbandes für Modernen Fünfkampf und Biathlon bekannt. Wegen nachgewiesenen Dopings bei den Biathlon-Weltmeisterschaften im Februar 1986 in Oslo sind Peter Angerer (BRD) die Silbermedaille im 10-km-Wettbewerb und der BRD-Staffel die Bronzemedaille über 4 x 7,5 km aberkannt worden. Neben Angerer wurde auch sein Mannschaftskamerad Franz Wudy der Einnahme unerlaubter Mittel überführt.
Johann Weber
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Wenige Tage vor der letzten Volkskammerwahl im März 1990 besuchte der damalige Kultusminister von Nordrhein-Westfalen, Hans Schwier, in Begleitung einiger hoher Bildungsbeamter das von mir geleitete Zentralinstitut für Weiterbildung der Lehrer und Erzieher in Ludwigsfelde bei Potsdam. Er wolle sich einen eigenen Eindruck von den Leistungen und Problemen des Bildungswesens der DDR verschaffen, über das man so Widersprüchliches zu lesen und zu hören bekomme, erklärte er.
Im Ergebnis seiner Visite fand der Minister anerkennende Worte über die sehr praxisnahe Aus-und Weiterbildung der Pädagogen und sprach sich für die Beibehaltung des polytechnischen Charakters der Schule sowie der Pflicht zur Weiter- und Fortbildung aller Pädagogen aus. Auch das ihm bisher unbekannte Fachberater-System habe ihm imponiert, da offensichtlich weniger erfahrene Lehrkräfte von den Kenntnissen ihrer erfahrenen Kollegen profitierten. Die am Institut alljährlich veranstalteten "Zentralen Tage der pädagogischen Lesungen", bei denen es um die gezielte Vermittlung von Erfahrungen in Theorie und Praxis ging, seien offenbar eine besonders wirksame Methode zur Vervollkommnung des pädagogischen Könnens der Lehrer und Erzieher.
Im Februar 1990 nahmen erstmalig auch westdeutsche Kollegen daran teil. Vor dem Hintergrund ihrer sehr kritischen Beurteilung des BRD-Bildungswesens und der immer wieder erlebten "Reformunwilligkeit" seitens der Bundesregierung zeigten sie eine aufgeschlossene Haltung gegenüber der in der DDR praktizierten Bildungspolitik. Das hinderte sie jedoch nicht daran, sich kritisch zum Staatsbürgerkunde- und Geschichtsunterricht, zu Elementen der vormilitärischen Ausbildung und zur Übernahme von Riten der Pionierorganisation und der FDJ in den Schulalltag zu äußern.
Wer jedoch objektiv die Bildungssysteme der BRD und der DDR miteinander verglich, kam bald zu der Erkenntnis, daß auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone bereits 1946 die Weichen für den Aufbau einer neuen Schule gestellt wurden. Das "Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule" war für einige Jahre die entscheidende Grundlage für die antifaschistisch-demokratische Erziehung der Schuljugend. Mit der Einführung der 8-klassigen Einheitsschule für alle sowie der anschließenden vierjährigen Oberschule bzw. einer zumeist dreijährigen Berufsausbildung konnte das Bildungsprivileg gebrochen und beseitigt werden. Priorität hatte die Schließung der 4114 einklassigen Landschulen und die Einrichtung modern ausgestatteter Zentralschulen, um allen Kindern gleiche Bildungschancen zu eröffnen.
Schulpolitische Leitsätze wie Staatlichkeit, Weltlichkeit, Einheitlichkeit und Wissenschaftlichkeit des Unterrichts wurden Schritt für Schritt, aber konsequent durchgesetzt.
Als Erziehungsziel galten "selbständig denkende und verantwortungsbewußt handelnde Menschen, die fähig und bereit sind, sich voll in den Dienst der Gemeinschaft des Volkes zu stellen". Solche Ziele waren mit der dem Naziregime verpflichteten Lehrerschaft nicht zu erreichen. (70 bis 90 Prozent waren Mitglieder der NSDAP gewesen.) Es bedurfte also der raschen Ausbildung neuer Lehrkräfte, die aus allen Schichten, vor allem aber aus der Arbeiterklasse gewonnen und in Fern- oder Hochschulkursen ihre Lehrbefähigung vervollständigten. Zugleich nahmen an Universitäten ausgebildete Pädagogen ihre Tätigkeit auf. In den 60er und 70er Jahren bekamen die Pädagogischen Institute selbst den Status von Hochschulen, an denen man während eines vier-, teilweise fünfjährigen Studiums Fachlehrer für zwei Unterrichtsfächer werden konnte. Zugleich wurde den neuen Pädagogischen Hochschulen das Promotions- und Habilitationsrecht zugesprochen. Die Minister für Volksbildung, Margot Honecker, und für das Hoch- und Fachschulwesen, Prof. Dr. Ernst-Joachim Gießmann, haben diese Prozesse zielstrebig begleitet.
Mit der gesellschaftlichen Entwicklung wurde es notwendig, eine höhere Bildung aller Heranwachsenden anzustreben. Der Übergang zur zehnklassigen Polytechnischen Oberschule unter Betonung der Naturwissenschaften begann bereits Ende der 50er Jahre und wurde im sozialistischen Schulgesetz von 1965 verankert. Darauf baute eine 2- bis 3jährige Erweiterte Oberschule auf, z. T. mit gleichzeitiger Facharbeiterqualifikation.
Die in der DDR vorherrschenden pädagogischen Grundsätze und schulpolitischen Entscheidungen wurden von der SED, den Blockparteien und gesellschaftlichen Organisationen getragen und basierten auf Erfahrungen und Erkenntnissen von Lehrern, Eltern und namhaften Persönlichkeiten des jungen Staates. Nicht zuletzt deshalb wurde das Bildungswesen der DDR im In- und Ausland hoch geschätzt.
Auch in der alten BRD hat man neue Bildungsgesetze verabschiedet. Diese entsprachen jedoch kaum den gesellschaftlichen Erfordernissen. Dort konnten in den Nachkriegsjahren Zehntausende ehemalige Mitglieder der NSDAP ihre Tätigkeit als verbeamtete Lehrer wieder aufnehmen.
Nach der Vereinnahmung unseres Staates durch die BRD kam es sehr schnell zur Reaktivierung überwundener rückständiger Bildungspraktiken in der früheren DDR. Immer deutlicher wurde, daß es auch im Bildungsbereich um keine "Vereinigung", sondern um den bloßen Anschluß und die Übernahme reaktionärer Inhalte ging. Politiker aus den alten Bundesländern vergaßen schnell ihre früher geäußerte Wertschätzung unseres Bildungswesens, nachdem Klaus Kinkel 1991 gefordert hatte, die DDR ("das SED-Regime") zu "delegitimieren".
Prof. Dr. Helmut Stolz, Berlin
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Was wurde aus den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften?
Wie sollte es nun weitergehen, nachdem die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) und Volkseigenen Güter (VEG) in der DDR "umgewandelt" worden sind? Das war eine bange Frage für mindestens eine Million Menschen in den Dörfern des Ostens nach 1989/90. Schließlich ging es um die Existenz, den Arbeitsplatz und das gesicherte Einkommen aus der landwirtschaftlichen Produktion.
Nachdem die am 18. März 1990 gewählte Volkskammer der Noch-DDR mit einer konservativen Mehrheit das sogenannte Landwirtschaftsanpassungsgesetz beschlossen hatte, was de facto zur Liquidierung der LPG und VEG führte, begann sich Widerstand in den Dörfern zu regen.
Einig war man sich darin, die landwirtschaftlichen Betriebe - für die neuen Hausherren waren sie eine ausschlachtbare Konkursmasse - als Großbetriebe möglichst zu erhalten. Dazu mußten sich die früheren Leitungskader der LPG und auch viele LPG-Mitglieder mit dem bürgerlichen Gesetzbuch befassen. Was haben sie erreicht?
Ich lebe seit über zehn Jahren im Kreis Herzberg, der in Südbrandenburg liegt, und kann aus eigenem Erleben die Entwicklung der letzten Jahrzehnte beurteilen.
Es geschah etwas, was es nach den Prognosen des seinerzeitigen Landwirtschaftsministers Herrn Ignaz Kiechle (CSU) - ein Großbauer aus Bayern - eigentlich nicht geben durfte. Er war der Meinung, daß die Großbetriebe im Osten spätestens in zwei, drei Jahren verschwunden sein würden. Doch so einfältig, wie er dachte, waren die LPG-Mitglieder nicht. Die überwiegende Mehrheit hielt am Genossenschaftsgedanken fest und bildete - nun nach bürgerlichem Recht - große landwirtschaftliche Genossenschaften und Betriebe in GmbH-Form.
Heute, 25 Jahre nach der Annexion der DDR durch die BRD, sieht die Bilanz in meiner Heimatregion so aus: Auf einer Fläche von insgesamt 67.078 ha Ackerland (74,4 %) und 22 807 ha Grünland (25,3 %) wirtschaften 19 Agrargenossenschaften und 57 Agrar-GmbH. Die unterschiedlich strukturierten landwirtschaftlichen Unternehmen reichen von juristischen bis zu Einzelwirtschaften in Haupt- und Nebenerwerb.
Zu DDR-Zeiten bestanden bei uns 6 LPG Pflanzenproduktion - die größte verfügte über 7000 ha Landwirtschaftlicher Nutzfläche (LN), 17 LPG Tierproduktion in 6 Kooperationen, 4 Volkseigene Güter, eine Zwischenbetriebliche Einrichtung (2000er-Milchviehanlage). Rund 4460 Personen arbeiteten in diesen Betrieben.
Innerhalb eines Jahres reduzierte sich die Beschäftigtenzahl auf 1805 Personen, also auf 40,4 %. Von diesem Rückgang waren vor allem Frauen in der LPG Pflanzenproduktion betroffen.
Doch die Menschen in den Dörfern gaben nicht auf. Mit dem Ringen um die Bildung agrarischer Großbetriebe führten sie zugleich den Kampf um ihrer Arbeitsplätze.
Von den 19 bestehenden Agrargenossenschaften (AG) ist eine ganze Reihe schon 20 Jahre alt. Die AG Gräfendorf besteht bereits 25 Jahre und bewirtschaftet rund 2000 ha Landwirtschaftlicher Nutzfläche. Die größte von ihnen im Kreis ist Mühlberg mit etwa 6000 ha LN. Die in der DDR "Zwangskollektivierten" entschieden sich also erneut für die genossenschaftliche Bewirtschaftung oder große GmbHs. Damit entgingen sie dem Schicksal westdeutscher Bauern. 136.000 kleine und mittlere bäuerliche Familienbetriebe mußten dort von 2003 bis 2013 aus ökonomischer Not ihre Höfe aufgeben. Ungeachtet dieser Tatsache empfehlen grüne Politiker allen Ernstes, weiterhin möglichst viele kleine "bäuerliche Familienbetriebe" zu schaffen. Offensichtlich ignoriert man die Tatsache, daß in der gesamten Welt des Kapitalismus ein unerbittlicher Konzentrationsprozeß vor sich geht. Selbst in den USA sind Farmen unter 2000 ha kaum noch rentabel. Natürlich gibt es auch im Kreis Herzberg einige frühere Genossenschaftsmitglieder, die wieder privat wirtschaften.
Allerdings sind das keine klein- oder mittelbäuerlichen Betriebe, die heute bis zu 900 ha groß sein müssen, um effektiv wirtschaften zu können.
Da in der DDR keine Enteignung bäuerlichen Grundeigentums stattfand, konnten die LPG-Mitglieder nun frei über ihren Boden verfügen. Sie konnten verkaufen, verpachten oder selbst bewirtschaften, letzteres in der Regel nur als relativ großer Betrieb.
Bleibt festzustellen, daß unter kapitalistischen Bedingungen der Kampf um den genossenschaftlichen Weg richtig war. Die Erfahrungen der Bauern, die sie in 40 Jahren sozialistischer Landwirtschaftsentwicklung gemacht haben, mögen sie dabei ermutigt haben.
Eberhard Herr, Herzberg
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Am 21. Mai starb der 1924 in Wien geborene österreichisch-argentinische Schriftsteller, Arzt und lebenslange marxistische Kämpfer Alfredo Bauer in Buenos Aires.
Dorthin emigrierte er 1938 mit seinen jüdischen Eltern, wo der 15jährige die deutschsprachige antifaschistische Pestalozzi-Schule besuchte und im Kommunistischen Jugendverband aktiv wurde. Nach dem 2. Weltkrieg blieb er in Argentinien und konnte sich seinen langgehegten Wunsch, Medizin zu studieren, erfüllen. Bis zu seinem 70. Lebensjahr war er als Arzt tätig und stolz darauf, über 6000 kleinen Argentiniern beim Auf-die-Welt-Kommen geholfen zu haben. Seit 1946 war er Mitglied der Kommunistischen Partei Argentiniens, der er bis zu seinem Tod treu verbunden blieb.
Alfredo Bauer hat sich nicht nur als Arzt einen Namen gemacht. Seine Leidenschaft galt auch dem schriftstellerischen Schaffen. Als ihn die geretteten Erinnerungen seines Urgroßvaters erreichten, der 1848 wegen seiner Beteiligung an der Märzrevolution vom Medizinstudium ausgeschlossen und dann verfolgt wurde, beschloß er, die Geschichte seiner Familie aufzuschreiben. Sie wurde in der DDR zuerst in Spanisch und dann auf Deutsch in mehreren Bänden verlegt.
Alfredo Bauer hat mindestens 30 Werke verfaßt. Er schrieb Romane, Essays, Erzählungen, Biographien, Gedichte, Reiseberichte, wissenschaftliche und politische Artikel, selbst Theaterstücke und ein Opernlibretto. Als seine größte Arbeit betrachtete er seine im marxistischen Geist aufgeschriebene jüdische Geschichte.
Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit - er war auch Mitglied der argentinischen Akademie der Künste - engagierte er sich weiterhin aufopferungsvoll für die gesundheitliche Betreuung der Menschen. Als Argentinien jedoch von 1976 bis 1983 eine grausame Militärdiktatur erlebte, mußte er seine ehrenamtliche Stelle als Arzt an einem Krankenhaus in Buenos Aires aufgeben. Mit der Regierungsübernahme durch die Kirchner-Regierung 2007 setzte er große Hoffnungen auf den Aufbau einer fortschrittlichen demokratischen Gesellschaft. Es gelang ihm, eine Arztpraxis zu etablieren und nebenher mehrere Werke auf deutsch und spanisch zu veröffentlichen. Unter anderem übersetzte er Peter Hacks' Komödie "Adam und Eva" in spanische Verse und wurde auf seiner Europareise auch persönlich mit ihm bekannt.
Heidi Urbahn-Jauregui, Paris
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Die Gewalt in El Salvador beeinflußt mich nicht nur persönlich, sondern auch bei der Arbeit, in meinem Engagement und politisch.
Persönlich ist es schwer, in diesem Land zu leben und Mutter zu sein. Pro Tag werden elf Personen ermordet. Und junge Menschen werden von der Polizei kriminalisiert und von den Banden oder anderen Strukturen der organisierten Kriminalität getötet. Mein Sohn muß sich mehrmals täglich bei mir melden und berichten, wo er ist und wie es ihm geht. Wenn er es einmal vergißt oder nicht abhebt, bekomme ich sofort Angst. Wir leben eingesperrt in unseren Kolonien mit großen Toren und privatem Sicherheitspersonal. Wir können uns nicht mehr frei im Land bewegen.
Immer werden die Banden dafür verantwortlich gemacht - aber nicht immer stecken sie auch wirklich dahinter. Auch auf politischer Ebene kann man die Mißstände nicht offen anprangern, die von der Polizei begangen werden, weil man nie genau weiß, wie sie darauf reagiert. Wie begegne ich dieser Gewalt? Das ist schwer zu beantworten. Ich bin mit dem Krieg aufgewachsen. Ich habe nie in wirklichem Frieden oder in Freiheit gelebt.
Vielleicht fällt es mir deswegen leichter, das Fehlen von Freiheit und Bewegungsmöglichkeiten zu tolerieren. Auf der Arbeit haben wir einen Sicherheitsplan ausgearbeitet, den wir auch anwenden. Wir treffen die nötigen Vorkehrungen, damit wir auf die Risiken, unter denen wir leben müssen, vorbereitet sind. Das gleiche versuche ich mit meinem Sohn zu tun. Ich denke auch über die Möglichkeit nach, daß er das Land verläßt, auch wenn es mir das Herz brechen würde.
Was nötig wäre, um die Gewalt einzudämmen? Es fehlt am politischen Willen, es fehlt der Umgang mit den nicht verheilten Wunden aus dem Krieg. Und es müßten Psychologen, Soziologen und Pädagogen an der staatliche Sicherheitspolitik mitwirken, statt nur auf Repression zu setzen. Wir müssen auch eine Kultur des Friedens schaffen und den Menschen klarmachen, daß die Gewalt eine Strategie der Rechten ist, um zurück an die Macht zu gelangen, und eine Strategie von bestimmten Unternehmen, um die Konkurrenz auszuschalten.
Montserrat Arévalo
Geschäftsführerin der Frauenorganisation "Mujeres Transformando"
Die Ermordung von Berta Cáceres war eindeutig ein politischer
Mord. Sie war eine Anführerin des Widerstands gegen Staudammprojekte
und trat für eine ganzheitliche Ökologie ein, die die Facetten des
menschlichen Lebens miteinander verbinden sollte: die ethische und
soziale Dimension und die Beziehung der Gesellschaft zur Natur. Wir
stehen dem westlichen Entwicklungsmodell kritisch gegenüber, weil es
weder befreiend noch gerecht, noch nachhaltig ist.
Der Mord war auch ein Mord an den indigenen Gemeinden und richtet sich gegen die Lenca-Bevölkerung. 500 Jahre nach der Kolonialisierung und fast 200 Jahre nach der Unabhängigkeit sind wir noch immer nicht in der Lage, indigene Werte und Weltanschauungen zu verstehen und anzunehmen. Wir schaffen es immer noch nicht, den indigenen Gruppen einen Platz in unserer Gesellschaft zu geben. Berta Cáceres hatte sich dagegen gewehrt, daß der Rio Gualcarque den Lenca entrissen und in private Hände gegeben wird.
Es war außerdem ein Mord an Utopien, in denen das Land, die Gewässer und die Wälder sowie die Verbindung von Menschen zur Natur dem vorherrschenden Entwicklungsmodell unserer Gesellschaft gegenüberstehen. Diese Anschauungen lehnen die Marktwirtschaft, den Despotismus der transnationalen Konzerne und ihre perversen Allianzen mit der Bourgeoisie ab, denn diese berauben uns unserer Wurzeln und opfern sie für einen globalisierten Lebensstandard.
Den Mördern von Berta Cáceres wird es aber nie gelingen, die Träume der Lenca-Gemeinde, der indigenen Gruppen und der sozialen Bewegungen zu zerstören, die sich für alternative Gesellschaftsformen einsetzen.
RF, gestützt auf einen Kommentar von "Radio Progreso", Honduras, und auf Berichte aus "presente" (Bulletin der Christlichen Initiative Romero)
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Brief an einen westdeutschen Kollegen
Hallo Danilo,
ich habe endlich gefunden, warum wir uns mißverstehen müssen.
Erstens: Wenn wir von "deutschen Werten" ausgehen, dann meinen wir DDRler Offenheit, Zusammenstehen, Frieden, Vernunft, Klugheit, Menschlichkeit, integer sein, sichere Arbeitsplätze, Sicherheit, Sauberkeit. Westdeutsche Werte erlebte ich anders: Erfolg, Härte, Cleverneß, Zynismus, andere übervorteilen, viel Geld haben, z. T. auf Kosten anderer. ("Wer Geld hat, ist viel wert, wer keins hat, ist nichts wert.") Das als "Definition", als Gespächsbasis, sonst redet man aneinander vorbei.
Zweitens: Seit 2 1/2 Jahrzehnten sammeln Ost-Bürger die Erfahrung, daß eine sie mißachtende arrogante Oberschicht ihre Alltagssorgen ignoriert und daß sie auch von einer medialen Verdummungsindustrie nicht ernst genommen werden. Die weiter zunehmende soziale Unsicherheit und der kräftezehrende Kampf ums tägliche Dasein haben das Gefühl ausgelöst: "So kann es für uns nicht weitergehen!" Ständige Existenzangst erzeugt die Vorstellung immerwährender Bedrohung. Jeder wird dann zur Bedrohung, ob Deutscher oder Ausländer. Kurt Tucholsky sagte schon: "Das Volk versteht das meiste falsch, aber fühlt das meiste richtig."
Also Beispiel "Presse der Unwahrheiten": Wirklich wichtige Beiträge sind möglichst klein, erscheinen einmal, sind ganz versteckt; alles andere wird reißerisch vermarktet. Im Sog von Pegida können sich AfD und NPD leider als "bürgernahe Volksversteher" ausgeben.
Drittens: Es gehört zu den Unerträglichkeiten der seit 1989 wuchernden Siegermentalität, mit der der Sozialismus und viele Menschen, die sich mit ihm mehr oder weniger identifizierten, auf ganz dümmliche Weise dämonisiert und abgewertet werden, um sie als anachronistische Erscheinungen auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen und, von oben herab, zynisch abzuurteilen. Das heißt für mich: auf tragisch Gescheiterten, die sich die inneren und äußeren Bedingungen ihres Lebens oft nicht aussuchen konnten, feige herumzutreten, ohne sich wirklich der Mühe zu unterziehen, den Stärken und Schwächen ihrer Biographien differenziert nachzugehen, um sie für die heutige politische Kultur fruchtbar zu machen.
Man wollte uns Aufrechte nicht, nur die, die sich anbiederten. Man sollte vom Paulus zum Saulus werden. Das haben viele nicht getan, aber viele mußten eben doch, damit sie überhaupt eine Chance auf ein Einkommen hatten ... "Wes Brot ich eß, des Lied ich sing."
Dabei ist die BRD alles andere als gesund: "Die BRD entwickelt sich von einem relativ sozialen Staat (was sie nur gezwungenermaßen durch den Gegenpol DDR und andere sozialistische Staaten war) immer mehr zu einem Almosen-, Fürsorge- und Suppenküchenstaat" (O-Ton NDR, 8.3.2016, "Panorama"). Staatliche Aufgaben wie Fürsorgehilfe, bei den Tafeln, Kleiderspenden etc. werden aufgeweicht, weil es sich "nicht rechnet", statt dessen übernehmen dies Freiwillige und Ehrenamtliche. Ohne die würde das alles zusammenbrechen.
Viertens: Im Gegensatz zum gutsituierten bürgerlichen Lager, das vielfach über mehrere Generationen seine kulturellen, ökonomischen und politischen Kompetenzen sowie seine Machtpositionen erworben hat und deshalb oft außerordentlich selbstbewußt, aber auch dünkelhaft auftritt, standen unsereinem nur ein bis zwei Generationen zur Verfügung, um uns aus den Fesseln dieser Diskriminierungen zu befreien. Mein Vater war z. B. der DDR stets dankbar, daß er als armer Bauernsohn die ABF in Halle besuchen konnte. Es wurden ihm dort die Augen geöffnet über die Welt, in der wir leben, ihre Geschichte und die gesellschaftlichen Zusammenhänge. Heute, nach 25 Jahren Gesamt-BRD, gibt es wieder Analphabeten und grassierende Dummheit, die dazu führt, daß einem drohenden Krieg nicht ausreichend Widerstand entgegengesetzt wird.
Fünftens: An die Flötenlehrerin meines Sohnes schrieb ich kürzlich: "Oben habe ich noch Texte und Noten von unserem Oktoberklub angefügt. Bei uns gab es diese tolle Singebewegung, die man leider 1990 auch plattgemacht hat. Plötzlich war es verpönt, von Frieden, Liebe und der Schönheit des Lebens zu singen. Obwohl wir es heute wieder so nötig hätten in einer Welt voller Kriege! Wir sind übrigens froh, daß Konni bei Ihnen etwas von Musik und somit Kultur lernt. Leider fällt der Musikunterricht in der KGS (wie auch anderer Unterricht - es ist eine Schande!) sehr oft aus."
Kürzlich las ich von Goethe: "Es ist nicht genug, daß man Talent habe, es gehört mehr dazu, um gescheit zu werden; man muß auch in großen Verhältnissen leben und Gelegenheit haben, den spielenden Figuren seiner Zeit in die Karten zu sehen und selber zu Gewinn und Verlust mitzuspielen."
In diesem Sinne verbleibe ich
Ihre Andrea Wohlfahrt
*
Bertolt Brecht (1898 bis 1956) beschritt neue Wege in der Lyrik und vor allem in der Dramatik. Er war ein Aufklärer im traditionellen wie im neueren Sinne: Seine bekennend revolutionär-marxistische Ver-Dichtung der Wirklichkeit entrückt nicht ins emotional Innerliche, sondern sie verbündet das Fühlen mit dem Verstand und dem Verstehen. Brechts Name wurde zum prägenden Begriff für eine einflußreiche literarische und dramaturgische Strömung. Hunderte Intellektuelle arbeiten sich bis heute am analytischen Durchdringen und Ausdeuten Brechtscher Dramen, Gedichte oder Prosatexte ab.
Aus der Vielzahl der Brecht-Editionen sei eine besondere ausgewählt: die 1966 im Kinderbuchverlag Berlin erschienene, von Rosemarie Hill und Herta Ramthun redigierte und von Elizabeth Shaw illustrierte Ausgabe mit dem schlichten Titel "Ein Kinderbuch".
Sein Todestag 1956 jährt sich am 14. August zum sechzigsten Mal.
Der 1898 in Augsburg geborene Sohn eines kaufmännischen Angestellten
hatte mit markanten Werken wie dem Bühnenstück "Trommeln in der Nacht"
(1919) und Gedichten wie "Erinnerung an die Marie A." (1920) früh sein
kritisch-avantgardistisch inspiriertes Schaffen entfaltet. In den
revolutionär bewegten, freigeistig blühenden 20er-Jahren fiel es auf
fruchtbaren Boden. Ab 1922 konzentrierte er sich zuerst in München und
später in Berlin auf das Theater. Seine "Dreigroschenoper" (1928,
Musik: Kurt Weill) wurde zu einem der meistgespielten Stücke, Lieder
wie "Mackie Messer" oder "Die Seeräuber-Jenny" zu Gassenhauern. Brecht
floh 1933 vor Hitlers Mördern und Kulturschändern über mehrere
europäische Länder nach den USA. Der große Dichter des 20.
Jahrhunderts, bei der US-Regierung und in deren Besatzungszonen wegen
"unamerikanischer Umtriebe" beschimpft und boykottiert, fand ab 1948
in Ostberlin (der späteren Hauptstadt der DDR) seine künstlerische und
politische Heimat. Er feierte 1949 bei der Uraufführung von "Mutter
Courage und ihre Kinder" mit Ehefrau Helene Weigel in der Hauptrolle
einen bahnbrechenden Erfolg und gründete das weltberühmte Berliner
Ensemble am Schiffbauerdamm. So weit einige der biographischen und
schaffensbezogenen Eckdaten - doch wo beginnen mit der Würdigung des
Brechtschen Werkes? Mit der "Erinnerung an die Marie A.", das zu den
meistpublizierten Liebesgedichten gehört und in fast keinem
gymnasialen Lesebuch fehlt? Mit dem Bühnenstück "Trommeln in der
Nacht", das unter dem Eindruck der Novemberrevolution entstand? Mit
der "Ballade vom toten Soldaten" (1918), jenem aufrüttelnden
Antikriegstext, kühl-satirische Reflexion auf die Greuel der
Schlachtfelder? Mit großen politisch-dramatischen Würfen wie dem
Lehrstück über den Spanienkrieg "Die Gewehre der Frau Carrar" (1936),
mit "Der gute Mensch von Sezuan" (1939) und "Die heilige Johanna der
Schlachthöfe" (1929), zwei Lehrstücken über das sogenannte Gute im
Menschen und die sozialen Verhältnisse, oder mit "Die Tage der
Commune" (1949), einer Parabel über Macht und revolutionäre Gewalt?
Brecht hat konsequent seine Idee verwirklicht: Nicht in tief
mitfühlende Versenkung in den Helden, sein Streben und Leiden sollen
die Leser bzw. Theaterzuschauer fallen, sondern sie sollen eine das
Lernen ermöglichende Draufsicht auf gesellschaftlich bedingte
Beziehungen gewinnen. Im epischen und dialektischen Theater liegt
Brechts geniale Leistung. Sie knüpft an das aufklärerische Erbe der
klassischen deutschen Literatur an, Goethes und Schillers
theatralische Mission wird quasi "entstaubt" und die Bühne der Neuzeit
wieder zu einer Stätte der fortschrittlich sozialen Bildung und
Erziehung. Selbst die antikommunistischen Eiferer unter den
Literaturprofessoren kommen nicht umhin, Brecht das Verdienst um die
Innovation der Dramatik zu bescheinigen - ihm, Bertolt Brecht, dem
Verfasser von "Lob des Kommunismus" (1931) und des Solidaritätsliedes
(1930, Musik: Hanns Eisler), dem Träger des Internationalen
Lenin-Friedenspreises und des DDR-Nationalpreises. Doch mögen die
gelehrten Germanisten sich um intellektuelle Feinheiten der Texte
streiten, die Kulturhistoriker über biographische Exzentrizitäten des
Dichters räsonieren, Bildungsbürger in gepflegten Konversationszirkeln
sich mit Brechtzitaten schmücken. Meine persönliche Beziehung zu
Brechts Werk entstand vor über 50 Jahren und stammt aus einem
Kinderbuch, dem mir liebsten unter meinen mittlerweile vielen
Brecht-Bänden. Da steht zum Beispiel der leicht lernbare Vers vom
Lehrer zu Padua: "In dem Jahr sechzehnhundertneun / Schien das Licht
des Wissens hell / Zu Padua aus einem kleinen Haus. / Galileo Galileo
rechnet aus: / Die Sonn steht still, die Erd kommt von der Stell." Da
sind auch philosophische Fragen abgehandelt, die Zwölfjährige bewegen:
"Was ist schön? Schön ist es, wenn man die Schwierigkeiten löst. Schön
ist also ein Tun." Und natürlich fehlen nicht die "Bitten der Kinder.
Die Häuser sollen nicht brennen. Bomber soll man nicht kennen." Die
anrührende Kinderhymne "Anmut sparet nicht noch Mühe / Leidenschaft
nicht noch Verstand" wäre wahrhaftig für die 1990 beitrittsvergrößerte
Republik die bessere Nationalhymne gewesen als das militaristisch
verschlissene Deutschlandlied. Seite für Seite und Zeile für Zeile
beschaue ich, längst erwachsen geworden und inzwischen recht gut
belesen, das Buch mit den Zeichnungen von Elizabeth Shaw. "Fragen
eines lesenden Arbeiters" erkenne ich wieder, das "Aufbaulied" und
"Lob des Lernens", die vielzitierte "Pappel vom Karlsplatz", die
tiefsinnig-ulkigen "Tierverse", die Geschichte von den Teppichwebern
von Kujan-Bulak, wie sie Lenin ehrten, und sogar die Tragödie vom
"Kinderkreuzzug". Was ich hingegen in der Auswahl für die Kinder nicht
finde, sind die Zeilen "An die Nachgeborenen" (um 1938), meinen
heutigen Brecht-Lieblingstext: "Dabei wissen wir doch: / Auch der Haß
gegen die Niedrigkeit / verzerrt die Züge. / Auch der Zorn über das
Unrecht / Macht die Stimme heiser. Ach, wir / Die wir den Boden
bereiten wollten für Freundlichkeit / Konnten selber nicht freundlich
sein. / Ihr aber, wenn es so weit sein wird / Daß der Mensch dem
Menschen ein Helfer ist / Gedenkt unsrer / Mit Nachsicht."
Marianne Walz
*
Solange der sozialistische deutsche Staat, die DDR existierte, haben sich immer wieder Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei oder nach Besuchen über die DDR geäußert. Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die Auslandspresseagentur Panorama DDR über hundert solcher Stellungnahmen in einem Buch vereint. Entstanden ist so ein Mosaik persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse, die jeweils ein Stück gesellschaftlicher Wirklichkeit widerspiegeln. Stellvertretend für die anderen werden wir in den nächsten Monaten einige dieser Äußerungen veröffentlichen - Älteren zur Erinnerung, Jüngeren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR für die Welt - und für uns - war.
Hortensia Bussi de Allende (1914-2009)
Witwe des ehemaligen chilenischen Präsidenten Salvador Allende
Die Deutsche Demokratische Republik ist in den Gedanken des chilenischen Volkes stets gegenwärtig. Jetzt, wo sie kurz vor den Feierlichkeiten zu ihrem 30. Jahrestag steht, muß ich daran denken, als ich gemeinsam mit Salvador Allende im Jahre 1954 zum erstenmal in dieses Land kam. Damals war es ein zerstörtes Land: Berlin, Dresden, Leipzig - sie alle zeigten noch die Überreste des Krieges. Wir waren auch in Weimar und besuchten dort das Haus Goethes, und nicht weit davon entfernt - der Schrecken Buchenwald. Wir haben damals die ganzen Zerstörungen der Nazis wahrgenommen und ahnten nicht, daß unsere Heimat zwanzig Jahre später unter den Faschismus fallen würde.
Dann, in den nachfolgenden Jahren, konnte ich mit großer Befriedigung sehen, wie die DDR stärker wurde, die Ruinen und die Asche verschwanden und sie sich in eine mächtige und friedliche Nation verwandelte. Dabei hat sie nie das tiefe Gefühl der Solidarität verloren mit den Völkern, die auf der ganzen Welt um ihre Freiheit, um Demokratie und Sozialismus kämpfen.
Jedesmal, wenn ich gekommen bin, habe ich den herzlichen Atem eines gefühlvollen Volkes gespürt, das die große Sehnsucht des chilenischen Volkes nach Freiheit, wie sie während der Regierung der Unidad Populär und des Genossen Salvador Allende zum Ausdruck kam, verstanden hat und das nach dem verräterischen Staatsstreich der Faschisten den gleichen Schmerz und die gleiche Empörung empfand wie wir Chilenen. Das Volk der DDR und die Partei der Arbeiterklasse unter Vorsitz des Genossen Erich Honecker begleiteten uns in den Tagen, als wir unsere Lebensbedingungen mit dem revolutionären Kampf verändern wollten, so wie sie heute an unserer Seite stehen, in unserem Kampf im Innern des Landes und im Exil zum Sturz der faschistischen Militärjunta und der Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse in Chile. Ich erinnere mich an all den politischen und wirtschaftlichen Beistand der DDR, den wir während der Unidad Popular bekommen haben. Ich denke daran, wie ich mit Salvador Allende nach Valparaiso gefahren bin, um dort das erste der beiden Schiffe zu begrüßen, die die DDR uns gesandt hatte mit Gütern, die wir so dringend benötigten. Die Ambulanzen und medizinischen Einrichtungen waren so außerordentlich nützlich für die gesundheitliche Betreuung der Bevölkerung. Schwerlich werde ich die Rührung vergessen, die wir alle, vor allem der Genosse Präsident, beim Empfang dieses Schiffes empfanden, als wir sahen, mit wieviel Liebe die Bürger der DDR die großzügigen Geschenke ausgewählt hatten, die uns das Schiff brachte.
Zu der wirtschaftlichen Unterstützung, die wir erhielten, müssen die Kredite hinzugefügt werden, die ständige politische und diplomatische Hilfe - all dies gab uns die Gewißheit, mit einem Freundesland, einem Verbündeten rechnen zu können, der uns Mut machte in unseren Schwierigkeiten, bei unseren Aufgaben, deren Erfüllung uns der Imperialismus so erschwerte.
Diese große Freundschaft, die uns die DDR erwies, endete natürlich nicht mit dem Unglückstag des 11. September 1973, als der Verrat mit Militäruniformen die Moneda bombardierte, viele Kämpfer dort ermordete und Chile in die Nacht des Faschismus stürzte. Nein, im Gegenteil. Die Liebe des Volkes der DDR schien in dem Maße zu wachsen, wie in ihnen die Empörung über die Gemeinheit und Feigheit der verräterischen Generale wuchs. Nur drei Tage nach diesem Datum, am 14. September 1973, versammelten sich vor der Humboldt-Universität Berlin 300.000 Bürger der DDR, um den Chilenen ihre Unterstützung zu versichern, die begannen, ihre Widerstands- und Kampforgane aufzubauen. Das waren 300.000 Bürger, die ihren Haß und ihre Geringschätzung gegen die zum Ausdruck brachten, die kriminelle Verräter sind und sich die Regierung Chiles nannten.
Die DDR öffnete für etwa dreitausend Chilenen ihre Pforten. Sie haben hier eine herzliche Umgebung gefunden, offene Arme und alle Möglichkeiten, um ehrenvoll ihrer Arbeit und ihren Studien nachgehen zu können. Sie bekamen Studienplätze, Prämien, Wohnungen und Beschäftigungen. Die Lehrer, die Wissenschaftler fanden eine Umgebung und Möglichkeiten, um ihre Aufgaben fortzusetzen, um sich beruflich zu verwirklichen, um in einem Lande Forschungen durchzuführen, wo die Wissenschaft die Grundlage für die allgemeine Kultur und Bildung und für die große industrielle Entwicklung ist. Namen und Personen, die wir Chilenen so lieben wie die von Salvador Allende, Pablo Neruda und Luis Emilio Recabarren, sind heute allen Bürgern der DDR bekannt.
Der proletarische Internationalismus, der hier mit besonderer Hingabe geübt wird, ist das Prinzip, das die Solidarität des sozialistischen Deutschland mit all den Ländern bestimmt, die um ihre Freiheit kämpfen, auf welchem Kontinent auch immer es sei. In diesem Zusammenhang hat Chile all den großzügigen Beistand der DDR erhalten, die die Kraft unseres Volkes kennt und weiß, daß es früher oder später seine Freiheit zurückerobern wird. Schließlich möchte ich noch einen anderen Sektor nennen, wo die Solidarität des Volkes der DDR breit und vorbildlich ist. Ich meine das Nachrichtenwesen. Ihre Massenmedien, die so viel über die Chilenen berichten, haben uns Mut gemacht. Vor kurzem hat die DDR in Berlin und Rostock den Band "Die chilenischen Dichter kämpfen gegen den Faschismus" herausgebracht.
Nicht zuletzt wurde eine Reihe von Filmen hergestellt, die die Kenntnis über das wirkliche Chile in die Welt tragen. Die Kenntnis sowohl über das kämpfende Chile als auch über die Brutalität, die versucht, die Sehnsucht des Volkes zu ersticken, frei und unabhängig den Weg zum Sozialismus zu gehen. Das Studio Heynowski & Scheumann und auch die anderen großen Dokumentaristen haben Kurz- und Langspielfilme gedreht. Von ihnen möchte ich besonders einen hervorheben. Er heißt "Landsleute" und gibt die letzte Rede wieder, die Präsident Allende kurz vor seinem Tod hielt. Heute können wir dem Genossen Allende sagen: Dein Volk hat sich nicht gebeugt und kämpft mutig, um die Demokratie in Chile wiederherzustellen und bis zum Sozialismus zu gelangen.
"Ich habe die Gewißheit, daß die Saat, die wir in das würdige Bewußtsein Tausender und aber Tausender Chilenen gepflanzt haben, nicht herausgerissen werden kann. Sie haben die Gewalt, sie können uns unterjochen. Aber die sozialen Prozesse kann man weder durch Verbrechen noch durch Gewalt aufhalten. Die Geschichte ist unser, sie wird von den Völkern geschrieben."
Dr. Salvador Allende, 11. September 1973
*
Einmal war ich als Jurorin bei Alice Schwarzer in Köln. Wir sollten ernste und gerechte Arbeit verrichten. Das war nicht leicht, denn zwei Tage später sollte der Karneval beginnen. Die tüchtigen Frauen verwandelten sich vor meinen Augen in gickernde, alberne Weiber. Zum Glück durfte ich am selben Tag noch abreisen in mein gerade besonders mürrisches Berlin.
Mutter Natur hat mir dies und jenes mit auf den Weg gegeben, aber eins hat sie mir versagt: die Lust an der Ausgelassenheit in der Menge, zum Beispiel durch den Fußball. Neben einem lieben Mann habe ich durchaus öfter auf den damals noch kleinen Bildschirm geguckt und versucht, zu jubeln oder zu fluchen. Und ich kann mich nicht erinnern, daß je einer neben mir gesessen hätte, den es kalt ließ, ob das Runde ins Eckige gelangte.
Wenn man nur blöd und stumm hinguckt, ist es kaum zu glauben, welch ein Ausmaß an Gefühlen sich da auch bei sonst kargen Männern offenbart! Ich aber bin ein Stiefkind dieses Glücks und trolle mich. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis ich die Abseitsregel verstanden habe, und meine häufigen und immer wiederkehrenden Nachfragen haben manche Stimmung getrübt, die eben übermütig werden wollte. Ich habe darüber sogar einen meiner Ehemonologe geschrieben, aber selbst da mußte ich mich noch einmal erkundigen, was ich den kundigen Ehemann antworten lasse.
Doch Wunder gibt es immer wieder. Ich stelle vor ein paar Tagen den Fernseher an, in Erwartung von neuen, weltweiten Untaten, und das hat nichts mit depressivem Charakter zu tun. Dieser Erdball vibriert, und wenn man könnte, möchte man beide Hände ausstrecken zu einer Kette rund um die Erde. Laßt sie uns, möchte man bitten oder hinausschreien, hört auf!
Aber der Fernseher belebt seine Mattscheibe, und ich sehe, daß Deutschland auf dem Spielfeld vertreten sein muß, denn "Schweini" wird gerade eingewechselt. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, daß er genau noch zwei Minuten Spielzeit hat. Der hochgewachsene Mann lacht, mit ausgebreiteten Armen läuft er sehr schnell auf der Außenlinie und dann quer über das Spielfeld. So gelöst, so heiter. Er rennt, als ob er fliegt, ganz mühelos und ohne irgendjemanden anzurempeln, läuft auf das gegnerische Tor zu, der Ball kommt durch die Luft geflogen, und "Schweini" hebt den Fuß und befördert ihn ins Tor. Für einen Moment scheint es nichts zu geben als ein großes Lachen. Und ich stand mitten im Zimmer und habe auch gelacht und war für einen Moment mit dem Fußball, mit mir selber und mit "Schweini" ganz im reinen. An einem Tag, an dem die Nachrichten ausschließlich bedrückend waren. So alt mußte ich also werden, um mein Unbehagen gegenüber Festivitäten in der Menge mal zu vergessen. Bleibt die Überraschung, daß Fußball glücklich machen kann. Freilich nicht immer.
Vor Jahren rief eine Schauspielerin an und bat mich um Übernahme einer Veranstaltung, die sie wegen Erkrankung nicht gestalten konnte. Das ist nicht unüblich, andere hatten das für mich auch schon getan. Um was geht es? Na ja, eine Abschlußveranstaltung für Jugendweihlinge. "Fahrt aber rechtzeitig los, wegen Fußball." Ende der Nachricht. Wir erlebten vor Ort ein Bienenhaus. Zwei Schulklassen bereiteten sich auf die schöne Kultur vor. Das hofften wir. Aber der Zweifel war stärker. In einem sehr großen Saal gab es vielfältige Vorbereitungen für ein Fest. Wir konnten uns nicht vorstellen, daß all dies Kichern, Rennen, Tuscheln und Aufputzen uns und also meinen großartigen Werken gelten sollte. Wie recht wir hatten! Die Jugendlichen warteten auf den Ball, ihren ersten Ball, und es kamen auch schon Musiker, um zu proben. Für uns interessierte sich noch nicht einmal der Kater, der auf der Fensterbank saß.
Die Chefin des Hauses war verlegen, erklärte uns aber putzmunter, wo wir hingehen könnten. "Die Straße runter gibt es ein wunderbares Restaurant von zwei Argentiniern." Dort kehrten wir ein in ein völlig leeres Restaurant. Einer der "Argentinier" erklärte uns in brüchigem Deutsch, daß alles besetzt sein wird. Dabei sah er glücklich aus. Da er keine Anstalten machte, uns wegzuschicken, setzten wir uns und warteten auf den Ansturm von Gästen. Auf dem Bildschirm erschien um 15 Uhr die schöne Meldung, daß nun das Spiel Argentinien gegen Deutschland - oder umgekehrt - stattfindet. Aber Gäste kamen nicht.
Das Essen war gut, wir waren den Männern gewogen, sie uns offenkundig auch. Vielleicht würde Argentinien am Abend noch mal spielen, dann vor vielen Gästen? Und wieder gegen Deutschland? Aber wir fragten die "Argentinier" lieber nicht, denn vielleicht wußten die das auch nicht. Wenig später schoß Deutschland ein Tor, gegen Argentinien. Wir versuchten, kein Gesicht zu machen, als wir sahen, daß die beiden "Argentinier" sich auf die Schulter klopften, umarmten, lachten und uns anstrahlten. Im Verlauf unserer Anwesenheit gab es noch zwei Tore für Deutschland, und jedes Mal die ungebremste Heiterkeit und die laute Freude der beiden Männer. Wir verfatzten uns noch vor Ende des Spiels und grübelten auf dem Heimweg, ob es sich vielleicht gar nicht um Argentinier, sondern um Bulgaren oder Italiener handelte. Das weiß ich bis heute nicht. Aber seltsam ist doch, daß ich diese Freude und unsere Steifheit nicht vergessen habe.
Aber ich habe noch einen heiligen Grund, mit Rührung an den Fußball zu denken. Mein Opa war ein kleiner Herr und als einziger Ernährer der Familie ein fleißiger Herrenschneider. Er gönnte sich gar nichts. Gut, er sammelte Kuckucksuhren, aber die hingen ja auch nur an der Wand. Sonntags aber verwandelte er sich in einen anderen Menschen.
Immer hatte er Angst, daß meine Oma ihm das Essen nicht pünktlich an den Schneidertisch bringen würde. Sie tat auch immer so, als drohe genau das. Aber dann konnte er die Klöße doch zu sich nehmen und sich danach für sein großes Erlebnis einkleiden. Er hatte immer einen steifen Hut auf dem Kopf, immer einen Regenschirm über dem Arm und war immer tadellos gekleidet. Mit einem letzten Blick auf seine Taschenuhr verließ er grußlos seine Schneiderstube und machte sich auf den Weg zur Freude seines Lebens, zum Fußball.
Er erzählte nie etwas darüber, setzte sein Erleben nicht den spöttischen Bemerkungen anderer Familienmitglieder aus. Aber dann kam das Toto-Spiel und wurde sehr schnell populär. Die Familie betrachtete Opa mit einem Blick, in dem Hoffnung und Respekt lag. Opa war der Kundige, er verstand was vom Fußball und würde also Reichtum für die Familie einfahren. Opa wettete auch, füllte jede Woche mehrere Zettel aus, aber keine seiner Voraussagen stimmte. Er hat nie richtig getippt. Was immer die Angehörigen vorher über Opa gedacht haben: es gab ein Thema, in dem er sich auskannte, für das er zuständig schien. Jetzt wurde er ausgelacht.
Ich habe Opa geliebt und verstanden, daß sie ihm durch ihre Gier etwas Kostbares zerstört haben. Das tat mir leid.
Könnte es sein, daß andere Menschen - durchaus begeisterungsfähig und ganz offen für Freude in der Menge - eine eher eingeschränkte Vorfreude haben, wenn man ihnen zumutet, in einen Raum zu gehen, sich hinzusetzen und einer einzelnen Person zu lauschen? Die nicht singt und nicht tanzt, sondern sehr lange etwas vorliest? Ich bin eine leidenschaftliche Leseratte, aber ich werde hoffnungslos müde, wenn ich jemandem lauschen soll, der mir einen Teil seines Romans vorliest. Ich bewundere Menschen, die sich auf mich einlassen und sogar bereit sind, über das Gehörte zu reden. Mich begleitet seit fünfzig Jahren diese Angst, jemanden zu langweilen. Ja, bis ins Alter, das ja angeblich so reich ist an Erfahrungen und vor Pleiten schützt, habe ich diese Angst: Sie hätten sich den Weg sparen können, und ihr Abend wäre anders vergnüglicher gewesen.
"Das Beste im Menschen sind seine jungen Gefühle und seine alten Gedanken", hat der französische Moralist Joseph Joubert (1754-1824) gesagt. Stimmt!
*
Daß nicht ich dieser Star sein konnte, ist wohl klar. Aber meine Schwester Elisabeth schien so weit zu sein, wenn den Angaben meiner Tante Mary zu glauben ist, die es schaffte, Klein-Elsi zum Film zu bringen.
Tante Mary war eine bildhübsche Frau und im Jahr 1923 in der Blüte ihrer Schönheit und Begehrlichkeit. So war sie nicht nur mit dem Filmverleiher Eduard Brandl, dem Bruder meiner Mutter, verheiratet, sondern außerdem noch heimlich verbandelt mit dem von Budapest nach Wien gekommenen Filmregisseur Mihály Kertész. Das Foto zeigt Kertész mit Mary im Garten der Gründerzeitvilla meines Onkels, mit Blick auf Schloß Schönbrunn.
Die Aufnahme wurde im Jahr 1922 gemacht, und ich möchte wetten, daß sogar Onkel Eduard es war, der fotografiert hat.
Ein Jahr später war meine Schwester vier Jahre alt - ein munterer Fratz, gesanglich und tänzerisch begabt und im familiären Kreis jederzeit bereit, etwas vorzutragen. Bei eingeladenen Gästen besonders gut angekommen war dann jedesmal das Lied mit dem leicht frivolen Text: "Ich bin die Prater-Mizzi, der Liebling aller Herrn! Zu mir sagt jeder: Bitt' Sie, ich küsse halt so gern!"
Ob Kertész bei einem solchen Vortrag meiner Schwester dabei war oder einfach nur meiner Tante glaubte, als sie ihm für eine anstehende Kinderrolle die vierjährige Elisabeth empfahl, weiß ich nicht. Gewiß jedoch ist, daß es zum ersten Drehtag kam.
Drehort war eine stille Ecke auf dem Hietzinger Friedhof, dem "Totengarten der Monarchie", einem der schönsten Friedhöfe Wiens. Die Szene war so angelegt, daß ein ausgewachsener Bernhardiner meine Schwester an das Grab der Mutter führt. Daran läßt sich schon das spätere Strickmuster vieler beliebter Hollywoodfilme erkennen.
Zu diesem Zeitpunkt soll meine Schwester noch sehr an der Sache interessiert gewesen sein, war unbeschwert, zumal ihre Mama inzwischen auch am Drehort eingetroffen war, so daß Kertész zu meiner Schwester nur hätte sagen müssen: Du greifst dem braven Bernie ins Fell, er geht los, und du gehst einfach mit ihm mit. Statt dessen sagte er in seinem ungarisch beschwerten Deutsch: "Paß auf! Deine Mutter ist tot. Sie liegt dort im dunklen Grab tief unter der Erde. Der große Hund weiß, wo sie liegt und führt dich hin."
Der Hund brauchte an diesem Vormittag niemanden mehr irgendwohin zu führen. Meine Schwester brüllte wie am Spieß, und Kertész tröstete, indem er auf Elsis und meine spätere Mutter zeigte und beschwichtigend sagte: "Wein doch nicht! Schau, deine Mutter lebt ja noch!"
Dieses noch war, was Kertész besser hätte weglassen sollen. Meine Schwester schrie noch lauter, und Kertész wußte, daß Kinderpsychologie sein Fall nicht war.
Um es kurz zu machen: Tante Mary hatte durch Klein-Elisabeths Versagen keinen Schaden genommen. Auch die Liebesverbindung zu Filmregisseur Kertész war erhalten geblieben; doch schien mir später, daß meiner Tante jegliche Empfehlungsbereitschaft abhanden gekommen war. So wäre ich inzwischen in der Lage gewesen, mit weitaus vielfältigeren Begabungen zu überraschen. Sorry, kein Bedarf! Kertész war außerdem längst schon in Amerika. Es war ein Glücksfall gewesen: Harry Warner hatte ihn eingeladen, und so war es keine Fahrt ins Blaue. Das einzig Blaue war der Himmel über dem Atlantik. Die Schiffspassage war bezahlt, ein Schlafwagenplatz im Pullman-Express quer durch die Staaten nach San Francisco war gebucht; sogar ein Sitz im Greyhound-Bus bis Hollywood war reserviert: alles vertraglich abgesichert durch die Filmfirma Warner Brothers.
Daß die Liebe zwischen Kertész und Tante Mary nachhaltiger war, als man hätte denken mögen, bezeugte das Wiedersehen der beiden nach dreißig Jahren und ein paar Monaten darüber. Aus Mihály Kertész war Michael Curtiz geworden, ein längst weltberühmter Filmregisseur. Doris Day hatte er auf den Filmweg gebracht, 1943 den "Oscar" für "Casablanca" erhalten und Ingrid Bergman zum Weltstar gemacht. Und nun drehte er seinen fünfundsiebzigsten Hollywoodfilm, und den mit großem innerem Genuß in Wien.
Curtiz habe immer noch seinen unverkennbaren ungarischen Akzent, erzählte Mary. Egal, ob er Deutsch oder Englisch sprach. Sein "You are still looking lovely" soll geknarrt haben "wie ein Pumpenschwengel in der Puszta" (Originalzitat Tante Mary). Im "Hotel Sacher" hatten sie soupiert. "Meeting Place Vienna" hätte das Treffen der beiden heißen können und wäre mit allem politischen Drum und Dran eine spannende Dokumentation geworden.
"A Breath of Scandal" hieß der Film, den Curtiz im Ambiente des Schlosses Schönbrunn und in der Wiener Hofburg drehte, mit Sophia Loren in der Hauptrolle. In die deutschen Kinos gelangte er 1960/61 unter dem blassen Titel "Prinzessin Olympia". Curtiz starb am 11. April 1962 in Hollywood, Tante Mary fünfzehn Jahre später. Am ältesten wurde meine Schwester Elisabeth - Michael Curtiz' Stummfilmstar für einen Tag. Für sie und das Ereignis hatte er eine Abkürzung: STOVE (Stummfilmstar ohne Verwendung, Elisabeth). Ob er mit "Stove" bereits das amerikanische Kürzel für "Schuß in den Ofen" prägte, harrt noch der Entschlüsselung durch Hollywood-Experten.
Lutz Jahoda
Aus Jahodas Buch "UP & DOWN - Nervenstark durch ein verhunztes Jahrhundert". Edition Lithaus, Berlin 2012
*
Als vor 75 Jahren, am 22. Juni 1941, deutsche Truppen die Sowjetunion
angriffen, erhielt der am 1. September 1939 begonnene Krieg eine
Dimension, die es in der Geschichte der Menschheit bis dahin noch
nicht gegeben hatte. In das Gebiet von der Barentssee bis zum
Schwarzen Meer fielen 3,7 Millionen deutsche und mit ihnen verbündete
Soldaten ein. Bekanntlich endete dieses Unternehmen am 8. Mai 1945 in
Berlin mit der vollständigen Kapitulation der Angreifer. Doch zu
welchem Preis! Etwa 60 Millionen Menschen hatten ihr Leben verloren,
davon 27 Millionen aus der Sowjetunion und ca. 6 Millionen Deutsche,
von den Zerstörungen einmal ganz abgesehen. Man sollte meinen, daß
dies eine Lehre sei, die folgende Generationen nie vergessen werden,
vor allem auch in Deutschland.
Doch weit gefehlt. Zum 8. Mai 2016, insoweit geschichtsträchtig,
gelangten Informationen an die Öffentlichkeit, daß die Militärplaner
aus dem deutschen Verteidigungsministerium erstmals zusätzliche
Stellen schaffen wollen. Ursula von der Leyen begründet den neuen
Rüstungsbedarf ausgerechnet mit einem angespannten Verhältnis zu
Rußland und einer angeblichen Bedrohung. Gegenwärtig liegt die
gesetzlich beschlossene Obergrenze bei 185.000 Soldaten. Diese soll
gänzlich wegfallen.
In diesem Jahr gab Angela Merkel auf der Hannover-Messe dem
US-Präsident Barack Obama die Zusage, daß auch Deutschland Militär an
der russischen Grenze stationieren wird. Deutsche Kampfflugzeuge waren
bereits im letzten Jahr im Baltikum im Einsatz.
In der BRD scheint man der Illusion anzuhängen, daß mit Aufrüstung und
Atomwaffenmodernisierung ein neuer Waffengang gegen Rußland diesmal
erfolgreich verlaufen könnte.
Ist denn nicht bekannt, daß ein Krieg gegen Rußland heute immer ein
Atomkrieg sein würde, der keinen Sieger kennt? Allen öffentlichen
Beschwichtigungsreden von Politikern sollte man ihr tatsächliches
Handeln gegenüberstellen. Am 8. und 9. Juli 2016 wird die NATO in
Warschau den größten Militäraufmarsch an der russischen Grenze
beschließen, verbunden mit ständigen Manövern.
Wenn wir uns diesem Irrsinn nicht widersetzen, ist unser Leben in
großer Gefahr.
Horst Neumann, Bad Kleinen
Wenn ehrliche Bürger, weil sie gehört hatten, daß sich unehrliche
Leute in ihrer Gegend angesiedelt hätten, die schon wegen Diebstahl
angezeigt wurden, ihre Wohnung stets ordentlich verschließen und sich
vielleicht noch einen Wachhund anschaffen, wird ihnen das niemand
verdenken. Wenn sich aber Kriegslärm erhebt und kriegsgewohntes
Gesindel sich rund um Rußlands Grenzen festsetzt, sind Rußlands
Vorkehrungen zur Verteidigung für die USA und die NATO ein Grund, noch
aggressiver gegen dieses Land vorzugehen. Hoffen wir, daß die
westlichen Kriegsherren Respekt vor der entschlossenen
Verteidigungsbereitschaft des russischen Volkes zeigen. Der nächste
große Krieg wäre uns sonst sicher. Der Frieden ist kein Geschenk des
Himmels und im Kapitalismus ständig in Gefahr. Er muß immer verteidigt
oder erkämpft werden. Tretet den Hetzern entgegen, laßt es nicht zu,
ob in der Familie, auf der Straße oder wo auch immer, daß Haß gegen
andere Völker geschürt wird!
Elisabeth Monsig, Gartz
Seit Anfang Juni findet in Osteuropa ein riesiges Militärmanöver der
NATO statt. Geplant war eine Übung mit ca. 31.000 Soldaten. Sein Name
"Anakonda 16" ist Programm.
Die Anakonda ist eine Würgeschlange aus der Gattung der Boas. Die
Zielrichtung ist eindeutig. Rußland soll in den Würgegriff der
Anakonda (NATO) genommen werden. Entgegen aller Abkommen und
Versprechen haben die USA und ihre NATO-Partner Rußland mit der
Behauptung, es sei eine Bedrohung, bereits heute quasi umzingelt.
An dieser Drohkulisse nehmen auch Soldaten der deutschen Bundeswehr
teil. Zur Erinnerung: Am 22. Juni 1941 wurde die Sowjetunion von
Hitlerdeutschland in verbrecherischer Absicht überfallen. Wie muß sich
wohl ein Volk fühlen, wenn nach 75 Jahren unter anderen auch wieder
deutsche Truppen an seiner Landesgrenze stehen?
Es ist bekannt, daß die Bundesregierung beabsichtigt, ein neues
Weißbuch über die deutsche Sicherheitspolitik herauszubringen. Darin
soll die Aussage enthalten sein, daß Rußland für Deutschland kein
Partner mehr sein könne, da es angeblich die europäische
Friedensordnung beargwöhne. Hierzu ist festzustellen, daß es nicht
Rußland, sondern die USA und die NATO mit der BRD an der Spitze sind,
welche die Friedensordnung - so es noch eine gibt - global infrage
stellen.
Wilfried Steinfath, Berlin
Bücher gehören zum wertvollsten Kulturgut der Menschheit. Dabei gibt
es Bücher, die dem Humanismus, dem friedlichen und toleranten
Miteinander der Menschen dienen. Und es gibt jene, die das
Verwerfliche und Zerstörerische im Zusammenleben der Menschen
propagieren. Zu Recht haben wir in der DDR letztere als Schmutz- und
Schundliteratur gekennzeichnet und verboten.
Zu ihr gehört zweifellos Hitlers "Mein Kampf". Dieses Machwerk, das
den Völkerhaß, den Haß auf Juden, den Rassenwahn zum Inhalt hat und
den Krieg verherrlicht, wird in der BRD wieder verlegt und kann
gekauft werden. Wie man hört, war es ein Bestseller und die erste neue
Auflage in wenigen Tagen vergriffen.
Die Verleger, denen Moral und Ethik offensichtlich völlig fehlen und
die ausschließlich ihre klingenden Kassen im Blick haben, begründen
ihr Vorgehen mit der Behauptung, das Buch sei ein geschichtliches
Dokument. Man habe es schließlich mit begleitenden Kommentaren
versehen. Doch damit nicht genug. Sie sind der Meinung, es sei sogar
als Schulbuch geeignet.
Auf der einen Seite fordern Politiker scheinheilig, Maßnahmen gegen
Rechtsextremismus auf der Straße und in den Köpfen zu ergreifen, auf
der anderen Seite wird zugelassen, daß Hitlers geistige Ergüsse
bundesweit verbreitet werden können, was nur zu noch mehr
Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Chauvinismus führen kann und dem
Erstarken der rechten und faschistischen Kräfte in der BRD dient. Wo
bleibt der Protest der Linken und der jüdischen Opferverbände?
Peter Truppel, Cottbus
Die vom Burda-Medienkonzern herausgegebene "Super-illu" widmet sich in
großer Aufmachung der Frage "Was bleibt von Gauck?"
In einer Reihe von Zuschriften, überwiegend von Personen in
Regierungsverantwortung oder in anderen Führungsfunktionen, wird eine
direkt widerwärtige Lobhudelei vom Stapel gelassen, in der auch ein
gleichartiger Beitrag von Bodo Ramelow nicht fehlt.
Meine Haltung zu Gauck steht dazu im krassen Gegensatz - und
zweifellos bin ich mit ihr nicht allein. Von Gauck bleibt der bittere
Nachgeschmack, daß ein deutscher Präsident aus der geschichtlichen
Vergangenheit offensichtlich nichts gelernt hat und wie ein
Militärpfarrer in Erscheinung trat - man denke nur an seine
berüchtigte Rede an der Führungsakademie der Bundeswehr vom 20. Juni
2012 in Hamburg, in der er Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland
ausdrücklich billigte. Er sagte: "... daß es wieder deutsche Gefallene
gibt, das ist für unsere glückssüchtige Gesellschaft schwer zu
ertragen." Als ehemaliger Pfarrer müßte Herr Gauck eigentlich das
christliche Gebot "Du sollst nicht töten!" beherzigen und propagieren!
Sein Haß auf die DDR ist sicher besser zu verstehen, wenn man an seine
Erziehung im Elternhaus denkt. Die Mutter war seit 1932, der Vater
seit 1934 Mitglied der Nazipartei, sie waren also "alte Kämpfer" der
braunen Mordclique. Was den Vater anbetrifft, so wird er von Gauck
stets nur als "Seemann" oder "Kapitän" erwähnt - er war jedoch Kapitän
der faschistischen Kriegsmarine! Hinzu kommt der bedeutende Einfluß,
den sein Onkel Gerhard Schmitt auf ihn hatte. Dieser war bereits seit
1931 in der Nazipartei und ab 1934 hauptamtlicher SA-Führer!
Was mich betrifft, so bleibt die Genugtuung, daß der erste und einzige
Präsident der DDR, unser unvergessener Wilhelm Pieck, nach wie vor
Ehrenbürger meiner Heimatstadt Plauen ist.
Seine Worte "Die Partei lehrte mich, unerbittlich gegen die
Imperialisten und Militaristen und ihre Kriegsverbrechen zu kämpfen",
sind auch in der Gegenwart von höchster Aktualität.
Heinz Behrendt, Plauen/Vogtland
Die Partei Die Linke sollte die alten Gleise der Macht verlassen,
endlich auch an wirkliche Veränderungen denken und sich nicht in die
Spiele der anderen Parteien einbinden lassen. Wieso rufen manche schon
wieder nach Rot-Rot-Grün und bringen keine phantasievollen eigenen
Vorschläge, die wirklich in das System eingreifen und uns nicht zum
"Wurmfortsatz" anderer degradieren?
Das Karussell der politischen Illusionen - von "Ein Ruck muß durch das
Land gehen" (Roman Herzog) bis "Deutschland muß mehr Verantwortung in
der Welt übernehmen" (Joachim Gauck) - soll sich weiterdrehen. Warum
denken wir nicht einfach neu und fragen nach dem Sinn des
Bundespräsidialamtes. Brauchen wir rauschende Sommerfeste im Schloß
Bellevue und wohlgesetzte Sonntagsreden, wenn Tausende Kinder in
Deutschland von Armut und Familien von den Hartz-Gesetzen betroffen
sind und deutsche Soldaten (mit pastoralem Segen) im Ausland zu Tode
kommen? Bisher gab es kein Veto eines deutschen Bundespräsidenten
gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr oder Forderungen nach Gesetzen,
welche die stete Umverteilung von unten nach oben beenden.
Raimon Brete, Chemnitz
Die Andrew-Thorndike-Beilage im Mai-"RotFuchs" ist große Klasse! Solch
ein Werk wie "Das russische Wunder" wird immer Bestand haben.
René Senenko, Hamburg
Die von Euch gestaltete Beilage zu Klaus Steiniger fand ich sehr
eindrucksvoll.
Rudolf Schwinn, Bonn
Zur RF-Website: Schöne übersichtliche Menüführung und gelungene
Umgestaltung!
Der Website-Relaunch (die völlige Neugestaltung eines
Internet-Auftritts) ist gut gelungen; auch das Archiv ist prima
und übersichtlich gestaltet. War früher öfter mal - und jetzt
anscheinend länger nicht, da der Relaunch mir unbekannt war - auf
Eurer Seite, um mal Dinge aus einer anderen Perspektive und jenseits
des Medienkartells der bürgerlichen Presse zu lesen.
Werde jetzt wieder öfter reinschauen. Bitte auch künftig den
Perspektivenwechsel möglich machen!
Alles Gute und weiter so!
Peter Wertz, Köln
Eure neue Website ist sehr gut, gefällt mir!
Andrea Wohlfahrt, Hemmingen
Kürzlich erschien in der "WAZ am Sonntag" ein Artikel unter der
Überschrift "Konrad Adenauer wehrte sich mit Anzeigen gegen Gegner".
Darin werden die Leser über folgenden Sachverhalt informiert: "Die
Bundesregierung unter Kanzler Konrad Adenauer (CDU) hat in ihrer
Amtszeit von 1949 bis 1963 Hunderte Strafanträge wegen "politischer
Beleidigung" gestellt. Dies geht nach 'Spiegel'-Recherchen aus Akten
im Bundesarchiv hervor. Diese Verfahren führten demnach allein bis
Ende 1952 zu mehreren Dutzend Gefängnisstrafen von durchschnittlich
drei Monaten."
Bleibt festzuhalten: Der Tatbestand einer "Staatsbeleidigung" wurde in
der Alt-BRD nicht etwa übergangen, sondern verfolgt und zur Anklage
gebracht. Viele Betroffene gingen ins Gefängnis.
Johann Weber, Ruhstorf (Niederbayern)
Mitte Mai fand an der Jugendhochschule "Wilhelm Pieck" Bogensee und in
Naturfreundehaus Üdersee das 11. Treffen ehemaliger Studenten, Lehrer
und Mitarbeiter statt.
Aus diesem Anlaß haben wir die von Prof. Dr. Oliver Rump gestaltete
Ausstellung über Tamara Bunke (Tania la guerrillera) präsentiert.
Elisabeth Dietze-Brigeschke, eine Jugendfreundin von Tamara und
ehemalige Studentin der Jugendhochschule, eröffnete sie. 150
Teilnehmer unseres Treffen nutzten die Gelegenheit, sich über Leben
und Kampf von Tamara Bunke zu informieren. Da fast alle Teilnehmer
früher selbst aktiv in der FDJ tätig waren, war ihnen Tamara Bunke
keine Unbekannte. In vielen interessanten Gesprächen kam nicht nur die
Sorge über die gegenwärtige komplizierte Lage Lateinamerikas zum
Ausdruck, sondern auch die Achtung vor einer bemerkenswerten Frau, die
für die Freiheit und Unabhängigkeit der Völker dieses Kontinents ihr
Leben gab.
Uwe Künzel, Thale
Die Forderung der BRD-Regierung nach einer Rente mit 73 wird durch die
Aussage einer Studie des "Instituts der deutschen Wirtschaft" (IW),
wonach die Jungen deutlich länger arbeiten müßten, gestützt. Die
Jungen? Also alle bis zum 73. Geburtstag, weil die "Jugend" ja
angeblich die Rente für die Senioren "erarbeiten" müsse. Norbert Blüm
hat wiederholt gesagt, "Die Rente ist sicher" und "Guter Lohn - gute
Rente".
Die Gewerkschaft fordert einen "gerechten Lohn" als Voraussetzung für
eine gute Rente.
Die Begriffe "guter Lohn" und "gerechter Lohn" sind hier
offensichtlich identisch. Zu fragen wäre, ob solche Löhne im Zeitalter
der Globalisierung und der chaotischen Zustände in vielen Teilen der
Welt überhaupt noch realisierbar sind. Ja, sie sind realisierbar,
besonders in Deutschland. Warum? Die Wirtschaft boomt,
Arbeitsproduktivität und Wertschöpfungen sind um ein Vielfaches im
Vergleich zu den vorangegangenen Jahrzehnten gestiegen, und Gewinne
und Profite werden immer größer. Unter diesen Bedingungen können
Unternehmer Arbeitern und Angestellten durchaus gerechte Löhne bzw.
Gehälter als Voraussetzung für eine gute Rente im Alter zahlen.
Aber was sind das für Löhne und Gehälter? Das sind existenzsichernde
Löhne und Gehälter, die mindestens dem Wert der Ware Arbeitskraft
entsprechen.
Der Wert der Arbeitskraft wird bestimmt durch die Kosten aller
Lebensbedingungen, die zur Entwicklung und Weiterentwicklung des
Menschen notwendig sind. Dazu gehören aber nicht nur die materiellen
Güter, sondern auch die kulturellen und geistigen, insbesondere
Bildung und Erziehung, Ausbildung, Weiterbildung, ferner
gesellschaftliche Aktivitäten und Freizeittätigkeiten. Die Größe des
Wertes der Arbeitskraft wird außerdem durch die Qualifikation des
Arbeiters bestimmt.
Man könnte meinen, daß das Zahlen gerechter Löhne und Gehälter an alle
Arbeiter und Angestellten doch die Profite der Unternehmer zum Teil
senken würde. Ja, das stimmt und es ist gerechtfertigt, weil der
größte Teil der Wertschöpfung der Waren durch die Arbeiter produziert
wird und diese haben Anspruch auf Löhne und Gehälter und im Alter auf
Renten, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.
Keine Angst, die Profite der Unternehmer werden auch dann immer noch
um ein Vielfaches größer sein als das Einkommen der Arbeiter.
Der Hauptfaktor für eine gute Rente ist ein gerechtes Einkommen im
Arbeitsalter.
Dr. Ernst-Ludwig Hischer, Rostock
Klaus Steiniger verweist in seinem letzten Leitartikel auf die
Notwendigkeit politischer und allgemeiner Bildung sowie auf die großen
Unterschiede im Bildungswesen der DDR und in dem der heutigen
Bundesrepublik. Ein Leserbrief im gleichen Heft bringt es auf den
Punkt, in dem darüber berichtet wird, daß Maxim Gorki Vertretern der
jüngerer Generationen offensichtlich vollkommen unbekannt ist. In der
durch Mauer und Reisebeschränkung abgeschotteten DDR kannte wohl jeder
die wichtigsten kulturellen Leuchttürme nicht nur des Ostens, sondern
auch der westlichen Welt. Und das nicht nur durch das BRD-Fernsehen,
sondern durch die eigenen Filmprogramme in den Kinos. Ob Gabin,
Belafonte, Astaire oder Jane Fonda - sie waren präsent. Auch die
Bücher von Autoren wie Böll, Grass, Hemingway und Moravia oder Max von
der Grün und Walraff waren in den Buchhandlungen zu finden.
Und wie sieht das heute aus? Was weiß man über die kulturellen
Spitzenleistungen des sogenannten Ostens? Sicher, man kennt die
Netrebko und Lang Lang, weil sie Verdi und Mozart künstlerisch
vollendet interpretieren. Aber vor allem sind solche Namen wie Ai Wei
Wei und die Pussy Riots präsent, weil sie politisch so wunderbar in
die Landschaft passen. Das wirkliche kulturelle Leben in der DDR ist
heute eine "terra incognita", eine unbekannte Welt. Wir werden mit
Klischees bedient, die die alten Vorbehalte und Ängste aus der Zeit
des kalten Krieges pflegen und neu entfachen. Ob beim "Tatort" im
Fernsehen oder in anderen Medien: Die Polen klauen Autos, die Rumänen
verkaufen ihre Kinder und die Chinesen kupfern unsere Patente ab ...
Da bildet sich dieses Deutschland ein, weltoffen zu sein, weil man ja
reisen kann, wohin man will. Aber herein läßt man eben nur, was paßt.
Und das betrifft nicht nur Flüchtlinge und billige Arbeitskräfte,
sondern auch die Kultur, die sie wollen.
Franz Tallowitz, Saterland
Im "nd" vom 14./15. Mai war zu lesen: "Wer also eine Seele für
Arbeiter hat, möge sie ideologisch in Ruhe lassen - alles funktioniert
gut, was außerhalb von Gesinnungen funktioniert."
Nach Herrn Schütts Meinung sollen wir also alles so laufen lassen, wie
es bisher läuft, denn der Kapitalismus habe "mehr für die Menschen
getan als der Ostkommunismus für alle seine Völker". Da rettet den
Artikel auch nicht der halbherzige Schwenk am Ende, in dem ein "Modell
des Auswegs" herbeigesehnt wird.
Ein junger, aber an dieser Gesellschaft fast verzweifelnder Mensch
fragte mich, weshalb es keine Arbeiterbildungsvereine mehr gibt, um
dort wenigstens mehr Wissen unter die Abgehängten und Prekarisierten
dieser Gesellschaft zu bringen. Das wäre doch mal ein Gedanke - und
für das "nd" vielleicht ein Hinweis, daß man in der Zeitung in
verständlicher Form über grundlegende Erkenntnisse des Marxismus und
Leninismus informieren sollte, damit bereitwillige Multiplikatoren
entsprechendes Argumentationsmaterial an die Hand bekommen.
Gabriele Parakeninks, Berlin
Der Vorsitzende der Partei Die Linke Bernd Riexinger hat in einem
"nd"-Interview vom 13. Juni von der Notwendigkeit eines
"Politikwechsels" gesprochen, ohne sich auch nur ein einziges Mal auf
Marx, Engels und Lenin zu beziehen. Doch wie soll sich ein solcher
Wechsel bei Ausklammerung der marxistisch-leninistischen
Gesellschaftstheorie vollziehen?
Wenn Bernd Riexinger von den "ureigensten Interessen" der Werktätigen
spricht, dann muß hinzugefügt werden, daß sich sehr viele ihrer
objektiven Interessen gar nicht bewußt sind, weil ihnen unsere Theorie
vorenthalten wird. Die Forderung, daß die linken Kräfte Konzepte
entwickeln müssen, die den Interessen der Werktätigen gerecht werden,
ist, wenn man die seit 150 Jahren vorliegenden beiseite schiebt, nur
Schall und Rauch.
Solche offensichtlich zur Entpolitisierung gedachten Sätze im ND
"Sozialismus - keiner weiß zum Glück was das ist - als Traumspiel ohne
soziale Grenzen" und "... Geschichte versteht nur, wer aufhört, sie
begreifen zu wollen", helfen seinen Lesern sicher nicht, sich zu
orientieren.
Helmuth Hellge, Berlin
Seit etwa zweieinhalb Jahren bin ich ein überzeugter und begeisterter
Leser des "RotFuchs". Ich glaube, neben der "jungen Welt" ist der
"RotFuchs" das einzige Blatt, in dem man sich als Marxist und
Kommunist bestätigt findet.
Die PDL und ihr Zentralorgan, das "neue deutschland", zeigen
demgegenüber nur, wie man es nicht machen sollte, wenn man links fühlt
und denkt.
So hat mich die Nachricht vom Tode des Genossen Klaus Steiniger
erschüttert. Ich bin ihm nie persönlich begegnet, aber dennoch war er
seit ca. 2 ½ Jahren in meiner Welt präsent.
Stets habe ich mich in seiner Argumentation mit meinen eigenen
Meinungen und Überzeugungen wiedergefunden. Aber ich muß auch sagen,
daß die Lektüre des RF mich regelmäßig so wütend macht, daß ich das
Heft erst mal beiseite lege, um mich wieder zu beruhigen.
Keinem Geringeren als Karl Marx erging es seinerzeit ebenso. Ein
großes Hemmnis ist, meine ich, die Gleichgültigkeit. Ihr müssen wir
mit der von Marx, Engels und Lenin begründeten Theorie und unserer
Überzeugungskraft entgegentreten.
Danken möchte ich den Genossen Roland Potstawa und Karl Scheffsky, die
sich im RF zur gegenwärtigen Entwicklung der Beziehungen USA-Kuba
geäußert haben. Beide haben mir sehr aus dem Herzen gesprochen.
Hans-Dieter Rosenbaum, Golßen
Vor einigen Jahren schien Doping nur mit DDR in Verbindung zu stehen.
So nach und nach traten Dopingskandale hervor, die mancher für
undenkbar hielt, dies in der westlichen Welt und in Verbindung mit
profitablen Geschäften an Dopingmitteln. Jeder kann heute wissen,
Doping im Hochleistungssport war und ist nie das Thema nur eines
Landes, Sportverbandes oder gedopter Sportler, Funktionäre und
Mediziner gewesen und ist es heute nicht. Wer ernsthaft Doping
unterbinden will, der sollte das zunächst damit unter Beweis stellen,
daß er Sport und Doping nicht als politische Waffe mißbraucht, wie es
seit Jahren verstärkt getan wird. Offensichtlicher geht es nicht, wenn
das Doping-Thema heute mit Vorliebe und gezielt politisch stets
skandalisiert wird, wenn es um die Russen, die Chinesen, um
Sportereignisse in diesen Ländern oder deren Erfolge geht.
Anderenfalls wird es ganz klein geschrieben und sind es immer nur
Einzelfälle.
Man sollte daran erinnern, wie vor Jahren gefordert wurde, daß Sport
nicht politisch sein dürfe, mit Blick gen Osten. Was wir heute
erleben, ist unvergleichlich politischer und dem Sport nicht mehr
dienlich. Es ist zu einem schmutzigen politisch diffamierenden
Geschäft geworden.
Roland Winkler, Aue
Als Autor und Publizist arbeite ich ständig mit Schriften,
Dokumentationen und Erlebnisberichten über vierzig Jahre DDR und
Menschen, die sie mitgestalteten. Nun halte ich das von Wolfgang
Schwanitz und Reinhard Grimmer herausgegebene Buch "Erinnerungen von
MfS-Angehörigen" in den Händen. Voller Stolz stelle ich fest: Auch ich
gehöre zu den "unbequemen" Zeitzeugen. Im Juni 1958 nahm ich als
junger Agronom den Dienst in einer Kreisdienststelle auf. Meine
Vorgesetzten in den ersten Jahren waren bewährte Antifaschisten. Mein
Weg führte über das Studium an der Fachschule für Landwirtschaft bis
zum Diplom an der Juristischen Hochschule in Potsdam. Als Mitglied
eines wissenschaftlichen Beirates wirkte ich bis zum Ausscheiden aus
dem Dienst.
Die Einverleibung der DDR durch die BRD bleibt eine nie heilende
Wunde. Doch welcher Staat ist nun ein Unrechtsstaat? Karl-Eduard von
Schnitzler schrieb in einem Brief an mich: "Kein Kommunist hat sich
für Irrtümer, Fehlentscheidungen vor Kapitalisten und deren
Hofjournaille zu rechtfertigen oder gar zu entschuldigen. Kapitalisten
weinen nicht. Ihnen fehlt die Fähigkeit zu trauern oder sich zu
schämen. Auf ihrer Wertetafel steht nicht Menschlichkeit, sondern
Profit."
Adolf Eduard Krista, Worbis
Schon wieder eine Krise dieses Systems! In Großbritannien steht zuerst
der Brexit und dann der Exit aus der Europäischen Union auf der
Tagesordnung. Die Fremdbestimmung durch das Brüsseler
Machtinstrumentarium unter deutscher Führung wurde von vielen Briten
abgelehnt. Ein erkämpftes Referendum war ihre Chance auf
Selbstbestimmung. In Deutschland gibt es diese demokratische
Möglichkeit nicht. So hat das Votum in England eine Situation
herbeigeführt, die dem Kampf um soziale Rechte und dem Ringen um die
Verhinderung eines Krieges neue Impulse geben könnte. "Bild" fragt
schon mal vorsorglich: "Was ist jetzt zu tun aus Liebe zu
Deutschland?"
Lenin hatte schon vor über 100 Jahren in seiner Schrift "Über die
Vereinigten Staaten von Europa" darauf verwiesen, daß ein solches
Gebilde unter kapitalistischen Verhältnissen entweder reaktionär sein
würde oder gar nicht zustande käme.
Karl Scheffsky, Schwerin
Mitten in Deutschland, in Thüringen, gibt es nun ausgerechnet mit
einem Ministerpräsidenten der Partei Die Linke eine Kraft, die
Geschichtsklitterung betreibt, den kapitalistischen Zeitgeist bedient,
die DDR als "Unrechtsstaat" verteufelt und obendrein den 17. Juni zum
Feiertag erklärt. Die Kapitalisten/Imperialisten werden das erfreut
zur Kenntnis nehmen, und CDU sowie SPD werden sich wundern, daß sie
von "links" überholt werden.
Die Wahrheit über die DDR wird aber deren Verleumder überleben.
Horst Jäkel, Potsdam
O Herr, du gibst das tägliche Brot,
natürlich nicht allen, doch uns
gibst du es reichlich.
Du segnest, o Herr, die Macht und das Geld,
du schufst es zu unserer Freude,
gib uns noch mehr.
Erhalte uns unsere Armen, o Herr,
du weißt, wie sehr wir sie brauchen,
weil sie für uns schuften.
Und schicke uns ruhig die Bettler, o Herr,
sie geben das schöne Gefühl
der milden Barmherzigkeit.
Und schicke uns einen prächtigen Krieg,
und segne unsere Waffen,
dir sei die Ehre - uns der Profit.
Doch last not least, Herr, segne uns,
damit nicht aus Versehen
auch uns trifft die Bombe.
Hildegard Matz (1972)
Brief an den Präsidenten der Russischen Föderation, Herrn Wladimir
Putin
Sehr geehrter Herr Putin!
Vor 75 Jahren überfiel das deutsche Naziregime die Sowjetunion und
brachte unendliches Leid über das sowjetische Volk.
Wir haben das nicht vergessen.
Um so mehr beschämt es uns, daß unsere derzeitige Regierung jedes
offizielle Gedenken verweigert.
Mit Sorge erfüllt uns die Feindseligkeit, mit der die westlichen
Regierungen Ihnen und Ihrem Volk zur Zeit begegnen.
Wir lehnen entschieden die Nato-Osterweiterung und den damit
verbundenen Wortbruch ab.
Sie sollen wissen, daß es unser tiefer Wunsch ist, mit Rußland in
friedlicher Nachbarschaft in einer multipolaren Welt zu leben.
Wir werden alles, was in unserer Macht steht, dafür tun, daß von
deutschem Boden nie wieder Krieg ausgeht.
Friede dem russischen Volk, Friede der Welt!
Elke Schuster, Berlin
Die Schauspielerin und Regisseurin Elke Schuster ("Berliner Compagnie e.V.") schrieb diesen Brief an Putin, nachdem in der Fernsehsendung "Panorama" vom 23. Juni in einem Beitrag ("Das Säbelrasseln zwischen NATO und Rußland") über die aktuellen westlichen Truppenbewegungen an der russischen Grenze berichtet worden war.
Hinweis
Margot Honecker ist am 17. April 1927 in Halle/Saale geboren, nicht am
27. April, wie es im RF 222 irrtümlich heißt.
*
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2016
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