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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1763: Wohnen darf keine Ware sein


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 10 - Oktober 2013
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Wohnen darf keine Ware sein

Von Paul B. Kleiser



Seit geraumer Zeit steigen die Mieten in den meisten Großstädten wieder, deutlich schneller als die Lebenshaltungskosten. Vielen Menschen, vor allem Familien, bleibt nur die Wahl, die Hälfte ihres Einkommens für eine oft viel zu kleine Wohnung auszugeben, oder aber ins Umland zu ziehen und lange Fahrtzeiten zur Arbeit in Kauf zu nehmen. Denn wer kann schon 15 Euro (in den Zentren 20 Euro und mehr) Kaltmiete pro Quadratmeter bezahlen, den Durchschnittspreis für Neuvermietungen in München? Andere Großstädte wie Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, Freiburg, Stuttgart usw. liegen nur wenig zurück. In mindestens zwanzig Städten liegen die Durchschnittsmieten ohne Nebenkosten bei über 8 Euro. In vielen Städten sind die Mieten seit 2008 um über 20% gestiegen.

Luxussanierungen für reiche Käufer verengen das Angebot an bezahlbarem Wohnraum zusätzlich. Durch die massive Binnenwanderung und die Zuwanderung aus den südeuropäischen Krisenländern verschärft sich die Wohnungssituation in vielen Großstädten weiter. Miethaie vermieten menschenunwürdige Löcher zu horrenden Preisen.


Drei Gründe für die Mietenexplosion

Welches sind die Gründe für die Explosion der Mieten in den urbanen Zentren? Bis in die 1980er Jahre wurde durch den sozialen Wohnungsbau die zu hohe Mietbelastung für relativ viele Menschen zumindest abgefedert. Doch binnen einer Generation sind von über sechs Millionen Sozialwohnungen gerade noch 2,1 Millionen übrig geblieben. Die übrigen sind aus der Mietpreisbindung gefallen. Auch die Zahl der geförderten neu gebauten Wohnungen fiel binnen zwanzig Jahren von 162.000 auf gerade mal 22.000. Der Staat gibt jährlich 17 Mrd. Euro für Wohngeld aus, die letztlich eine Subvention für eine Minderheit von Immobilienbesitzern darstellen.

Des weiteren hat die Privatisierungspolitik der vergangenen dreißig Jahre zum Verkauf von Hunderttausenden von Wohnungen an "Investoren" geführt, deren Ziel in aller Regel die Profitmaximierung ist. Viele Kommunen haben unter dem Druck klammer Kassen (und dem Beifall der neoliberalen Ideologen) ihre Wohnungsbestände versilbert, um die Haushaltsdefizite zu reduzieren. Dresden hat sich von 60.000 Wohnungen "getrennt". Post und Bahn besaßen mehrere hunderttausend Wohnungen, die bereits abgestoßen wurden oder noch werden sollen. Die Beinahe-Pleite der Bayerischen Landesbank hat dazu geführt, dass 32.000 Wohnungen für 2,5 Mrd. Euro an die Augsburger Patrizia AG verscherbelt wurden, die schon vorher ein auf 7,5 Mrd. Euro geschätztes Immobilienvermögen in diversen Großstädten "betreute". Hinzu kommt, dass die Kommunen zum Abbau von Defiziten häufig Bauland verkauften, womit sie ihre Interventionsmöglichkeiten in den Wohnungsbau reduzierten.

Aufgrund der Verkäufe der Öffentlichen Hand, der historisch niedrigen Zinsen und der Inflationsängste vieler Geldbesitzer und wegen der im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten noch niedrigen Immobilienpreisen hat sich in Deutschland ein Run auf gute Immobilien in Innenstadtlage entwickelt, deren Preis sich binnen zehn Jahren häufig verdoppelt hat. Immobilien werden als "langfristig sicheres Investment" angepriesen und verhökert. Es kommt zu Luxussanierungen und zur Verdrängung der MieterInnen aus ihren alten Wohnungen, die zudem nach der Umwandlung oft nur wenige Wochen im Jahr bewohnt werden. Das führt zum Prozess der "Gentrifizierung", also zur Verdrängung von weniger kaufkräftigen Menschen aus den Innenstadtbereichen in die Randgebiete oder das Umland.


Was muss sich ändern?

Die durchschnittlichen Produktionskosten für Wohnraum liegen gegenwärtig (Abschreibungen und Instandhaltung eingerechnet) bei höchstens fünf Euro. Entsprechend belaufen sich die Durchschnittsmieten außerhalb der Großstädte auch auf etwa 4 Euro je Quadratmeter. Wenn also der dreifache Mietzins verlangt wird, bedeutet das, dass die Besitzer von Grund und Boden, die Immobilieneigentümer und die finanzierenden Banken einen entsprechenden Reibach machen. Hier müssen die Kommunen das Recht bekommen, verbindliche Miethöchstgrenzen festzulegen und Luxussanierung durch Erhaltungssatzungen zu verhindern.

Die häufig aufgestellte Forderung nach Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus bleibt solange ein zahnloser Tiger, solang der Umwandlungsspekulation nicht der Boden entzogen wird. Der soziale Wohnungsbau muss mit öffentlichen Mitteln durchgeführt werden und darf nur durch den Staat, die Kommunen oder gemeinnützige oder genossenschaftliche Träger verwirklicht werden. Da die Grundstückpreise bis zu 50% der Immobilienpreise ausmachen, müssen Grund und Boden in kommunales Eigentum überführt werden. Die Erbpacht würde dann den Kommunen zusätzliche erhebliche und sichere Einnahmemöglichkeiten verschaffen. Nur so kann die gesetzliche Planungshoheit der Kommunen auch wirklich umgesetzt werden.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 10, 28. Jg., Oktober 2013, S. 13
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2013