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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1799: Südkoreanische Regierung auf Repressionskurs gegen Gewerkschaften


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 2 - Februar 2014
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

"Behinderung des Geschäftsbetriebs"
Südkoreanische Regierung auf Repressionskurs gegen Gewerkschaften

Von Jochen Gester



Die neue Ministerpräsidentin Südkoreas, Park Geun-hye, Tochter des Staatschefs zu Zeiten der Militärdiktatur, Park Chung-hee (1961-1979), hatte im Wahlkampf 2013 von "Demokratisierung der Wirtschaft" und von "Wohlfahrtspolitik für die Durchschnittsmenschen" gesprochen. Doch das war bloße Demagogie.


Die "innere Feinderklärung" und der Führungsstil Park Geun-hyes erinnern eher an die des Vaters. Die zu vergebenden Ämter wurden bevorzugt mit Militärs besetzt. Eines ihrer ersten Gesetze galt der Verschärfung der Strafen für leichte Gesetzesübertretungen. Wenn nun Bußgelder erhoben werden für "übermäßig freizügige" Bekleidung, kommen Erinnerungen aus den 70er Jahren hoch, als die Polizei auch die Haar- und Rocklänge der Bürgerinnen kontrollierte. Am stärksten jedoch spüren die Gewerkschaften den zunehmend autoritären Charakter der Staatsmacht.

Zunächst versuchte die Regierung, der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (KGEU) die offizielle Registrierung zu verweigern. Als nächstes traf es die Gewerkschaft der Lehrerinnen (KTU), die mit 140.000 Mitgliedern eine der größten gewerkschaftlichen Dachorganisationen ist. Auch ihr soll die offizielle Anerkennung entzogen werden, wenn sie sich nicht von 23 aktiven Funktionsträgern trennt, die sich in Kampagnen gegen den Geheimdienst und gegen faschistoide Inhalte in Schulbüchern engagierten und deshalb entlassen wurden.

Gegen diese Angriffe auf gewerkschaftliche Grundrechte protestierte auch die Internationale Arbeitsorganisation ILO, die sich lange für die Zulassung einer Gewerkschaft im öffentlichen Dienst eingesetzt hatte. Dies hielt die Regierung jedoch nicht davon ab, zum Jahresende 2013 den Konflikt zu eskalieren. Sie weigerte sich, mit der Gewerkschaft der Eisenbahner (KRWU) Gespräche über die von der Gewerkschaft befürchtete Privatisierung der Staatsbahnen aufzunehmen. Die KRWU rief ihre Mitglieder deshalb am 9. Dezember zum Streik auf.


Breite Solidarität

Die Park-Geun-hye-Regierung sah darin eine illegale Arbeitskampfmaßnahme und schickte nach drei Wochen die Polizei, die zu Hunderten das Hauptquartier der Gewerkschaft stürmte und 28 Haftbefehle mitbrachte. Das "Verbrechen" der KRWU: "Behinderung des Geschäftsbetriebs". Es gelang der Polizei, sechs führende Gewerkschaftsfunktionäre zu verhaften. Die anderen konnten sich dem Zugriff entziehen und untertauchen.

Auch das Bahnunternehmen kündigte Disziplinarmaßnahmen gegen die Streikenden an und erklärte, es werde gegen 490 Funktionsträger der KRWU gerichtlich vorgehen und Schadenersatzforderungen stellen. Hunderte Soldaten sollten für Streikbrecherarbeiten bereitstehen.

Dieser offene Angriff auf die koreanische Arbeiterbewegung, der Vorkämpferin und Geburtshelferin der Demokratie in diesem Land, blieb nicht ohne Antwort. Am 28. Dezember rief der Gewerkschaftsdachverband KCTU zu einem Generalstreik auf, der im ganzen Land große moralische und finanzielle Unterstützung fand. Viele verbreiteten den Slogan "Mir geht es nicht gut", um ihre offene Missbilligung der Regierungspolitik zum Ausdruck zu bringen. Über das Online-Portal "Labourstart" solidarisierten sich international 15.000 Menschen mit den demokratischen Gewerkschaften Südkoreas. Die Internationale Föderation der Transportarbeiter (ITF) rief zu einem Aktionstag auf, protestierte vor koreanischen Botschaften und schickte zwei Beobachter ins Land. Seoul sah am 28. Dezember die größte Demonstration der letzten Jahre. Nach Angaben der Veranstalter kamen 100.000 Menschen, um gegen die Bahnprivatisierung und für die Verteidigung der Gewerkschaftsrechte, aber auch gegen Wahlmanipulationen zu demonstrieren.

Diese Mobilisierung brachte die Regierung zum Einlenken. Am frühen Morgen des 30. Dezember einigten sich die beiden größten Parteien des Landes mit den Gewerkschaften darauf, einen Ausschuss ins Leben zu rufen, in dem gemeinsam über die Zukunft des Verkehrswesens beraten werden soll. Am 31. Dezember wurde überall die Arbeit wieder aufgenommen.

Doch scheint die Einigung nur eine Kampfpause zu sein. In einem Brief an die internationale Arbeiterbewegung betonte die Lehrergewerkschaft, die Verfolgung der Gewerkschaften sei damit nicht beendet. Die Regierung halte an ihrem Repressionskurs fest. Deshalb rief der Dachverband KCTU auch seine Verbände für den 4., 9. und 16. Januar zu weiteren landesweiten Arbeitsniederlegungen auf. Die Gewerkschaftsmitglieder anderer Länder wurden aufgefordert, die Aktionen durch Proteste vor koreanischen Botschaften zu unterstützen. Die Lehrergewerkschaft zeigt sich überzeugt, dass eine weltweite gewerkschaftliche Kooperation erfolgreich die Qualität des öffentlichen Verkehrswesens und die Gewerkschaftsrechte verteidigen kann.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 2, 29. Jg., Februar 2014, S. 8
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2014