SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 12 · Dezember 2017
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!
Katalonien vor den Neuwahlen
von Angela Klein
Die Entscheidung der Madrider Regierung, die katalanische Regierung abzusetzen und für den 21. Dezember Neuwahlen anzusetzen, verspricht keine Klärung der politischen Lage.
Wenn derzeit Wahlen in Katalonien wären, hätten die Anhänger
einer wie auch immer gearteten Unabhängigkeit weiterhin eine knappe
Mehrheit. Das folgt aus einer Umfrage, die unmittelbar nach der
Absetzung der katalanischen Regierung durchgeführt und von der
Tageszeitung El País veröffentlicht wurde.
Demnach sprechen sich 48,7 Prozent für einen unabhängigen Staat Katalonien aus - 7,6 Prozentpunkte mehr als noch im Juni dieses Jahres. 43,6 Prozent sind dagegen, 6 Prozentpunkte weniger als im Frühjahr.
Die bürgerliche Koalition Junts per Sí (PDCat + ERC) würde 60-63 Sitze gewinnen (von 135), hinzu kämen 8-9 Sitze für die antikapitalistische CUP. Beide zusammen hätten also im Parlament wieder eine knappe absolute Mehrheit.
Die neoliberale Partei Ciudadanos käme auf 25-26 Abgeordnete, die Sozialistische Partei Kataloniens (PSC) auf 17-19 Sitze, Catalunya Sí Que Es Pot (wozu auch Podemos gehört) würde mit 12-14 Sitzen leicht hinzugewinnen, die in Madrid regierende PP wäre Schlusslicht mit 11 Sitzen.
Auf die Frage, wie die Beziehungen zwischen Katalonien und dem Spanischen Staat gestaltet sein sollen, fielen die Antworten bei dieser Umfrage folgendermaßen aus:
- 40,2 Prozent wollen, dass Katalonien ein "unabhängiger Staat" wird;
- 27,3 Prozent wollen eine "Autonome Gemeinschaft im Rahmen des Spanischen Staates";
- 21,9 Prozent wollen einen "katalanischen Staat im Rahmen eines föderalen Spaniens";
- nur 4,6 Prozent sehen Katalonien als eine "Region".
Artikel 155, mit Hilfe dessen die Madrider Zentralregierung die gewählte katalanische Regierung abgesetzt hat, ist zum ersten Mal in der Nach-Franco-Zeit angewendet worden. Der Artikel 155 selbst ist unbestimmt, er besagt nur, dass die Regierung "die erforderlichen Maßnahmen ergreifen ... kann, um die Gemeinschaft zur zwangsweisen Erfüllung ihrer Verpflichtungen anzuhalten."
Das hat der Regierung freie Hand in der Wahl der Mittel gelassen, die sie gegen die katalanische Regierung anzuwenden gedachte. Fürs erste hat sie die gesamte katalanische Regierung abgesetzt, insgesamt 140 Mitglieder dieser Regierung ihres Amtes enthoben. Alle deren politische Vertretungen (mit Ausnahme der in Brüssel, aber einschließlich der in Madrid) sind aufgelöst. Die Mitglieder der Regierung wurden verhaftet, ihnen drohen - wie auch den Regierungsmitgliedern, die sich nach Brüssel abgesetzt haben, und dem gesamten Parlamentspräsidium - bis zu 30 Jahre Haft wegen Rebellion und Anmaßung von Staatsgewalt. Das Amt des Präsidenten und Vizepräsidenten der Generalität (der katalanischen Regierung) übt vorübergehend die Vizepräsidentin des Parlaments in Madrid aus, die Scharfmacherin Soraya Sáenz de Santamaría, aus. Unklar ist noch, ob auch alle Parlamentarier, die für die Unabhängigkeitserklärung gestimmt haben, vor Gericht gestellt werden. Dies käme, zumal vor den anstehenden Wahlen, einer Enthauptung der politischen Führung der Bewegung für das Recht auf Selbstbestimmung gleich.
Schon Wochen vorher hatte die Regierung in Madrid die Kontrolle über die Finanzen der katalanischen Regierung übernommen. Der katalanische Polizeichef wurde gefeuert, die katalanische Polizei unmittelbar dem spanischen Innenministerium unterstellt. Die angedrohte Übernahme der Kontrolle über das Bildungswesen und die Fernsehstationen ist bislang nicht erfolgt.
Die Sprecher der beiden zivilgesellschaftlichen Organisationen, ANC und Omnium, die dafür gesorgt haben, dass die Bevölkerung am 1. Oktober abstimmen konnte, sind als erste in Vorbeugehaft genommen worden, sie werden des Aufruhrs bezichtigt. Alle Prozesse sollen vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid stattfinden, nicht vor einem katalanischen Gericht.
Das letzte Mal wurden die franquistischen Putschisten unter der Führung des Oberstleutnants der Guardia Civil, Antonio Tejero, wegen Rebellion vor Gericht gestellt.
Nach Einschätzung revolutionärer Kräfte in Katalonien wäre das
Lager, das für die Unabhängigkeit ist, zerbrochen, hätte
Regierungschef Puigdemont die Unabhängigkeit nicht ausgerufen. Vor der
entsprechenden Erklärung am 27. Oktober hatte er die Idee ins Spiel
gebracht, Neuwahlen anzusetzen. Daraufhin sind zwei Abgeordnete aus
seiner Fraktion ausgetreten, und in seiner Partei, der PDCaT, gab es
eine Revolte. Er hatte die Durchführung dieser Wahlen - die auch
Madrid gefordert hatte - an die Bedingung geknüpft, dass die Drohung
mit Artikel 155 zurückgenommen werde. Das hat Madrid verweigert. Die
Mehrzahl der Bürgermeister in der Provinz hatte signalisiert, sie
würden aus der Partei austreten, wenn Puigdemont die Unabhängigkeit
nicht erklären würde.
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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 12, 32. Jg., Dezember 2017, S. 16
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2017
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