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VORWÄRTS/602: Die Reichen sollen die Krise zahlen!


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 33/34 vom 4. September 2009

Die Reichen sollen die Krise zahlen!

Von Tristan P. Dzikowski


Die Vögel pfeifen es von den Dächern: Die Krise dient den Herrschenden dazu, die Ausbeutungsbedingungen neu zu gestalten. Die Lohnfrage ist eine Machtfrage. Je maximaler die Profite, umso niedriger der Lohn, umso reicher die Reichen. Wir sagen NEIN!


Wir sind es leid, zu arbeiten um die Reichen reicher zu machen. Da die Wirtschaftsordnung der Herrschenden sich danach richtet, ihre Profite zu maximieren, anstatt unsere Bedürfnisse zu befriedigen, stehen in Zeiten der Krise unsere Arbeitsplätze wieder einmal auf dem Spiel.

Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen! Jeder von uns hat das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Dazu gehört vor allem ein sicherer Arbeitsplatz. Doch genau diesen verwehren uns die herrschenden Kreise samt ihrer Handlanger in Gestalt der etablierten Parteien. Deshalb gehen wir auf die Strasse und demonstrieren! Je mehr Kolleginnen und Kollegen mitmachen, umso besser! Die Reichen und ihre Verbündeten sollen sehen, dass sie sich nicht alles erlauben können! Inzwischen prognostizieren bürgerliche Wirtschaftsforscher für die Schweiz eine künftige Arbeitslosenquote von 6 Prozent (Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, KOF). 300.000 Menschen werden, so die Gewerkschaft Unia, nächstes Jahr auf Jobsuche sein. Die soziale Ausgrenzung in grossem Stil kann unmöglich das Ziel einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung des 21. Jahrhunderts sein!


Kritisch solidarisch

Die Gewerkschaft Unia ruft daher zur Demonstration auf, am 19. September in Bern unter dem Motto: "Arbeit, Lohn und Rente statt Profit und Gier". Das Motto leitet ein wenig in die Irre. Gäbe es keine Gier, hätten wir keine Probleme? Die Gewerkschaft spielt auf die angeblich "bösen Manager" an und folgt damit in ihren Anschauungen der Meinung der Bürgerlichen wie beispielsweise Angela Merkel in Deutschland und einiger Sozialdemokraten in der Schweiz. Anders als die Unia oder Teile der SP brauchen wir Lohnabhängigen aber keine Sündenböcke um zu begreifen, dass die Ökonomie der Reichen uns immer ärmer macht. Der Fehler liegt im System, besser: das System ist der Fehler, und nicht das Verhalten einzelner. Zudem: Die Forderungen der "Arbeitnehmervertretung" gehen nicht weit genug. Anstatt ein Kündigungsverbot in der Krise zu fordern oder die Wirksamkeit der Kündigung des so genannten Arbeitgebers vom Willen des Gekündigten abhängig zu machen, begnügt und akzeptiert die Gewerkschaft Kurzarbeit. Zitat: "Die Möglichkeiten für Kurzarbeit müssen verbessert werden". Die Unia akzeptiert damit, dass Menschen in die Kurzarbeit gezwungen werden und rechtfertigt dies vermutlich damit, dass dies besser sei, als seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Damit versucht die Gewerkschaft im System zu schwingen - und dies in letzter Konsequenz zu Lasten derer, die sie vorgibt zu vertreten: uns, die Lohnabhängigen. Trotzdem: Solidarität innerhalb der Arbeiterklasse ist in diesen Tagen wichtiger denn je. Daher sollten wir auch zur Unia solidarisch sein, wenn auch kritisch-solidarisch. So fordert die Unia ein "massives Investitionsprogramm" für den "ökologischen Umbau der Wirtschaft und den öffentlichen Verkehr". Das ist aus den USA abgekupfert und erinnert an den Obama-Kurs, wobei sich der neue US-Herrscher bisher nicht gerade als Befreier der Lohnabhängigen aus ihrem Joch der Ausbeutung hervorgetan hat. Solche Programme dienen nicht der Emanzipation der Arbeiterklasse, sondern umgekehrt der Perpetuierung der herrschenden Verhältnisse.

Anders sieht dies offenbar die Gewerkschaftsführung: Besagtes Programm würde "kurzfristig Arbeitsplätze schaffen" und "langfristig die Schweizer Wirtschaft stärken". Erstens: Investitionsprogramme kennen ein Anfang und ein Ende. Wie nachhaltig sind solche Arbeitsplätze? Zweitens: die Arbeiterschaft sollte kein Interesse daran haben, die kapitalistische Wirtschaft der Schweiz zu stärken. Nur ein Systemwechsel kann den Lohnabhängigen zu umfassenden Rechten verhelfen. Denn der wohlbekannte Mythos vom "Wohlstand für alle" (Ludwig Erhard) war schon immer eine Lüge.

Daher Ja zur Demo und Nein zu Investitionsprogrammen, die uns weiter zum ausbeutungswilligen Narren halten. Wenn die Reichen und ihre korrupten Polit-HandlangerInnen wie heute und seit Jahren unsere Kaufkraft weiter schwächen, dann enteignen sie uns Schritt für Schritt. Mit Zuzahlungen hier, Teuerungen dort, Kürzung der Rente um 39 Prozent, steigende Krankenkassenprämien um bis zu 20 Prozent - und die Löhne? Schon Karl Marx erkannte: "Die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Produktion geht dahin, den durchschnittlichen Lohnstandard nicht zu heben, sondern zu senken" (Lohn, Preis, Profit, MEW 16). Es ist, wie die Linke Sahra Wagenknecht meint: "Es gab selten ein System, das so wenige Profiteure und so viele Verlierer hatte wie der heutige Kapitalismus. Es gibt keinen Grund, sich mit ihm und in ihm einzurichten." Daher: kommt alle zur Demo! Am 19. September um 13:30 Uhr - Schützenmatte Bern!


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 33/34 - 65. Jahrgang - 4. September 2009, Seite 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2009