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VORWÄRTS/616: Durch Bahnreform steigt Gefahr des Sozial- und Sicherheitsdumpings


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 43/44 vom 13. Nov. 2009

"Ich bin auch ein Lohndrücker!"

Durch die Bahnreform 2 steigt die Gefahr des Sozial- und Sicherheitsdumpings. Mehrere Gewerkschaften im Kanton Zürich fordern gemeinsam einen Rahmen-Gesamtarbeitsvertrag für den öffentlichen Verkehr im Kanton Zürich.

Von Siro Torresan


Mit der Bahnreform 2 will der Bund im Personenbeförderungsgesetz eine Ausschreibungspflicht für den Busbereich einführen und auch die Ausschreibung von Bahnlinien ermöglichen. Unter dem Slogan "ZVV - Ich bin auch ein Lohndrücker!" haben am 5. November im Rahmen der der Jahresmedienkonferenz des Zürcher Gewerkschaftsbundes VertreterInnen von vpod, SEV und Gewerkschaft Kommunikation einen Rahmen-Gesamtarbeitsvertrag für den öffentlichen Verkehr im Kanton Zürich gefordert.


Die Risiken der Ausschreibung

Für die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV ist klar: "Ausschreibungen von Bahnlinien kommen nicht in Frage. Laut Edith Graf-Litscher, Gewerkschaftssekretärin SEV, macht die Ausschreibungspflicht im Busbereich "ökonomisch keinen Sinn" weil die Systemdienstleistungen (Haltestellen, Kundeninformationsstellen, Mobilitätszentralen) nur im "Verbund kosteneffizient und kundenfreundlich erbracht werden können". Die Gewerkschaftskollegin warnt generell vor den Risiken der Ausschreibungen: "Sozial- und Qualitätsdumping sind Gefahren, die den erhofften Nutzen bei Weitem übersteigen. Die Idee, Ausschreibungen führten immer automatisch zu besseren und billigeren Leistungen, ist in erster Linie ideologisch und in der Praxis auch nicht annähernd nachgewiesen", hält Graf-Litscher fest. In ihrer spannenden Ausführung weist sie auf die Folgen und Gefahren hin: "Was damit einhergeht, ist zum ersten einmal ein riesiger bürokratischer Aufwand für die ausschreibende Behörde (inklusive entsprechender Kosten) und zum zweiten relativ oft eine Benachteiligung bestehender einheimischer Verkehrsunternehmungen gegenüber neuen (ausländischen) Anbietern." Diese seien oft von Grossunternehmen gesteuert und sind daher rasch in der Lage, sehr schlanke Strukturen anzubieten. "Die Gefahr des Sozial- und Sicherheitsdumpings ist offensichtlich", bringt die Gewerkschafterin die Sache auf den Punkt.


Politikerinnen sollen sich einsetzen

Die Angestellten im öffentlichen Verkehr leisten viel. Die Arbeitsbedingungen in den Betrieben verschlechtern sich schleichend, während der Druck stetig zunimmt, noch flexibler und effizienter und damit kostengünstiger zu werden. Die Grenzen der Belastbarkeit sind nicht nur wegen der Zunahme von körperlichen Attacken auf die Angestellten erreicht. Vpod-Regionalsekretär Duri Beer warnt deshalb vor Sparübungen im öffentlichen Verkehr, die "auf Kosten des Personals und ihrer Arbeitsbedingungen stattfinden". Im Kanton Zürich gibt der Kantonsrat den Rahmenkredit für den Zürcher Verkehrsverbund vor. Innerhalb dieses Rahmens (für 2008/2009 sind dies über 700 Millionen) ist der von Regierungsrätin Rita Fuhrer präsidierte Verkehrsrat für die Geschäfts- und Haushaltsführung des Verkehrsverbundes verantwortlich.

Die Entscheide der betroffenen politischen Behörden sind für die Arbeitsbedingungen der Transportunternehmen im ZVV direkt wirksam. Für Beat Stettler von der Gewerkschaft Kommunikation muss sich daher auch die Politik für Mindestanforderungen bei den Arbeitsbedingungen und Löhnen einsetzen. Kollege Stettler hält fest: "Die Politik muss Voraussetzungen schaffen, damit sich die Lohnschere im Gebiet des ZVVs nicht noch weiter öffnet". Ein solcher Rahmen-GAV "ist der beste Schutz gegen Lohndumping" und Grundlage für eine funktionierende Sozialpartnerschaft, welche die künftigen Herausforderungen im öffentlichen Verkehr meistern kann.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 43/44 - 65. Jahrgang - 13. Nov. 2009, S. 6
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2009