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VORWÄRTS/762: Guatemala tickt rechts


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 35/36 vom 7. Oktober 2011

Guatemala tickt rechts

Von Michi Stegmaier


Nach der Wahl ist vor der Wahl. Zwar erreichte im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl keiner der Spitzenkandidaten das absolute Mehr, trotzdem zeichnet sich in Guatemala ein starker Rutsch nach rechts ab.


Das Ergebnis des konservativen Spitzenkandidats Otto Perez Molina von der "Patriotischen Partei" blieb mit 32 Prozent deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Umfragen vor dem ersten Urnengang hatten ihm ein weitaus besseres Resultat vorausgesagt. Dafür erhielt der Rechtspopulist Manuel Baldizon 20 Prozent der Stimmen.

Am 6. November wird in einer Stichwahl das Rennen um die Präsidentschaft nun unter den beiden Kandidaten Molina und Baldizon ausgemacht. Die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu, als Kandidatin einer linken Koalition und der Maya-Partei "Winaq", erreichte mit 2.8 Prozent der Stimmen ein besseres Ergebnis, als auf Grund der Wahlprognosen zu erwarten war. Angesichts der Tatsache, dass "Winaq" das Spektrum der indigenen Mayas repräsentiert, welche rund 40 Prozent der guatemaltekischen Bevölkerung ausmachen, bleibt aber viel Luft nach oben.


Mörderische Vergangenheit

Guatemala durchlebt eine bedenkliche Entwicklung. Mit Molina steht als aussichtsreichster Präsidentschaftskandidat ein Mann zur Wahl, der viel Blut an seinen Händen hat. Dem Ex-General und ehemaligen Chef des militärischen Geheimdienstes werden Kriegsverbrechen und Völkermord vorgeworfen. Von 1960 bis 1996 wütete in Guatemala ein brutaler Bürgerkrieg, dem zwischen 150.000 und 250.000 Menschen zum Opfer fielen. Paramilitärs und die Armee begingen damals rund 600 Massaker an der indigenen Landbevölkerung. So war Molina in der blutigsten Phase, den frühen 80er Jahren, Major in der Provinz Quiche, wo besonders viele Massaker und Gräueltaten an den Mayas begangen wurden. Doch auch der zweite Präsidentschaftskandidat, der rechte Unternehmer Miguel Baldizon, ist kein Kind von Traurigkeit. So werden ihm gute Kontakte zur Drogenmafia und dem organisierten Verbrechen nachgesagt.


Unregierbares Land

Im Parlament kam die "Patriotische Partei" zwar nur auf 26 Prozent, sie wurde damit trotzdem zur stärksten Partei, gefolgt von der bisherigen Regierungspartei UNE. Damit sieht sich Guatemala zum dritten Mal hintereinander mit sehr fragilen Machtverhältnissen konfrontiert: Die grossen Parteien blockieren sich gegenseitig und sabotieren den Reformprozess. Noch düsterer sieht es für die zaghaft begonnene Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit aus. Sorge bereitet vielen BeobachterInnen auch das gute Abschneiden der UCN. Viele führende Köpfe der UCN wurden wiederholt wegen Korruption angeklagt und ihnen werden ebenso enge Verbindungen zum organisierten Verbrechen nachgesagt. Positiv fiel die hohe Wahlbeteiligung auf. Rund 65 Prozent der eingeschriebenen WählerInnen traten den Weg zur Urne an, der höchste Prozentsatz seit Bestand der Demokratie in Guatemala. Der hohe Anteil von ungültigen und leeren Stimmzetteln lässt jedoch auf hohe Frustration über die politischen und sozialen Verhältnisse schliessen. Was bleibt, ist die Wahl zwischen einem Henker und einem Mafiosi. Armes Guatemala.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 35/36 2011 - 67. Jahrgang - 7. Oktober 2011, S. 9
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2011