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VORWÄRTS/764: Das vorherrschende Monopol der Zeitungen durchbrechen


vorwärts - die sozialistische Zeitung, Nr.37/38 vom 21. Oktober 2011

Das vorherrschende Monopol der Zeitungen durchbrechen

Von Johannes Supe


Mit der Berner Onlinezeitung entsteht eine lokale Alternative zum monopolartigen Berner Zeitungsmarkt. Der vorwärts sprach mit Willi Egloff (62) über das Projekt. Er ist langjähriges Mitglied der PdA Bern, Nationalratskandidat und Mitbegründer der Onlinezeitung.


VORWÄRTS: Willi, könntest du die Idee des Projekts Berner Onlinezeitung für uns zusammenfassen?

WILLI EGLOFF: Es gibt in Bern sehr viele Leute, die den starken Eindruck haben, dass die Berner Printmedien lokalpolitisch und im Bereich der Kultur bestenfalls selektiv berichten. Die Berner Onlinezeitung soll hier eine Lücke füllen und eine Alternative zur Hegemonie der vorherrschenden Zeitungen "Der Bund" und "Berner Zeitung" sein. Deren Monopol wollen wir durchbrechen.

VORWÄRTS: Wie ist es zu dem Projekt gekommen?

WILLI EGLOFF: Das Projekt ist gegen Ende 2010 entstanden. Dabei gab es zwei Ansatzpunkte. Der eine war die Berichterstattung über die lokale und parlamentarische Politik. Sie ist sehr einseitig und hat ein wachsendes Unbehagen hervorgebracht - aus dem der Ruf nach Alternativen entstand. Der andere Faktor ist der Stellenabbau bei "Der Bund". Durch diesen Stellenabbau ist der Kulturteil krass schlechter geworden. Als Folge der Übernahme durch die Tamedia wird der Kulturteil heute von Zürich aus dominiert. Es geht also darum, diese Malaise im Bereich der Berichterstattung über Kultur und lokale Politik zu beheben. Damals waren wir eine Kerngruppe aus zehn Leuten, darunter auch Christoph Stettler und ich aus der PdA. Dann haben wir angefangen, weiter Mitglieder zu suchen, insbesondere solche aus dem Kulturbereich und Personen, die technisch etwas von diesem Medium verstehen. Wir haben auch sehr schnell Mitglieder gefunden. Allerdings haben wir da den Zeitbedarf insofern unterschätzt, dass durch die neuen Leute auch neue Diskussionen entstanden. Die haben nicht einfach gesagt: "Das ist alles wunderbar und toll, was ihr gemacht habt", sondern haben eigene Ideen und Kritik eingebracht. Aber diese Diskussion hat dem Projekt gut getan. Heute ist das Projekt qualitativ viel weiter, als es das vor vier Monaten war.

VORWÄRTS: Noch ist die Berner Onlinezeitung nur in Planung. Was sind eure weiteren Schritte?

WILLI EGLOFF: Wir sind als kleine Gruppe gestartet und haben gesagt: "Wenn wir bis Ende Oktober 100 Leute finden, die je 500 Franken spenden, dann starten wir im Frühjahr 2012." Und bisher haben wir schon über 80 gefunden, die dazu bereit sind. Ebenso einige andere, die auch mitmachen wollen, aber keine 500 Franken spenden können. Ich bin auch sicher, dass wir in den kommenden zwei Wochen mehr als nur die restlichen zwanzig Personen finden werden. Dann werden wir den technischen Aufbau des Mediums an die Hand nehmen und anschliessend fünf bis sechs RedakteurInnen anstellen, für insgesamt 300 Stellenprozente.

Ich glaube auch, dass wir die von uns angestrebten 1.500 Abonnenten, die je 250 Franken im Jahr zahlen, erreichen werden. Ich bin davon überzeugt, sonst würde ich all dies nicht tun. Es gibt viele, die so wie wir empfinden und die deshalb bezahlen werden, obwohl sie es eigentlich für diese Onlinezeitung nicht müssten. Die Inhalte, also die Artikel, werden für jeden verfügbar sein, ob er oder sie bezahlt oder nicht. Aber insgesamt gibt es die Inhalte natürlich nur, wenn es genügend zahlende Mitglieder gibt. Und eben da bin ich zuversichtlich. Dass in Basel und Luzern ähnliche Projekte entstehen, zeigt ja auch, dass wir nicht losgelöst oder vereinzelt sind, sondern dass es hier ein grossflächiges Problem gibt.

VORWÄRTS: 500 Franken Spende, 250 Franken Mitgliederbeitrag für eine Onlinezeitung - das scheint sich eher an der "Mitte" der Gesellschaft als an ihren unteren Klassen zu orientieren. Ist da nicht die Befürchtung berechtigt, dass dies eine weitere Zeitung für die Mitte wird?

WILLI EGLOFF: Nun, die Beiträge werden sicher eher tendenziell von Menschen mit fester Anstellung und sicher auch nicht zu schlechter Bezahlung aufgebracht werden. Aber ich glaube, dass die Bezahlung einerseits und die Ausrichtung der Zeitung andererseits nicht so linear voneinander abhängen. Das Interesse, so ein Medium zu haben, ist einfach weit grösser, als es auf ein enges Medium für eine Schicht zu beschränken. Das wäre auch falsch. Die Onlinezeitung wird dort berichten, wo es brennt. Und hier in Bern sind das oftmals soziale Probleme. Diese werden also sicher einen grossen Platz einnehmen.

VORWÄRTS: In eurer Internetvorstellung findet sich ein Absatz, in dem es heisst, man sei "kritisch-parteiisch (aber nicht parteipolitisch)". Was ist darunter zu verstehen? Für wen seid ihr parteiisch?

WILLI EGLOFF: Das heisst, dass wir keine Parteizeitung im Sinne von Lenins "Was tun?" sind. Die Zeitung soll kein Parteiblatt werden. Was die Parteilichkeit angeht, so haben wir in Bern seit über zehn Jahren eine links-grüne Mehrheit, die konstant 60 Prozent hält. In diesem Sinn wird die Onlinezeitung eine Mehrheitszeitung für die Leute der Stadt Bern. Aber wir schliessen auch niemanden aus. Die Zeitung soll ein Diskussionsmedium werden. Es ist auch durchaus angedacht, dass diverse Links, etwa zum vorwärts, ihren Platz finden. Auch ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Berner Alternativradio RaBe geplant. Genau so ist die Vernetzung mit unterschiedlichen Blogs sehr gewünscht, allerdings haben wir noch keine konkreten Absprachen getroffen.

VORWÄRTS: Ebenfalls finden sich bei eurer Vorstellung viele Begriffe wie "Meinungsvielfalt", "breite Debatte", "breiter Kreis von politisch und kulturell interessierten Leuten". Siehst du die Gefahr, dass bei einer derartigen Vielfalt ein proletarischer Standpunkt untergeht oder kaum mehr eine Rolle spielt?

WILLI EGLOFF: Das Problem sehe ich nicht. Wer diesen Standpunkt vertreten haben will, wird ihn über eigene Beiträge oder in den Gremien oder durch Blogs einbringen können. Ich werde mich sicherlich auch daran beteiligen. Wir haben das Projekt in der PdA Bern in einer unserer Mitgliederversammlungen besprochen. Und alle, zumindest alle Anwesenden, empfanden es als sehr interessant und unterstützenswert.

VORWÄRTS: Könntest du uns einen Einblick in euer Redaktionsstatut gewähren?

WILLI EGLOFF: Das Redaktionsstatut ist noch nicht ausgearbeitet, also kann ich nicht viel dazu sagen. Allerdings orientieren wir uns am Berner Radio Rabe, was das Organisationsmodell, also auch die Unabhängigkeit der Redaktion, angeht. Und ich kann mit grosser Wahrscheinlichkeit, nein, ganz sicher und bestimmt sagen, dass im Redaktionsstatut der Ausschluss von Rassismus, Sexismus und Chauvinismus festgehalten werden wird.


Weitere Informationen auf: www.berneronlinemedien.ch


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 37/38/2011 - 67. Jahrgang - 21. Oktober 2011, S. 2
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2011