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VORWÄRTS/792: 17. Rosa-Luxemburg-Konferenz


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 03/04/2012 vom 27. Januar 2012

17. Rosa-Luxemburg-Konferenz

von Johannes Supe


Am 14. Januar fand in Berlin die "Rosa-Luxemburg-Konferenz" (RLK) statt. Ein illustres Treffen durchaus internationaler VertreterInnen eines links-alternativen bis kommunistischen Spektrums. Was in der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbeobachtet blieb, bringt der vorwärts.


Deutschland; Hartz-IV-Land; Land des bejubelten Sarrazin und eines weniger bejubelten, dafür aber staatlich geförderten Untergrundfaschismus. In Deutschland ist der Himmel grau. Da "wird laut gebrüllt, was Lüge ist. / Aber die Wahrheit / muss schweigen. / Ist es so?"

Ja. Und doch: In Deutschland fand ein Treffen letzter DemokratInnen statt. Es war die RLK in Berlin, nunmehr in der siebzehnten Runde. Im riesigen, gegen aussen komplett verspiegelten Urania-Gebäude fanden sich rund 1800 Menschen zusammen, diskutierten und besprachen die Anliegen linker und kommunistischer Politik. Wie das in Deutschland nun aber so ist: Sie wurden ignoriert oder verspottet; die "FAZ" liess es sich nicht nehmen, von einer "Art [kommunistischem] Kirchentag" zu schreiben - und schreibt damit immer noch mehr, als die meisten Zeitungen, denen die ganze Konferenz keine Spalte wert war. In Deutschland ist Demokratie eben keine Sache der Öffentlichkeit.


Kultur und Aktion

Dabei gab es mehr zu hören und zu sehen, als eine Zeitung irgendmöglich hätte schreiben können. In den neun Stunden der Konferenz gab es einen Nenner: "links, links, links, links!" Und doch ist die RLK eine Sache sicher nicht: trocken. Schon der Beginn war Bewegung, denn die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) hatte gleich am Anfang der Konferenz vor dem Eingang des Urania-Hauses einen Flashmob organisiert. "Morgensport gegen Faschismus" stand auf dem Programm. Daneben wurde ein Käfig aufgebaut: Ein Symbol für die lange Gefangenschaft der "Cuban Five".

Aber auch das offizielle Programm der RLK konnte überzeugen. Nach den ersten Vorträgen gab es ein ausgedehntes Kulturprogramm bis zum Abend. Da traten etwa Rolf Becker und Kai Degenhardt, der bekannte Liedermacher, auf. Den "Cuban Five" zu Ehren wurde ein Solidaritätskonzert gegeben, bei dem Lieder von Victor Jara (ein von Chiles Faschisten ermordeter Dichter) von Pablo Miró vorgetragen wurden. Was kann man von einem Kulturprogramm besseres sagen, als dass es sein Publikum begeisterte? Wohl wenig, und das darf gesagt werden: Die Zuschauenden fieberten im Urania-Saal sehr eifrig mit.

Abseits von Saal und Veranstaltung gab es Verköstigung und Bücher. Insbesondere letztere sind der Erwähnung wert, war doch die gesamte Halle mit ihnen vollgestopft und teils unpassierbar, da an Dutzenden Büchertischen Hunderte Werke von teils Tausend Menschen betrachtet wurden. Was weiter war, war die Möglichkeit, sich aktiv zu beteiligen. So durfte der oder die gewillte Teilnehmende am Stand der Solidaritätsgruppe um Abu-Jamal sich betätigen und kleine Schriftzüge für die Freiheit des eingesperrten Journalisten niederschreiben.


Internationale Konferenz

Bei alledem stand nicht allein Deutschland im Zentrum. Ein Vortrag aus Tunesien, vorgebracht vom engagierten Sami Ben Ghazi (Mitglied der "Kommunistischen Jugend Tunesien") klärte über die dort bestehenden Verhältnisse auf. Da kamen Dinge ans Licht, die man auch im Schweizer Land selten hört: Die Jugend von Tunesien kämpft noch immer um den Fortschritt, demonstrierte sogar am Tag der Konferenz selbst massenhaft um verbesserte Lebensbedingungen und einen wirklichen Systemwechsel. Die "Kommunistische Partei Tunesiens" kämpft für die Volksrepublik, die Gewerkschaften um ihre Linie: Seit dem Sturz Ben Alis entstanden neue Gewerkschaften, aber auch der Einfluss der Bürokratie auf sie wurde grösser.

Aus Brasilien berichtete der Verein der Landlosen über die neuesten Entwicklungen des Kapitalismus und seine verheerenden Auswirkungen auf die Bevölkerung; eine Solidaritätsgruppe für Mumia Abu-Jamal war die gesamte Zeit anwesend. Johanna Fernandez aus dessen Verteidigungsteam reiste extra für die Konferenz aus den Vereinigten Staaten an. Aus Kuba, aus Portugal gab es Referenten - an Interessantem mangelte es nicht, nur an Zeit.


Militarismus

Nun aber zu den deutschen Verhältnissen. Besonders zu nennen sind hier eine Podiumsdiskussion der SDAJ und die Abschlussdebatte.

Ein fünfköpfiges Podium aus SDAJ- und Linksjugend- sowie Schüler- und StudentenvertreterInnen behandelte das Thema der Militarisierung Deutschlands im Zuge der Strukturreform der Bundeswehr. Deutschland hat die Aufhebung der Wehrpflicht hinter sich. Dies ging (und geht aktuell) einher mit dem Umbau der Bundeswehr zur Berufsarmee. Eine gefährliche Tendenz, denn "es ist klar, dass das nicht passiert, um den jungen Menschen den Armeedienst zu ersparen, sondern um die Armee kriegsfähig zu machen. In den nächsten Jahren, und man darf vermuten Jahrzehnten, stehen wieder Auslandseinsätze an." Zumal die Aufhebung der Wehrpflicht den Gang der Armee in die Schulen verstärkt hat. "In der Realität der Schüler heisst das, dass sie immer öfter mit Vertretern der Armee konfrontiert werden, die durch Einsatzgeschichten und Jobversprechen für die Armee Werbung zu machen versuchen. [Deutschland hat] tatsächlich langsam amerikanische Verhältnisse." Wem die Militarisierung Deutschlands noch als Gerede weniger PazifistInnen erschien, dem darf gesagt werden, was hier gesagt wurde: "Es existieren bereits jetzt in Deutschland diskret arbeitende Komitees aus örtlichen Behörden, strategischen Unternehmen und Vertretern der Bundeswehr, die im Falle von Katastrophen - das ist immer die Ausrede -, Notzuständen oder Streiks [!!!] sofort eingreifen können."


Sozialismus oder Barbarei

Die letzten Worte des Abends gehörten der Frage "Sozialismus oder Barbarei - Welche Rolle spielt Die Linke?" Einige (linke) Prominenz sorgte für einen Saal, in dem die Leute letztlich gedrängt auf den Gängen standen: Jutta Ditfurth und Dietmar Dath, der stellvertretende Linkspartei-Chef Heinz Birnbaum und der Politikwissenschaftler Georg Fülberth (DKP) behandelten das Thema in zwei Stunden. Während Ditfurth zum "Rundumschlag gegen die Reformisten" und gegen "die Reform, dem Wort kann ich einfach nichts mehr abgewinnen" ausholte, wurde in der Linken ansonsten durchaus eine Kraft gesehen, "die gewisse Kreise abholen kann. Und darum geht es, denn die Zeit scheint jetzt reif, um Leute zu erreichen, aber wenn [nicht aufgepasst wird], dann kann sie auch leicht überreif, also faul werden", so Fülberth. Man wird das so stehen lassen können, muss aber die mahnenden Worte von Dath hinzurufen: "Was ich nicht, niemals wieder will, ist die Entwicklung einer Sozialdemokratie. Von Bernstein um 1900 bis zu Sarrazin heute."


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 03/04/2012 - 68. Jahrgang - 27. Januar 2012, S. 4
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-
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Probeabo: 4 Ausgaben gratis


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2012