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VORWÄRTS/898: Italien - Die nutzlose Wahl


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.05/06 vom 15. Februar 2013

Die nutzlose Wahl

Von Maurizio Coppola



Ende Februar 2013 finden in Italien vorgezogene Parlamentswahlen statt. Gewählt wird dadurch ein neuer Ministerpräsident, der den Technokraten Mario Monti ersetzen soll. Die Wahlkampagnen sind so langweilig wie schon lange nicht mehr und bestätigen vor allem eines: Durch die politischen Institutionen wird sich nichts ändern.


Die vorgezogenen Wahlen hätten den Übergang zur "dritten Republik" einleiten sollen, aber einmal mehr heben sie eine "Krise der Repräsentanz" hervor, wie sie Italien noch nie zuvor erlebt hat und die totale Unfähigkeit der parteiischen Gruppierungen zeigt, daraus einen Ausweg zu finden. Die von Monti eingeleitete Austeritätspolitik lässt die Lohhabhängigen Italiens bluten: Noch nie war der Steuerdruck so hoch, der Konsum ist auf das Niveau der 1960er Jahre gefallen, täglich werden Entlassungswellen bekannt gegeben.

In diesem Kontext ringen die politischen Parteien regelrecht nach Wählerschaft. Aus dem rechten Spektrum sind stets die gleichen Töne zu hören: Berlusconi präsentiert sich als alleiniger Retter des Landes, Mario Monti, der nach seinen technokratischen Erfahrungen nun auch eine politische Regierung aufbauen will, verspricht, den eingeschlagenen Kurs weiterzuführen - also die Lohnabhängigen weiterhin bluten zu lassen. Und wo steht die "Linke"?


Das Phänomen Grillo

Diese "Krise der Repräsentanz" stellt Italien vor unbekannte Phänomene wie das des Komikers Beppe Grillo und seinem "movimento 5 stelle" (Bewegung 5 Sterne). Die neue Partei weist stark populistische Züge auf, im Zentrum steht der alleinige und selbsternannte Leader Grillo. Zwar konnte sie in den Quartieren gewisse horizontale Entscheidungsstrukturen aufbauen, doch auch dieser Partei ist es nicht gelungen, schlechte Verwaltung und Korruption zu überwinden. Denn diese sind keine Anomalien in Zeiten der Krise, sondern vielmehr Kontinuitäten in einem politischen System, wie es sich in Italien seit der "zweiten Republik" Anfang der 1990er Jahre entwickelt hat. Und so konnte die Grillo-Partei auch dort, wo sie regionale Regierungsverantwortungen übernahm (in der Stadt Parma), keine Veränderungen herbeiführen.


Die demokratische Partei (PD)

Die PD ist die führende Partei um den Leader Bersani für die Übernahme der Regierung. Sie startet als Favoritin, ist aber genau so getroffen von der Krise, die das ganze politische Spektrum erfasst hat. In den Umfragen verliert sie immer mehr an Wählerstimmen. Sie scheut nicht davor zurück, sich propagandistisch auf die Seite der Lohnabhängigen zu stellen, beispielsweise mit der Forderung eines Grundeinkommens. Doch real zielt sie auf das "Vertrauen der Finanzmärkte" und hat noch einige VertreterInnen des italienischen Grosskapitals in ihre Ränge integriert. Zudem hat die PD auch schon die Zeit nach den Wahlen skizziert. In den sizilianischen Regionalwahlen hat sie nach dem Erfolg gleich eine Allianz geschmiedet mit den Mitteparteien. Es ist vorhersehbar, dass sich Bersani - nach einem Wahlsieg Ende Februar - gleich mit dem "Dritten Pol" um Mario Monti alliiert.


Der Linke Vendola?

Die "Linke Ökologie und Freiheit" (Sinistra Ecologia e Libertà) von Vendola behauptet einerseits, die tatsächliche Alternative zur Krisenpolitik von Monti zu sein, andererseits fungiert sie als Stütze der PD, die sich immer mehr zum Zentrum hin orientiert und die Kontinuität in Sachen Sparpolitik garantiert. Zudem hat sich Vendola als der François Hollande Italiens präsentiert - keine rosige Aussicht.


Desillusionierte Jugend

Die vorgezogenen Wahlen stellen also in keiner Weise den Beginn einer Veränderung dar. Im Gegenteil, vielmehr ist vorhersehbar, dass sowohl von links wie von rechts die herrschende Krisenpolitik, die von der technokratischen Regierung initiiert wurde, weitergeführt wird. Die Jugend in Italien ist heute der Überzeugung, dass mit der Rhetorik des "kleineren Übels" oder der "nützlichen Stimme" (voto utile) gebrochen werden muss. Die Veränderung wurzelt auch heute noch in den Strassen und auf den Plätzen, in der Notwendigkeit, Mobilisierungen aufzubauen, die auf Wiederaneignung, Gegenseitigkeit und Solidarität basieren. Und so wird Ende Februar in Italien wohl vor allem der Absentismus gewinnen.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 05/06 - 69. Jahrgang - 15. Februar 2013, S. 5
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2013