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VORWÄRTS/993: Auf nach Europa!


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 5/6 vom 14. Februar 2014

Auf nach Europa!

von Michi Stegmaier



Nicht nur in Lampedusa spielt sich eine menschliche Tragödie ab. Schon seit Wochen kommen die beiden spanischen Enklaven Melilla und Ceuta nicht mehr aus den Schlagzeilen. Seit Wochen versuchen Flüchtlinge mit kollektiver Wucht den Grenzzaun nach Europa zu stürmen - meist erfolglos und nicht Wenige bezahlen dafür mit ihrem Leben.


Trotz Winter und stürmischer See sind alleine in Italien diesen Januar über 2000 Flüchtlinge gestrandet. Und die Zahlen sprechen für sich. Im Jahre 2013 erreichten knapp 43.000 Bootsflüchtlinge Italien, dreimal so viele wie im Vorjahr und ein neuer Höchststand. Doch nicht nur an den Grenzen zu Italien bröckelt die Festung Europa zusehends, so gab es in den vergangenen Wochen gleich mehrere kollektive Versuche die beiden spanischen Enklaven in Marokko zu stürmen. Schon in den vergangenen Jahren gab es mehrere spektakuläre Aktionen, um den mit modernsten Überwachungstechnologien und besonders gefährlichem Sicherheitsdraht hochgerüsteten Grenzzaun zu überwinden. Immer wieder kam es dabei zu massivsten Menschenrechtsverletzungen und tödlichen Übergriffe durch die marokkanischen und spanischen Sicherheitskräfte. Beinahe täglich versuchen Flüchtlinge - vor allem aus Schwarzafrika - über Marokko nach Spanien zu gelangen. Dabei riskieren sie auf oft seeuntauglichen Booten die Überfahrt durch die mehrere dutzend Kilometer breite Strasse von Gibraltar oder sie versuchen, wie unlängst geschehen, die Grenze zu den spanischen Enklaven Melilla und Ceuta zu erstürmen.


Grenzschutz um jeden Preis

Bereits am 15. Januar versuchten 800 Flüchtlinge den sieben Meter hohen und elf Kilometer langen Grenzwall um Melilla kollektiv zu durchbrechen. Rund 60 gelang es europäischen Boden zu erreichen, wobei die meisten von ihnen aufgegriffen und von der Guardia Civil mit Gewalt nach Marokko zurückgeschafft wurden. "Die Immigranten werden einfach gefangen genommen und im Kofferraum von Fahrzeugen der Guarda Civil nach Marokko zurücktransportiert", beschwert sich José Palazon, Sprecher der Kinderschutzorganisation PRODEIN. Unter den Zurückgeschafften befinden sich oft auch Verletzte, auf die auf marokkanischer Seite paramilitärische Schlägertrupps warten. Zwar hat selbst das spanische Innenministerium diese Vorfälle in der Zwischenzeit bestätigt, doch der konservative Innenminister Fernandez Diaz bagatellisiert die ganze Geschichte als Einzelfall und im Normalfall würden sich Guarda Civil und die Polizei an die Gesetze halten. Glaubt man aber den Flüchtlingen, sollen sie nicht nur durch die Polizei misshandelt und ausgeraubt worden sein, sondern seitens der spanischen Polizei sollen am 15. Januar auch Schüsse gefallen sein und mindestens fünf Personen wurden dabei verletzt. Dies wurde indirekt durch die marokkanischen Behörden bestätigt.

Ein weiterer Grenzsturm fand am 5. Februar statt. Nach mehreren erfolglosen Versuchen zu Fuss, machten sich schliesslich etwa 400 Flüchtlinge schwimmend auf den Weg in die spanische Enklave Ceuta. Doch dieses Mal bezahlen mehrere Flüchtlinge ihren Wagemut mit dem Leben. Bei Redaktionsschluss sprach die marokkanische Menschenrechtsgruppe AMDH von mindestens 13 Ertrunkenen. Mehrere Menschen werden noch vermisst. Da es mittlerweile immer unmöglicher wird, auf legalem Weg nach Europa zu gelangen, sind die ImmigrantInnen gezwungen, ein immer höheres Risiko einzugehen. Das Massensterben im Mittelmeer geht auch im 2014 weiter.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 5/6/2014 - 70. Jahrgang - 14. Februar 2014, S. 5
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2014