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VORWÄRTS/1031: Arbeitskämpfe gegen Ausbeutung


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.25/26 vom 4. Juli 2014

Arbeitskämpfe gegen Ausbeutung

Von Maurizio Coppola



Die Arbeitslosenzahlen gehen zurück, die Wirtschaft wächst. In der Schweiz scheint die Krise endgültig überwunden zu sein. Doch auch hierzulande weisen Arbeitskonflikte darauf hin, dass dies in erster Linie durch eine intensivere AusbeutUng der ArbeiterInnen erfolgt.


Die Wirtschaftsnachrichten berichten nur über den Aufschwung, der in der Schweiz erlebt wird. Konflikte am Arbeitsplatz geraten kaum in die Schlagzeilen. Doch in den letzten Monaten scheint wieder eine Welle von Konflikten ausgebrochen zu sein, welche in erster Linie darauf hinweist, welche Instrumente die Unternehmen anwenden, um ihre Profite zu steigern, nämlich eine intensivere Ausbeutung der ArbeiterInnen. Die Krise drückt sich also in einem Zuviel an Arbeit und Überbelastung der ArbeiterInnen aus.

Am 16. Juni 2014 traten rund hundert Arbeiter der Tessiner Granitindustrie, unterstützt von den Gewerkschaften, in einen eintägigen Streik. Sie forderten, dass der vor zwei Jahren ausgelaufene kantonale Gesamtarbeitsvertrag (GAV) erneuert wird beziehungsweise dass sie dem Bau-LMV unterstellt werden, der ihnen neben materiellen Verbesserungen und regulierten Arbeitsbedingungen die Frühpension mit 60 Jahren garantieren würde. Doch der Tessiner ArbeitgeberInnenverband der Granitindustrie (AIGT) verweigert die Verhandlung eines neuen GAV und hat mit Entlassungen gedroht. Zudem wurde der Arbeitsbeginn für den Folgetag auf vier Uhr früh vorgezogen und private Sicherheitsleute zur Kontrolle der Baugruben eingesetzt. Inwiefern die Drohungen die Granitarbeiter in ihren Forderungen einschüchtern werden, wird sich noch zeigen müssen.


Streik gegen tiefe Löhne und Überstunden

Drei Tage vorher, am 13. Juni, begannen zwei Arbeiterinnen der privaten Spitex-Firma Primula AG einen Streik gegen die geltenden Regelungen zur Arbeits- und Ruhezeit, der Vergütung von Überstunden sowie gegen tiefe Löhne. Die Spitex-Arbeiten wie Pflege und Hauswirtschaft sind von Tag- und Nachteinsätzen geprägt, manchmal auch sieben und mehr Tage am Stück. Die Arbeiterinnen kamen regelmässig auf 360 Arbeitsstunden im Monat, dies zu einem Lohn von 3.500 Franken brutto. Und die geleisteten Überstunden wurden nicht ausbezahlt. Die Arbeiterinnen hatten sich an die Gewerkschaft Unia gewandt, welche den Konflikt sogleich zu "befrieden" versuchte, imdem sie eine GAV-Verhandlung forderte. Die Primula AG hat jedoch die Verhandlungen abgebrochen. Zurzeit sind noch keine Veränderungen erfolgt.

Ein weiterer wichtiger Arbeitskampf zeichnet sich bei der Post ab. Zurzeit laufen Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft syndicom und der Post für einen GAV. Dabei geht es um einen "Dach-GAV", der die Arbeitsbedingungen aller Bereiche der Post einheitlich regulieren sollte. Doch gegenüber den bis dahin geltenden Regelungen sind Verschlechterungen vorgesehen, besonders im Kündigungsschutz, bei den Zuschlägen für Wochenend- und Nachtarbeit und den Ferien. Gleichzeitig ist der Arbeitsdruck gestiegen, so beispielsweise beim Schalterpersonal und in den Briefzentren, wo vor allem MigrantInnen arbeiten. Zur Erinnerung: Die Post gehört mit über 60.000 ArbeiterInnen zu den grössten Unternehmen in der Schweiz.

Diese drei Arbeitskonflikte weisen gewisse Ähnlichkeiten auf, denn sie verliessen bis jetzt nie das gewerkschaftliche Korsett, was bedeutet, dass GAV-Verhandlungen als Hauptinstrument gesehen werden, um die steigende Ausbeutung zu bekämpfen. Doch angesichts der aktuellen Verhandlungsposition der Gewerkschaften ist es mehr als fraglich, ob die ArbeiterInnen ausschliesslich darauf zählen sollten, um in Zukunft nicht noch mehr und für weniger arbeiten zu müssen.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 25/26 - 70. Jahrgang - 4. Juli 2014, S. 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2014