vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 13/14 vom 10. April 2015
Wild West statt Heidiland
Von Thomas Schwendener
Nach der Aufkündigung der Euro-Untergrenze durch die Schweizer Nationalbank war klar, dass auf die ökonomischen TUrbulenzen politische Reaktionen folgen werden. Vor einigen Tagen haben nun CVP, FDP und SVP gemeinsam einen Katalog mit Massnahmen vorgelegt.
Nach den allenthalben eingeführten Lohnkürzungen und
Arbeitszeitverlängerungen in der Privatwirtschaft liegt nun ein erstes
Dokument des koordinierten politischen Angriffs vor, das eine direkte
Reaktion auf den sogenannten "Frankenschock" darstellt. Der
Forderungskatalog liest sich wie ein Lehrbuch in Sachen neoliberaler
Krisenideologie. Im Folgenden bloss ein paar Highlights:
Das alles ausführlich zu kommentieren, würde nach einer Sondernummer des vorwärts verlangen. Zusammenfassend kann man sagen, dass der Forderungskatalog alles beinhaltet, was die Segnungen der Krisenlösungsstrategie auf die ökonomischen Probleme der 70er für Europa bereit hielt: Privatisierungen profitabler Zweige, Flexibilisierung zu Gunsten des Kapitals, Deregulierungen wichtiger Marktbereiche, Abbau von Staatsausgaben mit den entsprechenden Kürzungen der öffentlichen Hand. Und garniert wird das ganze mit dem freundlichen Nationalismus des "freiwilligen Inländervorrangs.
Auf einen wichtigen Aspekt des Paketes lohnt es sich aber gesondert einzugehen. Etwas unscheinbar in der Mitte des Katalogs lässt sich eine Passage zum Arbeitsmarkt finden, der ganz gut aufzeigt, wohin der Weg der verfassenden Parteien führt. Sie fordern:
Man hätte sich die Krokodilstränen auch einfach sparen können, als man die Einwanderung für die ansässigen Proletarisierten begrenzen wollte, um sie vor dem Zustrom der Arbeitshungrigen aus dem EU-Raum zu beschützen. Jetzt steht erstmals die Rettung der Schweizer Nationalökonomie an. Und das geht nun mal bloss auf Kosten der Lohn- und Sozialstaatsabhängigen, die - auch wenn sie den Mehrwert überhaupt erst produzieren - unter dem Gesichtspunkt des nationalen Standorts bloss eine abhängige Grösse sind. Entscheidend ist der Profit, den das Schweizer Kapital einfahren und in die Produktion reinvestieren kann. Eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes mit Erleichterungen für das Kapital, wie das den InitiantInnen des Papiers vorschwebt, war noch immer ein probates Mittel zur Drückung des Lebensniveaus der Proletarisierten zugunsten der Profite des Kapitals.
Der Präsident der SP, Christian Levrat, wusste auf die Veröffentlichung des Papiers nichts Dümmeres zu sagen, als dass dies "unschweizerische Machtpolitik" sei. Auch dem haben die InitiantInnen des Papiers natürlich vorgegriffen und erklärt: "Swissness - überarbeiten, vereinfachen und entschlacken". Einen möglichen Weg dafür hat Deutschland vorgezeichnet, das mit den Hartz-Reformen - der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und dem Umbau des Sozialstaates - zum Exportweltmeister aufstieg und sich seither auf Kosten der Importländer halbwegs schadlos hält, während die Proletarisierten massive Einbussen hinnehmen mussten. Um so was ohne nennenswerte Widerstände auch in der Schweiz durchzusetzen, ist ein gesundes Nationalbewusstsein natürlich immer von Nutzen. Und dass eine starke Schweiz mit starker Identität von Nöten ist, darin sind sich im politischen Zirkus eigentlich alle einig. Es kommen wohl düstere Zeiten auf uns zu.
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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 13/14 - 71. Jahrgang - 10. April 2015, S. 4
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2015
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