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VORWÄRTS/1196: Zuerst das Fressen, dann die Moral


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 19/20 vom 20. Mai 2016

Zuerst das Fressen, dann die Moral

Von Michi Stegmaier


Während in Bahrain die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung anhält, empfängt die offizielle Schweiz den amtierenden König Hamad bin Isa Al Chalifa und gibt grünes Licht für weitere Rüstungsexporte In die Golfstaaten.


Scharfe Worte findet die armeekritische Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) für den offiziellen Empfang von Hamad bin Isa Al Chalifa, amtierender König von Bahrain, durch Bundesrat Schneider-Ammann in ihrem Communiqué vom 11. Mai. "Die Kollaboration mit einem Regime, welches Menschenrechte verletzt und am Jemen-Krieg beteiligt ist, lässt sich nicht mit der Schweizer Neutralität vereinen." Tatsächlich ist die Lage auch fünf Jahre nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung in Bahrain angespannt und explosiv. Saudische Truppen, internationale Söldnerbrigaden sowie eingeflogene und eingebürgerte Polizisten aus Pakistan, Bangladesch und anderen islamischen Ländern, sorgen nun im kleinen Inselstaat für Recht und Ordnung.

Ein Pseudostaat in grosser Abhängigkeit zu Saudi-Arabien. Ein Staat, wo die eine Hälfte der Bevölkerung entrechtete BilliglohnarbeiterInnen aus Asien und arabischen Ländern sind und die andere Hälfte zur religiösen Gemeinschaft der SchiitInnen gehört. So überrascht es wenig, dass auch fünf Jahre nach dem Aufstand die schiitische Mehrheit sozial und politisch diskriminiert und von politischen Schlüsselpositionen systematisch ausgegrenzt werden.


Schweizer Waffen, Schweizer Geld...

Und als der Aufstand - an dem sich damals auch viele SunnitInnen beteiligten - am 16. März 2011 mit militärischer Unterstützung durch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gewaltsam zerschlagen wurde, kamen auch Schweizer Mowag-Panzer zum Einsatz. Zudem beteiligt sich die bahrainische Armee aktuell am Angriffskrieg im Jemen. Also eigentlich Gründe genug für die offizielle Schweiz, sich auf die eigene Kriegsmaterialverordnung zu besinnen und die Schweizer Gesetze zu respektieren - sollte man zumindest meinen. Aber offenbar kommt einmal mehr das Fressen vor der Moral. So überrascht es nicht, dass das Regime in Bahrain grosse Mengen Kriegsmaterial von Schweizer HerstellerInnen bezieht. In den letzten zehn Jahren wurden Waffen und Munition im Wert von rund 44,4 Millionen Franken an das bahrainische Königshaus geliefert. In ein Land, wo die Meinungs- und Versammlungsfreiheit systematisch unterdrückt wird und Folter und Misshandlung in den Knästen und Polizeiposten alltäglich sind. Hunderte von Oppositionellen wurden seit Beginn der Proteste in unfairen Verfahren zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Und unter den bewilligten Waffenexporten befinden sich auch Schusswaffen und Munition, die insbesondere für Einsätze im Innern und zur Zerschlagung von Protesten eingesetzt werden. 2012 wurden zudem auch Bomben, Torpedos, Raketen und Marschflugkörper geliefert, zwischen 2006 und 2015 verkaufte die Schweiz Bahraih des Weiteren sogenannte Dual-Use-Güter im Wert von knapp 200 Millionen Franken.


Neue Rüstungsexporte bewilligt

Und erst Ende April 2016 bewilligte der Schweizer Bundesrat weitere Kriegsmateriallieferungen, unter anderem Ersatzteile für F5-Tiger Kampfjets, die gemäss Recherchen der NZZ auch im Jemen-Krieg eingesetzt werden. Für Josef Lang, langjähriges Vorstandsmitglied bei der GSoA, ist klar, dass das so nicht geht. "Mit ihren Waffenlieferungen nach Bahrain und dem damit zusammenhängenden Empfang dessen Königs macht sich die Schweiz zur Komplizin von Menschenrechtsverletzungen, Demokratieverweigerung und Kriegspolitik und verletzt die Neutralität. Die GSoA fordert den sofortigen und definitiven Stopp aller Waffenlieferungen nach Bahrain und in den ganzen Nahen und Mittleren Osten und den Verzicht auf einen offiziellen Empfang des Tyrannen von Bahrain."

Gekommen ist König Hamad bin Isa Al Chalifa aber trotzdem. Und wie so oft hinterlässt die offizielle Politik der Eidgenossenschaft einen derben Beigeschmack. Der Präsident der Ausserparlamentarischen Kommission spielt den Schockierten, es wird etwas mit dem Moralfinger rumgewedelt, während der König sich wohl gerade überlegt, wo er den verdammten Bankschliessfachschlüssel wieder verlegt hat, bevor es hinter verschlossenen Türen zum Festschmaus und den fetten Profiten übergeht.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 19/20 - 72. Jahrgang - 20. Mai 2016, S. 5
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
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vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-
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Probeabo: 4 Ausgaben gratis


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2016

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