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VORWÄRTS/1283: Schlechte Karten für Ungelernte


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 15/16 vom 12. Mai 2017

Schlechte Karten für Ungelernte

von Tarek Idri


Eine neue Studie zeigt, dass sich die Beschäftigungschancen von sogenannten Geringqualifzierten in der Schweiz in den letzten 20 Jahren deutlich verschlechtert haben. Der Anteil von Ungelernten sank zwar auf 15 Prozent, allerdings hat sich die Arbeitslosigkeit für sie verdreifacht.

Im Auftrag des Sozialdepartements Zürich hat die Universität Basel die Entwicklung der Beschäftigungschancen von Personen, die keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen, in der Schweiz untersucht. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildete die Beobachtung, dass die Arbeitslosigkeit unter den Ungelernten in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Noch bis in die 1980er Jahren hinein hatte der Bildungsstand der Beschäftigten keinen Einfluss auf das Ausmass ihrer Arbeitslosigkeit. Seitdem hat sich die Situation radikal verändert: 2000 lag die Arbeitslosenquote der Geringqualifizierten mehr als dreimal höher als jene der Erwerbspersonen mit einem höheren Bildungsabschluss.

Auch hat sich der Bildungsstand der Beschäftigten in der Schweiz in den letzten 45 Jahren stark verändert. Während 1970 40 Prozent keinen Berufsabschluss hatten, sind es im Jahr 2010 nur noch rund 15 Prozent der ArbeitnehmerInnen. Dafür stieg der Anteil Personen mit Hochschulabschluss von 5 auf 25 Prozent.

Mehr Dienstleistungsberufe

Grund für die schlechten Aussichten der Geringqualifizierten auf dem Arbeitsmarkt ist, dass die Unternehmen weniger niedrigqualifizierte Arbeitskräfte einstellen. Arbeitsstellen, die früher Ungelernte bekleideten, werden nun eher von Höherqualifizierten besetzt, gleichzeitig nimmt die Zahl der Berufe, die traditionell Ungelernte ausübten, ab. Es können auch zwei längerfristige Trendentwicklungen beobachtet werden, die alle imperialistischen Länder derzeit erfassen: Einerseits die wachsende Internationalisierung der Arbeitsteilung (Stichwort: Globalisierung, Offshoring), die dafür sorgt, dass immer mehr einfachere, repetitive Tätigkeiten in der Produktion in Niedriglohnländer abwandern. Andererseits die Veränderung durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, die eine steigende Nachfrage nach Höherqualifizierten zu Lasten von Un- und Angelernten auslöst.

Einen grossen Wandel machten die Berufsfelder durch, in denen Ungelernte Beschäftigung finden können. Früher arbeitete der grösste Anteil der Ungelernten in den Produktionsberufen, in der Industrie und im Gewerbe. Heute werden sie häufig im Gastgewerbe, im Verkauf, in der Reinigung und im Gesundheitswesen angestellt: 12 Prozent der ReinigerInnen und 7,5 Prozent der VerkäuferInnen sind ungelernt. Diese Verlagerung von der Industrie hin zu den Dienstleistungsberufen steht klar im Zusammenhang mit der Tertiarisierung der Wirtschaft in der Schweiz. Die Verlagerung hat auch Folgen auf den Lohn: Ungelernte konnten in der Produktion aufgrund des dortigen hohen Mechanisierungsgrades einen im Vergleich zu ihrer Qualifikation hohen Lohn verdienen. Die Löhne in den Dienstleistungsberufen hingegen sind für sie vergleichsweise tief.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 15/16/2017 - 73. Jahrgang - 12. Mai 2017, S. 5
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2017

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