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VORWÄRTS/1296: Finger weg von der Post!


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 21/22 vom 23. Juni 2017

Finger weg von der Post!

von Juliette Müller


In der Waadt hat sich ein Bündnis aus Syndicom, PdA und Zivilorganisationen gebildet, das den Abbau von Poststellen und die Entlassung der Postangestellten verhindern will. Mit Demonstrationen und Petitionen machen sie auf die düstere Entwicklung aufmerksam.


Die Post hat Anfang Juni ihre Vision des "Postnetzes der Zukunft" auch für die Kantone Waadt und Jura vorgestellt. Das Postnetz wird weiterentwickelt, ist in den Medienmitteilungen der Post zu lesen. Man strebe "bis 2020 ein Netz von mehr als 4000 Zugangsmöglichkeiten an", jubelt das Unternehmen. Hinter diesen hübschen PR-Formulierungen versteckt sich die Post hartnäckig, seit sie im Oktober vergangenen Jahres die Schliessung von 500 bis 600 Poststellen in der Schweiz ankündigte. Von 31 Poststellen, die es momentan im Jura gibt, sind nur 16, knapp die Hälfte, für die Zukunft, genauer "bis mindestens 2020", garantiert. Im Klartext: Für danach gibt es keine Garantie. Im Kanton Waadt sind 78 Filialen "bis mindestens 2020" garantiert, das sind 49 Poststellen weniger von den 127 aktuell bestehenden. Das Schicksal der Poststellen würde "in einer sorgfältigen Einzelfallprüfung" angegangen, versichert die Post. Als Kompensation würden fünf bis sieben "Zugangspunkte" im Jura und vierzehn im Waadt eingerichtet. Im Vordergrund stünde die Umsetzung von "Partnerfilialen" und bei der Netzentwicklung wende sie regionale Kriterien an, heisst es von der Post.


Scharfe Kritik

Von Seiten der jurassischen Regierung wird nicht versucht, mit schönen Phrasen Illusionen zu machen. Sie drückt ihr "Bedauern" und ihre "Beunruhigung" aus, besonders hinsichtlich der 17 Arbeitsstellen, die durch die Schliessung der Postfilialen im Kanton bedroht sind. Sie fordert die Post auf, alles zu unternehmen, um Entlassungen zu vermeiden. "Die Umstrukturierung der Post im Bereich der verschiedenen Dienstleistungen darf nicht als Vorwand dienen für eine Konzentration ihrer Aktivitäten in bestimmten Regionen des Landes und den fortschreitenden Rückzug aus bestimmten Kantonen", mahnt die jurassische Regierung.

Auch die Reaktion der Gewerkschaft Syndicom ist scharf. "Die Meldung (der Post) wurde nur eine Woche, nachdem der Nationalrat sich - mit 172 zu 13 Stimmen - gegen den aktuellen Abbau ausgesprochen hat, veröffentlicht. Das zeigt klar den Willen, das komplette Dienstleistungsangebot und ein gut entwickeltes Postnetz zu erhalten. Insofern scheint die Postleitung diese Entscheidung zu ignorieren", moniert die Gewerkschaft in einem Kommuniqué. Im Rahmen einer Pressekonferenz in Lausanne vor zwei Wochen hat der Syndicom-Sekretär Philippe Morerod vom waadtländischen Bündnis "Touche pas à ma poste" (Finger weg von meiner Post) ebenfalls scharfe Kritik geäussert, besonders am Abbau von Arbeitsplätzen. Zur Erinnerung: Die Post hat Ende 2016 bekannt gemacht, dass auf nationaler Ebene 1200 Angestellte von der "Restrukturierung" betroffen sind. Für den Kanton Waadt könnte dies 200 bis 250 Personen umfassen, meint Morerod. Er hält nichts von der Lösung der Post, die Filialen in Supermärkten eröffnen will. Diese würden dann eine Art Subunternehmen bilden und "vor allem der Kostenersparnis dienen", meint der Gewerkschafter. Er ist ebenfalls enttäuscht, dass sich die Waadtländer Regierung bisher nicht geäussert hat, obwohl "die Waadt stärker betroffen ist im Vergleich zu anderen Kantonen".


Gewinne und exorbitanter Lohn

Das Bündnis "Touche pas à ma poste", das vor Kurzem im Kanton Waadt gegründet wurde, umfasst die PdA Waadt, Syndicom und den Verein zur Verteidigung des Service public (Acidus). Es hat schon jetzt eine Reihe von Aktionen angekündigt wie einen symbolischen Marsch in Lausanne-West sowie Demonstrationen auf nationaler Ebene. Eine Interpellation, die verlangt, dass der Waadtländer Regierungsrat seine Absichten und Bemühungen in dieser Frage offenlegt, wurde vom PdA-Kantonsrat Marc Oran eingereicht. Und eine Petition, die von der PdA Waadt lanciert wurde, haben bereits 8000 Personen unterschrieben. Eine weitere Petition von Syndicom unter den Angestellten der Post konnte bereits 3500 Unterschriften zusammenbringen. "Wir haben zahlreiche empörte Rückmeldungen erhalten, die besonders kritisieren, dass Poststellen und Personal abgebaut werden, während die Post Gewinne macht und ihre Chefin einen exorbitanten Lohn erhält", berichtet der kantonale Parteisekretär der PdA Christophe Grand. Auch er kritisiert die Öffnung von Poststellen in privaten Geschäften. "Dort sind die Dienstleistungen qualitativ und quantitativ schlechter als in richtigen Postfilialen. Die Beschäftigten dort sind nicht genügend ausgebildet und schlecht bezahlt."


Die Post nicht sterben lassen

Das Bündnis fordert den sofortigen Stopp des Poststellen-Kahlschlags und die Respektierung der Bundesverfassung. Es fordert eine Poststelle pro 5000 EinwohnerInnen und nicht pro 20.000, wie es die Postführung will, die Weiterbeschäftigung des Personals und einen Postbetrieb im Sinne des Service public und nicht wie ein Privatunternehmen. "Wenn man die Post sterben lässt, werden die VertreterInnen einer neoliberalen Vision nicht zögern, das gleiche mit dem restlichen Service public zu machen", sagte Andrea Eggli von Acidus zum Schluss.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 21/22 - 73. Jahrgang - 23. Juni 2017, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77,
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vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-
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Probeabo: 4 Ausgaben gratis


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2017

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