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VORWÄRTS/1368: Streikwelle in Frankreich?


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 09/10 vom 15. März 2018

Streikwelle in Frankreich?

von Georg Polikeit


Der französische Staatspräsident Macron hat Ende Februar die Reform der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF angekündigt. Die Gewerkschaften laufen Sturm. Steht Frankreich vor einer neuen Protestwelle mit umfassenden Streiks der EisenbahnerInnen?


Der angeblich "weder rechts noch links" verortete, aber in der Praxis eindeutig neoliberalen Rezepten folgende Staatschef Macron, will nach der im vergangenen Jahr durchgezogenen Reform des Arbeitsrechts nun mit der Reform der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF einen weiteren, grossen Schritt beim "Umbau Frankreichs" im Sinne der von ihm anvisierten neoliberalen "Modernisierung" tun. Dass das französische Eisenbahnwesen reformbedürftig ist, wird auch von Gewerkschaften und Linksparteien nicht bestritten. Sie kritisieren seit Jahren, dass zu wenig Geld für die Reparatur und Modernisierung des maroden Schienennetzes und Wagenparks aufgewendet wird. Aber die SNCF-Reform der Regierung geht in die entgegengesetzte Richtung. Angeblich sind die französischen Staatseisenbahnen im Vergleich zu anderen EU-Staaten kostenmässig erheblich teurer, was zu einer immer höheren Verschuldung führe. Deshalb wird mit dem neuen "Eisenbahnpakt" vor allem eine "Steigerung der Produktivität" des Unternehmens durch noch stärkere Konzentration auf wirklich gewinnbringende Aktivitäten angestrebt, bei gleichzeitigen Sparmassnahmen in anderen Bereichen. Die Regierung folgt damit im Wesentlichen einem Bericht, den der frühere Air-France-Chef Spinetta als von der Regierung beauftragter "Experte" am 15. Februar vorgelegt hat.


Gewerkschaftliche Einheit

Die in der SNCF als "repräsentativ" anerkannten vier Gewerkschaftsbünde, nämlich (in der Reihenfolge ihrer Stärke) CGT, UNSA, SUD und CFDT, haben sich am 27. Februar zu einer Absprache über ihre Reaktion getroffen und übereinstimmend erklärt, dass sie das "Reformvorhaben" der Regierung mit den vom Regierungschef angekündigten Inhalten für absolut unakzeptabel halten. Angesichts der sehr unterschiedlichen Grundausrichtung der beteiligten vier Gewerkschaften - CGT und SUD stärker aktions- und kampforientiert, UNSA und CFDT eher auf sozialpartnerschaftliche Verhandlungen ausgerichtet - ist dies eine bemerkenswerte Bekundung der Übereinstimmung und gewerkschaftlichen Einheit.

Ob sie zum Streik aufrufen werden, wird wohl an einem weiteren Treffen am 15. März entschieden werden. Bis dahin soll bei den von der Regierung vorgeschlagenen "Konzertierungsgesprächen" festgestellt werden, ob die Regierung zu einem echten Dialog und Eingehen auf die gewerkschaftlichen Einwände bereit sein wird. "Wenn wir am 15. feststellen, dass die Regierung auf das Durchziehen per Kraftakt setzt, wird es zum Streik kommen", sagte der Vertreter der CGT nach dem Treffen. Neu ist, dass sich auch die VertreterInnen der "sozialpartnerschaftlich" ausgerichteten Gewerkschaften in ähnlicher Weise äusserten. "Wenn sich nichts bewegt, wird eine Streikankündigung übermittelt und das wird dann ein unbefristeter und harter Streik sein", erklärte Didier Aubert, der Generalsekretär der Eisenbahnergewerkschaft der CFDT.

Unabhängig vom Streikentscheid rufen CGT und SUD die EisenbahnerInnen inzwischen dazu auf, massiv an dem für den 24. März angesetzten "Aktionstag" des gesamten öffentlichen Dienstes teilzunehmen. Der wird sich landesweit in zahlreichen gewerkschaftlichen Kundgebungen und Demonstration ausdrücken. Er richtet sich in der Hauptsache gegen den von Macron/Philippe angekündigten Stellenabbau im öffentlichen Dienst um rund 120.000 Beschäftigte, das erneute Einfrieren des "Referenzpunktes" für die Festlegung der Höhe der Gehälter und die Einführung eines "Karenztages" im Krankheitsfall.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 09/10 - 74. Jahrgang - 15. März 2018, S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2018

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