vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 05/06 vom 21. Februar 2019
Es herrscht Wohnungsnot
von Fabian Perlini
An der Mitgliederversammlung der PdA Zürich vom 11. Februar wurde lebhaft darüber diskutiert, wie innerhalb des herrschenden kapitalistischen Systems bezahlbare Wohnungen ermöglicht werden können.
Eröffnet wurde der Abend mit einem Vortrag von Marco Medici.
Ausgehend von einem Blick in die Geschichte und auf den aktuellen
Wohnungsmarkt zeigte er notwendige und realistische Forderungen auf.
In den Debatten anlässlich der neuen Bundesverfassung, die im Jahr
2000 in Kraft trat, hatten die Bürgerlichen vehement abgelehnt, das
Recht auf Wohnen in der Bundesverfassung zu verankern. Stattdessen
begnügte man sich mit der Formulierung eines "Sozialziels". So heisst
es in Artikel 41: "Bund und Kantone setzen sich in Ergänzung zu
persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür ein, dass
Wohnungssuchende für sich und ihre Familie eine angemessene Wohnung zu
tragbaren Bedingungen finden können." Jedoch ist dies lediglich ein
nicht-einklagbares Sozialziel, sozusagen ein frommer Wunsch, wie
Medici klarstellt. Zudem entspricht dies nicht internationalen
Abmachungen: Im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte (UNO-Pakt I) vom 16. Dezember 1966 ist das Recht auf
eine "angemessene Unterbringung" festgehalten.
Dies ist jedoch ein schwacher Trost für die vielen Menschen, die verzweifelt eine Wohnung suchen. Gemäss offiziellen Berechnungen weist die Schweiz einen Leerwohnungsbestand von 1.62 Prozent auf. Erst unter 1.5 Prozent spricht das Gesetz von "Wohnungsmangel". Doch diese Zahlen sind trügerisch, wie Medici festhält, denn die leeren Wohnungen werden weit ausserhalb der Zentren gebaut und dort viel zu teuer. Verlässt man die gesamtschweizerische Ebene, sieht es gänzlich anders aus: Innerhalb des Kantons Zürich beträgt der Leerwohnungsbestand lediglich 0.99 Prozent, was nicht bloss als "Wohnungsmangel", sondern bereits als "Wohnungsnot" definiert ist. Innerhalb der Stadt Zürich beträgt der Leerwohnungsbestand sogar lediglich 0,20 Prozent. Es herrscht also eine eklatante Situation.
Um dieses Problem anzugehen, reiche es nicht, eine Mietzinsreduktion zu verlangen, wie Medici anhand ausführlicher Berechnungen darlegt. Könnten die Kapitalgeber keinen Profit mehr erwirtschaften, würden sie auch nicht mehr in Immobilien investieren. Was jedoch helfen würde, zeigt ein Blick in die Geschichte: Während des ersten Weltkriegs litt das Volk an der Verteuerung der Lebensmittel wie auch an der Erhöhung der Mietzinse. Entsprechend kam es zu Protesten, vor denen sich die Bourgeoisie fürchtete. Im Zweiten Weltkrieg wurden deshalb staatliche Lebensmittel- und Mietkontrollen eingeführt. Während man die ersteren nach dem Krieg rasch wieder aufhob, blieben die Mieten bis in die Siebzigerjahre unter Kontrolle. Heute ist es wieder an der Zeit, auf diese Kontrollen zurückzugreifen. Marco Medici stellte deshalb eine Reihe von Forderungen auf, für die es zu kämpfen gilt: Der Bau von günstigen Wohnungen muss gefördert werden. Genossenschaften und Gemeinden muss ein Vorkaufsrecht eingeräumt werden. Jede Mietzinserhöhung muss begründet und bewiesen und amtlich bewilligt werden. Auch für Kündigungen braucht es eine Bewilligung. Das wichtigste ist aber, wieder staatliche Preiskontrollen für Mieten einzuführen.
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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 05/06 - 75. Jahrgang - 21. Februar 2019, S. 2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2019
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