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Z/266: Marx, Engels und die Klimakrise


Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 119 - September 2019

Marx, Engels und die Klimakrise
"Kontrolle sozialer Produktion durch soziale Ein- und Vorsicht"

von André Leisewitz


Karl Marx hatte in seiner "Kritik des Gothaer Programms" (1875) der damaligen Arbeiterbewegung - und der heutigen Linken, soweit sie sich in der Tradition des Marxismus sieht - ins Stammbuch geschrieben, dass der gesellschaftliche Reichtum sich aus zwei Quellen speist - der menschlichen Arbeit und der Natur.[1] Deren Ausbeutung schon unter kapitalistischen Bedingungen Grenzen zu setzen war für ihn wie für Friedrich Engels ein Dauerthema. Die aktuellen Auseinandersetzungen um die Klimapolitik[2] geben Gelegenheit, sich Marx' und Engels' Sicht auf die gesellschaftlichen Naturverhältnisse, aber auch die wesentlichen Veränderungen in Erinnerung zu rufen, die sich seit ihrer Zeit in diesem Verhältnis mit der Dynamik der kapitalistischen Entwicklung vollzogen haben.[3]


Zwei Reichtumsquellen - Arbeit und Natur

Ohne Ausbeutung der lebendigen Arbeitskraft gibt es keinen Kapitalismus. Die Arbeitskraft der Lohnabhängigen ist für das Kapital der Lieferant von Mehrarbeit und Mehrwert. Die konkurrenzgetriebene Selbstverwertung des Kapitals beruht darauf, aus ihr ein Maximum an Mehrarbeit "aus[zu]pumpen".[4] Die Natur liefert dagegen eine - scheinbar unendliche - Fülle von Gebrauchswerten als Arbeitsgegenstände bzw. Arbeits- und Genussmittel.

Natürliche Stoffumsatzvermögen

Man kann sie als stoffliche "Ressourcen" oder "ökologische Dienstleistungen" auffassen, die so lange als "von der Natur gratis geschenkt",[5] als "Gratisproduktivkräfte" fungieren und angeeignet werden können, wie sie (scheinbar) unbegrenzt zur Verfügung stehen oder sich schnell regenerieren ("nachwachsen"). Hierzu gehören z.B. die Bodenfruchtbarkeit, Grundwasserbildung, die Selbstreinigungskraft von Gewässern, vorfindbare mineralische Lagerstätten aller Art usw., die als Quellen und "Senken" im Stoffwechselprozess des Menschen mit der Natur dienen. Ihnen allen liegen natürliche Stoffumsatzvermögen (Bildungs- wie Abbauvermögen physikalisch-chemischer und biologischer Natur) zugrunde. Diese Stoffumsatzvermögen haben in der Erdgeschichte Lagerstätten gebildet (z.B. seit dem Devon die Kohlelagerstätten), die nicht regenerativ sind. Fließgewässer oder die Atmosphäre können dagegen bestimmte Stoffe, die in sie eingetragen werden, in bestimmten Mengen und Zeiträumen abbauen, ohne selbst dauerhaften Schaden zu nehmen. Tropenwald wird durch punktuellen Wanderfeldbau nicht nachhaltig geschädigt, weil er kleine Rodungen rasch wieder bewalden kann; aber anders als mitteleuropäische Wälder, die auf tiefgründigeren Böden wachsen, verträgt der Tropenwald keine großflächigen Rodungen. Im Mittelmeerraum hat die Entwaldung weiträumig verkarstete, nur schwer wieder aufforstbare Böden hinterlassen. Bei natürlichen Ressourcen und Stoffumsatzvermögen sind also quantitative und (in den natürlichen Reaktionsgeschwindigkeiten der jeweiligen Prozesse begründete) zeitliche Begrenzungen ihrer Wirksamkeit und Kapazität zu beachten.

Lebendige Arbeitskraft

Dies gilt auch für die lebendige Arbeitskraft. Deren Ausbeutung folgte in der ersten Phase des industriellen Kapitalismus der "Raubbau"-Maxime, aus ihr möglichst schnell, kostengünstig und ohne Rücksicht auf ihre Regeneration so viel an Mehrarbeit "herauszupumpen", wie möglich.[6] Der Widerstand der frühen Arbeiterbewegung hat dem im Kampf um die gesetzliche Beschränkung der Arbeitszeit eine Grenze gesetzt, die Marx 1864 als den ersten Sieg der politischen Ökonomie der Arbeiterklasse bezeichnete.[7] Dieser markiert den Übergang zu einer "nachhaltigen" Ausbeutung, bei der das "Herauspumpen" der Mehrarbeit die Regenerations- und Reproduktionsfähigkeit der Arbeitskraft möglichst nicht überstrapazieren soll und bei der in die Qualifikation und Reproduktion der Arbeitskraft investiert wird - um sie wertvoller, "nachhaltig wirksamer" und damit produktiver zu machen: Übergang von der extensiven zur intensiven Ausbeutung, vom absoluten zum relativen Mehrwert. Das der Konkurrenz unterliegende Kapital kann diesen Übergang von sich aus nicht bewerkstelligen; es bedarf der Gegenwehr der Lohnabhängigen und der gesetzlichen, für alle Kapitalisten gleichen Regelung durch den Staat, der damit deren "allgemeine" Interessen wahrnimmt.[8]

"Nachhaltig" hat hier also einen Doppelsinn: Erhalt der Arbeitskraft einerseits und dauerhafte, ertragreichere Ausbeutung andererseits. Die Aufhebung der Ausbeutung ist dagegen nur um den Preis der Aufhebung des Ausbeutungs- und Klassenverhältnisses von Lohnarbeit und Kapital zu haben.


Marx und Engels über den gestörten Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde

Marx und Engels haben sehr ausführlich und sich dabei auf konkrete zeitgenössische Studien, Berichte und Debatten stützend den Raubbau an menschlicher Arbeitskraft und die Störung des Stoffwechsels zwischen Mensch und Erde als Momente der Entfaltung des kapitalistischen Reproduktionsprozesses analysiert.[9]

Raubbau

Im ersten Band des "Kapital" findet sich die oft zitierte Formulierung: "Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter."[10] Im dritten Band konstatiert Marx (unter Bezug auf Liebig) bei der Behandlung der kapitalistischen Bodenbewirtschaftung "einen unheilbaren Riß hervorrufen in dem Zusammenhang des gesellschaftlichen und durch die Naturgesetze des Lebens vorgeschriebnen Stoffwechsels", der entsteht, weil die Bodenfruchtbarkeit nicht wieder durch systematische Düngung etc. regeneriert wird. Als Ursache wird der zunehmende Gegensatz von Stadt und Land ausgemacht.[11] Engels weist 1872 deswegen dem Stadt-Land-Gegensatz - also der ökologischen Frage in damaliger Sicht - eine ähnliche Sprengkraft zu wie dem Antagonismus von Lohnarbeit und Kapital.[12]

Tendenz und Gegentendenz

Aber beide beobachten auch sehr genau die Entwicklung im gesellschaftlichen Naturverhältnis. Engels hatte in seiner "Lage der arbeitenden Klasse" 1845 u.a. die horrende Wasserverschmutzung durch Einleitung von Produktions- und häuslichen Abwässern in Manchester detailliert beschrieben. Im Vorwort zur englischen Ausgabe von 1892 konstatiert er mit Verweis auf den Bau von Kanalisation, "daß die schreiendsten Mißstände heute beseitigt oder doch weniger auffällig gemacht" seien.[13] Hier werden Tendenz und Gegentendenz registriert. Als Gegentendenz zur Störung des "Stoffwechsel[s] zwischen Mensch und Erde" benennt Marx den aus der kapitalistischen Vergesellschaftung erwachsenden Zwang, diesen Stoffwechsel "... systematisch als regelndes Gesetz der gesellschaftlichen Produktion herzustellen".[14] An anderer Stelle wird dies so ausgedrückt: "... die Beschränkung der Fabrikarbeit [war] diktiert durch dieselbe Notwendigkeit, welche den Guano auf die englischen Felder ausgoß. Dieselbe blinde Raubgier, die in dem einen Fall die Erde erschöpft, hatte in dem andren die Lebenskraft der Nation an der Wurzel ergriffen."[15]

Dimensionen der Naturzerstörung

Marx und Engels registrierten unterschiedliche Dimensionen und Formen der Störung des Stoffwechsels zwischen Gesellschaft und Natur. Aus der Umweltforschung ihrer Zeit kannten sie große überregionale Degradationen von Naturräumen - die Entwaldung und Verkarstung im Mittelmeerraum -, also die Folgen einer nichtregenerativen Naturnutzung. Bei der Gewässerverschmutzung hatten sie es mit lokalen Umweltzerstörungen zu tun, die jedoch zumindest teilweise durch Gewässerschutzmaßnahmen rückgängig zu machen waren. Das ließ sich z.B. an der Themse beobachten.[16] Die umfangreiche Lektüre zur Störung der Bodenfruchtbarkeit zog Marx in die zeitgenössische Auseinandersetzung um unterschiedliche naturwissenschaftliche Theorien zu deren Ursachen und zu den Möglichkeiten der Regeneration, was auch Gegenstand zahlreicher praktischer Agrarexperimente war.

Was bei Marx und Engels noch nicht am Horizont der zeitgenössischen Umweltforschung auftaucht, sind die mit der kapitalistischen Dynamik ungeheuer wachsenden Dimensionen der Natureingriffe und die daraus sich ergebenden Störungen der globalen Kreislaufsysteme,[17] die heute Gegenstand der ökologischen Erdsystemforschung sind. Im Konzept der "planetary boundaries"[18] werden z.B. die Grenzen der Belastbarkeit von wichtigen Natursystemen und Stoffumsatzvermögen der Biosphäre ("Ökosystemdienstleistungen") beschrieben, von deren Verfasstheit und Funktionsfähigkeit die heutige Zivilisation abhängig ist. Diese Natursysteme und Stoffumsatzvermögen können anhand bestimmter Messgrößen beschrieben (im Fall des Klimasystems ist ein zentraler Indikator die CO2-Konzentration in der Atmosphäre) und hinsichtlich ihrer Belastung geprüft werden.[19] Während das Klimasystem auf "Kipppunkte" zusteuert, bei deren Überschreitung kaum noch kontrollierbare Folgen befürchtet werden, ist ein relativ "einfaches" System wie die stratosphärische Ozonschicht durch massive politische Grenzsetzungen (Emissionsverbote für ozonschichtschädigende Substanzen und deren Substitution durch weniger problematische Stoffe; "Montreal-Protokoll") weitgehend regenerierbar, wenn auch in langen Fristen.

Die Hinderung des Kapitals an schrankenloser Ausbeutung der lebendigen Arbeitskraft war das Resultat eines Kampfes zwischen Lohnarbeit und Kapital auf nationaler, ja auf Branchenebene. Die globalen Dimensionen der heutigen Umweltkrise verkomplizieren nicht nur die Interessenlagen jener Kräfte, die dem Kapital auf diesem Feld eine Grenze setzen könnten, sondern verdoppeln auch die Ebenen, auf denen die Auseinandersetzung geführt werden muss - im nationalen Rahmen wie auf der internationalen Ebene zwischenstaatlicher Verhandlungen. Dies schließt nicht nur die Konkurrenzbeziehungen zwischen den entwickelten kapitalistischen Ländern und ihren Monopolen ein, sondern ebenso das Verhältnis zwischen armen und Schwellenländern und ihren Bedürfnissen "nachholender" Entwicklung und den kapitalistischen Metropolen. Gleichzeitig hat die kapitalistische Dynamik, besonders nach 1945,[20] zu einer ungeahnten Ausweitung des individuellen Konsums in den entwickelten kapitalistischen Ländern geführt. Dies galt, wenn auch mit anderen Akzentuierungen, auch für die sozialistischen Länder. Die damit verbundene Lebensweise ("Konsumismus") ist so wenig "nachhaltig" wie die Produktionsweise selbst, an die sie die Menschen bindet.[21]


Klimakrise und Klimapolitik

Etwa 60 Jahre nach den Forschungen von Svante Arrhenius berechnete Gilbert Plass 1956 erstmals die bei steigender atmosphärischer CO2-Konzentration zu erwartende Erderwärmung. Er konstatierte, dass der anthropogene CO2-Input in die Atmosphäre aus fossilen Brennstoffen, Entwaldung, Bodenbearbeitung u.a.m. alle natürlichen Veränderungen der atmosphärischen CO2-Konzentration bereits um mehrere Größenordnungen überstieg und damit die globale CO2-Bilanz nachhaltig veränderte. Für das Jahr 2000 nahm er (bei einem CO2-Konzentrationanstieg um 30 Prozent) eine globale Erwärmung von etwas über einem Grad Celsius an.[22]

Vor nunmehr vierzig Jahren, auf der Ersten Weltklimakonferenz der WMO in Genf 1979, wurde aus dem damaligen Stand der Wissenschaft die dringende Warnung vor langfristigen anthropogenen Veränderungen des globalen Klimas und damit politischer Handlungsbedarf abgeleitet.[23] 1988 forderte eine Folgekonferenz der WMO ("World Conference on the Changing Atmosphere") in Toronto die Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2005 um 20 Prozent und bis 2050 um die Hälfte gegenüber 1988. Der im gleichen Jahr von WMO und UNEP gegründete IPCC ("Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen") veröffentlichte 1990 seinen ersten Bericht.

Seit der auf der Rio-Konferenz von 1992 beschlossenen Klimarahmenkonvention (UNFCCC), also seit mehr als einem Vierteljahrhundert, liegt ein völkerrechtlich verbindliches Ziel der internationalen Staatengemeinschaft (158 Vertragsstaaten) vor, einen gefährlichen Eingriff der heutigen Gesellschaften in das Klima- und Erdsystem zu verhindern. Schließlich gelang es mit dem Kyoto-Protokoll von 1997 fünf Jahre nach Rio, verpflichtende Reduktionsziele für die entwickelten kapitalistischen Länder für 2008-2012 festzuschreiben (sog Annex B-Länder). Schwellenländer bzw. industriell schwach entwickelte Länder (incl. VR China, Indien, Brasilien) blieben auf Grund ihrer geringen pro Kopf-Emissionen (und ihrer vergleichsweise sehr niedrigen historischen Emissionen) hiervon ausgenommen.

Die Reduktionsverpflichtungen waren in den einzelnen Ländern sofort umstritten. Die USA hatten das Kyoto-Protokoll zwar unterschrieben, doch lag zu diesem Zeitpunkt bereits 1997 ein einstimmiger Beschluss des US-Senats vor, kein Protokoll zu ratifizieren, das die Schwellen- und Entwicklungsländer (wobei es wohl insbesondere um den aufkommenden Rivalen China ging) von Reduktionsverpflichtungen ausnehmen oder der US-Wirtschaft "schwerwiegenden Schaden" zufügen würde - "America first" war auch damals schon die zentrale Maxime. Insofern war die Unterschrift nichts wert; 2001 zogen die USA sie offiziell zurück. Paradoxerweise hatte das aber zumindest kurzfristig eine gewisse befreiende Wirkung für den internationalen Verhandlungsprozess, weil der gewichtigste Bremser nicht mehr am Tisch saß und den anderen klar war, dass ein weiteres Scheitern das Ende der internationalen Klimapolitik bedeuten würde.[24]

Das Protokoll trat erst 2005 (nach dem Beitritt Russlands) in Kraft. 2006 begannen die Verhandlungen über die Nach-Kyoto-Phase ab 2012. Kanada, das das Kyoto-Protokoll ratifiziert hatte, verließ 2011 vorzeitig das Abkommen: es sei wettbewerbsschädigend.[25] Im gleichen Jahr teilten Japan und Russland mit, keiner Verlängerung des Kyoto- Protokolls zuzustimmen. Die Verhandlungen zogen sich über sechs Jahre hin, bis schließlich 2012 (Doha) zumindest grundsätzlich die Verlängerung des Kyoto-Protokolls beschlossen wurde. Paris (2015) brachte zwar die überraschende Einigung auf das 1,5°C-Ziel, aber keine konkreten Umsetzungsbeschlüsse. Die USA klinkten sich 2017 komplett aus.

Der gesamte Verhandlungsprozess offenbarte ein höchst kompliziertes Interessengeflecht. Die entscheidenden Achsen bei den Klimaverhandlungen ergaben sich aus den jeweiligen innergesellschaftlichen Auseinandersetzungen und aus der Formulierung der "nationalen" Interessen in der Konkurrenz zwischen imperial-dominierenden Ländern und aufstrebenden Schwellen- sowie den ärmeren Ländern.

Die Optionen der USA und Kanadas wie auch Russlands und Japans gegen das Kyoto-Protokoll bzw. dessen Verlängerung zeigten, dass die Haltungen der Länder in hohem Maße von den jeweiligen privatkapitalistischen/monopolistischen Unternehmensinteressen bestimmt wurden, die staatlich geschützt werden sollten. Auch in den anderen entwickelten kapitalistischen Ländern ( z.B. den EU-Mitgliedsländern) opponierten entscheidende Teile der Wirtschaft. In der BRD lehnte z.B. der BDI (Bundesverband der deutschen Industrie) das Kyoto-Protokoll ab, das er als gescheitert, zu teuer und industriefeindlich bezeichnete und gegen dessen Verlängerung er sich aussprach.[26] Die starke Stellung der exportorientierten Großkonzerne der Auto-, Chemie-, Elektroindustrie und der mit ihnen verbundenen und von ihnen abhängigen Zulieferindustrien garantierten ihnen entsprechenden Einfluss auf die Bundesregierung.

Entscheidend blieb überall der politische Vermittlungsprozess, das jeweilige nationale Kräfteverhältnis zwischen Befürwortern und Gegnern entsprechender supranationaler Regulationen, das sowohl die öffentliche Meinung wie die Entscheidungsfindungen innerhalb der politischen Apparate bestimmte. Deutlich zeigten sich dabei auch die Auswirkungen von Konjunktur und Krise. Das Scheitern der Kopenhagener Konferenz 2009, bei der (entgegen der Planung) kein Beschluss zu einer Nachfolgeregelung für Kyoto gefasst wurde, stand ganz unter dem Eindruck der Weltfinanz- und Wirtschaftskrise. Rio hatte 1992 noch große Erwartungen geweckt, aber die Umwelt- und Klimabilanz der Periode des entfesselten Kapitalismus ist, wie die zitierten Bilanzen des Weltklima- und Weltbiodiversitätsrates von 2018 und 2019 zeigen, verheerend.


Klimapolitik als aktuelles Konflikt- und Kampffeld

Die Klima- und Umweltkrise ist wieder zu einem zentralen Thema der medialen Berichterstattung, der öffentlichen Aufmerksamkeit und der politischen Auseinandersetzung geworden. 2015 bis 2018 waren die seit Beginn der globalen Wetteraufzeichnungen heißesten Jahre. Auf der kommunalen Ebene wird Alarm geschlagen (Ausrufung des "Klimanotstands"), weil sich hier dem Klimawandel zugeschriebene Schäden zeigen und Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen.[27] Offenbar sind es die subjektive Erfahrbarkeit des Klimawandels einerseits und die Betroffenheit durch Maßnahmen des Klimaschutzes andererseits, die dazu beitragen, dass dessen Brisanz öffentlich stärker wahrgenommen wird.

Dies zeigt sich auch in den Protestbewegungen, die sich in nationale klimapolitische Maßnahmen einschalten - in Frankreich die Gelbwesten, die auf eine die unteren sozialen Schichten belastende CO2-Bepreisung reagierten, in Deutschland die Kohleausstiegsbewegung (u.a. "Ende Gelände", Hambach) - bzw. den klimapolitischen Stillstand skandalisieren: weltweit die Jugendbewegung "Fridays for Future"(FFF), die den etablierten Parteien Beine macht. Die in sich vielschichtige Klimabewegung beginnt - gezwungenermaßen durch die realen Verhältnisse -, auch über die Rolle des Großkapitals (wie Energie- und Automobilkonzerne, Banken) als Verursacher der Klimakrise nachzudenken, vor deren Zentralen sie demonstriert und nach politischen Interventionen verlangt. Politische Regulierung, Planung, Steuerung werden mit der Klimakrise zwangsläufig zu Themen und damit auch Grundstrukturen der Macht- und Eigentumsverhältnisse.[28]

Koalitionen und Kräfteverhältnisse - wer gegen wen?

Niemand kann derzeit die Frage definitiv beantworten, ob sich soziale Koalitionen und Kräfteverhältnisse herausbilden können, die in der Lage sind, in der Umwelt- und Klimapolitik den Kurswechsel zu erzwingen, der erforderlich ist, um die Klimaziele einzuhalten, wie sie in Paris beschlossen wurden. Gegenwärtig sieht es nicht danach aus. Die zumeist auf unverbindlichen Kabinettsbeschlüssen beruhenden Klimaschutzziele der Bundesregierung ("Klimaschutzplan 2050") werden mit den bisherigen Maßnahmen nicht erreicht werden. Der IPCC hatte in seinem Sondergutachten von 2018 in einem "Budget-Ansatz" abgeschätzt, wieviel Treibhausgase global noch emittiert werden dürfen, wenn der Pariser Erwärmungskorridor zwischen 1,5 und 2° C nicht überschritten werden soll.[29] Bricht man diese Größenordnungen auf die BRD herunter (z.B. entsprechend ihrem 1,1 Prozent-Anteil an der Weltbevölkerung), ergibt sich ein "Restbudget" an erlaubten Emissionen, das weitaus kleiner ist als die zukünftigen Emissionsmengen, mit denen die Bundesregierung in ihrem bisherigen "Klimaschutzplan" rechnet.[30] Zwar haben sich in den letzten Jahrzehnten Wirtschaftswachstum, Energieverbrauch und Emissionen "entkoppelt", aber die unerbittliche Konkurrenz der Einzelkapitale und der Wachstumszwang konterkarieren sämtliche Effizienzgewinne und bremsen die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen aus.

Wenn im widersprüchlichen Verhältnis zwischen der Produktions- und Aneignungsweise und ihrer Naturbasis - ein Widerspruch, der, nebenbei gesagt, auch in einem zukünftigen, auf gesellschafllichem Eigentum beruhenden Sozialismus keineswegs aufgehoben, sondern nur in eine neue, natur- und menschenverträglichere und für die Gesellschaft leichter zu steuernde Bewegungsform gebracht werden kann - schon heute, unter kapitalistischen Bedingungen, ein "nachträglicheres", naturschonenderes Verhältnis durchgesetzt werden soll, setzt das im ersten Schritt gesellschaftlichen Zwang gegenüber den Einzelkapitalien voraus. Dieser Zwang kann im Endeffekt nur in staatlich-gesetzliche Maßnahmen bestehen, die durch soziale und politische Bewegungen erzwungen werden. Diese Maßnahmen müssen heute, angesichts der Eingriffe in die globalen Stoffkreisläufe mit ihren alle Grenzen überschreitenden Rückwirkungen auf jeden Fleck der Erde, international koordiniert sein.

Dass dies auch unter kapitalistischen Verhältnissen möglich und notwendig ist, kann der Rückblick auf die Kämpfe um Arbeitszeitverkürzung zeigen: Diese Kämpfe konnten sich auf zwei grundlegende Interessen stützen: das Interesse der Lohnabhängigen an erträglicheren Arbeitsbedingungen und das Interesse der Unternehmer am Erhalt ihrer Existenzbasis, der Lohnarbeitskraft. Dass dies, wie Rosa Luxemburg konstatierte, ein jahrzehntelanger zäher Kampf mit den Einzelkapitalisten auf der Ebene einzelner Branchen war,[31] verweist nur darauf, dass das Kapital bei einer solche Regelung schon an seine eigenen Grenzen stößt und sie nicht "aus sich heraus" zustande bringen kann. Dass entsprechende Maßnahmen möglich waren, verweist andererseits darauf, dass der Kapitalismus eine antagonistische Gesellschaft ist, eine Gesellschaft, in der die Logik des Kapitals nicht unilinear herrscht, sondern Gegenwehr und die Einschränkung kapitalistischer Willkür möglich sind - trotz der asymmetrischen Machtverhältnisse, die diese Gesellschaft charakterisieren. Das gilt auch mit Blick auf die Naturfrage. Hier über die einzelkapitalistischen "Lösungsvorstellungen" hinaus eigenständige, an den Mehrheitsinteressen der Lohnabhängigen orientierte Alternativen für Energieversorgung, Mobilität, Regionalstrukturentwicklung, Wohnen, Ernährung und Nahrungsmittelerzeugung usw. zu entwickeln und im außerparlamentarischen Raum dafür agierende Bewegungen zu fördern, ist eine genuine Aufgabe der Linken in einer geschichtlichen Phase, in der der Widerspruch von kapitalistischer Produktionsweise und Naturbasis immer stärker in den Vordergrund drängt und die historische Überlebtheit des Kapitalismus und die Notwendigkeit seiner Überwindung sichtbar macht.[32]

Die Konzerne, die in erster Linie unmittelbar[33] davon profitieren, dass sie die Umweltkosten ihres Geschäftszweiges externalisieren können (z.B. die Energie-, Verkehrs-, Agrarkonzerne), werden alles unternehmen, die durch gesetzliche Zwangsmaßnahmen auf sie zukommenden Kosten anderweitig abzuwälzen - auf die Konsumenten, also in erster Linie die Lohnabhängigen, durch Preissteigerungen, und auf den Staat durch Subventionen und öffentliche Infrastrukturausgaben aller Art - eine neue Dimension im Verteilungskampf zwischen Lohnarbeit und Kapital. Hier dazu beizutragen, dass dem Kapital und seinen Verbänden Paroli geboten wird, ist eine zweite entscheidende Aufgabe für die Linke und die Gewerkschaften.

Die marxistische Linke muss auf beiden Feldern präsent sein. Sie muss mit klarem Blick auf die antagonistischen Macht- und Eigentumsverhältnisse im Kapitalismus für mehrheitsfähige sozial-ökologische Umgestaltungen eintreten. Sie muss dazu beitragen, dass die neuen Klima- und Jugendbewegungen an Einfluss gewinnen, die völlig zu Recht die Sicherung zukünftiger Lebensmöglichkeiten hier und in der ganzen Welt zu ihrer Sache machen. Sie muss in den dabei unvermeidlichen Verteilungskämpfen energisch für die Interessen der Lohnabhängigen eintreten - also alle Versuche zurückweisen, die Kosten des Umbaus der Produktionsweise einseitig auf sie abzuwälzen. Und sie kann das im Bewusstsein tun, dass hier wieder neue Ansatzpunkte für die Perspektive einer am Gemeinwohl und Gemeineigentum orientierten Gesellschaft mit Primat der Politik über die Ökonomie wachsen können, einer sozialistischen Gesellschaft.


Anmerkungen

[1] "Die Arbeit ist nicht die Quelle alles Reichtums. Die Natur ist ebensosehr die Quelle der Gebrauchswerte (und aus solchen besteht doch wohl der sachliche Reichtum!) als die Arbeit, die selbst nur die Äußerung einer Naturkraft ist, der menschlichen Arbeitskraft." Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms (1875), in: MEW 19, Berlin/DDR 1962, S. 15.

[2] Am 23. September d. J. findet ein neuer Weltklimagipfel der Vereinten Nationen in New York statt, vom 2.-13. Dezember in Santiago de Chile COP25, die 25. UNFCCC-Klimakonferenz (Nachfolgekonferenz von Kattowitz 2018). Die Bundesregierung ist unter Zugzwang. Sie will Anfang September ihre Klimaziele konkretisieren und bis Ende des Jahres gemäß Koalitionsvertrag ein Gesetz zur rechtlich verbindlichen Umsetzung der Klimaschutzziele vorlegen. In das Vorfeld dieser anstehenden Beschlüsse gehört die laufende Auseinandersetzung um CO2-Bepreisung.

[3] Dank an Jörg Goldberg, Jürgen Reusch und Michael Zander für hilfreiche Kommentare.

[4] Karl Marx, Das Kapital, Erster Band, in: MEW 23, Berlin/DDR 1962, S. 330. "Das Kapital hat ... einen einzigen Lebenstrieb, den Trieb, sich zu verwerten, Mehrwert zu schaffen, mit seinem konstanten Teil, den Produktionsmitteln, die größtmögliche Masse Mehrarbeit einzusaugen" (Ebd. S. 247) Der Ausbeutungsbegriff, der für dieses "Auspumpen" oder "Einsaugen" synonym verwendet wird, ist ein klassischer Begriff der Naturausbeutung - Ausbeutung z.B. einer Goldmine. Auch hierin drückt sich die Gemeinsamkeit der beiden Reichtumsquellen - Arbeit, Natur - aus. Schließlich ist die lebendige Arbeitskraft auch eine - gesellschaftlich gebildete und geformte - Naturkraft.

[5] Vgl. ebd., S. 630.

[6] In der zeitgenössischen britischen Presse wurde von "Menschenabschlachtung in den Fabriken" gesprochen; Carl-Erich Vollgraf, Marx über die sukzessive Untergrabung des Stoffwechsels der Gesellschaft bei entfalteter kapitalistischer Massenproduktion, in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung, NF, Hamburg 2014, S. 98. Raubbau: Marx, Kapital I, MEW 23, S. 529. Der soziologische Klassiker: Friedrich Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England (1845), in: MEW 2, Berlin/DDR 1980, S. 224-506.

[7] "... die Streitfrage zwischen der blinden Herrschaft der Gesetze von Nachfrage und Zufuhr, welche die politische Ökonomie der Mittelklasse bildet, und der Kontrolle sozialer Produktion durch soziale Ein- und Vorsicht, welche die politische Ökonomie der Arbeiterklasse bildet. Die Zehnstundenbill war daher nicht bloß eine große praktische Errungenschaft, sie war der Sieg eines Prinzips. Zum ersten Mal erlag die politische Ökonomie der Mittelklasse in hellem Tageslicht vor der politischen Ökonomie der Arbeiterklasse." Karl Marx, Inauguraladresse der Internationalen Arbeiter-Assoziation, MEW 16, Berlin/DDR 1968, S. 11.

[8] "Diese Gesetze zügeln den Drang des Kapitals nach maßloser Aussaugung der Arbeitskraft durch gewaltsame Beschränkung des Arbeitstags von Staats wegen, und zwar von seiten eines Staats, den Kapitalist und Landlord beherrschen." Karl Marx, Das Kapital, Erster Band, a.a.O., S. 253. "Das Kapital musste also", kommentiert Rosa Luxemburg, "im eigenen Interesse, um sich für die Zukunft die Ausbeutung zu ermöglichen, der Ausbeutung in der Gegenwart einige Schranken setzen. Von einer unwirtschaftlichen Raubwirtschaft musste zur rationellen Ausbeutung übergegangen werden." Rosa Luxemburg, Einführung in die Nationalökonomie, in: dies., Gesammelte Werke, Bd. 5, Berlin/DDR 1975, S. 745f.

[9] Vgl. dazu (neben zahlreichen Beiträgen in "Z" u.a. von Karl Hermann Tjaden, zuletzt von Christian Stache und Konrad Letter): Carl-Erich Vollgraf, Marx über die sukzessive Untergrabung..., a.a.O., S. 93-119; Kohei Seito, Natur gegen Kapital. Marx' Ökologie in seiner unvollendeten Kritik des Kapitalismus, Frankfurt/New York 2016. Vollgraf zeigt, dass in den 1860er Jahren das Problem der Nutzung der endlichen und der erneuerbaren Ressourcen in der amerikanischen und deutschen gesellschaftswissenschaftlichen Literatur ein breit behandeltes Thema war, das Marx unbedingt schon im ersten Band des "Kapital" aufgreifen wollte (S. 96).

[10] Karl Marx, Das Kapital, Erster Band, a.a.O., S. 530.

[11] Karl Marx, Das Kapital, Dritter Band, in: MEW 25, Berlin/DDR 1964, S. 821. "Die Exkremente der Konsumtion sind am wichtigsten für die Agrikultur. In Beziehung auf ihre Verwendung findet in der kapitalistischen Wirtschaft eine kolossale Verschwendung statt; in London z.B. weiß sie mit dem Dünger von 4 1/2 Millionen Menschen nichts Beßres anzufangen, als ihn mit ungeheuren Kosten zur Verpestung der Themse zu gebrauchen." Ebd., S. 110.

[12] Friedrich Engels, Zur Wohnungsfrage, in: MEW 18, Berlin/DDR 1962, S. 279: "Die Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land ist nicht mehr und nicht minder eine Utopie als die Aufhebung des Gegensatzes zwischen Kapitalisten und Lohnarbeitern."

[13] Friedrich Engels, Vorwort [zur englischen Ausgabe (1892) der "Lage der arbeitenden Klasse in England"], in: MEW 22, Berlin/DDR 1963, S. 268.

[14] Karl Marx, Das Kapital, Erster Band., a.a.O., S. 528.

[15] Ebd., S. 253.

[16] Die Wasserqualität der Themse hing vom Wechselspiel von Abwasserbelastung und Sanierungsmaßnahmen ab. Die Sauerstoffsättigung der Themse lag 1860 bei Null Prozent (sh. FN 10, "Verpestung der Themse"), stieg bis 1895 auf ein Maximum von 50 Prozent. Sie fiel danach wieder rapide ab bis auf Null Prozent Mitte der 1950er Jahre nach Einführung harter Detergentien, um dann durch Sanierungsmaßnahmen erneut auf ca. 50 Prozent angehoben zu werden. Harry E. Schwartz, Water Quality and Flows, in: B.L. Turner II (Ed.), The Earth as transformed by Human Action. Global and regional Changes in the Biosphere over the Past 300 Years, Cambridge 1990, S. 26011".

[17] Engels liest zwar "Nature" und Tyndall, aber dessen Experimentaluntersuchungen zur Strahlungsabsorption und Bedeutung von Treibhausgasen - wie CO2 - aus den 1860er Jahren sind noch ohne Bezug zu irgendwelchen aktuellen Klimafragen. 40 Jahre später, 1896, präsentierte Svante Arrhenius dazu schon detailliertere Berechnungen. Er nahm auf Basis der damaligen CO2-Emissionsraten an, dass es einige Jahrhunderte dauern würde, bis eine Erhöhung der Erdtemperatur nachweisbar wäre. Er konstatierte, dass die aktuelle CO2-Freisetzung aus der Kohle-Verbrennung die gleiche Größenordnung erreichte wie der bedeutendste natürliche Prozess der CO2-Entfernung aus der Atmosphäre, die Reaktion von Silikaten - Hauptbestandteil der festen Erdkruste - mit CO2 (chemische Verwitterung: Carbonat-Silikat-Zyklus). Hier deutete sich schon unausgesprochen die Idee vom Anthropozän an, dem Zeitalter, in dem menschliche Eingriffe die Dimension der großen Kreislaufsysteme der Erde erreichen und diese vom Menschen beeinflusst und aus ihren "natürlichen Bahnen" gelenkt werden können. Zu spät für Marx und Engels, die das brennend interessiert hätte. Svante Arrhenius, On the Influence of Carbonic Acid in the Air upon the Temperature of the Ground, Philos. Mag. 41, 1896, S. 237-276, hier: S. 270/271. [https://www.rsc.org/images/Arrhenius1896_tcm18-173546.pdf]

[18] Will Steffen u. a., Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet, in: Science 347 (2015), S. 736-746; IPBES (Weltbiodiversitätsrat), Global Assessment on Biodiversity and Ecosystem Services 2019 [https://www.ipbes.net/].

[19] Fünf von zehn dieser Systeme gelten heute als überlastet: Klima, der Phosphor- und der Stickstoftkreislauf, die Waldökosysteme und - Artensterben - die genetische Vielfalt; andere gelten als regional bzw. temporär (Ozonschicht) angegriffen.

[20] Die Weltwirtschaft wuchs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts um etwa das Siebenfache, die Weltbevölkerung von 2,5 Mrd. 1950 auf heute 7,6 Mrd. Die Footprint-Methode, die den globalen Ressourcen-Verbrauch auf einfache Weise versinnbildlichen will, geht davon aus, dass die Menschheit in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts etwa die Hälfte der globalen Biokapaziät des Globus nutzte, dass er um 2000 aber bereits übernutzt war. Matthias Wackernagel/Bert Beyers, Footprint. Die Welt neu vermessen, Hamburg 2016, S. 67.

[21] "Zum Verhältnis von "Massendemokratie, kapitalistischem Konsumismus und kapitalistischem Profitsystem" und da darin wurzelnden Bindung der Lohnabhängigen an die Verwertungsbewegungen des Kapitals vgl. Heinz Jung, Abschied von einer Realität, Frankfurt/M. 1990, S. 278ff., 301f.

[22] G.N. Plass, The Carbon Dioxide Theory of Climatic Change, Tellus 8, 1956, S. 140-154
[https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.3402/tellusa.v8i2.8969?needAccess=true].

[23] Dort hieß es vor vierzig Jahren: "Die fortdauernde Ausrichtung der Menschen auf fossile Brennstoffe als wichtigster Energiequelle wird wahrscheinlich zusammen mit der fortgesetzten Waldvernichtung in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten zu einem massiven Anstieg der atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentration führen." Zu erwarten seien "bedeutende, eventuell auch gravierende langfristige Veränderungen des globalen Klimas". WMO, World Climate Conference, Declaration and Supporting Documents, nach: Jeremy Legget (Hrsg), Global Warming. Die Wärmekatastrophe und wie wir sie verhindern können, München 1991, S. 477f.

[24] Dennis Tänzer/Alexander Carius, Perspektiven einer transatlantischen Klimapolitik, in: APuZ 27/2003, S. 12-17. Bestimmend war "eine Koalition aus Unternehmensverbänden, wissenschaftlichen Klimaskeptikern und konservativen think tanks", denen es 1997 gelang, "in der amerikanischen Öffentlichkeit und im Kongress das zu verabschiedende internationale Abkommen als politischen Albtraum darzustellen". Wie der Kongress für diesen Beschluss durch diese Koalition "reif" gemacht wurde, dokumentieren Naomi Oreskes/Erik M. Conway: Merchants of Doubt, London/New York 2010, S. 170-215. Der ExxonMobil-Konzern gehörte in seiner öffentlichen Kommunikationspolitik zu den großen "Zweiflern" am anthropogenen Klimawandel; in der konzerninternen Kommunikation war dessen Existenz unbestritten. Vgl. Geoffrey Supran/Naomi Oreskes, Assessing ExxonMobil's climate change communications (1977-2014), in: Environ. Res. Lett. 12 (2017) 084019. ExxonMobil hat den zweithöchsten Anteil an den kumulierten globalen historischen CO2-Emissionen der "Carbon majors", der 90 größten Produzenten von fossilen Energieträgern und Zement. Vgl. Richard Heede, Die "Carbon Majors", in: Z 114 (Juni 2018), S. 17-31. Zu den Kampagnen gegen die Klimaforschung auch Hans Joachim Schellnhuber, Selbstverbrennung, München 2015, S. 505ff.

[25] Kanada hätte seine CO2-Emissionen bis 2012 gegenüber 1990 um 6 Prozent senken müssen, lag aber 2009 um 20-30 Prozent über dem Referenzjahr. Begründet wurde der Ausstieg mit zu hohen Kosten und daraus resultierenden "Wettbewerbsnachteilen" für die kanadische Industrie. Vgl. FAZ v. 13.12.2011.

[26] Vgl. SZ v. 19.5.2010.

[27] Das gilt aktuell insbesondere für Vegetationsschäden, z.B. Trockenheitsschäden bei Fichten, Hitzeschäden bei Tannen, die sich gegenwärtig regional zu Bestandsbedrohungen ausweiten und zur Suche nach "klimaverträglichen" Baumarten für Rekultivierung führen. Generell tut sich auf der kommunalen Ebene aber relativ viel mit Blick auf Energieerzeugung und -versorgung, Verkehr etc.

[28] Die Vorschläge zur Verankerung der "freien Marktwirtschaft" im Grundgesetz und die aggressiven Reaktionen auf Kühnerts oder Riexingers bescheidene Vergesellschaftungs- und Verstaatlichungsvorschläge ("Sozialistischer Klima-Quatsch", FAZ v. 29.7.2019, S. 1) sind auch in diesem Kontext der Abwehr "anti-marktwirtschaftlicher" Tendenzen zu sehen. Das die FFF-Bewegung in Hessen eine Pressekonferenz gemeinsam mit Vertretern der Landtagsfraktion der Linken abhielt und dabei neben der CDU die Regierungs-Grünen kritisierte, wurde gleichfalls als "Grenzüberschreitung" registriert.

[29] Vgl. IPCC, Special Report: Global Warming of 1.5 °C, 2018, S. 108, Tabelle 2.2.

[30] Vgl. Stefan Rahmstorf (PIK), Wieviel CO2 kann Deutschland noch ausstoßen? 28. März 2019,
https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/wie-viel-co2-kann-deutschland-noch-ausstossenl (Die Rahmstorf-Daten für die BRD wurden vom EMU als sachlich richtig bestätigt) Rahmstorf kommt auf 7,3 Giga-Tonnen (Gt) Restbudget. Deutschland emittierte 2017 rd. 0,8 Gt CO2. Für den am einfachsten zu rechnenden Fall einer linearen Reduktion müssten die CO2-Emissionen jährlich um 6 Prozent vermindert werden - bis 2035; ab 2036 dürfte kein CO2 (netto) mehr freigesetzt werden.

[31] "Die Fabrikgesetzgebung wird im harten jahrzehntelangen Kampf mit dem Widerstand der Einzelkapitalisten erst für Kinder und Frauen und in einzelnen Industrien Schritt für Schritt geboren." R. Luxemburg, Einführung in die Nationalökonomie, a.a.0., S. 746.

[32] Vgl. Karl Marx, Das Kapital, Dritter Band, a.a.O., S. 784.

[33] In der Geschichte des Kapitalismus hat das Gesamtkapital von der Verfügbarkeit billiger Energie profitiert; das zeigt sich auch heute u.a. darin, dass die imperialistische Hauptmacht USA alles versucht hat, um den Entwicklungs/Schwellenländern die Verfügbarkeit über billige Energieressourcen zu nehmen - das war einer der Hauptgründe ihres Boykotts der Kyoto-Vereinbarung, die die Nicht-Annex-B-Länder in der ersten Phase von Reduktionsmaßnahmen freistellte.

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Quelle:
Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 119, September 2019, Seite 37-47
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2019

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