Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → FAKTEN

BERICHT/244: Auch Blogger müssen Geld verdienen (NG/FH)


Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte Nr. 3/2014

Auch Blogger müssen Geld verdienen
Über Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit im Internet

Von Marianna Hillmer-Wiechmann



Weltweit gibt es bereits mehr als 200 Millionen Blogs. Sie sind als Bestandteile des Internets nicht mehr wegzudenken und haben sich zu einflussreichen, meinungsbildenden Medien, zu Informations- und Inspirationsquellen in vielen Bereichen wie Politik, Nachrichten, Mode und Reise entwickelt.

Die ersten Blogs tauchten Mitte der 90er Jahre auf. "Blog" ist dabei eine Wortkreuzung aus dem englischen World Wide Web und Log für Logbuch (Web-Log), ein öffentlich einsehbares Tagebuch, in dem mindestens eine Person Aufzeichnungen macht.

Die Intentionen, einen solchen Blog zu starten, sind vielfältig, zu Grunde liegt in der Regel der Wunsch, öffentlich, aber unabhängig private Ansichten zu protokollieren, subjektiv, authentisch und ungeschönt. Der Blogger steht mit seinem Namen dahinter, seine Meinung wird als glaubwürdig wahrgenommen, ähnlich wie bei einer freundschaftlichen Beziehung. Die Möglichkeit, über die Kommentarfunktion direkt zum Geschriebenen Stellung beziehen zu können und so mit dem Blogger in einen Dialog zu treten, verstärkt die Beziehung zwischen Leser und Blogger. Der Leser fühlt sich wahr- und ernstgenommen. Glaubwürdigkeit und Individualität sind folglich die prägnanten Eigenschaften eines Blogs.

Finanzierung und Unabhängigkeit

Um einen Blog zu starten benötigt man kein Kapital, keine besonderen Informatikkenntnisse und keine journalistische oder themenspezifische Ausbildung. Es gibt zahlreiche kostenfreie Plattformen wie "Wordpress" oder "Blogger", die den Einstieg leicht machen. Nichtsdestotrotz wird man sich als Blogger früher oder später, je nach Intention, Erfolg und Durchhaltevermögen mit der Frage der Finanzierung auseinandersetzen müssen. Denn als Blogger hat man keinen Auftraggeber, der einen für die Leistung und investierte Zeit entlohnt. Schnell stellt man fest, dass man als Einmann- (oder natürlich: Einfrau-)betrieb Aufgabenbereiche eines ganzen Verlages managen muss - alleine. Ein Blogger ist Verleger, Redakteur, Marketingabteilung und technischer Support in einer Person.

Auf den ersten Blick gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie man mit seinem Blog Geld verdienen könnte: Bannerwerbung, dem Pendant der klassischen Anzeige in Printprodukten, Affiliate-Vermarktung, Advertorials, Video-Seeding (zielgruppenspezifisches "Aussäen" von Videobotschaften), Linkverkauf, Spenden usw. Doch bergen einige Kooperationsmöglichkeiten auch unmoralische Angebote, indem redaktionelle Inhalte nicht mehr von werblichen getrennt werden (sollen).

Auch als Blogger wird man schnell der Tendenz der neuen (Online-)Marketing-Strategien gewahr, die klassische Werbung in Form von deutlich gekennzeichneten Anzeigenformaten nicht mehr als ausreichend empfinden, um den Konsumenten zu erreichen. Das Bezahlmodell wird in der Mehrheit nach Cost-per-Click abgerechnet, d.h. nur Klicks auf die Anzeige werden vergütet, nicht hingegen allein die Aufrufe derselben. Jedoch klickt sich kaum ein Besucher durch Anzeigen im Internet. Im Gegenteil, viele installieren sogar Adblocker, um Werbeanzeigen gänzlich in ihrem Browser zu unterdrücken. Bei durchschnittlichen Leserzahlen von ein paar Hundert Besuchern am Tag reicht der Ertrag somit am Ende des Monats nur für eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen. Das Affiliate-Marketing geht noch einen Schritt weiter und schüttet bei erfolgreichem Verkauf eine prozentual festgelegte Provision des Verkaufswertes an den Blogger aus, ohne Mehrkosten für den Leser bzw. Käufer. Diese Form der Werbung lässt sich freier verwalten. Sie kann in Form von Text-Links oder Verlinkten Produktbildern optisch dezenter eingebunden werden. Und sie kann je nach Belieben des Seitenbetreibers in einen werblich getrennten Bereich oder in den redaktionellen Inhalt eingefügt werden.

Im Normalfall möchte der Blogger ein Produkt vorstellen, mit dem er eigene Erfahrungen gesammelt hat und akquiriert den jeweiligen Anbieter als Werbepartner, um seine investierte Arbeitszeit durch die möglichen Werbeeinnahmen zu kompensieren. So kann hier die erste Vermischung von werblichem und redaktionellem Inhalt entstehen. Jedoch bleibt der Schreiber in der Gestaltung und Bewertung seines redaktionellen Inhalts unabhängig vom Werbepartner. Für den Anbieter fallen erst Kosten im Falle eines erfolgreichen Verkaufs an, ob das durch eine inhaltlich nebensächliche Verlinkung, eine kritische Auseinandersetzung oder positive Bewertung des Produkts erfolgt, ist unwichtig.

Auf der anderen Seite muss man aber natürlich die Frage stellen, wie glaubwürdig der Kaufhinweis des Bloggers ist, wenn im Hintergrund eine Provision für seine erfolgreiche Empfehlung lockt.

Der Grundton und die Transparenz, dass man den Leser über die mögliche Provisionsausschüttung in Kenntnis setzt, sind hier die entscheidenden Faktoren, um die Glaubwürdigkeit als Blogger nicht langfristig aufs Spiel zu setzen.

Eine weitere Form mit Empfehlungen beim Bloggen Geld zu verdienen ist der sogenannte Linkverkauf. Links sind die Empfehlungswährung im Internet. Man setzt einen Link, wenn man möchte, dass der Leser die angesprochene Seite ebenfalls besucht. Nicht umsonst sind Links stets auf den Webseiten optisch hervorgehoben. Es gibt aber noch jemanden, den man mit einem Link eine Empfehlung ausspricht, nämlich Google. Der Internetgigant hat einen komplizierten Algorithmus entwickelt, um die Relevanz von Suchergebnissen zu bestimmen. Die Anzahl der Verlinkungen einer Webseite ist unter anderem maßgeblich für die Positionierung in den Google-Suchergebnissen - und so stellen viele größere Unternehmen ein beträchtliches Marketing-Budget für die Suchmaschinenoptimierung bereit.

Im Gegensatz zur bereits angesprochenen klassischen Werbung und den Affiliate-Einbindungen ist dies kein erfolgsorientiertes Vergütungssystem, denn ausgezahlt wird direkt nach Einbindung der werblichen Verlinkung. Gleichwohl gibt man als Blogger einen großen Teil seiner redaktionellen Unabhängigkeit preis, denn der Kontext der Verlinkung muss vorweg mit dem Werbekunden abgestimmt werden. Der Vollständigkeit halber soll hier auch erwähnt werden, dass diese Werbeform gewissen Google-Richtlinien unterliegt und der Link zumindest für Google als "no-follow", also als "nicht zu folgen" gekennzeichnet werden muss. Eine Missachtung kann eine Löschung aus dem Google-Index zur Folge haben. Eine Webseite jedoch, die bei Google nicht indexiert ist, ist quasi eine nichtexistierende Seite.

Die PR-Maschinerie hat den Blogger bereits vor einiger Zeit als den idealen "Markenbotschafter" erkannt und versucht, ihn für sich zu gewinnen. Eine private Person, die ihren Lesern persönlich, authentisch und glaubwürdig ihre Empfehlungen und Kritik weitergibt, ist ein idealer Werbeträger.

Der Blogger als Markenbotschafter

Bei der Masse an Blogs und der immer stärker werdenden Relevanz von Bloggern und Social Media-Kanälen möchten Unternehmen ihre Präsenz in dieser Sparte nicht dem Zufall überlassen: Es gilt, die Glaubwürdigkeit des Bloggers für seine eigene Werbebotschaft zu nutzen. Das kann in Form von Einladungen oder Produkttests erfolgen. Allerdings bleibt der Blogger hier in seiner Meinung unabhängig, Einladungen und Produkttest werden, wie auch im klassischen Journalismus, als Recherchegrundlage wahrgenommen und sind keine Form des Entgeltes. Für das Unternehmen ist die Präsenz und positive Berichterstattung demzufolge nicht gewährleistet.

Anders hingegen bei der Schaltung von Advertorials. Hier wird für die positive Berichterstattung gezahlt. Ein Advertorial, eine Wortkreuzung aus Advertisement und Editorial, ist eine redaktionelle Aufmachung einer Werbeanzeige. Es ist die lukrativste Form der Werbemöglichkeit und diejenige, mit der man sowohl gänzlich seine Unabhängigkeit aufgibt, als auch seine Glaubwürdigkeit verkauft. Es ist Werbung, die der Blogger als persönliche Empfehlung seinen Lesern als eigene Meinung unterjubeln kann - dabei war es doch die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit, die den Blog für den Leser interessant gemacht hat.

Kann man mit seinem Blog also Geld verdienen und trotzdem seine Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit wahren?

Zuerst muss die Frage geklärt werden, ob auf Blogs zwingend redaktionelle und werbliche Inhalte getrennt werden müssen. Dieser Anspruch wird pauschal aus dem journalistischen Bereich übernommen ohne dass Blogs im Allgemeinen ein journalistisches Medium darstellen wollen.

Blogs werden aus völlig unterschiedlichen Intentionen betrieben: als Hobby, als Portfolio und mittlerweile eben auch als finanzielle Einnahmequelle.

Es gibt keinen übergreifenden Bloggerverband, der sich für bestimmte Standards einsetzt, sei es die Trennung von redaktionellem und werblichem Inhalt oder die Empfehlung von Honoraren. Daher kann und muss jeder Blogger selbst entscheiden, inwiefern und in welcher Höhe er seine Arbeitszeit, die in den Blog fließt, refinanziert. Hat man diese Tatsache erst einmal akzeptiert, kann man Bloggern nicht vorwerfen, sich auf Werbeangebote einzulassen, die aus journalistischer Sicht nicht mit dem Pressekodex vereinbar sind. Der Blogger ist schließlich keinem Pressekodex verpflichtet.

Eine Verantwortung hat er jedoch seinen Lesern gegenüber. Wie bereits erwähnt, basiert der große Erfolg von Blogs auf ihrer Individualität und Glaubwürdigkeit. Lässt sich der Blogger für seine Meinung bezahlen, können diese Grundpfeiler schnell brüchig werden. Der Leser würde hinters Licht geführt werden und sich dann neuen Lese- und Inspirationsstoff suchen.

Möchte man als Blogger nicht auf Einnahmequellen aus dem Blogbetrieb verzichten, ohne seine Glaubwürdigkeit einzubüßen, so schuldet man dem Leser Transparenz. Jeder Leser muss sofort erkennen können, bei welchen Beiträgen und Verlinkungen es sich um Sponsoring handelt. Solche Kennzeichnungen sind mittlerweile bei allen seriös agierenden Blogs selbstverständlich.

Einzigartig ist bisher jedoch der Zusammenschluss der Blogger im Reisebereich, die gemeinschaftlich Anfang 2013 einen Reiseblogger-Kodex (http://reise-blogger-kodex.de) formulierten. Darin werden gemeinsame ethische Grundlagen wie zum Beispiel die Kennzeichnung von gesponserten Inhalten formuliert, um langfristig die Glaubwürdigkeit von Bloggern zu wahren. Hier zeigt sich, dass eine Finanzierung des Bloggens nicht im Widerspruch zur Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit von Bloggern stehen muss.


Marianna Hillmer-Wiechmann hat Neogräzistik, Teilgebiete des Rechts und Religionswissenschaft studiert, arbeitet als Freelancerin in den Bereichen Webdesign, Online PR, Reisefotografie und -texte und betreibt den Reiseblog: www.weltenbummlermag.de.
m.hillmerwiechmann@gmail.com

*

Quelle:
Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte Nr. 3/2014, S. 72 - 74
Herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Kurt Beck,
Siegmar Gabriel, Klaus Harpprecht, Jürgen Kocka, Thomas Meyer und
Bascha Mika
Redaktion: c/o Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin
Hiroshimastraße 17, 10785 Berlin
Telefon: 030/26 935-71 51, -52, -53, Telefax: 030/26 935-92 38
E-Mail: ng-fh@fes.de
Internet: www.ng-fh.de
 
Die NG/FH erscheint monatlich, wobei die Hefte 1+2
und 7+8 im Januar bzw. Juli als Doppelheft erscheinen.
Einzelheft: 5,50 Euro zzgl. Versand
Doppelheft: 10,80 Euro zzgl. Versand
Jahresabonnement: 50,60 Euro frei Haus


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2014