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INTERNATIONAL/005: Vietnam - Pseudonyme für Journalisten tabu, Dekret schränkt Pressefreiheit ein (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Januar 2011

Vietnam: Pseudonyme für Journalisten tabu - Dekret schränkt Pressefreiheit ein

Von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 27. Januar (IPS) - In Vietnam wurde die Pressefreiheit in letzter Zeit erheblich eingeschränkt. Nach Ansicht von Journalisten sind die Chancen gering, dass sich die Situation nach dem jüngsten Kongress der herrschenden Kommunistischen Partei (CPV) wieder verbessert.

Schon vor dem Kongress vom 12. bis 19. Januar erließ Ministerpräsident Nguyen Tan Dung ein Dekret, das die Medienvertreter zur Offenlegung ihrer Quellen verpflichtet. Auch diejenigen, die unter Pseudonym arbeiten, müssen demnach mit hohen Geldstrafen rechnen.

"Die Botschaft an die Journalisten war sehr deutlich", sagte ein Reporter, der anonym bleiben wollte, im Gespräch mit IPS. "Deshalb will niemand die Regierungspartei verärgern. Alle kennen den Preis dafür." Die rund 700 Zeitungen und Magazine, die in dem südostasiatischen Land erscheinen, sind zurückhaltend, was die Veröffentlichung ihrer Nachrichten angeht.

Der Chefredakteur von 'Nhan Dan', dem offiziellen Sprachrohr der Kommunistischen Partei, rief kürzlich gemeinsam mit anderen Parteioberen dazu auf, "alle Formen des Pluralismus" auszumerzen. Das Dekret des Regierungschefs, das am 25. Februar in Kraft treten soll, bringt den investigativen Journalismus nun noch weiter in Gefahr.


Geldbußen von umgerechnet 2.000 US-Dollar

Wie das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) in New York anmerkte, werden dadurch alle bisherigen Regelungen außer Kraft gesetzt. Autoren, die "nicht im Interesse des Volkes" handeln, "Staatsgeheimnisse" enthüllen oder "nichtautorisierte Informationen" verbreiten, haben Geldbußen von umgerechnet etwa 2.000 US-Dollar zu erwarten.

"Das neue Dekret soll die staatliche Kontrolle über die bereits überregulierten und stark unterdrückten Medien in Vietnam weiter verstärken", kritisierte Shawn Crispin, der CPJ in Südostasien vertritt. Die Regierung bediene sich der Gesetzgebung, um die Pressefreiheit zu beschränken.

Viele sehen es als Ironie des Schicksals, dass der soeben gewählte CPV-Generalsekretär Nguyen Phu Trong selbst aus der Zeitungsbranche kommt. Trong, der am letzten Tag des streng hinter verschlossenen Türen tagenden Versammlung für das Amt ausgewählt wurde, arbeitete früher für ein Blatt seiner Partei. An dem Kongress nahmen rund 1.400 Delegierte teil, die die insgesamt 3,6 Millionen Parteimitglieder repräsentierten.

Trong war von vornherein ein Kompromisskandidat, der die Kluft zwischen Premier Dung und dem neuen CPV-Präsidenten Truong Tan Sang überbrücken soll. "Trong gilt als pro-chinesisch und als marxistischer Hardliner", erklärte Vo Tran Nhat von der im Pariser Exil arbeitenden Menschenrechtsorganisation Aktion für die Demokratie in Vietnam. Obgleich Trong und andere Mitglieder des Politbüros einstimmig gewählt worden seien, stünden sie stark in der Kritik, sagte er IPS.

Laut Nhat hatten im vergangenen 19 frühere Mitglieder von Partei und Militär eine Petition eingereicht, in der sie Trong und drei weitere hochrangige CPV-Vertreter beschuldigten, Korruption, Vetternwirtschaft und Machtmissbrauch vorangetrieben zu haben.

Angesichts unbequemer Stimmen in Blogs und auf den Seiten sozialer Netzwerke geht die Regierung in Hanoi auch gegen das Internet mit harter Hand vor. Viele Vietnamesen hatten diesen Weg gewählt, um Informationen auszutauschen und Korruption innerhalb der Regierung anzuprangern. 17 Internet-User sind derzeit in Haft, weil sie kritische Standpunkte online verbreiteten.

Außerdem befinden sich noch mindestens zwei Journalisten im Gefängnis, die einen Bestechungsskandal aufgedeckt hatten. Sie hatten 2006 berichtet, dass hochrangige Beamte aus dem Verkehrsministerium Millionen Dollar bei Fußballwetten eingesetzt hatten.


'Doi Moi'-Reformen brachten zunächst mehr Pressefreiheit

Die Reporter wurden 2008 festgenommen, als die Regierung Sanktionen gegen insgesamt mehr als 250 Medienberichterstatter verhängte. 15 Journalisten wurde damals der Presseausweis entzogen, weitere sechs kamen vor Gericht, wie das Vietnamesische Komitee für Menschenrechte in Paris in einem Bericht über das Jahr 2010 festhielt.

Die Verurteilung der beiden Journalisten bedeutete einen Wendepunkt in der vietnamesischen Politik. Seit 1986 hatte die Regierung am 'Doi Moi'-Reformprozess festgehalten, der eine schrittweise Öffnung des Landes für die freie Marktwirtschaft vorsah. In der Verfassung von 1992 werden die Menschenrechte großgeschrieben.

Parallel dazu genossen auch die Medien größere Freiheiten. In den Jahren vor dem großen Korruptionsskandal wollten die Printmedien die Grenzen immer weiter überschreiten, sagte Kulachada Chiapipat von der Südostasiatischen Presseallianz (SEAPA) in Bangkok. 'Whistle-blowers' hätten ihnen brisante Informationen gegeben. In letzter Zeit hätten die meisten Journalisten jedoch offensichtlich Angst, über die großen Korruptionsfälle zu schreiben. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.cpj.org/
http://www.seapabkk.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=54255

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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2011