Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → FAKTEN

INTERNATIONAL/129: Unter Obama zum Überwachungsstaat - Beispielloser Angriff auf die Pressefreiheit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Oktober 2013

USA: Unter Obama zum Überwachungsstaat - Beispielloser Angriff auf die Pressefreiheit

von Ramy Srour



Washington, 14. Oktober (IPS) - In einem neuen Bericht wird der Regierung von US-Präsident Barack Obama vorgeworfen, mit ihrem beispiellosen Krieg gegen die Weitergabe von Geheiminformationen die Pressefreiheit auszuhöhlen. Journalisten, die die Informationen veröffentlichten, lebten in ständiger Angst vor der Strafverfolgung, während die Bereitschaft von Regierungsvertretern, mit Berichterstattern zu sprechen, abnehme.

Am 10. Oktober legte das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) - eine Non-Profit-Organisation, die sich für die weltweite Pressefreiheit einsetzt - ihren ersten umfassenden Bericht über die staatlichen Überwachungsmaßnahmen und deren Auswirkungen auf die US-Medien vor. Demnach ist die Zahl der Personen, die vom US-Justizministerium auf der Grundlage des Spionagegesetzes von 1917 verfolgt werden, stark angestiegen.

"Der Krieg der Obama-Administration gegen die undichten Stellen (...) steht in einem krassen Widerspruch zu der Zielsetzung des Präsidenten, mehr Transparenz auf Bundesregierungsebene zu gewährleisten", erklärte Leonard Downie Jr., Vizepräsident von 'The Washington Post', anlässlich der Veröffentlichung des CPJ-Reports in Washington.

Seit 2009 sind sechs Regierungsvertreter und zwei Mitarbeiter staatlicher Vertragsfirmen zu Zielscheiben strafrechtlicher Ermittlungen geworden. Zuvor waren es in neun Jahrzehnten gerade einmal drei Staatsbedienstete gewesen. Da das US-Justizministerium aufgrund des US-Haushaltsboykotts geschlossen ist, konnte IPS keine Stellungnahme der Behörde einholen.


Klima der Angst

"Die extrem aggressive Vorgehensweise der derzeitigen Regierung gegen undichte Stellen hat eine ungewöhnlich hohe Zahl strafrechtlicher Maßnahmen nach sich gezogen", sagte Steven Aftergood, Leiter des Programms für Staatsgeheimnisse der Vereinigung Amerikanischer Wissenschaftler (FAS), einer auf Sicherheitsfragen spezialisierten Non-Profit-Organisation in Washington. "Dadurch wurde eine polarisierte Atmosphäre geschaffen, in der die Aussicht auf eine strafrechtliche Verfolgung Journalisten ganz einfach einschüchtert."

Auch der Vorstoß des Justizministeriums, die Telefonanschlüsse der Nachrichtenagentur 'Associated Press' (AP) abzuhören, hat einen Aufschrei der Empörung ausgelöst. Der Lauschangriff war Teil einer Untersuchung des Justizministeriums im Zusammenhang mit einem AP-Beitrag über eine verdeckte Geheimdienstoperation im Jemen. Das Ministerium hatte AP im Mai mit drei Monaten Verzögerung über die Überwachung informiert.

Zwar stimmte im letzten Monat ein Rechtsausschuss des Senats einem neuen Medienschutzgesetz zu, das Journalisten davor bewahren soll, zur Preisgabe ihrer vertraulichen Informationsquellen gezwungen zu werden. Doch Kritiker bemängeln, dass das Gesetz nur diejenigen Journalisten anerkennt, die formell einer Medienorganisation angehören.

"Besonders beunruhigend ist, dass das Gesetz die Recherchen etwa von Online-Bloggern und Journalisten, die keiner Medienorganisation angehören, erheblich einschränken kann", warnte Jillian York vom Internationalen Programm für freie Meinungsäußerung der 'Electronic Frontier Foundation' (EFF). "Alles hängt davon ab, wie das Gesetz ausgelegt wird."

Schuld an der gespannten Atmosphäre trägt nach Ansicht von Aftergood auch der Umstand, dass der Begriff der nationalen Sicherheit extrem weit gefasst ist. Dabei gehe es auch um Angelegenheiten, die nach Meinung vieler Bürger eigentlicher Gegenstand der öffentlichen Debatte sein sollten. "Während sich Öffentlichkeit und Medien einen freizügigeren Informationsfluss wünschen, bedient sich die Regierung eines weit gefassten Sicherheitsbegriffs, der ihr ermöglicht, große Mengen an Informationen vor der Öffentlichkeit geheim zu halten."

Doch dieser Wandel hat einen hohen Preis. "Die jüngsten Schlupflöcher offenbaren nicht nur staatliche Bestrebungen, die Meinungsfreiheit einzuschränken", betonte Larry Siems, der auch das Programm für die Freiheit des Schreibens des US-PEN-Zentrums leitet. "Sie zeigen uns auch, wie gegen nationales US- und humanitäres internationales Recht verstoßen wird."

Das jüngste Opfer des US-Krieges gegen undichte Stellen ist der Whistleblower Edward J. Snowden. Nachdem der ehemalige technische Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA die Überwachungs- und Spionagepraktiken der USA und Großbritannien enthüllt hatte, wird er von den USA steckbrieflich gesucht. Derzeit lebt er in Russland, wo er Asyl beantragt hat.


Eingeschüchtert durch Denunziantenprogramm

In den USA gibt es das sogenannte 'Insider Threat Programme', das der Enthüllung von Geheiminformationen mit der Anweisung an Bundesbeamte entgegenwirkt, verdächtige Verhaltensweisen von Kollegen unverzüglich zu melden. "Dass sich Regierungsvertreter nun gegenseitig bespitzeln, hat dazu geführt, dass sie noch weniger geneigt sind, Fragen der Medien zu beantworten", erläuterte Downie Jr.

Auch ausländische Korrespondenten sind Opfer der US-Massenüberwachung. "Besonders beunruhigend ist die Erkenntnis, dass ausländische Journalisten, die derzeit in den USA arbeiten, keinen rechtlichen Schutz genießen, wie ihn US-Reporter derzeit noch genießen", warnte Joel Simon vom CPJ. "Sie müssen damit leben, dass sie jederzeit abgehört werden können. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://cpj.org/reports/us2013-english.pdf
http://www.ipsnews.net/2013/10/u-s-accused-of-unprecedented-assault-on-press-freedom/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. Oktober 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2013