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INTERNATIONAL/161: Prominenter Al-Jazeera-Journalist in Pakistan von US-Geheimdienst NSA bespitzelt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Mai 2015

Medien: Prominenter Al-Jazeera-Journalist in Pakistan von US-Geheimdienst NSA bespitzelt

von Kitty Stapp


NEW YORK (IPS) - Ahmad Muaffaq Zaidan streitet nicht ab, Kontakt mit Terrororganisationen gehabt zu haben. Andernfalls hätte er seinen Job nicht ausüben können. Denn Zaidan ist ein renommierter Journalist und Leiter des Pakistan-Büros des Fernsehsenders Al Jazeera in Islamabad. Dieser Umstand hinderte den US-Auslandsgeheimdienst NSA nicht daran, den Journalisten zu bespitzeln, ihn als 'Al Qaeda'-Mitglied zu diffamieren und auf die Liste Terrorverdächtiger zu setzen.

Die neuen Enthüllungen sind Teil der Geheimdokumente, die der ehemals für den NSA tätige Whistleblower Edward Snowden an die Öffentlichkeit brachte.

"Angesichts der Tatsache, dass Pakistan zu den für Journalisten gefährlichsten Ländern der Welt gezählt wird, verstärkt die Nachricht von der Überwachung Zaidans die Sorge über die zunehmende Einschränkung der Pressefreiheit", sagt Furhan Hussain von der pakistanischen Menschenrechtsgruppe 'Bytes for All'. Ebenso alarmierend sei, dass die Abhöraktivitäten die Sicherheit von Informanten gefährdeten und die Medien-Netzwerke schwächten. Die Sammlung von Metadaten habe bereits zu einer intransparenten Verfolgung hunderter Menschen mit Hilfe von Drohnen geführt.

"Oft wird behauptet, dass Pakistan nicht effizient genug gegen diese Verstöße protestiert hat. Man sollte sich aber auch fragen, inwieweit der Staat dem NSA den Zugang zu einer großen Menge an Daten über die eigenen Bürger erleichtert hat", sagt Hussain in Anspielung auf ein Partnerschaftsabkommen zwischen den USA und Pakistan zur Weitergabe von 'SIGINT'(Signal Intelligence)-Daten.

Vertreter anderer Vereinigungen zum Schutz der Pressefreiheit sehen Zaidans Fall als einen von vielen Verstößen gegen die bürgerlichen Freiheiten. "Angesichts der Flut von Enthüllungen über die massenhaften Überwachungsaktivitäten des NSA in den vergangenen Jahren ist es zwar nicht verwunderlich, jedoch schockierend, dass dieser Geheimdienst seine Fähigkeiten dazu eingesetzt hat, einen bekannten Journalisten auszuspionieren", sagt Carly Nyst von 'Privacy International'.


Bürgerliche Freiheiten geopfert

"Der Fall zeigt die großen Gefahren auf, die entstehen, wenn Sicherheitsdienste immense Macht ausüben können, während eine sorgfältige Überprüfung unterbleibt. Der Geheimdienst unterhöhlt die Werte, für die er eigentlich stehen sollte: Sicherheit, Demokratie und freien Informationsfluss", betont Nyst. "Ohne eine demokratische Überprüfbarkeit werden die Spitzeldienste weiterhin bürgerliche Freiheiten im Namen strategischer Fortschritte opfern, ohne einen Gedanken an die Pressefreiheit zu verschwenden."

Nicht zum ersten Mal hat der NSA Al Jazeera ins Visier genommen. Unter Berufung auf von Snowden verbreitete Geheimdokumente hatte 'Der Spiegel' 2009 berichtet, dass der Geheimdienst sich in das interne Kommunikationssystem des Nachrichtensenders eingehackt hatte.

Wie das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) mitteilte, hatte der NSA-Whistleblower Russell Tice im Jahr 2009 erklärt, dass es der Geheimdienst besonders auf Journalisten und Nachrichtenagenturen abgesehen habe. Zaidan ist ins Visier des 'Skynet'-Programms des NSA geraten.

"Dieses großangelegte Sammeln von Daten beunruhigt uns", erklärt Bob Dietz, Asien-Programmkoordinator vom CJP. "Würde jemand mein Verhalten und das aller Personen beobachten, mit denen ich in den letzten 20 Jahren Kontakt hatte, würde auch ich auf irgendeiner ominösen Liste ziemlich weit oben stehen."

Dietz geht nicht davon aus, dass sich die Lage in absehbarer Zeit ändert. Auch ein Machtwechsel im Weißen Haus würde sicherlich wenig bewirken. "Regierungsbehörden sind recht autonom. Alle Versuche, sie zu kontrollieren, sind eher aberwitzig, ganz gleich ob Gesetze zu unserem Schutz in Kraft sind."

Thomas Hughes, Geschäftsführer der Gruppe 'Article 19' mit Sitz in London, zeigte sich ebenfalls zutiefst beunruhigt über die Bespitzelung Zaidans. "Laut einer Erklärung von Al Jazeera und Kollegen anderer Medien ist Zaidan ein erfahrener, angesehener Journalist. Die Überwachung von Medienvertretern richtet sich gegen die Meinungsfreiheit und hindert Journalisten daran, Fehlverhalten aufzudecken und von Regierungen Rechenschaft für ihre Handlungen zu fordern." Wenn die Anonymität von Informanten nicht mehr sichergestellt werden könne, seien Journalisten nicht mehr in der Lage, gute Arbeit zu leisten.

In Zaidans Fall hielt der NSA fest, dass der Journalist sich bei seiner Berichterstattung auf die Taliban und Al Qaeda fokussiert und mehrere hochrangige Führer des Terrornetzwerkes interviewt habe. Eine NSA-PowerPoint-Präsentation vom Juni 2012 stellt den Journalisten als Mitglied von Al Jazeera und der Moslembruderschaft dar.

Zaidan wies alle Anschuldigungen zurück. "Damit wir die Welt informieren können, müssen wir die Freiheit besitzen, die für den öffentlichen Diskurs relevanten Personen zu kontaktieren, mit Menschen vor Ort zu sprechen und wichtige Informationen zu sammeln." Jeder Hauch einer staatlichen Überwachung sei ein Verstoß gegen den Grundsatz der Pressefreiheit und das Recht der Öffentlichkeit auf Information. (Ende/IPS/ck/13.05.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/05/press-freedom-groups-denounce-nsa-spying-on-aj-bureau-chief/

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IPS-Tagesdienst vom 13. Mai 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2015

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