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INTERNATIONAL/175: Honduras - Lencas und Rojitas on Air (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 133, 3/15

Lencas und Rojitas on Air

Die Stimme indigener und feministischer Gruppen in Honduras

von Tania Pilz


Wenn deine indigene Gruppe mit politischer Ausgrenzung, staatlicher Bestechung und einem patriarchalem System zu kämpfen hat, entsteht die Notwendigkeit, sich zu organisieren und Widerstand zu leisten. Aus diesem Grund ist auch COPINH entstanden: eine Organisation, die sich für die Rechte der indigenen Lenca-Bevölkerung in Honduras einsetzt. Als Kommunikationsmittel des Widerstands wird nicht wie so oft eine Online-Kampagne gestartet, sondern ein oft unterschätztes Medium verwendet: das Radio.


Die Gruppe der Lencas gehört zu einem der wenigen indigenen Völker, die sich in Zentralamerika bereits vor der spanischen Kolonisation in Regionen von Honduras und El Salvador angesiedelt haben. Zu erkennen sind sie besonders an den von ihren Maya-Vorfahren vererbten Traditionen sowie ihrer Religion und ihrer eigenen Sprache. Derzeit sind es rund 100.000 Menschen (nur in Honduras), die sich zur indigenen Gruppe der Lenca zugehörig fühlen.

Doch sowohl die Lenca als auch andere Indigena-Gruppen spüren bereits seit mehreren Jahren diskriminierende Politiken von staatlicher Seite. Dies führte v. a. zum Verlust der Lenca-Sprache und dem Verschweigen von ihrem Recht auf Kommunikation und auf Land. Folglich leben Lenca in einer prekären wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation. Es entsteht daher die Notwendigkeit, unterschiedliche Organisationen zu gründen, die sich für die Rechte der Indigenas einsetzen.

Eine dieser Organisationen ist Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indigenas en Honduras (COPINH), welche sich seit 1993 in einem ständigen Kampf für ein antikapitalistisches, antipatriarchalisches und antirassistisches System befinden. Unter den Gründer_innen ist Berta Caceres, die kürzlich den weltweit wichtigsten Umweltpreis für ihren Kampf um indigene Rechte erhielt. Bei COPINH sind seit mehr als 20 Jahren ca. 200 indigene Gemeinschaften der Lenca im westlichen Teil von Honduras organisiert, die sich nicht nur für das Recht auf Land, sondern auch für den Umweltschutz und Frauenrechte einsetzen. Durch die teilweise Abgeschiedenheit der Gemeinden entsteht auch die Notwendigkeit, den Kontakt mit anderen Lenca-Gemeinden aufzubauen, um sie zu ermutigen, am Kampf für die Rechte ihres Volkes teilzunehmen.


Zugang zu Information

Community-Radios ermöglichen den Zugang zu Information in den kleinen Gemeinschaften in Honduras. Wichtig wird das Radio für die Indigena- und Garifuna-Regionen, die keinen Zugang zu anderen Medien wie Internet oder Telefon haben. Für diese Gemeinschaften bleibt das Radio das primäre Kommunikationsmittel.

Nach einer Studie von Radioslibres.net von 2014, die sich mit der Anzahl von Radiostationen in Lateinamerika auseinandergesetzt hat, können in ganz Honduras 1.063 (sowohl AM als auch FM) empfangen werden. Darunter befinden sich kommerzielle und Community-Radios. Im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Staaten ist das sehr viel. Die genaue Anzahl der Community-Radios in Honduras ist nicht bekannt, aber 13 von ihnen gehören derzeit zum mittelamerikanischen Radionetzwerk. Darunter befinden sich sowohl Indigena- als auch Garifuna-Community-Radios.


Das erste indigene Radio

2004 wird durch COPINH das erste Community-Radio der Lenca gegründet: La voz Lenca: "La Voz del Pueblo" (Die Stimme der Lencas: "Die Stimme der Bevölkerung"). Über diese Radiostation werden die verschiedenen Aktivitäten von COPINH bekannt gegeben. La voz Lenca informiert über die relevanten Ereignisse in Honduras und motiviert die Zuhörer_innen, für ihre Rechte zu kämpfen. COPINH verfügt derzeit über fünf Community-Radios, die im ganzen Land zu hören sind. Sie gehören zum mittelamerikanischen Radionetzwerk mit dem Ziel, ihren Empfangsbereich zu erweitern und mehr Hörer_innen zu erreichen.

"Als Ergebnis erwarten wir, dass die Mitarbeiter_innen von La Voz Lenca durch das mittelamerikanische Radionetzwerk als Indigena-Korrespondent_innen wirken, Nachrichten der Lenca-Gemeinde bringen und Informationen über das Radio und die Lenca senden. Wir hoffen auch, dass die Community-Radios und Radioproduktionszentren Arbeitsplätze schaffen und als Treffpunkte der Gemeinden wirken. Und dass die Radio-Kampagnen das Bewusstsein über die Existenz von Kommunikationsrechten und ihrer Ausübung, nicht nur der Lenca-Bevölkerung, sondern der honduranischen Gesellschaft im Allgemeinen erhöhen", ist auf der Webseite von COPINH zu lesen.


Das erste feministische Radio

Ein weiteres Beispiel für die Bedeutung der Community-Radios in Honduras ist das erste feministische Radio: Red Radio "La Rojita" des nationalen Netzwerkes von Menschenrechtsverteidigerinnen, das 2013 in Honduras gegründet wurde. Es handelt sich um eine Gruppe von unterschiedlichen Frauen, die sich für die Wahrung der Rechte der Natur, die sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen sowie das Recht auf Community-Radios und Gemeingüter einsetzen.

"Eine Besonderheit unseres Netzwerkes von Menschenrechtverteidigerinnen besteht darin, dass wir Menschenrechte nicht als isolierte Angelegenheit betrachten, sondern in einem Szenario des extrem repressiven Staates sehen. Wir betrachten die Menschenrechte im Zusammenhang mit der Verteidigung der Territorien und mit dem Versuch, sich gegen ein System zu wehren, das extrem ausbeuterisch ist und unser Land Honduras quasi ein Preisschild umhängt", erzählt Berta Zuñiga, die Tochter von Berta Cáceres.

Als Werkzeug des Aktivismus gründete das Netzwerk das erste feministische Community-Radio in Honduras mit den Stimmen von Frauen, darunter Studentinnen, Lehrerinnen, Mütter und viele andere, aber vor allem Aktivistinnen, die sich für den Abbau des patriarchalen Systems im Land einsetzen, indem sie Frauenrechte und Weiblichkeit hochhalten. Durch das Radio soll ein Raum geschaffen werden, wo Frauen ihre Bedürfnisse äußern und ihre Menschenrechte verteidigen können, mit dem Ziel, in ganz Honduras gehört zu werden und andere Frauen zu erreichen.

"Unser Community-Frauenradio hat eine sehr wichtige Rolle. Wir sind gut vernetzt, wir sind nicht ein einzelnes freies Radio, sondern wir gehören zu einem Netzwerk von freien Community-Radios in Honduras, und als solches sind wir auch mit den Nachbarländern in Zentralamerika gut vernetzt. Die Arbeit all dieser Radiostationen ist ganz, ganz wichtig, weil es bei uns ein starkes Medienmonopol gibt. Große Medienunternehmen dominieren die gesellschaftliche Meinung. Wir versuchen immer wieder dagegen anzukämpfen. Wir versuchen, andere Realitäten, andere Formen von Widerstand zu demonstrieren und gegen die großen Medienkampagnen, die auch gegen uns geführt werden, anzugehen", so Berta Zuñiga.


Erschwerte Bedingungen

Doch im Radio tätig zu sein bleibt in Honduras nicht ohne Konsequenzen. 2014 wurde von der Regierung eine neue technische Vorschrift für den Betrieb und die Präsentation von Broadcast-Diensten wie Community-Radios eingesetzt, wonach nur rechtmäßig gegründete und vom Staat anerkannte Organisationen Radiofrequenzen erhalten können. Dabei wurde die Vorgehensweise der Community-Radiostationen, die innerhalb von Gemeinschaften entstehen und zur Ausübung des legitimen Rechts auf Kommunikation agieren, völlig ignoriert. Hinzu kommt, dass die neue Verordnung, statt die Begünstigung der Community-Radios zu schaffen, durch inhaltliche Prüfung, Beschlagnahme von Geräten und Kriminalisierung von Journalist_innen Kontrolle ausübt.

Derzeit kämpft COPINH zusammen mit anderen Organisationen weiterhin gegen die Bedrohungen der Meinungsfreiheit der Bevölkerung in Honduras.

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Hörtipp: "COPINH - Ein antikapitalistisches, antirassistisches und antipatriarchales Gegenmodell in Honduras" aus der Sendereihe "Globale Dialoge" ist jederzeit abrufbar unter:
http://noso.at/?p=4402

Webtipps:
www.copinh.org
Studie zu Radios in Honduras:
http://radioslibres.net/article/cuantas-radios-hay
Red Radio:
http://redefensorashn.blogspot.co.at/p/qui.html

Zur Autorin: Tania Pilz ist in Nicaragua geboren. Derzeit studiert sie Publizistik an der Universität Wien. Über Lateinamerika berichtet sie auch innerhalb der Sendereihe "Globale Dialoge" von Women on Air. Sie lebt in Wien.

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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 133, 3/2015, S. 18-19
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
Sensengasse 3, A-1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2015

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