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FRAGEN/005: Harald Lesch übernimmt »Abenteuer Forschung« (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 9/08 - September 2008
Zeitschrift für Astronomie

»Für gute Wissenschaftskommunikation gibt es kein Viagra«

Von Thomas Wingerter


Der Astrophysiker Harald Lesch übernimmt von Joachim Bublath die Moderation des ZDF-Wissenschaftsmagazins »Abenteuer Forschung«. Im Interview verrät er, wie er Astronomie für ein Millionenpublikum interessant machen will.


Thomas Wingerter: Herr Professor Lesch, ab September moderieren Sie mit »Abenteuer Forschung« eine der beliebtesten Fernsehsendungen über Wissenschaft. Wo liegt die größte Herausforderung für Sie dabei?

Harald Lesch: »Abenteuer Forschung« ist eine richtig komponierte Sendung, das heißt, die Redaktion macht sich vorher ganz genau Gedanken darum, welche Fragen behandelt werden sollen, welches Bildmaterial benötigt wird und was am Ende dabei herauskommen soll. Ich treffe hier auf ein eingespieltes Team. In meiner Sendung »Alpha Centauri« im Bayerischen Fernsehen konnte ich sehr viel improvisieren - ein völlig anderes Konzept. Die Herausforderung für mich besteht also darin, mich auf diese Arbeitsweise im Team von »Abenteuer Forschung« einzulassen - und für das ZDF, sich auf einen Improvisationskünstler einzulassen.

Thomas Wingerter: Sie sind ja bereits in Tuchfühlung mit den Redakteuren. Stimmt die Chemie zwischen Ihnen?

Harald Lesch: Bis jetzt habe ich nur gute Erfahrungen gemacht. Die Redaktion arbeitet sehr professionell und es ist sehr angenehm, dort mitzumachen. Meinen Professorenkollegen sage ich immer: »Wenn ihr was wirklich Angenehmes erleben wollt, dann geht zum Fernsehen«, denn im Gegensatz zur Universität sind alle am Set daran interessiert, dass etwas Gutes dabei herauskommt. Der Weg von der Universität hin zum Fernsehen ist gewissermaßen eine Kopernikanische Wende.

Thomas Wingerter: Wieviele Köpfe zählt Ihr Team beim ZDF und welche Fachkompetenzen bringen die einzelnen Mitarbeiter mit?

Harald Lesch: Wir haben eine Physikerin, vier Biologen, eine Mathematikerin, zwei oder drei Leute, die in der Verwaltung tätig sind und einen Regisseur. Da ich mich ja auch zum Redaktionsstab dazu zähle, sind also momentan Physik und Biologie ganz stark vertreten. Ich wünsche mir, dass wir noch jemanden aus den Geowissenschaften für das Redaktionsteam dazu bekommen, weil ich glaube, dass das in Zukunft noch ein ziemlich wichtiges Thema werden wird. Außerdem hätte ich gern jemand aus der Philosophie mit dabei, aber man kann nicht alles haben. Manchmal muss man erst ein bisschen warten. Das hängt ja auch davon ab, wie alles läuft.

Thomas Wingerter: Wie gestaltet sich Ihre Aufgabe im Team konkret - geben Sie beispielsweise die Themen vor?

Harald Lesch: Momentan arbeite ich mit allen anderen zusammen an den ersten drei Sendungen. Wir haben drei große Themenblöcke geplant, die wir nach einem bestimmten Schema eintüten - wie genau, das bleibt freilich ein Geheimnis. Zusammen mit dem Dramaturgen haben wir ein Verfahren erarbeitet, wie wir die Sendung in Zukunft neu inszenieren wollen. Ich bin sowohl an der Themenfindung als auch an der Reihenfolge der jeweiligen Teilaspekte eines gewählten Themas beteiligt.

Thomas Wingerter: Werden Sie wie bei »Alpha Centauri« monothematische Sendungen machen?

Harald Lesch: Ja, es wird kein Potpourri werden, sondern sicherlich wesentlich reduzierter sein als bisher bei »Abenteuer Forschung«. Die Informationsdichte in der Sendung war sehr hoch, wir werden das deutlich auflockern. Es wird also langsamer gehen und zwischendurch mehr erklärt werden.

Das Grundkonzept, das Joachim Bublath entwickelt hat, ist ja gut, die hatten ja ein Riesenpublikum. Im Vergleich zu meinen netten, kleinen feinen BR-alpha-Sendungen ist das eine völlig andere Liga. Deshalb habe ich ja im ersten Moment, als das ZDF mich angerufen hat, gesagt: »Ihr wollt mich wohl veräppeln, das ist doch 'Vorsicht Kamera' hier. Aber jetzt geht es darum, den Stil zu verändern, denn ich bin ein großer Freund davon, gewisse Dinge zu wiederholen und pointierter zu formulieren - vor allen Dingen: die Leute dort abzuholen, wo sie sind, und nicht da, wo ich sie gern hätte. Das heißt, ich kümmere mich um die Sollbruchstellen, das ist meine Hauptaufgabe in der Redaktion: Immer wieder zu gucken, wo eine zusätzliche Moderation hilfreich sein wird.

Thomas Wingerter: Welche Themen werden Sie beim ZDF anpacken, und welchen Anteil werden Ihre bisherigen Lieblingsthemen Astronomie, Kosmologie und Raumfahrt haben?

Harald Lesch: Im nächsten Jahr, dem »Internationalen Jahr der Astronomie«, werden wir viel darüber präsentieren. Auch die Ressourcenproblematik und »Zivilisation als Phänomen« werden interessante Themen sein. Wir werden uns auch über Entwicklungen in der Anthropologie genauso hermachen wie über die Entwicklungen der Neurowissenschaften. Das heißt, wir haben die gesamte Bandbreite der Naturwissenschaften vor Augen. Meiner Redaktion habe ich schon angedroht, dass ich die philosophische Reflexion dabei nicht unterdrücken kann - weder sprachlich noch sonst irgendwie. Ich bin überzeugt, dass die Zuschauer das von einer Wissenschaftssendung erwarten: dass es eine klare Ansage gibt, in welche Richtung es gehen muss.

Thomas Wingerter: Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?

Harald Lesch: Nehmen Sie die Kraftwerkstechnologie. Sich in Deutschland aus der Braunkohle-Kraftwerkstechnologie zurückzuziehen, halte ich für völlig falsch. Im Gegenteil: Man muss jetzt eine Technologie entwickeln, die möglichst wenig CO2 erzeugt, weil die Inder, Chinesen und Brasilianer in den nächsten vierzig Jahren unglaublich viele Braunkohlekraftwerke in Betrieb nehmen werden. Momentan passiert das mit einer Taktfrequenz von 16 oder 17 Tagen! Das heißt, wir müssen die richtige Technik anbieten, selbst wenn wir sie verschenken - Hauptsache, es wird möglichst wenig CO2 ausgestoßen.

Thomas Wingerter: Wissenschaftssendungen werden oft als Infotainment kritisiert - oberflächige Erklärungen und viele Computeranimationen. Wie sehen Sie hier »Abenteuer Forschung«?

Harald Lesch: Wenn ich moderiere, sehe ich mich nicht nur als Strohmann, der den menschlichen Faktor bedient, sondern mir geht es darum, etwas zu erklären.

An erster Stelle bin ich Hochschullehrer, das ist für mich das A und O. Was bis jetzt bei »Abenteuer Forschung« gemacht wurde, war gut. Aber wenn man mich auf so eine Sendung loslässt, muss man sich damit abfinden, dass ich mit allem, was ich mache, versuche, den Leuten beizubringen: Wissenschaft ist eines der grandiosesten intellektuellen Unternehmen, die Menschen jemals gemacht haben - wahrscheinlich das erfolgreichste Unterfangen überhaupt, mit all seinen Schattenseiten natürlich.

Jemand, der die Sendung gesehen hat, soll zumindest sagen können: »Es ist plausibel, was der Mann mir erzählt hat.« Der nächste Schritt wäre, die Zuschauer zu motivieren: »Guck mal auf unsere Homepage, da haben wir Literatur angegeben, mit der du dich weiter informieren kannst.« In der Sendung selbst kann ich freilich nur Appetit machen, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Thomas Wingerter: Ist es nicht fast unmöglich, mit den Mitteln des Fernsehens Wissenschaft anspruchsvoll und mit einem gewissen Niveau zu präsentieren? Beim ZDF müssen Sie ja ein Millionenpublikum befriedigen. Wie flach darf es also werden?

Harald Lesch: Als ich 1998 mit »Alpha Centauri« anfing, hatte ich auch keine Ahnung, ob das überhaupt jemand angucken würde. Ganz wichtig ist die Botschaft ganz am Anfang: »Guck dir das doch mal an, und keine ich auch keine Ahnung, ob das überhaupt jemand angucken würde. Ganz wichtig ist die Botschaft ganz am Anfang: »Guck dir das doch mal an, und keine ich auch keine Ahnung, ob das überhaupt jemand angucken würde. Ganz wichtig ist die Botschaft ganz am Anfang: »Guck dir das doch mal an, und keine Bange - ich bin bei dir, es kann dir gar nichts passieren.« Dann müssen wir relativ flott auf das Thema kommen.

Wenn es gelingt, die ersten Sekunden so hinzukriegen, wie das bei »Alpha Centauri« oft genug der Fall war, dann gibt es keinen Grund, flach zu werden - im Gegenteil: Wenn ich mir solche Moderationen beim ZDF leisten kann, sehe ich eine große Chance, ein wirklich gutes Niveau zu halten und Flachheit eher zum Thema zu machen - vielleicht mit dem Satz: »So, und jetzt wird's schwierig. Machen Sie sich keinen Kopp draus, Sie müssen das jetzt nicht gleich verstehen, aber gucken Sie sich das mal in Ruhe an, und ich erkläre Ihnen hinterher, was Sie gesehen haben.«

Thomas Wingerter: Werden Sie neben Ihrer Tätigkeit beim ZDF überhaupt noch Zeit für Ihre Wissenschaft haben, oder hängen Sie den Forscherkittel erst mal an den Nagel?

Harald Lesch: Nein, das hab ich bis jetzt immer gut hingekriegt, und das werde ich auch weiterhin tun. Meine Forschung ist analytische Theorie, ich arbeite mit Bleistift und Papier und bin nicht so sehr auf aufwändige Experimente angewiesen. Das heißt, ich publiziere weiter als Wissenschaftler, arbeite in Kooperationen mit, bilde Studenten aus, und so weiter. Durch die Exzellenzinitiative in München herrschen ja paradiesische Zustände, und das Institut macht es mir leicht, diese Dinge zu kombinieren.

Thomas Wingerter: Wie beurteilen Ihre Fachkollegen aus der Wissenschaft Ihre Doppelrolle als Forscher und Fernsehmoderator?

Harald Lesch (lacht): Also, es hat mir noch keiner ins Gesicht gesagt: »Was du da machst, ist ja totaler Mumpitz.« Als bekannt wurde, dass ich beim ZDF anfangen möchte, habe ich mich natürlich erst bei meiner Uni erkundigt, ob das geht und wenn ja - zu welchen Konditionen. Die Reaktionen waren durchweg positiv - und nicht etwa unter dem Argument, das wäre ja auch für die Ludwig-Maximilians-Universität ein Alleinstellungsmerkmal. An den Universitäten wird das ja immer mehr und mehr zur argumentativen Keule.

Etwas anderes ist die Vorstellung, dass die Fernsehzuschauer klagen: »Könnten die nicht mal eine andere Nase nehmen?« Ich fände es prima, wenn es mehr Nasen aus der Reihe der Forscher gäbe, die in den Medien öffentlich werden und die auch ihre Meinung sagen. Zu Fragen der Wissenschaft und der Bildung insgesamt würde ich mir wünschen, dass die deutschen Intellektuellen viel lauter, viel klarer Position beziehen und Tacheles reden. Ich bemüh' mich ja, aber als Einzelner ist man eigentlich nur der Narr am Hofe des Königs. Wenn es ein paar mehr gäbe, würde auch für die Gesellschaft viel klarer sein, was für eine Bedeutung die Akademiker in Deutschland haben. Ich wünschte mir, wir hätten die Situation wie in Frankreich, wo auf diejenigen, die etwas von ihren Fächern verstehen, auch tatsächlich gehört wird.

Thomas Wingerter: Sollten sich Forscher selbst bei den Medien ins Gespräch bringen und auf ihre Arbeiten hinweisen? Wie ist hier die Situation speziell für Astronomen beziehungsweise für Kosmologen?

Harald Lesch: Der Astronomie geht es in dieser Hinsicht ja sehr gut. Sie ist ein wenig kontroverses Fach, sie produziert Bilder, und es geht um die großen Geheimnisse des Universums, das heißt, sie ist für die Medien hervorragend geeignet. Deshalb ist die Astronomie auch sehr gut in den Medien vertreten.

Wenn man dagegen zum Beispiel die Materialtechnik nimmt, die für die Zukunft unseres Planeten sicherlich von viel größerer Relevanz wäre, dann kommt diese Disziplin vergleichsweise außerordentlich schlecht weg, weil es hier zu schwierig und zu detailreich zugeht. Es dauert zum Beispiel sehr lange, bis man ein Material gefunden hat, das leicht und stabil ist. Damit darf man dann meist nicht an die Öffentlichkeit gehen, weil es patentrechtlich problematisch ist, und so weiter. Eine astronomische Entdeckung dagegen - die machst du und schon bist du auf der Frontpage der »New York Times«. Das hängt also sehr stark von dem Fach ab. Aber eines steht fest: In den Leitmedien - Fernsehen ist nach wie vor ein Leitmedium - treten leider viel zu wenige Wissenschaftler auf, die ihre eigene Position vertreten und nicht nur - passiv - Antworten in ein Mikrofon sprechen, wenn sie mal befragt werden.

Thomas Wingerter: In den USA ist es nichts Ungewöhnliches, wenn Wissenschaftler populäre Bücher schreiben oder in TV-Sendungen auftreten. Sind die USA das große Vorbild in Sachen Wissenschaftskommunikation?

Harald Lesch: Vor allem ist das eine Sache der Persönlichkeit der Einzelnen. Es ist schon mal gut, wenn ein System überhaupt die Möglichkeit bietet, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Früher wurde man in wissenschaftlichen Kreisen schräg angeguckt, wenn man sich zu sehr mit der Öffentlichkeit abgab, das ist heute auch bei uns nicht mehr so.

Aber die Amerikaner haben natürlich in vielerlei Hinsicht eine pragmatischere, sehr viel leichtere Sicht auf die Welt und auf die Wissenschaft. Das merkt man schon daran, wie rhetorische Fähigkeiten an den High Schools entwickelt werden und dass man viel mehr darauf aus ist, anderen zu erklären, was man eigentlich macht. Ich hab viel Theater gespielt und Kabarett gemacht und habe einfach gemerkt: Das gehört zu mir, es ist ein Teil meiner Person, da vorne zu stehen und Wissenschaft zu erzählen, ja, ich mach's einfach gern.

Thomas Wingerter: Ist gute Wissenschaftskommunikation eine Frage der Übung - eine Art Handwerk, das man lernen kann, oder ist das nur wenigen Forschern in die Wiege gelegt?

Harald Lesch: Schätzungsweise zwei Drittel der Kommunikation ist Handwerk. Der Rest ist der Lustfaktor, den kann man nicht lernen, und dafür gibt es kein Viagra.

Thomas Wingerter: Gibt es auch spannende Forschungsgebiete, über die man nie etwas liest oder hört, weil sie über die Medien schlicht nicht vermittelbar sind?

Harald Lesch: Ja, eine ganze Reihe - und unglücklicherweise hänge ich in mehreren davon mitten drin. Zum Beispiel Hochenergie-Astrophysik, also Gammastrahlen-Astronomie: Objekte, die Gammastrahlung abgeben, die Teilchen extrem stark beschleunigen, und die Frage danach, wie Magnetfelder eigentlich ins Universum kommen. Das ist seit vielen Jahren eines meiner ganz eigenen Projekte. Ich habe mich sogar darüber habilitiert. Genauer gesagt: Wie kriegen Galaxien zum Beispiel Magnetfelder zu Stande, und was ist ein Dynamo?

Das sind Themen, die sehr kompliziert und leider Gottes nicht so einfach zu erklären sind wie zum Beispiel die Tatsache, dass sich etwas schneller dreht, als es eigentlich sollte und deswegen noch etwas da sein muss, was es beschleunigt. So erklärt man ja heute zum Beispiel die Dunkle Materie recht flott. Bei Magnetfeldern kann man immer nur sagen: Ein elektrischer Strom induziert Magnetfelder, und wenn man irgendwo Magnetfelder beobachtet, heißt das, es fließen elektrische Ströme. Aber der »Otto Normalverbraucher« stellt sich darunter meist nur die im Kupferkabel fließenden Ströme vor.

Ein grandioses Thema, das viel zu wenig von den Medien behandelt wird, sind Pulsare - die letzte Tankstelle vor der Autobahn der Schwarzen Löcher, also die extremste Form von Materie, die wir noch beobachten können: zehn Kilometer große Kugeln, in denen mindestens 1,4 Sonnenmassen stecken. Doch insgesamt bin ich gar nicht so unzufrieden - die Darstellung von Astronomie ist ziemlich komplett, und man hat wirklich Gelegenheit, sich praktisch zu jedem astronomischen Thema sehr gut zu informieren - zum Beispiel über »Sterne und Weltraum« oder über »Spektrum der Wissenschaft«, wenn man es genauer wissen will. Vor einigen Jahren habe ich zum Beispiel mit Kollegen für »Sterne und Weltraum« einen Beitrag über Pulsare geschrieben, wobei wir richtig ins Eingemachte gegangen sind.

Thomas Wingerter: In »Alpha Centauri« haben Sie sich schon an das Thema »Dunkle Energie« herangewagt. Wäre das auch für ein Millionenpublikum geeignet?

Harald Lesch: Dunkle Energie ist spannend, aber es ist offenbar eher ein Problem der Elementarteilchenphysik herauszufinden, um welches skalare Feld es sich handeln könnte - und weil man wahrscheinlich nur im Labor herauskriegt, ob es eine bestimmte Familie von Teilchen gibt, die ab bestimmten Energien überhaupt auftauchen können, obwohl sie ja astrophysikalisch begründet sind. Wenn wir einmal ein skalares Feld - also ein Wirkungsfeld - gefunden haben, das überall gleich ist wie das Higgs-Feld, das jetzt am Large Hadron Collider am CERN untersucht wird, dann könnte man sicher sein, dass es ein skalares Feld gibt, das die entsprechenden Eigenschaften hat, wie wir sie im Universum beobachten. Bei der Dunklen Materie ist es genau das Gleiche: Wenn wir tatsächlich am Large Hadron Collider Indizien für die so genannte Supersymmetrie finden würden, dann hätten wir eine Klasse von Teilchen zur Verfügung, die im Prinzip die Eigenschaften haben, wie sie für die Kalte Dunkle Materie sein muss.

Thomas Wingerter: Welches astronomische Phänomen finden Sie persönlich am spannendsten?

Harald Lesch: Astronomisch finde ich es nach wie vor unglaublich herausfordernd, Planeten zu finden, die so groß und so weit weg sind von ihren Sternen wie die Erde von der Sonne. Das wäre nach wie vor für mich die Frage schlechthin: Finden wir Planeten in der Milchstraße, die Anzeichen von biologischer Aktivität zeigen? Das wäre für mich das Größte!

Thomas Wingerter: Nochmal zurück zum Fernsehen. Angesichts der sehr späten Sendezeiten war »Alpha Centauri« sehr erfolgreich. Was war das Erfolgsrezept?

Harald Lesch: Offenbar war es der Stil, einfach nur über Wissenschaft zu sprechen. Für die Zuschauer war es schlicht faszinierend, einfach jemandem 15 Minuten zuzuhören, wie er sich über eine Frage Gedanken macht, die man sich weder selbst gestellt noch irgendeine Ahnung gehabt hätte, woher die Antwort kommt. Dazu kam der Anstoß, immer wieder die Verbindung herzustellen: »Was hat das alles eigentlich mit mir zu tun? Wovon spricht der?« So eine Sendung würde ich auch sofort beim ZDF machen. Ich halte das Konzept von »Alpha Centauri« für absolut grandios.

Thomas Wingerter: Beim Sender BR-alpha sind Sie ein Mann der ersten Stunde gewesen. »Alpha Centauri« endete recht überraschend. Wie kam es überhaupt zur Einstellung der Sendung?

Harald Lesch: Es gab gewisse finanzielle Randbedingungen, deswegen konnte nicht weiter gedreht, sondern es konnten zunächst nur Wiederholungen aus den bis dahin 217 Sendungen gesendet werden. Für 2008 sind im Grunde genommen schon Sendungen anvisiert, aber so, wie es jetzt aussieht, werde ich das gar nicht machen können, weil die Universität mir bereits die Nebentätigkeit fürs ZDF genehmigt hat.

Thomas Wingerter: Ihre ersten Kosmologie-Erklärungen haben Sie in der Kneipe Ihrer Eltern zum Besten gegeben, während ihres Studiums waren sie Mitglied der Kabarettgruppe »Die Hammerhaie«. War das alles hilfreich für Ihre Karriere?

Harald Lesch: Ja. Es geht eigentlich immer nur um den Aufmerksamkeitseffekt und um zu sehen, wie die Anderen reagieren. Alles, was ich auf der Bühne gemacht habe, ist einerseits eine fantastische Übung und andererseits hatte ich dabei immer das Gefühl: Das ist genau das, was ich machen will.

Thomas Wingerter: Von welcher Reportage träumen Sie, was wäre die ultimative Story?

Harald Lesch: »Unser Kosmos« von Carl Sagan noch mal neu zu drehen - das volle Programm, in einem virtuellen Studio in der Cockpit-Situation eines Raumschiffs. Das hätte eine klare Erzählsituation - vielleicht als ein alter Captain, der von seinen Reisen durch den Raum erzählt auf die Art »Sie ahnen ja gar nicht, was wir da erlebt haben! « und es wäre gleichzeitig mit grandiosem Bildmaterial darzustellen, ohne dass die Erzählung darunter leidet. Ich träume also von einer Sendereihe »Die größte Geschichte aller Zeiten«, und die würde über Astronomie sein.


Weitere Ausschnitte des Interviews mit Harald Lesch stehen kostenfrei als Videomitschnitt im Internet bereit:
www.astronomie-heute.de/

© 2008 Thomas Wingerter, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 9/08 - September 2008, Seite 60-64
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
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Internet: www.astronomie-heute.de

Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2008