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FRAGEN/009: Universität zu Köln ist Gastgeber für deutsche "Angst-Forscher" (idw)


Universität zu Köln - 24.03.2010

Universität zu Köln ist Gastgeber für deutsche "Angst-Forscher"

Zwei Tage lang sprechen deutsche Medienwissenschaftler darüber, wie in Filmen mit der Angst gespielt wird


"Shutter Island", "Auftrag Rache" oder "Up in the air" - schaut man ins aktuelle Kinoprogramm, merkt man, dass sich über die Hälfte der Filme mit irgendwelchen Ängsten - Gehirnwäsche, Tod oder Arbeitslosigkeit - beschäftigen. Für die Kölner Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Irmela Schneider ist das kein Zufall. "Es gibt eine Angstkonjunktur im Film, die dauerhaft sein wird", sagt Schneider. (Das komplette Interview mit Prof. Schneider finden Sie untern).

Als Gastgeberin empfängt die Professorin am Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft der Universität zu Köln vom 24. bis 26. März Wissenschaftler aus ganz Deutschland, die sich zwei Tage lang mit dem Thema "Angst und Film" beschäftigen.

Bei diesem zweitägigen Workshop sprechen die Wissenschaftler, die sich im Netzwerk "Spielformen der Angst" der Deutschen Forschungsgemeinschaft organisieren, vor allem über konstruierte Angstszenarien in Filmen.

Hintergrund:
Das wissenschaftliche Netzwerk "Spielformen der Angst" beschäftigt sich - ausgehend von der sich abzeichnenden Angst-Konjunktur im Kontext aktueller Gesellschaftsdebatten (z.B.: Terror, Klimawandel, demografischer Wandel) - in kulturwissenschaftlich-kritischer Perspektive mit der Frage, wie Ängste auf der kollektiven Ebene (medial) konstruiert, kommuniziert und reflektiert werden, und welche politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Effekte die Angst-Kommunikation im Zuge politisch-kultureller Rückkopplung hat bzw. haben kann.

Wann: 24. - 26. März 2010
Wo: Universität zu Köln, Hauptgebäude
Alter Senatssaal
Albertus-Magnus Platz, 50923 Köln



"Es wird bewusst mit Ängsten operiert "

Angstgefühle haben in der deutschen Filmlandschaft gerade Hochkonjunktur. Für die Kölner Medienwissenschaftlerin Dr. Irmela Schneider, Professorin am Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft der Universität zu Köln, erzeugen diese konstruierten Ängste auch politische und gesellschaftliche Effekte.


Frage: Frau Professor Schneider, schaut man ins aktuelle Kinoprogramm, merkt man, dass sich über die Hälfte der Filme mit irgendwelchen Ängsten beschäftigen. Reiner Zufall?

Schneider: Keineswegs. Es ist aber auch kein Trend, der vorübergeht. Vielmehr gibt es eine Angstkonjunktur im Film, die dauerhaft sein wird.

Frage: Wie werden die Ängste medial konstruiert?

Schneider: Filme, die Angst inszenieren und mit unseren Ängsten spielen, sind klar aufgebaut. Sie zeigen einen Zustand vor der Angst und sie bauen mühsam einen Zustand der Angst auf. Am Ende muss der Kinozuschauer mit dieser Angst aber nicht nach Hause gehen, sondern sie wird mit einer versteckten Ratgeberbotschaft aufgelöst.

Frage:
Angst wird also bewusst erzeugt, um zu regulieren.

Schneider: Vor allem aber auch sich selbst zu regulieren. Die Inszenierung der Angst vor Zigarettenrauch beispielsweise reguliert, dass viele Leute dem Rauch aus dem Weg gehen. Ohne all die kleinen Regulierungen funktionieren Gesellschaften nicht. Wichtig bei der Angst in Filmen ist, dass immer auch ein Lösungsmodell aufgezeigt wird, wie man wieder aus dieser Angst heraus kommt.

Frage: Das da lautet?

Schneider: Wir sagen euch, wie ihr eins mit euch selbst werdet und im Leben zu Recht kommt.

Frage: Angst wird also benutzt, um Botschaften zu transportieren.

Schneider: Genau. Mit solchen Angstszenarien wie in Filmen wird das betrieben, was man als Wahrheitspolitik bezeichnen kann. Angst zu haben ist demnach berechtigt, und die Botschaft lautet: Wir tun etwas, damit die Angst genommen wird. Zum Beispiel: Wir überwachen euch genauer. Wir speichern eure Daten.

Frage: Mit "wir" meinen Sie den Staat.

Schneider: Nicht nur. Mit "wir" sind alle Instanzen und Dinge gemeint, die uns im Leben auf irgendeine Weise regulieren.

Frage: Also auch die Industrie.

Schneider: Ja, im ganz hohen Maße. Das ist aber auch das Erziehungssystem, die Universität beispielsweise. So wird die Angst vor Arbeitslosigkeit durch bestimmte Ratgeber für bestimmte Studiengänge kanalisiert. Gerade jetzt im Wahlkampf nutzen die Parteien die Ängste der Menschen, um ihre Lösungsmodelle aufzuzeigen. Es gibt viele Ängste, mit denen die Parteien bewusst operieren. Und das machen alle Parteien. Manche nutzen die Angst vor der Arbeitslosigkeit, andere die Angst vor der Umweltverschmutzung. Doch diese Ängste werden nicht nur erfunden, sondern wachsen auf einem Nährboden von Ängsten, der stets vorhanden ist.

H., Presse und Kommunikation

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution19


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität zu Köln, Gabriele Rutzen, 24.03.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2010