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FRAGEN/016: Die Dokumentarfilmerin Brigitte Weich im Interview (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 116, 2/11

Der aufrechte Gang bleibt - Nordkoreanische Fußballerinnen im Fokus
Die Dokumentarfilmerin Brigitte Weich im Interview

Von Helga Neumayer und Claudia Dal-Bianco


Anfang Juni(1) startet der Dokumentarfilm "Hana, Dul, Sed ..." in den österreichischen Kinos. Der Film zeigt das Leben - Höhepunkte, Misserfolge und den normalen Alltag - von vier ehemaligen nordkoreanischen Fußballnationalspielerinnen. Im Interview mit der Frauensolidarität beschreibt Regisseurin Brigitte Weich die Hintergründe der preisgekrönten Arbeit.
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FRAUENSOLIDARITÄT: Wie kamen Sie zum Thema?

BRIGITTE WEICH: Die Frage ist viel eher: wie kam ich zu dem Filmemachen? "Hana, Dul, Sed ..." ist mein erster Film. Bevor ich in dieses Projekt gestolpert bin, hatte ich nicht den geringsten Plan, je einen Film zu machen. Ich habe im Oktober 2002 das Pjöngjang Filmfestival besucht und dort vom nationalen Frauenfußball gehört, der damals zum ersten Mal den Asienmeistertitel geholt hatte. Ich wollte ein Spiel ansehen, aber in Nordkorea ist es undenkbar, sich als Ausländerin frei zu bewegen und die Gegend zu erforschen, "Alltagsorte" abseits der Mausoleen und anderer Inszenierungen der allgegenwärtigen Führerverehrung zu besuchen. Insofern wurde meinem Wunsch nicht Folge geleistet, obwohl ich meine Reiseführerin täglich damit genervt habe. Also meinte ich irgendwann leichthin, darüber sollte mal jemand einen Film machen. Ein knappes halbes Jahr später stand ich selbst als Regisseurin und Produzentin am Set dieses Films, der sieben Jahre später der beste österreichische Dokumentarfilm des Jahres werden sollte.

FRAUENSOLIDARITÄT: Ist Sport im Allgemeinen eine Option für nordkoreanische Frauen?

BRIGITTE WEICH: Ich denke, Sport ist immer eine Option, mehr oder weniger. In Österreich etwa wird man als Frau im Fußball kein Leiberl reißen. Mit Skifahren könnte es schon besser aussehen. Vielleicht ist es in kommunistischen Ländern ganz besonders so, dass der Sport eine gute Karriere verspricht, weil er eines der wenigen Dinge ist, mit denen diese Länder international punkten können. Und weil er strikter "verordnenbar" ist: hat man den Führer überzeugt, dann passiert es. In Österreich muss man Didi Mateschitz oder Frank Stronach überzeugen. Und die handeln wohl weniger nach dem Nationalstolz, der sich gegenüber anderen Ländern lukrieren lässt, sondern nach den Mengen an Energydrinks, die konsumiert werden, oder nach steuerlichen Abschreibposten.

FRAUENSOLIDARITÄT: Sind die Leben der gezeigten Sportlerinnen repräsentativ für Leben von Frauen in Nordkorea?

BRIGITTE WEICH: Sie sind Topkarrierefrauen: viel besser geht es nicht. Sie werden mit Orden und mit materiellen Gütern wie mit einer Wohnung oder extra Essensrationen ausgezeichnet. Sie können ins Ausland reisen. Sie dürfen in der Hauptstadt Pjöngjang leben und ihre Familien dorthin nachholen, und sie sind stolz darauf! Also ja, für die privilegierte Klasse ist es repräsentativ. Andere Leben habe ich nicht erforscht, aber allein daran, dass es Privilegien sind, zeigt sich, dass jene, die die nicht haben, wohl anders leben. Nordkorea ist ein armes Land. Ende der 1990er Jahre verhungerten Menschen. Meine Spielerinnen erzählen im Film, dass sie in den Trainingszentren eine bevorzugte Versorgungssituation hatten: also mitunter ist die Privilegierung dort eine Überlebensfrage. Was Geschlechterklischees betrifft, sind sie überhaupt nicht repräsentativ, zumindest für eine kurze Zeit in ihrem Leben: da sind sie nicht die schönen, zarten, bescheidenen Blumen, sondern sie sind stark und laut, sie schwitzen, spucken, schmeißen sich in den Dreck. Ist aber die aktive Karriere vorbei, werden sie flott wieder in die Schubladen eingeordnet. Ob das bruchlos möglich ist? Ob nicht der einmal erlernte aufrechte Gang irgendwo für immer in einen Menschen eingeschrieben bleibt? Das war vielleicht überhaupt meine "Forschungsfrage" in diesem Film. Und alles, was ich herausgefunden habe, ist in "Hana, Dul, Sed ..." verpackt.


Anmerkungen:

(1) Der Dokumentarfilm "Hana, Dul, Sed ..." (2009) startet voraussichtlich am 10. Juni 2011 im Wiener Stadtkino (www. stadtkinowien.at), wo auch die Filmrechte liegen.

(2) Der Film wurde bereits 2009 bei der Viennale gezeigt, verzeichnete dort großen Erfolg, und 2010 gewannen die beiden Regisseurinnen Brigitte Weich und Karin Macher den Großen Dokumentarfilmpreis der Diagonale für den besten österreichischen Dokumentarfilm.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 116, 2/2011, S. 26
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Sensengasse 3, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
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Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2011