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FRAGEN/018: Lokal-TV - warum sollte das nicht funktionieren? (Unijournal Trier)


Unijournal Heft Nr. 1/2012 - Zeitschrift der Universität Trier

Lokal-TV - warum sollte das nicht funktionieren?

Prof. Dr. Hans-Jürgen Bucher hat die Erfolgsfaktoren akribisch erforscht

Die Fragen stellte Peter Kuntz



Erfolgreiches Lokalfernsehen? Das klingt mit einem Blick auf eine Kette kümmerlicher Realisierungsversuche in der bundesdeutschen Medienlandschaft wie Anachronismus. Prof. Dr. Hans-Jürgen Bucher glaubt dennoch an die Chancen von Lokalsendern. Der Wissenschaftler fühlt sich dabei keineswegs als Medienromantiker, sondern beruft sich auf die Ergebnisse seiner aktuellen, groß angelegten Studie, die vom Wissenschaftsministerium Rheinland-Pfalz und der Nikolaus Koch Stiftung gefördert wurde.


Peter Kuntz: Herr Bucher, Sie haben in Ihrer Studie Erfolgsfaktoren für lokales Fernsehen herausgearbeitet. In der rheinland-pfälzischen Medienlandschaft sind erfolgreiche lokale Fernsehprojekte schwerlich auszumachen. Schauen Sie auf der Basis Ihrer Ergebnisse in eine bessere Zukunft für lokal-regionales Fernsehen?

Prof. Dr. Hans-Jürgen Bucher: Die Ausgangsthese unseres Projektes war: Ökonomischer Erfolg ist nur möglich, wenn die journalistische Qualität des Angebotes stimmt. Für das Lokalfernsehen der USA ist dieser Zusammenhang von Qualität und Erfolg in einer großen Studie über rund 150 Anbieter nachgewiesen worden. Als Vorbereitung für unsere Studie haben wir die derzeitigen Lokal-TV-Angebote in Rheinland-Pfalz analysiert - darunter auch Antenne West - und dabei festgestellt, dass sie in weiten Teilen nicht den journalistischen Standards eines lokalen Fernsehangebotes entsprechen. Das zeigt sich beispielsweise auch in der Verwischung von redaktionellen Inhalten und Werbung.

Kuntz: Was muss Lokalfernsehen leisten, um journalistisch und wirtschaftlich erfolgreich zu sein?

Bucher: Diese Frage haben wir gleich zu Beginn unserer Studie auch rund 50 Trierern per Telefon gestellt - denn für die sollte das Lokalfernsehangebot ja passen. Das Ergebnis hat uns nicht so sehr überrascht, aber es stellt die vorherrschenden Konzepte für lokales Fernsehen ganz grundsätzlich in Frage: Die Zuschauer wollen kein "quick and dirty" produziertes Unterhaltungsfernsehen mit seichten Themen, sondern sie wünschen sich einen kritischen Informationsjournalismus, der Themen aus der Lokalpolitik aufgreift und auch Diskussionen von öffentlich relevanten Themen moderiert.

Kuntz: Das Forschungsdesign hat die Produktion von Mustersendungen beinhaltet. Mit diesen Prototypen für erfolgreiche TV-Produktionen setzen Sie sich der Beobachtung und Bewertung durch Fernsehmacher aus. Haben Sie diesen Aspekt bewusst einkalkuliert?

Bucher: Meines Wissens ist unsere Studie die erste, die auf der Basis von Forschungshypothesen Mustersendungen produziert und diese dann von einem festen Panel von rund 50 Personen über einen Zeitraum von 18 Monaten bewerten lässt. Dadurch war es möglich, gezielt bestimmte Faktoren zu modifizieren, um dann zu überprüfen, wie sie sich auf die Akzeptanz von Sendungen auswirken. Wir haben beispielsweise verschiedene Sendungsformate produziert, wie eine monothematische Gesundheitssendung oder ein multithematisches aktuelles Informationsmagazin oder eine lokale Nachrichtensendung mit und ohne Sprecher, wir haben männliche und weibliche Moderatoren eingesetzt oder eine Moderation im virtuellen Studio gegen eine Moderation am Ort des berichteten Ereignisses oder Themas ausgetauscht. In unserem Blickaufzeichnungslabor haben wir z.B. auch getestet, wie die Zuschauer eine Informationsgrafik, die den komplizierten Haushalt der Stadt Trier erklärt, verstehen oder wie sie dem Wetterbericht folgen. Auf diese Weise war es möglich, sehr punktgenau zu erfassen, welche Kriterien aus Sicht der Zuschauer für gutes lokales Fernsehen erfüllt sein müssen. Die "Professionalität" der Sendungen haben uns im Übrigen die Zuschauer selbst immer wieder bescheinigt.

Kuntz: Als den bedeutendsten Erfolgsfaktor für lokales Fernsehen nennen Sie journalistische Qualität. Haben Ihre Definitionen journalistischer Qualität Abweichungen von bisher gängigen Standards erbracht?

Bucher: Lokales Fernsehen ist in Deutschland ein relativ neues Medium, das seine Funktion im Konzert bereits etablierter Medien wie der Lokalzeitung oder dem lokalen Hörfunk erst noch finden muss. Insofern sind die Qualitätsstandards für lokales Fernsehen aus wissenschaftlicher Sicht noch alles andere als geklärt. Unsere Studie wollte dazu einen Beitrag leisten. Einen Mythos konnte sie dabei ausräumen: Es reicht nicht aus, dass lokales Fernsehen einfach lokale Themen aufgreift. Lokales Fernsehen muss so gut sein wie "richtiges" Fernsehen, damit es von den Zuschauern akzeptiert wird. Die Messlatte ist nicht der Offene Kanal, sondern das professionelle überregionale Fernsehen. Wir haben deshalb unsere Sendungen mit dem professionellen Produktionsstudio "mediaworkx" im Trierer Wissenschaftspark hergestellt.

Kuntz: In welcher Rolle sehen Sie öffentlich finanzierte Bürgersender wie den OK54 in Trier im regionalen Medienmix?

Bucher: Der OK hat eine ganze Reihe von Funktionen in der Lokalkommunikation. Er dient beispielsweise bestimmten Gruppen und Einrichtungen zur Verbreitung ihrer Themen und ihrer Sicht der lokalen Dinge. Er ist aber auch eine wichtige medienpädagogische Einrichtung. Gerade deshalb kann er aber eine kontinuierliche Lokalberichterstattung nicht leisten. Das würde eine entsprechende redaktionelle Organisationsform voraussetzen, die für journalistische Kontinuität sorgt. Das passt aber nicht besonders gut zur medienpädagogischen und partizipativen Konzeption der OKs in Rheinland-Pfalz.

Kuntz: Tageszeitungen machen großenteils auf ihren Internetplattformen mit Videos "Lokalfernsehen light". Sie profitieren dabei von vorhandenen journalistischen Kompetenzen und einer gefestigten Stellung auf dem Werbemarkt. Haben eigenständige und unabhängige lokale Fernsehangebote in diesem Terrain überhaupt eine Startchance?

Bucher: Die Euphorie der Tageszeitungen, auch noch Lokalfernsehen zu produzieren, hat sich ja merklich gelegt. Man hat offensichtlich gemerkt, dass es mit Fernsehen light nicht getan ist und dass richtiges Fernsehen erhebliche Ressourcen und Kompetenzen erfordert. Von daher ist es unrealistisch, lokales Fernsehen auf Dauer nebenher, gewissermaßen als Abfallprodukt einer Zeitungsredaktion produzieren zu wollen. Wir haben in unserem Projekt gerade aus diesem Grund auch ein Konzept für journalistische Aus- und Weiterbildung entwickelt, und auch in mehreren Kursen ausprobiert. Diese Idee eines "konvergenten Journalismus", der also verschiedene Mediengattungen verbindet, müsste sowohl in der Ausbildung von Journalisten als auch in der Organisation der Redaktionen erst verankert werden. Und warum sollten dann nicht Lokalzeitungen an der Produktion eines lokalen Fernsehangebotes beteiligt sein?

Kuntz: Angenommen, Ihnen würde Anschubkapital zur Verfügung gestellt, mit dem Sie einen unabhängigen lokalen Fernsehsender auf eigenes finanzielles Risiko etablieren sollen. Würden Sie das Risiko wagen?

Bucher: In den USA sind lokale Fernseh- und Hörfunkangebote schon über viele Jahre erfolgreich. Das liegt auch daran, dass hinter ihnen Fördervereine und spendenwillige Bürger stecken, die wissen, was sie an diesen Angeboten haben. Warum sollte das nicht in Trier funktionieren? Wir haben die Universität, lokale Medienanbieter, eine umtriebige Kulturszene, eine kommunikationsfreudige Kommune, die sich zusammenschließen könnten. Eine entsprechende Anschubfinanzierung könnte die Initialzündung sein. Die lokale Fernsehfrequenz ist derzeit zwar an City Radio Trier vergeben, wird aber meines Wissens nicht genutzt.


Literatur:

Hans-Jürgen Bucher/Maria Huggenberger/Martin Sauter/Peter Schumacher 2012:
Publizistische Qualität im lokalen Fernsehen.
Eine sendungsbezogene Rezeptionsstudie.
Baden-Baden (Nomos-Verlag)

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Quelle:
Unijournal 1/2012 - Zeitschrift der Universität Trier, S. 32-33
Jahrgang 38/2012
Herausgeber: Der Präsident
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2012