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FRAGEN/025: Warum Armut? - Regisseur Bosse Lindquist über Sinn und Nutzen von Hilfen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. November 2012

Entwicklung: Warum Armut? - Regisseur Bosse Lindquist über Sinn und Nutzen von Hilfen

von Becky Bergdahl


Bosse Lindquist - Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Bosse Lindquist

Bosse Lindquist
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Bosse Lindquist

New York, 16. November (IPS) - Mit der ehrgeizigen neuen Initiative 'Why Poverty' wollen acht preisgekrönte Regisseure und 30 Nachwuchstalente eine globale Debatte über die Gründe für Armut anstoßen. Sie drehten Dokumentarfilme über unterschiedliche Aspekte materieller Not. Dem schwedischen Filmemacher Bosse Lindquist zufolge besteht der einzige Weg, die Welt friedlicher und sicherer zu machen darin, auf eine gerechtere Welt hinzuarbeiten.

IPS sprach mit Lindquist über seinen Film 'Give us the money', der von Benefizkonzerten der millionenschweren Musiker Bono und Geldof handelt, die sich seit Jahren für die Ärmsten der Welt einsetzen. "Sie sind versierte Fürsprecher und Lobbyisten geworden, die sich für eine größere Unterstützung der Allerärmsten in Afrika einsetzen", sagte der Regisseur im IPS-Interview.

In der letzten Novemberwoche werden die Filme weltweit von 62 Sendern ausgestrahlt und damit potenziell 500 Millionen Zuschauer erreichen. In Deutschland sind sie am 27, 28. und 29. November auf ARTE zu sehen. Zu einem späteren Zeitpunkt wird im Internet über das Thema diskutiert.

'Why Poverty' wurde am 27. September am Sitz der Vereinten Nationen vorgestellt. Für die Umsetzung ist die Organisation 'Steps' verantwortlich, die in Dänemark und Südafrika ansässig ist. Ziel ist es nicht, Geld zu sammeln oder eine einzige Lösung für das Armutsproblem anzubieten, sondern Diskussionen über möglichst viele Aspekte der Armut anzuregen. Es folgt das Interview mit Lindquist in Auszügen:

IPS: Was hat Sie zu Ihrem Film inspiriert?

Bosse Lindquist: BBC, SVT und andere Medien, die die Aufträge vergaben, baten mich, Wohltätigkeitsaktionen im Entwicklungssektor unter die Lupe zu nehmen. Nachdem ich die Welt der VIPs erkundet hatte, war mir klar, dass Bob Geldof, der so ziemlich als Erster Prominente für den Kampf gegen die Armut gewonnen hat, einer der Wenigen ist, die sich stetig über einen langen Zeitraum für dieses Ziel eingesetzt haben.

Er ist seit 1984 Aktivist und sammelte zuerst Geld für Opfer von Hungersnöten. Dann arbeitete er auf einen Systemwandel hin. Bono schloss sich seinem Kampf bereits in den neunziger Jahren an. Beide haben in Zusammenarbeit mit zahlreichen Einzelpersonen und Unternehmen Bemerkenswertes erreicht. Und sie sind weiterhin dabei.

IPS: Haben die Konzerte und Kampagnen von Künstlern wie Bono und Bob Geldof den Armen tatsächlich geholfen?

Lindquist: Ja. Es ist aber auch wichtig zu erwähnen, dass es keine wissenschaftlichen Studien gibt, die die Auswirkungen belegen. Dasselbe gilt leider auch allgemein für die Auswirkungen von Entwicklungshilfe auf die Wirtschaftentwicklung in Afrika. Das sind sehr komplizierte Fragen, die von vielen Faktoren abhängen.

Dennoch ist mir klar, dass Bono und Bob Geldof eine wichtige Rolle dabei gespielt haben, dass Afrikas Schulden bei den reichen Ländern 2005 erlassen wurden. Bono und Bob Geldof haben außerdem dem ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush geholfen, den AIDS-Nothilfeplan PEPFAR aufzulegen und die industrialisierte Welt dazu zu bringen, die globale Initiative zur AIDS-Impfung zu bezuschussen. Die beiden Projekte haben einen Großteil der lebensrettenden Medikamente finanziert, die heute acht Millionen HIV-infizierte Afrikaner erreichen.

IPS: Kann ein wohlhabender Superstar wirklich zum Sprecher der Armen in Afrika werden?

Lindquist: Bono und Bob Geldof sind versierte Fürsprecher und Lobbyisten geworden, die sich für eine größere Unterstützung der Allerärmsten in Afrika sowie für einen globalen Systemwandel einsetzen. Sie wollen auch erreichen, dass wichtige Gesetze in Kraft treten, die Transparenz bei den Hilfen garantieren. Sprecher der Armen können sie allerdings nicht sein. Diesen Job müssen die Afrikaner erledigen.

IPS: Wie viel von diesem Engagement wird dazu genutzt, den eigenen Namen in ein gutes Licht zu rücken? Und wie viel hilft tatsächlich?

Lindquist: Ziemlich viele Prominente engagieren sich für wohltätige Zwecke, um selbst besser da zu stehen. Bei Bono und Bob Geldof habe ich aber keine Anzeichen dafür gefunden. Aber natürlich schadet ihr aufrichtiges Eintreten für die Sache nicht ihrem Namen und tut den Rekordverkäufen ihrer Platten keinen Abbruch.

IPS: Die reichsten 20 Prozent Menschen auf der Welt verbrauchen 80 Prozent aller Rohstoffe. Einige Menschen leben in absolutem Luxus, andere hungern. Halten Sie es für möglich, globale Gleichheit zu erreichen - mit oder ohne Unterstützung von Superstars?

Lindquist: Wir müssen einfach auf eine gerechtere Welt hinarbeiten. Alles andere wäre nicht richtig. Das ist der einzige Weg, wie wir die Welt friedlicher und sicher machen können. Ich denke, das ist auch die Voraussetzung dafür, alle zum gemeinsamen Kampf gegen Umweltrisiken und globale Erwärmung zu bewegen.

IPS: Und wie können wir das erreichen?

Lindquist: Der Kampf muss auf verschiedenen Plattformen geführt werden. Wichtig ist es beispielsweise, für Gesetze gegen Korruption und Diebstahl bei Geschäften zwischen Ländern zu kämpfen, die mit Bodenschätzen und Agrarressourcen zu tun haben. Ein weiterer wichtiger Kampf zielt darauf ab, jedem Kind auf der Welt Zugang zu Bildung zu geben. Außerdem muss garantiert werden, dass Frauen überall die gleichen Chancen wie Männer haben.

IPS: Was denken Sie über die Theorie der 'Hilfsfalle', die besagt, dass arme Länder von Entwicklungshilfe abhängig werden?

Lindquist: Es ist nicht so, dass die ärmsten Länder abhängig werden. Das ist eher bei den Regierungsbeamten der Fall. Bei allen Geldtransfers schwingt Korruption mit, und ständig besteht die Gefahr, dass sich Menschen davon verführen lassen.

Die Tatsache, dass eine solche 'Hilfsfalle' sicherlich existiert, ist aber noch kein Grund, die Hilfen einzustellen. Es ist allerdings sehr berechtigt, Transparenz darüber zu verlangen, wie die Hilfen gewährt und verteilt werden. Es sind integrierte Mechanismen nötig, mit denen die Empfänger selbst überwachen können, wozu das Geld, das einem Staat gewährt wird, letztlich verwendet wird. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://whypoverty.net/
http://www.arte.tv/de/armut-eine-globale-herausforderung/6986966.html
http://www.ipsnews.net/2012/11/qa-a-portrait-of-the-superstars-of-celebrity-activism/

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IPS-Tagesdienst vom 16. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2012