Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → FAKTEN

FRAGEN/027: Südafrika - Jugendlichen eine Stimme geben, Rundfunktrainerin Mogoatlhe im Interview (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Februar 2013

Südafrika: Jugendlichen eine Stimme geben - Rundfunktrainerin Mogoatlhe im Interview

von Joan Erakit


Bild: © Mimi Ng'ok

Lesedi Mogoatlhe
Bild: © Mimi Ng'ok

New York, 27. Februar (IPS) - Die Südafrikanerin Lesedi Mogoatlhe hat sich der Aufgabe verschrieben, Jugendlichen ihres Landes eine Stimme zu geben. Als Ausbilderin der 'Children's Radio Foundation' (CRF) macht sie am Kap Teenager mit den Möglichkeiten des Radiojournalismus vertraut.

"Mit Hilfe der Radioprojekte erhalten junge Leute nicht nur die Möglichkeit, ihre eigenen Lebensgeschichten zu erzählen. Sie erwerben zudem kommunikative Fähigkeiten und lernen, wie man beim Rundfunk arbeitet", sagte Mogoatlhe im IPS-Interview.

In einer wirtschaftlich, politisch und kulturell schwierigen Zeit müssen viele Südafrikaner besonders große Herausforderungen meistern. Als Teenager sorgen sie sich um ihre Freunde, die Familie, die Ausbildung und den sozialen Status. Häufig sind sie mit Armut, Krankheit und Gewalt konfrontiert.

Mogoatlhe will Jugendliche vor allem für soziale Fragen interessieren, sie zum kritischen Denken anregen und ihnen das Rüstzeug für Kommunikation vermitteln. "Es ist eine große Versuchung, über die vielen Schwierigkeiten und Ungleichheiten zu berichten, mit denen Menschen fertigwerden müssen - etwa wie Rohstoffe missbraucht werden und Korruption zu einem Synonym für afrikanische Regierungsführung geworden ist", meinte die Trainerin. "Doch scheint dies eine müßige Beschäftigung zu sein, solange ich selbst nicht zur Lösung der Probleme beitragen kann."

Es folgt das Interview in Auszügen.

IPS: Sie befähigen Jugendliche mit Hilfe des Radiojournalismus nicht nur dazu, ihre eigenen Rechte, sondern auch die ihres sozialen Umfelds zu verteidigen. Welche Entwicklungen konnten Sie verfolgen?

Lesedi Mogoatlhe: Junge Menschen, die aus ländlichen Regionen kommen, haben einen größeren Wissensdurst als Jugendliche in Städten. Sie scheinen konzentrierter und neugieriger zu sein, wenn sich ihnen Chancen bieten. Und es fällt ihnen offenbar leichter, sich zu organisieren und alles zu nutzen, was ihnen die Radioplattform zu bieten hat.

Wenn Jugendliche zum ersten Mal in ein Mikrofon sprechen, wächst bereits ihr Selbstbewusstsein. Wenn ihre Stimmen über einen Verstärker übertragen werden, scheint sich auch etwas in ihrem Innern zu vergrößern.

IPS: Wie reagieren die Teenager, mit denen Sie arbeiten, auf die verschiedenen Aspekte der wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Lage im Land?

Mogoatlhe: Es ist so schwierig, für diese jungen Leute zu sprechen. In einigen Gemeinschaften wünschen sie sich fließendes Wasser und genügend Nahrungsmittel. In anderen Haushalten denken sie an nichts anderes, als wie sie an eine neuere Version ihres iPhones herankommen können.

Was in unserem kollektiven Bezugssystem fehlt, sind Plattformen, über die wir uns Gehör verschaffen können. Es geht um Plattformen, die uns ermöglichen, über Alltagsdinge zu sprechen - unabhängig davon, ob es dabei um Bildung, Rassismus, Ungleichbehandlung der Geschlechter, Gewalt oder mangelnde Arbeitsmöglichkeiten geht.

Anders als unsere Eltern, die gegen die Apartheid kämpften, beschäftigt uns nicht mehr die Frage, wann die Freiheit kommt, sondern was Freiheit überhaupt ist.

IPS: Haben die Teenager das Gefühl, dass ihre Stimmen tatsächlich wahrgenommen werden?

Mogoatlhe: Viele Menschen in Südafrika leben in den ländlichen Regionen und haben dort keinen Zugang zu den neuesten Entwicklungen. Über ihre dringendsten Probleme wird dort nicht berichtet. In den Medien kommen sie kaum zu Wort. Ihre Meinungen sind nicht gefragt, wenn es darum geht, wichtige Entscheidungen für die gesamte Gesellschaft zu treffen.

Bei unseren Radioprojekten sprechen Jugendliche über Teenager-Schwangerschaften, Alkoholmissbrauch und das Leben mit HIV. Sie erklären, was diese Probleme für sie selbst bedeuten. Und sie erzählen uns, dass sie anders wahrgenommen werden, seit sie Radio machen. Sie werden nicht mehr als fehlgeleitet oder faul abgeurteilt, sondern als Botschafter ihrer Gemeinschaften anerkannt.

IPS: Wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit mit dem Thema HIV um?

Mogoatlhe: Gerade bilde ich eine Gruppe von HIV-Infizierten aus Khayelitsha zu Radiojournalisten aus. Mein Beitrag besteht darin, dass ich sie ermutige, ihre Erfahrungen zu teilen, sie für ihren Wissensdurst lobe, ihnen die entsprechenden Fähigkeiten beibringe und sie darauf hinweise, dass ihre Storys negative oder positive Auswirkungen haben können, wurden sie erstmal gesendet.

Wenn ein Schüler offen über seinen Gesundheitszustand reden will, weil ihm die Anonymität des Radios ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, weise ich ihn auf die Möglichkeit hin, ein Pseudonym zu benutzen. Ich bin nicht unbedingt daran beteiligt, wenn danach Probleme zu lösen sind. An diesem speziellen Projekt arbeitet zudem ein Aktivist mit, der Betroffene berät. Zu ihm haben die Jugendlichen Vertrauen. Zu Beginn eines Workshops sprechen wir immer über Vertraulichkeit und Ethik. Wir schaffen unsere eigenen Hausregeln, die zwischen uns Vertrauen aufbauen.

IPS: Warum ist die Arbeit Ihrer Organisation so wichtig?

Mogoatlhe: Unsere Arbeit ist wichtig, weil wir Jugendliche ansprechen, die unterprivilegiert sind und denen sich nur wenige Chancen bieten. Mit Hilfe der Radioprojekte erhalten die jungen Leute nicht nur die Möglichkeit, ihre eigenen Lebensgeschichten zu erzählen. Sie erwerben zudem kommunikative Fähigkeiten und lernen, wie man beim Rundfunk arbeitet. Durch das Radio können die Jugendlichen den sozialen Wandel vorantreiben.

Vor Kurzem haben wir das 'Young Reporters Network in South Africa' vorgestellt, das 15 junge Journalisten von zwölf verschiedenen Radiosendern zusammenschließt. Sie produzieren wöchentlich Sendungen, in denen es um soziale Fragen geht. Diese Sendungen tauschen sie untereinander über die von Berlin aus betriebene Internet-Plattform 'Soundcloud' aus. Mit Hilfe dieses Modells sind sie in der Lage, ihre Altersgenossen auch in abgelegenen Teilen des Landes zu erreichen, wo die großen Publikumsmedien nicht zugänglich sind. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.childrensradiofoundation.org/index.php
https://soundcloud.com/groups/youth-radio-network-south-africa
http://www.ipsnews.net/2013/02/qa-radio-gives-a-voices-to-south-african-youth/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. Februar 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2013