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FRAGEN/039: Es ist ein Irrglaube, dass kostenlos minderwertig ist (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 18 vom 12. November 2013

Es ist ein Irrglaube, dass kostenlos minderwertig ist

Interview von Michaela Voigt



DRESDEN-concept aktuell: Anlässlich der "Open Access Week", die von der SLUB - diesmal gemeinsam mit der Graduierten Akademie - veranstaltet wurde, fragte UJ beim Begründer einer Fachzeitschrift auf Qucosa.Journals, Dr. Catalin Stefan, nach.


Eine eigene wissenschaftliche Zeitschrift gründen? Diesen Schritt ging Dr. Catalin Stefan vom Institut für Abfallwirtschaft und Altlasten (IAA) der TU Dresden bereits vor über zwei Jahren. 2011 erschien die erste Ausgabe des "Journal of Vietnamese Environment". Zunächst unterstützt durch das Medienzentrum der TU Dresden, übernimmt nunmehr die SLUB das Hosting und führt die Zeitschrift auf der neuen Plattform Qucosa. Journals fort. Wir haben uns von Dr. Stefan von seinen Erfahrungen beim Herausgeben einer Open-Access-Zeitschrift berichten lassen.


UJ: Was hat Sie bewogen, eine eigene Zeitschrift zu gründen?

Dr. Catalin Stefan: Unser Institut ist seit 14 Jahren in Vietnam im Bereich Umweltforschung sehr aktiv. So führen wir zum Beispiel mit unseren vietnamesischen Partnern bilaterale Forschungs- und Entwicklungsprojekte durch und haben in den vergangen Jahren verschiedene Aus- und Weiterbildungsprogramme initiiert (erfahren Sie mehr über unsere Aktivitäten in Vietnam auf der TUD-Webseite). Wir haben dabei ein wachsendes Engagement für Umweltschutz in Vietnam beobachtet. Gleichzeitig mussten wir jedoch feststellen, dass es nur wenige Fachpublikationen in dem Bereich gibt. Die Überlegung war also einfach: Wenn es kein Publikationsorgan mit diesem Zuschnitt gibt, warum nicht einfach selbst eines ins Leben rufen?


UJ: Die Inhalte der Zeitschrift sind weltweit frei über das Internet verfügbar; die Beiträge erscheinen unter einer Creative Commons-Lizenz. Warum haben Sie sich für das Open-Access-Modell entschieden?

Dr. Catalin Stefan: Diese Entscheidung lag für uns nahe: Für Forschungseinrichtungen und Bibliotheken in Vietnam ist es oftmals schwer, ihren Wissenschaftlern Zugriff auf begutachtete, wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu ermöglichen. Sie können ganz einfach die oft horrenden Kosten für Zeitschriftenabonnements nicht tragen. Für uns hat der uneingeschränkte Wissensaustausch mit unseren vietnamesischen und auch anderen internationalen Partnern die höchste Priorität. Auf die Inhalte des "Journal of Vietnamese Environment" können alle Interessierten weltweit sofort nach Veröffentlichung zugreifen, ohne dafür Lizenzkosten zu zahlen. Das entspricht ganz unseren Anforderungen an den freien Wissensaustausch.


UJ: Wenn es keine Einnahmen über Subskriptionskosten gibt, wie trägt sich denn das Journal dann finanziell?

Dr. Catalin Stefan: Alle Beteiligten arbeiten unentgeltlich an der Zeitschrift mit - sei es als Editor, Reviewer oder bei sonstigen Aufgaben. Die Mitarbeit ist sozusagen das Engagement in der Fachwelt eines und einer jeden Einzelnen. Dank der Unterstützung der SLUB, die uns die technische Plattform kostenfrei zur Verfügung stellt, fallen auch keine Kosten für Server oder für Programmierarbeiten an. Wir erheben keine Artikelgebühren, wie es in anderen Open-Access-Zeitschriften üblich ist, um sich zu refinanzieren. Das soll auch in Zukunft so bleiben!


UJ: Warum sollten Autoren Ihrer Meinung nach in Open-Access-Zeitschriften publizieren?

Dr. Catalin Stefan: Der entscheidende Grund ist natürlich die Erhöhung der Sichtbarkeit durch eine breite Zugänglichkeit. Die Open-Access-Zeitschriften hatten am Anfang keinen so guten Ruf, weil für viele Autoren "kostenlos" gleich "minderwertig" bedeutet. Das ist aber ein Trugschluss. Für Open-Access-Zeitschriften gilt das Gleiche wie für traditionelle Zeitschriften: Die Qualität der Beiträge steht und fällt mit den Autoren, den Gutachtern und natürlich den Herausgebern. Der einzige Unterschied, den man pauschal feststellen kann, ist das Umkehren des Finanzierungsmodells - nämlich dass nicht für das Lesen der Beiträge gezahlt wird, sondern ihr Entstehen. Ob über Artikelgebühren oder über institutionelles Sponsoring. Da mag es verschiedene Ansätze geben, die sicher alle ihre Berechtigung haben. Über die Qualität der Zeitschrift sagt dies jedoch wenig aus!


UJ: Was können Sie Wissenschaftlern mit auf den Weg geben, die darüber nachdenken, eine Zeitschrift zu gründen?

Dr. Catalin Stefan: Eine Zeitschrift zu gründen stellt einen vor viele Herausforderungen. Ich würde dazu raten, dass man versucht, sich folgende Fragen zu beantworten: Wodurch hebt sich meine Zeitschrift von den vielen anderen ab (thematisch, geographisch...)? Im Produktmanagement würde man wohl sagen, was ist der Unique Selling Point. Kann ich ausreichend Expertise im Arbeitsfeld der geplanten Zeitschrift aufweisen? Kann ich genügend Mitglieder für den redaktionellen Beirat und Gutachter für das Peer Review finden? Und natürlich auch: Welche technischen Instrumente habe ich für das Management der Zeitschrift zur Verfügung? Nicht zuletzt muss man sich auch mit der Frage auseinander setzen, wie man die anfallenden Kosten bewältigt, auch auf lange Sicht.

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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 24. Jg., Nr. 18 vom 12.11.2013, S. 3
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82
Telefax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2013