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FRAGEN/041: Honduras - Journalisten angefeindet, verfolgt, ermordet... Interview mit Dina Meza (M - ver.di)


M - Menschen Machen Medien Nr. 2/2014
Medienpolitische ver.di-Zeitschrift

Journalisten angefeindet, verfolgt, ermordet
Interview mit der Journalistin Dina Meza aus Honduras

Das Gespräch führte Knut Henkel



Die honduranische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin lebt in Tegucigalpa - einer der gefährlichsten Städte der Welt. In der honduranischen Hauptstadt werden Journalisten angefeindet und verfolgt. Während des Präsidentschaftswahlkampfes im November des vorigen Jahres gab es mehrere Morde.


Knut Henkel: Der neue Präsident Juan Orlando Hernández ist vereidigt - hat sich damit auch die Situation in Honduras beruhigt?

Dina Meza: Nein, denn es gibt nach wie vor Angriffe auf Berichterstatter, es gibt eine Tendenz, diesen Beruf zu kriminalisieren, wenn die Reporter nicht wie gewünscht agieren. So hat es erst vor wenigen Tagen einen Prozess gegen einen Kollegen wegen Verleumdung gegeben. Der Journalist hatte über Korruption im Universitätssektor berichtet, über den Handel mit akademischen Titeln. Doch das Gericht sah das nicht als erwiesen an und verurteilte ihn zu einem Jahr und vier Monaten Gefängnis.


Knut Henkel: Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen vom letzten November hat es eine Reihe von Morden gegeben - ist die Gewalt inzwischen zurückgegangen?

Dina Meza: Generell schon, aber erst am 5. Februar wurden der Produzent einer Fernsehsendung und seine Frau ermordet aufgefunden. Ich hoffe, dass in diesem Fall ermittelt wird, denn das ist in Honduras keine Selbstverständlichkeit. Das wird auch international kritisiert, so zum Beispiel vom PEN Komitee "Writers in Prison".


Knut Henkel: "Writers in Prison" setzt sich für die Freiheit des Wortes und für den Schutz verfolgter Schriftstellerinnen und Schriftsteller weltweit ein. Sie und zwei weitere Kollegen wurden im Januar für Ihr Engagement mit dem gemeinsam mit Oxfam verliehenen Preis der freien Meinungsäußerung ausgezeichnet. Wie wird auf politischer Ebene in Honduras darauf reagiert?

Dina Meza: Kaum. In Honduras ist die Politik damit beschäftigt sich neu zu orientieren. Im Parlament gibt es zwei neue Akteure mit dem Bündnis "Libre" von Präsidentschaftskandidatin Xiomara Castro (die das Wahlergebnis wegen Unregelmäßigkeiten angezweifelt hat) und der Partei gegen die Korruption (PAC). Die PAC ist mit dreizehn Sitzen ins Parlament gewählt worden, Libre mit 37. Diese beiden neuen Akteure haben angekündigt, dass sie den Kongress nicht zum Spielzeug der Eliten verkommen lassen werden und sind eine Koalition eingegangen. Ihnen stehen die Liberale und die Nationale Partei gegenüber, die ihrerseits angekündigt haben, dass der Kongress nicht zur Bühne der Linken werden würde. Wir leben in einem stark polarisierten Land!


Knut Henkel: Wir wirkt sich das auf den Journalismus aus? Seit dem Putsch gegen Ex-Präsident Zelaya 2009 sind über dreißig Journalisten ermordet worden.

Dina Meza: Ausgesprochen negativ, die Zahl der Journalistenmorde spricht Bände. Die Selbstzensur ist ein gravierendes Problem, denn alle Journalisten wissen, welche Risiken sie eingehen, wenn sie über bestimmte Themen berichten. Und in den von den konservativen Eliten des Landes kontrollierten Medien gibt es auch Zensur. Sie sorgt dafür, dass es eine Zweiteilung des Mediensystems gibt, wodurch das Gros der Bevölkerung nicht weiß, was im Land passiert. Es kommt auch immer wieder zu Anfeindungen von Journalisten durch Regierungsvertreter. So wurde zum Beispiel ein bekannter Journalist, der kritisch über die Diskriminierung und Diffamierung von Lehrern berichtet hatte, kürzlich vom Bildungsminister links liegen gelassen. Er hat ihm schlicht das Interview verweigert. So etwas ist nichts Ungewöhnliches.


Knut Henkel: Sie persönlich haben auch Morddrohungen erhalten. Wie ist Ihre derzeitige Situation?

Dina Meza: Ich bin vor und während den Wahlen mehrfach verfolgt, beobachtet und ausgespäht worden. Mein Telefon wurde abgehört, ich erhielt Drohanrufe, musste auch wieder einmal meine Wohnung wechseln, weil ich Angst um meine drei Kinder hatte. An dem Wagen, mit dem sie zur Schule gebracht werden, war ein Reifen manipuliert worden. Zudem stand über Wochen immer wieder ein Mann an der Ecke gegenüber von unserem Haus. Für mich ausreichend Gründe, um umzuziehen.


Knut Henkel: Sie sind sehr engagiert, arbeiten unter anderem für das Komitee der Angehörigen von Verhafteten und Verschwundenen in Honduras (COFADEH). Wie funktioniert das in der Realität?

Dina Meza: Ich erhalte ein festes Gehalt vom Komitee und vertrete dort die Belange der Angehörigen. Wir arbeiten mit Anwälten, vertreten die Interessen der Familien. Parallel dazu betreue ich die Honduras-Sektion der Menschenrechts-Website "Frontline Defenders" und informiere in einer Radiosendung über die Situation der Menschenrechte in Honduras.


Knut Henkel: Ende 2012 wurden Sie massiv bedroht und mussten ins Ausland gehen. Sie haben einen Kurs an der britischen Universität York für Menschenrechtsaktivisten und Journalisten absolviert. Dabei ging es um Strategien und Vorsichtsmaßnahmen, um sich selbst zu schützen. Helfen Ihnen diese neuen Kenntnisse im Alltag und bei der Arbeit in Tegucigalpa?

Dina Meza: Ja, ganz klar, ich schaue aufmerksamer, analytischer und treffe Vorsichtsmaßnahmen. Ich habe dort viel Nützliches gelernt. Wir organisieren hier nun auch Kurse für gefährdete Journalisten. Allerdings fehlt uns für diese Arbeit immer noch das nötige Geld.


WEITERE INFORMATIONEN:
http://tinyurl.com/nwvz497
http://tinyurl.com/oltfpy9

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Quelle:
M - Menschen Machen Medien Nr. 2, März 2014, S. 27
Medienpolitische ver.di-Zeitschrift, 63. Jahrgang
Herausgeber:
ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Fachbereich 8 (Medien, Kunst, Industrie)
Bundesvorstand: Frank Bsirske/Frank Werneke
Redaktion: Karin Wenk
Anschrift: verdi.Bundesverwaltung, Redaktion M
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Telefon: 030 / 69 56 23 26, Fax: 030 / 69 56 36 76
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2014