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FRAGEN/056: Sabine Kroesen - Für einen positiven, gewaltfreien Journalismus (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Für einen positiven, gewaltfreien Journalismus

Von Milena Rampoldi, ProMosaik, 19. Oktober 2016



Sabine Kroesen vor einer Plakatwand, die die Porträts bedeutender Friedensaktivisten zeigt. Ein Platz ist ausgespart. Stellt man sich vor die Wand, sieht es aus, als sei man einer von ihnen - Bild: © Pressenza

Sabine Kroesen aus Wien: für einen positiven, gewaltfreien Journalismus
Bild: © Pressenza

Anbei mein Interview mit der Friedensaktivistin aus Wien Sabine Kroesen des deutschsprachigen Teams von Pressenza. In diesem Interview habe ich vor allem das Ziel verfolgt, auf die Bedeutung der alternativen Medien für den Frieden und die Menschenrechte zu fokussieren. Positive Themen müssen mehr in die Medien, um Menschen davon zu überzeugen, dass Fremd nicht gleich Schlecht bedeutet und dass Flüchtlinge und Ausländer Menschen sind wie wir, weil wir alle nur zur einzigen Familie der Menschheit gehören. In dieser Perspektive werden Migration und Flüchlingsbewegungen zur einer wichtigen Chance für das menschliche und diverse Wachstum unserer Gesellschaften. Akzeptanz und nicht militärische Macht sind die richtige Antwort auf Menschen, die Schutz bei uns suchen.

Milena Rampoldi: Welche Hauptthemen gehen Sie in Ihren Artikeln an?

Sabine Kroesen: Ich bewege mich vor allem in den Themen Frieden, Abrüstung, Flüchtlinge, Berichte/Interviews über Menschen, die in diesem Thema aktiv sind oder über ihr Erlebtes berichten wollen. In meiner Umgebung gibt es so viele Vorurteile und Diskriminierung gegenüber Fremden, auch in der eigenen Familie. Ich möchte einen Beitrag leisten, dass die Menschen sich mit diesem "Fremden" konfrontieren. Dass sie verstehen, dass diese Meinungen, Bilder, Realitäten und Vorurteile in ihrem Kopf sind, produziert auf der einen Seite durch Manipulation, aber auch durch die eigene Unsicherheit und Angst vor der Zukunft noch bestärkt wird.

Milena Rampoldi: Wie wichtig ist der Journalismus für die Menschenrechte gerade heute in Österreich?

Sabine Kroesen: Mir fällt immer wieder auf, wie viele mit Absicht manipulierte Nachrichten im Umlauf sind. Wie ich schon sagte, das kann ich am besten in meiner Familie und Umgebung feststellen. Ich habe vor kurzem meine Schwester zum Peace Heroes Walk Vienna mitgenommen. Sie kommt aus einer Kleinstadt und die Menschen dort haben eher eine Mainstream-Meinung, die sie aus der Tageszeitung bekommen (Moslems sind Terroristen, Ausländer sind Schuld an ... etc.). Als wir dort waren, haben wir festgestellt, dass es vor allem Nichtösterreicher waren, die zu diesem Peace Heroes Walk gekommen sind, während die Österreicher überwiegend shoppen waren.

Es waren vor allem Menschen aus Pakistan und Afghanistan dort. Das zeigt eine andere Seite. Moslems setzen sich für den Frieden ein. Und ich denke, es ist wichtig darüber zu berichten, dass wir viel mehr sind, die den Frieden wollen als umgekehrt. Und dass es nicht davon abhängig ist, aus welchem Land wir kommen oder ob wir eine Religion haben.

Wie eine liebe Freundin bereits sagte: We are only one race. A HUMAN RACE.

Journalismus bedeutet eine große Verantwortung. Wir können einen großen Beitrag leisten, indem wir die Welt von vielen anderen Seiten zeigen. Zum Beispiel all die vielen Aktivisten, alleine hier in Wien, die sich für den Frieden einsetzen.

Milena Rampoldi: Was können wir als Aktivisten tun, um uns der Fremdenfeindlichkeit im Westen zu widersetzen?

Sabine Kroesen: Es gibt sehr viele Menschen, die sich für den Frieden, die atomare Abrüstung, die Gewaltfreiheit einsetzen. Ich sehe aber auch immer noch, dass sich diese Menschen nicht wirklich zusammentun. Jede Gruppe, Organisation oder Einzelperson arbeitet noch ziemlich isoliert, macht ihre eigenen Veranstaltungen. Es ist ganz wichtig, dass gerade diese Leute, die dieselbe Vorstellung einer gewaltfreien Welt teilen, sich zusammentun und vernetzen. Denn wir, die den Frieden wollen, sind viele. Auch hier funktioniert die Manipulation. Die Massenmedien vermitteln uns eine Realität, dass die Welt voller Gewalt, Diskriminierung und Kriege ist.

Ich habe immer festgestellt, dass Fremdenfeindlichkeit oft da ist, wenn die Menschen isoliert sind und nicht erkennen, dass Vielfalt eine Bereicherung ist. Als ich vor kurzem in Berlin beim Friedenskongress war, dachte ich mir, wie schön könnte doch die Welt sein. Es waren viele Menschen aus verschiedenen Ländern da. In solchen Momenten freust du dich über die Verbundenheit, den Austausch und denkst nicht darüber nach, was dich vom anderen trennt. Ich denke das ist etwas ganz Wichtiges. Aber in der Gesellschaft lernst du von Anfang an, deinen Blick auf das zu richten, was dich vom anderen trennt, was die Unterschiede sind. Schon in der Schule, der hat bessere Noten, der ist größer oder schöner, dicker oder dünner als du. Das Gemeinsame zu sehen und nicht was uns trennt, wäre schon ein Anfang.

Milena Rampoldi: Wie können wir mit unserer Arbeit den Frieden fördern?

Sabine Kroesen: Nachdem ich jetzt über 25 Jahre in den Themen Nichtdiskriminierung und Gewaltfreiheit aktiv bin, habe ich vor kurzem überrascht festgestellt, wie viel innere Gewalt ich noch immer mit mir rumtrage und auch gegen mich selber ausübe. Das wären zum Beispiel die Erwartungen, die ich an mich stelle, mich für Fehler abzuwerten, der eigene Blick, den ich von mir habe, die Moral, die Ressentiments aus der Vergangenheit, Situationen, die einem passiert sind, und noch so einiges. Das alles erzeugt in mir ein Gefühl von Gewalt. Und das hat die Konsequenz, dass ich meine Umgebung dann auch nicht besonders gut behandle, wenn ich nicht darauf achte. Aber das ist ein zu großes Thema. Was ich damit meine, ist, dass man seine eigene innere Gewalt überwinden muss. Den Frieden fördern bedeutet für mich auch die eigene Gewalt zu entdecken, zu transformieren, sich mit sich selber zu versöhnen, mit anderen und seine eigenen persönlichen Erfahrungen anderen weiter zu geben. Friedensarbeit beginnt in einem selber.

Milena Rampoldi: Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach die Vernetzungen und Kooperationen unter den alternativen Medien für die Befriedung unserer Welt?

Sabine Kroesen: Für mich hat alles andere auch keinen Sinn. Es ist gerade in der heutigen Zeit wichtig sich zu vernetzen und nicht isoliert zu arbeiten. Leider wird in den Medien kaum über solche Vernetzungen und Kooperationen berichtet. Es scheint so, als ob alles verhindert wird, dass die Leute erfahren, dass es durchaus vernetzte Gruppen, Medien und Personen gibt. Damit wären wir wieder bei der Manipulation und der Vermittlung von bestimmten Realitäten.

Milena Rampoldi: Wie wichtig sind Übersetzungen von Inhalten über Menschenrechte und Friedensarbeit zwecks Verbreitung humanistischer und pazifistischer Inhalte auch in anderen Kulturen?

Sabine Kroesen: Gerade deshalb finde ich die Arbeit von Pressenza so wichtig. Wir versuchen so viel wie möglich in sieben Sprachen zu veröffentlichen. Es ist jeder willkommen mitzuarbeiten, der einen Journalismus für Frieden und Gewaltfreiheit fördern will.

Außerdem ist es ganz wichtig Informationen zu teilen, aus der ganzen Welt, von allen Kulturen. Wenn die Leute mehr Informationen hätten, was es alles an positiven Aktivitäten und Projekten in der Welt gibt, hätte das große Konsequenzen für die Wahrnehmung der Menschen.

Wenn ich eine gängige Zeitung aufschlage, lese ich über: "wie können wir die Flüchtlinge wieder abschieben, Flüchtlingsobergrenze, Hinrichtungen in Saudiarabien, IS, Gruselclowns, Raubüberfälle, welcher Promi sich scheiden lässt. CETA, Gentechnologie usw".

Man stelle sich vor, welche Realität das bei den Menschen erzeugt. Die Medien sind nicht daran interessiert, die Welt zu informieren oder aufzuklären. Differenzierte Berichterstattung und die Verbreitung von Themen, die den Frieden und die Gewaltfreiheit fördern, sind deshalb in der Medienlandschaft umso wichtiger.


Über die Autorin

Dr. phil. Milena Rampoldi ist freie Schriftstellerin, Buchübersetzerin und Menschenrechtlerin. 1973 in Bozen geboren, hat sie nach ihrem Studium in Theologie, Pädagogik und Orientalistik ihren Doktortitel mit einer Arbeit über arabische Didaktik des Korans in Wien erhalten. Neben ihrer Tätigkeit als Sprachlehrerin und Übersetzerin beschäftigt sie sich seit Jahren mit der islamischen Geschichte und Religion aus einem politischen und humanitären Standpunkt, mit Feminismus und Menschenrechten und mit der Geschichte des Mittleren Ostens und Afrikas. Sie wurde verschiedentlich publiziert, mehrheitlich in der deutschen Sprache. Sie ist auch die treibende Kraft hinter dem Verein für interkulturellen und interreligiösen Dialog Promosaik.
www.promosaik.com


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Johanna Heuveling
E-Mail: johanna.heuveling@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2016

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