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PRESSE/132: Medien - Wie geht es weiter mit der Bistumspresse? (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion - 04/2010

Medien: Wie geht es weiter mit der Bistumspresse?

Von Alexander Foitzik


Nach einer gewissen Übergangsphase soll ab Juni dieses Jahres die Katholische Nachrichtenagentur als redaktioneller Dienstleister für die Paderborner Bistumszeitung "Der Dom" fungieren. Das hat für einige Aufregung in der kirchlichen Medienszene gesorgt.


Auf den ersten Blick haben die beiden Vorgänge nicht unbedingt miteinander zu tun: In zwei deutschen Erzbistümern ist man dabei, neue Lösungen für die eigene Bistumszeitung zu suchen. Bei allerdings sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen: So wurde der im Paderborner Bonifatiusverlag erscheinende "Dom" bis Jahresende 2009 von einer eigenständigen fünfköpfigen Redaktion erstellt.

Die "Katholische SonntagsZeitung für das Erzbistum Berlin" dagegen erscheint seit sieben Jahren im Kölner Verlag Christliche Familie, der seinerseits zur Augsburger Mediengruppe Sankt Ulrich Verlag gehört; den Mantelteil des Berliner Bistumsblatts bildet die "Katholische SonntagsZeitung für Deutschland", herausgegeben von dem Leiter der Augsburger Mediengruppe Dirk Hermann Voß.

In Paderborn machen Verlag und Herausgeber den hohen Kostendruck und die sinkende Auflage für das Ende des bisherigen Modells verantwortlich. Die Auflage der Paderborner Bistumszeitung sank von 84.400 im Jahr 1996 auf 48.600 im Jahr 2006 auf heute 39.500 (alle Angaben zur Auflagenentwicklung in der Bistumspresse beziehen sich auf die kircheneigene Medien-Dienstleistungs GmbH MDG als Quelle). Das nach einer Übergangsphase beschlossene Ende des bisherigen Konzepts im Sommer dieses Jahres stieß dabei auf heftigen Protest unter katholischen Medienleuten wie innerhalb der Leserschaft - denn allseits attestierte man dem "Dom" eine hohe journalistische Qualität (vgl. HK, Februar 2010, 87).


Kirchliche Medienlandschaft vor tiefgreifenden Veränderungen

In Berlin dagegen will man seinen Vertrag mit der "Katholischen SonntagsZeitung" aus inhaltlichen Gründen kündigen, aus "anhaltender Unzufriedenheit mit dem publizistischen Konzept des Mantelteils" wie es von Seiten der Bistumsleitung heißt. Zuletzt hatte sich Kardinal Georg Sterzinsky, Herausgeber nur des Regionalteils, gar genötigt gesehen, einen Kommentar, den der Verleger Voß im Mantelteil veröffentlicht hatte, seinerseits im Diözesanteil zu kritisieren. Dass Voß zudem den Medien- und PR-Bereich des Bistums Augsburg leitet, wird Kardinal Sterzinsky die Zusammenarbeit nicht einfacher, die Trennung wohl leichter gemacht haben: Nicht zuletzt als "Familienbischof" der Deutschen Bischofskonferenz hatte sich Sterzinsky das ein oder andere Mal mit den ganz eigenen familienpolitischen Überzeugungen seines, in PR- und Medienfragen äußerst geschickt agierenden, Augsburger Amtskollegen auseinanderzusetzen. Aber auch der Berliner Diözesanrat hat - nach eigenen Angaben zum wiederholten Mal - gedrängt, aus dem Vertrag mit der "Katholischen SonntagsZeitung" auszusteigen.

Allerdings standen Finanzprobleme auch hinter dem Berliner-Modell. Die "Katholische SonntagsZeitung für das Erzbistum Berlin" löste vor sieben Jahren die im Berliner Morus-Verlag erscheinende "Katholische Kirchenzeitung" ab; die Bistumsleitung hatte sie aus Kostengründen in einer für das Erzbistum finanziell extrem schwierigen Zeit eingestellt. Und der Verleger Voß hatte dem klammen Kardinal damals stattdessen eine für das Erzbistum kostenneutrale Lösung angeboten - ein Versprechen, das er bis heute einlöst.


Beide "Fälle" aber, der Berliner wie der Paderborner, werfen einmal mehr ein Schlaglicht auf die seit Jahren bestehenden vielen Baustellen, das Bündel ungelöster Fragen und unerledigter Aufgaben in der kirchlichen Medienszene, jenseits der Frage, ob es nun ein eigenes katholisches Fernsehen braucht oder ein verstärktes Internet-Engagement. Die Bistumspresse als eine der traditionellen Säulen kirchlichen Medienengagements scheint von allgemeinen Veränderungen und Verwerfungen mit am stärksten betroffen.

Die schwierigen Rahmenbedingungen allen kirchlichen Medienhandelns und für die Bistumspresse im Besonderen sind vielfach beschrieben: Die zunehmend schwierige finanzielle Lage selbst in den einstmals durchweg reichen Bistümern zwingt zum Sparen. Der allgemeine demographische Wandel befördert noch den kirchlichen Mitgliederschwund. Und schenkt man der so genannten Sinus-Milieustudie Glauben, so findet man die kirchenloyalen Gläubigen nur noch in drei von zehn gesellschaftlichen Milieus, nämlich den bürgerlich-konservativen, die stark altern. In diesen kleiner werdenden Milieus findet sich vermutlich aber zugleich auch der größte Teile der Leserschaft von Bistumszeitungen.


Im Wesentlichen lassen sich die 24 Bistumszeitungen in Deutschland nach drei Modellen gruppieren: Nach wie vor gibt es in vielen Diözesen eigenständige Bistumszeitungen mit durchaus unterschiedlicher Auflagenhöhe. Aber selbst die auflagenstärksten Bistumszeitungen haben in den vergangenen Jahren empfindliche Einbußen zu verkraften gehabt: So sank die Auflage von "Kirche + Leben" im Bistum Münster von 163.100 im Jahr 1996 auf 111.200 im Jahr 2006 und heute (IV. Quartal 2009) 94.200; das "Konradsblatt" des Erzbistum Freiburg von 88.200 im Jahr 1996 auf 64.000 im Jahr 2006 und heute 59.200; die Kölner "Kirchenzeitung" von 82.300 auf 62.100 im Jahr 2006 auf 50.000 heute; das "Katholische Sonntagsblatt" des Bistums Rottenburg-Stuttgart von 76.900 im Jahr 1996 auf 54.100 im Jahr 2006 und heute 49.200.


Daneben existieren zwei verschiedene Kooperationsmodelle: Die Augsburger Mediengruppe Sankt Ulrich Verlag umfasst neben Berlin auch regionale Teilausgaben für die Bistümer Augsburg und Regensburg.

Ein Verbreitungsgebiet über die elf Bistümer Hamburg, Osnabrück, Hildesheim, Magdeburg, Görlitz, Dresden-Meißen, Erfurt, Mainz, Limburg, Fulda und Aachen hat die Verlagskooperation "Verlagsgruppe Bistumspresse", zu der sich fünf katholische Kirchenzeitungsverlage zusammengeschlossen haben, unter ihnen der St. Benno Verlag Leipzig, der die gemeinsame Bistumszeitung "Tag des Herrn" der ostdeutschen Bistümer mit Ausnahme Berlin herausgibt. Eine Zentralredaktion mit Sitz in Osnabrück erstellt einen überregionalen Teil für die kooperierenden Bistumszeitungen.


Selbstredend haben alle drei Modelle ihre Gegner wie glühenden Verfechter. Sehen die einen in eigenständigen Bistumszeitungen die für eine Diözese unverzichtbare identitätsstiftende Funktion am Besten gewährleistet, sehen andere darin eher Kleinstaaterei und ein "Wir sind Wir"-Denken am Werk, das sich zudem der Solidarität in schwierigen Zeiten verweigert. Über die bereits existierenden Kooperationsmodelle hinaus aber gibt es seit Jahren immer wieder auch noch weiterreichende Überlegungen - bis hin zu nur einer gemeinsamen Bistumszeitung für alle 27 Diözesen Deutschlands mit jeweils eigenen diözesanen Teilen.


Was wollen die Bischöfe?

Ein recht heterogenes Bild dürften auch die bischöflichen Herausgeber der Bistumszeitungen abgeben, was die Einschätzung von Sinn und Zweck einer Bistumszeitung angeht. Das ist nicht zuletzt entscheidend für die Frage, was man sich diese auch bei weiterem Auflagenverlust kosten lässt. Wobei es auch unter den Fachleuten durchaus unterschiedliche Meinungen gibt, ab welcher Auflagenhöhe beispielsweise und in welchem "Modell" eine Bistumszeitung auch ohne Subventionen aus dem Bistumshaushalt auskommen kann oder sollte.

Auch ließen sich in den letzten Jahren bestimmte Entwicklungen beobachten, die beispielsweise den Verfechtern des klassischen Konzepts einer "journalistischen" Bistumszeitung manches Kopfzerbrechen bereiten. So ist nicht nur in einzelnen Bistümern eine deutliche grundlegende Aufwertung des PR-Bereichs zu beobachten, gelegentlich verbunden mit forcierten Anstrengungen in Sachen Fundraising. Auf massiven Protest unter kirchlichen Medienleuten stieß die Entscheidung des Erzbistums Köln im Jahr 2006, künftig die Chefredaktion der Bistumszeitung und die Leitung der Pressestelle in einer Person zu vereinen (vgl. HK, Dezember 2006, 599f.). Mit eher stillem Argwohn betrachtete mancher aber auch den Umzug der Redaktion der Trierer Bistumszeitung "Paulinus" in das bischöfliche Ordinariat.


Vor diesem Hintergrund wird aufmerksam verfolgt werden, wie sehr sich das jetzt für Paderborn gefundene Modell von dem altbewährten "Dom" unterscheidet, die neue Lösung Vorbehalte gegenüber einem Ausverkauf der Bistumszeitung überhaupt zerstreuen kann oder sich zumindest weiterentwickeln lässt. Denn mit dem künftigen "Dom" ist jetzt auch die weitere Entwicklung bei der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) verbunden.

Was auch immer zuerst da war, Henne oder Ei: Die Zukunftspläne im Paderborner Bonifatius-Verlag trafen auf Überlegungen zur Neupositionierung auch der KNA. Im Herbst bereits hatte der seit Sommer letzten Jahres neu amtierende KNA-Geschäftsführer Thomas Juncker an verschiedener Stelle Überlegungen und Pläne vorgestellt, um der KNA über das eigentliche Nachrichtengeschäft hinaus neue Geschäftsfelder zu erschließen und bereits vorhandene Serviceleistungen weiter auszubauen - so wie das seit Jahren bei säkularen Nachrichtenagenturen auch zu beobachten sei.

So wird künftig die KNA - im Bereich Bistumspresse betritt sie damit Neuland - als "Serviceleistung" fertige Seiten für den "Dom" erstellen. Diese werden in Paderborn von einem dem Herausgeber gegenüber Verantwortlichen zu einer Bistumszeitung zusammengefügt und bei Bedarf auch modifiziert; eine exakte Bezeichnung für diesen Verantwortlichen ist dabei offenkundig noch ebenso wenig gefunden wie sein endgültiges Rollenprofil. Ausdrücklich betont man von Seiten der KNA mit dieser Dienstleistung keine fertige Kirchenzeitung anbieten und für eine angemessene lokale Berichterstattung, die Verwurzelung im Erzbistum sorgen zu wollen.

Dennoch provozierten die Pläne des Bonifatius-Verlags heftigen, auch grundsätzlichen Protest, allen voran von Seiten der Verlagsgruppe Bistumspresse. Dort stößt man sich, wie in einem Brief an alle Verleger von Bistumszeitungen ausgeführt, vor allem an der mit der Paderborner Lösung vorgenommenen Rollenverwechslung der KNA beziehungsweise sieht man sich selbst plötzlich als einer ihrer größten Kunden in direkter Konkurrenz. Hinter den Kulissen allerdings scheint die Phase des öffentlichen Schlagabtausches von intensiven, wenn auch weiterhin kontroversen Gesprächen abgelöst - moderiert unter anderem durch den Katholischen Medienverband.


Entsprechend aufmerksam wird man aber auch auf allen Seiten verfolgen, welche Lösung man jetzt für das Hauptstadtbistum finden wird. Nach eigener Auskunft ist dort noch alles offen. Vertragsgemäß soll die Zusammenarbeit mit der Augsburger Mediengruppe im Herbst dieses Jahres gekündigt werden und damit ab März 2011 ein neuer Weg möglich sein. Eine Arbeitsgruppe im Erzbistum soll bis dahin die verschiedenen Optionen und die vermutlich bereits schon jetzt eingehenden Angebote prüfen.

Spannend wird dabei vor allem sein, ob die Paderborner KNA-Lösung hier ihren ersten Nachahmer findet. Der Berliner Diözesanrat wirbt für eine Zusammenarbeit des Erzbistums mit der Osnabrücker Verlagsgruppe Bistumspresse beziehungsweise eine Integration in das Leipziger Modell "Tag des Herren", das seinen Mantelteil aus Osnabrück erhält.


Alexander Foitzik, Dipl. theol., geboren 1964 in Heidelberg. Studium der Katholischen Theologie in Freiburg und Innsbruck. Seit 1992 Redakteur der Herder Korrespondenz.


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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
64. Jahrgang, Heft 4, April 2010, S. 171-173
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2010