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DOKU/001: BRAND-Trilogie - Vom Eigentum an Land und Wäldern (Frauke Tomczak)


BRAND I - Vom Eigentum an Land und Wäldern

Texte zum Film von Frauke Tomczak

Vom Eigentum an Land und Wäldern
ist der erste Teil der Trilogie überschrieben. Die in der Sache absurde Frage "Wem gehört die Natur?" nimmt hier in greifbarer Weise eine scharf gezeichnete Gestalt an.


"Gegen diesen Mammon hatten wir keine Handhabe", sagt Theresia Jansen im Oktober 2013 nach den Feierlichkeiten zur Entwidmung des "Immerather Doms". 35 Jahre, erzählt sie, haben sie Widerstand geleistet, Protestschreiben, Demonstrationen, Fackelzüge organisiert, Gutachten bestellt, Gespräche mit Politikern geführt. Das Ergebnis dieser nimmermüden Gegenwehr der BürgerInnen ist gleich Null: der "Mammon" des Besitzes, der immer schon zugleich Macht und Gewalt bedeutet hat, - hier wird er in Form des Großkonzerns RWE Gestalt, der von politischer Seite den Braunkohleabbauplan bis 2046 und das sogenannte "Bergrecht", das auch zur Enteignung berechtigt, im Rücken hat. Von letzterem hat RWE weidlich Gebrauch gemacht: alle Bürger, die Widerstand geleistet haben, wurden nicht nur mit diversen Mitteln eingeschüchtert, ihnen wurde zuletzt mit Enteignung gedroht.


Landschaft mit Filmtitel - Grafik: © 2017 by Susanne Fasbender

Grafik: © 2017 by Susanne Fasbender

Die Künstlerin Inge Broska, die seit ihrer Jugend mit der Umsiedlung konfrontiert ist, die bei einer langen Kamerafahrt durch die zum Abriss geweihten Dörfer auf eine wunderschöne Holztür - "meine Lieblingstür" - hinweist, auf geschwungene Fensterbögen und geschmückte Eingangssäulen, wird ihr Dorf als Letzte verlassen. Sie spricht von dem Zwang zur "Wettbewerbsfähigkeit" in dieser Gesellschaft. Von dem "gestohlenen Land" als dem "Grundübel aller nachfolgenden Fehlentwicklungen" spricht Niemand, ein Waldbesetzer im Hambacher Forst, von "Gier und Apathie" spricht Jus. An den WaldbesetzerInnen bricht die Absurdität der Frage "Wem gehört die Natur?" in besonders krasser Weise auf. Es sind vor allem junge Leute, die Widerstand leisten nicht, weil sie wie die BewohnerInnen der Region direkt von der Umsiedlung betroffen sind, sondern aus idealistischen Gründen: "wir haben alle ein Recht auf Natur", sagt Tim in dem Bewusstsein, dass, wenn die Waldrodungen, der weltweite Abbau von Grundrohstoffen so weiter geht, wir "unsere eigene Lebensgrundlage zerstören, die wir brauchen. Zum Atmen, zum Ernähren". Für die Erkenntnis, dass die Natur allen Menschen, auch den zukünftigen Generationen gehört, ist er wie andere WaldbesetzerInnen bereit, seine "eigene körperliche Unversehrtheit zu riskieren". Mit dieser Erkenntnis spricht er einen zentralen Punkt im "Kern der ökologischen Krise" an:

Von dem Prozess, sich Energierohstoffe, also Produkte der Natur wie die Braunkohle, die prinzipiell Gemeingut sein sollten, als Eigentum anzueignen, dadurch Kapital zu akkumulieren und so im Staat die Kontrolle über Energiefragen zu haben, spricht Dr. Clive L. Spash, Prof. für "Public Policy and Governance" an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er stellt die machtkonzentrierte Inbesitznahme von Natur analytisch in den Kontext ihrer kapitalistischen Ausbeutung: in gleicher Weise werden auch in der Klimadebatte Klimafragen ins Bilanzdenken des Banken- und Finanzsektors übertragen. Kurz: Natur wird nicht nur ausgebeutet, sondern unter Profitinteressen finanztechnischen Regeln unterworfen.


Braunkohletagebau mit Förderband und Bagger - Videostill: © 2017 by Susanne Fasbender

Kohleflöz im Tagebau Hambach
Videostill: © 2017 by Susanne Fasbender

Clive Spash, Kritiker der fossilen Industrieökonomie der Gegenwart, bringt die Analysen auf den Punkt, die schon zuvor die Kritikerinnen Joanna Cabello und Jutta Kill angesprochen haben: Joanna Cabello mit dem Stichwort Klimagerechtigkeit - ein Begriff, der den "politischen und sozialen Aspekt" in die Klimadebatte einbringen soll, z.B. in Bezug auf den Import von Emissionsrechten aus Klimaschutzprojekten im globalen Süden, eine Form der zweiten Kolonisierung. Jutta Kill mit ihrer Kritik an dem dieser Entwicklung zugrunde liegenden Kompensationsprinzip, einer "ausgleichenden" Art "Ablasshandel": Großkonzerne pumpen hier weiter unvermindert ihre Abgase in die Atmosphäre, denn sie konnten Verschmutzungsrechte aus solchen o.g. Klimaschutzprojekten erwerben.

Mithilfe staatlicher Investitionen in "eingehegte Wälder" in Afrika können außerdem CO2-Senken für die BRD geschaffen und in die nationale CO2-Bilanz aufgenommen werden, wobei diese Einhegungen oft bewirken, dass den dort lebenden Gemeinschaften noch das Brennholzschlagen für ihren täglichen Verbrauch verboten wird.

Ähnlich wie bei den Waldbesetzern wird hier die Frage "Wem gehört die Natur?" auf ihre machtbestimmte und profitgesteuerte Ausbeutung hin durchsichtig. Mit anderen Worten: Der Handel mit Emissionsrechten verlangsamt nicht etwa den Klimawandel und die Naturzerstörung, sondern treibt sie im Gegenteil voran. Prozesse, die durch die großen Klimakonferenzen, deren eigentliches Ziel es hätte sein sollen, die Zerstörung durch den Klimawandel aufzuhalten, noch beschleunigt wurden, indem sie mit dem Kyoto-Protokoll das Prinzip der Kompensation als Grundpfeiler der Klimaschutzpolitik salonfähig gemacht haben.

Was die Marktförmigkeit von Natur für die Menschen, ihre jahrhundertealte Kultur ebenso wie für die uralte Naturlandschaft bedeutet: hier ist es mit Händen zu greifen.

Wir sehen Wilhelm Breuer, einen Ingenieur der Landschaftspflege und ehemaligen Bewohner der Ortschaft Hambach, nahe dem Wald: er hört die Vogelstimmen und kann sie zuordnen: so hören wir auch einen der wenigen verbliebenen Mittelspechte. Über 50 Brutpaare hatte es einst im Hambacher Forst gegeben. Denselben Wilhelm Breuer sehen wir als jungen Mann in einem Filmausschnitt des 1978 erschienenen Films "Requiem für ein Maiglöckchen" von Aribert Weis, eine Langzeitdokumentaion über den im Hambacher Forst gelegenen Ort Lich-Steinstraß, hören seine scharfe Protestrede, die er 1978 gegen die Abholzung des Forstes klar und deutlich durch ein Megaphon spricht.


Reste der Kapelle und der Grabstätten - Videostill: © 2017 by Susanne Fasbender

Friedhof in Borschemich kurz vor dem Abbaggern
Videostill: © 2017 by Susanne Fasbender

Von der erbarmungslosen Rigidität, der vorgetäuschten Alternativlosigkeit, der blinden bulldozerartigen Mentalität der Destruktionsprozesse erzählt der Film mit antipodischen Mitteln:
mit den Mitteln der klarsichtigen Analyse von den strukturellen Verwerfungen des sogenannten Klimaschutzes, mit den Mitteln der sensiblen Beobachtung von betroffenen Persönlichkeiten - von Widerstand Leistenden in der Bürgerinitiative wie unter den WaldbesetzerInnen - mit den filmischen Mitteln langer Kamerafahrten von dem Zauber und der Schönheit der zum Verschwinden verdammten Landschaft und den Dörfern und wiederum dem filmischen Mittel der motivisch wiederholten Montage: das Bild der atemberaubenden Gegenwart eines riesigen, uralten Magnolienbaumes in Blüte zieht sich durch den ersten und den zweiten Teil des Filmes: eine Pracht, die wie alles andere der Vernichtung anheim gefallen ist. Und schließlich die Kontrast-Montage blühender Dörfer und dem lichtdurchfluteten Hambacher Wald mit der schwarzen toten Wüste eines Braunkohlebeckens, dessen leblose Schwärze endlos bis an den Horizont reicht.

BRAND - eine dokumentarische Trilogie, die mit analytischen Mitteln den "Kern der ökologischen Krise" namhaft macht, mit klug eingesetzten filmischen Mitteln die naturalen, sozialen und emotionalen Wirkungen dieser menschengemachten Katastrophe aufspürt und schließlich mit künstlerischen Mitteln das Ausmaß des unwiederbringlich Verlorenen vergegenwärtigt.


Kraftwerksblöcke mit Dampfsäule - Foto: © 2018 by Schattenblick

Braunkohlekraftwerk Niederaußem
Foto: © 2018 by Schattenblick

Dr. Frauke Tomczak ist Literatur- und Filmwissenschaftlerin, Autorin und Dozentin. Sie hat über Jahre thematisch ausgerichtete Filmreihen organisiert, kuratiert Kulturkooperationen, zuletzt eine Reihe zum 100. Geburtstag von Heinrich Böll und kuratiert seit fünf Jahren die Lyrikreihe im onomato Künstlerverein in Düsseldorf.

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Quelle:
© 2017 by Frauke Tomczak
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2018

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